WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production

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WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
Titelseite_MES Wissen kompakt_2022_WK 23.03.2022 10:02 Seite 1

      www.it-production.com                                         Ausgabe 2022/23

                                                                     Das
                                                                  Indus
                                                                       trie 4.
                                                                  Maga         0
                                                                        zin

      WISSEN KOMPAKT 2022/23
      MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS

      - MES/MOM-Implementierung
      - Multisite-Rollout
      - Maschinenintegration und IIoT
      - Digitales Produktionsmanagement
      - Prozessoptimierung und KPI
      - Künstliche Intelligenz
      - Low-Code-Tools
      - Automation und Workflows

                                                                 IN KOOPERATION MIT:
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003_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 23.03.2022 09:47 Seite 3

       Editorial

       Bringt Interoperabilität die MES-Praktiker zusammen?

       Tschüss Wagenburgmentalität
       V    ergleichen Sie im Kopf einmal das BASF-Werk Lud-
            wigshafen mit der Fertigung eines Maschinenbau-
       ers. Ähnlich verschieden wirken dort installierte Manu-
       facturing Execution Systems. Aus diesen Perspektiven
       heraus haben die MES-Anwender ein teils sehr spezi -
       fisches Verständnis für diese Software-Gattung MES
       entwickelt. Zumal es viele weitere Ausprägungen gibt,
       etwa die ausgefeilten Eigenentwicklungen der Auto-
       bauer. Um die Unterschiede zwischen den MES-Varian-
       ten im Detail zu verstehen und gar zu erklären, ist teils
       interdisziplinäres Fachwissen erforderlich. Einige An -
       gestellte von MES-Anbietern könnten das zwar tun, ar-
       gumentieren aber eher im Interesse ihrer Arbeitgeber.
       Ein offener Austausch über Probleme und ihre mögli-
       chen Lösungen ist nur im speziellen Umfeld möglich. Im
       MES-Markt entstand zuweilen der Eindruck, dass eher
       die Verteidigung von Pfründen als die Suche nach zu-
       kunftsfähigen Lösungen gefragt war (Anwesende natür-
       lich ausgenommen). Im extrem erklärungsbedürftigen          In Krisen fokussieren Firmen traditionell stärker auf interne
       Softwaresegment Fabriksoftware haben dann Produkti-         Konsolidierung und Optimierung. Tatsächlich sind viele
       onsunternehmen ohne klare Technologiestrategie als          Hersteller derzeit mit MES-Rollouts, -Modernisierungen
       Leitplanke für Entscheider schnell das Nachsehen.           und punktuellen Projekten (oft mit KI) beschäftigt. Daran
                                                                   ist dieses Heft orientiert: Mit Berichten zur Remote-
       Heute sieht es zum Glück anders aus. Im MES/MOM-            Implementierung, zur Gestaltung von MES-Templates,
       Markt ist sichtlich erfolgskritisch, eigene Angebote für    zu den Vorarbeiten für KI-Applikationen und nicht zuletzt
       die Integration anderer Spezialsysteme zu öffnen. Inter-    zur Integration von Kennzahlensystemen, um Maßnah-
       operabilität ist die Klammer, die sich um die vielen For-   men auch korrekt zu bewerten. Wenn viele dieser Auf-
       schungs-, Praxis- und Transferprojekte schließt. Aus Zä-    gaben wirklich technologieoffen gelöst werden, rücken
       suren wie dem Industrie 4.0-Hype und der Pandemie ist       die Praktiker der MES-Domänen vielleicht etwas näher
       eine Fertigungsindustrie erwachsen, in der Fabriksoft-      zusammen, wenn die Problemstellungen der Zukunft zu
       ware als Spiegel einer volatilen Produktion gesetzt ist.    lösen sind. Denn Kooperation ist – mit interoperabler
       Wie zählt mehr als Ob: Braucht das Werk die Fein-           Technik – schließlich der Kern von Industrie 4.0.
       planung? Soll die Eintaktung als Cloud-Modul getestet
       werden? Wie könnte der Maschinenbauer das Traceabi-         Eine kooperative Lektüre wünscht Ihnen
       lity-Best Practise aus der Halbleiterbranche umsetzen?
       Solche Fragen technologieoffen und dabei realistisch
       diskutieren zu können, ist gerade für Firmen aus dem
       (echten) Mittelstand eine Bereicherung. Digital reifere
       Konzerne hingegen setzen so Projekte um, die früher         Patrick Prather, Redaktionsleiter
       mangels Priorität hinten heruntergefallen wären.            pprather@it-production.com

                                                                                                                              3
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004_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 10:50 Seite 4

           Inhalt

                                                                                                 Chancen und Risiken einer MES-Implementierung
                                                                                                 Herausforderung Systemintegration                    S.6
          S.10                                                                                   Verstehen statt raten
                                                                                                 Fallstricke und Chancen der Fernimplementierung     S.10

                                                                                                 Was ist ein MES?

                                                                Bild: ©Cavan/stock.adobe.com
                                                                                                 Manufacturing Execution Systeme                     S.12

                                                                                                 Kommunikation verbessern,
                                                                                                 Anforderungen spezifizieren
                                                                                                 Produktionsprozesse modellieren mit BPMN und Co.    S.14

                                                                                                 Module für IIoT, MES und MOM kombinieren
           MES-Projekte lassen sich aus der Ferne realisie-                                      Composable IT für die Fabrik                        S.16
           ren, wenn alle Beteiligten neue Regeln befolgen.
           Viele gewonnenen Erkenntnisse für MES-Imple-                                          Tipps für digitales Produktionsmanagement
           mentierungen dürften die Pandemie überdauern.                                         MES-Funktionalitäten im Fokus                       S.20

                                                                                                 Multisite-Rollout von MES/MOM-Lösungen
                                                                                                 Wie Großunternehmen MES-Templates entwickeln        S.22

                                                                                                 Alles im grünen Bereich
                                                                                                 Regler KI-gestützt parametrieren                    S.26
          S.22                                                                                   Cloud-Software zur Einplanung
                                                                                                 Vertikale Integration in der Praxis                 S.28

                                                                                                 Kein Erfolg ohne Akzeptanz
                                                                Bild: ©Andreas Holz/ATS-Global

                                                                                                 Werksnahes Change Management                        S.30

                                                                                                 KI-gestützt zu mehr Übersicht
                                                                                                 Künstliche Intelligenz bei der Prozessoptimierung   S.48

                                                                                                 Maschinenanbindung vom MES entkoppeln
                                                                                                 Halbleiterindustrie als digitales Vorbild           S.50
           Klare Zielvorgaben, offene Kommunikation und
           ein Exzellenzzentrum helfen Multi-Site-Betreibern,                                    Performance-Tacho für die Produktion
                                                                                                 Kennzahlen zur Prozessoptimierung einführen         S.52
           instanziierbare MOM-Templates zu entwickeln, die
           individuelle Anforderungen berücksichtigen.                                           Individualität als Standard
                                                                                                 Workflow-basiertes MES                              S.54

                                                                                                 In Eigenregie zum MES
                                                                                                 Produktionsnahe Low-Code-Ansätze                    S.55

          S.52                                                                                   Manufacturing Execution Systems
                                                                                                 passgenau erweitern
                                                                                                 Anwendungen aus der Rechenwolke                     S.56

                                                                                                 Software passend vorkonfiguriert
                                                                                                 MES für Bordnetzhersteller                          S.58

                                                                                                 SPS-Programm auf Knopfdruck umstellen
                                                                                                 Montagelinien im MES abbilden                       S.60
                                                                Bild: Heller

                                                                                                 Feiner planen mit APS
                                                                                                 MES-Funktionen für Zerspaner                        S.61

           Änderungen an der Fertigungsorganisation lassen
                                                                                                 Reale Daten statt Excel-Listen
           sich genau bewerten, wenn Hersteller passende                                         Digitale Werkzeugverwaltung                         S.62
           Kennzahlen korrekt erfassen. Methoden und
           Tipps zur Implementierung solcher Systeme.                                            Konnektivität per Raspberry Pi
                                                                                                 Connected Factory Exchange                          S.64

           4             MES Wissen Kompakt
WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
005_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 10:50 Seite 5

       Anbieter und Produkte
                                                                                                                                    S.32
       GFOS mbH                                                S.2

       FELTEN GmbH                                             S.9

                                                                     Bild: AutomationX GmbH
       HIR Hoff Industrie Rationalisierung GmbH               S.19

       AutomationX GmbH                                       S.32
                                                                                                AutomationX GmbH
       COSMINO AG                                             S.33

       GFOS mbH                                               S.34

       IGH Infotec AG                                         S.35

       IGZ Ingenieurgesellschaft für                                                                                                S.41
       logistische Informationssysteme GmbH                   S.36
                                                                     Bild: Rockwell Automation GmbH

       Industrie Informatik GmbH                              S.37

       iTAC Software AG                                       S.38

       MES D.A.CH Verband e.V.                                S.39

                                                                                                Rockwell Automation GmbH
       PSI Automotive & Industry GmbH                         S.40

       Rockwell Automation GmbH/Rockwell International GmbH   S.41

       SpiraTec AG                                            S.42

       SYNCOS GmbH                                            S.43                                                                  S.46
       T.CON GmbH & Co. KG                                    S.44
                                                                     Bild: ©zapp2photo/Fotolia.com

       Trebing & Himstedt Prozeßautomation GmbH & Co. KG      S.45

       znt Zentren für Neue Technologien GmbH                 S.46

                                                                                                znt Zentren für Neue Technologien GmbH

                                                                                                                                         5
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006_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:28 Seite 6

                                                MES-Rollout

                                                Herausforderung Systemintegration
                                                Chancen und Risiken
                                                einer MES-Implementierung
         Bild: ©Nataliya Hora/stock.adobe.com

                                                Ab einer gewissen Komplexität kommen Hersteller immer seltener ohne den Betrieb
                                                eines Manufacturing Execution Systems aus. Zumal viele Anwender von einem ROI in den
                                                ersten sechs Monaten berichten – durch höhere Produktionsraten, kürzer Berichtszeit-
                                                räume und weniger Maschinen- und Personalausfälle.

                                                P   roduzierende Unternehmen liefern immer häufiger
                                                    maßgeschneiderte Produkte bei sinkenden Losgrö-
                                                ßen – und steigendem Aufwand für Umrüstungen. Die
                                                                                                               am Shop Floor an der richtigen Stelle und in der richtigen
                                                                                                               Form abzugreifen und anschließend so aufzubereiten,
                                                                                                               dass sie als Entscheidungsgrundlage dienen können. An-
                                                regulatorischen Anforderungen steigen und damit der            dererseits müssen der Produktion Daten sowohl bottom-
                                                Druck, kosteneffizient und nachhaltig zu produzieren.          up als auch top-down in der richtigen Qualität und zum
                                                Weiter haben die Krisen der vergangenen Jahre die Be-          richtigen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden. Das
                                                deutung verdeutlicht, komplexe und schwankende Pro-            MES ist das zentrale Verbindungselement zwischen den
                                                duktionsnetzwerke steuern zu können. Manufacturing             vorgelagerten Systemen des Enterprise Resource Plan-
                                                Execution Systems (MES) dürften in ihren verschiede-           ning (ERP) und des Product Lifecycle Management (PLM)
                                                nen Ausprägungen daher in Zukunft einen unverzichtba-          sowie der nachgelagerten werkseitigen Software, die zur
                                                ren Bestandteil der vernetzen Produktion darstellen.           Steuerung der Produktion dient. Damit wird das MES zum
                                                                                                               Kernelement einer effizienten vernetzten Produktion.
                                                Datenflüsse sind entscheidend
                                                                                                               Effekte eines MES
                                                In der vernetzten Produktion fallen große Datenmengen
                                                an, die es zu erfassen und zum strategischen Vorteil zu        Ein MES liefert Daten meist in Echtzeit und isoliert wich-
                                                nutzen gilt. Dazu gehört es einerseits, die kritischen Daten   tige Informationen. Dadurch verschaffen diese Systeme

                                                6             MES Wissen Kompakt
WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
007_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:28 Seite 7

       Das MES an der Schnittstelle zwi-

                                                                                                                            Bild: KPMG in Deutschland, 2022
       schen PLM und ERP sowie der
       Software-Ebene des Shop Floors

       den Verantwortliche Transparenz über das Werksgesche-       schiedenen Strategien vor: Big Bang, Phased Introduc-
       hen und ermöglichen ihnen eine Steuerung und Optimie-       tion und Parallel Systems. Die drei Methoden unterschei-
       rung der Produktion insgesamt sowie von einzelnen Pro-      den sich hinsichtlich ihres Risikos, Zeitaufwands und der
       zessen. Ergänzend können einige MES durch den Einsatz       damit verbundenen Kosten.
       von Machine-Learning-Algorithmen auch Muster erken-
       nen, die auf Maschinenstillstände hinweisen, noch bevor     Kein Projekt ohne Risiko
       diese tatsächlich eintreten. Dieser Ansatz heißt meistens
       Predictive Maintenance und wird oft als Impulsgeber für     Da ein flächendeckendes IT-Netzwerk in der Produktion
       den Weg zur Industrie 4.0 verstanden.                       eine der Grundvoraussetzungen für ein MES darstellt, fal-
                                                                   len unzureichende Netzwerkinfrastrukturen bei der Sys-
       Aufwand und Kosten                                          temeinführung schnell auf. Besonders WLAN-Netzwerke
       einer Einführung                                            sind häufig nicht schnell genug, um den Anforderungen
                                                                   eines MES gerecht zu werden. Weitere Hürden stellen in
       Ein MES sollte der Agilität einer modernen Fertigung ge-    den Implementierungen regelmäßig die individuellen
       wachsen sein und sie nicht etwa durch starre Strukturen     Schnittstellen dar, die für jedes Modul benötigt werden.
       ausbremsen. Gerade für mittelständische Unternehmen         Neben den technischen Risiken legen MES-Einführungen
       stehen dafür hardware-agnostische und skalierbare           immer wieder ein mangelndes Prozessverständnis
       Cloud-Edge-Lösungen bereit, die sich individuell an die     offen. Abteilungen, Arbeitsabläufe und Softwaremodule
       Anforderungen anpassen lassen. Viele Systeme unter-         greifen heute so ineinander, dass zuständige Projektlei-
       stützen Anwender auch dabei, verschiedene Werke mit-        ter unbedingt ein weitreichendes Verständnis über den
       einander zu verbinden. Je nach Komplexität dauert die       Ablauf der Produktionsprozesse mitbringen sollten. Da-
       Einführung eines MES zwischen 12 und 18 Monaten. In         rüber hinaus stellen fehlende Abstimmungen mit dem
       der Regel sind die Kosten dabei abhängig vom Umfang         Betriebsrat und unrealistische Erwartungshaltungen der
       der Funktionen, der Anzahl der Benutzerinnen und Be-        verschiedenen Hierarchie-Ebenen einer Firma oft unter-
       nutzer, der Komplexität der Einbindung in die beste-        schätzte Risiken einer MES-Implementierung dar.
       hende Systemlandschaft, den individuellen Systeman-
       passungen und der Anzahl an integrierten Maschinen          Zu erzielende Effekte
       und Anlagen. Die gewählte MES-Einführungsstrategie
       kann sich ebenfalls auf die Kosten auswirken. Grund-        Hersteller nehmen die Risiken eines Rollouts auf sich,
       sätzlich gehen die MES-Systemintegratoren in drei ver-      weil der MES-Betrieb messbare Vorteile verspricht.

                                                                                                                          7
WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
008_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:28 Seite 8

           MES-Rollout

                                                                                                                                     Bild: KPMG in Deutschland, 2022
           Drei unterschiedliche Strategien bei der Einführung von MES

           Neben einer effektiveren Anlagenauslastung kann ein MES       • 20 Prozent höhere Qualität durch lückenlosere Über-
           vor allem eine verbesserte Qualitätsverwaltung und -kon-        wachung der Wertschöpfung,
           trolle ermöglichen. Die Systeme können die Wertschöp-         • um zehn Prozent reduzierte Herstellungskosten durch
           fung durch gesteigerte Maschineneffizienz wesentlich er-        Transparenz in den verschiedenen Bereichen,
           höhen, indem sie dazu beitragen, von den Rohstoffen bis       • eine um 80 Prozent beschleunigte Entscheidungszeit
           zu den Fertigerzeugnissen Fehler im Produktionsprozess          der Verantwortlichen durch die Verfügbarkeit von In-
           zu vermeiden. Gleichzeitig wird durch die geschaffene           formationen.
           Transparenz, die automatische Dokumentation und die
           gesicherte Rückverfolgbarkeit die Einhaltung gesetzlicher     Ein Bericht der Manufacturing Enterprise Solutions As-
           Vorschriften vereinfacht. MES tragen dazu bei, das Risiko     sociation (MESA) ergab, dass Anwender von MES-Soft-
           von Rückrufaktionen und Auseinandersetzungen mit Auf-         ware Verbesserungen bei den Gesamtkosten pro Einheit
           sichtsbehörden bezüglich Produktqualität und -mängeln         um 22,5 Prozent und bei der Nettogewinnspanne um
           zu verringern. Zudem stehen – meist über Dashboards –         19,4 Prozent verzeichnen konnten. Aber auch langjährige
           viele wichtige Informationen zur Produktion in Echtzeit zur   Anwender befassen sich weiter mit ihrer IT-Infrastruktur:
           Verfügung, anhand derer sich Probleme früh erkennen           Innerhalb der nächsten zwei Jahre müssen nach Auffas-
           und möglchst ausräumen lassen. Die Wirtschaftsprü-            sung von KPMG rund die Hälfte der bestehenden MES
           fungsgesellschaft KPMG rechnen, dass Unternehmen              ausgetauscht werden, weil die Kompatibilität mit neue-
           durch die Umstellung auf ein MES mit folgenden Ergebnis-      ren Maschinen mit höherem Automatisierungsgrad in
           sen rechnen können:                                           absehbarer Zeit nicht mehr gegeben ist. Gerade die Mo-
           • 15 Prozent höhere Gesamtanlageneffektivität durch           dernisierung der MES-Ebene wird also auf Sicht eine
              kontinuierliche Verbesserung,                              wichtige Unternehmensaufgabe darstellen.               ■
           • 30 Prozent höhere Verfügbarkeit durch erweiterte
              Steuerungsmöglichkeiten,                                      kpmg.de/supply-chain-transformation

                              Autor

                              Kaveh Taghizadeh ist
                              Partner, Consulting, Value Chain Transformation
                              bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

           8             MES Wissen Kompakt
WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
Mit PILOT
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FELTEN GmbH · In den Dörrwiesen 31 · 54455 Serrig · Deutschland · www.felten-group.com
WISSEN KOMPAKT 2022/23 - MES MANUFACTURING EXECUTION SYSTEMS - IT&Production
010_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:26 Seite 10

           Systemintegration

           Fallstricke und Chancen der Fernimplementierung
           Verstehen statt raten

                                                                                                                                   Bild: ©Cavan/stock.adobe.com
           Lassen sich MES-Projekte aus der Ferne rea-               demiebedingt ins Internet verlegt, neben der System-
           lisieren? Ja, wenn die Herausforderungen                  umsetzung und -installation.
           bekannt sind und alle Beteiligten sie aus ihrer
           Sicht adressieren. Auch nach der Pandemie                 Austausch ohne Anschauen
           dürften die gewonnenen Erkenntnisse zu
           veränderten IT-Implementierungen führen.
                                                                     Die Herausforderung liegt in der Kommunikation. Sie funk-

           D    urch die Einschränkung persönlicher Kontakte grei-
                fen Unternehmen auf digitale Tools zurück, um mit
           Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern zu kom-
                                                                     tioniert online anders als im persönlichen Gespräch. Die
                                                                     non-verbale Kommunikation fällt schwer bis aus, wenn
                                                                     etwa eine Videoverbindung abbricht. Es dauert länger,
           munizieren. Wie gelingt es aber, ein Manufacturing Exe-   seine Gegenüber einzuschätzen und zu verstehen, was sie
           cution System (MES) einzuführen, wenn zwischen den        meinen. Es entsteht ein Freiraum für Interpretationen. Die-
           Partnern nur digitale Kommunikation möglich ist und       sen Freiraum gilt es stetig zu schließen, um eine für beide
           die Remote-Einführung quasi erzwungen wird? Auch          Seiten adäquate Lösung zu finden.
           vor der Pandemie wurde kaum ein MES vollständig off-
           line eingeführt. So ist die Nutzung einer Private Cloud   Bedeutung der Dokumentation
           zum Austausch von Unternehmensdaten sowie die On-
           linevergabe von Zugangsberechtigungen und -Zugriffs-      Um diesen Interpretationsspielraum zu reduzieren,
           rechten gang und gäbe. Präsentationen und Workshops       kommt der Dokumentation eine gestiegene Bedeutung
           zur Dokumentation der Anforderungen wurden hinge-         zu. Im Anforderungsprofil werden über mehrere Work-
           gen eher onsite durchgeführt, die Einführungsbetreuung    shops hinweg die Einzelheiten etwa zur Maschinenanbin-
           und Schulungen ebenfalls. Diese Arbeiten wurden pan-      dung und Fertigungssteuerung, zur Planung, zum Repor-

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       ting, zur ERP-Schnittstelle oder zur Rückverfolgbarkeit      deutlich, wenn der MES-Anwender erste Maschinen an-
       (Traceability) festgehalten und in einem Lastenheft zu-      schließt und die dokumentierte Logik in die Praxis umset-
       sammengetragen. Der MES-Anbieter konfiguriert darauf-        zen muss. Normalerweise stünde ein IT-Systemtechniker
       hin ein System und bespricht mit dem Anwender die            des MES-Anbieters zur Seite, remote nicht. Stattdessen
       Funktionalitäten und Workflows. Die Ergebnisse fließen       überprüft der Techniker online die Offline-Arbeitsschritte
       ins Pflichtenheft. Um wenig Spielraum für Interpretatio-     des Anwenders. Auch das dauert länger. Der größere Zeit-
       nen zu lassen, wird eine möglichst detaillierte Dokumen-     aufwand in den Projektphasen einer Remote-MES-Einfüh-
       tation angestrebt. Sie stößt jedoch zwangsläufig an Gren-    rung schlägt sich einerseits in steigenden Kosten nieder.
       zen, denn nicht alles kann oder soll dokumentiert werden.    Benötigten Firmen für die Einführung in der Vergangenheit
       Darüber hinaus müssen Online-Workshops zeitlich kürzer       bis zu einem Jahr, muss bei einer Remote-Einführung mit
       gehalten werden. Länger als vier Stunden pro Tag sollten     einem zusätzlichen Aufwand von bis zu drei Monaten ge-
       sie nicht dauern. Außerdem fallen informelle Gespräche       rechnet werden – abhängig von der Komplexität des Sys-
       unter den Teilnehmern weg, etwa in Pausen. Abgesehen         tems. Andererseits entfallen Reisetage und -kosten. Die
       vom Small Talk, der auch dazu dient, sich besser kennen-     Projektmitarbeiter sind produktiver, da sie ihre Zeit effizien-
       zulernen, wird der informelle persönliche Austausch vor      ter nutzen. Es gilt also abzuwägen, wie hoch der Remote-
       allem dazu genutzt, Verständnisfragen zu stellen oder        Anteil bei einer MES-Einführung sein kann – getreu dem
       spezifische Themen anzusprechen, die wiederum für ein        Motto: so viel online wie möglich, so viel offline wie nötig.
       besseres gegenseitiges Verständnis sorgen. Dieses Ver-
       ständnis muss sich innerhalb der Workshops ausprägen.        Mix aus on- und offline
       Die Folge: Der Zeitaufwand für die Dokumentation steigt.
                                                                    Trotz der geschilderten Unwägbarkeiten einer MES-Instal-
       Sprachliche Barrieren                                        lation aus der Ferne scheint eine Rückkehr zu den ur-
                                                                    sprünglichen Methoden unwahrscheinlich. In Zukunft
       Zusammen mit dem MES-Anwender werden im nächsten             dürfte sich ein Mix aus Remote- und Onsite-Elementen
       Schritt aufeinander aufbauende Arbeitspakete für eine suk-   als Standard etablieren. Remote-Arbeitsschritte gehen bei
       zessive Systemeinführung entwickelt. Der Unterschied bei     der Systemeinführung einer MES-Software umso schnel-
       einer Remote-Einführung wird insbesondere durch sprach-      ler von der Hand, je tiefgreifender in der Akquisephase
       liche Barrieren deutlich. Natürlich ist eine Kommunikation   des Projekts ein gegenseitiges Verständnis entsteht. Mit
       auf Englisch möglich, aber remote fehlt die Option, seinem   der Zeit wird der Remote-Anteil weiter ansteigen, zumal
       Gegenüber zu zeigen, was man meint. Anstatt einen Ar-        die Digitalisierung in der Kommunikation gerade durch die
       beitsprozess an einer Maschine zu verdeutlichen, muss er     Pandemie einen Schub erfahren hat. Technische Innova-
       online erklärt werden. Selbst wenn beide Seiten exzellent    tionen wie Augmented Reality werden diese Entwicklung
       Englisch sprechen und verstehen können, braucht es on-       weiter beschleunigen, was das Verhältnis zwischen ge-
       line seine Zeit, bis eine gemeinsame Sprache gefunden        stiegenem Zeitaufwands und effizienterer Arbeitszeitnut-
       wird, denn hier kommunizieren Spezialisten unterschiedli-    zung weiter ins Plus verschieben dürfte.               ■
       cher Domänen miteinander. Diese Barriere wird insbeson-
       dere bei der gemeinsamen Hardware-Inbetriebnahme                            www.gbo-datacomp.de

                                                                                                    Autor

                                                                                     Michael Möller ist
                                                                      geschäftsführender Gesellschafter
                                                                             der GBO Datacomp GmbH.

                                                                                                                               11
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           Fabriksoftware

           Manufacturing Execution Systems

           Was leistet das MES?
           Dass Manufacturing Execution Systeme (MES) einen großen Beitrag zur mehr Transparenz
           leisten können, ist vielen Unternehmen sicher bekannt. Doch was genau macht ein MES und
           was unterschiedet es von anderen Systemen? Das erläutert der folgende Beitrag.

                                                                                                                                    Bild: ©BigBlueStudio/stock.adobe.com

                                                                         Welche Aufgaben übernimmt
           P     roduktionsanlagen werden immer komplexer. Vor die-
                 sem Hintergrund müssen auch die Abläufe innerhalb
           der Anlagen optimiert werden – ein Umstand, der durch
                                                                         ein MES?

           übergreifende Systeme adressiert werden kann. Durch           Um zu verstehen, welche Aufgabe ein MES übernimmt,
           diese lässt sich die Produktivität von Anlagen leiten und     muss zunächst die übergeordnete Firmenstruktur be-
           ein Überblick über komplexe Abläufe behalten. Diese Auf-      trachtet werden. In Produktionsprozessen werden Roh-
           gabe übernimmt das Manufacturing Execution System             stoffe und Ausgangsmaterialien genutzt, um Aufträge zu
           (kurz MES). Es bildet die zentrale Anlaufstelle, um detail-   bearbeiten und Produkte bereitzustellen. Eine Keksfabrik
           lierte Informationen aus der Fertigung zu erhalten. Seine     bekommt so etwa Rohstoffe wie Mehl, pflanzliche Fette
           Aufgaben sind eng verknüpft mit der Rolle des Enterprise      oder Zucker geliefert, die innerhalb des ERP-Systems
           Ressource Planning (kurz ERP) und es ist ebenso relevant      oder im MES gespeichert werden. Gleichzeitig gehen im
           für eine produktive Auslastung der Anlagenkapazitäten         ERP-System auch die Bestellungen für das gewünschte
           wie für die weitreichende Planung effektiver Ressourcen-      Produkt ein – in diesem Beispiel fertig verpackte Kekse.
           nutzung und die Erfüllung von Aufträgen.                      Um die Aufträge zu bearbeiten, überprüft das ERP-Sys-

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       tem die verfügbaren Rohstoffe und leitet Produktionsauf-    Und ohne MES?
       träge an das MES weiter. Die Aufträge gehen dabei be-
       reits heruntergebrochen auf einzelne Chargen – etwa für     Wäre im Beispiel der Keksfabrik kein MES vorhanden,
       den Export in unterschiedliche Absatzmärkte, verbunden      würde sich für die Mitarbeiter in der Produktion eine un-
       mit unterschiedlichen Verpackungen – im MES ein. Das        übersichtliche und aufwendige Situation ergeben. Die
       System leitet dann in Abhängigkeit der Bereiche (Mixen,     Aufträge aus dem ERP-System und die über das Scada-
       Öfen, Verpacken), je nach Verfügbarkeit der einzelnen Ma-   System generierten Rezepte und Abläufe würden dann
       schinen, die Produktion der Kekse ein. Das MES über-        möglicherweise schriftlich in der Produktion ankommen
       blickt alle Teile der Anlage und kann daher auch die Ver-   und dementsprechend abgearbeitet werden. Noch vor
       fügbarkeit der einzelnen Geräte planen. Stehen beispiels-   Arbeitsbeginn am Mixer müssten die Beschäftigten
       weise zur Teigherstellung verschiedene Mixer zur Verfü-     Rohstoff-Batches in einem Ordner vermerken und no-
       gung, kann das MES je nach Auftragslage entscheiden,        tieren, in welchem Mixer der Verarbeitungsprozess
       welche Mixer für welche Aufträge in Frage kommen.           stattgefunden hat. Die Aufzeichnungen müssten auch
                                                                   für alle weiteren Produktionsprozesse stattfinden, die
       Höherer Detailgrad                                          zugleich mit etwaigen Abfällen und Reworks zu ergän-
                                                                   zen wären. Der Nutzen eines MES verdeutlicht sich
       Als Schaltzentrale steht das MES an manchen Stellen in      auch, wenn ein Zulieferer beispielsweise eine Lieferung,
       Konkurrenz zum ERP-System. Insbesondere hinsichtlich        im Beispiel der Keksfabrik etwa Salz, reklamieren würde.
       der Ausgangsmaterialien und der Rohstoffe können die        Die Beschäftigten müssten in diesem Fall händisch
       verfügbaren Materialien in beiden Systemen vermerkt         nachvollziehen, welche der produzierten Kekse mit dem
       werden. Allerdings ist der Detailgrad beim MES höher. Ein   Salz hergestellt wurden. Mit einem Manufacturing Exe-
       ERP-System wird als übergeordnetes System zur Res-          cution System würde dieser Prozess nur wenige Minu-
       sourcenplanung eingesetzt und findet seinen Einsatz vor-    ten in Anspruch nehmen.
       rangig im E-Commerce-, Human Ressources- und Doku-
       mentenmanagement. Das MES hingegen ist auf die Be-          Was noch kommt
       dürfnisse der Produktion zugeschnitten. Daraus ergeben
       sich Vorteile, wenn Informationen aus der Produktion im     Als metaphorisches Gehirn digitalisiert ein MES die Pro-
       MES verarbeitet werden sollen. So können Rohstoffe be-      zessabläufe in der Produktion und stellt Informationen
       reits bei der Lieferung im MES verbucht werden, um pro-     bereit. Weiter gedacht, ermöglicht das etwa Augmented
       duktionsrelevante Schritte zu berücksichtigen. Auch ein-    reality (AR)-Anwendungen zum Austausch und zur In-
       zelne Batches lassen sich zurückverfolgen. Des Weiteren     standhaltung von Teilen der Anlage. Zudem werden Ma-
       sammelt die Software Produktionsdaten und gibt diese        nufacturing Execution Systems in Zukunft durch den
       weiter. Hier ist wiederum ein enger Datenaustausch zwi-     Einsatz von Algorithmen intelligenter, wodurch Produk-
       schen MES, ERP und der Prozessleitebene (z.B. Supervi-      tionsprozesse weiter optimiert werden können.         ■
       sory Control and Data Acquisition, Scada) entscheidend.
       Die gesammelten Daten helfen dabei, die Produktion zu
       optimieren und die künftige Planung zu verbessern.                   www.rockwellautomation.com

                                                                                                Autor

                                                                                     Uwe Küppers ist
                                                                      Manager Consulting Services bei
                                                            Kalypso: A Rockwell Automation Company.

                                                                                                                         13
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           Projektierung

           Produktionsprozesse modellieren mit BPMN und Co.

           Kommunikation verbessern,
           Anforderungen spezifizieren
           Bei MES-Projekten müssen Fachleute vieler Domänen eng zusammenarbeiten, um zu einer
           stimmigen Lösung zu gelangen. In grafischen Modellierungssprachen visualisierte Produkti-
           onsprozesse helfen, den Beteiligten ein besseres Projektverständnis zu vermitteln.

       PROZESSMODELLIERUNG

            Zu modellierende                                                  Iniale                      Änderungen
                                        Brainstorming zu
                Prozesse                                                  Prozessmodelle                 implemeneren
                                        Prozessschrien
              idenfizieren                                                   erstellen                   und beobachten

                                                                                                                                                               Bild: ©photollurg/stock.adobe.com
                   1              2             3                 4              5                 6                7
                    Setup-Phase                            Ist-Prozesse                             Soll-Prozesse

                          SME idenfizieren                 Diskueren und                  Modelle prüfen und
                             und Team                      Hinterfragen der                Improvement Areas
                          zusammenstellen                   Prozessschrie                     definieren

                                                                                                                    Bild: SpiraTec AG

    Prozessmodellierung

           M      anufacturing Execution Systems bilden Brücken
                  zwischen den am Produktionsprozess beteiligten
           Unternehmensbereichen. Bei einer MES-Einführung ist
                                                                                                        sprachen wie Unified Modelling Language (UML) und
                                                                                                        Business Process Model and Notation (BPMN) bieten
                                                                                                        sich für solche Aufgaben an. Vor allem im deutsch-
           daher eine multidisziplinäre Betrachtung ebenso wich-                                        sprachigen Raum werden dafür auch Ereignisgesteu-
           tig, wie die übergreifende Einbindung der Mitarbeiterin-                                     erte Prozessketten (EPK) verwendet. Als Software zur
           nen und Mitarbeiter. Das macht es jedoch oft schwie-                                         Modellierung gibt es neben kostenpflichtigen Produk-
           rig, über die verschiedenen Anwendungsbereiche hin-                                          ten wie Microsoft Visio, dem Signavio Process Mana-
           weg eine gemeinsame Sprache zu finden. Dabei helfen                                          ger oder Visual Paradigm auch günstige Alternativen.
           grafische, workflowbasierte Modellierungssprachen,                                           Sogar sehr gute Open-Source-Produkte sind am Markt
           mit denen sich produktionsnahe Prozesse beschreiben                                          verfügbar, die sich zudem selbst im gewerblichen Um-
           und dokumentieren lassen. Gängige Modellierungs-                                             feld kostenfrei nutzen lassen.

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       Prozesse passend abbilden                                     das MES-Projekt zugleich zum Change-Projekt und erfor-
                                                                     dert umso mehr, die am Produktionsprozess beteiligten
       Mit den Modellierungswerkzeugen lassen sich selbst            Personen einzubinden. Solche Optimierungen an Ge-
       komplexe Prozesse passend für die jeweiligen Adressa-         schäftsprozesse folgen meist keinem Standardprozess,
       ten abbilden. MES-Planer erhalten so eine Übersicht           weswegen MES-Projekte oft gute Gelegenheiten für sol-
       über die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen             che Aufgaben darstellen. Neben der Transparenz in frü-
       Software-Systemen und Mitarbeiterrollen. Die Domänen-         hen Planungsphasen ist die rechtzeitige Definition von
       experten für die einzelnen Produktionsbereiche können         späteren Process Ownern, also den Prozessverantwort-
       darauf aufbauend hingegen ihre Einzelprozesse mit den         lichen, zweckmäßig. Diese sollten den Einführungspro-
       für sie relevanten Schwerpunkten beschreiben. Die Spe-        zess unterstützen, indem sie:
       zialisten beeinflussen außerdem die Detailtiefe der Mo-
       dellierung. Zusammengenommen bildet das eine Grund-           • die Ist-Prozesse formal beschreiben,
       lage für das Anforderungsmanagement eines MES-Pro-            • die Sollprozesse definieren, gegebenenfalls in Varianten,
       jektes. Gleichzeitig unterstützen grafische Werkzeuge         • Lastenheftvorgaben formulieren,
       auch agilere Projektierungen, indem sie nachträgliche         • die folgenden Pflichtenheftspezifikationen mit den
       Änderungen an Prozessen vereinfachen. In Ausschrei-             Herstellern begleiten,
       bungsverfahren und bei der Systemauswahl sind Pro-            • die Integrationstests und Abnahmen ihrer Prozesse
       zessmodellierungen ebenfalls nützlich für den Produ-            entwerfen und vorbereiten.
       zenten. Unterstützend zur schriftlichen Spezifikation hel-
       fen grafische Prozessbeschreibungen dabei, unterneh-          Da im Lebenszyklus einer MES-Lösung Prozesse wie-
       mensfremden Personen ein Verständnis der internen             derholt anzupassen und zu verändern sind, gilt es früh
       Abläufe und Anforderungen zu vermitteln. Hat der ange-        Verantwortlichkeiten zu verteilen. Diese Process-
       dachte MES-Lieferant die Standardprozesse seiner An-          Owner-Rolle bleibt nach Projektende erhalten.
       wendung ebenfalls grafisch beschrieben, lassen sich
       Anforderungen und Standardsystem schnell auf ihre De-         Kommunikation verbessern
       ckungsgleichheit untersuchen. Aber auch nach der Sys-
       temeinführung können sich die Modellierungen als nütz-        In der Praxis hat sich die Prozessmodellierung vielfach als
       lich erweisen, etwa bei den Schulungen der Mitarbeiter        nützliches Werkzeug erwiesen, die Projektkommunikation
       oder als Prüfungsgrundlage für KVP-Maßnahmen.                 zu verbessern und Anforderungen zu spezifizieren. Das
                                                                     senkt die Risiken eines Projektes und hilft bei seiner Ab-
       In Schritte unterteilen                                       wicklung. Um zu guten Modellierungsergebnissen zu ge-
                                                                     langen, sollten die Verantwortlichen aber auf jeden Fall die
       Die Modellierung der Prozesse selbst lässt sich in ein-       Domänenspezialisten hinzuziehen. So können produzie-
       zelne Schritte unterteilen. Zunächst werden die Ist-Pro-      rende Unternehmen auch langfristig von einer guten Pro-
       zesse im Betrieb dokumentiert. Auf dieser Basis können        zessdokumentation profitieren.                            ■
       die Projektbeteiligten die MES-gestützten Soll-Prozesse
       entwickeln. Fällt hier größerer Änderungsbedarf auf, wird                      www.spiratec.com

                                                                             Autoren

                Nicolas Teska (l.) ist Team and Account Manager Industrial IT Solutions
                                             und Frederik Dietrich (r.) ist Projektmanager
                                                                     bei der SpiraTec AG.

                                                                                                                             15
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           Industrial Internet of Things

                 Bild: ©Gorodenkoff/stock.adobe.com

           Module für IIoT, MES und MOM kombinieren

           Composable IT für die Fabrik
           Um gesteckte Ziele etwa in Sachen Effizienz,                     stärke, um flexibel auf Neuerungen in Kunden- und
           Nachhaltigkeit und Innovationsfähigkeit zu er-                   Technologiemärkten reagieren zu können.
           reichen, vernetzen Hersteller zunehmend ihre
           Produktionen. Das Prinzip der Composability                    Für alle drei Ziele bietet das industrielle Internet der Dinge
           soll Firmen dabei helfen, in ihren modularen                   (IIoT) einen Werkzeugkasten digitaler Technologien,
           IT-Architekturen das Beste aus MES/MOM,                        dessen Komplexität mit dem Umfang wächst. Um den
           IoT und IIoT zu kombinieren.                                   Überblick zu behalten, sollte am Anfang eine Strategie
                                                                          stehen, die auch Technologien und Roadmap benennt.

           U    m wettbewerbsfähig zu bleiben, verfolgen Unterneh-
                men aktuell drei große Ziele in der Produktion.           Composability

           • An erster Stelle steht höhere Effizienz, um Profitabilität   Das Analystenhaus Gartner schlägt als Rahmen für sol-
             und Wertschöpfung zu sichern,                                che Initiativen das Management-Konzept der Composa-
           • immer wichtiger wird zweitens das Thema Nachhaltig-          bility vor. ‘Composable Business’ erfordert nach Gartner
             keit und CO2-Reduktion, um klimafreundlich zu produ-         insbesondere drei Bausteine:
             zieren und politische Vorgaben einzuhalten,                  • Ein Denken in den Prinzipien von Modularität, Autono-
           • drittens trainieren Unternehmen ihre Innovations-               mie, Orchestrierung und Entdeckergeist,

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                                                                     nen, müssen Anwender auf eine Reihe von Kriterien für
                                                                     ihr Technologiegerüst und das gewünschte Deploy-
                                                                     ment-Szenario achten. Zentrale Elemente einer kompo-
                                                                     nierbaren IT-Architektur sind Modularität und Interope-
                                                                     rabilität der Lösungen sowie die Offenheit für freie Da-
                                                                     tenflüsse. Entlang dieses Konzepts lassen sich bei Fer-
                                                                     tigern drei technologische Anforderungen identifizieren,
                                                                     die nachfolgend näher erläutert werden.

                                                                     Maschinen digital anbinden

                                                                     In fast jeder Produktion laufen Maschinen von unter-
                                                                     schiedlichen Herstellern aus unterschiedlichen Jahr-
                                                                     gängen mit unterschiedlichen Steuerungen. Die digitale
                                                                     Anbindung solcher Maschineparks gilt als die zentrale
                                                                     Herausforderung – insbesondere für global fertigende
                                                                     Unternehmen mit internationalen Produktionsnetzwer-
                                                                     ken. Basis jeder weitreichenden IIoT-Strategie ist daher
                                                                     Konnektivität. Die Anbindung der Maschinen erfolgt
                                                                     idealerweise mit Plug-in-Konzepten, die möglichst alle
                                                                     gängigen Protokolle von Maschinenherstellern sowie In-
                                                                     dustriestandards unterstützen sollten. Anbindungswege
                                                                     beziehungsweise unterstützte Protokolle sollten vielfäl-
       • eine komponierbare Unternehmensarchitektur, um              tig sein und von einfachen Anbindungen via 24V-Kabel
         schnell, agil, führungsstark und widerstandsfähig zu sein   über Steuerung-Plugins und Standards wie MTConnect,
       • komponierbare Technologien als Werkzeuge zur                OPC/UA bis zu Cloud-typischen Protokollen wie MQTT
         Umsetzung.                                                  und DNC reichen. Mit einem standardisierten Konzept
                                                                     dauert der Anschluss zum Beispiel von drei Pilot-Ma-
       Komponierbare Technologie                                     schinen ein bis zwei Tage. Dann kann die weitere Ver-
                                                                     netzung mit Fabriksoftware-Lösungen oder der Pla-
       Komponierbare Technologien sind für IT-Leiter grundsätz-      nungsebene (ERP) via Adapter starten. Für Unterneh-
       lich nichts Neues, sondern laut Gartner in vertrauten Tech-   men mit globalen Fertigungsnetzwerken stellt die Ver-
       nologien enthalten, von Schnittstellen bis hin zu Software-   netzung der Maschinen und Anlagen eine besondere
       Containern. Gleichwohl braucht dieser Ansatz ein syste-       Herausforderung dar. Eine Skalierung der Maschinen-
       matisches Management, das drei zentrale Effekte erzielen      anbindung sollte in diesem Umfeld möglichst standar-
       soll: Es soll IT-Silostrukturen überwinden, neue Software     disiert erfolgen können, um Zeit und Kosten zu sparen.
       in passender Geschwindigkeit integrieren helfen und Fir-      Mit der Zeit und dem Projektfortschritt wachsende
       men ermöglichen, kleinere Pilotprojekte zu testen, ohne       Template-Bibliotheken helfen dabei.
       die Hauptproduktion zu beeinträchtigen.
                                                                     Daten harmonisieren
       Modularität und Offenheit
                                                                     Digitalisierung ist ein Werkzeugkasten, mit dem Unterneh-
       Um aus dem immer größer werdenden Pool an verfüg-             men strategische Ziele erreichen können. Entscheidend ist
       baren Tools und Services für das industrielle IoT die         die Generierung und Nutzung von vereinheitlichten Daten.
       vielversprechenden auswählen und ausrollen zu kön-            Oft ist es dafür erforderlich, die Kluft zwischen IT- und OT-

                                                                                                                              17
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           Industrial Internet of Things

           Ebene zu schließen. Operativ bedeutet das: Nach der Ver-     Lösungen komponieren
           netzung der Fabrikanlagen müssen die eingesammelten
           Maschinen- und Sensorsignale von Software in relevante       Im aufkommenden Zeitalter lernender IT-Systeme ste-
           und nutzbare Informationen umgewandelt werden. Dabei         hen produzierende Unternehmen vor der besonderen
           zielen aktuelle IT-Projekte häufig darauf ab, Vorgänge in    Herausforderung, innovative Lösungen wie KI und Co.
           Echtzeit in allen gewünschten Systemen abbilden zu kön-      auf teils exorbitant teuren Bestandsanlagen einzuset-
           nen. Anhand der Datenflüsse sollen Verschwendungen           zen, die noch Jahre ungestört laufen sollen. Unterneh-
           und Fehler virtuell analysiert und real optimiert werden     men benötigen demnach Stabilität in der Produktion
           können. Von einem digitalen Zwilling der Produktion ist zu   sowie Flexibilität in der Auftrags- und Kapazitätspla-
           sprechen, sobald die Signale aus dem Maschinenpark (Ma-      nung. Modular aufgebaute IT-Plattformen vermitteln
           chine Twin) mit ihren Auftrags- und Eingabedaten zusam-      zwischen beiden Bedürfnissen und ermöglichen die
           menlaufen. In solchen Systemen lassen sich etwa Effi-        schrittweise digitale Transformation der Produktions-
           zienz- und Qualitäts-Analysen anstellen, die Rückverfolg-    IT – und unterstützen längerfristig auch die Integration
           barkeit sicherstellen und eine höhere Ressourceneffizienz    in digitale Liefer- und Serviceketten. IT-strategisch wün-
           anstreben. Neben Echtzeit-Analysen profitieren Hersteller    schen viele Unternehmen eine Trennung, welche Daten
           im besonderen Maße auch von der Auswertung histori-          in welchen Systemen gehostet werden. Datensammeln
           scher Daten. Typischerweise geht es um Fragen wie:           und das Steuern der Maschinen wird aktuell häufiger
                                                                        dezentral am Netzwerkrand erledigt, am ‘Edge’, wäh-
           • In welchem Fertigungsbereich wurde im vergangenen          rend ein weiterer Teil der Software in einer Cloud läuft.
             Monat die höchste Qualität erreicht?                       Technologisch ist bei diesen Hybrid Cloud-/Edge-Lö-
           • Welche Anlagen hatten in den letzten sechs Monaten         sungen eine Herausforderung, die verschiedenen Ma-
             den höchsten Energieverbrauch?                             schinenanbindungen und Maschinensignale zu über-
           • Welche Maschinen dürften im nächsten Monat einen           setzen und als standardisierte Events an übergeord-
             erhöhten Wartungsbedarf haben?                             nete Systeme weiterzuleiten. In komponierbaren IT-Ar-
                                                                        chitekturen können die Maschinendaten der Produktion
           Für gespeicherte Informationen, die auf Knopfdruck           zur einheitlichen Datenquelle werden – einer Single
           zur Verfügung stehen, sorgen sogenannte Data Lakes.          Source of Truth. Damit arbeiten alle Rollen im Unter-
           Diese Datenseen enthalten – vereinfacht ausgedrückt          nehmen bei ihren Auswertungen mit derselben Daten-
           – die digitalen Zwillinge jeder Maschine: eingesam-          basis. So wird der Maschinenpark, egal wie alt und he-
           melte Rohsignale auf Maschinen- und Event-Ebene              terogen, zu einem echten Aktivposten auf dem Weg zu
           (Strom, Hübe, Druck, Gewicht, Verbräuche etc.) sowie         den strategischen Unternehmenszielen Effizienz, Nach-
           semantische Interpretationen der Signale mit Zeit-           haltigkeit und Innovationskraft.                        ■
           stempel. Sind Unternehmen in der Lage, Echtzeit-Ana-
           lysen und historische Analysen effizient und aussage-
           kräftig durchzuführen, sind sie schon vergleichsweise
           gut aufgestellt.                                                              www.forcam.com

                              Autorin

                              Dr. Andrea Rösinger ist
                              Co-CEO und Chief Technology Officer
                              der Forcam GmbH.

           18           MES Wissen Kompakt
Projekt1_Layout 1 15.03.2022 14:07 Seite 1

           Wir schlagen Brücken

           Die Architekten für MES

            MES-BEBAUUNGSPLÄNE UND -ROADMAPS

                                                                                                         ©photocase, broetzel
           HIR unterstützt Industrieunternehmen bei der strategischen Analyse und
           operativen Gestaltung ihrer Prozesse und IT-Systeme im MES-Umfeld.

           Bei MES-Auswahl- und Entscheidungsprozessen geniest die HIR einen
           exzellenten Ruf als spezialisiertes, neutrales Beratungsunternehmen.

           HIR-Berater übernehmen für einen Kunden die Rolle eines „Architekten“,
           der für Konzepte und P昀ichtenhe昀e verantwortlich ist, Auswahlprozesse
           und die Entwicklung von MES-Bebauungsplänen und Roadmaps steuert
           und in der Realisierungsphase als „Bauleitung“ die Einführung managed
           oder als Mitglied im Lenkungskreis Risiken, Kosten, Termine und die
           Qualität überwacht.

           Namha昀e große Konzerne und mittelständische Unternehmen aus
           unterschiedlichen Branchen bestätigen unsere MES-Kompetenz.              www.hirgmbh.de
                                                                                    kontakt@hirgmbh.de

    AUSZUG REFERENZEN
020_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:41 Seite 20

           Anforderungen

                                                   MES-Funktionalitäten
                                   Tipps für digitales
                                Produktionsmanagement
                 Mit einem Manufacturing Execution
                 System (MES) können mittelständische
                 Fertigungsbetriebe ihre Produktion digi-
                 talisieren und sie so auf komplexere
                 Marktanforderungen ausrichten. Auf
                 welche Funktionalitäten Fertiger achten
                 sollten, zeigt der folgende Beitrag.

                                                                                                     Bild: ©Gorodenkoff/shutterstock.com

           M     ittelständische Unternehmen sehen sich durch
                 veränderte Märkte und individuellere Kundenan-
           forderungen oftmals vor Probleme gestellt. Viele Be-
                                                                      vante Prozesse erfasst und analysiert werden. Manufac-
                                                                      turing Execution Systeme (MES) können die Produktion
                                                                      auf operativer Ebene steuern und kontrollieren und das
           triebe arbeiten mit historisch gewachsenen, individuell    Fertigungsmanagement verbessern. Daten an Maschi-
           programmierten Systemen oder sogar Insellösungen           nen und Arbeitsplätzen werden erfasst und ausgewertet
           ohne Schnittstellen, die entweder gar nicht oder oder in   und dienen als Entscheidungsgrundlage. Doch welche
           geringem Maße miteinander kommunizieren. Auch die          Funktionen braucht der Mittelstand?
           Produktionsplanung erfolgt oft noch manuell. Auftrags-
           folgen werden nicht per Software festgelegt und auch       Betriebsdatenerfassung (BDE)
           die Verfügbarkeit von Mensch und Maschine nicht si-
           chergestellt. Fertigungsrückmeldungen auf Papier erfor-    Grundstein für die digitale Produktionssteuerung sind
           dern Nachararbeiten und den Mitarbeitenden liegen die      Maschinen- und Betriebsdaten. Liegen diese Daten –
           Daten für ihre Aufgaben nicht immer vollständig vor.       etwa zu Produktionsmengen und -zeiten, Ausschuss,
                                                                      Laufzeiten und Störgründe – vor, kann der Produktions-
           Ein Tool für Mittelständler                                status in Echtzeit wiedergegeben und ein Soll-Ist-Ver-
                                                                      gleich gezogen werden. Es entsteht ein virtuelles Ab-
           Mit Software lassen sich Produktivität und Effektivität    bild der Fertigung. Das System zeigt zeitkritische Auf-
           der Fertigung steigern. Dafür müssen produktionsrele-      träge, mögliche Engpässe oder Störungen an, wodurch

           20           MES Wissen Kompakt
021_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 09:41 Seite 21

       in der Folge beispielsweise die Produktionsreihenfolge    melkarte können Ausschuss und Nacharbeit ausge-
       angepasst werden kann. Die Informationen werden in        wertet werden. Arbeitsplatz- und Störstatistiken ermög-
       Datenbanken abgelegt und sind jederzeit verfügbar.        lichen die Analyse betriebswirtschaftlicher Kennzahlen
       Hinzu kommt, dass eine Mengenrückmeldung an das           sowie ungeplanter Stillstände.
       Produktionsplanungs- und Steuerungssystem Logistik
       und Lagerführung unterstützt. Mit der Weiterleitung der   Modularer Aufbau
       Daten zu anderen Systemen können Kapazitäten bes-
       ser im ERP-System abgebildet werden.                      Modulare MES-Lösungen können schneller implemen-
                                                                 tiert werden. Auch die Investitionskosten werden redu-
       Schnittstellen                                            ziert. Steigen später die Anforderungen, kann die Lö-
                                                                 sung um weitere Module ergänzt werden.
       Als Bindeglied zwischen Enterprise Resource Planning
       und Produktionsebene muss ein MES über Schnittstel-       Künstliche Intelligenz
       len mit anderen Systemen kommunizieren und Daten
       verschiedener Quellen und Fremdsysteme transferie-        Künstliche Intelligenz erkennt und analysiert Muster,
       ren. So bleibt die Datenbasis aktuell und Eingabe-        Regelmäßigkeiten sowie Wirkzusammenhänge. Mit ihr
       sowie Übertragungsfehler werden vermieden.                werden vorausschauende Prognosen möglich – auf
                                                                 Grundlage von Maschinen- und Betriebsdaten. Kommt
       Rückmeldesystem                                           es zu Abweichungen, wird umgehend eine Meldung
                                                                 versendet, wobei bei Routineprozessen auch autonome
       Mit Rückmeldesystemen können Mitarbeitende bei            Korrekturen möglich sind.
       der Betriebsdatenerfassung Dialoge führen, etwa zu
       personenbezogenen An- und Abmeldungen von Auf-            Datenbasis erschließen
       trägen. Alle Auftragsinformationen inklusive hinterleg-
       ter Dokumente sollten einsehbar und zu verwalten          Mit einem Manufacturing Execution System können
       sein. Sammelmeldungen bei kurzen Vorgabezeiten,           Unternehmen die Datenbasis ihrer Fertigung erschlie-
       Störungserfassung oder die Erfassung von Gemein-          ßen. Kennzahlen helfen bei der Kontrolle sowie Steue-
       kostentätigkeiten erleichtern den Ablauf zusätzlich.      rung aller relevanten Prozesse, der Arbeits- und Orga-
       Ein offlinefähiges Rückmeldesystem erhöht dazu die        nisationsschritte. Eine kontinuierliche Berichterstattung
       Verfügbarkeit.                                            und Unternehmensplanung werden ermöglicht. Durch
                                                                 die daraus resultierende Transparenz entsteht größere
       Auswertungssystem                                         Flexibilität und die Produktion wird optimiert.         ■

       Auswertungssysteme stellen den Status Quo der Fer-
       tigung dar. Ein Soll-Ist-Vergleich deckt Abweichungen
       bei der Abarbeitung von Aufträgen auf, per Fehlersam-                       www.gfos.com

                                                                                           Autorin
                                                                                                                             Bild: ©Catrin Moritz / GFOS mbH

                                                                                      Katharina Röhrig
                                                                                 ist Geschäftsführerin
                                                                                       der GFOS mbH.

                                                                                                                      21
022_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 10:02 Seite 22

           Systemintegration

           Wie Großunternehmen MES-Templates entwickeln                                        sätzlichen Startbedingungen, re-
                                                                                               levante Randbedingungen und

           Multisite-Rollout von                                                               Hindernisse gewinnen.

           MES/MOM-Lösungen                                                                   Startbedingungen:
                                                                                            • Dem Top-Down-Modell entspre-
           Wollen Hersteller mehrere Werke mit einer vergleichbaren                           chend formuliert das Manage-
           MOM/MES-Infrastruktur versorgen, steigen die Projektrisiken                        ment die Anforderungen.
           deutlich. Klare Zielvorgaben, offene Kommunikation und ein                       • Die IT-Abteilung verantwortet das
           Exzellenzzentrum helfen, die Risiken zu bewältigen – und in-                       Digitalisierungsprogramm.
           stanziierbare MOM-Templates zu entwickeln, die trotzdem • Die Organisation besteht aus
           individuelle Anforderungen berücksichtigen.                                        Mitgliedern des Managements
                                                                                              und der IT-Abteilung.

           B    ei Reviews zur Strategieentwicklung globaler Digitali- • Der Fokus des Programms liegt auf der Digitalisierung
                sierungsprogramme stoßen vor allem Unternehmen
           mit mehreren Geschäftsbereichen, Herstellprozessen und
                                                                         von Geschäftsprozessen auf Managementebene unter
                                                                         Einbeziehung der Shopfloor-Prozesse.
           Prozesskategorien auf folgendes Szenario: Das Pro- • Die IT strebt die Harmonisierung der IT-Infrastruktur und
           gramm scheint im Stillstand, insbesondere auf MES-Level       IT-Systeme an.
           3. Obwohl IT und Management forcieren, die erforderliche • Zwei Standorte setzen das Programm prototypisch um.
           Organisationsstruktur zu schaffen, externe Beratung und
           einen international agierenden Systemintegrator hinzuzu- Randbedingungen:
           ziehen. Obwohl ein Softwarearchitekturkonzept erarbeitet • Das Produktportfolio des Unternehmens bedarf unter-
           sowie ein Managementsystem mit moderner Technologie           schiedliche Prozesskategorien.
           in Betrieb genommen und im MES-Level 3 mit
           dessen zugehörigen Komponenten ergänzt
           wurde. Der Ursprung des Problems lässt
           sich bei Betrachtung eines Reifegradmodells

                                                                                                                                  Bild: ATS-Global / MES/MOM CoC Program, / MESA International / ©Thomas Nowotka,
           identifizieren, das sich mit aktuellen und zukünfti-
           gen funktionalen Anforderungen in den Unternehmen aus-
           einandersetzt. Demnach sollten im ersten Schritt, dem Pa-
           radigma eines Management-Information-Systems (MIS)
           folgend, dem Management zeitnah Zustands-, Auslas-
           tungs- und Auftragsinformationen aus dem MES-Level 2
           und 3 dem ERP-System bereitgestellt werden.

           Reporting bereits schwierig

           Grundsätzlich lässt sich schon für die Implementie-
           rung dieses Reportings ein Software Lifecycle Ma-
                                                                                                                                  (www.tnce.de)

           nagement einschließlich eines Rollout- und Supportkon-
           zepts etablieren. In der Praxis kommen bereits an dieser
           Stelle Schwierigkeiten zum Vorschein. Erste Erkennt-
           nisse, wieso erarbeitete Lösungen auf Level 3 instabil wer-
           den und Verbindungen zum Level 2 eine gewisse Fra-                   Reifegradmodell mit aktuellen bzw. zukünftigen
           gilität aufweisen, lassen sich mit Blick auf die grund-                                funktionalen Anforderungen

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023_ITP_MES Wissen kompakt_2022.pdf 22.03.2022 10:02 Seite 23

                         al

                                                                                       Die Bewertung dieser Bedingungen legt eine wesentli-
                    Glob
                ATS-

                                                                                         che Grundproblematik offen: Projektteams verlassen
          Holz/

                                                                                          sich vor allem auf das Managementsystem und
     Bild: ©Andreas

                                                                                          seine Level-3-Module. Zudem wurde der Schritt
                                                                                          übersprungen, die Anforderungen zu analysieren, sie
                                                                                          in ein Lastenheft zu übertragen und davon Detail-
                                                                                          spezifikationen abzuleiten. Stellen etwa die zum Re-
                                                                                         view hinzugezogenen externen Systemintegratoren
                                                                                        dem Management diese Situation dar, offenbaren sich
                                                                                      beim Status quo oft eine Reihe weiterer Projekthürden:
                                                                                     • Die Legacy-Systeme auf Level 2 an Level 3 anzubin-
                                                                                       den, ist sehr aufwendig.
                                                                                     • Das Veränderungsmanagement und Rollout-Konzept
                      CoE – Einbindung von Stakeholdern aus allen Bereichen
                                                                                       über mehrere Standorte und Business-Units ist unge-
                      (eigene Darstellung)                                             eignet. An Pilotstandorten entsteht Parallelarbeit.
                                                                                     • Daten stehen entgegen den Anforderungen nicht per-
                      • Standorte gleicher Prozesskategorien werden zu Busi-           manent online zur Verfügung. Ein Store-Forward fehlt.
                        nessunits zusammengefasst.                                   • Ungeplante Verbindungsabbrüche vom ERP-Level 4 zu
                      • Gegebenenfalls erfolgt ein mehrstufiger Herstellpro-           MES-Level 3 sowie zu Level 2 führen zu Anlagenstill-
                        zess über mehrere Prozesskategorien, Logistikpro-              ständen.
                        zesse verbinden die Businessunits.                           • Support gestaltet sich bereits zu Beginn schwierig.
                      • Das Unternehmen betreibt internationale und multikul-        • Die Unzufriedenheit der Beteiligten in den Werken be-
                        turelle Standorte.                                             ginnt, das gesamte Programm zu gefährden.
                      • Level-3-Aspekte betreffen auch Legacy-Systeme.
                      • Oft existieren über 100 Legacysysteme bei vielfach           Die Zustimmung und Unterstützung des Managements
                        manuellem Produktionsmanagement.                             als Program Sponsor bleibt ein essenzieller Projektbau-
                      • Für die vielen Anlagen- und Teilanlagen verschiedener        stein und auch eine Einbindung der IT-Abteilung obligato-
                        Hersteller existiert kein einheitliches Daten-, Funktions-   risch. Die Menschen in den Werken nicht einzubinden, ist
                        und Statusmodell.                                            dem Erfolg eines Digitalisierungsprogramms jedoch eben-
                      • Die Anlagen- und Teilanlangen sind nur zum Teil digi-        falls abträglich. Auch Schwachpunkte wie eine fehlende
                        talisiert und der digitale Reifegrad der Standorte unter-    Anforderungsanalyse, die in ein Lastenheft und eine de-
                        scheidet sich auf dem Level 2 stark.                         taillierte Konzeption der Softwarearchitektur mündet, sind
                                                                                     unmittelbar zu beheben.
                      Hindernisse und offene Anforderungen:
                      • Die Organisationsstruktur funktioniert nur mangelhaft.       Bereit bleiben für Änderungen
                      • Das Vorgehensmodell der Organisation und des
                        MES/MOM-Programms sind nur bedingt geeignet                  Wichtig ist zudem, bei der Abbildung des Produktionsmo-
                      • Das Programm wird von der IT-Abteilung ausgeführt,           dells im Konzept die standortspezifischen und business-
                        Beteiligte aus den Werken wurden nicht eingebunden.          unitspezifischen Ausprägungen zu berücksichtigen. Im
                      • Um zu einer homogenen IT-Landschaft zu gelangen,             Change Management sollte ebenfalls bedacht werden,
                        wurde das Managementsystem auf ERP-Ebene mit                 dass sich MES-Anwendungen auf Level 3 funktional künftig
                        dessen Komponenten für das Level 3 versehen,                 weiterentwickeln dürften. Dabei muss auch den Scada-An-
                        ohne sich mit dem abstrahierenden Kommunikati-               wendungen auf dem MES Level 2 Rechnung getragen wer-
                        onsmodell zwischen Produktionsmodell und Level 2             den, die weitere Bereiche und Funktionskategorien betrifft.
                        zu befassen.                                                 Nicht zuletzt gilt es internationale Standards wie ISA 88 und

                                                                                                                                              23
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