Zukunft Soziale Marktwirtschaft - Bertelsmann Stiftung
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Zukunft Soziale Marktwirtschaft
Policy Brief #2021/02
Thieß Petersen und Thomas Rausch
CO2 braucht einen Preis –
mit einer wirtschaftspolitischen Flankierung
Um den Klimawandel abzubremsen, ist eine Verringerung des Ausstoßes von
Treibhausgasemissionen erforderlich. Ein effektives Instrument hierfür ist ein höherer
Preis für Emissionen. Ihre Verteuerung reduziert emissionshaltige Aktivitäten und
erhöht die Anreize, die Entwicklung und den Einsatz emissionsarmer Technologien zu
forcieren. Um soziale Härten zu vermeiden, ist allerdings eine wirtschaftspolitische
Flankierung erforderlich, vor allem in den Bereichen der Sozialpolitik, der Industrie-
und Innovationspolitik und der Außenwirtschaftspolitik.
Der Ausstoß von Treibhausgasen führt zur Herstellung von Lebensmitteln betroffen,
globalen Erwärmung und zum Klimawandel. die auch unter der vortschreitenden
Hieraus ergeben sich eine Reihe von negativen Desertifikation leiden. Außerdem wird
Effekten. Zu den wichtigsten gehören: der die Trinkwasserversorgung der
Anstieg des Meeresspiegels mit einem wachsen- Menschen erschwert.
den Überflutungsrisiko und daraus resultieren- ▪ Mit der globalen Erwärmung steigt die
den Überflutungsschäden, die Zunahme von Zahl von Hitzetoten und hitzebedingten
Wetterextremen (Hitzewellen, Dürren, Stürme Erkrankungen, insbesondere Herz-
etc.) sowie negative Folgen für die Ökosysteme Kreislauf-Erkrankungen.Die Zunahme
(z. B. das Massensterben von Tier- und von Wirbelstürmen führt zur Zerstörung
Pflanzenarten). Hieraus ergeben sich wiederum von Wohnungen, Produktionsanlagen
negative Effekte für die Menschen, u. a.: und Infrastrukturein-richtungen sowie zu
▪ Das Abschmelzen der Gletscher bewirkt Verletzungen von Menschen und
eine Abnahme der Wasservorräte. Todesfällen.
Hiervon sind die Landwirtschaft und dieZukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2021/02
▪ Wassermangel, Stürme, Überflutungen Alternativ lässt sich die Emissionsreduzierung
und eine steigende globale auch dadurch erreichen, dass der Staat die
Durchschnittstemperatur führen zu maximale nationale jährliche Emissionsmenge
Ernteeinbußen, die die Versorgung der festlegt und dafür Zertifikate vergibt. Wer durch
wachsenden Weltbevölkerung mit sein Verhalten Emissionen verursacht, darf dies
Lebensmitteln gefährden – vor allem im nur, wenn er ein entsprechendes Zertifikat
globalen Süden. besitzt. Die Zertifikate werden jedes Jahr erneut
▪ Weitere Konsequenzen sind vermehrte versteigert. Unter idealtypischen modell-
Waldbrände, ein stärkerer Insektenbefall theoretischen Bedingungen entspricht der
und die Ausbreitung von Krankheiten, Zertifikatspreis für eine Tonne CO2, der sich aus
die von Insekten übertragen werden der Versteigerung ergibt, der Höhe der
(z. B. Malaria, Borreliose) sowie die Mengensteuer (vgl. Petersen 2021: 47–50).
Versauerung der Ozeane durch eine
erhöhte CO2-Konzentration, was Ziele eines höheren CO2-Preises
wiederum negative Folgen für die
Fischbestände hat. Wenn der CO2-Preis in Deutschland steigt,
ergeben sich daraus eine Reihe von
ökonomischen und ökologischen Konsequenzen.
Das zu hohe Volumen von Treibhausgas-
emissionen ist vor allem darauf zurückzuführen, Kurzfristig kommt es bei einem höheren CO2-
dass die Kosten, die mit den genannten Preis zu einer Verringerung der Nachfrage und
negativen Konsequenzen von Emissionen des Angebots von CO2-haltigen Produkten und
verbunden sind, nicht in den Marktpreisen Aktivitäten in Deutschland. Die staatliche CO2-
enthalten sind. Verbraucher:innen und Bepreisung bedeutet für die Konsument:innen
Unternehmen zahlen also – gemessen an den einen höheren zu zahlenden Preis. Damit geht
tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Kosten – die von ihnen nachgefragte Menge zurück. Der
einen zu geringen Preis für die Aktivitäten, die Nettopreis, den die Unternehmen erhalten, sinkt
mit Treibhausgasemissionen verbunden sind. hingegen, weil Unternehmen in der Regel nur
Bei einem zu geringen Preis kommt es zu einer einen Teil der Mengensteuer (oder des Preises
Übernutzung – das gesamtwirtschaftliche für Emissionszertifikate) auf die
Emissionsvolumen ist zu hoch. Da der Markt Verbraucher:innn überwälzen können. Bei einem
diese Entwicklung nicht von sich aus in den Griff geringeren Nettopreis reduzieren die
bekommt, wird so eine Situation als Unternehmen die von ihnen angebotene
Marktversagen bezeichnet. Gütermenge. Das Produktionsvolumen der
Wirtschaft sinkt zusätzlich, weil deutsche
Die Korrektur des Marktversagens verlangt ein emissionshaltige Produkte international weniger
staatliches Eingreifen. Hierfür sind verschiedene wettbewerbsfähig sind und die Exporte
Instrumente denkbar. Eines ist die Bepreisung Deutschlands geringer werden. Im Ergebnis
der negativen Konsequenzen, die der Welt- heißt das: Produktion, reales
gemeinschaft durch den Ausstoß einer Tonne Bruttoinlandsprodukt (BIP), Beschäftigung und
CO2 zugefügt werden. CO2 steht dabei als Einkommen gehen in Deutschland zurück.
Synonym für alle vom Menschen verursachten Gleichzeitig verringert sich das Volumen der
klimaschädlichen Treibhausgase. Wenn also Emissionen, die produktionsbedingt in
eine im Jahr 2020 in Deutschland ausgestoßene Deutschland anfallen – die so genannten
Tonne CO2 zu weltweiten Schäden in Höhe von territorialen Emissionen Deutschlands sinken.
195 Euro führt – dies ist der Wert, den
Mitarbeiter:innen des Umweltbundesamtes Ende Unternehmen reagieren auf höhere Preise für
2020 errechnet haben (vgl. Bünger und Matthey CO2-Emissionen, indem sie ihre Produktions-
2020: 8) –, wird eine Tonne CO2 mit einer technologien anpassen. Es kommt zu
Mengensteuer in Höhe von 195 Euro belegt. technologischen Fortschritten, also zu einer
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höheren Ressourcen- und Energieeffizienz. Drittens: Sollte Deutschland einseitig seinen
Dadurch wird es möglich, dass eine gegebene CO2-Preis erhöhen, droht der Verlust der
Gütermenge mit einem geringeren Ressourcen- internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Wenn
einsatz hergestellt werden kann – und damit andere Länder geringere oder gar keine Preise
auch mit einem geringeren Emissionsvolumen. für Treibhausgasemissionen verlangen, gibt es
Technologische Veränderungen nehmen jedoch einen ökonomischen Anreiz, emissionsintensive
Zeit in Anspruch. Sie verlangen Forschungs- und wirtschaftliche Aktivitäten aus Deutschland in
Entwicklungsaktivitäten sowie Investitionen zur diese Länder zu verlagern. Diese Verlagerung
Anpassung der Produktionskapazitäten. Der reduziert in Deutschland Produktion,
technologische Fortschritt hin zu emissions- Beschäftigung und Einkommen.
ärmeren Produkten und Produktionsverfahren ist
daher eine mittelfristige Konsequenz. Im Idealfall Viertens: Mit der grenzüberschreitenden
bedeutet dies: Das reale BIP Deutschlands Verlagerung von Produktionen droht zudem ein
steigt, aber die mit der Herstellung des BIP sogenanntes „Carbon Leakage“. Dieser Begriff
verbundenen Emissionen gehen zurück – es bezeichnet eine Situation, in der wirtschaftliche
kommt also zu einem nachhaltigen Wachstum Aktivitäten von einem Land in ein anderes Land
bzw. einem Green Growth. verlagert werden und die Ursache dafür die
einseitige Einführung (oder Erhöhung) des
Unerwünschte Effekte eines höheren CO2- Preises für Treibhausgasemissionen im Inland
Preises ist. Die wirtschaftlichen Aktivitäten werden also
aus Ländern mit einer strengen Klimapolitik in
Ein höherer CO2-Preis in Deutschland kann vier Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen
zentrale unerwünschte Nebeneffekte haben. Die verlagert (vgl. Borsky 2020: 3 f.). In der Summe
ersten drei beziehen sich auf Deutschland. Der kann das sogar dazu führen, dass das weltweite
vierte betrifft das globale Emissionsvolumen. Emissionsvolumen steigt. Bei einem höheren
CO2-Preis in Deutschland ist dies ist der Fall,
Erstens: Die Erhöhung des Preises für wenn im Ausland mit umweltschädlicheren
Treibhausgasemissionen kann zu sozialen Technologien als in Deutschland produziert wird,
Spannungen führen. Vor allem für einkommens- und wenn der Transport der im Ausland
schwache Haushalte bedeutet eine starke produzierten Produkte nach Deutschland mit
Erhöhung der Preise für Energie und emissions- hohen Emissionen verbunden ist.
haltige Konsumgüter einen spürbaren Kaufkraft-
verlust. Einkommensreiche Haushalte können Sozialpolitische Flankierung eines hohen
derartige Kaufkraftverluste leichter verkraften. CO2-Preises
Damit droht eine Zunahme der sozialen
Ungleichheit. Für eine sozialpolitische Flankierung eines
hohen CO2-Preises bieten sich verschiedene
Zweitens: Auf der Unternehmensseite ergeben Maßnahmen an (vgl. Petersen 2021: 125–128):
sich sektorale Härten für die Unternehmen und
die dort beschäftigten Personen in Form von ▪ Die Zahlung eines pauschalen Betrags
Einkommenseinbußen oder sogar Arbeitsplatz- an alle Bürger:innen (also eine Kopf-
verlusten. Sie betreffen vor allem Wirtschafts- pauschale) und an alle Unternehmen:
bereiche mit einer hohen Kapitalintensität, weil Bei den Unternehmen kann diese
ein hoher Kapitaleinsatz mit einem hohen beispielsweise wie in der Schweiz
Energieverbrauch einhergeht, was wiederum zu proportional zur Lohnsumme ausfallen.
hohen Treibhausgasemissionen führt. Wenn die ▪ Differenzierte Zahlungen an besonders
Verbraucher:innen nicht bereit sind, die daraus schwer betroffene Wirtschaftsakteure:
resultierenden höheren Produktpreise zu zahlen, Bei einkommensschwachen Haushalten
kommt es zu Produktionsrückgängen, bedeutet das bedarfsorientierte
Betriebsschließungen und Arbeitslosigkeit. Transferleistungen, also etwa einen
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Zuschuss bei einem höheren Mobilitäts- Treiber technologischer Fortschritte sind in erster
bedarf von Pendler:innen. Linie Unternehmen. Ein höherer CO2-Preis stellt
▪ Senkung von Steuern und Abgaben: Ein für sie einen Anreiz dar, Maßnahmen zu
Instrument ist die Verringerung der ergreifen, die die Emissionen durch einen
Sozialversicherungsbeiträge. Davon technologischen Fortschritt reduzieren. Dieser
profitieren sowohl die privaten Haushalte Anreiz wird unterstützt durch den Wunsch der
(weil ihr verfügbares Einkommen Verbraucher:innen, emissionsärmere Produkte
wächst, sofern ein Haushaltsmitglied zu nutzen, um so ihre Konsumausgaben zu
sozialversicherungspflichtig beschäftigt verringern. Ein Großteil des notwendigen
ist) als auch die Unternehmen (weil technologischen Fortschritts zur Verringerung
sinkende Lohnnebenkosten die der Treibhausgasemissionen kann also über den
Produktionskosten verringern und damit Markt und Wettbewerb erfolgen, wenn
die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Unternehmen und Verbraucher:innen mit
verbessern). Alternativ können andere höheren staatlichen Emissionspreisen
Steuern gesenkt werden, z. B. konfrontiert werden und darauf wie skizziert
Verbrauchsteuern wie die Stromsteuer reagieren. Ganz ohne staatliche Flankierung
und die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer werden jedoch nicht alle notwendigen
oder auch die Einkommensteuer. technologischen Innovationen erfolgen können.
▪ Verringerung der Preise für staatliche
emissionsreduzierende Produkte: Eine aktive Rolle des Staates betrifft so
Denkbar ist beispielsweise im Kontext genannte Basistechnologien. Das sind
der Mobilität ein Ausbau des Strecken- Technologien, die sich in viele Wirtschafts-
netzes im Rahmen des öffentlichen sektoren ausbreiten und im Zeitablauf immer
Personennahverkehrs bei einer besser und günstiger werden und die ihrerseits
gleichzeitigen Senkung der Tarife. die Erfindung und Herstellung neuer Produkte
Dadurch reduziert der Staat die Kosten erleichtern. Beispiele sind die Luftfahrt, die
der Mobilität, was für die Betroffenen Raumfahrt, die Atomkraft, die Internettechno-
eine Kaufkrafterhöhung bedeutet. Ein logien und die Informationstechnologien. Private
international bekanntes Instrument ist Unternehmen sind häufig nicht bereit, in solche
das „Wiener Modell“, bei dem die Technologien zu investieren, weil die Unsicher-
Einwohner:innen Wiens ein Jahresticket heit bezüglich des wirtschaftlichen Erfolgs zu
für den öffentlichen Personennahverkehr groß ist. Außerdem ist die Zeitdauer, die bis zur
zum Preis von 365 Euro erwerben Marktreife und Gewinnerzielung vergeht, zu lang
können (vgl. BUND 2017: 9). (vgl. Mazzucato 2014: 52, 85, 112).
▪ Eine andere Maßnahme zur Vermeidung
sozialer Härten sind unterschiedliche Darüber hinaus haben Basistechnologien
Treibhausgasemissionspreise für positive externe Effekte, weil sie auf viele andere
verschiedene Güter (vgl. Claeys, Sektoren ausstrahlen. Auch ein positiver
Tagliapietra und Zachmann 2019: 16). externer Effekt stellt ein Marktversagen dar, das
Bei Produkten, die für einkommens- ein staatliches Eingreifen erfordert. Wenn
schwache private Haushalte essenziell wirtschaftliche Akteure alle Kosten einer
und nur schwer substituierbar sind – Handlung tragen, aber nicht für alle gesellschaft-
allen voran Heizungen und Strom –, lichen Vorteile eine Gegenleistung erhalten, fällt
könnte ein geringerer CO2-Preis ihr Aktivitätsniveau – gemessen am gesellschaft-
veranschlagt werden als bei Produkten, lichen optimalen Niveau – zu gering aus.
die als Luxusgüter einzustufen sind, wie
Des Weiteren zeichnen sich einige emissions-
etwa Flugreisen.
ärmere Technologien und Produkte durch
Industrie- und innovationspolitische Netzwerkeffekte aus. So setzt die verstärkte
Flankierung eines hohen CO2-Preises Nutzung von Elektrofahrzeugen voraus, dass es
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ein leistungsfähiges Netz von Ladesäulen gibt. wollen. Damit erhalten die Unternehmen
Die Bereitstellung dieser Ladeinfrastruktur kann eine größere Planungssicherheit und
durch öffentliche Investitionen erfolgen oder eine höhere erwartete Rendite.
durch eine staatliche Förderung der ▪ Zur Förderung der privaten
Bereitstellung dieser Infrastruktur (vgl. SVR Innovationsaktivitäten kann der Staat
2020: 264 f.). Dies wäre ordnungspolitisch innovationsrelevante Unternehmens-
gerechtfertigt, weil diese Netzwerkeffekte einen steuern senken oder entsprechende
positiven externen Effekt darstellen, der eine Abschreibungsmöglichkeiten
staatliche Förderung verlangt. verbessern.
▪ Denkbar ist schließlich auch eine
Schließlich ist noch an bereits bestehenden vertikale Industriepolitik, mit der der
physischen Infrastrukturen mit einer langen Staat ausgewählte Branchen bzw.
Restlebensdauer und hohen Investitions- Sektoren fördert, die für die ökologische
ausgaben zu denken. Selbst wenn es emissions- Transformation der Wirtschaft als
ärmere neue Technologien gibt, kann es besonders relevant angesehen werden.
betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, noch viele
Jahre an der bereits bezahlten emissionsinten- Außenwirtschaftliche Flankierung eines
siveren Infrastruktur festzuhalten. Nur so fließt hohen CO2-Preises
das für die Investition verwendete Kapital über
die jährlichen Abschreibungen wieder in das Wenn Deutschland im Alleingang einen höheren
Unternehmen zurück. Ohne staatliche CO2-Preis einführt als in großen Teilen des
Flankierung unterbleibt der gesamtgesell- Rests der Welt, haben Unternehmen aus
schaftlich erwünschte Umstieg auf die Ländern mit einem geringen CO2-Preis bei
emissionsärmere Technologie. emissionshaltigen Produkten einen Wettbe-
werbsvorteil gegenüber deutschen Unterneh-
Die Konsequenz dieser Besonderheiten von men. Das hat zwei zentrale ökonomische
technologischen Fortschritten zur Verringerung Effekte:
der Treibhausgasemissionen ist, dass der Staat
– neben der Einführung oder Erhöhung des CO2- 1. Emissionshaltige Produkte aus dem Ausland
Preises – eine weitergehende aktive Rolle bei werden für deutsche Konsument:innen
der gesamtwirtschaftlichen Förderung attraktiver. Länder mit geringen CO2-Preisen
emissionsarmer Technologien übernehmen können daher ihre Exporte nach
muss. Hier sind verschiedene Maßnahmen Deutschland steigern. Das erhöht in diesen
möglich, zum Beispiel: Ländern Produktion, BIP und Beschäftigung.
2. Emissionshaltige Produkte aus dem Ausland
▪ Eine staatlich finanzierte Grundlagen- werden auch für die Konsument:innen auf
forschung, mit der vor allem die Grund- Drittmärkten – also den Ländern, in die
lagen für neue Basistechnologien sowohl Deutschland als auch die Länder mit
gefördert werden. einem geringeren CO2-Preis ihre Produkte
▪ Die Zahlung von Subventionen bei exportieren – attraktiver. Länder mit einer
Technologien bzw. Produktionsverfahren weniger strengen Klimapolitik können ihre
mit positiven externen Effekten. Exporte dadurch zusätzlich steigern, was
▪ Staatliche Investitionen, die die das reale BIP im Ausland weiter steigen
öffentliche Infrastruktur bereitstellen, die lässt.
für den Einsatz neuer Technologien
erforderlich ist. Neben diesen ökonomischen Effekten ergeben
▪ Langfristige Abnahmegarantien durch sich ökologische Konsequenzen: Der Umstand,
den Staat für Unternehmen, die dass ein höherer deutscher CO2-Preis zwar das
innovative klimafreundliche Emissionsvolumen auf dem Gebiet der
Technologien und Produkte einführen Bundesrepublik Deutschland verringert, aber
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gleichzeitig im Rest der Welt zu einer Erhöhung Deutschland, weil sie nun weniger wettbewerbs-
des dortigen Emissionsvolumens führt, ist das fähig sind. Deutsche Unternehmen erhöhen
bereits erwähnte Carbon Leakage. hingegen ihre Produktion und ersetzen einige
der importierten emissionshaltigen Produkte. Die
Das globale Emissionsvolumen lässt sich daher territorialen Emissionen in Deutschland steigen,
nur in begrenztem Umfang durch einen die Emissionen im Rest der Welt sinken. Zum
unilateralen hohen CO2-Preis in Deutschland anderen können deutsche Unternehmen wegen
verringern. Grund dafür ist der Umstand, dass der Freistellung vom europäischen CO2-Preis
das Carbon Leakage bei hohen CO2-Preisunter- wieder mehr in andere Länder exportieren..
schieden immer attraktiver wird – Emissionsein-
sparungen in Deutschland werden dann durch Wirtschaftspolitische Handlungs-
höhere Emissionen in Ländern mit geringen empfehlungen
CO2-Preisen kompensiert. Ein hoher CO2-Preis
in Deutschland oder auch der EU braucht daher Das jüngste Urteil des Bundesverfassungs-
auch aus ökologischen Gründen eine gerichts zur Klage gegen eine zu zögerliche
außenwirtschaftliche Flankierung. Klimapolitik hat deutlich gemacht, dass das
Bundes-Klimaschutzgesetz die Freiheitsrechte
Diese Flankierung lässt sich durch einen künftiger Generationen zu wenig beachtet.
„Carbon Border Adjustment Mechanism“ Bundestag und Bundesrat sind daher
durchführen. Um den Verlust der preislichen aufgefordert, die Emissionsziele für den Zeitraum
Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen, gibt es ab 2030 konkreter zu formulieren, vielleicht auch
zwei zentrale Instrumente (vgl. Petersen 2021: bereits davor liegende Emissionsziele weiter zu
137–139): verschärfen. Einer wirtschafts- und sozialpoliti-
schen Flankierung wird dadurch künftig noch
1. Produkte, die aus dem Ausland importiert größere Bedeutung zukommen. Welche
werden, werden in Deutschland mit einer ökonomischen Vorteile durch den Staat hierbei
Emissionsabgabe bzw. einem CO2-Zoll gewährt und welche Nachteile durch ihn
belastet. Die Höhe dieser Abgabe richtet sich kompensiert werden sollten, ist eine Frage von
nach dem Emissionsvolumen, das mit der gesamtwirtschaftlichen Präferenzen und Wert-
Herstellung dieses Produkts im Ausland urteilen – diese Frage lässt sich daher nicht
anfällt. Alle in Deutschland verkauften volkswirtschaftlich oder rein wissenschaftlich
Produkte werden dadurch mit dem in beantworten. Diese wichtige Entscheidung kann
Deutschland gelten Emissionspreis belegt – in einer Demokratie nur im Rahmen einer
egal, ob das Produkt aus Deutschlands oder gesamtgesellschaftlichen politischen Diskussion
dem Ausland stammt. getroffen werden. Für diese Diskussion möchten
2. Die Exporte deutscher Unternehmen werden wir drei Anstoßpunkte mit Blick auf den
von dem deutschen CO2-Preis befreit. Der in bevorstehenden Bundestagswahlkampf und die
Deutschland erhobene CO2-Preis erhöht nächste Konferenz der Vertragsparteien der UN-
somit die Exportpreise nicht, sodass die Klimakonvention im November 2021 in Glasgow
internationale preisliche Wettbewerbs- unterbreiten:
fähigkeit der in Deutschland ansässigen
Unternehmen bestehen bleibt. 1. Umwelt- und wirtschaftspolitische Argumente
sollten nicht gegeneinander ausgespielt
Wenn sowohl ein CO2-Zoll erhoben wird als auch werden. Langfristig ist eine gute Klimapolitik
die exportierenden Unternehmen von dem auch eine gute Wirtschaftspolitik, denn ohne
einheimischen CO2-Preis befreit werden, liegt ein ein gesundes Ökosystem kann es kein
vollständiger steuerlicher Grenzausgleich vor. gesundes ökonomisches System geben. Für
Das hat zwei zentrale Konsequenzen. Zum einen eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik wird es
reduzieren ausländische Anbieter ihr Angebot in daher darauf ankommen, eine positive Vision
einer nachhaltigen Wirtschaft zu entwickeln,
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die von vielen Bürger:innen als erstrebens- Bünger, B., und A. Matthey (2020).
werte Zukunftsvorstellung geteilt wird. Das Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von
ist eine zentrale Voraussetzung, damit Umweltkosten – Kostensätze Stand 12/2020.
schwierige, aber notwendige Transforma- Dessau-Roßlau.
tionsschritte mehrheitsfähig werden.
BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz
2. Mindestens genau so wichtig für eine Deutschland) (2017). Perspektive Deutschland
gesamtgesellschaftliche Akzeptanz ist es 2030: Suffizienz in der Praxis. Berlin.
aber auch individuelle soziale Härten
abzufedern. Höhere CO2-Preise drohen die Claeys, G., S. Tagliapietra und G. Zachmann
bestehenden gesellschaftlichen Ungleich- (2019). „How to make the European Green Deal
heiten zu vergrößern, weil sie arme und work”. Policy Contribution 2019/13 Bruegel.
kleine Haushalte besonders hart treffen Brüssel.
werden. Um den gesellschaftlichen
Zusammenhalt nicht weiter erodieren zu Mazzucato, M. (2014). Das Kapital des Staates:
lassen – und in der nächsten Wirtschafts- Eine andere Geschichte von Innovation und
krise Populisten und Spaltern das Handwerk Wachstum. München.
nicht zu einfach zu machen – sollten höhere
Petersen, T. (2021). CO2 zum Nulltarif? Warum
CO2-Preise an soziale Kompensationen für
Treibhausgasemissionen einen Preis haben
besonders betroffene Bevölkerungsgruppen
müssen. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Gütersloh
gekoppelt werden.
2021.
3. Die internationale Ebene sollte weder beim
SVR (Sachverständigenrat zur Begutachtung der
Klimaschutz noch bei seiner wirtschaftlichen
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) (2020).
Flankierung eine Nebenrolle spielen. Zurecht
Corona-Krise gemeinsam bewältigen, Resilienz
nimmt die künftige Klimakonferenz in
und Wachstum stärken – Jahresgutachten
Glasgow beides in den Blick. Sie verlangt
2020/21. Wiesbaden.
umweltpolitische Zusammenarbeit genauso
wie wirtschaftliche Unterstützung. Industrie-
staaten, die vorrangig für den übermäßigen
CO2-Ausstoß verantwortlich sind, haben
Entwicklungsländern hier Zusagen in Höhe
von 100 Milliarden US-Dollar zur Finan-
zierung von Reduktions- und Adaptionsmaß-
nahmen zugesagt. Es wäre ein großer
Konferenzerfolg, wenn es gelänge, sich auf
konkrete Umsetzungen für dieses
Versprechen zu einigen und gleichzeitig eine
Koalition von emissionsstarken Staaten zu
schmieden, die die Idee eines möglichst
umfassenden Klimaclubs vorantreibt.
Literatur
Borsky, S. (2020). „Internationaler Handel,
Klimapolitik und Carbon Leakage“. Policy Brief
Nr. 45 (Mai 2020) des Kompetenzzentrums
„Forschungsschwerpunkt Internationale
Wirtschaft“. Wien.
Seite 7Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2019/02
V.i.S.d.P
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