Wohin gehen die Lebensmittel der Schweizer Tafel? - Einblick ins Jugenddorf Knutwil.
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Wohin gehen die Lebensmittel der Schweizer Tafel? Einblick ins Jugenddorf Knutwil. Seite 16 Charakterköpfe im Einsatz für die Schweizer Tafel. Ein Porträt. Seite 8 Stiftung Schweizer Tafel | www.schweizertafel.ch
Titelseite: Das Team der Schweizer Tafel (festangestellte Mitarbeitende) Impressum Herausgeber: Stiftung Schweizer Tafel, Bahnhofplatz 20, 3210 Kerzers, Tel. 058 255 62 00, kommunikation@schweizertafel.ch www.schweizertafel.ch Spendenkonto: Credit Suisse (Schweiz) AG, Zürich, Konto 332362-31-2, Clg 4835, PK 80-500-4 IBAN CH63 0483 5033 2362 3100 2 Redaktion: Andrea Schlenker (Leitung), Evelyne Oechslin, Alexandra Bally, Nadja Keller Gestaltung: Atelier Herrmann SGD, Gümmenen Fotos: Sandra Mumprecht, Adrian Hauser, Jojo Schulmeister, Suppenstube Olten, Schweizer Tafel Druck: Mastra Druck AG, Schönbühl. Diese Drucksache wurde 100% klimaneutral in der Schweiz hergestellt. Auflage: 5500 Deutsch Ausgabe September 2021. Die Tafelpost erscheint 1 Mal im Jahr. 2 …………………………………………………………………………………………………………………………
INHALT………………………………………………………………………………………………………………… ……………………………… ARMUT Hat sich die Armut in den letzten 20 Jahren verändert? Wir haben den Experten gefragt. Seite 6 Seite 4 Editorial …………….......…….… PORTRÄT Seite 5 Als alles begann Seite 10 bis 15 Jubiläumsspecial Wir machen mehr draus: Wer alles zum guten Gelingen unserer Arbeit beiträgt. Seite 18 Foodwaste Foodwaste 2001, heute und in Zukunft. Seite 23 Suppentag 2021 Ein bewegtes Leben Ausblick auf den nationalen Spendenanlass. führte Andres Landert zur Schweizer Tafel. Ein Porträt. Seite 8 …………………….… FOODWASTE Wir danken unseren Hauptpartnern ganz herzlich für die langjährige und grosszügige finanzielle Unterstützung! Gönnerverein Schweizer Tafel Kreative Menüs gegen ERNST GÖHNER STIFTUNG ZUG Foodwaste. Einblick in das Jugenddorf Knutwil. Seite 16 ……………………………………………………………………………………………………………… 3
EDITORIAL ……………………………………………………………………………………………………………… Liebe Leserin, lieber Leser 20 Jahre ist es her, seit ich die Schweizer Tafel nach dem Vorbild der Organisationen City Harvest in New York und Berliner Tafel gegründet habe. Am 18. Dezember 2001 startete die Schweizer Tafel mit dem Verteilen von einwandfreien, überschüssigen Lebensmitteln an soziale Institutionen und armutsbetroffene Menschen in der Schweiz und legte somit den Grundstein für die Brücke vom Überfluss zum Mangel. Editorial Bei der ersten Fahrt mit einem gemieteten, damals noch ungekühlten Lieferwagen war das Schweizer Fernsehen dabei und strahlte die Sendung am selben Abend aus. Dann ging es Schlag auf Schlag! Das Projekt hatte den Nerv der Zeit getroffen. Ende 2002, nach einem Jahr, wurden mit drei gekühlten, von der Credit Suisse zur Verfügung gestellten Lieferwagen, rund 1,5 Tonnen Lebensmittel verteilt. Im letzten Jahr waren es 4134 Tonnen und in den ganzen 20 Jahren unglaubliche 54 244 183 Tonnen! Armut war damals ein Tabuthema, man wusste, dass rund 10 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen waren, dachte aber, dies sei selbstverschuldet. Heute weiss man es besser! Auch Lebensmittelverschwendung war in den Köpfen der Bevölkerung noch nicht angekommen. Es gab auch keine Zahlen dazu. McKinsey war das erste Unternehmen, das im Rahmen seines treuen Sponsorings im Auftrag der Schweizer Tafel dazu verläss- liche Daten lieferte, die dann schweizweit übernommen wurden. Heute ist man im Bild. Foodwaste ist ein Begriff! Zahlreiche Projekte sind aus dem Boden geschossen, die sich der sinnlosen Verschwendung annehmen. Auch der Detailhandel macht tatkräftig und finanziell mit. In Frankreich gibt es seit Kurzem sogar ein Gesetz, wonach Lebensmittelver- schwendung mit einer Busse bestraft wird. Eine grossartige Entwicklung! (Mehr dazu auf Seite 19) Nach 14 Jahren mit Höhen und Tiefen und vielen schlaflosen Nächten hatte die Schweizer Tafel elf feste Arbeitsplätze geschaffen und stand auf einer soliden finanziellen Basis. Ich konnte mich getrost aus dem Stiftungsrat zurückziehen und die Lebensmittel- verteilung vertrauensvoll in andere Hände legen. Ich bin dankbar, dass ich das Privileg hatte, vor 20 Jahren mit den damaligen Mitarbei- tenden ein so grossartiges Projekt auf die Beine zu stellen. Ich bin sehr stolz und danke allen von ganzem Herzen, die in all den Jahren mit so viel Herzblut und Professionalität an der Brücke vom Überfluss zum Mangel mitgebaut haben und dies auch weiterhin tun. Ohne die Mithilfe der langjährigen und treuen Partner, Lebens- mittelspender, Stiftungen, Firmen, Spenderinnen und Spender sowie des Gönnervereins und der vielen Freiwilligen wäre diese Erfolgsgeschichte nicht möglich gewesen. Aber jetzt wird erst einmal gefeiert! Yvonne Kurzmeyer Gründerin der Schweizer Tafel und Ehrenpräsidentin im Stiftungsrat 4 …………………………………………………………………………………………………………………………
2001 Als alles begann Das Gründungsjahr der Schweizer Tafel war in vielen Bereichen ein Schicksalsjahr. Wir nehmen Sie mit auf eine Reise ins Jahr 2001. 2. Januar Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). 28. März In seinem zweiten Nati- Spiel erzielt Alex Frei einen Hattrick gegen Luxemburg. Wie weit es der Youngster wohl noch bringen wird? 2. August Privatradio-Pionier Roger Schawinski muss das hoch verschuldete Tele 24 schliessen. 11. September Der Terroranschlag auf das 2. Oktober Die Swissair, Nationalstolz der Schweiz, bleibt am Boden. World Trade Center und das Pentagon in den USA fordert fast 3000 Todesopfer und erschüttert die Welt. Har 23. Oktober Apple überrascht H a r r yr Po t t r y die Welt mit dem iPod. Das Ende der t t e u n d de e r CD-Ära ist offiziell angebrochen. H a r r y Pnod de r Ste in de r WerisSte in Podet rtSteeirn u e is e n en de r W 4. Novemberun d de r Wei se n «Harry Potter und der Stein der Weisen» feiert Welt- premiere und stürzt eine ganze Generation ins Magie-Fieber. 18. Dezember Der erste Wagen der Schweizer Tafel rollt über die Har r y Strassen in Bern. Har r y Po t rtSeterin Po t t e r u n d de un d de r Ste de r We is e n de r Wei se in n ………………………………………………………………………………………………………………………… 5
Armut – vor 20 Jahren und heute Prof. Dr. Oliver Hümbelin, Sozialwissenschaftler und Armutsforscher an der Berner Fachhochschule, im Interview. Interview: Andrea Schlenker Etwas später wurden offizielle Armuts- quoten publiziert, die zeigen, dass Armut Die Schweizer Tafel wurde vor über den Kreis der Sozialhilfebeziehenden 20 Jahren gegründet. Damals hinausreicht. Heute geht man meines Er- war Armut in der Bevölkerung achtens nuancierter mit der Thematik um, noch ein Tabu. Wie hat sich die aber es ist nach wie vor ein politisch stark Armut in dieser Zeit zahlenmässig, aufgeladenes Thema. aber auch gesellschaftlich verändert? Es mag überraschen, aber für die Schweiz Teilen Sie die Wahrnehmung der liegt keine so lange Zeitreihe zur Armuts- Schweizer Tafel, dass die Armut in der quote vor, dass man eine präzise Aussage Schweiz aufgrund der Corona-Krise zur Veränderung des Ausmasses von Ar- weiter steigen wird? mut über diesen Zeitraum machen kann. Ja. Es ist leider davon auszugehen, dass die Das hängt meines Erachtens eben genau Armut in der Schweiz als Folge von Corona auch mit dem Wandel der Wahrneh- zugenommen hat. Belastbare Zahlen dazu mung der Problematik zusammen. Lange gibt es noch keine. Erste Studien deuten herrschte die Meinung vor: Wir haben ja aber darauf hin. Trotz stützender Mass- alles in der Schweiz, hier muss niemand arm nahmen des Bundes mussten viele Men- sein; man muss nur wollen. Entsprechend schen finanzielle Einbussen hinnehmen. sah man keine Notwendigkeit, genauer Besonders betroffen waren Menschen mit hinzuschauen. Zunehmend rückte dann bereits zuvor tiefem Einkommen. Auch die aber ins Bewusstsein, dass es eben doch Arbeitslosenzahlen sind innerhalb eines nicht für alle möglich ist, über die Runden Jahres deutlich gestiegen: von 118 000 (Fe- zu kommen, und dass es viele Gründe bruar 2020) auf 168 000 (Februar 2021). dafür geben kann. Ein erster wichtiger Das entspricht einer Zunahme von rund Verbesserungsschritt ist es, gute Daten 40 Prozent. Mittlerweile findet eine Er- zu erheben, um das Phänomen fassen holung auf dem Arbeitsmarkt statt, aber und verstehen zu können. Die Sozialhilfe- die Arbeitslosenquote ist immer noch statistik gibt es beispielsweise seit 2005. hoch für Schweizer Verhältnisse. Weitere 6 …………………………………………………………………………………………………………………………
…………………………………………………………………………………………………………………… ARMUT 340 000 Menschen sind nach wie vor von malen Zeiten durch Armut in der Schweiz 2019 Armut ist nicht bequem und sie kann jeden Kurzarbeit betroffen (Stand März 2021). ihr Unternehmer- treffen. Auch in der reichen Schweiz waren Für viele ist offen, wie es weitergeht. Die tum hervor. Das ging plötz- gemäss Bundesamt für Statistik im Jahr Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe lich nicht mehr und dürfte allgemein zur 2019 735 000 Personen oder 8,7 Prozent SKOS befürchtet eine Zunahme der Fall- Schärfung des Bewusstseins für die Not- der Bevölkerung von Armut betroffen. Die zahlen in der Sozialhilfe. Damit stellt sich wendigkeit von staatlicher Hilfe in einer Auswirkungen der Corona-Pandemie sind die Frage, ob eine Normalisierung einkehrt, Krise geführt haben – egal ob es sich darin noch nicht enthalten. Ein Leben in sobald sich die wirtschaftliche Lage wie- nun um eine individuelle oder eine ge- Armut bedeutet oft Entbehrung, Existenz- der entspannt, oder ob Corona zu einer sellschaftliche Notlage handelt. angst und Isolation. generellen Ausweitung von Armut in der Entwicklung der Armutsquote Schweiz führt. Was bedeutet das für die sozialen Einrichtungen? Welche Faktoren erhöhen das Ein mögliches Szenario ist, dass inner- Armutsrisiko? halb kurzer Zeit mehr Menschen auf Oft geht es um den Zugang zu Arbeit, die Unterstützung ausserhalb der staatlichen ein selbsttragendes Einkommen ermög- Strukturen angewiesen sind. Das kann licht. Dieser ist bei Menschen ohne Bil- organisatorisch herausfordernd werden. dungsabschlüsse erschwert, aber auch bei Es wird davon abhängen, ob die Unter- Menschen, die Mühe haben, Betreuungs- stützungsmassnahmen aufrechterhalten pflichten und Erwerbsarbeit zusammenzu- bleiben, bis eine wirtschaftliche Stabilisie- bringen, wie zum Beispiel Alleinerziehen- rung stattgefunden hat, und auch davon, de. Auch gesundheitliche Einschränkungen wie gut jenen geholfen wird, die als Folge können ein Armutsrisiko darstellen. Gene- von Corona ihre Stelle verloren haben rell sind ausländische Staatsangehörige und den Wiedereinstieg nicht schaffen. eher gefährdet, wobei Sprachbarrieren oft eine Rolle spielen. Es geht aber nicht nur um Welchen gesellschaftlichen Stellen- die Frage des Zugangs zu Arbeit, sondern wert messen Sie Organisationen wie auch um die Frage des Zugangs zu Unter- der Schweizer Tafel heute bei? stützung. Wird der Zugang zu Sozialleis- Institutionen wie die Schweizer Tafel sind tungen verschärft, kann dies die Armuts- wichtig. Die Versorgung mit Lebensmit- betroffenheit verschärfen. teln ist neben dem Wohnen die unmit- telbarste Form der Linderung der Folgen Gehen Sie davon aus, dass es durch von Armut. Es ist ganz entscheidend, dass die Pandemie neue Personenkreise solche Angebote bestehen. So kann di- treffen wird? rekt geholfen werden, ohne langwierige Die Pandemie traf in der Tendenz eher Abklärungen und Anträge. Das ist beson- Menschen, die bereits vorher in prekären ders in einer Krisensituation entscheidend. Verhältnissen gelebt haben. Viele Auslän- Gleichzeitig wird bei einem Angebot wie derinnen und Ausländer waren beispiels- jenem der Schweizer Tafel einem zweiten Prof. Dr. Oliver Hümbelin, weise besonders betroffen. Das hat aber drängenden Problem, dem Foodwaste, geboren 1981 in Spartanburg, S.C. US auch damit zu tun, dass 2019 das Aus- entgegengewirkt. Da werden gleich meh- Studium der Soziologie, Medienwissen- länder- und Integrationsgesetz verschärft rere gesellschaftliche Herausforderungen schaften und Ökonometrie in Bern und wurde. Diese Gruppe muss seitdem stär- angegangen. Das finde ich gut. Leipzig. Seit 2020 ist er Dozent und ker fürchten, ausgewiesen zu werden, Forscher im Departement Soziale Arbeit wenn sie Sozialhilfe beantragt. Da wurde Gibt es etwas, das Sie der Schweizer der Berner Fachhochschule. Er ist zudem es gleich an mehreren Fronten eng. Die Tafel für die Zukunft mit auf den Weg Co-Studiengangleiter CAS Datenanalyse. Zu seinen Schwerpunkten gehören unter Pandemie hat aber auch neue Formen der geben möchten? anderem Ungleichheit und Armut in Bedürftigkeit aufgezeigt. Plötzlich waren Weiter so. der Schweiz. Er ist Autor zahlreicher Publi- beispielsweise viele Selbstständige oder kationen. KMUs auf staatliche Unterstützung an- gewiesen. Diese Gruppen tun sich in nor- ………………………………………………………………………………………………………………………… 7
Mr. Schweizer Tafel macht keinen Dienst nach Vorschrift Ein bewegtes Leben hat Andres «Andi» Landert zur Schweizer Tafel gebracht. Als er in Basel auf Tour war, wurde er stets von allen Seiten freudig begrüsst: Denn er verteilte nicht nur Essen, sondern knüpfte auch Kontakte mit den Menschen, die er dabei traf. «Ich sehe die Arbeit der Schweizer Tafel so: Freunde, wie zum Beispiel der Detailhandel oder Restaurants, geben Waren, die sie nicht mehr verkaufen können, an die Schweizer Tafel weiter. Die Schweizer Tafel verteilt sie an weitere Freunde, das heisst an die Institutionen, und so kommen sie schliesslich bei Freunden, den Bedürftigen, an.» Die Einstellung von Andres Landert schimmert in diesem Satz, den er über die Schweizer Tafel sagt, durch. Bis zu einem Herzinfarkt im Juli 2020 war er täglich unterwegs für die Schweizer Tafel in Basel. Dabei betrachtete er nicht nur das Verteilen von Nahrungsmitteln als seine Aufgabe, sondern auch das herzliche Aufeinander-Zugehen und das Knüpfen von Kontakten. Heute kann Andi zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf Tour gehen. Trotzdem schaut er regelmässig bei den sozialen Institutionen und Gebern, wie zum Beispiel Super- märkten und Restaurants, vorbei und fühlt den Puls, ob alle Seiten mit der Zusammenarbeit zufrieden sind. Er werde inzwischen auch «Mr. Schweizer Tafel Basel» genannt, erzählt er. Text: Evelyn Oechslin Fotos: Adrian Hauser «Wie herzlich ihn die Leute begrüssen, ist mir sofort aufgefallen, als ich ihn einmal auf einer Tour begleitet habe», sagt Michele Hostettler, Geschäftsleiter a. i. der Schweizer Tafel. «Überall hiess es ‹Hallo Andi! Schön, dich zu sehen›.» Landert sei einer, der mit vollem Einsatz dabei sei und nicht bloss Dienst nach Vorschrift mache. Und er kümmere sich auch um die Mitarbeitenden. Vor allem den Jüngeren sei es wichtig zu vermitteln, dass sie beim Transport der Lebensmittel auf ihren Körper achtgeben müssten. Schicksalsschlag und Justizvollzug Es war ein bewegtes Leben, das Andi 2019 im Rahmen einer Wiedereingliederung nach einer therapeutischen Massnahme zur Arbeit bei der Schweizer Tafel führte. Er beginnt seine Erzählung mit etwas Positivem, einer Liebesgeschichte: 1991 lernte er seine Frau kennen, eine Thailänderin, die seit dem Alter von acht Jahren 8 …………………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………………………………………………………………… PORTRÄT Andres Landert hilft bei der Schweizer Tafel, weil er es richtig findet. Getreu dem Grundsatz: «Hilf deinem Nächsten». Er wünscht sich, mehr Menschen würden danach leben. in der Schweiz lebte. Sie wohnten gemeinsam eine Weile in Thai- hitze einem älteren Mann eine Flasche Wasser. Während der land, kehrten zurück in die Schweiz und haben zwei Töchter. ersten Welle der Pandemie habe er auch mal einem Pöstler ein Schoggistängeli aus dem Auto gereicht, als Dankeschön für seine 2006 verstarb Andis geliebte Frau. Ins Detail möchte er nicht ge- wichtige Arbeit. Eben nicht nur Dienst nach Vorschrift. hen, macht jedoch klar, dass es sich nicht um einen natürlichen Tod gehandelt hat. Dieser Schicksalsschlag warf ihn völlig aus der Genau das schätzt Tafel-Leiter Michele Hostettler an Andi. «Weil Bahn. Später wurde bei ihm eine posttraumatische Belastungs- er die Menschen kennt, sieht er, wenn jemand etwas braucht, störung diagnostiziert. «Ich hatte dann einen Ausraster und habe und macht auch mal jemandem eine Freude.» Ein Nebeneffekt ein Delikt begangen», erzählt er. Nach dieser Tat wollte er auf seiner freundschaftlichen Art sei auch, dass gewisse Leute, die keinen Fall in die offene Massnahme: «Es war wichtig, dass man sich sonst schämen würden, Essen anzunehmen, sich von Andi mich versorgt. Ich wollte mich von der Welt zurückziehen», er- bestärkt fühlten, sich bei einer Institution zu melden. innert er sich. Er absolvierte seine Massnahme unter anderem in der therapeutischen Abteilung einer geschlossenen Vollzugsein- Die Schweizer Tafel Region Basel ist inzwischen zu einer Familien- richtung. Oft habe er an sein Opfer gedacht und es nicht ertragen, angelegenheit geworden. Andis ältere Tochter hat hier letztes wenn seine Mitinsassen keine ehrliche Reue für ihre eigenen Taten Jahr eine freiwillige Berufsintegration erfolgreich absolviert, nach- zeigten. dem sie eine landwirtschaftliche Lehre wegen eines Unfalls hatte abbrechen müssen. Über ihre Erfahrung meint er: «Der Einsatz für Buddhistischer Grundsatz die Schweizer Tafel hat ihr extrem viel Selbstvertrauen gegeben. Am Ende der Massnahme war ein Arbeitseinsatz vorgesehen. Andi Aber es hat sie auch traurig gemacht, zu sehen, wie schlecht es recherchierte im Internet, wo er mithelfen könnte, und wurde manchen Leuten geht.» auf die Schweizer Tafel aufmerksam. Am gleichen Tag sah er ein Fahrzeug der Schweizer Tafel mit dem Aufruf «Wir suchen Frei- Die Schweizer Tafel als «Fächer» willige». Er ist überzeugt, dass dies kein Zufall war. Als er bei der Die Arbeitsintegration, die auch seine Tochter absolviert hat, ist Schweizer Tafel anfing, sei ihm erst bewusst geworden, wie viele Teil des «Fächers», wie es Andi nennt. Die Schweizer Tafel wir- Nahrungsmittel in der Schweiz weggeschmissen würden. «Hier ke auf vielen Ebenen. Sie gebe Menschen mit unterschiedlichen landen Säcke voll Reis im Müll, während sie im Slum in Thailand Hintergründen eine Chance auf den Wiedereinstieg ins Berufs- um jedes Korn kämpfen», meint er kopfschüttelnd. leben. Zweitens rette sie Lebensmittel und drittens helfe sie Be- dürftigen. «Man darf ruhig mal erwähnen, dass dadurch auch die Andres Landert hat bei der Tafel einen Ort gefunden, wo er die Staatskasse entlastet wird.» Grundsätze seines buddhistischen Glaubens leben kann. «Der Buddhismus hat mich gelehrt, nicht auf Dankbarkeit zu warten. Andi ist voller Begeisterung für die Schweizer Tafel. Es ist ihm Ich helfe, weil es richtig ist», sagt er. Der Grundsatz «Hilf deinem anzumerken, dass er gerne weiter für sie arbeiten würde, doch Nächsten» sei aber nicht nur in seinem eigenen Glauben wichtig, seine gesundheitlichen Schwierigkeiten schränken ihn ein. Kraft sondern die Essenz aller Religionen. «Ich wünschte mir, mehr gibt ihm stets seine Frau. In seiner Wohnung steht ein Altar, der Menschen würden auch danach leben», seufzt er. ihr gewidmet ist. Jeden Morgen und Abend macht Andi eine Fürbitte für sie. Er betet auch für all die Irrläufer und verlorenen Kein Dienst nach Vorschrift Seelen, damit sie auf den richtigen Weg zurückkommen. «Ich Auf den Verteilfahrten hielt Andres Landert stets die Augen und muss ja nicht für die beten, denen es schon gutgeht», sagt er Ohren offen. Wenn er neben der Strasse einen Obdachlosen sah, und ergänzt, die Geschichte vom verlorenen Sohn sei schon immer den er kannte, gab er diesem etwas zu essen oder in der Sommer- seine liebste gewesen. ………………………………………………………………………………………………………………………… 9
JUBILÄUM ………………………………………………………………………………………………………………… Frauenpower prägt die Schweizer Tafel seit jeher Man kann sich fragen, warum Menschen einen Teil ihrer kostbaren Freizeit für ehrenamtliche Arbeit investieren. Alexandra Bally, Stiftungs- ratspräsidentin der Schweizer Tafel, berichtet von ihren langjährigen Erfahrungen und Erlebnissen und sagt, dass es zunehmend mehr ehren- amtliches Engagement in unserer Gesellschaft braucht. Durch Bekannte wurde ich auf die Schwei- nicht abschätzbar. Eines wird jedoch bleiben: Ins- zer Tafel aufmerksam gemacht. Damals titutionen wie die Schweizer Tafel werden immer wie heute bin ich beeindruckt von der wichtiger werden und wir sind zunehmend auf Einfachheit des Geschäftsmodells, vor Personen angewiesen, die ihr Wissen und allem mit Blick auf die Komplexität des ihr Netzwerk in ein ehrenamtliches Engage- Themas. Überfluss und Mangel: Auf der ment investieren. Stellvertretend für den ganzen einen Seite hat es zu viele Lebensmittel Stiftungsrat meine ich sagen zu können, dass dies auf dem Markt, auf der anderen Seite der Hauptantreiber für unser Engagement ist. Der gibt es Leute in der Schweiz, die an oder Stiftungsrat hat sich im vergangenen Jahr neu kons- unter der Armutsgrenze leben. Allein die- tituiert und wir Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte ser Umstand ist Motivation genug, mich nehmen unsere Aufgabe sehr ernst. Es ist ein Amt, bei der Schweizer Tafel zu engagieren und das Engagement und Disziplin verlangt. Unser Gre- mitzuhelfen, an dieser Brücke zu bauen. mium ist in verschiedene Kompetenzen aufgeteilt: Ich empfinde diese Aufgabe als span- Wir können auf Expertenwissen in den Bereichen nend, bereichernd und sinnvoll. Wäh- Kommunikation, Strategie, Betriebswirtschaft, Per- rend der vergangenen Jahre habe ich viele sonalführung, Fundraising, Informatik und Finanzen berührende, mitunter auch aufwühlende zurückgreifen. Es sind tolle Kolleginnen und Kolle- Begegnungen erlebt. So erinnere ich mich gen, die sich bereit erklärt haben, ihr Know-how und beispielsweise an eine Lebens- und Wohn- Können in den Dienst der guten Sache zu stellen. Ich gemeinschaft, in der geistig und körperlich bin dankbar und stolz, ein Teil dieses Teams zu sein beeinträchtigte Menschen leben und die und gemeinsam mit ihm und allen Mitarbeitenden von der Schweizer Tafel mit Lebensmitteln der Schweizer Tafel weiter an der Brücke vom Über- unterstützt wird. Es war beeindruckend fluss zum Mangel zu bauen. zu sehen, wie diese Menschen Mangos trocknen oder zu Chutney verarbeiten, Gemüse einmachen und Konfitüre her- Seit Sommer 2020 stehen mit Alexandra Bally stellen, um diese dann am lokalen Markt und Nadja Keller nicht nur zwei Frauen an der Spitze der Stiftung und des Gönnervereins zu verkaufen. Der Stolz und die Freude Schweizer Tafel, sondern auch zwei Freundinnen über die selbst hergestellten Produkte und langjährige Weggefährtinnen. Alexandra und über das verdiente Geld sind unbe- hat in den letzten 12 Jahren verschiedene zahlbar. Ganz zu schweigen von der Wert- Positionen in der Schweizer Tafel eingenommen: schätzung, welche die Menschen auf diese zuerst als Co-Präsidentin im Gönnerverein Weise erfahren haben. Region AG/SO, dann als Präsidentin des gesam- ten Gönnervereins und seit letztem Jahr in Freiwilliges Engagement wird der Gesamtverantwortung als Stiftungsrats- präsidentin. Nadja schaut ebenfalls auf ein immer wichtiger längeres Engagement im Gönnerverein zurück Die Lebensumstände haben sich während und ist seit letztem Jahr Präsidentin des Vereins der Corona-Pandemie verändert und der und Mitglied des Stiftungsrates. Einfluss, den Covid auch längerfristig auf unsere Gesellschaft haben wird, ist noch 10 …………………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………………………………………………………………… JUBILÄUM «Nächstenliebe habe ich schon als Kind gelernt» Nadja Keller hat sich schon früher bei anderen Institutionen engagiert. Die Wurzeln für soziale Tätigkeiten wurden ihr bereits als Kind von ihren Eltern mitgegeben. An Weihnachten war der Tisch immer voll besetzt, denn die Mutter lud einsame und weniger privilegierte Menschen zum Abendessen ein. Als kleines Mädchen fand Nadja das manchmal nicht so lustig. Rückblickend ist sie dankbar für diese wunder- volle Geste ihrer Mutter, die sie bis heute prägt. Auf die Schweizer Tafel bin ich vor Jahren durch einen der mobilisiert, Mailings verschickt und Suppentag aufmerksam geworden. Freundinnen von vieles mehr. Wir leben in einer hektischen mir, unter anderem auch Alexandra Bally, die heutige Zeit, haben unzählige Verpflichtungen, und Stiftungsratspräsidentin, haben mir erzählt, dass sie trotzdem ist es immer wieder da – das sich im Gönnerverein der Schweizer Tafel engagieren jahrelange Engagement des Gönnerver- und Kuchen für den Suppentag backen. Das fand eins für die Stiftung Schweizer Tafel. Ende ich eine gute Idee – mehr wusste ich allerdings zu Jahr freuen wir uns immer ganz beson- diesem Zeitpunkt noch nicht über die Stiftung. An ders, wenn wir die Früchte unserer Be- besagtem Tag im November habe ich meinen Kuchen mühungen überweisen dürfen. Trotz der vorbeigebracht und seitdem engagiere ich mich schwierigen Umstände haben wir im Jahr ehrenamtlich für den Gönnerverein. Ich habe mich 2020 mit dem Gönnerverein sagenhafte regelmässig zum Lunch mit den anderen Gönnerin- 577 000 Franken gesammelt. An dieser nen der Region Aargau/Solothurn getroffen, mehr Stelle ein herzliches Dankeschön an alle und mehr über die Arbeit erfahren und bin tiefer in meine Kolleginnen im Vorstand und an die Materie hineingewachsen. alle Gönnerinnen und Gönner. Ihr seid die Grössten! Armut in der Schweiz? Das fand ich anfänglich etwas abstrakt. Die Tatsache, dass 8,7 Prozent der Menschen in der Schweiz von Armut betroffen sind, Nadja Keller wurde im Jahr des Frauen- hat mich wachgerüttelt. Es darf doch nicht sein, stimmrechts geboren und wuchs in Luzern auf. Als diplomierte Hôtelière dass in der reichen Schweiz Menschen zu wenig und Kommunikationsfachfrau vereint Geld für Nahrungsmittel zur Verfügung haben und sie mit ihrem Mann Philipp Berufs- und auf der anderen Seite tonnenweise Nahrungsmittel Familienleben mit drei Kindern und en- weggeworfen werden. Wenn ich mit meinem gagiert sich seit 2016 ehrenamtlich für Engagement irgendwie dazu beitragen kann, dies zu ändern, dann mache ich den Gönnerverein der Schweizer Tafel. das aus vollem Herzen gerne. Nebenberuflich ist sie als Yogalehrerin im In- und Ausland tätig. Somit war für mich auch gleich klar, dass ich das Amt als Präsidentin des Gönnervereins übernehmen würde, als die Anfrage an mich herangetragen wurde. Im August 2020 wurde ich an der ausserordentlichen Generalversammlung einstimmig zur Präsidentin Möchten auch Sie sich ehrenamt- gewählt. Ich hatte mir vorgenommen, Menschen zu treffen, hinzuhören und die ver- lich engagieren? Wir suchen lau- schiedenen Regionen zu besuchen. Leider musste wegen Corona alles anders gehand- fend neue Mitglieder und aktuell habt werden und die Sitzungen und Zusammenkünfte konnten grösstenteils nur online auch eine Präsidentin und Finanz- durchgeführt werden. verantwortliche für den Gönner- verein Bern. Am meisten beeindruckt mich bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Gönnerverein das Mehr dazu lesen Sie auf Seite 23. grosse Engagement aller Beteiligten. Wir alle stecken so viel Herzblut in die Arbeit, und wenn ich sehe, was unsere regionalen Präsidentinnen für eine tolle Arbeit leisten, dann berührt mich das immer wieder. Da werden Anlässe organisiert, Spenderinnen und Spen- ………………………………………………………………………………………………………………………… 11
JUBILÄUM ………………………………………………………………………………………………………………… Hand in Hand Gutes tun Unsere Arbeit ist ein fein abgestimmtes Zusammenspiel zahlreicher Beteiligter. Gemeinsam bauen wir an der Brücke vom Überfluss zum Mangel. So bunt und viel- fältig wie unsere Partner auf Spender- und Empfängerseite sind auch die Menschen in der Schweiz. Wie schön, dass wir schon seit 20 Jahren zusammen Armut lindern und Lebensmittel retten können. Gerne lassen wir an dieser Stelle andere über unsere Arbeit sprechen. Weitere Statements und kreative Videobotschaften auf: schweizertafel.ch/jubilaeum Credit Suisse AG Coop Genossenschaft Felix Mundwiler, Leiter Corporate Citizenship Guido Fuchs, Projektleiter Nachhaltigkeit Schweiz «Die Credit Suisse gratuliert «Wir gratulieren der Schweizer Tafel der Schweizer Tafel ganz herzlich herzlich zum 20-jährigen Jubiläum. zum Jubiläum! Als Partner der ersten Seit 2005 verbindet uns eine enge, Stunde sind wir enorm stolz darauf, langjährige Partnerschaft: Coop gibt euren Weg 20 Jahre lang mitgegangen jährlich über 1600 Tonnen Esswaren, zu sein und eure Ziele mitgetragen die nicht mehr verkauft werden dürfen, zu haben. Unsere freiwilligen Mit- an die Schweizer Tafel weiter. Sie arbeitenden sind seit Jahren auf den leistet mit den Lebensmittelspenden Verteiltouren dabei. Und der Suppen- einen wichtigen Beitrag zur Linde- tag ist bei uns mit bald einer Million rung von Armut in der Schweiz. Wir Spendenfranken eine Institution, bei werden diese Zusammenarbeit in den der unsere Personalrestaurants und nächsten Jahren noch intensivieren regionalen Niederlassungen mit- und werden in nahezu allen der über machen. Euer Einsatz für armutsbe- 1000 Coop-Verkaufsstellen Lebens- troffene Menschen in unserem Land mittel an die Schweizer Tafel und an ist phänomenal und wir sind gerne Tischlein deck dich abgeben.» weiter als Partner dabei. Alles Gute für die nächsten 20 Jahre!» 12 …………………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………………………………………………………………… JUBILÄUM Mehr fürs Leben. Lidl Schweiz ALDI SUISSE Torsten Friedrich, CEO Jérôme Meyer, Landesgeschäftsführer «Wir gratulieren der Schweizer «Wir gratulieren herzlich zum Tafel ganz herzlich zum 20-jährigen 20-jährigen Jubiläum! Menschen in Jubiläum! Das starke Engagement der Schweiz in finanziellen Notlagen und der unermüdliche Einsatz für mit Lebensmitteln und Geldspenden armutsbetroffene Menschen machen rasch und wirksam unterstützen zu die Schweizer Tafel zur unverzicht- können, das hat uns von der ersten baren Stütze für die Gesellschaft Minute an überzeugt. Im Rahmen in der Schweiz. Als in der Schweiz unserer Nachhaltigkeitsinitiative verankerter Lebensmittelhändler ist HEUTE FÜR MORGEN ist die Schweizer es für uns Ehrensache, die Schweizer Tafel ein starker Partner, damit die Tafel tatkräftig zu unterstützen. Wir Hilfe auch dort ankommt, wo sie schätzen die langjährige, fruchtbare dringend benötigt wird. Wir freuen Zusammenarbeit und freuen uns uns auf die weitere Zusammenarbeit, auf viele weitere Jahre, in denen wir denn wir sind überzeugt: Gemeinsam uns gemeinsam dafür einsetzen, die erreichen wir mehr!» sozial Schwächeren in der Schweiz zu unterstützen und Foodwaste zu reduzieren.» Migros Genossenschaft Lions Club Zumikon Zoé Turcot, Junior Projektleiterin Nach- Beat Brändle, Präsident «Für uns Lions-Club-Mitglieder steht die Schweizer Tafel haltigkeit «Vor 20 Jahren wurde die für unkomplizierte und unbürokratische Hilfe an Menschen, die in Not sind und Schweizer Tafel gegründet – herz- Unterstützung brauchen – und zwar schnell und direkt. Dies in einem Umfeld, lichen Glückwunsch! Der Migros das sich oft nicht bewusst ist, dass uns armutsbetroffene Menschen täglich ist es ein grosses Anliegen, dass begegnen, ohne dass wir sie wirklich wahrnehmen. Dieses Anliegen steht uns Lebensmittel nicht im Abfall landen, nahe, sowohl persönlich als auch bezogen auf den Leitgedanken der Lions- sondern verzehrt werden. Bei 99 Pro- Bewegung – ‹we serve› –, und das hat uns von Beginn an angesprochen mit- zent der Lebensmittel aus unseren zuwirken. Filialen ist das der Fall. Dabei geht es Jeweils an zwei Samstagen im Jahr nehmen wir die Chance wahr, Lebensmittel uns nicht nur um Ressourcenschutz. für die Schweizer Tafel zu sammeln. Wir sprechen Leute beim Einkaufen auf das Es geht uns auch darum, durch Thema Armut an und motivieren sie, doch eine Packung Reis oder Teigwaren das Spenden von Lebensmitteln mehr einzukaufen und zu spenden. Wenn sich dann die Paletten füllen und wir einen gesellschaftlichen Beitrag an erleben, wie positiv die Menschen auf diese Idee reagieren, sind das auch für Bedürftige in der Schweiz zu leis- uns berührende und schöne Momente und wir hoffen, dass die Menschen, die ten. Deshalb ist es uns wichtig, die diese Lebensmittel bekommen, dies auch spüren. Schweizer Tafel mit Lebensmittel- Der Lions Club Zumikon gratuliert der Schweizer Tafel ganz herzlich zum spenden und substanziellen finan- 20-jährigen Jubiläum und wünscht der Stiftung und allen daran beteiligten ziellen Beiträgen zu unterstützen.» Menschen, welche diese wunderbare Idee aktiv unterstützen, alles Gute für die Zukunft.» ………………………………………………………………………………………………………………………… 13
JUBILÄUM ………………………………………………………………………………………………………………… Kindertagesstätte Mondo Magico Rosetta De Luca, Geschäftsführerin «Seit der Gründung unseres Vereins Kindertagesstätte Mondo Magico im Jahr 2009 bekommt unsere gemeinnützige, steuerbe- freite und nicht gewinnorientierte Institution zweimal wöchentlich überschüssige und einwandfreie Lebensmittel von der Schweizer Tafel Luzern. Dadurch können wir die Lebensmittelkosten sehr tief halten und gleichzeitig sozial benachteiligte Familien in schwierigen Lebenssituationen mit unserer familienergänzenden Kinderbe- treuung unterstützen. Bei jeder Lieferung ist unser Küchenteam gespannt, mit wie vielen Lebensmitteln wir beschenkt werden. Mit viel Fantasie kann das Küchenteam dann an die Arbeit gehen und den Kindern und dem Personal kreative und vollwertige Mahl- zeiten anbieten. Die Kinder und das Personal freuen sich immer, wenn es ab und zu ein leckeres Dessert gibt. Mit viel Herzblut und Engagement leisten die Schweizer Tafel und die vielen Helferinnen und Helfer, die oft Zivildienstleistende sind, einen grossartigen Beitrag zugunsten vieler Luzerner Institutionen, wie wir eine sind. Wir schätzen die kurzen, aber intensiven Be- gegnungen mit ihnen sehr, auch wenn sie aus zeitlichen Gründen gleich weitermüssen, um pünktlich andere Institutionen zu belie- Mittagstisch Limmattal fern. Die Schweizer Tafel setzt sich für einen guten Zweck ein und Anita Buser & Stefan Bisculm, Leitungsteam dafür sind wir äusserst dankbar. Unsere Dankbarkeit und Wert- Wir gratulieren der Schweizer Tafel schätzung geht ganz besonders an alle Lebensmittelgeschäfte, die ganz herzlich zu ihrem 20-jährigen jährlich tonnenweise einwandfreie Lebensmittel spenden anstatt Jubiläum! Seit 2016 wird der Mittags- sie wegzuwerfen. DANKE … GRAZIE … MERCI! tisch in Schlieren von der Schweizer Wir gratulieren der Schweizer Tafel herzlichst zum 20-jährigen Tafel dreimal wöchentlich mit über- Jubiläum und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg!» schüssigen Esswaren beliefert. Die Lebensmittel werden von uns täglich zu einem feinen Menü verarbeitet und können kostenlos mit einem Gut- schein oder für 5 Franken bezogen werden. Die restlichen Lebensmittel werden an der Lebensmittel-Abgabe gratis verteilt. Für die stets sehr gute Zusammenarbeit bedanken wir uns und wünschen der Schweizer Tafel für die nächsten 20 Jahre alles Gute und viel Erfolg! 14 …………………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………………………………………………………………… JUBILÄUM Wir danken allen für das entgegengebrachte Vertrauen und die gute Zusammenarbeit. Gemeinsam und mit vereinten Kräften haben wir schon viel erreicht. Aber: Es geht immer weiter und wir werden auch in Zukunft nicht ruhen, Menschen in Not zu unterstützen. ………………………………………………………………………………………………………………………… 15
Jugenddorf im Einsatz gegen Foodwaste Text: Evelyne Oechslin, Fotos: Jojo Schulmeister Die Schweizer Tafel beliefert das Jugenddorf Knutwil seit fast zehn Jahren. Die Lebensmittel werden für die Bewohner, die betrieben des Jugenddorfes. Dort können hauseigene Cafeteria und bei Anlässen verwendet. Dabei beweist acht verschiedene Berufe erlernt werden, die Institution für verhaltensauffällige junge Männer viel so zum Beispiel Schreiner, Metallbauer, Engagement und Kreativität. Maler oder Koch. Die Ausbildungsbetriebe bieten ihre Pro- dukte und Dienstleistungen im freien Markt an. Eine grosse Verantwortung für die Berufsbildner, welche die Lernenden Auf dem Land zwischen Luzern und Aarau, sen. «Die Aufgabe des Jugenddorfes ist es, ausbilden. Beim Eingang der Betriebe fal- inmitten von Feldern, grünen Hügeln und sie wieder an eine Tagesstruktur heranzu- len Plakate mit einer Art «Best of» auf. kleinen Dörfern, liegt Bad Knutwil. Schon führen und sie für die Welt da draussen fit Dazu gehören kreative Metallarbeiten, von Weitem ist die blaue Lagerhalle der zu machen», ergänzt er. eine gelungene Malerarbeit oder ein schö- Mineralquelle Bad Knutwil zu sehen. Wer In Bad Knutwil werden die jungen Männer nes Möbelstück. Schöpfer sagt dazu: «Die durch den Weiler fährt, sieht Werkstätten, abgeklärt, beenden die obligatorische Jugendlichen sind sehr stolz, wenn sie ihre welche die Strasse säumen. Es fällt auf, Schulzeit oder absolvieren eine Ausbil- Arbeiten hier sehen. Das fördert die Freude dass das Logo des Jugenddorfes an vielen dung. Dabei werden sie rund um die Uhr am Beruf.» Hauswänden und Stelen angebracht ist. während 365 Tagen betreut. Um diese Selbstverständlich gibt es im Jugenddorf In der sozialpädagogisch ausgerichteten intensive Begleitung zu gewährleisten, nicht nur Erfolgsgeschichten. «Nur weil Institution leben und arbeiten 49 junge werden im Jugenddorf rund 62 Vollzeit- die jungen Männer bei uns sind, ist ihr Männer im Alter von 14 bis 25 Jahren. stellen für Fachkräfte angeboten. Rucksack mit Problemen nicht plötzlich Sie alle sind nicht freiwillig hier. «Die bei einfach weg», sagt Schöpfer dazu. Oft uns eingewiesenen Jugendlichen fallen oft Schulabschluss und Ausbildung scheitere es am ungenügenden Sozialver- mit Verhaltensauffälligkeiten, Delinquenz, Alle Programme, welche die Klienten im halten, was dann auch zu Lehrabbrüchen Suchtverhalten oder durch eine Hierarchie- Jugenddorf durchlaufen, sind an Ziele führen kann, vereinzelt sogar im letzten umkehr in der Familie auf», erklärt Oskar gebunden. Erste Priorität ist der Schul- Lehrjahr. «Das sind dann Situationen, die Schöpfer, Bereichsleiter Ausbildung, Pro- abschluss. «Ohne Abschluss ist es wirklich einen auch emotional belasten können», duktion & Dienstleistungen. So gebe es schwierig bis unmöglich, in der Arbeits- sagt Matter. etwa 14-Jährige, die ihrer Mutter eröff- welt erfolgreich Fuss zu fassen», sagt der nen, dass sie statt in die Schule zukünftig Leiter Küche Pius Matter. Einen Schritt Die Küche als Motor vermehrt in den Ausgang gehen würden weiter in Richtung Ausbildung geht es Der Koch und Ausbildner hat eine wichtige und sich generell nichts mehr sagen lies- in den Produktions- und Dienstleistungs- Aufgabe im Jugenddorf. Er ist für den 16 …………………………………………………………………………………………………………………………
………………………………………………………………………………………………………………… EINBLICK Über das Jugenddorf Das Jugenddorf Knutwil ist eine Institution, die der Abklärung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie der Durchfüh- rung von zivil- und strafrechtlichen Mass- nahmen dient. Es stehen 49 Plätze für aus- schliesslich männliche junge Erwachsene aus Deutschschweizer Kantonen zur Verfü- gung. Ab August 2021 bietet das Jugend- dorf zudem für Jugendliche das Programm «stabil» an, bei dem die psychische Stabili- sierung im Vordergrund steht. optimalen Betrieb der Küche verantwort- Vorurteile hätten sich schnell gelegt. «Die der Schweizer Tafel seien dafür eine gute lich – dem Motor des Ortes. Hier arbeiten Schweizer Tafel ist eine gute Ergänzung Übung: «Wir wissen meist nicht, was wir neben Matter zwei weitere Köche. Aktuell zum Tageseinkauf», findet Matter. bekommen, und so sind Schnelligkeit und bildet die Küche zwei Lernende aus. Dazu Kreativität gefragt. Oft erhalten wir Pro- kommen zwei bis fünf junge Männer, die Der Küchenleiter macht aktuell eine Wei- dukte, die rasch gegessen oder verarbeitet Arbeitseinsätze leisten oder Schnupper- terbildung zum Arbeitsagogen. Denn die werden müssen», sagt Matter. Aus Früch- lehren absolvieren. Situation ist anders als in anderen Ausbil- ten stellen er und sein Team etwa Konfi- Die Küche sorgt für das leibliche Wohl der dungsbetrieben. «Wenn wir gerade alle türe oder Glace her. Gemüse legen sie ein Klienten und Mitarbeitenden und bietet Hände voll zu tun haben und ein Jugend- und machen Saucen daraus. einen Mittagstisch in der hauseigenen licher taucht einfach nicht auf oder verwei- Nach der fast zehnjährigen guten Zusam- Cafeteria, zu dem auch Mitarbeitende gert die Arbeit, ist das eine Herausforde- menarbeit feiert die Schweizer Tafel ihr der umliegenden Betriebe kommen. Das rung», erklärt er. Sein Ziel ist, Vertrauen zu 20-Jahr-Jubiläum in den Räumlichkeiten dritte wichtige Standbein der Jugenddorf- den jungen Männern aufzubauen und ih- des Jugenddorfes. Das Küchenteam wird Küche ist das Catering für Firmen- und nen Verantwortung zu übertragen. «Relativ dafür einen der Veranstaltungsräume fest- Privatanlässe. Für diese verfügt das Jugend- schnell können sie etwa ein Dessert selber lich dekorieren lassen und die Gäste kuli- dorf über eine Auswahl an Veranstaltungs- machen oder ich gebe ihnen ein Muffin- narisch verwöhnen. räumen. Rezept mit, das sie auf der Wohngruppe Zum Jubiläum der Schweizer Tafel findet ausprobieren können. Solche Erfolgserleb- der Koch lobende Worte: «Ich wünsche der Zusammenarbeit mit der nisse stärken ihr Selbstwertgefühl.» Schweizer Tafel viel Durchhaltevermögen Schweizer Tafel Auch am Eingang der Küche hängt ein auch für die ganze Überzeugungsarbeit, Das Jugenddorf arbeitet seit 2012 mit «Best-of»-Plakat. Es zeigt Momente, in die sie leistet», sagt er. Und Schöpfer der Schweizer Tafel zusammen. Zweimal denen die jungen Männer in schön deko- ergänzt: «Der Foodwaste-Gedanke wird pro Woche kommt eine Tour vorbei. «Die rierten Räumen appetitliche Apéro-Platten immer wichtiger. Das ist sicher auch der Zusammenarbeit begann, weil wir etwas und Menü-Kreationen präsentieren. Pionierarbeit der Schweizer Tafel zu ver- gegen Lebensmittelverschwendung unter- danken. Ich wünsche mir, dass diese mehr nehmen wollten», erinnert sich Schöpfer, Einsatz gegen Foodwaste anerkannt wird.» der bereits seit zehn Jahren im Jugend- Matter möchte den jungen Männern im dorf arbeitet. Anfangs habe die Koopera- Jugenddorf aufzeigen, dass Lebensmittel tion Nebengeräusche ausgelöst. «Manche einen besonderen Wert haben. Regionales waren den ‹halb abgelaufenen› Lebens- Einkaufen und das Vermeiden von Food- mitteln gegenüber skeptisch.» Doch die waste sind ihm wichtig. Die Lieferungen ………………………………………………………………………………………………………………………… 17
FOODWASTE ………………………………………………………………………………………………………………… Essen gehört auf den Teller statt in den Abfall Foodwaste 2001, heute und in Zukunft: Was sind die Auswirkungen der Entscheidungen von Konsumentinnen und Konsumenten? Wie verantwortungsbewusst ist der Detailhandel? Und welche Rahmenbedingungen wurden in den letzten 20 Jahren von der Politik geschaffen, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern? Schauen wir genau hin. Wie viele Nahrungsmittel werden weggeworfen? Wie viel Foodwaste hat die Schweizer Tafel bisher Heute fallen in der Schweiz jährlich 2 800 000 Tonnen Foodwaste verhindert? an, wovon zwei Drittel zum Zeitpunkt der Entsorgung noch geniess- Seit dem Start 2001 hat die Schweizer Tafel 54 244 183 Tonnen bar wären. Der jährliche Verlust beträgt damit 330 Kilogramm Lebensmittel gesammelt und verteilt. Dies entspricht dem Gewicht pro Person. Das entspricht etwa der halben Umweltbelastung von 9041 Elefanten. des motorisierten Individualverkehrs in der Schweiz. Das ist jedoch nur ein Tropfen auf den heissen Stein, da immer mehr Lebensmittel weggeworfen werden. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2016 stieg der Anteil biologi- scher und tierischer Abfälle am gesamten Abfallaufkommen von 28 auf 33 Prozent und damit der jährliche biogene Abfall von 184 auf 236 Kilogramm pro Person. x 9041 ! Die Politik und der Detailhandel haben auf nationaler und internationaler Ebene im letzten Jahrzehnt einige Massnahmen beschlossen, um der Entwicklung entgegenzuwirken: 25. September 2015: Die Verab- schiedung der UNO-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung ist ein März 2011: Der Schweizerische Meilenstein im Kampf gegen Foodwaste. Nationalfonds lanciert im Auftrag Bis 2030 sollen die Nahrungsmittelver- 5. März 2019: Der Nationalrat des Bundesrates das nationale For- luste pro Kopf auf Detailhandels- und nimmt ein Postulat der Grünliberalen schungsprogramm «Gesunde Ernäh- Verbraucherebene halbiert und die Isabelle Chevalley an, das den rung und nachhaltige Lebensmittel- entstehenden Nahrungsmittelverluste Bundesrat mit der Ausarbeitung eines produktion». Die Forschungsarbeiten entlang der Produktions- und Liefer- Aktionsplans zur Vermeidung von beginnen im Herbst 2013. kette verringert werden. Lebensmittelabfällen beauftragt. 8. März 2013: Der Bundesrat 2018 wird die App «Too Good To verabschiedet im Rahmen des Go» in der Schweiz eingeführt; Aktionsplans «Grüne Wirtschaft» sie zählt inzwischen unter anderen Massnahmen zur Verringerung auch Coop und die Migros zu ihren von Lebensmittelabfällen. Darauf Mitstreitern. Auf diesem Weg konnten basierend sind unter anderem in Konsumentinnen und Konsumenten Zusammenarbeit mit Detailhändlern bereits über 3 Millionen Mahlzeiten erste Schritte umgesetzt worden. retten. Entwicklung heute und in Zukunft Heute bemühen sich die Detailhändler aktiv um die Vermeidung In Industrieländern sind Detailhändler inzwischen bloss noch für von Foodwaste. Dank erleichterten Schönheitsstandards für Le- 13 Prozent der Lebensmittelverschwendung verantwortlich, rund bensmittel, optimierten Verpackungen, innovativer Weiterverar- 79 Prozent fallen bei den Konsumenten zu Hause an. Im Kampf beitung und vielem mehr können die grossen Schweizer Detail- gegen Foodwaste muss also künftig vermehrt dort angesetzt händler über 99 Prozent ihrer Lebensmittel weiterverwerten. werden. (UNEP Food Waste Index Report 2021) 18 …………………………………………………………………………………………………………………………
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