Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode

 
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Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode
VERMITTLUNG

Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren

Unter dem Motto „Stimmt die Chemie?!“ entwickelte das Labor des Berliner Bode-Museums („lab.Bode“) erstmals
ein Schulprojekt mit naturwissenschaftlicher statt künstlerischer, geistes- oder sozialwissenschaftlicher Ausrichtung.
Das vierköpfige Projektteam bestand aus der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Stefanie Bringezu (Staatliche
Museen zu Berlin), der freien Kunstvermittlerin Barbara Campaner sowie den Metallrestauratoren Sophie Hoffmann
(Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst) und Jens Dornheim (Münzkabinett)

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                                        Es ist nicht alles Silber, was glänzt. Und längst     cken unvermutete Bezüge zu ihrer Lebenswirklich-
ABSTRACT                                nicht alles ist so massiv, wie es scheint. So auch    keit und lernen gleichzeitig viel über die im Muse-
How metal conservators react with       das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten im Foy-     um thematisierte Kulturgeschichte.
a chemistry course
                                        er des Bode-Museums. Der mächtige Herrscher             Diese Erfahrung machten auch neun Schüler des
Under the motto "Is the chemistry
                                        hoch zu Ross ist eine galvanisch hergestellte Rep-    Chemiegrundkurses am Berliner Herder-Gymnasi-
right?", the laboratory of the Berlin
Bode Museum ("lab.Bode") devel-         lik aus dem Jahr 1904 und somit ein „Leichtge-        um. Ihnen war die Galvanotechnik bis zu ihrem Pro-
oped for the first time a school        wicht“. Das gegossene Originalstandbild von And-      jekt im Bode-Museum nur aus dem Unterricht be-
project with a focus on science in-
                                        reas Schlüter befindet sich im Hof von Schloss        kannt: ein elektrolytisches Verfahren, bei dem sich
stead of art, the humanities or
­social sciences. The four-member       Charlottenburg. Neben der Skulpturensammlung          die in einem galvanischen Bad gelösten Metallio-
 project team included Stefanie         beherbergt das altehrwürdige Museum an der            nen an einem elektrisch leitenden Objekt anlagern.
 Bringezu, a research assistant at
                                                                                                                                                     Foto: © SMB/Ute Klein 2018 (1)

                                        Nordspitze der Berliner Museumsinsel auch das         So entstehen Beschichtungen oder ganze Formen,
 the Staatliche Museen zu Berlin,
 Barbara Campaner, a freelance art      Museum für Byzantinische Kunst sowie das Münz-        zum Beispiel Reiterstandbilder.
 mediator, and the metal conserva-      kabinett. Und neuerdings auch ein Laboratorium:         Mit „Stimmt die Chemie?!“ hat lab.Bode erstmals
 tors Sophie Hoffmann (Sculpture        das lab.Bode. Durch Kooperationsprojekte mit          ein Projekt mit naturwissenschaftlicher statt künst-
 Collection and Museum of Byzan-
 tine Art) and Jens Dornheim (Nu-
                                        Schulen soll lab.Bode die Vermittlungsarbeit in Mu-   lerischer, geistes- oder sozialwissenschaftlicher
 mismatic Collection).                  seen stärken. Es bietet Raum für Überraschendes       Ausrichtung entwickelt. „Für uns war das eine
                                        und lädt zum Experimentieren ein. Schüler entde-      komplett neue Herausforderung“, erläutert Stefa-

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Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode
VERMITTLUNG

                                    nie Bringezu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der      2   1
                                    Staatlichen Museen zu Berlin. Neu war auch die             Restaurator Klaus Leukers (Skulptu-
                                                                                               rensammlung und Museum für By-
                                    Zusammensetzung des vierköpfigen Projekt-
                                                                                               zantinische Kunst) öffnet den Blick
                                    teams: Neben Bringezu waren das die freie Kunst-           für konservatorische Herausforde-
                                    vermittlerin Barbara Campaner sowie die Metall-            rungen im Bode-Museum
                                    restauratoren Sophie Hoffmann (Skulpturen-
                                    sammlung und Museum für Byzantinische Kunst)               2
                                                                                               Die Schüler diskutieren ihre Ideen
                                    und Jens Dornheim (Münzkabinett).
                                                                                               zu konservatorischen Herausforde-
                                      „Die Schüler haben sich gewünscht, etwas mit ei-         rungen von Materialkombinationen
                                    genen Händen zu schaffen“, berichtet Campaner.             in Displays
                                                                                           3
                                    Im Dialog mit Chemielehrer Robert Kiehl kam so
                                    die Idee auf, im galvanoplastischen Verfahren Expo-        3
                                                                                               Drei Medaillen der Sammlung sol-
                                    nate aus der Sammlung zu replizieren. Die Wahl fiel
                                                                                               len repliziert werden. Dazu werden
                                    auf drei Medaillen mit einem ganz besonderen Be-           im Labor alle Schritte genau doku-
                                    zug zur Schule: Sie zeigen das Konterfei des Na-           mentiert. Die Schüler präparieren
                                    mensgebers Johann Gottfried Herder.                        die Formen und stellen die Silikon-
                                                                                               formen für die Galvanisierung her
                                      Bevor sie in der Werkstatt tätig werden durften,
                                    erhielten die Schüler erst einmal einen Crash-Kurs
                                                                                               4/5
                                    in Sachen Schauen, Erkunden und Dokumentieren.             Hochkonzentriertes Arbeiten am
                                    „Eine Art Anamnese“, beschreibt Bringezu die Vor-          Mikroskop bei der Herstellung der
                                    gehensweise. „Die Schüler sollten erfassen: Was            Silikonform
                                                                                           4
                                    ist hier los? Was sind die restauratorischen Heraus-
                                    forderungen bei der Präsentation von Objekten?“
                                    „Und das“, ergänzt Hoffmann, „geht am besten
                                    durch Anschauung.“
                                      Hoffmann, Dornheim sowie einige ihrer Kollegen
                                    sensibilisierten die Schüler für die Themen Konser-
                                    vierung, Restaurierungsethik und -praxis. An einer
                                    Vitrine mit Bleiexponaten schulten die Restaurato-
                                    ren den Blick der Schüler und forderten sie auf,
                                    mögliche Schäden an den Exponaten zu entde-
                                    cken. Ein Holzsockel beispielsweise könne Schad-
                                    stoffe absondern, informierte Hoffmann, oder das
                                    Blei sich durch das eigene Gewicht deformieren.
                                    Auch weniger beachtete Details rief sie ins Be-
                                    wusstsein, zum Beispiel die konservatorische Rolle
                                    raumlufttechnischer Anlagen. Sie liefern nicht nur
                                    Frischluft, sondern führen Emissionen ab, mindern
                                    Staubeinträge und regulieren die Feuchte.
                                      Die gemeinsame Erkundungstour führte durch
                                                                                           5
                                    die Ausstellung, die Depots und an einen Ort, der
                                    selbst den meisten Museumsmitarbeitern in der
Fotos: © SMB/Ute Klein 2018 (2–5)

                                    Regel verschlossen bleibt: in den mit dicken Türen
                                    gesicherten Münztresor. Dort befinden sich mehr
                                    als 500.000 Originalmünzen und -medaillen, dar-
                                    unter 102.000 antike griechische und rund 50.000
                                    römische Münzen. Zu den Stücken von Weltrang
                                    zählt unter anderem das Demareteion auf den
                                    Sieg König Gelons von Syrakus über die Karthager.

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VERMITTLUNG

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Jens Dornheim (Restaurator Münz-                                               deln. „Das A und O ist es, Handschuhe zu tra-
kabinett) demonstriert den nächs-
                                                                               gen“, legte Dornheim den Schülern nahe, denn
ten Schritt in der Galvanoplastik
                                                                               der Schweiß löse chemische Prozesse aus. Da-
7                                                                              mit die Jugendlichen dies verinnerlichten, wählte
Restauratorin Sophie Hoffmann                                                  er eine ebenso einfache wie – sprichwörtlich –
(Skulpturensammlung und Muse-                                                  eindrückliche Methode: Der Restaurator ließ die
um für Byzantinische Kunst) erläu-
                                                                               Schüler mit bloßen Händen ein Kupferblech be-
tert die Funktionsweise des Klima-
schreibers im Skulpturendepot                                                  rühren. In den darauffolgenden Kursstunden
                                                                               konnten sie dann die Folgen des Hautkontaktes
8                                                                              erkennen: Das Kupfer korrodierte, und es bilde-
Restauratorin Sophie Hoffmann                                                  ten sich dunkle Stellen.
                                     7
(Skulpturensammlung und Muse-
                                                                                 Mit Handschuhen, Schutzbrille und Laborkittel
um für Byzantinische Kunst) zeigt
Objekte mit Schadensbildern im                                                 ausgestattet, gingen die Schüler ans Werk, die
Skulpturendepot                                                                Herder-Medaillen zu kopieren. Sie untersuchten
                                                                               die Objekte und mikroskopierten haargenau.
                                                                               Ebenso bereiteten sie die Silikonmischung vor
                                                                               und präparierten die Formen für die Galvanisie-
                                                                               rung mit großer Sorgfalt … eine professionell wir-
                                                                               kende Szenerie. Und so waren die Profi-Restau-
                                                                               ratoren auch voll des Lobes.
                                                                                 Alle hätten sich sehr geschickt angestellt. „Und
                                     8
                                                                               nicht ein einziges Mal hat sich ein Schüler vom
                                                                               Smartphone ablenken lassen“, freut sich Dorn-
                                                                               heim.„Stimmt die Chemie?!“ war nicht nur das
                                                                               erste Projekt im Rahmen der lab.Bode-Initiative,
                                                                               das sich mit naturwissenschaftlichen Inhalten aus-
                                                                               einandersetzte; erstmals überhaupt spielten die
                                                                               Restauratoren eine entscheidende Rolle. In dem
                                                                               Kurs „Skulptur & ich & wir“ etwa waren es Künst-
                                                                               ler, die sich mit den Schülern einer deutsch-grie-
                                                                               chischen Grundschule auf Identitätssuche mach-
                                                                               ten und dazu die Skulpturen des Museums einem
                                                                               kritischen Blick unterzogen. Die an den Plastiken
  Was ist lab.Bode?                                                            fehlenden Teile „ersetzend“, nahmen sie Gipsab-
                                                                               drücke der entsprechenden eigenen Körperteile
                                                                                                                                    Fotos: © SMB/Ute Klein 2018 (6) SMB/Juliane Eirich 2018 (7, 8)

  Die Kulturstiftung des Bundes und die Staatlichen Museen zu Berlin setzen    und ergänzten sie durch Lieblingsobjekte wie ei-
  mit „lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen“    nen Teddybären, ein Foto oder eine Fan-Fahne. In
  ein wichtiges Signal für den Ausbau einer modernen und vernetzten Ver-       einem nächsten Schritt erfanden die Schüler Ge-
  mittlungsarbeit an Museen. Seit dem Sommer 2016 ist das Bode-Museum          schichten rund um die Skulpturen und setzten die-
  ein Labor für die Erforschung und Erprobung von zukunftsorientierten Bil-    se performativ um. Und plötzlich erschienen ihnen
  dungskonzepten und deren Integration in die museale Arbeit. Bis 2020         die Kulturschätze des Abendlandes nicht mehr
  stellt die Initiative erfolgreich erprobte Methoden und Ergebnisse Museen    fern und entrückt, sondern nah und lebendig.
  bundesweit als digitalen Baukasten zur Verfügung und alle Berliner Schu-       Ein Ergebnis ganz im Sinne von Julien Chapuis,
  len sind eingeladen, die neu entwickelten Projekttage als buchbares Ange-    dem Leiter der Skulpturensammlung und des
  bot kostenfrei zu nutzen. Begleitet wird das „lab.Bode“ von einem deutsch-   Museums für Byzantinische Kunst: „Unsere Ob-
  landweit Diskursprogramm mit internationalen Experten.                       jekte umfassen und vermitteln das gesamte
  Mehr unter www.lab-bode.de.                                                  Spektrum menschlicher Erfahrungen – seine
                                                                               Hoffnungen und Ängste, sein Streben und seine

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Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode
VERMITTLUNG

                                                                                                                                                                               9

                                 Begierden“. Auch Bringezu ist es wichtig, dass        konzeptionell und praktisch, räumlich und perso-   9
                                 die Schüler das zum UNESCO-Weltkulturerbe             nell, unübersehbare Signale setzen“, betont Hor-   Sophie Hoffmann (Restauratorin
                                                                                                                                          Skulpturensammlung und Museum
                                 zählende Bode-Museum als etwas wahrnehmen,            tensia Völckers, Vorstand und Künstlerische Di-
                                                                                                                                          für Byzantinische Kunst) erläutert
                                 das mit ihrem Leben zu tun hat. „Wir möchten es       rektorin der Kulturstiftung des Bundes.            den Bronzeguss am Modell
                                 sichtbar machen als ein dynamisches Gebilde,            Aufseiten der Restauratoren haben Sophie
                                 das sich ändern und gestalten lässt.“                 Hoffmann und Jens Dornheim ein solches Signal
                                   Die Kulturstiftung des Bundes, die das Pro-         gesetzt, auch wenn dies mit zusätzlichem Auf-
                                 gramm gemeinsam mit den Staatlichen Museen            wand verbunden war. „Wir mussten einfach nur
Foto: © SMB/Ute Klein 2018 (9)

                                 zu Berlin entwickelte, fördert die lab.Bode-Initia-   sehr gut organisieren“, so Dornheim. Er und sei-
                                 tive zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Muse-     ne Kollegen möchten die Arbeit mit den Jugend-
                                 en mit 5,6 Millionen Euro. Deutschlandweit pro-       lichen nicht missen. „Insgesamt eine Win-win-Si-
                                 fitieren bis 2020 insgesamt 24 Museen von die-        tuation“, wertet auch die Kunstvermittlerin Cam-
                                 ser Sonderfinanzierung. „Wir brauchen dringend        paner die gelungene Kooperation.
                                 Vorreiter-Museen, die ihrer Vermittlungsarbeit ei-
                                 nen großen Stellenwert einräumen und dafür                                               Dr. Inge Pett

                                           3/2019                                                                                                                        51
Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode Wie Metallrestauratoren mit einem Chemiekurs reagieren - lab.Bode
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