Wie unser Gehirn das Rechnen lernt und welche Rolle dabei die Raumvorstellung spielt - HS-Prof. Dr. Karl-Heinz Graß - mug Graz
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Wie unser Gehirn das Rechnen lernt und welche Rolle dabei die Raumvorstellung spielt HS-Prof. Dr. Karl-Heinz Graß Hochschulprofessor für Mathematikdidaktik Pädagogische Hochschule Steiermark Institut für Elementar- und Primarpädagogik
Warum Zahlenverständnis wichtig ist - Lesen der Uhr - Bezahlen mit Geld und Online-Banking (IBAN) - Hausnummern finden - Bahnsteig finden - Lotto spielen - Nutzung von Smartphones (Telefonnummern, …) - Angebote vergleichen, etc.
Relevanz des Faches Mathematik Mathematische Kompetenzen werden durch die zunehmende Technologisierung und Digitalisierung und damit zur Aufrechterhaltung unseres Wohlstands (Wirtschaftsstandort, Export,…) immer wichtiger.
IST-Stand in Österreich… 22% RisikoschülerInnen in Mathematik (PISA, 2015) Jedes Kind ist eines zu viel. → Probleme im Alltag → sekundäre emotionale Störungen → Volkswirtschaftliche Auswirkungen
Neuronales Netzwerk der Zahlenverarbeitung
Kleine Mengen vs. große Mengen werden in unterschiedlichen Gehirnarealen verarbeitet
Kleine Mengen vs. große Mengen
Neuronales Netzwerk der Zahlenverarbeitung
Typische Entwicklung
Triple-Code-Modell Neuroanatomisches Rechenmodell (Dehaene, 1992)
Neuroanatomisches Entwicklungsmodell (Von Aster & Shalev, 2007)
Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen
Rechenstörung - Hirnfunktion
Rechenstörung - Hirnaktivität
Faserverbindungen – Autobahnen im Gehirn
Faserverbindungen bei Rechenstörung
Inhalt des Vortrags
Raumvorstellung und Zahlen??
Raumvorstellung Franke & Reinhold (2016, S. 117)
Entwicklung der Raumvorstellung
Aufbau der Zahlenrepräsentationen – räumlich?
Zahlen im Raum - Mentaler Zahlenstrahl Semantische (Zahlen-)Größenrepräsentation – mentaler Zahlenstrahl Mentaler Zahlenstrahl basiert auf 3 Befunden: – Distanzeffekt – SNARC-Effekt (spatial-numerical-association of response codes) – Attention Bias Effect
Distanzeffekt und SNARC-Effekt
Attention Bias Effect
Zahlen im Raum – Mentaler Zahlenstrahl
Zusammenhänge zwischen Raumvorstellung & Rechnen 3 wissenschaftliche Erklärungsansätze: 1. Räumliche Enkodierung von Zahlen „mental number line“ (z.B. Hubbard, Piazza, Pinel & Dehaene, 2005; Van Dijck, Ginsburg, Girelli & Gevers, 2015) 2. Neuroanatomische Nähe (z.B. Cutini, Scarpa, Scatturin, Dell’Acqua, & Zorzi, 2012; Göbel, Calabria, Farnè, & Rossetti, 2006; Goffaux, Martin, Dormal, Goebel, & Schiltz, 2012; Ranzini, Dehaene, Piazza, & Hubbard, 2009; Kucian et al. 2018) 3. Visuell-räumlicher Arbeitsspeicher (z.B. Holmes, Adams, & Hamilton, 2008; Nath & Szücs, 2014; Szucs, Devine, Soltesz, Nobes, & Gabriel, 2013; Bergman-Nutley, & Klingberg, 2014)
Erklärungsansatz 1 Mentaler Zahlenstrahl Konstrukt des mentalen Zahlenstrahls besagt: In der mentalen Vorstellung liegen Zahlen analog (linear) und räumlich von links nach rechts angeordnet auf einem Zahlenstrahl. (Dehaene et al., 1993; Hoffmann, Mussolin, Martin, & Schiltz, 2014; Nuerk, Wood, & Willmes, 2005) • Diese analoge Repräsentation ermöglicht: – Zahlenvergleich – Überschlagsrechnen und Schätzen
Erklärungsansatz 2 ATOM-Hypothese (Walsh 2003) Parietallappen ist nicht zahlenspezifisch, Zahlenverarbeitung ist nur ein Aspekt einer umfassenden Größenrepräsentation. Dazu gehören neben numerischen Größen, räumliche und zeitliche Größen. Neuroanatomische Nähe allein reicht allerdings nicht aus um auch eine funktionale Assoziation nachzuweisen!! Weitere Forschungsarbeiten insbesondere bei Kindern notwendig!
Erklärungsansatz 2 Roggenmann et al. (2011)
Erklärungsansatz 3
Inhalt des Vortrags
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Gedankliche Konstrukte versus mentale Repräsentationen ℕ versus Beziehung kann als Strukturgleichheit (Isomorphie) bezeichnet werden (Griesel et al. 2019).
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Gedankliche Konstrukte versus mentale Repräsentationen Wichtig: Enge Beziehung (Relation) zwischen gedanklichem Konstrukt und mentaler Repräsentation Aufgabe der Mathematikdidaktik: Diese Relationen definieren! Bsp.: ℕ R „mental number line“ (Nachfolgerbeziehung, Existenz der Null also Peano Axiome)
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Mengenvorstellung = Zwischenräume zwischen Zahlpunkten Abstand zweier natürlicher Zahlen = Anzahl der Zwischenräume Zwischen Nachbarzahlen gibt es genau einen Zwischenraum Das ist auch die Grundvorstellung, die mit dem Begriff Nachbarzahlen zu verbinden ist. (Griesel et al., 2019, S. 127)
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Frage die sich aufdrängt: Passt das Material (wenn überhaupt eines verwendet wird) zur mentalen Repräsentation der SuS?? Bsp.: Ist die Hundertertafel als mentale Repräsentation natürlicher Zahlen hilfreich?? Das muss empirisch entschieden werden und ist Aufgabe der Mathematikdidaktik.
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Gedankliche Konstrukte versus mentale Repräsentationen Strukturgleichheit (Isomorphie) Zusammenfassung: Mentale Repräsentationen und mathematische Objekte (ℕ, Dreiecke, Zahlenfolgen, Brüche,…) sind Relationsgebilde zwischen denen Strukturgleichheit bestehen muss. Ansonsten handelt es sich um keine Grundvorstellungen!! (Griesel et al., 2019, S. 127)
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Als LehrerIn muss darauf geachtet werden, dass ausnahmslos korrekte mentale Repräsentationen (Grundvorstellungen) vermittelt werden. Ansonst: Ausbildung von Fehlvorstellungen!
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Ableitungen für den Unterricht (Sek I + II): Zeichnungen als methodisches Hilfsmittel zum Aufbau mentaler Repräsentationen. Z. B.: SuS selbst Zeichnungen anfertigen lassen. Z. B.: Zahlenstrahl bei Bruchzahlen, Zahlengerade bei negativen Zahlen Grundvorstellungen (hier mental number line) werden nur in einem eigenständigen Akt generiert (Piaget und Bruner).
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Ableitungen für den Unterricht (Primar + Sek I):
Aktuelle Diskussion der fachdidaktischen Community Ableitungen: Grundvorstellungen sind mentale Repräsentationen mathematischer Objekte (gedanklicher Konstrukte). Das Grundvorstellungskonzept verbindet also die Ergebnisse der Neuro- und Kognitionswissenschaften mit der Mathematikdidaktik. Diese aktuelle Diskussion ist von großer Bedeutung um die neuro- und kognitionswissenschaftlichen Ergebnisse ins Klassenzimmer zu transportieren. (Griesel et al. 2019, S. 128)
Praxistransfer: Grundvorstellungen (von Zahlen) durch räumliche/geometrische Objekte aufbauen Ein moderner Mathematikunterricht verbindet Arithmetik und Geometrie... ✓ Arithmetische Sachverhalte werden mit geometrischen Aktivitäten verdeutlicht. (z.B. die Summe zweier gerader Zahlen ist stets gerade) ✓ Geometrische Sachverhalte sind Anlass für arithmetische Fragestellungen (z.B. Multiplikationsblumen) ✓ Arithmetisches Erarbeitungsmaterial ist räumlich, erzeugt Grundvorstellungen für Zahlen, Zahlbeziehungen, Operationen und Stellenwertsystem.
Beispiele Sekundarstufe (Eichler, 2013)
Beispiele Sekundarstufe (Eichler, 2013)
Beispiele Sekundarstufe (Eichler, 2013)
Beispiele Sekundarstufe (Eichler, 2013)
Beispiele Primarstufe
Beispiele Größenvorstellungen
Zusammenfassung (Teil I + II) • Mathematische Grundfertigkeiten sind im täglichen Leben notwendig. • Mathematik ist die Schlüsseldisziplin der Digitalisierung und Technologisierung uvm. • Wissen über unterschiedliche Zahlenrepräsentationen (Triple-Code- Modell). • Kompetentes Rechnen beruht auf vielen kognitiven Teilleistungen (Arbeitsgedächtnis, visuell-räumliche Verarbeitung,…) • Unterschiedliche neuronale Netzwerke liegen diesen Teilleistungen zugrunde. • Assoziationen zwischen Raumvorstellung und Zahlenverarbeitung
Zusammenfassung (Teil III) • Diskussion in der fachdidaktischen Community: Grundvorstellungen = mentale Repräsentationen zu gedanklichen Konstrukten • Grundvorstellungskonzept verbindet Fachdidaktik mit Neuro- und Kognitionswissenschaften (Bsp. mental number line) • Materialgebundene Handlungen (bzw. später Visualisierungen) sind notwendig um mentale Repräsentationen (Grundvorstellungen) aufzubauen. • 4-Phasenmodell und Zeichnungen/Visualisierungen zum Aufbau mentaler Repräsentationen (Grundvorstellungen)
Φ-LEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Pädagogische Hochschule Steiermark Hasnerplatz 12, 8010 Graz, Austria Mail: karl1.grass@phst.at Telefon: +43 (0)316/8067 - 6115
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