Wie gelingen Innovationen im Klinikumfeld? - MedTech Radar Live 2019 - Medtech Zwo
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12. Ausgabe | Frühjahrsauflage | 6. Jahrgang 1/2019 Innovationen in der Klinik Start-ups brauchen langen Atem Start-ups Pflege digital: Das Liegen vermessen MedTech Radar Live 2019 Wie gelingen Innovationen im Klinikumfeld? Eine Kooperation von
¤ Schwerpunkt: MedTech Radar Live 2019 Innovationen in der klinik Start-ups brauchen langen Atem Der Bedarf ist da und die Ideen sind es ebenfalls – doch bis neue Ansätze tatsächlich im Klinikalltag ankommen, müssen viele Herausforderungen gemeistert werden. Gründer brauchen vor allem die richtigen Partner vor Ort. D ie richtige Diagnostik und beste Therapie – uns Ärzte bei der komplexen Entscheidungsfindung schnell verfügbar, basierend auf validen Da- bei jedem individuellen Patienten zu unterstützen“, ten – das sind die Träume, die Ärzte formulie- sagt Wehkamp. „Und hier gibt es bisher nur wenige ren, wenn sie an nützliche Innovationen im klinischen praktikable Lösungen.“ Vor allem in der Inneren Me- Alltag denken. „Bislang fokussieren sich die Angebote dizin könnte eine solche Herangehensweise große vor allem auf Dokumentations- und Managementpro- Entlastungen bringen. „Wir haben hier vielfach multi- zesse“, berichtet Kai Wehkamp, geschäftsführender morbide Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, Oberarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Hol- für die eine Vielzahl an alternativen Diagnostik- und stein (UKSH). So enthalten Patientenakten am UKSH Therapieoptionen existieren“, so Wehkamp. Das macht heute in der Regel nur noch ein paar einzelne Blätter. es für die Ärzte schwer, immer die genau gleiche, rich- Alle wichtige Patientendaten gibt es stattdessen im tige und gute Entscheidung zu treffen. Krankenhausinformationssystem (KIS). Die Kieler gehören damit national zu den Vorreitern des papier- Digitale Entscheidungshilfen für Ärzte losen Krankenhauses. Wehkamp: „Alle klinischen Gleichzeitig entwickelt sich die zugrundeliegende Daten wie Fieberkurven oder Blutwerte werden digital wissenschaftliche Evidenz rapide weiter. „Wer wie Abb.: BVMed/ Aesculap gespeichert, auch die Notizen des Pflegepersonals und behandelt wird – diese Frage wollen wir möglichst der Ärzte.“ Und doch sehen sich junge Mediziner wie standardisiert, valide und schnell beantworten. Ba- Wehkamp noch ganz am Anfang des digitalen Zeital- sierend auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft, ters im Krankenhaus. „Das große Potenzial liegt darin, aber auch individuell zugeschnitten auf die Präferen- 2 MEDTECH RADAR – 1/2019
Schwerpunkt: MedTech Radar Live 2019 ¤ zen des einzelnen Patienten.“ Gemeinsam mit dem Hamburger Start-up Kumi Health wurde dafür in der MedTech Radar Live 2019 Kieler Inneren Medizin I am UKSH ein digitaler Work- flow erarbeitet. Seit Mitte 2017 gibt es ein onlineba- 5. Juni 2019, Berlin siertes Baukastensystem, das vordefinierte Baustei- ne verschiedenster Indikationen enthält, die sich an den jeweils gültigen Leitlinien und klinik-internen Zielgruppe: etablierte Medizintechnik-Unter- Standards orientieren. „Uns Ärzten steht damit ein nehmen, Kapitalgeber & MedTech-Gründer qualitätsgesicherter, digitaler Behandlungspfad zur Verfügung, der standardisiert ist und gleichzeitig Teilnahmebedingungen: kostenloser Eintritt eine Individualisierung erlaubt“, berichtet Wehkamp. nach vorheriger Anmeldung bis zum 29. Mai Das Wissen daraus wiederum kann mit Kollegen im beim BVMed unter www.bvmed.de/radar-live Team in Echtzeit geteilt werden, was erhebliche Zeit- ersparnisse bei Abstimmungen zwischen Oberärz- Mehr Infos: www.medtechradar.live ten und Assistenzärzten sowie dem Pflegepersonal mit sich bringt. „Dieser Workflow ist großartig, weil er es jedem erlaubt, auf ein breites Wissen zurückzu- greifen, das sonst nur in einzelnen Köpfen als Erfah- kintern diskutiert werden. Start-ups mit neuen Ideen, rungswert vorhanden war. So sind wir alle schnell aber auch Innovatoren in der Ärzteschaft brauchen auf dem gleichen Stand“, zeigt sich Wehkamp begeis- daher einen langen Atem. „Nach meiner bisherigen tert. Zwar ist dieser Workflow noch nicht in das KIS Erfahrung wird zwar das langfristige Potenzial einer integriert, doch das sei nur eine Frage der Zeit. „Diese Lösung gesehen, aber wenn die Budgets kurzfris- Workflows sind nur der erste Schritt, die Behandlung tig dafür nicht verfügbar sind, wird die Umsetzung zunehmend digital abzuwickeln. Ein Traum wäre, schwer“, sagt Sebhatu. Dann konzentrieren sich die mit künstlicher Intelligenz die vielen Datenmassen, Häuser eher auf kurzfristig zu erreichende Ziele. die im Krankenhaus erfasst werden, systematisch zu durchsuchen und nutzbar zu machen“, wagt Weh- kamp einen Blick in die Zukunft. „Ein Traum wäre, mit künstlicher Intelligenz die vielen Datenmassen, Wie gelingen Veränderungen in der Klinik? die im Krankenhaus erfasst werden, Vom Potential derartiger Ansätze für eine effizien- systematisch zu durchsuchen und tere Gesundheitsversorgung ist auch Jared Sebha- tu, Head of Business Development der smart Helios nutzbar zu machen.“ GmbH, überzeugt. Denn die stationäre Versorgung lässt neue Lösungen grundsätzlich einfacher zu, als „Und es ist auch klar: Krankenhäuser sind in der Re- es im ambulanten Behandlungsumfeld der Fall ist. gel von ihrer Struktur eher nicht dafür aufgestellt, Allerdings weiß er auch um die ganz praktischen jungen Gründern langfristig beim Aufbau ihrer Ge- Herausforderungen, die Innovationen im Klinikall- schäftsidee zu helfen.“ Wie sich das Klinikumfeld tag mit sich bringen. „Einer der zentralen Aspekte derzeit in Deutschland aufstellt, darüber wird er ist die Organisation des Veränderungsprozesses: Wie bei der MedTech Radar Live-Konferenz am 5. Juni ist die Gesamtmentalität im Haus gegenüber Verän- in Berlin Auskunft geben. Sebhatu geht davon aus, derungen? Werden Innovationen von oben gefördert dass sich viele Sichtweisen langfristig auch ver- und vom Personal getragen? Wie sieht die bereits vor- schieben werden – nicht zuletzt aufgrund der stetig handene Belastung der Ärzte und Pflegekräfte aus, wachsenden Herausforderungen, etwa mit Blick auf und welcher Zeitrahmen ist für die Einführung von den Pflegenotstand. Für all jene, die neue Lösungen Neuheiten vorgesehen“, gibt Sebhatu nur ein paar der in die Klinik bringen wollen, sei vor allem wichtig, Stichworte, die in solchen Zusammenhängen klini- zentrale Partner in der Ärzteschaft an Bord zu ha- MEDTECH RADAR – 1/2019 3
¤ Schwerpunkt: MedTech Radar Live 2019 abgewickelt werden. Und auch hier gibt es – unter anderem auf Initiative von Wehkamp – am UKSH einen ersten Praxistest. Das Projekt „Share to Care“ erprobt die Arzt-Patientenkommunikation auf Basis digitaler Entscheidungshilfen. „Hier geht es darum, dass Diagnosen und mögliche Behandlungsoptio- nen zwischen Arzt und Patienten auf Augenhöhe besprochen werden“, erläutert Wehkamp die Ziele der Initiative, die unter anderem von der Techniker Krankenkasse unterstützt wird. Verständliche Kommunikation mit Patienten Für die Patienten soll dieses digitale Tool einen ech- Kai Wehkamp, Geschäftsführender Oberarzt am UKSH in ten Mehrwert bei medizinischen Entscheidungen Kiel: Sieht großes Potenzial in der Digitalisierung. bieten: Etwa ob eine Operation tatsächlich stattfinden muss, welche Nebenwirkungen konkret zu erwarten ben. Diese könnten dann gezielt daran mitarbeiten, sind oder ob es realistische Alternativen gibt. Gut belastbare Daten für eine neue Lösung zu generieren. verständliche und wissenschaftlich fundierte Infor- „Man muss beweisen, dass die Idee in der klinischen mationen so bereitzustellen, dass sich Patienten über Realität funktioniert und einen Mehrwert für das ihre Behandlungen informieren können – das steht Krankenhaus, das Personal und auch für die Patien- bei „Share to Care“ im Fokus. Das UKSH ist das ers- ten bietet“, betont Sebhatu. Ein aktueller Trend geht te Universitätsklinikum in Deutschland, das sich am vor allem dahin, Patienten und Angehörige mehr in Projekt beteiligt. Insgesamt 90 Entscheidungshilfen das Geschehen zu involvieren. „Hierzu passiert der- werden derzeit gebaut. „Wir wollen nun testen, inwie- zeit sehr viel. Auch Medizintechnik-Unternehmen weit wir mit Shared Decision Making die patienten- wollen immer mehr verstehen, wie ihre Medizinpro- zentrierte Versorgung in einem gesamten Kranken- dukte in der Realität von Patienten genutzt und an- haus unterstützen können“, berichtet Wehkamp. Denn gewendet werden und welche Verbesserungen hier für ihn ist klar: Der informierte Patient ist der bessere möglich sind“, so Sebhatu. Diese Entwicklung kann Gesprächspartner. „Es fördert das Vertrauen in die auch Wehkamp bestätigen. Denn die direkte Arbeit Medizin und unsere Behandlungsoptionen, und wir mit den Patienten könnte aus Sicht des Mediziners können auch lernen, wann der Patient unsere Hilfe mit digitalen Lösungen noch deutlich effektiver braucht oder wann er selbst entscheiden möchte.“ ¤ ? Wo liegt der größte Innovationsbedarf im klinischen Umfeld und welche Herausforderungen bestehen bei der Umsetzung? ! „Der Bedarf im Krankenhausbereich ist sehr breit: Er reicht vom Abb.: Jörg Müller (oben); smart Helios GmbH Prozessmanagement und Logistik bis hin zum konkreten Versor- gungsbedarf bspw. auf den Stationen, in den Patientenaufnahmen und im OP. Die tatsächliche Umsetzung vor Ort ist häufig vom Change Management abhängig: Wie wird Veränderung wahrgenommen und Jared Sebhatu, Director Business Deve- unterstützt? Wer als Start-up langfristige Potenziale im Blick hat, lopment, smart Helios GmbH, & Sprecher braucht vor allem realitätsnahe Daten aus dem Klinikalltag.“ auf der Medtech Radar Live 2019 4 MEDTECH RADAR – 1/2019
Schwerpunkt: MedTech Radar Live 2019 ¤ Fokus STart-up Pflege digital: Das Liegen vermessen Mit dem demographischen Wandel wachsen die Herausforderungen für Pflegekräfte. Gleichzeitig herrscht großer Personalmangel. Automatisierte, sensorgestützte Lösungen wie die des Start-ups Laromed könnten künftig die notwendige Entlastung in Kliniken und Altersheimen schaffen. D ass in der Pflege smarte Innovationen ge- bereitzustellen. Noch sind die Initialkosten für ein fragt sind, davon ist Günter Nieuwenhuis, solches Bett vergleichsweise hoch, aber das Interes- Gründer der Laromed GmbH, überzeugt. Ihm se in Rehabilitationszentren, Alters- und Pflegehei- genügt dabei ein Blick in die offizielle Pflegestatis- men ist groß. „Unsere Herausforderung besteht darin, tik: Schon heute sind mehr als drei Millionen Men- dass wir die Betten und unsere Software nicht wie schen auf Pflege angewiesen. Für die nächsten Jahre bisherige Hersteller von Krankenhausbetten einfach rechnen Experten mit stark steigenden Zahlen. Ni- an die Kunden komplett verkaufen wollen“, erläutert euwenhuis will in dieser Situation zu mehr Effizienz Nieuwenhuis. Ihm schwebt vielmehr ein digitales im Pflegesystem beitragen. Sein Ziel: mit einem digi- Geschäftsmodell vor – mit einem bedarfsgerecht talgestützten smarten Pflegebett dem Pflegepersonal die Arbeit so erleichtern, dass signifikant mehr Zeit für menschliche Kontakte bleibt. „Mit unserer digitalen Sensorlösung stellen wir Pflegekräften schnell Smarte sensorgestützte Matratze Daten zur Verfügung, sodass sie Gemeinsam mit dem in Schleswig angesiedelten Mat- ratzen- und Betthersteller Laroma hat er in den letzten direkt am Patientenbett erkennen zwei Jahren eine smarte Matratze entwickelt. Mithil- können, ob die Liegeposition fe neuester Sensorik, die über die Fläche der Matratze geändert werden muss oder nicht.“ verteilt ist, wird die Liegesituation umfassend digital im Schlaf erfasst. „Angesichts des aktuellen Pflege- notstands ist dies gerade bei Wundpatienten und in erweiterbaren Service zu einem fixen Monatsbetrag. Altenheimen ein kritischer Faktor“, sagt Nieuwen- Dieser würde nicht nur die richtige Betreuung sicher- huis. „Mit unserer digitalen Sensorlösung können stellen, sondern auch Updates bei Hard- und Soft- wir Pflegekräften schnell umfassende Daten bereit- ware ermöglichen. „Angesichts des technologischen stellen, sodass sie direkt am Patientenbett erkennen Fortschritts ist das eine zukunftsorientierte Lösung, können, ob die Liegeposition geändert werden muss um gute Qualität zu gewährleisten. Zudem ist es oder nicht.“ Für den Entwickler ist klar, dass sein Sys- langfristig für die Nutzer kosteneffizienter“, ist sich tem im täglichen Pflegealltag einfach handhabbar Nieuwenhuis sicher. Zwar gibt es bislang im Erstat- sein muss. Daher setzt er auf ein cloudbasiertes IoT- tungsystem keine Vergütung für solche Pflegeassis- und KI-System, das die Daten speichert und sie über tenz-Systeme, doch erste Gespräche mit Kassen- und ein einfaches Onlinesystem abrufbar zur Verfügung Politikvertretern verliefen positiv. Für die Produktion stellt. In weiteren Ausbaustufen ist das Bett zudem und den Vertrieb konnte mit der alsterarbeit gemein- in der Lage, per Knopfdruck verschiedene Mobilisie- nützige GmbH, dem Beschäftigungsträger der Evan- rungselemente zur Positionsveränderung zu aktivie- gelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg, bereits ein ren und dem Patienten eine echte Aufstehfunktion erster Kooperationspartner gewonnen werden. ¤ MEDTECH RADAR – 1/2019 5
¤ Schwerpunkt: MedTech Radar Live 2019 Der MedTech Radar ist ein gemeinsamer Infor- Der High-Tech Gründerfonds, eine Initiative des mationsservice von HTGF, Earlybird, BVMed Bundesministeriums für Wirtschaft und Tech- und medtech zwo. Er gibt einen Einblick in ak- nologie (BMWi), der KfW und 32 Wirtschafts- tuelle Themen der Medizintechnik. Die Publika- unternehmen, unterstützt junge Technologie- tion erscheint zweimal im Jahr im Frühjahr und unternehmen mit einer Seedfinanzierung, um Herbst. Forschungsvorhaben mindestens bis zum Proto- typen oder bis zur Markteinführung zu bringen. Der MedTech Radar wird als PDF-Fassung in deutscher und englischer Sprache auch online Kontakt: High-Tech Gründerfonds über die Partner zur Verfügung gestellt. Die deut- Management GmbH | Cornelia Mann | sche Version ist zusätzlich Teil des Branchen- Tel.: +49 228 823 00 121 c.mann@htgf.de | magazins „medtech zwo“ vom BIOCOM-Verlag. www.high-tech-gruenderfonds.de Earlybird ist ein europäischer Wagniskapital- Finanzierer mit einem dedizierten und erfah- Als Kommunikationsdienstleister begleitet die renen Team aus Gesundheitsexperten, der in BIOCOM AG die Life Sciences seit 30 Jahren mit frühe Technologie-Unternehmen im gesamten Fachzeitschriften, Webportalen und Büchern. Gesundheitsbereich investiert. Das Magazin medtech zwo und dessen Websei- te berichtet über Start-ups, Finanzierungen und neueste Trends aus der Medizintechnik-Branche Kontakt: Earlybird Venture Capital in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Catrin Schmidt | Tel.: +49 30 467 247 00 catrin@earlybird.com | www.earlybird.com Kontakt: medtech zwo | BIOCOM AG Sandra Wirsching | Tel.: +49 30 264 921 63 s.wirsching@biocom.de www.medtech-zwo.de | www.biocom.de Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) vertritt als Wirtschaftsverband über 230 Indus- Impressum trie- und Handelsunternehmen der Medizintech- nologiebranche. Im BVMed sind unter anderem Verantwortlich für den Inhalt i. S. d. P. die 20 weltweit größten Medizinprodukteherstel- medtech zwo – BIOCOM AG, Lützowstr. 33–36, 10785 Berlin ler im Verbrauchsgüterbereich organisiert. BVMed – Bundesverband Medizintechnologie, Reinhardtstr. 29 b, 10117 Berlin Kontakt: BVMed | Manfred Beeres Earlybird Venture Capital – Münzstr. 21, 10178 Berlin Tel.: +49 30 246 255 20 | beeres@bvmed.de High-Tech Gründerfonds Management GmbH – www.bvmed.de Schlegelstr. 2, 53113 Bonn Titelfoto: alvarez/istock.com 6 MEDTECH RADAR – 1/2019
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