Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen

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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
    Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen

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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Lagepan der Wilhelma, rot gekennzeichnet:
das neue Haus für afrikanische Menschenaffen
Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart
Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Inhalt

7    Ein neues Menschenaffenhaus für die Wilhelma   27   Menschenaffenhaltung der Wilhelma
     Ministerialdirigent Thomas Knödler                  im Wandel der Zeit
                                                         Prof. Dr. Dieter Jauch
13   Die ideelle und finanzielle Unterstützung           Direktor der Staatlichen Anlagen und Gärten
     der Freunde und Förderer der Wilhelma
     Prof. Georg Fundel                             35   Der Bergrücken – Entwurfsgedanken
     Vorsitzender des Vereins der Freunde und            zur neuen Menschenaffenanlage
     Förderer der Wilhelma                               Prof. Sebastian Jehle
                                                         Hascher Jehle Architektur
15   Vom Wettbewerb zum Gebäude –
     Planungsprozesse beim Bauen für eine           41   Projektdaten
     maßgeschneiderte Unterkunft
     Leitende Baudirektorin Ilse Lange-Tiedje       42   Planungsbeteiligte
     Vermögen und Bau Baden-Württemberg
     Amt Stuttgart                                  44   Ausführende Firmen

                                                    48   Impressum

                                                                                                       3
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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Ein neues Menschenaffenhaus für die Wilhelma

    Die Wilhelma ist um eine Besucherattraktion reicher.   und Bonobos unter anderem mit einem 40 Meter
    Im Frühjahr 2013 haben die Bonobos und Gorillas ihr    langen Wassergraben angelegt. Das Außengehege
    neues Heim, die Anlage für afrikanische Menschenaf-    der Bonobos ist mit Sicherheitsglas umgeben und
    fen bezogen.                                           von einem 3.500 Quadratmeter großen Edelstahlnetz
                                                           überspannt. Die Stahlnetzkonstruktion dient der Ab-
    Allein die Aufgabe, eine maßgeschneiderte Unter-       trennung des Geheges und ist zugleich bekletterbar,
    kunft für Menschenaffen zu planen und zu bauen, ist    was eine dreidimensionale Nutzung des gesamten
    bereits eine Besonderheit und eine nicht alltägliche   Geheges ermöglicht.
    Herausforderung für alle Beteiligten. Die Umsetzung
    ist beeindruckend. Zum einen ist die neue Anlage       Auch der Besucher wird auf seinem Weg durch die
    Ausdruck der rund 55-jährigen Tradition der weltweit   Innen- und Außengehege vollkommen neue Ein- und
    bekannten und anerkannten Menschenaffenhaltung         Ausblicke sowie differenzierte Eindrücke erfahren.
    der Wilhelma, zum anderen ist eindrucksvolle Archi-    So wurden die Innengehege mit einer Kombination
    tektur entstanden.                                     von Sichtscheiben und Gitterdächern so konstruiert,
                                                           dass die Besucher die Tiere nicht nur sehen, son-
    Die Projektdaten sind beachtlich: Rund einen Hektar    dern auch hören und riechen können. Ein Allein-
    Fläche bedeckt die neue Anlage, die im oberen          stellungsmerkmal dieser Anlage ist der Bereich, der
    Parkteil der Wilhelma liegt. Davon entfallen 2.000     zwischen Gorilla und Besucher lediglich durch einen
    Quadratmeter auf das Gebäude, das somit zu den         Wassergraben – ganz ohne Panzerglas oder störende
    größten Bauten in der Wilhelma zählt. Bei einer        Gitterstäbe – getrennt ist.
    innenliegenden Gehegefläche von 800 Quadrat-
    metern mit bis zu 7 Metern Höhe wurden knapp           Die Anlage passt sich trotz seiner enormen Ausmaße
    15.000 Kubikmeter Raum umbaut. Die terrassierten       hervorragend in die Topografie des bestehenden Ge-
    Innengehege und der Besucherbereich wurden mit         ländes ein. Der Rosensteinpark scheint über den Bau
    millimetergenau gesetzten Panzerglasscheiben, die      hinweg in das Gelände der Wilhelma überzugehen.
    bis zu 4 Zentimeter stark und 72 Quadratmeter          Dies wird durch sanfte Übergänge vom natürlichen
    groß sind, voneinander abgetrennt. Zudem wurden        Gelände in die begrünten und teilweise als Gehege
    rund 3.200 Quadratmeter Außengehege für Gorillas       nutzbaren Dächer des Gebäudes erreicht.

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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Seit Anfang der 1960er-Jahre hat das Land rund 100       te er 1837 den Architekten Karl Ludwig von Zanth         ten weitergeführt. Mit dem Ende der Monarchie in        später folgte am Standort des zerstörten Maurischen
    Millionen Euro für die bauliche Entwicklung der Wil-     (1796-1857) mit der Planung.                             Deutschland wurden die Parkanlagen endgültig für        Festsaals der Bau des Aquarien- und Terrarienhauses.
    helma bereitgestellt und auch in der Vergangenheit                                                                die Stuttgarter Bevölkerung geöffnet.                   Viele weitere Gehege und Anlagen der Wilhelma
    herausragende Neubauten hervorgebracht. Das neue         Mit den Bauarbeiten des Badhaus-Gewächshaus-                                                                     stammen ebenfalls aus den 1960er- und 70er-Jahren.
    Menschenaffenhaus ist ein weiterer Meilenstein in        Komplexes wurde erst im Jahr 1842 begonnen.              Im Jahr 1944 wurden große Teile der Wilhelma            Das erste große Neubauvorhaben im Erweiterungsteil
    der langen und bewegten Geschichte der Wilhelma.         Gleichzeitig wurde der Entwurf für die Gartenanlage      durch Bombenangriffe stark zerstört. Lediglich die      entlang der Pragstraße wurde 1968 mit den Raubtier-
                                                             umgesetzt. Am 30. September 1846 wurde die Wil-          Damaszener Halle blieb unversehrt. Die Wilhelma         und Dickhäuterhäusern verwirklicht. Auch die Häuser
    Die Wilhelma war ursprünglich ein als Privatgarten       helma anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Karl       wurde nach einigen Jahren Gemüseanbau für die           für Menschenaffen und niedere Affen, einfach gestal-
    angelegter Park mit Gebäuden im maurischen Stil,         mit der Zarentochter Olga Nikolajewna eingeweiht.        Stuttgarter Krankenhäuser in der Nachkriegszeit im      tete Stahlbetonbauten, wurden 1973 fertig gestellt.
    der Wohn- und zugleich Repräsentationsort von                                                                     Jahr 1949 mit einer Azaleen-Ausstellung für Besucher
    König Wilhelm I. von Württemberg (1781 – 1864)           Der weitere Ausbau ging schleppend voran. Der            wieder geöffnet. In den folgenden Jahren wurde mit      In den 1980er- und 90er-Jahren wurden der Ausbau
    werden sollte. Nicht zuletzt dank der historischen       Maurische Festsaal wurde im Jahr 1851 fertig gestellt.   dem Beginn der Tierhaltung der Weg des Ausbaus          der Wilhelma sowie die Sanierung der historischen
    Gebäude und später auch modernen Gehege vollzog          Der Kernbereich der Wilhelma wurde im Jahr 1853          der Wilhelma zum einzigen zoologisch-botanischen        Substanz weiter vorangetrieben. So konnte beispiels-
    der Park eine Wandlung vom privaten Rückzugsort          mit dem Galeriegebäude und dem Wintergarten              Garten Deutschlands bereitet.                           weise im Jahr 1982 das Jungtieraufzuchthaus in Betrieb
    eines Königs zum Besuchermagneten Wilhelma der           nach den Zanth'schen Planungen fertig gestellt. Als                                                              genommen werden. Durch die Fertigung des einge-
    Landeshauptstadt Stuttgart mit heute über 2,1 Millio-    letztes gestalterisch wirksames Gebäude entstand im      Die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung         schossigen Gebäudes aus Leichtbeton konnten die
    nen Besuchern jährlich.                                  Jahr 1864 nach dem Tode von Zanth die Damaszener         erarbeitete im Jahr 1959 Sanierungsvorschläge für den   damaligen Forderungen des Wärmeschutzes ebenso
                                                             Halle mit Fasanerie nach den Plänen des Architekten      historischen Bereich der Wilhelma und untersuchte       wie die der Tierhaltung erfüllt werden. Als heraus-
    Im Jahr 1829 wurden im Park des soeben fertig ge-        Wilhelm Bäumer. Damit war der Ausbau der histo-          Erweiterungsmöglichkeiten für den zoologisch-           ragender Neubau wurde im Jahr 1991 die Anlage für
    stellten Schlosses Rosenstein Mineralquellen gefun-      rischen Wilhelma abgeschlossen. König Wilhelm I.         botanischen Garten im Rosensteinpark. Das Sanie-        Bären und Klettertiere mit einem großen Fest eröffnet.
    den. Mit dieser Entdeckung reifte bei König Wilhelm I.   von Württemberg starb im gleichen Jahr.                  rungskonzept sah vor, auf Grundlage der historischen    Der Bau wurde mit Hilfe des Vereins der Freunde und
    der Wunsch nach einem eigenen Badhaus im                                                                          Struktur und Freiraumgliederung die vorhandene          Förderer der Wilhelma ermög-licht. Am Südlichen
    Schlosspark. Im Laufe der Überlegungen entwickelte       Das Lustwandeln in der Anlage war zu Lebzeiten           Bausubstanz zu restaurieren oder unter Berücksichti-    Pavillon und am Wandelgang im Maurischen Garten
    sich aus der ursprünglichen Badhausidee ein Pro-         König Wilhelms I. ausschließlich der königlichen         gung der neuen Nutzung sinnvoll zu ergänzen.            wurden im Jahr 1986 die durch Kriegseinwirkung not-
    gramm, das schließlich Theater, Badhaus, Orangerie       Familie und ihren Gäste vorbehalten. Erst ab 1880                                                                wendig gewordenen Instandsetzungen durchgeführt.
    und Gewächshaus umfasste. König Wilhelm I.               konnte jedermann gegen eine Berechtigungskarte           Eine der ersten Maßnahmen des Sanierungskonzeptes       Im Jahr 1992 wurde die Damaszener Halle, die sich
    wünschte sich die Architektur der Gebäude „im            die Wilhelma besuchen. Im Jahr 1919 wurde die            war im Jahr 1962 der Wiederaufbau des Maurischen        durch mehrere Umbauten und altersbedingt in einem
    gotischen oder lieber maurischen Stil“. So beauftrag-    Wilhelma Staatsbesitz und als botanischer Schaugar-      Landhauses als Tier- und Pflanzenhaus. Ein Jahr         schlechten baulichen Zustand befand, instand gesetzt.

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Im Jahr 2000 durchbrach die Wilhelma erstmals die         Die Wilhelma gehört zum großen kulturellen Erbe
     Schallmauer von über 2 Millionen Besuchern. Auch          des Landes Baden-Württemberg. Die Erhaltung
     aus baulicher Sicht begann das 21. Jahrhundert für        ihres historischen Bereichs und ihre stetige Weiter-
     die Wilhelma wegweisend mit der Fertigstellung des        entwicklung als moderner zoologisch-botanischer
     Albert-Schöchle-Amazonienhauses, das ebenfalls            Garten liegen in der Verantwortung des Landes
     maßgeblich vom Verein der Freunde und Förderer            Baden-Württemberg. Dieser in seiner Art einzigartige
     der Wilhelma unterstützt wurde. In den folgenden          zoologisch-botanische Garten mit seinen Bauaufga-
     Jahren konnten weitere bedeutende Bauwerke wie            ben stellt die Staatliche Vermögens- und Hochbauver-
     beispielsweise das Insektarium mit Schmetterlings-        waltung immer wieder vor große Herausforderungen,
     halle und die sanierten Gewächshäuser am Mau-             die in der Vergangenheit mit oftmals beispielhafter
     rischen Landhaus im Jahr 2002 eröffnet werden. Die        Architektur gemeistert wurden. Auch in Zukunft
     neue Krokodilhalle wurde im Jahr 2006 wieder in           wird die Staatliche Vermögens- und Hochbauver-
     Betrieb genommen. Und um dem Besucherandrang              waltung alle anstehenden Bauaufgaben mit großem
     auch künftig gerecht zu werden, wurde der Hauptein-       Engagement angehen, um gemeinsam mit der Wil-
     gang der Wilhelma besucherfreundlich umgestaltet          helma und dem Verein der Freunde und Förderer der
     und mit dem neuen Wilhelma-Shop im Jahr 2009              Wilhelma den guten Ruf des zoologisch-botanischen
     eröffnet.                                                 Gartens Stuttgart zu erhalten und weiter auszubauen.

     Mit dem Bau der Anlage für afrikanische Menschen-         Die Fertigstellung der Anlage für afrikanische Men-
     affen wurde schließlich im Jahr 2010 begonnen – und       schenaffen möchte ich zum Anlass nehmen, all jenen
     mit ihrer Fertigstellung im Frühjahr 2013 schließt sich   zu danken, die sich in der Vergangenheit für die In-
     zunächst der Kreis. Hier ist nicht nur ein besonderes     standsetzung des historischen Bereichs sowie für die
     Gebäude, sondern eine einzigartige Gesamtanlage           Erweiterung und Weiterentwicklung der Wilhelma
     gelungen. Naturnah und in die Parklandschaft ein-         eingesetzt haben.
     gebettet soll sie den Anforderungen an artgerechte
     Haltung entsprechen; sie überzeugt aus architekto-
     nischer Sicht und lädt die Besucher zu einer reiz-
     vollen Entdeckungsreise ein.                              Ministerialdirigent Thomas Knödler

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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Die ideelle und finanzielle Unterstützung
     der Freunde und Förderer der Wilhelma

     Durch Umfrageergebnisse bei Wilhelma-Besuchern           ist nach heutigen Maßstäben nicht mehr zeitgemäß.
     war bekannt, dass trotz der Zuchterfolge die Anlage      Eine Neuaufnahme von Tieren in diese zu kleine
     der Menschenaffen bei den Besuchern besonders            Anlage ist nicht möglich. Da der Elefant sowohl das
     schlecht abschneidet. Die in die Jahre gekommene         Wappentier der Wilhelma als auch das Wappentier
     Architektur sowie die nicht mehr zeitgemäße Präsen-      des Vereins ist, haben wir bereits begonnen, für eine
     tation von Tieren in Räumen mit Waschküchencha-          Elefantenanlage Geld anzusammeln. Die finanzielle
     rakter waren für den Verein der Freunde und Förde-       Herausforderung wird hier noch höher als beim
     rer der Wilhelma Anstoß, sich für einen Neubau für       Affenhaus sein, da die benötigte Fläche und Infra-
     die afrikanischen Menschenaffen zu engagieren.           struktur für die Elefanten entsprechend größer ist.
                                                              Als Verein werden wir alles tun, um die Realisierung
     Mit 9,5 Mio. Euro fördert der Verein allein für die      zügig voranzubringen. Sobald der Umzug der Affen
     Affenanlage mehr, als in der 50-jährigen Vereinsge-      abgeschlossen ist und die personellen Kapazitäten in
     schichte insgesamt an Fördergeldern in die Wilhelma      der Wilhelma wieder frei sind, soll der Wettbewerb
     geflossen sind. Dass der Verein in der Lage ist, einen   für die Elefantenanlage – den der Verein vorfinanziert
     derartig hohen Geldbetrag aufzubringen, ist seinem       – durchgeführt werden, um zusammen mit dem Ro-
     aktiven Vereinsleben, aber vor allem seiner großen       sensteintunnel diese in der Wilhelma zu realisieren.
     Mitgliederschar, die inzwischen auf 27.582 Mitglieder
     angewachsen ist, zu verdanken und ist ein großartiges    Dem Vereinsziel, die Attraktivität der Wilhelma zu
     Beispiel von bürgerlichem Engagement.                    fördern, sind wir mit der Einweihung der Anlage für
                                                              afrikanische Menschenaffen ein großes Stück näher
     Der Neubau der Anlage für afrikanischen Menschen-        gekommen. Zum Rasten bleibt aber keine Zeit.
     affen strahlt wie ein Stern. Der Neubau zeigt aber
     umso mehr, dass die dieses Gebäude umgebenden
     Anlagen in die Jahre gekommen sind. Um die
     Umgebung aufzuwerten, hat sich der Verein erneut
     engagiert und die Umgestaltung der Erdmännchen-          Prof. Georg Fundel
     und Zebraanlage mit 250.000 Euro gefördert. Aber         Vorsitzender des Vereins
     das ist noch nicht alles. Die Anlage der Elefanten       der Freunde und Förderer der Wilhelma

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Wilhelma Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen
Vom Wettbewerb zum Gebäude –
     Planungsprozesse beim Bauen für eine maßgeschneiderte Unterkunft
     Leitende Baudirektorin Ilse Lange-Tiedje
     Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

     Die afrikanischen Menschenaffenarten in der Wil-        brauch für die neue Anlage musste unter anderem
     helma sollten einen Neubau erhalten – das war im        auch deshalb auf das notwendige Maß beschränkt
     Jahr 2005 das Ansinnen der Wilhelma, des Vereins        werden. Die Belange des Denkmalschutzes und die
     der Freunde und Förderer in Übereinstimmung             Sichtbeziehungen vom und in den Park mit seinen
     mit dem damaligen Finanzministerium des Landes          typischen, bis zu 150 Jahre alten Bäumen gebührend
     Baden-Württemberg. Das vorhandene Affenhaus aus         zu berücksichtigen, war eine Grundlage für Planung
     den 1970er-Jahren war für die darin untergebrachten     und Entwurf.
     vier Menschenaffenarten zu klein geworden und
     entsprach zudem nicht mehr den Richtlinien der          Eine zweite Besonderheit stellen die künftigen
     geltenden Erhaltungszuchtprogramme. Der Neubau          Nutzer des neuen Gebäudes dar, die afrikanischen
     der Anlage sollte eine artgerechte Haltung zweier       Menschenaffen. Den nächsten Verwandten des Men-
     afrikanischer Menschenaffenarten, der Bonobos und       schen eine würdige und möglichst optimale Umge-
     der Gorillas, gewährleisten.                            bung zu schaffen, dies bestimmt die ethische Haltung
                                                             der Planer und ihre Vorgehensweise. Sie wollen die
     Drei Besonderheiten und eine Konstante prägten in       Lebensbedingungen der Tiere deutlich verbessern.
     der Folge die Arbeit des Landesbetriebs Vermögen
     und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart, das den       Das bedeutet unter anderem, mehr Platz und
     Bauherrn, das Land Baden-Württemberg, vertritt.         naturnahe Außengehege vorzusehen. Die Tierhal-
                                                             tungsrichtlinien ändern sich, die Architektur kann
     Da ist zum einen die Besonderheit des Ortes. Das        entscheidend dazu beitragen, im Zoo mehr als ihre
     10.800 Quadratmeter große Baugrundstück befindet        Einhaltung zu gewährleisten und die bestmögliche
     sich in unmittelbarer Nähe des Rosensteinparks,         Umgebung für die afrikanischen Menschenaffen zu
     der als größter englischer Landschaftspark Südwest-     schaffen.
     deutschlands gilt. Die historischen Parkteile, die in
     der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter König      Die dritte Besonderheit der Planung liegt in der Ein-
     Wilhelm I. von Württemberg angelegt wurden,             zigartigkeit der Aufgabe selbst. Die Errichtung einer
     stehen in ihrer Gesamtheit als wertvolles, eingetra-    Menschenaffenanlage gehört nicht zu den üblichen
     genes Kulturdenkmal unter Schutz. Der Flächenver-       Aufgaben der Bauverwaltung. Es ging nicht um einen

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Verwaltungsbau, für dessen Planungsgrundlage Richt-     Flächen sind dabei Maßstab, ebenso wie ästhetische
                                                             werte für Flächen und Kosten vorliegen. Es waren        Fragen, etwa die Verwendung von Kunstfels oder der
                                                             keine Grundlagen und Bedarfswerte vorhanden, mit        symbolische Nachbau von Terrassen.
                                                             deren Hilfe geplant werden konnte. Sie mussten
                                                             zunächst empirisch erarbeitet werden.                   Fehlende Querschnittswerte bei der Kostenrechnung
                                                                                                                     erschwerten zudem die Arbeit an den Wettbewerbs-
                                                             Diese drei Merkmale prägen die Baumaßnahme von          grundlagen. Studien aus den Jahren 2003-2005 für
                                                             der Auslobung über die Planung bis zum Bauprozess.      eine Gesamtnutzfläche von insgesamt etwa 5.450
Wettbewerbsmodell 2006              Präsentationsplan 2010   Die Konstante war der permanente und intensive          Quadratmetern klärten solche Fragen. Wir transfe-
                                                             fachliche Austausch mit den Experten der Wilhelma.      rierten die Ergebnisse des Pflichtenheftes in den Aus-
                                                             Dies war unerlässlich und hat sich als sehr fruchtbar   lobungstext. Unabdingbar war während des gesamten
                                                             erwiesen.                                               Planungsprozesses der Abgleich mit den Fachleuten
                                                                                                                     der Wilhelma in allen Punkten der Nutzungsan-
                                                             Im Vorfeld des Architektenwettbewerbs im Jahr           forderungen. Gemeinsame Besuche anderer Zoos
                                                             2006 erstellten wir ein Pflichtenheft. Haltungsricht-   innerhalb Europas und Deutschland hatten ergeben,
                                                             linien, Flächenbedarf, Sicherheitsanforderungen und     dass es in keinem Zoo die gleichen und damit ver-
                                                             Nutzungsanforderungen wurden für die Haltung der        gleichbare Bedingungen gab. Umso wichtiger war die
                                                             beiden Affenarten aufgestellt. Dazu gehören Flächen     empirische Arbeit an allen Planungsgrundlagen.
                                                             und Höhen von Innen- und Außenbereichen, Anfor-
                                                             derungen an das Klima innen und außen, Spielgerät       Den einstufigen, begrenzt offenen Realisierungs-
                                                             als Naturadaption und Möglichkeiten der Futtersuche.    wettbewerb mit 25 Teilnehmern gewann die Ar-
                                                             Die Anforderungen der Tierpfleger, Zoologen und         beitsgemeinschaft Hascher Jehle Architektur, Berlin
                                                             Tiermediziner mussten berücksichtigt werden. Für        und Böhm Benfer Zahiri Landschaft und Städtebau,
                                                             jede Tierart wurde als Basis für den Wettbewerb ein     Berlin. Die Qualität des Entwurfs wurde vom dama-
                                                             Anforderungspaket aufgestellt. Die Frage, was man       ligen Preisgericht erkannt, das im Preisgerichtspro-
                                                             den Besuchern bieten möchte, bestimmte außerdem         tokoll niederlegte: „Der Bergrücken und der Wald,
                                                             die Wettbewerbsanforderungen. Die durchschnittliche     ein klaffendes Gelände und kein Haus, das dieses
                                                             Anzahl der Besucher und die für sie benötigten          Stück Landschaft in der Wilhelma dominieren will;
Weiterentwicklung Entwurfsplanung   Baustelle 2011
2007

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Ltd. Baudirektorin Ilse Lange-Tiedje
                                                                                                                      Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

     all das führt zu einem starken Entwurfskonzept; keine   Anlage für afrikanische Menschenaffen ein Prototyp
     Architektur soll hier ausgestellt werden, sondern die   ist. Sehr vieles, was gebaut wurde, musste eigens ent-
     Menschenaffen stehen im Mittelpunkt des Gesche-         wickelt und angefertigt werden. Das Wissen der Wil-
     hens. Einzig das Gitternetz des Außengeheges der        helma-Experten über die Bonobos und die Gorillas
     Bonobos ragt auf, aber die Stützen imitieren die Bäu-   bestimmte die Auswahl aller Materialien. Denn die
     me und Pflanzen des Parks, alle baulichen Anlagen       Ausstattung muss den Tieren standhalten und zudem
     wollen verschwinden, den Besuchern wird viel Raum       einfach zu reinigen und zu pflegen sein. Deshalb ver-
     gegeben.“                                               zichtete man übereinstimmend im Innenbereich auf
                                                             künstliche Felsen und entschied sich für Beton. Das
     Die anschließende Planungsphase bis zum Baube-          spezielle Holz der Kletterbalken aus Kambala und
     ginn im Juni 2010 war gekennzeichnet durch die          der Schlafplätze gehört ebenso zur affengerechten
     drei Besonderheiten der Maßnahme: Alle Festset-         Ausstattung wie die sich fugenlos präsentierenden
     zungen des prämierten und überarbeiteten Entwurfs       Beton- und Glasflächen und die Bepflanzung.
     mussten bezüglich der speziellen Erfordernisse des
     Ortes, der künftigen Bewohner der Anlage und der        Die Mitglieder des Fördervereins der Wilhelma
     empirisch erhobenen Anforderungen an das Projekt        bekamen im Jahr 2012 die Gelegenheit zu einer
     auf den Prüfstand. Schwächen wurden analysiert und      Baustellenbesichtigung. Die währenddessen sehr
     beseitigt, rechtliche Voraussetzungen zum Beispiel      häufig geäußerte Feststellung „Affe müsste man sein“
     der Haltungsrichtlinien neuerlich überprüft. Der        verstanden die Planer als Lob ihrer Arbeit.
     Planungsablauf war – und hier zeigt sich wieder die
     Konstante des Projekts – anders als bei herkömm-        Mit der neuen Anlage für afrikanische Menschen-
     lichen Bauaufgaben.                                     affen wurde ein Anziehungspunkt in der Wilhelma
                                                             geschaffen, der dem besonderen Ort Rechnung trägt,
     Unabdingbar war, dass neben zahlreichen Fachleu-        den Bedürfnissen der darin lebenden Tiere nach-
     ten die Tiermediziner, Zoologen und Tierpfleger         kommt und die Besucher erfreut.
     der Wilhelma in unseren Besprechungen bei jedem
     Detail ihr Wissen mit einbrachten. Den Bauprozess
     bis zum April 2013 prägte die Tatsache, dass die neue

18                                                                                                                                                                        19
Grundriss Erdgeschoss
                      Besucherebene
     5   10   25
                   Grundriss E01_M 1:1000

20                                            21
5       10    25
                                 Schnitt durch Bonobo-Innengehege
                                   Regelschnitt II_M 1:750
     5       10    25
                                  Regelschnitt II_M 1:750

     5       10    25        Regelschnitt
                                 Schnitt durchI_M    1:750
                                               Gorilla-Innengehege

         5    10        25             Regelschnitt I_M 1:750

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24   25
Menschenaffenhaltung der Wilhelma im Wandel der Zeit

     Prof. Dr. Dieter Jauch
     Direktor der Staatlichen Anlagen und Gärten

     Die Wilhelma ist ein „junger“ Zoo. Erst nach dem        Die Gehege waren für die damalige Zeit geräumig
     Zweiten Weltkrieg, ab 1949, schuf der damalige Di-      und vor allem sehr zweckmäßig eingerichtet: Geflieste
     rektor Albert Schöchle aus den Ruinen des kriegszer-    Wände und kunstharzbeschichtete Böden sorgten für die
     störten Parks einen zoologisch-botanischen Garten.      notwendige Sauberkeit. Die Menschenaffen jener Zeit
                                                             im Zoo waren ja noch Wildfänge mit einer oft beträcht-
     Schon wenige Jahre danach erhielt die Wilhelma die      lichen Parasitenbürde und die Veterinärmedizin war
     ersten Menschenaffen: 1958 kamen Schimpansen,           noch längst nicht auf dem Wissensstand von heute. Auch
     1962 Orang-Utans und 1965 die ersten Gorillas. Diese    die Panzerglasscheiben, die nicht nur eine gute Sicht auf
     Tiere waren, im Vergleich mit anderen Zoos der Zeit,    die Tiere und große Nähe ermöglichten, sondern den
     sehr einfach untergebracht. Die Wilhelma befand sich    Lebensraum der Affen gegen die Besucher hin abschlos-
     damals ja noch in ihrer „Sturm-und-Drang-Zeit“.         sen, sorgten zusammen mit der leicht zu reinigenden
                                                             Innenausgestaltung dafür, dass die Tiere hygienisch
     1973 wurde dann das erste Menschenaffenhaus der         einwandfrei gehalten wurden und gesund blieben.
     Wilhelma eröffnet. Damit war die Menschenaffen-
     pflege in der Wilhelma auf einem modernen Stand         Auch wenn uns diese Gehegegestaltung heute
     angekommen. Als das Affenhaus noch vor der Eröff-       befremdet und wir sie abschätzig als „Badezimmerar-
     nung im Fernsehen vorgestellt wurde, erfuhr davon       chitektur“ bezeichnen, war damit der Schlüssel für
     ein belgisches Arztehepaar, das eine Gruppe junger      eine erfolgreiche Menschenaffenpflege gefunden. Die
     Bonobos nach Belgien mitgebracht hatte und für          Haltungserfolge geben den Tiergärtnern Recht.
     diese Tiere eine neue Heimat suchte. Das Ehepaar
     war so begeistert, dass es der Wilhelma spontan seine   Die überaus zweckmäßige „Möblierung“ der Gehege
     Tiere 1973 anbot. So kam es, dass das neue Haus, das    mit verschiedenen Ebenen, Kletter- und Sitzbal-
     ja eigentlich nur für drei Menschenaffenarten geplant   ken, die später noch durch Feuerwehrschläuche als
     war, von Anfang an alle vier, Gorillas, Schimpansen,    Klettergerät und Hängematten ergänzt wurde, Be-
     Bonobos und Orang-Utans, beherbergte. Dank der          wegungs- und Spielmöglichkeit durch ein Karussell,
     fürsorglichen Pflege durch die Wilhelma-Mitarbeiter     ein Badebecken und Duschen bot zusammen mit
     wurde die Menschenaffenhaltung der Wilhelma bald        entsprechender Beschäftigung durch Futtersuche etc.
     eine der erfolgreichsten weltweit.                      den Tieren viele Anregungen, sich zu entfalten.

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Da die Menschenaffen in den zoologischen Gärten je-     affenarten würden halten können. Wir entschieden
     ner Zeit unter dramatischen Umständen nach Europa       deshalb, die Schimpansen abzugeben und uns auf
     gekommen waren und eine natürliche Fürsorge durch       Bonobos und Gorillas zu konzentrieren. An der Stelle
     ihre Mütter nicht erfahren hatten, waren sie auch       des alten Menschenaffenhauses soll in Zukunft eine
     nicht imstande, selbst Jungtiere aufzuziehen. Daher     neue Heimat für unsere Orang-Utans, die Haubenlan-
     nahmen der ehemalige Menschenaffenpfleger Heinz         guren und unsere Weißhand-Gibbons entstehen.
     Scharpf und seine Frau Gundi Scharpf die Affenbabys
     zur Handaufzucht mit nach Hause. Die dort gemach-       In der Planung haben wir das, was sich bei uns
     ten Erfahrungen flossen später in den Bau des 1982      bewährt hat, übernommen, wie z.B. die nüchterne,
     eingeweihten Jungtieraufzuchthauses ein, das in der     leicht zu säubernde Gehegegestaltung und die „Mö-
     Zwischenzeit zentrale Aufzuchtstation für Gorillas im   blierung“ der Innengehege. Der kunststoffbeschich-
     europäischen Erhaltungszuchtprogramm geworden ist.      tete Gehegeboden ist allerdings über weite Teile mit
     Das bedeutet, dass aus allen europäischen Zoos Af-      sogenanntem Biofloor, Rindenschrot, bedeckt, der
     fenbabys, die von ihren Müttern nicht angenommen        den Eindruck auflockert und das Raumklima positiv
     werden, in der Wilhelma aufgezogen werden.              beeinflusst.

     Seit der Eröffnung des ersten Menschenaffenhauses       Vor allem aber hat sich die Dimension der Gehege
     der Wilhelma sind 40 Jahre vergangen. Heute wissen      geändert – ein echter Quantensprung: Die Innen-
     wir erheblich mehr über die Bedürfnisse der Tiere,      gehege des neuen Hauses sind rund fünfmal so
     die Veterinärmedizin hat enorme Fortschritte ge-        groß wie die bisherigen. Pflanzen finden sich in den
     macht und auch die Erwartungen unserer Besucher         Innengehegen keine. Sie hätten bei den kräftigen
     an den Zoo haben sich gewandelt. Die Wilhelma hat       Tieren auch keine Überlebenschance. Um das Haus
     dieser Entwicklung mit dem Bau der neuen Anlage         aber dennoch „grün“ zu machen, schaffen afrikanische
     für Bonobos und Gorillas Rechnung getragen.             Pflanzen außerhalb der Gehege stellenweise einen
                                                             grünen Vorhang zwischen Mensch und Tier.
     Rund 1 Hektar Gelände stand uns für die neue
     Anlage zur Verfügung. Trotzdem war uns rasch klar,      Die Grundfläche der Bonobo-Außengehege ist ca.
     dass wir dort nicht alle drei afrikanischen Menschen-   17 Mal so groß wie bisher und, netzüberdacht, bis

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12 Meter hoch. Die Gorilla-Außengehege umfassen          Jungen keinen unmittelbaren Kontakt mit der Famili-
     eine Grundfläche, die 30 Mal größer ist als diejenige    engruppe hatten. Dazu mussten die Gorillakinder erst
     des alten Menschenaffenhauses. Was sich bei beiden       umständlich ins Menschenaffenhaus gebracht werden.
     Arten gegenüber dem Vorgängerbau ändert, ist die         Im neuen Haus ist das anders: Die Jungtiere in der
     naturnahe Gestaltung der Außengehege. Für beide          Aufzuchtstation haben ständigen Blickkontakt zur
     Arten haben wir Naturboden mit einer Pflanzende-         Gorilla-Familiengruppe. Zwei Verbindungsschieber
     cke aus Gräsern und Kräutern, die die Affen gerne        sind dazu da, ihnen zusätzlich auch Körperkontakt zu
     verzehren, daneben wachsen Sträucher und Bäume           verschaffen und ihnen so rasch wie möglich Zugang
     in den Gehegen und Kletterpflanzen. Trotz eines          zu den großen Gorillas zu ermöglichen. Damit soll
     starken „Drucks“ durch die Gehegebewohner ist das        ihre spätere Integration in eine neue Gruppe leichter
     wegen der Dimensionen möglich. Bei den Gorillas          gemacht werden.
     sind die großen alten Parkbäume Teil der Gehege-
     gestaltung und Schattenspender für die Affen gewor-      Das Konzept der neuen Menschenaffenanlage
     den. Es gibt Wasserläufe, Planschbecken, Sumpfzonen      spiegelt das gesamte derzeitige Wissen über diese
     und bei den Gorillas einen Wassergraben, der so          faszinierenden Wesen wider. Alles, was internationa-
     konstruiert ist, dass die Tiere ihn nicht überwinden     len Experten für die Pflege von Bonobo und Gorilla
     können und vor möglichem Ertrinken geschützt sind.       wichtig erschien, wurde berücksichtigt. Damit ist
     Dass naturnahe Gehege heute überhaupt möglich            auch gewährleistet, dass die neue Anlage möglichst
     sind, verdanken wir einmal der Tatsache, dass unsere     lange modern bleibt.
     Affen zum überwiegenden Teil zoogeboren und
     weitgehend parasitenfrei sind, und außerdem den
     heutigen Fortschritten der Veterinärmedizin.

     Die Gehege sind auch sonst reich strukturiert. Die
     Bonobos haben viele Klettermöglichkeiten, die das
     ganze Gehege durchziehen, und auch bei den Goril-
     las gibt es Klettermöglichkeiten und „Ausgucke“.
     Nachteilig bei der alten Aufzuchtstation war, dass die

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32   33
Der Bergrücken –
     Entwurfsgedanken zur neuen Menschenaffenanlage
     Prof. Sebastian Jehle
     Hascher Jehle Architektur

     Die Parklandschaft                                        von einer Höhe von 7,5 Meter kontinuierlich fließend
     Die Wilhelma, der zoologisch-botanische Garten            in den angrenzenden Landschaftspark übergehen.
     Stuttgarts, ist Teil des Rosensteinparks, der im ersten
     Drittel des 19. Jahrhunderts (1824-1840) unter            Entlang der S-förmigen artifiziellen, topografischen
     König Wilhelm I. als englischer Landschaftsgarten         Bruchkante, die auf der einen Seite nach Norden und
     angelegt wurde. Entlang der für den Stuttgarter           auf der anderen Seite nach Südwesten orientiert ist,
     Raum typischen Topografie mit Talkessel und steil         befindet sich der Besucherweg, der sich über raum-
     ansteigenden Hängen entstanden im weitläufigen            hohe Verglasungen zu der angrenzenden Landschaft
     Rosensteinpark durch gezielte Baumpflanzungen             öffnet, sodass sowohl die Besucher als auch die Tiere
     inszenierte Sichtachsen und Landschaftsräume. Im          einen direkten Bezug zum Außenraum haben.
     Entwurfskonzept für das neue Affenhaus wurden
     die bestehende Eichengruppe und markante Einzel-          Im Bergrücken sind die Innengehege angeordnet.
     bäume erhalten und der Neubau in die Landschaft           Während die Gorillas in drei getrennten Innenge-
     harmonisch eingebettet, um den parkartigen Charak-        hegen für die Silberrücken, die Familien und die Jung-
     ter der Zooanlage zu betonen.                             tiere in dem nördlichen Bergrücken untergebracht
                                                               sind, befinden sich die kleineren Bonobos in dem
                                                               südlichen Bergrücken. Drei voneinander separierte
     Der „Bergrücken“                                          Gehege trennen die in „sozialen Einheiten“ organisier-
     Auf dem topografischen Hochpunkt des Landschafts-         ten Bonobos.
     parks gelegen, bildet das neue Gehege der afrika-
     nischen Menschenaffen einen artifiziellen Bergrücken      Die Außengehege grenzen im Norden bzw. im
     aus. Der neue Baukörper schiebt sich entlang einer S-     Süden an den Baukörper und bilden eine natürliche
     förmigen Linie um den erhaltenswerten Baumbestand         Fortsetzung der begrünten Dachlandschaft. Durch die
     und verschwindet an den gebogenen Enden schein-           Überlagerung von Topografie und Baukörper entsteht
     bar unter dem Erdreich. Dieser Effekt wird durch          eine gebaute Landschaft, die sich harmonisch in die
     die Ausbildung zweier begrünter und schalenartig          Umgebung einfügt und die Wilhelma auch als bota-
     gegeneinander gebogener Dachflächen erzielt, die          nischen Garten und Teil des Rosensteinparks stärkt.

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Der „Wald“                                               Die südlichen Außengehege der Bonobos werden
     Die Außengehege verstehen sich als Inszenierungen        von einer bis zu 12 Meter hohen filigranen Stahlnetz-
     der natürlichen Lebensräume der Menschenaffen –          konstruktion überspannt, damit die baumlebenden
     Wald und Lichtung. Die vorhandene Eichengruppe           Affen ihrer Art entsprechend auch die Höhen nutzen
     in dem Gorilla-Außengehege bietet mit ihrem hohen        und den Blick in den Rosensteinpark schweifen
     Baumdach das perfekte Grundgerüst hierfür. Auf           lassen können. Getragen wird die leichte Netzkon-
     Waldbodenebene sind es neue Strauchpflanzungen,          struktion von einem „Stützenwald“ aus unregelmä-
     Wasser und Gras, die den natürlichen, großzügig          ßigen, schräggestellten Stahlstützen. Dieser artifizielle
     bemessenen Lebensraum der Tiere strukturieren.           Wald dient den Bonobos zusätzlich als Klettermög-
     Komplettiert wird dieses Bild durch notwendige           lichkeit und Ruhestätte. Zu diesem Zweck sind die
     Raumkanten aus geschlossenen Elementen wie               „Stahlbäume“ mit künstlichen Lianen, Hängematten
     Travertin-Felsformationen und Mauern mit Stahl-          und Schlafnestern ausgestattet. Die Terrassierung des
     Eichenholz-Modulen sowie offene Bereiche als             Außengeländes, der Bachlauf, neue Pflanzungen so-
     Nahbegegnungszonen, wo Mensch und Tier nur durch         wie Holzklettergerüste vervollständigen die Bonobo-
     Panzerglasscheiben voneinander getrennt sind. Eine       Gehege.
     Besonderheit am Panorama stellt der Wassergraben
     dar, an dem die Begegnung „Auge in Auge“ – lediglich     Der Wald bietet mit seinem Blätterdach den Affen
     getrennt durch eine sieben Meter breite Wasserfläche     einerseits Schutz vor der Sonne, andererseits lässt das
     – möglich ist. Der schilfbewachsene Wassergraben, der    natürliche Sonnenlicht, das sich im Tagesverlauf verän-
     für die wasserscheuen Nichtschwimmer unüberwindbar       dert, in der Menschenaffenlichtung fortwährend neue
     ist, und die künstlichen Felslandschaften mit Überhän-   Bilder entstehen. Bilder, die es für die afrikanischen
     gen übernehmen dabei gleichzeitig die notwendigen        Menschenaffen der Wilhelma so noch nie gab.
     Grenzfunktionen.

     Auch wenn die Jungtiere der Handaufzucht von den         Der Besucherrundgang
     Familien und männlichen Gorillas räumlich getrennt       Der Besucherbereich des Affenhauses erstreckt sich –
     sind, können die Tiere zukünftig in den neuen Gehe-      dem Bergrücken folgend – entlang der Innengehege
     gen wertvolle Sichtbeziehungen zueinander aufbauen.      von Südwesten nach Nordosten und verbindet als

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Teil des Zoorundgangs die Außenwege miteinander.
     Im Südwesten wird der Besucher über einen kleinen
     Vorplatz zu den Bonobos geführt. Raumhohe Panzer-
     verglasungen trennen den Besucher von den Affen und
     treten gleichzeitig durch ihre schräge Anordnung in der
     Wahrnehmung zurück. Begrünungen in Pflanzinseln
     und Pflanztrögen oberhalb der Panzergläser rahmen die
     Fenster zu den Gehegen. Geräusche, Laute und Gerü-
     che der Tiere sind so auch im Besucherbereich erleb-
     bar. Die Illusion eines direkten Gegenübers von Affen
     und Besuchern wird so unterstützt. Der Besucherweg
     ist in höhengestaffelten Terrassen gegliedert, die mit
     Bänken, Informationssystemen und einem Medienraum
     ausgestattet sind, sodass die Tiere umfassend studiert
     werden können. Rampen und Treppen verbinden die
     Terrassen und überwinden innerhalb des Gebäudes
     eine Höhe von 2,7 Meter.

     Durch die geschwungene Form des Weges sowie die
     differenziert gestaltete Lichtregie – raumhohe Vergla-
     sungen, geschlossene Wandflächen und großflächige
     Oberlichter lenken das Tageslicht aus unterschied-
     lichen Richtungen in den Innenraum – entsteht ein
     abwechslungsreicher Besucherweg mit differenzierten
     Ein- und Ausblicken.

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Projektdaten

     Chronologie
     Wettbewerb: März-September 2006
     Genehmigung Bauunterlage: Oktober 2008
     Baugenehmigung: September 2009
     Baubeginn: Juni 2010
     Einweihung: Mai 2013

     Gebäudedaten
     Nutzfläche innen: 2.024 m2
     darin enthaltene Gehegefläche: 800 m2
     Gehegefläche außen: 3.400 m2
     Grundstücksfläche Baufeld: 10.800 m2
     Umbauter Raum: 14.776 m3

     Kosten
     Gesamtbaukosten: 20,0 Mio Euro
     Ausstattung: 2,0 Mio Euro

     Kostenzuschuss des Fördervereins
     Baukosten und Netzanlage für Bonobo-
     und Aufzuchtgehege: 9,5 Mio Euro

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Planungsbeteiligte

Bauherr                         Außenanlagen                         Baugrund                              Schieberanlage
Land Baden-Württemberg          Möhrle + Partner                     Smoltczyk & Partner GmbH              Hochmuth+ Beyer GmbH & Co. KG
vertreten durch                 Freie Landschaftsarchitekten         Untere Wandplätze 14                  Färbergasse 7
Vermögen und Bau                Mörikestraße 21                      70569 Stuttgart                       76275 Ettlingen
Baden-Württemberg,              70178 Stuttgart
Amt Stuttgart                                                        Bauphysik                             Infosystem
                                Tragwerk                             GN Bauphysik                          Ranger Design
Nutzer                          Weischede, Herrmann & Partner GmbH   Ingenieurgesellschaft mbH             Wiener Straße 104
Wilhelma                        Curiestraße 2                        Bahnhofstraße 27                      70469 Stuttgart
Zoologisch-Botanischer Garten   70563 Stuttgart                      70372 Stuttgart
Stuttgart Bad Cannstatt                                                                                    Medientechnik
                                Tragwerk Netzanlage                  Lichtplanung                          2av – GmbH
Planung/Projektleitung          officium design engineering GmbH     IFT- Institut für Tageslichttechnik   Keltergasse 3
Vermögen und Bau                Rotebühlplatz 15                     Osterbronnstraße 30                   89073 Ulm
Baden-Württemberg,              70178 Stuttgart                      70565 Stuttgart
Amt Stuttgart                                                                                              E-Draht-Anlage
                                Haustechnik                          Vermessung                            Ingenieurbüro J. Döhler
Architekt                       Rentschler & Riedesser               Intermetric GmbH                      Ferdinand-Rhode-Straße 20
Hascher Jehle Architektur       Ingenieurgesellschaft mbH            Industriestraße 24                    04107 Leipzig
Planungsgesellschaft mbH        Filderbahnstraße 12                  70565 Stuttgart
Kantstraße 17                   70794 Filderstadt
10623 Berlin                                                         SiGEKo
                                Elektroplanung                       Architekturbüro H. Deutschle
Bauleitung                      Klett Ingenieur GmbH                 Industriestraße 25
Guggenberger und Ott            Auberlenstraße 13                    70565 Stuttgart
Architekten GmbH                70736 Fellbach
Meisenweg 37
70771 Leinfelden-Echterdingen

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Ausführende Firmen

Gerüstbauarbeiten               Kunstfels                    Fassadenarbeiten                          Schlosserarbeiten                  WC-Trennwände                     Kletterskulpturen
Gerüstbau Uhle GmbH             Seuß Holztechnik GmbH        MBM Konstruktionen GmbH                   Schlosserei Hein GmbH              KEMMLIT-Bauelemente GmbH          Projekt Spielart Heinrich Hofmann
Hauptstraße 30                  Orter Straße 17              Alte Stadt 4                              Oppelner Straße 5                  Maltschachstraße 37               Krainstraße 49b
74382 Neckarwestheim            95233 Wüstenselbitz          74219 Möckmühl                            70372 Bad Cannstadt                72144 Dusslingen                  83026 Rosenheim

Abbrucharbeiten                 Dachabdichtung               Panzerglasanlage                          Absturzsicherung                   Baureinigung                      Verfugungsarbeiten
Gebr. Vybiralik GmbH            REFA Dachbau GmbH            Radeburger Fensterbau GmbH                Hans Zanger                        SCO Gebäudereinigungs GmbH        Firma Bal
Reustadt 41/2                   Planckstraße 10              Weinböhlaer Straße 5                      Heckenackerweg 4                   Fabrikstraße 26                   Duisburger Straße 5
73110 Hattenhofen               71691 Freiberg a. N.         01471 Radeburg                            74523 Schwäbisch Hall              73207 Plochingen                  70376 Stuttgart

Rohbauarbeiten                  Fliesenarbeiten              Stahltüren                                Pflanztröge                        Tischler- und Metallbauarbeiten   Mittelspannungsanschluss
Ed. Züblin AG                   Harsch Fliese + Stein GmbH   Held Metallwaren GmbH & Co. KG            Gienger Metallbau                  Info-Systeme                      EnBW
Bereich Stuttgart               Kanalstraße 50               Zum Gallfenster 3                         Ulrich-Gminder-Straße 12/2         Arthur Jaschek GmbH & Co KG       Regionalzentrum Stuttgart AG
Postfach 801083                 73061 Ebersbach              57629 Kirburg/Westerwald                  72654 Neckartenzlingen             Teckstraße 20                     Hackstraße 31
70510 Stuttgart                                                                                                                           73734 Esslingen-Berkheim          70190 Stuttgart
                                Estricharbeiten              Metallgitter                              Malerarbeiten
Bauunternehmung                 Kutsch R. & S. KU GmbH       Neusser Stahl- und Leichtmetallbau GmbH   Seeger der Maler & Stuckateur      Medientechnik                     E-Zaunanlage
Wilhelm Keller GmbH & Co. KG    Lütticher Straße 35          Schwarzer-Hau-Weg 11                      Nachtigallenweg 27                 heddier electronic GmbH           Weidezaunprofi e. K.
Sudetenstraße 17                52064 Aachen                 72135 Dettenhausen                        71334 Waiblingen                   Pascherhook 34                    Industriestraße 31
73770 Denkendorf                                                                                                                          48653 Coesfeld                    89423 Gundelfingen
                                Holztüren                    Gehegetrennwände, -einrichtungen          Malerwerkstätten Heinrich Schmid
Kampfmittelbeseitigung          Single Innenausbau GmbH      Ernst Pfeffer GmbH                        Pfeffinger Straße 164              Videoüberwachung                  Sanitärarbeiten
Kampfmittelbeseitigungsdienst   Nürtinger Straße 15          Siemensstraße 6-8                         72461 Albstadt                     Bosch Sicherheitssysteme GmbH     Gas- & Wasserleitungs-Geschäft
Baden-Württemberg               72636 Frickenhausen          72184 Eutingen                                                               Postfach 30 11 68                 GmbH Stuttgart
Pfaffenwaldring 1                                                                                      Trockenbau- u. Wärmedämmarbeiten   70451 Stuttgart                   Beim Herzogenberg 25
70569 Stuttgart                                                                                        Hans Scholl GmbH                                                     70327 Stuttgart
                                                                                                       Postfach 54
                                                                                                       74375 Gemmrigheim

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Heizungsarbeiten                   Dämmarbeiten
Gebrüder Benzinger GmbH            an technischen Anlagen
Wormser Straße 26                  HAWA GmbH Isolierteam
70499 Stuttgart                    Wilhelm-Stähle-Straße 11
                                   70736 Fellbach
Lüftungsanlagen
Kratschmayer GmbH                  MSR-Anlage
Kälte, Klima und Lüftungstechnik   Nonnengässer Elektro-Schalttechnik
Dreifelderstraße 31                GmbH Reutlingen
70599 Stuttgart-Plieningen         Täleswiesenstraße 2
                                   72770 Reutlingen
Elektroarbeiten
Speidel GmbH Co. KG                Baumschutzarbeiten
Am Autohof 1-11                    Jörg Seidenspinner GmbH
73037 Göppingen                    Garten- und Landschaftsbau
                                   Dornröschenweg 113
Netzersatzanlage                   70567 Stuttgart
Reschke GmbH
Hertrichstraße 31/3                Landschaftsbauarbeiten
71229 Leonberg                     Schick Gartengestaltung
                                   Oberer Espach 2
Schieberanlage                     88480 Bronnen
E. Roleff GmbH & Co. KG
In den Kieswiesen 6-8              Netzanlage
73776 Altbach                      E. Roleff GmbH & Co. KG
                                   In den Kieswiesen 6-8
                                   73776 Altbach

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Impressum

     Herausgeber
     Ministerium für Finanzen und Wirtschaft
     Baden-Württemberg
     Neues Schloss, Schlossplatz 4
     70173 Stuttgart
     www.mfw.baden-wuerttemberg.de

     Redaktion und Konzeption
     Vermögen und Bau Baden-Württemberg
     Amt Stuttgart

     Gestaltung
     Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH,
     Stuttgart

     Druck
     Ungeheuer + Ulmer KG GmbH + Co.,
     Ludwigsburg

     Fotonachweis
     Brigida González
     Luftbild: Arnim Kilgus

     Auflage 3.000 Stück
     © April 2013

     Die Broschüre steht unter
     www.mfw.baden-wuerttemberg.de
     im Informationsservice zum Download
     zur Verfügung.

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