Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin

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Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
Heft 2 | 2021
                 www.themen-magazin.de
                 ISSN 2194-1343

                                      Reformstau
                                    Energiewende

                                                          Se i t e 3:
                                                E xklusiv
                                                               n neseyssen T
                                                    r. J o h a
                                                D
                                         S. 7 Dezentral, marktwirtschaftlich, klimaschonend
                                         		 Jochen Rumstadt, Vorsitzender
                                         		 der Geschäftsführung, STEAG

                                         S. 20 Herausforderungen auf den Punkt gebracht
                                         		 Ingela Marré, Production Lead,
                                         		 Handelsblatt Media Group
Grafik: www.punkt191.de

                                         S. 28 Klimaschutz geht nur mit Gas –
                                         		 Nutzen von Nord Stream 2
                                         		 Dr. Wolfgang Peters, Director,
                                         		 The Gas Value Chain Company
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
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2 # themen!magazin # 2|21
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[E.ON]

                                                                                                                               Dr. Johannes Teyssen,
                                                                                                                               Vorstandsvorsitzender, E.ON SE

Vom Konglomerat
zum Rückgrat
der Energiewende
Eintritt in den Konzern 1989, seit 2004 Mitglied des Konzernvorstands und seit                                                 „Es gibt nicht die Wirtschaft
über 10 Jahren Vorstandsvorsitzender. Dr. Johannes Teyssen hat für E.ON die                                                    hier und die Menschen dort.
Weichen in die Zukunft gestellt und reflektierte dies auch in mehreren Beiträgen                                               Genauso wenig wie es den
in unserem Magazin. Anlässlich des Wechsels an der Konzernspitze im April                                                      Staat hier und uns Bürger
hatten wir nochmals Gelegenheit, mit ihm einen Blick auf seine Zeit als                                                        dort gibt. Wir alle gemeinsam
Vorstandsvorsitzender zu werfen.                                                                                               sind Wirtschaft und Staat,
                                                                                                                               gemeinsam können und
Herr Dr. Teyssen,                                              Welche Eckpunkte bestimmten                                     müssen wir Lösungen finden
Sie sind mit Ende März aus                                     die Entwicklung in den 20 Jahren?                               und sie selbst umsetzen.
Ihrem Amt ausgeschieden.                                       Auch hier hilft der Blick auf die sehr unterschiedlichen bei-   Es geht um eine stabile
Wie ist Ihr Blick auf 20 Jahre E.ON?                           den Dekaden. In den ersten 10 Jahren stand das Wachs-           Wertschöpfung, die bei
E.ON hat sich in diesen 20 Jahren nahezu vollständig ver-      tum durch internationale Akquisitionen im Fokus. Ich erin-      den Menschen ankommt.“
ändert. Aus einem Unternehmen, das sich vorrangig auf die      nere an die Übernahmen der Ruhrgas, der britisch-ameri-
Energieproduktion in Kraftwerken bis hin zur Öl- und Gas-      kanischen Powergen, der schwedischen Sydkraft, der süd­         Dr. Johannes Teyssen
exploration auf hoher See und in Sibirien konzentrierte, hin   europäischen Geschäfte von Endesa und der russischen
zu einem kundenfokussierten Unternehmen mit stark              Kraftwerksaktivitäten. Dies wurde unter anderem finanziert
wachsenden Infrastrukturgeschäften und modernen Kun-           durch den starken Rückenwind anfänglich frei zugeteilter
denlösungen für eine gelingende Energiewende. Geblieben        Emissionszertifikate bei gleichzeitig schnell steigenden
ist aber unsere starke Unternehmenskultur, die es uns er-      Börsenpreisen für Strom.
laubt hat, uns trotz diverser Rückschläge und Umbrüche
immer wieder neu zu erfinden. Natürlich haben wir Fehler       Nach der Lehman-Pleite und dem sich schnell beschleu-
auf dem Weg gemacht, uns in der ersten Dekade zu zöger-        nigenden Siegeszug der Erneuerbaren wie auch dem
lich und nicht radikal genug bewegt und so auch Kraft und      überraschenden neuen Kernenergieausstieg nach Fukus-
Kapital verloren.                                              hima stand zu Beginn der zweiten Dekade zuerst die Bi-
                                                               lanzsanierung und Effizienzsteigerung im Vordergrund.
In der zweiten Dekade haben wir dann aber unser Unter-         Die Befreiung aus dem negativen Umfeld gelang dann
nehmen schrittweise konsequent auf die Herausforde-            durch den bereits genannten radikalen Umbau des Kon-
rungen und Chancen ausgerichtet: Erst der beschleunigte        zerns in Richtung kundennaher Zukunftsgeschäfte mit
Aufbau der Renewable-Geschäfte hin zur globalen Nummer         starken Wachstumschancen.
2 bei Offshore Wind und dem Verkauf der stark emissions-
belasteten und nicht zu uns passenden Öl- und Gasförder-       Ein besonderes Kapitel war in dieser Dekade natürlich das
geschäfte. Dann die Abspaltung des konventionellen Kraft-      aufregende Hin und Her um die Kernenergie. Es war ver-
werks- und Commodity-Handelsgeschäfts auf die sich gut         bunden mit zahlreichen politischen Volten und ebenso vie-
entwickelnde Uniper. Und schließlich das Tauschgeschäft        len Prozessen, bis hin zum Bundesverfassungsgericht und
mit RWE, durch das zwei starke europäische Player mit un-      einem internationalen Schiedsgericht in Washington. Aus
terschiedlichem Portfolio und Anspruch entstanden. Heute       heutiger Sicht könnte ich sagen: Viel Lärm bis endlich ver-
ist der Umbau abgeschlossen und die Zeit reif für eine         nünftige Kompromisse erreicht wurden. Ich bin froh und
neue strategische Phase. Ich habe großes Vertrauen, dass       stolz, dass wir heute bei E.ON wirtschaftlich wieder voll zu-
mein Nachfolger Leo Birnbaum und sein neues Team sie           rück sind beim berühmten Kernenergiekonsens mit der
mit großem Elan erfolgreich vorantreiben werden.               Schröder/Trittin-Regierung aus 2001. E.ON kann ohne             Foto: MartinLeclaire

                                                                                                                                   2|21 # themen!magazin # 3
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[E.ON]

 Blick auf das Areal der Salzgitter AG mit der ersten industriellen Sektorkopplung in Deutschland an einem Standort.

Sieben Windräder,              Steuerbelastungen oder Sonderzahlungen die 32-jährigen         historisch-wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine
drei Projektpartner,           Produktionsmengen all seiner Kraftwerke in eigenen Anla-       von Zeitzeugen geprägte Erinnerung und lebendige Darstel-
eine Wasserstoffproduktion     gen bis Ende 2022 realisieren. Darüber hinaus wurde er-        lung der Entwicklung der Energiewirtschaft. Angefangen
Zusammen mit der Salzgitter    neut unter anderem durch Jürgen Trittin vermittelt eine        bei der nationalen Monopolwirtschaft der 90er Jahre bis
AG und Linde zeigt E.ON, wie   neue faire Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Poli-       hin zu den Treibern und Gestaltern einer neuen nachhal-
Sektorkopplung funktioniert:   tik vereinbart und umgesetzt. Der Rückbau ist dabei in in-     tigen und wettbewerbsintensiven Energiewirtschaft am
Herausragend bei diesem        dustrieller Hand, Zwischen- und Endlagerung in staatlicher     Beispiel des E.ON-Konzerns. Klug war es, dass die Autoren
in Deutschland einzigartigen   Verantwortung.                                                 die Entwicklungen mit Abstand auf die nachhaltigen Trends
Projekt „Windwasserstoff                                                                      und Entwicklungsschübe untersucht haben und sich nicht
Salzgitter – WindH2“ sind      Es gab also wirklich immer aufregende Themen. Am Ende          in langweiligen chronologischen Beschreibungen von De-
nicht nur die sieben 170 m     konnte aber bei vielen schwierigen Problemen dieser Jah-       tails verloren haben. Interessant war schließlich für mich
hohen Windräder, denn auf      re der gordische Knoten zerschlagen und unsere E.ON gut        vor allem die Sichtweise vieler meiner Mitstreiter aus dem
dem Gelände des Hütten­        und sicher neu aufgestellt werden.                             eigenen Konzern wie aus der Öffentlichkeit. Jetzt nach
werks in Salzgitter wird                                                                      meinem Ausscheiden bei E.ON wird dieses „Stück Erinne-
künftig grüner Wasserstoff     Zum Jubiläum erschien auch das                                 rung“ für mich mit jedem Tag spannender.
erzeugt, um damit die CO2-     Buch „Changing Energy - wie sich
Emissionen in der Stahl­       der E.ON-Konzern neu erfindet“.                                Auf der Handelsblatt Jahrestagung
herstellung bis zum Jahr       Welche Aussage ist für Sie                                     Energie 2017 haben Sie gefordert,
2050 um etwa 95 Prozent        besonders interessant?                                         Energie neu zu denken.
zu verringern.                 „Interessant“ muss ich etwas relativieren, weil ich ja viele   Hat sich hier etwas bewegt?
                               der Ereignisse aus nächster Nähe erlebt habe und in der        Absolut. Ich erinnere mich noch an ein Interview mit Ihrem
                               Geschichte der E.ON auch vorher schon halbwegs sattel-         Magazin zu dieser Zeit, als ich sinngemäß sagte: „Die En-
                               fest war. Sonst wäre ich als CEO auch fehl am Platze ge-       ergiezukunft wird nicht mehr in Parteizentralen, Ministe-
                               wesen. Wirklich gelungen fand ich aber die Art und Weise,      rien oder Behörden gemacht. Sie wird auch nicht in Unter-
                               wie das Autoren Team seine externe Sicht zu einer leb-         nehmenszentralen gemacht. Sie wird vom Kunden ge-
                               haften und alles andere als trockenen Lektüre verdichtet       macht, und sie muss vom Kunden gedacht werden.“ Ich fü-
Foto: E.ON                     hat. Die Publikation ist ja keine klassische Chronik oder      ge hinzu, dass der wichtigste zusätzliche Erfolgsfaktor die

4 # themen!magazin # 2|21
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[E.ON]

positive und schnelle Entwicklung neuer technologischer     Regeln zu beschließen? Die Energiewende ist so vielfältig
Möglichkeiten geworden ist. Denken Sie nur an die über-     und komplex, dass der Versuch politisch alles „richtig“ zu
raschenden Innovations- und Kostensprünge bei Rene­         machen scheitern muss. Daher ist es viel vernünftiger, den
wables und Batterien oder an die neuen Chancen bei grü-     Weg zu ebnen und die Innovationskräfte des Marktes an-
nem Wasserstoff. Das Ziel einer vollständigen Dekarbo-      zuzapfen. Die Energiewende ist doch längst keine mora-
nisierung der Volkswirtschaften ist heute nicht nur Main-   lische Frage mehr. Es ist eine Umsetzungsfrage. Das Tem-
stream, sondern wird auch von den Investoren getrieben.     po dieser Umsetzung wird aber am Ende nicht durch Öko-
Auch bei uns in Deutschland sind endlich erste Schritte     Pioniere entschieden, sondern durch die breite Masse der
für eine nachhaltige Ausrichtung aller Systeme auf die-     Energieverbraucher. Wenn selbst Klimawandelleugner mit
ses Ziel umgesetzt. Schrittweise soll nicht mehr saubere    Grünstrom tanken, weil es günstiger ist, dann sind wir auf
Energie, sondern richtigerweise schmutziges CO2 bepreist    einem guten Weg. Da sind wir noch nicht. Aber die Bundes-
werden. Es wird auch zunehmend verstanden, dass sich        regierung hat erkannt, dass sie der unverhältnismäßigen
der Erfolg und das Tempo in den Infrastrukturen, beson-     Belastung von Strom durch Abgaben und Umlagen ein En-
ders in regionalen und örtlichen Energienetzen entschei-    de bereiten muss. Dann kann grüner Strom fossile Ener-
det, wie auch in den kommunalen Wärme- und Kältenet-        gieträger wie Benzin und Schweröle verdrängen. Nicht
zen und den immer wichtiger werdenden privaten Areal-       durch Verordnungen oder Verbote, sondern durch die Kraft
netzen für Gewerbeparks und neue Wohnquartiere. Hier        von Angebot und Nachfrage. Das wäre vernünftig.
kommen das neue Angebot von Renewables und die
wachsende Nachfrage durch die Elektromobilität, Wär-
mepumpen und die Elektrifizierung von Industrie und Ge-
                                                            Um die ambitionierten Klimaziele im
werbe zusammen. Für all dies steht E.ON, es gibt kein       Energiesektor zu erreichen, müssen
spannenderes Thema für die nächsten Dekaden.
                                                            Umlagen und Abgaben grundlegend
Welche Rolle wird die Digitalisierung
in diesem Prozess übernehmen?
                                                            reformiert werden. Die EEG-Umlage
Das Energiesystem der Zukunft ist viel aufregender als      muss komplett gestrichen und über
das konventionelle System der Vergangenheit. Abermilli-
onen von einspeisenden und verbrauchenden Geräten so-       eine umfassende, steuerbasierte
wie sich stetig wandelnde Bedürfnisse der Kunden pral-
len hier im Millisekundenbereich auf die Möglichkeiten
                                                            Lösung ersetzt werden.
und Grenzen der Infrastrukturen. Ohne die Digitalisierung
ließe sich ein solches System überhaupt nicht aussteu-      Welche Botschaften geben Sie für die
ern. Künftig werden Maschinen die Signale von Maschi-       weitere Diskussion zur Energiewende
nen wie auch die Signale der Menschen lesen. Und Algo-      und den Dialog mit der Politik?
rithmen werden die Datenflüsse steuern – optimiert auf      Genau diese: Weniger Grundsatzdebatten und volle Kraft
Basis künstlicher Intelligenz. Es braucht aber Menschen     auf die Umsetzung. Saubere Energie günstig machen, dre-
und Unternehmen, um die Gesamtsignale und Trends zu         ckige Energie teuer. Dazu noch Bürokratiestau und Regu-
interpretieren. Sie müssen „Ermöglicher“ sein, die Infra-   lierungswust entschlacken, auf Technologieoffenheit und
strukturen stetig weiterentwickeln und den Kunden die       marktwirtschaftliche Lösungen setzen – dann erreichen wir
am besten geeigneten Lösungen anbieten. Die konse-          unsere Klimaziele.
quente und vollständige Digitalisierung des Systems und
der Unternehmen ist also die Pflichtaufgabe der Energie-    Herr Dr. Teyssen, wir wünschen Ihnen
wirtschaft. Deswegen treiben wir bei E.ON mit starken       nach Ihrer Verabschiedung bei E.ON
Partnern aus der IT- und Digitalwirtschaft das Thema vo-    alles Gute für Ihre Zukunft!
ran. Auch hier sehe ich fast unendliche Chancen.            Vielen Dank! Ich werde jetzt sicher den notwendigen Ab-
                                                            stand zur Branche suchen, um den Kopf frei zu bekommen
Eine Ihrer Kernbotschaften ist,                             für neue spannende Themen. Sicher ist, dass ich dabei
Klimaschutz verlangt Vernunft.                              „meinem Unternehmen“ immer emotional verbunden blei-
Kommen wir hier voran?                                      be, aber genauso sicher nicht als Aufsichtsratsvorsitzender
Ist es vernünftig, in immer weiteren Abstimmungsschleifen   zurückkommen werde.
immer kleinteiligere Klimaziele auszurufen und für jeden
Anwendungsfall und jede Technologie eigene Gesetze und      www.eon.com

                                                                                                                          2|21 # themen!magazin # 5
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
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                                              Inhalt
Impressum

Heft 2 | 2021                                 S. 3-5 Vom Konglomerat zum Rückgrat der Energiewende
Red.-Schluss: 24. März 2021                   		 Dr. Johannes Teyssen, CEO, E.ON SE (ausgeschieden zum 1. April 2021)
Auflage 5.000
                                              S.     6 Impressum
Herausgeber:
Dynamik2000 Wirtschaftsmedien Verlag          S. 7-9 Dezentral, marktwirtschaftlich, klimaschonend
                                              		 Jochen Rumstadt, Vorsitzender der Geschäftsführung, STEAG GmbH
Chefredaktion:
Dr. Ing. Lothar Müller (V. i. S. d. P.)
                                              S. 10-12 Mehr Erneuerbare für mehr Industriearbeitsplätze
                                              		 Stefan Kapferer, CEO, 50Hertz Transmission GmbH
Postanschrift:
Dynamik2000 Wirtschaftsmedien Verlag          S. 13 Redispatch 2.0 verlangt hochpräzise und zuverlässige Erzeugnisprognosen
Hohmannstraße 7c, D-04129 Leipzig             		 Alexander Lehmann, Geschäftsführer, UBIMET Deutschland GmbH

Büro Berlin:                                  S. 14-15 Projekt EU-SysFlex unterstützt zuverlässige Stromversorgung
themen!magazin c/o visucom                    		 Dirk Sattur, Technischer Geschäftsführer, MIT NETZ Strom GmbH
Wolfener Str. 32 B, D-12681 Berlin
                                              S. 16-17 Marktkommunikation? Einfach besser in der Cloud!
verlag@wirtschaftsmedien.eu                   		 Andreas Pöhner, Geschäftsführer, Next Level Integration
www.themen-magazin.de
                                              S. 18-19 Rundum-sorglos-Paket für eMobilität
                                              		 Bodo Ruppach, Geschäftsführer, msu solutions GmbH
Layout, Satz, Gestaltung, Produktion:
PUNKT 191 Marketing & Design,                 S. 20-21 Herausforderungen auf den Punkt gebracht
www.punkt191.de                               		 Ingela Marré, Production Lead, Handelsblatt Media Group

Online-Entwicklung und Systembetreuung:       S. 22-24 Stadtwerke Dessau verabschieden Strategie 2025
DynamicWare, www.dynamicware.de               		 Dino Höll und Thomas Zänger, Geschäftsführer, Stadtwerke Dessau GmbH

Bildrechte bei den Autoren.                   S. 25 Chancen sehen und nutzen
Nachdruck, auch auszugsweise                  		 Dennis Schenk, Geschäftsführer, Stadtwerke Rheine Gruppe GmbH
nur mit schriftlicher Genehmigung
des Verlages.                                 S. 26 -27 Herstellung von Wasserstoff: Einführung von Umlageprivilegierungen
                                              		 Dr. Christian Hampel und Dr. Sandra Flemming, Rechtsanwälte, Ernst & Young Law GmbH
Einzelbezugspreis 4,90 Euro
                                              S. 28-29 Klimaschutz geht nur mit Gas – Nutzen von Nord Stream 2
ISSN 2194-1343
                                              		 Dr. Wolfgang Peters, Managing Director, The Gas Value Chain Company GmbH

                                              S. 30 450 MHz-Frequenzen für schnelle Digitalisierung und Versorgungssicherheit
                                              		 Thomas Murche, Technischer Vorstand, WEMAG AG

Titelgrafik: Steffen Jacob, www.punkt191.de

6 # themen!magazin # 2|21
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[STEAG]

                 Dezentral,
        marktwirtschaftlich,
            klimaschonend
                                       Wenn die Energiewende erfolgreich sein will, muss
                                       unser Energiesystem flexibler, marktgängiger und
                                       weniger zentralistisch werden.
                                       Diese Positionen unterstreicht Joachim Rumstadt,
                                       Vorsitzender der Geschäfts­führung, STEAG GmbH, in
                                       seinem Gastbeitrag für THEMEN!magazin

                                                    Das Energiewirtschaftsgesetz gibt in §1 einen Dreiklang
                                                    vor, wie unser Energiesystem beschaffen sein soll, wel-
                                                    chen Zielen sich die Energiepolitik in Deutschland ver-
                                                    pflichtet fühlt: Versorgungssicherheit, Kosten- und Res-
                                                    sourceneffizienz sowie Umweltverträglichkeit bilden ge-
                                                    meinsam das sogenannte energiewirtschaftliche Zieldrei-
                                                    eck. In der Theorie, so scheint es, ist an alles gedacht.

                                                    Die Realität sieht freilich oft anders aus: Immer wieder
                                                    scheint das bestehende Energiesystem an den Rand seiner
                                                    Leistungsfähigkeit zu kommen, die Kunden klagen seit
                                                    Jahren über steigende oder zumindest gleichbleibend ho-
                                                    he Energiepreise, deren größte Bestandteile seit jeher
                                                    Steuern und Abgaben sind. Und der Umweltverträglichkeit
                                                    ist trotz stetig steigenden Anteils regenerativer Erzeugung
                                                    am Strommix nicht gedient, wenn etwa die Stilllegung von
                                                    Kohlekraftwerken faktisch auf unbestimmte Zeit vertagt
                                                    wird, weil sie seitens der Netzbetreiber als systemrelevant
                                                    und damit unverzichtbar für die Gewährleistung der Ver-
                                                    sorgungssicherheit eingestuft werden.                →

Foto: Stefan Windprecht / STEAG GmbH

                                                                              2|21 # themen!magazin # 7
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[STEAG]

Joachim Rumstadt,                 Planungssicherheit und                                      Weil die Ertüchtigung und der Ausbau der Netze insbeson-
Vorsitzender der Geschäfts­       Verlässlichkeit sind gefragt                                dere auf der Höchstspannungsebene – Stichwort Stromau-
führung, STEAG GmbH               Dass die Bundesrepublik nach der Kernenergie auch           tobahnen – den ursprünglichen Ausbauplänen um Jahr-
                                  aus der kohlebasierten Energieerzeugung aussteigt, ist      zehnte hinterherhinkt, verlegen sich Netzbetreiber und Ge-
                                  entschieden. Auch STEAG akzeptiert diese Entschei-          setzgeber inzwischen darauf, die absehbar größer wer-
                                  dung. Womit wir hadern, ist weniger die Entscheidung        denden Probleme in Sachen Versorgungssicherheit durch
                                  an sich, als vielmehr die Art und Weise ihrer Umsetzung     Verbrauchssteuerung in den Griff zu bekommen.
                                  insbesondere für die Steinkohlekraftwerke und deren
                                  Betreiber. Denn Stilllegungsauktionen mit unbestimm-        Paradoxum überwinden
                                  tem Ausgang bieten weder den Unternehmen noch de-           Nach meiner Vorstellung braucht es dringend einer Ertüch-
                                  ren Beschäftigten die notwenige Planungssicherheit          tigung der Energieinfrastruktur, und zwar zuerst der Netze
                                  und Verlässlichkeit, die es aber dringend bräuchte, um      und dann der tageszeit- und wetterunabhängigen Erzeu-
                                  die Stilllegung der Kraftwerke und die strategische         gungsanlagen. Dann – und nur dann – haben dezentrale,
„Die auch politisch oft zu ver-   Neuausrichtung der Unternehmen sozialverträglich ge-        marktgerechte Lösungen und Konzepte eine Chance. An-
nehmende Forderung, dass          stalten zu können.                                          dernfalls werden wir auch weiterhin mit der paradoxen Si-
sich das Verbrauchsverhalten                                                                  tuation leben müssen, dass aus Gründen der Wahrung von
der Menschen den Verfügbar­       Dass jedoch gleich eine ganze Reihe von Steinkohle-         Netzstabilität Strom aus regenerativen Quellen wegen
keiten von Energie anzupas-       kraftwerken, die in der ersten Stilllegungsauktion bezu-    Überangebots an sonnen- und windreichen Tagen schlicht
sen habe, mag unter den           schlagt worden sind und zur Mitte dieses Jahres endgül-     nicht erzeugt wird, weil das Netz nicht imstande ist, diese
gegebenen Umständen               tig stillgelegt werden sollten, nunmehr seitens der Netz-   Menge an Energie aufzunehmen.
technisch plausibel klingen,      betreiber als systemrelevant eingestuft wurden und die
erklärt aber nicht, wie dies      Bundesnetzagentur jetzt entscheiden muss, ob sie die-       Oder wir sehen, dass die Interventionsbedarfe und die In-
kosten- und ressourcen­           sen Anträgen stattgibt, bedeutet für Betreiber und Be-      terventionsluste der Netzbetreiber weiter zunehmen wer-
effizient geschehen soll.“        schäftigte neuerliche Ungewissheit und Beschränkung         den – auch in Bereichen, die ihnen nach dem Prinzip der
                                  der Gestaltungsmöglichkeiten.                               Entflechtung der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungs-
Joachim Rumstadt                                                                              kette – kurz „Unbundling“ – durch den Gesetzgeber seit
                                  Zum Kern des Problems                                       1998 eigentlich von Gesetzes wegen verwehrt sind: So war
                                  Was wie ein neuerliches Lamento, ein weiteres Hadern mit    kurzzeitig ein Gesetzentwurf im Umlauf, der z. B. den Nut-
                                  dem Unvermeidlichen klingt, führt jedoch zum Kern des       zern von Elektrofahrzeugen oder Besitzern einer Wärme-
                                  Problems, das mich umtreibt: Je weniger unsere Strom-       pumpe stundenweise Abschaltungen durch den Netzbetrei-
                                  netze sich imstande erweisen, die zunehmend schwanken-      ber hätte bescheren können, wenn dies aus Gründen der
                                  den Einspeisungen aus regenerativen Energien, die stei-     Netzstabilität notwendig erschienen wäre. Völlig zurecht
                                  gende volatile Entnahme durch immer mehr Wärmepum-          hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, aus dessen
                                  pen, eine steigend wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen     Ressort der Entwurf stammte, diesen einkassiert mit den
                                  und privaten PV-Anlagen problemlos zu handhaben, desto      Worten: „Ich habe das gestoppt, weil ich der Auffassung
                                  stärker wird paradoxerweise die Marktmacht der Netzbe-      bin, dass in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Welt-
                                  treiber gegenüber den übrigen Marktteilnehmern wie Er-      kriegs immer das Prinzip galt, dass der Strom dann verfüg-
                                  zeugern, Händlern, Lieferanten und Kunden.                  bar ist, wenn er gebraucht wird.“

                                  Das Netz mag nicht alles sein, aber ohne das Netz ist al-   Rückfall in die alte Energiewelt?
                                  les andere nichts. Und so rechtfertigt die eingeschränk-    Ein anderes Beispiel: Überall dort, wo es für den si-
                                  te Leistungsfähigkeit der Energienetze nun mehr und         cheren, stabilen Netzbetrieb leistungsfähige, flexible Er-
                                  mehr Ideen und Konzepte, bei denen die Netzbetreiber        zeugungskapazitäten zur freien Disposition der Netzbe-
                                  mehr und mehr in die Rolle des Vetospielers der Energie-    treiber geben muss, die bedarfsweise zuschaltbar sind,
                                  wirtschaft hineinwachsen. Ohne ein aktives Gegensteu-       hat der Gesetzgeber geregelt, dass solche „besonderen
                                  ern wird diese Rolle in Zukunft noch stärker zum Tragen     netztechnischen Betriebsmittel“ (bnBM) geplant, gebaut
                                  kommen. Nämlich dann, wenn mit kostengünstigem              und als vorgehaltene Reserve vergütet werden, ohne an-
                                  Grünstrom betriebene Elektrolyseure in großem Maßstab       sonsten am Marktgeschehen teilnehmen zu dürfen. Zu
                                  Wasserstoff für die notwendige Dekarbonisierung von In-     beobachten ist nun seit geraumer Zeit, dass die Netzbe-
                                  dustrie und Mobilitätssektor produzieren sollen, um die     treiber immer wieder bestrebt sind, derlei Anlagen künf-
Foto: Marc Darchinger /           deutsche Volkswirtschaft auf Dauer auf den Weltmärkten      tig selber zu planen, zu bauen und zu betreiben – ver-
STEAG GmbH                        wettbewerbsfähig zu erhalten.                               bunden mit dem Argument, man wisse schließlich selbst

8 # themen!magazin # 2|21
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
Foto: Alexander Basile / STEAG GmbH
am besten, was für ein stabiles Netz benötigt werde.         Insofern ist STEAG bereits seit Jahren mit Erfolg dabei,      Im Auftrag der RheinEnergie
Schon heute haben Netzbetreiber das Recht, Ladeinfra-        sich auf die Energiemärkte der Zukunft auszurichten.          AG errichtete die auf PV
struktur für Elektrofahrzeuge oder Speicher, sogenannte      Damit sind wir nicht allein. Doch uns und allen anderen       spezialisierte STEAG-Tochter
Netzbooster, zu betreiben. Das aber ist der nächste          Marktteilnehmern gelänge dies deutlich besser, wenn           STEAG Solar Energy Solutions
Schritt hin zu einem Roll-back des Unbundling-Gedan-         die dafür erforderliche Infrastruktur bedarfsgerecht zur      GmbH innerhalb von zehn
kens. Damit droht nun die alte, monopolistische Ener-        Verfügung stünde. Wo das nicht der Fall ist, müsste die       Wochen im bayerischen
giewelt durch die Hintertür der Netzstabilität und Versor-   Infrastruktur mit den Bedarfen wachsen, anstatt per           Münchberg einen Solarpark
gungssicherheit wieder Einzug in die energiewirtschaft-      dirigistischer Markteingriffe für eine Regulierung der        mit einer Leistung von
liche Gegenwart zu halten.                                   Bedarfe und deren Anpassung an den infrastrukturellen         6,5 MWp. Herausfordernd
                                                             Ist-Zustand zu sorgen.                                        war die Integration der neuen
Dabei ginge es auch ganz anders: Entspräche die Lei-                                                                       Anlage in die unmittelbar
stungsfähigkeit der Netze den tatsächlichen Bedarfen         Energieinfrastruktur                                          angrenzen­de, bereits zehn
der sich wandelnden Energiewelt, in der Strom auch für       bedarfsgerecht ausbauen                                       Jahre alte Bestandsanlage.
den Wärmemarkt, die Mobilität usw. immer wichtiger           Die Energieinfrastruktur ist für das wirtschaftliche
wird, hätten auch andere Akteure am Markt eine Chance,       Wohlergehen unseres Landes mindestens ebenso wich-
ließen sich Kosten- und Ressourceneffizienz, wie vom         tig, wie es etwa die Verkehrsinfrastruktur ist. Bei Letzte-
Energiewirtschaftsgesetz gefordert, schneller und ein-       rer scheinen wir uns daran gewöhnt zu haben, dass Flug-
facher erreichen – zum Wohle nicht nur des Klimas, son-      häfen und Bahnhöfe erst Jahrzehnte später als geplant
ders letztlich auch des Geldbeutels der Kunden.              fertiggestellt werden, oder dass man eher klimatolo-
                                                             gisch unsinnige Umleitungen für Schwerlastverkehr aus-
Passgenaue Lösungen                                          weist, statt eine Rheinbrücke einfach zu erneuern.
für die Energiezukunft
Wie das geht, damit hat STEAG seit bald fünf Jahr-           Damit es in der Energiewirtschaft so weit gar nicht erst
zehnten Erfahrung: Wir bieten unseren Kunden und Part-       kommt, braucht es ein Umsteuern – weg von dirigisti-
nern, darunter Raffinerien, Automobilfabriken und Zu-        schen Eingriffen, hin zu mehr Dezentralität und mehr
lieferer, Brauereien, Abfallverwertungsanlagen, Wohn-        marktlicher Selbstorganisation. Ansonsten droht die Ge-
quartieren und Privatkunden, passgenaue Lösungen rund        fahr, dass die steten Eingriffe erst recht jenen Zustand
um alle Fragen der Energie und Dekarbonisierung. Sei es      zementieren, den sie eigentlich zu überwinden helfen
im Bereich der Fernwärme, wo wir immer wieder mit            sollten.
technisch innovativen Lösungen aufwarten können, sei
es bei Industriekundenlösungen, Großprojekten zur rege-      www.steag.com
nerativen Stromerzeugung oder auch am Regelenergie-
markt, wo wir seit mehreren Jahren eine der größten
Speicheranlagen in Deutschland betreiben.

                                                                                                                               2|21 # themen!magazin # 9
Reformstau Energiewende - D r - Themen Magazin
[50Hertz]

      Mehr Erneuerbare
               für mehr
  Industriearbeitsplätze

                              Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz will die Vorreiterrolle
                              des Nordosten Deutschlands als „Grünes Kraftwerk“ stärken.
                              Dazu sind hohe Investitionen in die Netzinfrastruktur, in Digitali-
                              sierung und Flexibilisierung notwendig. Vor allem aber braucht
Arkona, die Offshore-         es dafür mehr Erneuerbare Energien. Stefan Kapferer, CEO von
Plattform in der Ostsee mit   50Hertz Transmission GmbH, spricht im THEMEN!magazin über
Hubschrauberlandeplatz,       die Beschleunigung der Energiewende und die Dekarbonisierung
Foto: Jan Pauls Fotografie    der Industrie – und was dafür getan werden muss.

10 # themen!magazin # 2|21
[50Hertz]

Herr Kapferer, 50Hertz hat im                                letzten Jahr sind zwar an Land rund 427 MW dazugekom- Stefan Kapferer, CEO,
Sommer 2020 die industrie- und                               men und damit etwas mehr als im schwachen Jahr 2019. 50Hertz Transmission GmbH
klimapolitische Initiative „Von 60 auf                       Aber es ist deutlich zu wenig, wenn wir 2032 bei 100 Pro-
100 bis 2032 – neue Energie für eine                         zent landen wollen. Selbst die Pfade, die im aktuellen
starke Wirtschaft“ gestartet. Wie                            Entwurf des Netzentwicklungsplans 2035 vorgezeichnet
weit sind Sie inzwischen gekommen?                           sind, würde man bei diesem Ausbautempo nicht errei-
Bei der Anfangszahl können wir schon ein wenig weiter-       chen. Mindestens eine Verdoppelung der jährlichen Zu-
drehen. Wir liegen jetzt bei 62 Prozent Anteil Strom aus     bauzahlen brauchen wir bei Windenergie an Land.
Erneuerbaren am gesamten Stromverbrauch in unserem
Netzgebiet. Damit es schneller vorangeht haben wir zu-       Bei Wind auf See sehe ich derzeit eine deutliche Diskre-
sammen mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Che-           panz zwischen dem 90 GW-Potenzial, das die Europä-
mie, Energie (IG BCE) kürzlich mehrere Ministerpräsi-        ische Union, die Ostsee-Anrainerstaaten und die jewei-
denten, Minister und Staatssekretäre aus unserem Netz-       ligen Übertragungsnetzbetreiber für die gesamte Ostsee      „50Hertz will zukünftig früher
gebiet und die Spitzen wichtiger Branchenverbände beim       identifiziert haben – und dem, was sich vor der deut-       in die Kommunikation mit
Kick Off zu einer Round-Table-Reihe zu Gast gehabt.          schen Ostseeküste abzeichnet. Nach dem derzeitigen          potenziellen Kunden gehen
                                                             Flächenentwicklungsplan käme der Ausbau der Off-            und hat dazu Projekte zur
Alle waren sich einig, dass es jetzt nach dem Beginn des     shore-Windenergie in der deutschen Ostsee nach 2026         Optimierung von Netz­
Kohleausstiegs einen schnellen Einstieg in neue Techno-      zum Erliegen. Wir halten es für möglich, drei weitere Gi-   anschlussprozessen auf­
logien der Sektorkopplung geben muss und dafür mehr          gawatt auf unterschiedlichen Flächen in der deutschen       gesetzt. Wir sehen uns im
Erneuerbare und eine gute Netzinfrastruktur erforderlich     Ostsee zu realisieren, ohne dass es zu ernsthaften Nut-     Rahmen der regulatorisch
sind. Es ist kein gutes Signal, wenn unsere Chemie- oder     zungskonflikten mit anderen Interessen kommt.               vorgegebenen Abläufe als
Stahlwerke ihre Prozesse dekarbonisieren wollen – es                                                                     Enabler und wollen dazu bei-
aber an Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen         Der Netzausbau wird seit langem                             tragen, dass Erzeuger
oder Leitungsanschlüssen hapert. Wir müssen jetzt an         als Schwachpunkt der Energiewende                           Erneuer­barer Energien und
mehreren Stellen schneller werden. Deshalb setzen wir        gesehen. Teilen Sie diese Meinung?                          industrielle Abnehmer
unsere Round-Table-Reihe mit verschiedenen Branchen          Manchmal verfestigen sich leider Meinungsbilder – die       schneller zum Ziel kommen
und der Politik fort, um weitere Stellschrauben zu iden-     Realität sieht hingegen positiver aus. 50Hertz hat inzwi-   als bisher. Und diese Ziele
tifizieren – und auch daran zu drehen. Und 50Hertz selbst    schen 373 Kilometer der Projekte aus dem EnLAG und          heißen: mehr grünen Strom
trägt auch dazu bei: Wir werden 4,7 Milliarden Euro bis      dem BBPG umgesetzt, fast 1.200 Kilometer sind im Bau,       erzeugen und mehr grünen
2025 in die Stromnetz-Infrastruktur investieren, also je-    genehmigt oder im Prozess vorangeschritten. Wir liefern     Strom nutzen.“
des Jahr fast eine Milliarde Euro.                           also. So wird Strom aus Erneuerbaren Energien bei uns
                                                             immer seltener abgeregelt und es muss immer weniger         Stefan Kapferer
Was läuft momentan positiv – und                             Redispatch angeordnet werden. Innerhalb von fünf Jah-
was weniger gut? Der Nordosten                               ren haben wir beim Engpassmanagement die Kosten von
Deutschlands ist ja bereits heute ein                        350 auf nunmehr 33 Mio. Euro pro Jahr reduziert. Das
„Grünes Kraftwerk“ der Energiewende.                         zeigt: Netzausbau kommt voran und wirkt!
Positiv läuft es bei der Photovoltaik. Hier wurden im ver-
gangenen Jahr über 1,3 GW zusätzliche Leistung instal-       Wir haben im vergangenen Jahr den weltweit ersten hy-
liert und wir sehen neben den vielen Dachanlagen auf         briden Interkonnektor in der Ostsee ans Netz gebracht.
Ein- und Zweifamilienhäusern auch große Freiflächen-         Die Combined Grid Solution verbindet Deutschland und
projekte in der Pipeline. Neu daran ist, dass diese Pro-     Dänemark unter Einschluss zweier Offshore-Windparks.
jekte überwiegend ohne EEG-Vergütung geplant werden          Weitere Seeverbindungen mit Skandinavien sind im Ge-
und dass aufgrund ihrer hohen Leistung ein Anschluss         nehmigungsverfahren, und wir sondieren gerade mit un-
direkt am Höchstspannungsnetz erforderlich sein könnte.      serem Partner, dem dänischen Netzbetreiber Energinet,
Die Systempreise für PV erlauben bei Anlagen dieser Grö-     wie wir gemeinsam die sogenannte Energy Island Born-
ßenordnung mittlerweile eine Stromvermarktung im             holm realisieren können.
Wettbewerb. Das freut natürlich ganz besonders je-
manden wie mich, der ein überzeugter Anhänger von            An Land bauen und verstärken wir an sehr vielen Stellen.
Marktmechanismen ist.                                        Mit der Uckermark-Leitung und am Nordring Berlin kom-
                                                             men wir voran, bei der Kabeldiagonale Berlin starten in
Und die Schattenseite?                                       diesem Jahr die Tunnelvortriebsarbeiten, der SuedOst-
… ist die Windenergie sowohl On- als auch Offshore. Im       Link befindet sich in der Planfeststellung und im gesam- Foto: Jan Pauls Fotografie

                                                                                                                            2|21 # themen!magazin # 11
[50Hertz]

                                                                                            gesetzt werden, wenn es an eigenem Personal mangelt.
                                                                                            Wir appellieren an die Länder, dieses Instrument stärker
                                                                                            zu nutzen und einzusetzen.

                                                                                            Und drittens sind wir für eine Auseinandersetzung mit of-
                                                                                            fenem Visier. So sollten nur solche Verbände eine Klage-
                                                                                            möglichkeit haben, die bereits zuvor in einem Genehmi-
                                                                                            gungsverfahren Einwände erhoben haben. Das jetzige
                                                                                            Verfahren ist eine Einladung zum juristischen Taktieren
                                                                                            und schadet letztlich der demokratischen Auseinander-
                                                                                            setzung.

                                                                                            Sie adressieren mit Ihrer
                                                                                            Beschleunigungsstrategie vor allem
                                                                                            die Industrie im Osten Deutschlands
                                                                                            und in Hamburg. Wie passen die bei-
                                                                                            den Stränge „mehr Erneuerbare –
                                                                                            mehr Industrie“ zusammen?
                                                                                            Die passen perfekt zusammen. In unserem Netzgebiet
                                                                                            sind in den vergangenen zehn Jahren über 100.000 In-
                                                                                            dustriearbeitsplätze entstanden. In Hamburg, im mittel-
                                                                                            deutschen Chemierevier, im Großraum Berlin und natür-
                                                                                            lich in Sachsen und Thüringen. Der Kohleausstieg hat in
Sicherheit: Speziell geschult   ten Netzgebiet nehmen wir an unseren Leitungen konti-       diesem Jahr begonnen und jetzt brauchen wir einen
und gesichert, besteigt ein     nuierlich Optimierungs- und Verstärkungsmaßnahmen           starken Impuls, damit diese Industrien mit „grünem“
50Hertz-Mitarbeiter einen       vor. Daher haben wir unser Investitionsvolumen für die      Strom weiter wachsen sowie Arbeitsplätze erhalten und
der bis zu 80 Meter hohen       Jahre bis 2025 um fast zwei Milliarden Euro gegenüber       schaffen können.
Freileitungsmasten.             dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum erhöht.
Im 50Hertz-Netzgebiet gibt                                                                  Und weil es sich dabei um Verbraucher mit hohem Strom-
es davon mehr als 13.000.       Große Infrastrukturprojekte dauern                          bedarf handelt, sind wir als Übertragungsnetzbetreiber na-
                                in Deutschland extrem lange von                             türlich gefragt, die erforderliche Netzinfrastruktur bereit-
                                der Planung über die Genehmigung                            zustellen. Die Kundenstruktur eines Übertragungsnetzbe-
                                bis zur Inbetriebnahme. Wie kann                            treibers war bisher eher statisch. Konventionelle Kraft-
                                man den Netzausbau beschleunigen,                           werke und große Windparks auf der einen Seite, große In-
                                ohne neue Gesetze zu beschließen?                           dustriebetriebe wie Stahlwerke auf der anderen Seite. Aus-
                                Nadelöhre sind Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Und      bau der Erneuerbaren, Digitalisierung und Wasserstoff
                                dafür haben wir Lösungsansätze: Das Bundesverwal-           bringen jetzt neue Dynamik hinein, weil eine Stromversor-
                                tungsgericht ist die derzeit erste Instanz und muss Tat-    gung über die Mittel- und Hochspannungsebene oft nicht
                                sachen ermitteln. Das kostet Zeit und Ressourcen, selbst    mehr ausreicht, sondern ein 220 kV- oder gleich ein 380
                                Eilverfahren dauern sehr lange. Unser Vorschlag ist, dass   kV-Anschluss erforderlich ist. Das gilt für große Rechen-
                                am BVerwG zwei Senate eingerichtet werden, die sich         zentren ebenso wie für Elektrolyseure oder Chemieunter-
                                ausschließlich mit energierechtlichen Genehmigungsver-      nehmen, die ihre Prozesse dekarbonisieren wollen. Und wir
                                fahren beschäftigen. Es ist doch grundsätzlich besser für   machen Nägel mit Köpfen: Auf die zu erwartende erhöhte
                                alle Beteiligten, in einem transparenten Prozess klare      Grünstrom-Nachfrage der Chemieindustrie im Umfeld von
                                Verhältnisse zu schaffen, als endlose Phasen der Rechts-    Leuna haben wir im aktuellen ersten Entwurf des NEP 2035
                                unsicherheit zu ertragen.                                   bereits reagiert.

                                Bei den Landesverwaltungen können Projektmanager            Herr Kapferer,
                                ganz pragmatisch zur Entlastung beitragen. Dieses In-       wir bedanken uns für das Gespräch.
                                strument steht den Behörden zu, die Kosten übernimmt
                                der Vorhabenträger. Diese externen Manager unterliegen      www.50Hertz.com
Foto: Jan Pauls Fotografie      den Weisungen der Behörden und können schnell ein-

12 # themen!magazin # 2|21
[UBIMET]

                                                                                                                          Alexander Lehmann,
                                                                                                                          Geschäftsführer,
                                                                                                                          UBIMET Deutschland

Redispatch 2.0 verlangt
hochpräzise und zuverlässige
Erzeugungsprognosen
Durch Redispatch 2.0 soll das bisher getrennt geregelte Einspeisemanagement                                               UBIMET setzt bei der
in einen gesamtheitlichen Mechanismus überführt werden. Künftig sollen alle                                               Optimierung von Wind-
am System beteiligten Anlagen ihren Beitrag zur Vermeidung von Netzeng­                                                   und Solarprognosen auf
pässen leisten. Meteorologische Daten sind dafür unverzichtbar.                                                           sogenannte Metaprognosen.
Wir sprachen darüber mit Alexander Lehmann, Geschäftsführer von UBIMET,                                                   Hierbei werden fortlaufend
führender Anbieter hochpräziser maßgeschneideter meteorologischer                                                         die Stärken und Schwächen
Dienstleistungen.                                                                                                         verschiedener Modelltypen
                                                                                                                          analysiert. Aus der Kombi­
Herr Lehmann, UBIMET bietet seit                               • Welche Daten sind gefordert?                             nation und intelligenten
kurzem ein Webinar zum Thema                                   • Was ist meteorologisch möglich & sinnvoll?               Gewichtung dieser jeweils
Redispatch 2.0 an. Mit welchem                                 • Was erwartet die BNetzA in Bezug auf die                 punktgenauen Anlagen-
Hintergrund?                                                       meteorologische Datenqualität – Stichwort              Prognosen ergibt sich eine
Das Hintergrundverständnis in Bezug auf Wetterdaten und            vereinfachte Spitz­abrechnung bei Wind und PV?         Best-of-Prognose, die im
die Erstellung von Erzeugungsprognosen gehört im Rah-          • Wie lassen sich finanzielle Risiken                      Rahmen von Redispatch 2.0
men von Redispatch 2.0 zum Basiswissen für Netzbetrei-             durch Redispatch 2.0 minimieren?                       zur Verfügung gestellt wird.
ber. Für viele Verteilnetzbetreiber ist gerade das Thema der   Großes Interesse fanden die Hintergrundinformationen
Wind- und PV-Erzeugungsprognosen neu. Künftig müssen           zur Entstehung von Prognosen und den wichtigsten
Speicher und Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuer-           Stellschrauben bei der Qualität von Prognosen. Bench-
baren Energien, KWK-Anlagen ab 100 KW sowie Anlagen            marks unter Anbietern zeigen, dass die Unterschiede
größer 30 KW, die durch einen Netzbetreiber fernsteuerbar      doch erheblich sein können, teils liegen bei der Progno-
sind, ihren Beitrag zur Vermeidung von Netzengpässen lei-      següte mehr als 10 Prozentpunkte zwischen den Anbie-
sten. UBIMET kann dabei unterstützen, diesen Teil der Re-      tern. Das Thema ist daher nicht zu unterschätzen, gera-
dispatch 2.0-Herausforderungen zu meistern. Denn der Ok-       de auch bei höherer Betroffenheit.
tober 2021 als Termin zur Einführung des neuen, einheit-
lichen Redispatch-Regimes rückt näher.                         Können Sie ein Beispiel
                                                               für die Anwendung
UBIMET ist ein erfahrener Experte im Bereich Energie-          der UBIMET-Prognosen nennen?
Meteorologie. Wir bedienen seit vielen Jahren Unterneh-        UBIMET beliefert beispielsweise die WEMAG Netz GmbH
men in der Energiebranche. Mit unserem Angebot „Re-            - regionaler Verteilnetzbetreiber in Mecklenburg sowie
dispatch 2.0 – Webinar“ sollen Netzbetreiber in die Lage       Teilen Brandenburgs und Niedersachsens - seit Jahren
versetzt werden, Wetter- und Erzeugungsprognosen qua-          mit Wind- und Solarstromprognosen für ausgewählte
lifiziert zu nutzen und zu bewerten.                           Referenz-Parks für die kommenden Tage. Die WEMAG
                                                               nutzt diese Prognosen für ein aktives Engpassmanage-
Kürzlich lief das erste Webinar,                               ment. Diese Daten werden zukünftig auch im Rahmen
wie war die Resonanz?                                          des Redispatch eine wesentliche Rolle spielen, um Netz­
Für den Einstieg sind wir mit der Resonanz hoch zufrie-        engpässe rechtzeitig zu identifizieren und Maßnahmen
den, es hatten sich Teilnehmer aus dem gesamten Bun-           für einen sicheren Netzbetrieb einzuleiten.
desgebiet angemeldet. Im Webinar wurden wetter­                Dank für das Gespräch.
relevante Fragestellungen beleuchtet wie:                      Weitere Information unter: www.ubimet.com                  Foto: UBIMET

                                                                                                                             2|21 # themen!magazin # 13
[MITNETZ STROM]

Dirk Sattur,
Technischer Geschäftsführer,
MITNETZ STROM

                                Projekt EU-SysFlex
                                unterstützt zuverlässige
                                Stromversorgung
Europäische Kooperation:        Das EU-SysFlex-Projekt testet seit 2017 den hohen Grad an der Integration
Die EU-SysFlex-Projektaktivi­   erneuerbarer Energien in das gesamteuropäische Stromnetz. Mit dem Ziel,
täten bringen innovative Pro­   Probleme und Lösungen im Zusammenhang mit der Integration erneuerbarer
zesse und neue Lösungen         Energien zu identifizieren und einen Plan zur praktischen Unterstützung der
hervor: von der Entwicklung     Stromnetzbetreiber in ganz Europa zu erstellen.
neuer Ansätze für den           Dirk Sattur, technischer Geschäftsführer bei MITNETZ STROM informiert für
System­betrieb mit erneuer-     THEMEN!magazin über das Projekt.
baren Energien über Markt­
design und regulatorische       Die Entwicklung des Stromnetzes zu einem intelligenten       stungsmanagement zur Spannungshaltung, als auch in
Anforderungen bis hin zur       und smarten ist essentiell für eine zukünftige sichere       das Wirkleistungsmanagement einbezogen werden.
Integration neuer System-       und zuverlässige Stromversorgung in Europa. Dies sollte
dienste und Daten­manage­       letztendlich dazu führen, dass ein langfristiger Fahrplan    Die Projektpartner beschreiben und testen notwendige
ment­pläne für den europa-      festgelegt wird, der die umfassende Integration erneu-       Datenaustauschprozesse und Datenpfade, sammeln Da-
weiten Markt.                   erbarer Energien in ganz Europa erleichtert.                 ten zu Wetter- und Lastvorhersagen und verknüpfen die-
                                                                                             se mit den Netzdaten, um Netzengpässe besser vorher-
                                MITNETZ STROM unterstützt das europäische Projekt zur        sehen und planen zu können. Das ermöglicht, Flexibili-
                                Untersuchung der Nutzung von Flexibilitäten aus dem Ver-     täten aus dem Hochspannungsnetz an den Übertra-
                                teilnetz seit den Anfängen. 33 Partner aus 15 europäischen   gungsnetzbetreiber vorherzusagen und bereitzustellen,
                                Ländern – darunter Übertragungs- und Verteilnetzbetrei-      ohne das Verteilnetz negativ zu beeinflussen.
                                ber, Technologieanbieter, Aggregatoren, Beratungsunter-
                                nehmen sowie Universitä­ten und Forschungseinrichtungen      Das System ist seit Januar 2021 Live. Einige Funktionen
                                – beteiligen sich neben E.ON und MITNETZ STROM an die-       werden gerade noch upgedatet. Aber wir konnten bereits
                                sem einzigartigen Vorzeigeprojekt.                           in der Entwicklungsphase erkennen, dass die Unterstüt-
                                                                                             zung für das Übertragungsnetz aus dem Verteilnetz zu-
                                Warum wurde MITNETZ STROM als der enviaM-Verteil-            künftig einen essentiellen Beitrag liefern kann.
                                netzbetreiber ausgewählt? In unserem Netzgebiet ver-
                                zeichneten wir in 2020 Rekordwerte an installierter Lei-     Die in EU-SysFlex entwickelte Lösung basiert auf einer
                                stung und Anlagenzahl von erneuerbaren Energien. Seit        innovativen Lastflussoptimierung. Die Nutzung dieser
                                2008 hat sich die installierte Leistung verdreifacht. Da-    Optimierung kann zur Vermeidung des Spannungsein-
                                mit sind wir nach wie vor einer der Verteilnetzbetreiber     bruches, mit dem Abrufen eines hohen Blindleistungsbe-
                                mit der höchsten Einspeiseleistung in Deutschland.           darfes, einen großen Beitrag leisten. Es ist zu erkennen,
                                                                                             dass es ein stabiles Blindleistungsflexibilitätspotential
                                Demonstrator als innovative Lösung                           zur Spannungshaltung aus dem Verteilnetz für das Über-
                                MITNETZ STROM entwickelte deshalb in den vergangenen         tragungsnetz gibt. Und dies ist trotz des sich stark än-
                                drei Jahren einen deutschen Demonstrator. Dieser be-         dernden Wirkleistungsaustausches vorhanden. Hätte es
                                steht aus koordinierten Prozessen und automatisierten        die in EU-SysFlex entwickelten Werkzeuge bereits früher
                                Tools für die operative Netzführung. Der Netzbetreiber       gegeben, wäre der Anteil an reduzierter Einspeiseleistung
                                demonstriert ein Verfahren, bei dem Anlagen für erneu-       deutlich geringer ausgefallen. Einige Einblicke geben die
Fotos: Christian Kortuem        erbare Energien optimal sowohl in das aktive Blindlei-       folgenden Abbildungen.

14 # themen!magazin # 2|21
[MITNETZ STROM]

Im linken Diagramm ist die Rückspeisung über einen                          weltweit innovativsten Projekte in der Kategorie „Data      EU-SysFlex wurde im Novem­
Übergabepunkt aus dem Verteilnetz ins Übertragungs-                         and Analytics“. Beim International Smart Grid Action Net-   ber 2017 gestartet und endet
netz am 24. Oktober 2018 ersichtlich. Dies zeigt die                        work (ISGAN)-Award erreichten wir 2021 den zweiten          voraussichtlich im Oktober
blaue Kurve (hier übereinanderliegend rote, gestrichel-                     Platz, was das Engagement und die Leidenschaft der          2021. Das Projekt wird mit
te blaue und blaue Strich-Punkt-Kurve). Die Reduzie-                        Teilnehmer für die Beschleunigung zu einer intelligente-    20,5 Millionen Euro aus dem
rung der Einspeisung wurde aufgrund einer unge-                             ren und grüneren Welt unterstreicht. Die Auszeichnungen     EU-Rahmenprogramm für
planten Störung und dem darauffolgenden Span-                               für MITNETZ STROM sind gute Grundlage für die weitere       Forschung und Innovation
nungsabfall im Übertragungsnetz notwendig, um einen                         gemeinsame Entwicklung mit dem E.ON Konzern und             Horizont 2020 gefördert.
Black-Out zu verhindern. In 2018 erfolgte dies ohne die                     weitere Projekte für eine Smart-Grid-Zukunft.
in EU-SysFlex entwickelten Lösungen zur Spannungs-
haltung.                                                                    Ausblick
                                                                            Natürlich ist EU-SysFlex noch nicht beendet. Das gibt
Im mittleren Diagramm ist der Blindleistungsaustausch                       uns als MITNETZ STROM die Möglichkeit, bereits entwi-
und im rechten Diagramm die Spannung auf der Höchst-                        ckelte Lösungen zu verbessern. Dazu gehört zum einem
spannungsseite dargestellt, erkennbar an der jeweils                        die Erhöhung der Zuverlässigkeit der Systeme. Zum an-
roten Kurve. In beiden Diagrammen ist das Flexibilitäts-                    deren ist auch die Analyse des anstehenden Feldtestes
potential aus dem darunterliegenden Verteilnetz eben-                       und die Ableitung des detaillierten Verbesserungspoten-
falls zu erkennen. Dies entspricht jeweils der Fläche zwi-                  tials unter anderen regulatorischen Voraussetzungen in
schen den beiden blauen Kurven.                                             den Ländern der europäischen Forschungspartner not-
                                                                            wendig. Zusammen mit den Ergebnissen der anderen De-
Internationale Auszeichnungen                                               monstratoren in EU-SysFlex sollen so die erforderlichen
Diverse internationale Auszeichnungen bestätigen, das                       Anpassungen für eine erfolgreiche Umgestaltung der
MITNETZ STROM mit dem Demonstrator mehr als nur ei-                         Energieversorgung aufgezeigt werden.
ne innovative Lösung auf den Markt bringt. Mitte 2020
erhielt EU-SysFlex von der Publikation „The Global Po-                      www.mitnetz-strom.de
wer and Energy Elites“ eine Auszeichnung zu einem der

  Entwicklung erneuerbarer Energien
  im MITNETZ STROM-Netzgebiet:
  MITNETZ STROM verzeichnet in 2020 bei der Anlagenzahl als auch bei der installierten Leistung nach wie vor stei-
  gende Werte. Demnach nahm die Zahl der Anlagen um 8,5 Prozent auf 53.353 (2019: 48.799) zu. Die installierte
  Leistung erhöhte sich um rund 3,2 Prozent auf 9.597 Megawatt (2019: 9.289 Megawatt). Der Anteil erneuerbarer
  Energien am Letztverbraucherabsatz liegt inzwischen bei 122 Prozent. (2019: 112). Die Stromeinspeisung aus er-
  neuerbaren Energien stieg im Jahr 2020 um rund 4 Prozent auf 15,2 Milliarden Kilowattstunden (2019: 14,5 Mil-
  liarden Kilowattstunden). Die erneuerbare Energiequelle mit dem höchsten Anteil an installierter Leistung im
  Netzgebiet der MITNETZ STROM ist unverändert die Windenergie, gefolgt von Solarenergie, Biomasse, Wasserkraft
  und Deponiegas.
  (vorläufige Werte, Endgültigkeit tritt erst mit Wirtschaftsprüfertestat zum Juni 2021 ein)

                                                                                                                                          2|21 # themen!magazin # 15
[Arvato Systems]

Andreas Pöhner,
Geschäftsführer,
Next Level Integration

                                Marktkommunikation?
                                Einfach besser
                                in der Cloud!
Mit der Arvato Energy Platt­    Im digitalen Energiemarkt ändern sich die regulatorischen Anforderungen an
form®(AEP) bietet Arvato        die Marktkommunikation permanent. Für Versorgungsunternehmen ergeben
Systems bereits heute ein       sich dadurch auch erhebliche Kosten für Anpassungen in der IT-Infrastruktur
IT-Framework für die Ener­      und der Prozesslandschaft. Andreas Pöhner, Geschäftsführer der Next Level
giewirtschaft, das Kunden       Integration, zeigt in seinem Gastbeitrag, wie Unternehmen der Energiewirt­
aller Marktrollen ermöglicht,   schaft unter Nutzung der MaKo-Cloud, einem Fachmodul innerhalb der Arvato
ihre Anwendungsfälle in einer   Energy Plattform, die Anforderungen der MaKO 2020 meistern können.
prozessorientierten Archi­
tektur schnell, flexibel und    Je weiter Energiewende und Digitalisierung voranschreiten,   der Energiemarkt rasant. Immer mehr Marktteilnehmer
kosteneffizient umzusetzen.     desto wichtiger wird die Automatisierung der Marktkom-       sind miteinander vernetzt, und der Kommunikationsbe-
                                munikation (MaKo). Wenn immer mehr Marktteilnehmer           darf steigt. Nicht nur die Anzahl der Transaktionen nimmt
                                des Energiemarktes in immer komplexeren Prozessen im-        stetig zu, auch fachlich werden die Prozesse immer kom-
                                mer mehr Daten austauschen, sind Zuverlässigkeit, Perfor-    plexer und damit aufwändiger in der Handhabung.
                                mance und Flexibilität bei der IT-Umsetzung unabdingbar.
                                Ohne sauberes Zusammenwirken keine funktionierende           Die MaKo 2020 stellt einen der größten Einschnitte in die
                                Stromversorgung: Während im Netz Erzeugung und Ver-          Prozesslandschaft der Energieversorger dar: IT-Systeme
                                brauch im Gleichgewicht sein müssen, damit Frequenz und      müssen dadurch ebenso angepasst werden wie Prozesse.
                                Spannung jederzeit stimmen, ist aus logistisch-kaufmän-      Trotz klarer Regelungen entsteht immer wieder Interpretati-
                                nischer Sicht eine korrekte Marktkommunikation als Takt-     onsspielraum, der in der Praxis zu Dateninkonsistenzen führt
                                geber unverzichtbar. Ein funktionierender Datenaustausch     und aufwändige bilaterale Klärungen erfordert. Einschlägiges
                                ist für die Unternehmen des Energiemarkts Voraussetzung,     Know-how aufzubauen und die Systeme up-to-date zu hal-
                                typische Geschäftsprozesse wie Stammdatenänderung,           ten wird für die Unternehmen immer mehr zur Belastung.
                                Lieferantenwechsel, Zählerstandübermittlung oder Netz-       Parallel steigt der Kostendruck im Markt. Außerdem stehen
                                nutzungsabrechnung automatisiert durchzuführen.              mit dem Redispatch 2.0 sowie der Einbindung von Energie-
                                                                                             speichern und Elektroladesäulen weitere Aufgaben vor der
                                Stresstest Mako-Regeln                                       Tür, die ebenfalls die Marktkommunikation betreffen.
                                2006 im Zuge des Unbundlings eingeführt, haben sich die
                                Kommunikationsprozesse zum Standard entwickelt. Im           MaKo als Basisfunktionalität
                                Halbjahresrhythmus durchzuführende Weiterentwick-            Diese vielfältigen Herausforderungen mit einer On-Pre-
                                lungen sorgen in Softwarehäusern und bei den Marktak-        mises-basierten MaKo-Software zu lösen, wird mehr als
                                teuren jedoch immer wieder für Stress: Im Zuge der Ein-      schwierig. Die Marktkommunikation sollte zukünftig ei-
                                führung der neuen MaKo 2020 zum 1. Dezember 2019             ne Basisfunktionalität sein, die einfach, verlässlich und
                                wurde die Marktkommunikation stark diskutiert. Seit-         automatisiert im Hintergrund läuft, damit sich die Ener-
                                dem gibt es eine Verantwortungsteilung zwischen Ver-         gieversorger auf ihr eigentliches Geschäft konzentrieren
                                teilnetzbetreiber und Messstellenbetreiber und letztend-     können. Deshalb bietet sich für die Marktkommunikati-
                                lich die sternförmige Verteilung der Messwerte an alle       on eine systemunabhängige Cloud-Lösung an. Hierbei
                                übrigen Marktteilnehmer. Die Branche hat die neuen Pro-      wird die technische mit der fachlichen Marktkommuni-
                                zesse zwar inzwischen großenteils verinnerlicht, doch        kation verbunden, um die Prozesse durchgängig unter-
Foto: Arvato Systems            durch Energiewende und Digitalisierung verändert sich        stützen und monitoren zu können.

16 # themen!magazin # 2|21
[Arvato Systems]

Vorteile durch Auslagern                                   Monitoring und verschiedene Dashboards. Dabei funktio-       Das integrative Connectivity-
Für Anwender aller Marktrollen bringt das Auslagern der    niert die Marktkommunikation nicht nur mit der AEP von       Framework der AEP,
Marktkommunikation in die Cloud mehrere Vorteile mit       Arvato Systems, sondern flexibel und hochintegrativ auch
sich: Viele Stadtwerke und andere Player im Markt emp-     in Kombination mit beliebigen Backend-Systemen und           Grafik: Arvato Systems
finden die nicht unmittelbar wertschöpfende Marktkom-      Fachmodulen anderer Systemhersteller. Ein besonderes
munikation als überaus lästige Pflicht - vor allem wegen   Merkmal ist die Anwendbarkeit der Lösung als Daten-
der halbjährlichen Aktualisierung der Formate und Re-      drehscheibe mit Enterprise Application Integration-Funk-
geln sowie neuen Software-Releases. Mit einer klas-        tionalität, die zusätzlich zur klassischen EDIFACT-Kom-
sischen Lösung hat dies für die Unternehmen jedes Mal      munikation bereitsteht.
einen kaum kalkulierbaren Installations- und Testauf-
wand zur Folge.                                            Viele Versorger stehen vor der Frage, wie sie ihre weitere
Läuft die Marktkommunikation jedoch in der Cloud und       IT-Strategie grundsätzlich gestalten und befinden sich
wird zentral administriert, hat der Anwender praktisch     aktuell in einem Sondierungs- und Findungsprozess. Da-
keine Last mehr mit diesen Dingen. Sein Aufwand            bei ist den meisten Unternehmen nicht bewusst, dass es
schrumpft auf ein Minimum, und er kann seine Ressour-      Lösungen außerhalb ihrer angestammten IT-Lösungswelt
cen im Tagesgeschäft ganz für wertschöpfende Tätig-        gibt. Eine mit Drittsystemen einfach zu verbindende Ma-
keiten einsetzen. Durch den Cloud-Ansatz wird auch das     Ko-Cloud ist auch vor diesem Hintergrund eine interes-
Onboarding für die Anwender einfacher und schneller.       sante Alternative für die Branche.

Die MaKo-Cloud ist ein Fachmodul innerhalb der Arvato      www.arvato-systems.de/AEP
Energy Plattform, die als Framework auch zahlreiche
Systemfunktionalitäten bereitstellt, etwa umfassendes

                                                                                                                           2|21 # themen!magazin # 17
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