Zielmarktanalyse Japan - Kernkraftwerk Rückbau und Modernisierung - iXPOS

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Zielmarktanalyse Japan
     Kernkraftwerk Rückbau und Modernisierung

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                                                Durchführer
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Text und Redaktion
Nicole Maria Plewnia
AHK Japan,
Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan

Gestaltung und Produktion
AHK Japan,
Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan

Stand
Juni 2016

Bildnachweis
Einzelner Bildnachweis

Die Studie wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms für das Projekt "KKW Rückbau
und Modernisierung in Japan" erstellt und aufgrund eines
Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

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Inhaltsverzeichnis
1. Executive Summary ..............................................................................................................................................................................4
2. Japan im Überblick ...............................................................................................................................................................................5
    2.1 Politischer Hintergrund ..................................................................................................................................................................5
    2.2 Wirtschaft, Struktur und Entwicklung ...........................................................................................................................................6
    2.3 Internationale Beziehungen ............................................................................................................................................................7
    2.4 Investitionsklima und Förderung ...................................................................................................................................................7
3. Zielmarkt Kernkraftwerkrückbau .........................................................................................................................................................9
    3.1 Einführung .....................................................................................................................................................................................9
    3.2 Entwicklung der Kernenergie in Japan ........................................................................................................................................10
    3.3 Der Rückbauprozess ....................................................................................................................................................................14
    3.4 Aktuelle Rückbauprojekte ............................................................................................................................................................15
        3.4.1 Kernkraftwerk Tokai-1 .........................................................................................................................................................16
        3.4.2 Kernkraftwerk Hamaoka-1 & 2 ............................................................................................................................................18
        3.4.3 Kernkraftwerk und Rückbau Forschungscenter Fugen .........................................................................................................19
        3.4.4 Kernkraftwerk Tsuruga-1 .....................................................................................................................................................20
        3.4.5 Kernkraftwerk Mihama-1 & 2 ..............................................................................................................................................21
        3.4.6 Kernkraftwerk Shimane-1 ....................................................................................................................................................21
        3.4.7 Kernkraftwerk Genkai-1 .......................................................................................................................................................22
        3.4.8 Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi .......................................................................................................................................22
        3.4.8.1 Jüngsten Entwicklungen & Fortschritte .............................................................................................................................26
    3.5 Eigenschaften des Marktes ...........................................................................................................................................................26
    3.6 Marktpotenzial spezieller Technologie ........................................................................................................................................28
        3.6.1 Messsysteme .........................................................................................................................................................................28
        3.6.2 Dekontaminierung ................................................................................................................................................................29
        3.6.3 Bergung der Brennelemente .................................................................................................................................................29
        3.6.4 Zerlegeverfahren ..................................................................................................................................................................30
        3.6.5 Entsorgung ...........................................................................................................................................................................31
        3.6.6 Beratende Tätigkeiten ...........................................................................................................................................................31
        3.6.7 Forschungs- und Entwicklungsbedarf ..................................................................................................................................32
        3.6.8 IT-Technologie und Wissenstransfer ....................................................................................................................................32
    3.7 Spezialfall Fukushima Daiichi-1 ..................................................................................................................................................32
4. Regulierungen.....................................................................................................................................................................................35
    4.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen ................................................................................................................................................35
    4.2 Änderungen nach Fukushima .......................................................................................................................................................35
    4.3 Neue Sicherheitsstandards und Regulierungen ............................................................................................................................35
    4.4 Freigabe des Rückbauprozesses ...................................................................................................................................................37
    4.5 Regulierungen beim Abfallmanagement ......................................................................................................................................37
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5. Institutionen ........................................................................................................................................................................................41
    5.1 Staatliche Organisationen ............................................................................................................................................................41
    5.2 Regulierungsbehörden .................................................................................................................................................................41
    5.3 Forschungsinstitute ......................................................................................................................................................................42
    5.4 Betreiber und Auftragnehmer ......................................................................................................................................................43
6. Abschließende Gedanken ...................................................................................................................................................................45
7. Unternehmensprofile ..........................................................................................................................................................................47
    7.1 Energieversorger ..........................................................................................................................................................................47
    7.2 Japanische Unternehmen ..............................................................................................................................................................49
    7.3 Weitere Organisationen................................................................................................................................................................50
    7.4 Standortagenturen und Beauftragte für Auslandsinvestitionen ....................................................................................................51
Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................................................................................................53
Tabellenverzeichnis ................................................................................................................................................................................53
Quellenverzeichnis .................................................................................................................................................................................54
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1. Executive Summary
Bis zur Dreifachkatastrophe im März 2011 galt die Nuklearenergie als wichtiger Pfeiler für den stabilen, erschwinglichen und
insbesondere unabhängigen Energiemix im rohstoffarmen Japan. Um die Unabhängigkeit von Energieimporten noch weiter zu
forcieren, sollte der Anteil der Nuklearenergie auf 60 Prozent und die Kapazität auf rund 90 GWe bis zum Jahr 2050 sogar verdoppelt
werden. Mit insgesamt nur drei kommerziellen Kernreaktoren und einem Forschungsreaktor im Rückbau, konnte bis dato von keinem
eigenen Markt gesprochen werden. Erst mit dem Reaktorunfall am 11. März 2011 im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi und dem
Meinungsumschwung in der Gesellschaft und in der Politik, ergaben sich grundlegende Änderungen im nuklearen Rückbausektor, die
neue Potenziale auf dem noch relativ jungen Markt eröffnen.

Insbesondere deutsche Unternehmen konnten sich in den letzten Jahren im Zuge der Energiewende und des Beschlusses des
Atomausstiegs Know-how und weiteres Fachwissen im Bereich des Kernkraftwerkrückbaus aneignen. Obwohl deutsche Unternehmen
mit einigen Referenzprojekten und fortgeschrittener Technologie einen deutlichen Know-how Vorsprung aufweisen, ist der Eintritt in
den japanischen Markt mit Hemmnissen verbunden. Das liegt insbesondere an den festen Strukturen, die sich trotz der jungen
Geschichte des Rückbaumarktes etabliert haben. Der Markt gilt als relativ geschlossen und wird von großen japanischen Industrie- und
Bauunternehmen dominiert, die einen starken Einfluss auf die gesamte Branche ausüben können. Für die Vergabe von Aufträgen spielen
insbesondere in der Nuklearindustrie persönliche Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen eine enorm große Rolle. Die genannten
Eigenschaften sowie eine hohe Reputation haben insbesondere Großunternehmen inne, während für viele Klein- und Mittelständler
gilt, dass diese zunächst aufgebaut werden müssen. Die japanische Industrie vertraut zudem sehr stark in ihre eigene Leistungsfähigkeit.
Komplettlösungen sowie elementare Technologien werden daher weniger aus dem Ausland nachgefragt. Gesucht werden aber
hochspezialisierte Komponenten und Produkte, die verstärkt auch im havarierten Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi zum Einsatz
kommen können.

Obwohl das einschneidende Ereignis bereits mehr als fünf Jahre zurückliegt, sind noch immer nicht alle Fragen bezüglich des Rückbaus
in Fukushima geklärt. Die bereits beschlossenen Rückbauprojekte sowie die neu eingeführten Sicherheitsstandards lassen darauf
schließen, dass der gesamte Rückbaumarkt in Zukunft in Japan noch weiterwachsen wird und neuer technischer und technologischer
Lösungen bedürfen. Viele weitere Rückbauprojekte wurden bisher noch nicht endgültig entschieden und sind abhängig von den
Ergebnissen der aktuell laufenden Sicherheitsinspektionen durch die oberste Aufsichtsbehörde. Zwischen dem Beschluss eines
Projektes und der tatsächlichen Umsetzung können einige Jahre vergehen. Für deutsche Unternehmen, die noch nicht im Markt aktiv
sind, bedeutet das, dass sich ein günstiger Zeitpunkt ergibt, um in den Markt einzusteigen und die wichtigen Beziehungen zu den
einflussreichen Multiplikatoren der Branche aufzubauen. Über Kooperationen und Joint-Ventures mit japanischen Kooperationen
können die Chancen für eine Auftragsvergabe deutlich verbessert werden.

Auch wenn aktuelle Beobachtungen zeigen, dass sich die Struktur des japanischen Marktes in naher Zukunft nicht stark verändern
wird, so zeigen bereits laufende Kooperationen zwischen japanischen und ausländischen Unternehmen, dass dennoch ein Interesse an
einem Know-how Transfer in bestimmten Bereichen besteht, insbesondere, wenn dadurch die Kosten- und Zeiteffizienz verbessert
werden kann. Schon heute wird deutlich, dass viele Probleme in die Zukunft vertagt werden, weil aktuell vielversprechende
Lösungsansätze fehlen. Schon heute ist außerdem klar, dass in den kommenden 15 Jahren viele Experten und Fachleute aus der
Nuklearindustrie ihr Pensionierungsalter erreichen werden. Dadurch besteht die Gefahr von Know-how Verlust. Hierdurch zeigt sich,
dass auch ein hoher Bedarf an Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie an beratenden Tätigkeiten besteht, um den hohen
Standard in der Kerntechnik nachhaltig zu gewährleisten. Um dem Verlust an Know-how schon heute präventiv entgegenzuwirken,
werden neue Technologien speziell im Bereich der Kommunikation und IT notwendig, um einen Zugriff auf alle relevanten Daten und
Informationen zu ermöglichen.

Der Bedarf an zusätzlichen Technologien, Produkten und Dienstleistungen scheint, wenn nicht auch in allen Bereichen, gegeben zu
sein. Insbesondere deutschen Unternehmen und ihren Technologien wird ein hoher Qualitätsstandard und Zuverlässigkeit
zugeschrieben, die auf diesem Markt von enormer Wichtigkeit sind. Ebenso kann von dem guten Ruf der Marke „Made in Germany“
profitiert werden. Einige wenige Unternehmen sind bereits in Rückbauaktivitäten involviert, stehen aber starken Wettbewerbern aus
Frankreich und den USA gegenüber.
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2. Japan im Überblick
Tabelle 1: Japan – allgemeine Informationen1

Hauptstadt                                   Tokyo
Fläche                                       377.915 qkm
Einwohner                                    126,9 Millionen
Bevölkerungsdichte                           335,8 Einwohner / qkm
Bevölkerungswachstum                         - 0,2 %
Fertilitätsrate                              1,4 Geburten pro Frau
Geburtenrate                                 7,9 Geburten / 1.000 Einwohner
Altersstruktur                               0-14 Jahre: 13,11%; 15-24 Jahre: 9,68%; 25-54 Jahre: 37,87%, 55-64 Jahre: 12,76%, 65+
                                             Jahre: 26,59%
Hochschulabsolventen                         977.214 Abschlüsse insgesamt (2013)
Geschäftssprache(n)                          Japanisch, (Englisch)
Mitglied in internationalen       ADB, ASEAN, ASEAN+3, APEC, G-20, G-5, G-7, G-8, G-10, IFC, IFRCS, OECD, UN,
Wirtschaftszusammenschlüsse und - UNCTAD, Weltbankgruppe, WTO,
abkommen                          Abkommen der EG und Japan über die Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen
                                  Verhaltensweisen (vom 10.7.03; in Kraft seit 9.8.03), Abkommen zwischen der EU und Japan
                                  über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich (vom 30.1.08; in Kraft seit
                                  1.2.08), zu bilateralen Abkommen siehe www.wto.org --> Trade Topics, Regional Trade
                                  Agreements, RTA Database, By Country
Währung (Kurs)                               Japanische Yen, JPY (1 Euro = 129,2 JPY ; 1US$ = 122,1 JPY)
BIP (nom.)                                   506.213 Mrd. Yen (2016 Schätzung)
BIP je Einwohner (nom.)                      3.998.684 Yen (2016 Schätzung)
Inflationsrate                               0,2 (2016, Schätzung)

2.1 Politischer Hintergrund

Mit Inkrafttreten der Verfassung am 3. Mai 1947 ist Japan eine zentralistisch organisierte, parlamentarische Monarchie. Der japanische
Kaiser (Tenno) repräsentiert zwar als Monarch das japanische Volk im In- und Ausland, ist aber lediglich als Symbol für Japan ohne
jegliche politische Kompetenz oder Einfluss in der Verfassung verankert. Die Souveränität liegt im japanischen Volk begründet. Die
Legislative besteht, ähnlich wie das britische Modell, aus Zweikammerparlament mit Ober- und Unterhaus. Die stärkste Partei des
Unterhauses stellt durch Wahl das Kabinett und den Premierminister. Diese bilden die exekutive Gewalt. An der Spitze der Judikative
steht der Oberste Gerichtshof. Seit 2012 stellt die Liberaldemokratische Partei (LDP), nach einer kurzen Unterbrechung von drei
Jahren, wieder die Regierung. Der amtierende Ministerpräsident ist Shinzo Abe, der das Amt zum zweiten Mal bekleidet. Auch davor
wurde die japanische Politik mit kurzen Unterbrechungen fast durchgehend durch die LDP geprägt, die 50 Jahre lang den
Ministerpräsidenten gestellt hatte.

Die japanische Politik ist stark vom Einfluss durch die Bürokratie geprägt. Zusammen mit der engen Verbindung zur Wirtschaft bildeten
Politik und Bürokratie bis 2001 die drei Seiten des sogenannten „Eisernen Dreiecks“, welches durch sein enges und nach außen hin
geschlossenes Netzwerk bis zum Anfang der 2000er und teilweise bis heute die japanische Politik und Wirtschaft entscheidend geformt
hat. Maßnahmen, diese zu zerschlagen, scheiterten lange an den eingefahrenen politischen Strukturen, welche durch die Jahrzehnte
dauernde Dominanz der LDP erstarrt waren. Eine Wende läutete erst 2001 die Umstrukturierung des Finanzministeriums (MOF) und
des Ministeriums für Internationalen Handel und Industrie (MITI) zum heutigen Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie
(METI) ein. Unter der weiterhin starken Verflechtung von Politik und Administration leidet die politische Handlungsfähigkeit und
Reformen werden oft nur eingeschränkt vorangetrieben. Die Durchsetzung von Reformen wird seit der Nachkriegszeit durch die kurzen

1
    GTAI - Wirtschaftsdaten kompakt, Japan
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Amtszeiten der japanischen Ministerpräsidenten erschwert. Die letzten großen Reformen setzte der Ausnahmepremierminister
Junichiro Koizumi in seiner fünfjährigen Amtszeit von 2001 bis 2006 durch, zu dessen politischen Erfolgen die Privatisierung der
japanischen Post, die Umstrukturierung des Bankenwesens und die Rentenreform gehören. Seit sein politischer Ziehsohn Shinzo Abe
wieder an die Macht gekommen ist, sind sich viele Experten einig, dass Japan das erste Mal seit langer Zeit wieder eine stabile
Regierung hat.

2.2 Wirtschaft, Struktur und Entwicklung

Die Ressourcenarmut Japans führt zum einen zu einer starken Abhängigkeit der japanischen Wirtschaft von Importen, zum anderen ist
sie aber auch Motor für Innovationen und die Entwicklung neuer Technologien. Die japanische Wirtschaftslandschaft ist geprägt von
einem ungleichen Dualismus zwischen Unternehmensnetzwerken, den sogenannten Keiretsu, die meist auch international tätig sind,
und kleinen und mittleren Unternehmen, welche vor allem als Zulieferer dienen. 2015 wurden rund 98% aller japanischen Unternehmen
zum Mittelstand gezählt. Aufgrund des Drucks durch die Finanzkrisen der vergangenen Jahre sehen sich die oft stark vernetzten und
gegen ausländischen Einfluss abgeschotteten Keiretsu gezwungen, Umstrukturierungen durchzuführen und sich dem Ausland weiter
zu öffnen.

Japan hat die höchste Staatsverschuldung aller Industrieländer. Diese ist im Jahr 2014 als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie
dem Wiederaufbau der betroffenen Region nach dem Erdbeben vom 11. März 2011 auf über 227% des Bruttoinlandsproduktes
gestiegen. Der größte Gläubiger des japanischen Staates sind allerdings dessen Bürger selbst, was lange Zeit durch die staatliche
Führung der Japan Post bis 2001 zurückzuführen war. Damit hatte die japanische Regierung über fast fünf Jahrzehnte Zugriff auf
japanische Haushaltssparguthaben in Höhe von bis zu 224 Billionen Yen (ca. 1,7 Billionen Euro) und weiteren 126 Billionen Yen (ca.
950 Mrd. Euro) in Form von Lebensversicherungen. Auch nach der Privatisierung der Japan Post ist das japanische Finanzministerium
weiterhin der größte Aktionär der heutigen Japan Post Holdings Company.2 Hinzu kommt eine hohe Unternehmensbesteuerung und
geringe Produktivität im Dienstleistungssektor.

Trotzdem setzt Japan unverändert und weltweit Maßstäbe für Zukunftsmärkte. Innovationsfähigkeit, Kaufkraft und die Stärke der
japanischen Industrie gewährleisten, dass das Land weiterhin eine globale Spitzenposition einnimmt. So gehört Japan zu den führenden
Ländern mit einer hohen Innovationskraft in wichtigen Zukunftssektoren wie z. B. der Robotik, der Automobilindustrie, der
Medizintechnik und im Bereich Elektromobilität. Nach deutschem und amerikanischem Vorbild, steigt auch in Japan das Interesse an
neuen Kommunikations- und IT-Technologien, konkret Industrie 4.0 und IoT.3 Die sogenannten ICI (Industrial Value Chain Initiative)
ist stellt dabei die japanische Antwort auf deutsche und amerikanische Industrie 4.0-Cluster dar, mit der die japanische Regierung den
Fokus von der Industrie auf die Gesellschaft im Allgemeinen lenken will und ihr Zukunftsmodell der Society 5.0 propagiert. 4

Gleichwohl befindet sich Japan in einer angespannten wirtschaftlichen Lage. Nachdem das Land seit der Jahrtausendwende wieder ein
leichtes, aber stabiles Wirtschaftswachstum erreichte, schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach dem Ausbruch der Weltfinanzkrise
dramatisch. Das Fiskaljahr 2010 brachte zwar Linderung, doch trug die Wirtschaft Japans durch das Dreifachdesaster
Erdbeben/Tsunami/Nuklearkatastrophe im Frühjahr 2011 erneut schwere Schäden davon. Infolge dessen schrumpfte die japanische
Wirtschaft im Fiskaljahr 2011 leicht. Unter anderem durch Investitionen in den Wiederaufbau konnte die japanische Wirtschaft 2012
zwar wieder wachsen, allerdings blieb der Zuwachs hinter den Voraussagen von Beobachtern zurück.

Die aktuelle Wirtschaftspolitik, die 2012 unter dem Namen „Abenomics“ eingeführt wurde, führte zwar zu Rekordgewinnen bei Japans
exportierenden Großunternehmen, allerdings profitierten die japanischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die 98% der
Unternehmenslandschaft im Land ausmachen, davon nur gering. Viele Japanische KMU sind traditionell durch das vorher
angesprochene Keiretsu-System von Großunternehmen abhängig und mussten sich in der Vergangenheit nicht um eine
Globalisierungsstrategie kümmern, da diese nur für Großunternehmen relevant war. Dringend benötigte strukturelle Reformen, wie
eine Lockerung des Kündigungsschutzes oder die Frauenförderung, die ursprünglich angekündigt waren, lassen bis heute auf sich
warten. Auf der anderen Seite ist die Regierung aber deutlich bemüht, den japanischen Arbeitsmarkt zu reformieren. Beispielsweise
wurde eine White-Collar Exemption für Arbeitnehmer mit einem Gehalt von mehr als 10,75 Millionen Yen eingeführt. Dies bedeutet,
dass Angestellte, die diese Gehaltsgrenze erreicht haben, nicht mehr nach Arbeitszeit, sondern nach Leistung bezahlt werden sollen.
Eine große Herausforderung für die Wirtschaft, aber auch die Politik im Land wird der Demografische Wandel darstellen. Die stark

2
  Japan Post Holdings Company, Company Information
3
  Internet of Things
4
  Industrial Value Chain Initiative IVI
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abnehmende Geburtenrate mit nur 1,4 Kindern pro Frau und der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter führt zu einer
drastischen Überalterung der japanischen Gesellschaft. Schon jetzt haben fast 40 Prozent der Gesellschaft ein Lebensalter von über 55
Jahren erreicht.

2.3 Internationale Beziehungen

Japan ist, wie Deutschland, von einer stark exportorientierten Wirtschaft geprägt. Da der Binnenmarkt aufgrund der Überalterung und
Schrumpfung der Gesellschaft stagniert, wurde ein unzureichendes Wachstum nach der Immobilienkrise im Jahr 1989 über einen
Zuwachs in der Ausfuhrleistung ausgeglichen. Allerdings wurde die japanische Wirtschaft im Jahr 2011 nicht nur von der Dreifach-
Katastrophe, sondern auch von einem starken Yen unter Druck gesetzt, sodass das Land sein erstes Handelsdefizit seit 1980 verzeichnen
musste. Dieser Trend setzte sich auch in den folgenden Jahren weiter fort und letztendlich gab die Regierung bekannt, dass das
Handelsdefizit des Jahres 2013 mehr als 14 Billionen Yen (134 Milliarden Euro) betrug. Im Folgejahr ging das Handelsdefizit zwar
zurück, betrug aber immer noch rund 9 Billionen Yen (67 Milliarden Euro).

In den vergangenen Jahren hat sich die Volksrepublik (VR) China zu Japans wichtigstem Außenhandelspartner entwickelt. Dabei spielt
China nicht nur eine wichtige Rolle als Lieferant, sondern zunehmend auch als Absatzmarkt für japanische Produkte. Traditionell starke
Handelspartner sind zudem die USA, Australien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als Rohstofflieferanten. Um
die Handelsbeziehungen mit den EU-Staaten zu vertiefen, wird seit 2013 ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen der EU und
Japan verhandelt. Dadurch sollen vor allem auf japanischer Seite nicht-tarifäre Handelshemmnisse im Automobilmarkt abgebaut
werden. Die EU strebt das Jahr 2016 für den Abschluss der Verhandlungen an. Die USA schaffte es im Oktober 2015 nach fünfeinhalb
Jahren Japan und andere wichtige Pazifikanrainerstaaten für ihr Freihandelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) zu gewinnen,
welches im Februar dieses Jahres in Neuseeland von allen Vertragspartnern unterschrieben wurde. Das TTP soll als Gegengewicht zur
aufstrebenden chinesischen Wirtschaft dienen. Auch hierin spielt die Reduktion von Handelshemmnissen in der Automobilbranche
eine Schlüsselrolle.

Im Jahr 2014 wurden Güter im Wert von 83,8 Billionen Yen (618 Milliarden Euro) eingeführt, ein Anstieg von fast 19% im Vergleich
zu 2012. Dies ist hauptsächlich auf die erhöhten Importe von Erdöl und Erdgas zurückzuführen. Die Ausfuhren nahmen im gleichen
Zeitraum ebenfalls um fast 15% zu und hatten einen Wert von 74 Billionen Yen (551 Milliarden Euro). Die Zunahme bei den Ausfuhren
ist auf die Wechselkursentwicklung zurückzuführen. Deutschland ist innerhalb Europas der wichtigste Handelspartner Japans. So
betrug das Handelsvolumen 2015 20,2 Milliarden Euro (2,4 Billionen Yen). Umgekehrt war Japan bis 2002 der wichtigste asiatische
Markt für deutsche Unternehmen. Top drei der deutschen Exporte nach Japan sind aus der Automobilindustrie, mit 29,2 % in der
Kategorie Kraftfahrzeuge und –teile, 24,4% aus der chemischen Industrie sowie 13,6% aus der Maschinenbauindustrie. Heute rangiert
Japan allerdings an zweiter Stelle hinter der VR China.

Genaue Zahlen in Bezug auf Nuklearindustrie und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Japan gibt es bisher noch
keine statistischen Erhebungen. Im Gegensatz zu Frankreich und den USA lässt sich aber sagen, dass bisherige Kooperationen auf
politischer, Wirtschaftliche und wissenschaftlicher Ebene noch nicht ausgereift sind. Im Rahmen des Umweltministertreffens der G7
im Mai 2016, besuchte Bundesumweltministerin Hendricks das Kernkraftwerk in Fukushima und betonte Deutschlands Ambitionen,
Rückbau Technologien in Zukunft verstärkt zu exportieren und forderte zur internationalen Zusammenarbeit auf.5 Zu den wichtigen
Exportgütern von Deutschland nach Japan gehören Maschinen (13,6%), Mess- und Regeltechnik (7,7%) und Elektrotechnik (6,6%),
die auch Anwendung in der Nuklearbranche finden können.6 Zurzeit sind zwar nur wenige deutsche Unternehmen auf dem japanischen
Markt aktiv, aber vergangene Symposien zwischen deutschen und japanischen Experten zeigen durchaus gegenseitiges Interesse an
Kooperationen auf wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene.7

2.4 Investitionsklima und Förderung

Die Bank of Japan veröffentlicht quartalsweise ihren Tankan-Index, der die Stimmung der japanischen Wirtschaft widerspiegelt. Das
Investitionsklima im ersten Quartal 2016 ist im Vergleich zum vorherigen Quartal leicht zurückgegangen, aber weiterhin optimistisch.

5
  Japantimes, Mai 2016
6
  AHK Japan, Geschäftsklimaumfrage „German Business in Japan 2016“, Mai 2016
7
  DWIH, Das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo
8       ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG

Große, exportierende Unternehmen profitierten von der Wechselkursentwicklung des Yen, während KMU in der herstellenden Industrie
sowie dem Dienstleistungssektor ein leichtes Plus im Binnenkonsum von 4 Prozent gegenüber dem 1. Quartal 2015 zugutekam.
Allerdings ist die Unsicherheit bzgl. der sich verlangsamenden wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und im Hinblick auf die
Entwicklung des chinesischen Aktienindexes ein Grund zur Sorge. Die Aufträge im Maschinenbau von April bis Juni 2015 nahmen zu
und der Ausblick auf das weitere Jahr ist ebenfalls positiv. Der Dienstleistungssektor konnte sich von einem starken Rückgang im
letzten Jahr erholen und es wird erwartet, dass sich dieser Trend bis in den November fortsetzt. Für das Geschäftsjahr 2015 (01. April
bis 31. März) wird ein Zuwachs der Kapitalinvestitionen um 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr erwartet.8

Die versprochenen positiven Effekte von „Abenomics“ machen sich hauptsächlich bei großen, exportierenden Unternehmen
bemerkbar. Japanische KMU leiden aber weiterhin unter der Entwicklung des Yen, der auch nicht durch einen höheren Binnenkonsum
auszugleichen ist. Auch fast die Hälfte der deutschen Unternehmen in Japan, die bei der Geschäftsklimaumfrage 2016 der AHK Japan
teilnahmen9, antworteten, dass sie keine nennenswerten Auswirkungen der „Abenomics“ spüren. Dennoch rechnen 70 Prozent mit einer
Verbesserung ihrer Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten. Insgesamt ist das Geschäftsklima unter deutschen Firmen in Japan
wider aller Schwarzmalerei sehr positiv. So erzielen 89 Prozent aller Befragten Gewinne vor Steuern, bei 37 Prozent sind es sechs
Prozent und mehr. Auch betrachtet der Großteil deutscher Unternehmen ihre eigenen Erfolgsaussichten als relativ unabhängig von der
Konjunkturentwicklung Japans. Als nennenswerte Vorteile ihre Geschäfte in Japan wurden von den befragten Unternehmen mit
deutlicher Mehrheit Stabilität und Zuverlässigkeit von Geschäftsbeziehungen, hochqualifizierte Arbeitnehmer, Stabilität der Wirtschaft
sowie die hoch entwickelte Infrastruktur angebracht. Große Herausforderungen stellen hingegen die Anwerbung qualifizierter
Arbeitskräfte, das schwereinschätzbare Wechselkursrisiko, hohe Lohnkosten und das dauerhafte Binden der Arbeitnehmer an den
eigenen Betrieb dar. Gründe, warum das eigene Unternehmen in Japan präsent ist, sind das große Absatzpotential des heimischen
Marktes mit 91 Prozent, das große Potential für Geschäfte mit japanischen Kunden mit 53 Prozent weltweit und die Beobachtung
japanischer Wettbewerber mit 41 Prozent. Alles in Allem spiegelt die Geschäftsklimaumfrage ein überraschend positives Bild der
deutschen Geschäfte in Japan.

8
    Bank of Japan, Tankan-Index
9
    AHK Japan, Geschäftsklimaumfrage „German Business in Japan 2016“, Mai 2016
ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG          9

3. Zielmarkt Kernkraftwerkrückbau
3.1 Einführung

Noch im Jahr 2010 wurden knapp 20 Prozent des Strombedarfs in Japan durch nukleare Energie gedeckt. Dieser Anteil sollte sich bis
zum Jahr 2030 noch weiter auf 50 Prozent erhöhen. Japan lag mit 54 sich im Einsatz befindenden Kernreaktoren und einer Leistung
von insgesamt 288 Terrawattstunden im internationalen Vergleich auf Platz drei der „Atom-Nationen“ weltweit hinter den USA und
Frankreich. Durch die Dreifachkatastrophe – Erdbeben, Tsunami und Reaktorunfall - am 11. März 2011 wurde der japanische Inselstaat
jedoch gezwungen, seine Energiepolitik und insbesondere seinen Umgang mit nuklearer Energie grundlegend zu überdenken.

Aufgrund des öffentlichen Drucks und der allgemeinen Befürwortung des Kernkraftausstiegs durch die japanische Bevölkerung
verkündete die damalige Regierung unter Yoshihiko Noda, DPJ (Demokratische Partei Japan) im September 2012 die
Umstrukturierung des Energiesektors und den atomaren Ausstieg bis zum Jahr 2040. Ein entsprechender Strategieentwurf, faktisch ein
Neubaustopp für Kraftwerke, wurde aber durch das Kabinett unter hohem Druck der Wirtschaftslobby verworfen. Die sogenannte
Keidanren10 (Japanese Business Federation) argumentierte, dass ein Atomausstieg die inländischen Strompreise in die Höhe treiben
und die zusätzlich notwendigen Energieimporte, bestehend aus Öl, Kohle und Gas die Handelsbilanz weiter negativ beeinflussen würde.
Trotz des Gegenwinds wurden bis zum Herbst 2013 schrittweise alle Kernreaktoren aufgrund von Wartungsarbeiten vom Netz
genommen.

Mit dem Regierungswechsel im Dezember 2012 und der Machterlangung durch die LDP (Liberaldemokratische Partei) unter
Premierminister Shinzo Abe wurde aber - trotz des anfangs großen öffentlichen wie auch politischen Widerstands – endgültig von den
Atomausstiegsplänen der früheren Regierung abgerückt. Dies verdeutlichte auch der 2013 durch das METI (Ministry of Economy,
Trade and Industry) veröffentlichte vierte „Basic Energy Plan“. Dieser stellt Nuklearenergie als wichtigen Pfeiler für den stabilen,
unabhängigen und erschwinglichen japanischen Energiemix dar11.

Obwohl mit dieser politischen Entscheidung die Richtung für die Zukunft der Kernenergie grob vorgegeben wurde, soll die
Abhängigkeit von nuklearer Energie langfristig verringert und gleichzeitig die Sicherheit des Reaktorbetriebs erhöht werden. Dies liegt
seit 2012 in der Verantwortung der obersten Aufsichtsbehörde NRA (Nuclear Regulation Authority), die ein Jahr nach ihrer Gründung
neue, strengere Sicherheitsstandards und Richtlinien formulierte und nun für deren Einhaltung und Überprüfung verantwortlich ist.
Ferner gilt allgemein eine Altersgrenze von 40 Jahren für alle Kernreaktoren, die unter besonderen Auflagen einmalig um nicht mehr
als 20 Jahre verlängert werden kann. Für den Großteil der älteren Kraftwerke sowie für Reaktoren mit relativ geringen Kapazitäten ist
der mit den neuen Sicherheitsstandards verbundene finanzielle Aufwand aber nicht wirtschaftlich. Aus diesem Grund bleibt für viele
Betreiber von Reaktoren, die kurz vor Erreichen der Altersgrenze stehen und eine geringe Kapazität aufweisen eine Stilllegung die
einzige Alternative.

Aktuell befinden sich bereits zehn Kernreaktoren (Tokai-1, Hamaoka-1 & 2, Fugen, Fukushima-1 bis 6) im Rückbauprozess. Fünf
weitere Reaktoren (Tsuruga-1, Mihama-1 & 2, Shimane-1, Genkai-1) werden zurzeit für den Rückbau vorbereitet, nachdem ihre
Stilllegung entschieden und sie bereits Anfangs 2015 vom Netz genommen worden sind. Anfang des Jahres – am 25. März 2016 –
wurde die Stilllegung eines weiteren Kernreaktors entschieden. Der in Shikoku liegende Druckwasserreaktor (DWR) Ikata-1 soll ab
2016 offiziell in Rückbauphase treten. Das durchschnittliche Alter der betriebsfähigen 45 Kernreaktoren in Japan liegt bei 26,8 Jahren.
Bei der aktuell beschlossenen Altersgrenze müssen in den nächsten 15 Jahren rund 60 Prozent der noch nicht stillgelegten Meiler
endgültig vom Netz genommen werden.

Eine besondere Rolle nimmt das 2011 havarierte Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi ein, dessen mittel- und langfristiger
Stilllegungsplan letztes Jahr aufgrund unrealistischer Annahmen von dem Stromversorger TEPCO (Tokyo Electric Power Company)
und der Regierung überarbeitet werden musste. Noch immer dringt vermehrt Grundwasser in das Reaktorgehäuse ein und wird dadurch
radioaktiv belastet. Im Februar dieses Jahres wurde nun eine Anlage fertiggestellt, die eine unterirdische Eisbarriere schaffen und auf
diese Weise das Einfließen von Wasser und dessen Kontaminierung verhindern soll. Aufgrund der hohen Kosten und dem nicht

10
     Die Keidanren ist mit 1.329 Mitgliedsunternehmen der wichtigste japanische Wirtschaftsverband (Stand 2015)
11
     METI, Strategic Energy Plan, April 2014
10      ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG

absehbaren Erfolg der Maßnahme, wurden bereits im Vorfeld kritische Stimmen laut. Dies zeigt auch, dass selbst fünf Jahre nach dem
Reaktorunfall noch viele technische Fragen offen sind und es der Entwicklung neuer Methoden mit einem besonderen Augenmerk auf
Sicherheitsaspekte bedarf.

Die veränderten Bedingungen auf dem japanischen Energiemarkt und die Folgen für die Kernenergie steigern das internationale
Kooperationsinteresse und eröffnen neue Geschäftsmöglichkeiten im Bereich des Rückbaus und der Modernisierung. Seit dem
Beschluss der Energiewende und dem damit verbundenen Kernkraftausstieg bis zum Jahr 2022 werden aktuelle Entwicklungen in
Deutschland auf diesem Gebiet mit großem Interesse von japanischen Experten und Unternehmen verfolgt. Für deutsche Unternehmen
bietet dies große Potenziale, ihr bereits vorhandenes Know-how und ihre technischen Problemlösungen in Japan gewinnbringend
einzusetzen. Zusätzlich wird die Marke „Made in Germany“ in Japan hochgeschätzt und mit Qualität und Zuverlässigkeit assoziiert.

3.2 Entwicklung der Kernenergie in Japan

Japan begann sein nukleares Forschungsprogramm im Jahr 1954 mit einem Budget von rund 230 Millionen Yen. Im Atomic Energy
Basic Law, das ein Jahr darauf, im Jahr 1955, verabschiedet wurde, wird der friedliche Gebrauch der nuklearen Technologie strikt
vorgeschrieben. Zusätzlich umfasst das Gesetz drei Prinzipien, namentlich demokratische Methoden, ein unabhängiges Management
und Transparenz, die das Fundament für die nukleare Forschung sowie die internationale Zusammenarbeit schaffen. Mit der Aufnahme
ihrer Arbeit 1956, förderte die AEC (Atomic Energy Commission) die Entwicklung der Kernkraft und ihren Nutzen. Weitere mit
nuklearer Technologie in Verbindung stehende Organisationen wurden im selben Jahr gegründet. Darunter die NSC (Nuclear Safety
Commission), JST (Japan Science & Technology Agency); JAERI (Japan Atomic Energy Research Institute) sowie die Atomic Fuel
Corporation, die 1967 in PNC (Power Reactor and Nuclear Fuel Development Corporation) umbenannt wurde.

Der erste Reaktor in Japan mit dem Strom erzeugt wurde, war der Prototyp eines Siedewasserreaktors (SWR), der sogenannte Japan
Power Demonstration Reactor (JPDR), welcher sich von 1963 bis 1976 im Einsatz befand und wichtige Informationen für die spätere
Einführung von kommerziellen Reaktoren lieferte. Nach Ende seiner Betriebszeit diente dieser als Testobjekt für den Rückbauprozess.
Der erste kommerziell genutzte Kernkraftreaktor (Tokai-1), ein 160 MWe Magnox-Reaktor12, wurde aus Großbritannien importiert.
Seine Laufzeit begann im Juli 1966 und endete im März 1998.

In der Folgezeit wurden nur noch Leichtwasserreaktoren (LWR), Siedewasserreaktoren (SWR) und Druckwasserreaktoren (DWR)
gebaut. Im Jahr 1970 wurden drei dieser Typen vollendet und in Betrieb genommen. Später wurden Konstruktionsdesigns von US-
amerikanischen Anbietern angekauft, die dann von japanischen Unternehmen, Hitachi Co Ltd, Toshiba Co Ltd. und Mitsubishi Heavy
Industries Co. Ltd. gebaut wurden. Diese drei Unternehmen erhielten ebenfalls die Lizenz, die Konstruktionsdesigns für zukünftige
Projekte zu nutzen. Sie konnten ihre Kapazitäten in den Folgejahren weiterentwickeln und eigneten sich das Know-how an, eigene
Leichtwasserreaktoren (LWR) zu konstruieren. Bis zum Ende der 70er Jahre konnte die japanische Industrie größtenteils ihre eigene
Kernenergie produzieren und diese an andere ostasiatische Staaten exportieren. Japan war zudem maßgeblich an der Entwicklung neuer
Reaktoren, die in Europa eingesetzt wurden, beteiligt.

Aufgrund der geringen Ausfallsicherheit, langer Wartungszeiten und einer durchschnittlichen Kapazitätsauslastung von nur rund 46
Prozent bei alten Reaktoren, beschloss das MITI (Ministry of International Trade and Industry) 1975 ein Nachrüstungs- und
Standardisierungsprogramm für LWR. Bis zum Jahr 1985 sollte die Bauweise und das Design aller LWR in drei Phasen standardisiert
werden. In den ersten beiden Schritten wurden die Konstruktionspläne von sowohl DWR als auch SWR so verändert und angepasst,
dass der Betrieb verbessert und Wartungsarbeiten vereinfacht wurden. In einer dritten Phase sollte die Leistung der Reaktoren auf 1300
bis 1400 Watt erhöht werden. Die nachgerüsteten Reaktoren werden als ABWR (Advanced Boiling Water Reactor) und Advanced APWR
(Pressurized Water Reactor13) bezeichnet14.

Das Forschungscenter PNC (Power Reactor and Nuclear Fuel Development Corporation) gewann während der 90er Jahre an
Bedeutung und war in viele Projekten involviert, wie Z.B. die Uranerkundung in Australien und die Erforschung von
Endlagerungsmöglichkeiten hochradioaktiver Reststoffe. Zwei schwere Unfällen sowie die unzureichende Berichterstattung gegenüber
der Regierung, führten dazu, dass die PNC 1998 umstrukturiert und fortan als JNC Japan (Nuclear Cycle Development Institute)

12
     Magnesium nicht-oxidierend
13
     Fortgeschrittener Siedewasserreaktor und Fortgeschrittener Druckwasserreaktor
14
     World Nuclear Association, Country Profiles, Japan: Nuclear Energy, April 2016
ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG           11

bekannt war. Hauptfelder waren die Erforschung und die Entwicklung von Brutreaktoren, die Aufbereitung von Brennelementen, die
einen hohen Abbrand aufweisen, Herstellung von Mischoxid-Brennelementen (MOX) und Beseitigung hochradioaktiver Reststoffe.
Aus dem Zusammenschluss zwischen JNC und JAERI (Japan Atomic Energy Research Institute), ging die heutige JAEA (Japan Atomic
Energy Agency) unter Führung des MEXT (Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology) hervor und ist nach wie
vor für die Forschung und Entwicklung im nuklearen Bereich zuständig15.

Kurz nach der Jahrtausendwende, im Jahr 2002, verkündete die damalige Regierung unter Leitung der LDP, dass Nuklearenergie
zukünftig einen noch größeren Anteil am japanischen Energiemix ausmachen solle. Ein Treiber für diesen Beschluss, waren die
Vorgaben zur Reduzierung der Treibhausgase, die im Kyoto Protokoll festgelegt worden sind. Geplant war der Start von zwölf neuen
Kernkraftwerken und einem Anstieg von rund 30% (13.000 MWe) bis zum Jahr 2011. Laut einer Zukunftsstudie des JAIF (Japan
Atomic Industrial Forum), der wichtigste Verband der Kernkraftindustrie, aus dem Jahr 2005 sollte sowohl die Kapazität als auch der
Anteil der Nuklearenergie um fast das doppelte auf 60% bis zum Jahr 2050 ansteigen.16

Bis zur Katastrophe in Fukushima, hat sich aufgrund der zuvor genannten politischen Ausrichtung in Japan ein eigener Industriesektor
für den nuklearen Bereich entwickelt. Neben den Betreibern der Kernkraftwerke und Reaktorherstellern, gehören unterstützende
Unternehmen, die für den Abbau von Uran sowie Fabrikation und Transport von Kernbrennstoffen verantwortlich sind, ebenso zu
diesem Industriezweig. Involviert sind außerdem die drei genannten Mischkonzerne, große Handelshäuser, Stahlproduzenten und
Unternehmen aus dem Bausektor. Mit dieser Struktur schaffte es Japan an die Weltspitze und wurde mit über 400 Unternehmen, die in
dieser Industrie tätig sind17, Marktführer im Bereich der Reaktorkonstruktion. Insgesamt wurden bis dato 62 Reaktoren an 21 Standorten
in Japan gebaut (siehe Abb. 1). Infolge der Dreifachkatastrophe am 11. März 2011 wurden schrittweise alle Kernreaktoren zu
Wartungsarbeiten vom Stromnetz genommen.18

15
   JAEA, Japan Nuclear Cycle Development Institute
16
   JAIF, 2050 Vision und Roadmap der Nuklearenergie, November 2011
17
   JAIF, Nuclear Energy Buyers Guide in Japan 2014-2015, September 2014
18
   World Nuclear Association, Country Profiles, Japan: Nuclear Energy, April 2016
12      ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG

Abbildung 1: Standorte der Kernkraftwerke in Japan (Stand 2010)19

Von den 62 oben aufgeführten Reaktoren befinden sich bereits zehn Kernreaktoren (Tokai-1, Hamaoka-1 &-2, Fugen, Fukushima-1
bis -6) im Rückbauprozess. Fünf weitere Reaktoren (Tsuruga-1, Mihama-1 & -2, Shimane-1, Genkai-1) befinden sich zurzeit in der
Vorbereitungsphase, obwohl ihre Stilllegung entschieden und sie bereits Anfang 2015 vom Netz genommen worden sind. Zusätzlich
wurde Anfang des Jahres die Stilllegung und der Rückbau des in Shikoku liegenden DRW Ikata-1 beschlossen. Die Rückbauphase
begann offiziell am 10. Mai 2016. Lediglich die beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Sendai-1 & 2 sind aktuell in Betrieb. Nach einer
kurzen Laufzeit von nur knapp zwei Wochen wurde der Reaktor Tahama-3 aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses am 10. März 2016
wieder vom Netz genommen. Von den insgesamt 43 betriebsfähigen Kernreaktoren liegen der NRA bisher nur 26 Anträge für eine
Prüfung für einen Wiederanlauf vor.20

Tabelle 2: Übersicht der Kernreaktoren in Japan (Stand Mai 2016)21
Name                          Typ                 Status                 Standort           Leistung [in MWe]        Erster Netzanschluss
Fugen ATR                     HWLWR               Stillgelegt            Tsuruga            165                      29. Juli 1978
Fukushima-Daiichi-1 BWR                           Stillgelegt            Ōkuma              460                      17. November 1970
Fukushima-Daiichi-2 BWR                           Stillgelegt            Ōkuma              784                      24. Dezember 1973
Fukushima-Daiichi-3 BWR                           Stillgelegt            Ōkuma              784                      26. Oktober 1974

19
     NRA Japan, Convention on Nuclear Safety National Report of Japan for the Fifth Review Meeting, September 2010
20
     NEI, Nuclear Energy Institute
21
     IAEA, International Atomic Energy Agency, Country Statistic, Japan, Juni 2016
ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG    13

Fukushima-Daiichi-4 BWR    Stillgelegt         Ōkuma           784                24. Februar 1978
Fukushima-Daiichi-5 BWR    Stillgelegt         Ōkuma           784                22. September 1977
Fukushima-Daiichi-6 BWR    Stillgelegt         Ōkuma           1100               4. Mai 1979
Fukushima-Daini-1   BWR    Betriebsbereit      Ōkuma           1100               31. Juli 1981
Fukushima-Daini-2   BWR    Betriebsbereit      Ōkuma           1100               23. Juni 1983
Fukushima-Daini-3   BWR    Betriebsbereit      Ōkuma           1100               14. Dezember 1984
Fukushima-Daini-4   BWR    Betriebsbereit      Ōkuma           1100               17. Dezember 1986
Genkai-1            PWR    Stillgelegt         Genkai          559                12. Februar 1975
Genkai-2            PWR    Betriebsbereit      Genkai          559                3. Juni 1980
Genkai-3            PWR    Betriebsbereit      Genkai          1180               15. Juni 1993
Genkai-4            PWR    Betriebsbereit      Genkai          1180               12. November 1996
Hamaoka-1           BWR    Stillgelegt         Omaezaki        540                13. August 1974
Hamaoka-2           BWR    Stillgelegt         Omaezaki        840                13. August 1978
Hamaoka-3           BWR    Betriebsbereit      Omaezaki        1100               20. Januar 1987
Hamaoka-4           BWR    Betriebsbereit      Omaezaki        1137               27. Januar 1993
Hamaoka-5           BWR    Betriebsbereit      Omaezaki        1380               30. April 2004
Higashi-Dori-1      BWR    Betriebsbereit      Higashidori     1100               9. März 2005
Ikata-1             PWR    Betriebsbereit      Ikata           566                17. Februar 1977
Ikata-2             PWR    Betriebsbereit      Ikata           566                19. August 1981
Ikata-3             PWR    Betriebsbereit      Ikata           890                29. März 1994
JPDR                BWR    Stillgelegt         Tokai           13                 26. Oktober 1963
Kashiwazaki Kariwa-1 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1100               13. Februar 1985
Kashiwazaki Kariwa-2 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1100               8. Februar 1990
Kashiwazaki Kariwa-3 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1100               8. Dezember 1992
Kashiwazaki Kariwa-4 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1100               21. Dezember 1993
Kashiwazaki Kariwa-5 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1100               12. September 1989
Kashiwazaki Kariwa-6 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1356               29. Januar 1996
Kashiwazaki Kariwa-7 BWR   Betriebsbereit      Kashiwazaki     1356               17. Dezember 1996
Mihama-1            PWR    Stillgelegt         Mihama          340                8. August 1970
Mihama-2            PWR    Stillgelegt         Mihama          500                21. April 1972
Mihama-3            PWR    Betriebsbereit      Mihama          826                19. Februar 1976
Monju               FBR    Langzeit stillgelegt Tsuruga        280                29. August 1995
Ohi-1               PWR    Betriebsbereit      Ohi             1175               23. Dezember 1977
Ohi-2               PWR    Betriebsbereit      Ohi             1175               11. Oktober 1978
Ohi-3               PWR    Betriebsbereit      Ohi             1180               7. Juni 1991
Ohi-4               PWR    Betriebsbereit      Ohi             1180               19. Juni 1992
Ohma                BWR    Im Bau              Ohma            1383
Onagawa-1           BWR    Betriebsbereit      Onagawa         524                18. November 1983
Onagawa-2           BWR    Betriebsbereit      Onagawa         825                23. Dezember 1994
Onagawa-3           BWR    Betriebsbereit      Onagawa         825                30. Mai 2001
Sendai-1            PWR    In Betrieb          Satsumasendai   890                16. September 1983
Sendai-2            PWR    In Betrieb          Satsumasendai   890                5. April 1985
Shika-1             BWR    Betriebsbereit      Shika           540                12. Januar 1993
Shika-2             BWR    Betriebsbereit      Shika           1206               4. Juli 2005
14      ZIELMARKTANALYSE JAPAN – KKW RÜCKBAU UND MODERNISIERUNG

Shimane-1                    BWR                  Stillgelegt           Matsue               460                          2. Dezember 1973
Shimane-2                    BWR                  Betriebsbereit        Matsue               820                          11. Juli 1988
Shimane-3                    BWR                  Im Bau                Matsue               1373
Takahama-1                   PWR                  Betriebsbereit        Takahama             826                          27. März 1974
Takahama-2                   PWR                  Betriebsbereit        Takahama             826                          17. Januar 1975
Takahama-3                   PWR                  Betriebsbereit        Takahama             870                          9. Mai 1984
Takahama-4                   PWR                  Betriebsbereit        Takahama             870                          1. November 1965
Tokai-1                      GCR                  Stillgelegt           Tokai                166                          10. November 1965
Tokai-2                      BWR                  Betriebsbereit        Tokai                1100                         13. März 1978
Tomari-1                     PWR                  Betriebsbereit        Tomari               579                          6. Dezember 1988
Tomari-2                     PWR                  Betriebsbereit        Tomari               579                          27. August 1990
Tomari-3                     PWR                  Betriebsbereit        Tomari               912                          20. März 2009
Tsuruga-1                    BWR                  Stillgelegt           Tsuruga              357                          16. November 1969
Tsuruga-2                    PWR                  Betriebsbereit        Tsuruga              1160                         19. Juni 1986

3.3 Der Rückbauprozess

Die NRA definiert den Rückbauprozess eines Kernkraftwerkes mit vier Maßnahmen, namentlich der Abbau kerntechnischer Anlagen,
das Entfernen der Brennelemente, die Dekontaminierung und die Behandlung radioaktiver Abfälle22. Die Verantwortung für diese
Prozesse liegen beim Betreiber der kerntechnischen Anlagen. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen und
Sicherheitsvorschriften sind die Betreiber relativ frei bei der Ausgestaltung ihrer Rückbaustrategie. Aktuell präferierte Strategien sind
aber zum einen der sofortige Rückbau (immediate dismantling) und zum anderen der sichere Einschluss (deferred dismantling oder
safe storage). Bei dem sogenannten sofortigen Rückbau wird innerhalb eines kurzen Zeitrahmens nach der Genehmigung der
Stilllegung mit den Rückbaumaßnahmen begonnen, während bei der sicheren Einschluss Strategie, wie der Name suggeriert, die Anlage
über einen Zeitraum von mehreren Jahren sicher verschlossen wird. Dadurch soll die Strahlung innerhalb des Reaktors abklingen, bevor
mit den eigentlichen Rückbaumaßnahmen begonnen wird.

Der grundsätzliche Rückbauplan basiert, wie in vielen anderen Staaten, auch in Japan auf einem Konzept, das von unterschiedlichen
aufeinanderfolgenden Phasen ausgeht: Vorbereitende Maßnahmen (Charakterisierung der Anlage, Entladung und Dekontaminierung),
Sicherheitslagerung, Rückbau und Demontage. Eine wichtige Rolle während des gesamten Prozesses spielt das Abfallmanagement
radioaktiver Reststoffe. In der ersten Phase werden die Brennelemente aus dem Reaktorkern sowie aus den Abklingbecken geborgen
und dann entweder zu einer temporären Lagerstelle oder zur Wiederaufbereitung zu einer entsprechenden Anlage transportiert. Zwei
solcher Anlagen befinden sich in Rokkasho und in Tokai im Norden Japan. Die Wiederaufbereitungsanlage Tokai stellte ihre
Aktivitäten allerding im Jahr 2007 ein und die Anlage in Rokkasho befindet sich seit 2006 unter baulichen Maßnahmen. Plänen zufolge
wird die Anlage auch nicht vor 2018 wieder in Betrieb genommen. Aufgrund dessen fanden die bisherigen Aufbereitungsmaßnahmen
vor allem in Frankreich und in Großbritannien statt. Bevor mit den Dekontaminierungsarbeiten begonnen wird, müssen Untersuchungen
bezüglich Zusammensetzung und Menge des radioaktiven Materials unternommen werden.

Die zweite Phase soll grundlegend dazu dienen, die Strahlung innerhalb des Reaktors durch den natürlichen Verfall der radioaktiven
Teilchen zu vermindern. Dazu wird der Reaktorkern sicher verschlossen, gekühlt und stetig überwacht. Gleichzeitig wird mit ersten
Rückbaumaßnahmen von peripheren Komponenten begonnen. In der Regel geht man von einem Zeitrahmen von ca. zehn Jahren für
den sicheren Einschluss aus.

Nach Abschluss der vorangegangenen Phase, folgt die Demontage und der Rückbau der Anlage, in der in mehreren Schritten die
verschiedenen Komponenten des Reaktors rückgebaut werden. Insbesondere dieser Bereich erfordert hochspezialisiertes Equipment.
Bei der inneren Behandlung des hochradioaktiven Reaktordruckbehälters werden z.B. fernbediente und gleichzeitig wasserfeste
Maschinen gebraucht. Nachdem der Reaktor vollständig zurückgebaut wurde, bleiben allgemeine Bauarbeiten am Gebäude
erforderlich. Obwohl während des gesamten Rückbauprojektes verschiedene Arten an radioaktiven und nicht-radioaktiven Reststoffen

22
     Satoru Tanaka, NRA, “Safety Regulations for Decommissioning of Nuclear Power Plants in Japan and Future Challenges”, 8. April 2015
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