Ein kritisch-konstruktiver Blick
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | 33 Vielfalt in Organisationen – ein kritisch-konstruktiver Blick Edelgard Kutzner Es werden viele Argumente für die Notwendigkeit sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema genannt, sich mit der Vielfalt in Organisationen und Vielfalt in Organisationen beschäftigten und schließt mit Diversity-Konzepten auseinanderzusetzen: Glo- mit einigen konkreten Handlungsempfehlungen. balisierung, Migration, demographischer Wandel, Fachkräftemangel, die zunehmende Erwerbsarbeit von Frauen. Diese Entwicklungen verändern nicht nur Diversity und Diversity Management die Gesellschaft, sondern auch die Zusammenset- – einige konzeptionelle Überlegungen zung der Erwerbsbevölkerung, und sie hinterlassen Spuren im sozialen Gefüge von Unternehmen und Vielfalt ist in jedem Unternehmen und jeder Ein- Belegschaften. Die Integrationsfähigkeit und der richtung vorhanden, selbst dort, wo es nach außen Umgang mit Vielfalt werden zukünftig eine noch grö- den Anschein hat, als sei die Belegschaft äußerst ßere Rolle spielen als dies heute schon der Fall ist. homogen, weil z. B. überwiegend weiße, inländische Akteurinnen und Akteure aus Politik, Unternehmen, Männer oder überwiegend Frauen dort arbeiten. und Gewerkschaften setzen sich ebenso wie Wissen- Auch dann gibt es Unterschiede, beispielsweise bei schaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschied- den Qualifikationen, in den Beschäftigungsformen lichen Disziplinen mit dem Thema auseinander. Bei (Vollzeit, Teilzeit, befristet, unbefristet), in der Alters- manchen existiert die Vorstellung, es müsse nur der struktur, in kulturellen Orientierungen, Lebensstilen, richtige Mix von Vielfalt gefunden werden, dann stelle Einstellungen und damit auch bei den Interessen sich der Erfolg von ganz alleine ein. Von gegenseitiger und Bedürfnissen zwischen und in diesen Gruppen. Befruchtung durch das Einbringen verschiedener Vielfalt bezieht sich sowohl auf verschiedene Grup- Ansichten, Fähigkeiten und Kompetenzen – beispiels- pen als auch auf Merkmale von einzelnen Personen. weise von Frauen oder von Migranten – ist da die Rede. In Deutschland sind dies in erster Linie Geschlecht, Wir mahnen hier zur Vorsicht. So einfach ist es nicht. Ethnie/Nation, Alter und Behinderung. In anderen Es gibt keine Rezepte darüber, wie ein Team am bes- Ländern kommen u. a. sexuelle Orientierung und Reli- ten zusammengesetzt sein muss, um beispielsweise gion hinzu. innovative Ideen zu produzieren. Außerdem reicht es Der Begriff Diversity ist vielschichtig und facetten- nicht aus, sich lediglich über die Zusammensetzung reich, er wird meist übersetzt mit Heterogenität, Gedanken zu machen. Diejenigen, die das behaupten, Verschiedenartigkeit oder auch Vielfalt. Ein Blick verkennen, dass es sich bei Arbeitsprozessen um in die Wissenschaft zeigt, Diversity kann nicht als soziale Prozesse handelt. Der folgende Beitrag will naturgegeben angesehen werden. Diversity wird
34 | sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | Die Ausführungen basieren auf den Ergebnis- dann sinnvoll, wenn Diskriminierungen dokumentiert sen aus zwei empirischen Projekten, die sich auf und analysiert werden sollen, wie z. B. die Lohndiskri- unterschiedliche Weise mit Vielfalt in Organisa- minierung von Frauen. Manchmal sind Zuordnungen tionen auseinandergesetzt haben: dagegen von Nachteil, insbesondere wenn es darum geht, die unterschiedlichen Potenziale innerhalb einer Das Projekt „Innovation und Diversity. Konzepte, Gruppe zu erkennen. Dahinter steht der Gedanke, dass Instrumente und Empfehlungen jenseits traditio- Ähnlichkeit oder gar Gleichförmigkeit in einer Gruppe nellen Managements“ befasste sich auf der Ebene oder einem Team leistungssteigernd wirkt. Verkannt der betrieblichen Organisation mit den Zusam- wird dabei die dennoch vorhandene Vielfalt innerhalb menhängen zwischen Innovation, Partizipation von Gruppen. Es muss also genau überlegt werden, und Diversity. Hier ging es um die Erarbeitung von wann es sinnvoll und notwendig ist, nach Gruppen Konzepten, Instrumenten und Empfehlungen für zu differenzieren bzw. Gruppenzuordnungen vorzu- ein innovationsförderndes Diversity Management. nehmen, und wann genau dies dazu beiträgt, Grup- Die BMBF- und ESF-finanzierte Untersuchung war penzugehörigkeiten zu konstruieren, die in der Folge im Förderschwerpunkt des BMBF „Innovations- alle dieser Gruppe zugeordneten Individuen „über strategien jenseits traditionellen Managements“ einen Kamm scheren“ und dadurch für die einzelnen angesiedelt und wurde verantwortlich von der Gruppenmitglieder, wie auch für die gesamte Gruppe, Autorin an der Universität Bielefeld durchgeführt. diskriminierend wirken können. Die Problematik etli- Weitere Informationen unter: www.indibi.de cher Diversity-Ansätze liegt darin, dass sie regelrecht zu Stereotypisierungen einladen und Beschäftigte Im anderen ebenfalls abgeschlossenen Projekt auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen „Entwicklung eines Online-Tools Diversity“ wurde Gruppe reduzieren, von der dann bestimmte Einstel- ein Befragungs- und Analyseinstrument für lungen und Verhaltensweisen erwartet werden. Dies Unternehmen entwickelt, mit dem Unternehmen ist z. B. der Fall, wenn Frauen bestimmte Verhaltens- ganz konkret ihren Umgang mit einer vielfältigen weisen in Führungspositionen unterstellt werden Belegschaft, aber auch Kundschaft analysieren oder wenn Jüngeren eine höhere Kreativität und ein können. Dabei handelt es sich um ein sog. Selbst- umfassenderes Wissen z. B. bezüglich neuester Tech- analyse-Tool, das dazu dienen soll in einem ersten nologien unterstellt wird, Älteren ein breiter Erfah- Zugriff vorhandene Praktiken, Routinen und Struk- rungsschatz. Solche Zuschreibungen treffen eben turen grundlegend zu hinterfragen. Das Tool wurde nie generell auf eine bestimmte Beschäftigtengruppe im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz zu. und Arbeitsmedizin an der sfs verantwortlich von Die hier gewählte Definition von Diversity meint der Autorin entwickelt. Weitere Informationen Vielfalt im Sinne von Unterschieden und Gemein- unter: www.online-diversity.de samkeiten in sozialen Gruppen. Unterschiede zu erkennen ist nötig, um den Blick auf die tatsächlich vorhandene Heterogenität der Belegschaft zu rich- hergestellt, es ist ein Konstrukt. Menschen werden ten. Gemeinsamkeiten sind angesprochen, wenn es bestimmten Gruppen zugeordnet, z. B. Ältere, Men- darum geht, ungleichheitserzeugende Abgrenzungen schen mit Migrationshintergrund. Ganz abgesehen zwischen Beschäftigtengruppen (beispielsweise zwi- davon, dass bei einer solchen Betrachtung die Unter- schen Männern und Frauen) zu erkennen. schiede innerhalb der Gruppen vernachlässigt wer- Diversity Management ist ein Unternehmenskonzept, den (Frau ist eben nicht gleich Frau, Migrant ist nicht das sich auf die vorhandene oder beabsichtigte per- gleich Migrant), können diese Zuordnungen zu einer sonelle Vielfalt in Unternehmen stützt und diese für benachteiligenden Differenzerzeugung und damit zu eine positive Entwicklung des Unternehmens nutzen sozialer Ungleichheit führen. Über die Mechanismen, will. Neben moralischen und juristischen Gründen wie das geschieht, liegen u. a. aus der Frauen- und sind es zunächst ökonomische Gründe, die für die Geschlechterforschung etliche Erkenntnisse vor Einführung eines Diversity Managements sprechen. (Kutzner 2010). Unternehmen sowie öffentliche und private Einrich- Wann ist es aber dennoch sinnvoll, sich soziale Grup- tungen, die systematisch die Interessen ihrer vielfäl- pen genauer anzusehen? Gruppenzuordnungen sind tigen Kundschaft, ihrer vielfältigen Belegschaft und
sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | 35 ihrer vielfältigen Umwelt berücksichtigen, gelten als rogene Gruppe in dem einen Unternehmen, ja sogar wirtschaftlich erfolgreicher. in der einen Abteilung erfolgreich sein, in einem Der Nutzen eines Diversity Managements wird allge- anderen Unternehmen oder Abteilung dagegen nicht, mein in fünf Bereichen gesehen: weil hier möglicherweise Konkurrenz unter den ver- • Personalmarketing: Mit Diversity Management schiedenen Beschäftigtengruppen den betrieblichen lassen sich Angehörige von Minderheiten auf Alltag prägt. dem Arbeitsmarkt besser rekrutieren. Dies wird Damit Organisationen ein Umfeld schaffen können, in immer wichtiger, weil die bisher im Berufsleben dem die Unterschiedlichkeit der Beschäftigten nicht dominante Gruppe (meist weiße, inländische, gut nur akzeptiert, sondern anerkannt, wertgeschätzt qualifizierte Männer fortgeschrittenen Alters) und gefördert wird, ist ein Konzept von Unterneh- tendenziell kleiner wird. mensführung notwendig, das die Verschiedenheit der • Kreativität bei Problemlösungen: Gemischt zu- Beschäftigten bewusst zum Bestandteil der Perso- sammengesetzte Teams können zu innovativeren nalstrategie und Organisationsentwicklung macht. und kreativeren Problemlösungen als homogene Ziel ist es, allen Unternehmensangehörigen die Mög- Gruppen (die allerdings schneller entscheiden lichkeit zu geben, gut und effektiv zu arbeiten. Diver- können) kommen. sity Management ist somit Teil einer umfassenden • Flexibilität: Homogene Entscheidungsgremien Unternehmensstrategie. Die Handlungsfelder rei- reagieren wegen des hohen Konformitätsdrucks chen von der Berücksichtigung von Vielfalt in Unter- weniger flexibel als heterogene Gruppen auf Um- nehmensstrategie und -leitbild, bei Führung und weltveränderungen. Heterogenität kann zudem Unternehmenskultur, im Personalmanagement, in Betriebsblindheit reduzieren helfen. der Interessenvertretung, bei der Arbeitsgestaltung • Marketing: Eine vielfältig zusammengesetzte Be- und Arbeitsorganisation, im betrieblichen Gesund- legschaft kann sich besser auf die Wünsche und heitsmanagement, bei Lohn und Leistung bis hin zu Bedürfnisse einer heterogenen Kundschaft ein- Marketing und Public Relations sowie Produkt- bzw. stellen. Dienstleistungsentwicklung (ausführlich Kutzner • Kostensenkung: Durch eine gute Integration aller 2011). Mitarbeiter/innen werden Reibungsverluste und Mit einem derartigen umfassenden Diversity-Kon- Diskriminierung minimiert, wodurch Motivation zept können u.E. einerseits Ungleichbehandlungen und Zufriedenheit der Minderheiten gesteigert und Ausgrenzungen sozialer Gruppen in Struktur werden können, was letztlich kostensenkend wir- und Handlung untersucht und bearbeitet werden, es ken soll.1 können auf diese Weise aber auch Gestaltungsmög- Auch wenn die ökonomische Messbarkeit des Erfolgs lichkeiten sichtbar gemacht werden, die zu mehr öko- von Diversity Management nicht so einfach ist, u. a. nomischem Nutzen und zu mehr Chancengleichheit weil verbindliche Messgrößen fehlen, sehen etliche beitragen. Unternehmen vielfältige Belegschaften als Hoff- Aus einer arbeitspolitischen Perspektive heraus nungsträger/innen. Andere wiederum wenden sich betrachtet kann die Partizipation der Beschäftigten kritisch gegen diese Ökonomisierung des Anderen. als eine Art Gradmesser für die Verankerung eines Ihrer Meinung nach geht es bei einem Diversity erfolgreichen Diversity Managements in den Unter- Management lediglich um das Managen des Ande- nehmensstrukturen und -kulturen angesehen werden. ren, i.S. eines im Zaum gehalten werden. Sicher ist, Ein partizipatives Verfahren bedeutet, neue Beteiligte die propagierten Erfolge werden sich nicht so einfach und neue Ideen in Arbeits- und Gestaltungsprozesse einstellen, sie hängen von der konkreten Gestaltung einzubringen. Ein partizipatives Managementkon- eines Diversity Managements ab. So kann eine hete- zept, bei dem nicht nur die „Wertschöpfungsstar- ken“, sondern Angehörige aller sozialen Gruppen im 1 Vgl. u.a. Krell, Gertraude (2008): Diversity Management: Unternehmen beteiligt werden. Partizipation kann Chancengleichheit für alle und auch als Wettbewerbs- entscheidend zur Inklusion beitragen, indem bislang faktor. In: Krell, Gertraude (Hrsg.): Chancengleichheit von Partizipation ausgeschlossene Gruppen struktu- durch Personalpolitik. Gleichstellung von Frauen und rell eingebunden und aktiv aufgefordert werden, sich Männern in Unternehmen und Verwaltungen. Recht- liche Regelungen – Problemanalysen – Lösungen, zu beteiligen. Durch ein partizipatives Vorgehen kann Wiesbaden, 2008 Wissen der Beschäftigten für Innovationen wie auch für
36 | sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | die Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen men eher punktuell ausgerichteten Entwick- genutzt werden. Partizipative, nicht diskriminierende lungsschritte zu erweitern. Hier lernt eine Organi- Strukturen im Unternehmen können ein kreatives sation aus den mit einer vielfältigen Belegschaft und konstruktives Umfeld fördern. Für diese Art von verbundenen vielfältigen Zugängen und Sicht- Beteiligung sind bestimmte Voraussetzungen nötig, weisen. Vorhandene Strukturen, Prozesse und insbesondere Verfahren, die es ermöglichen, Kom- Verfahrensweisen werden kritisch hinterfragt. Im petenz und Kreativität in Kooperationsbeziehungen Ergebnis sollen Beschäftigte mehr Wertschät- auch wirklich einzubringen. Diversity Management zung und mehr Handlungsmöglichkeiten erhalten. als partizipatives Management zu gestalten, welches Das Unternehmen profitiert im Gegenzug durch sowohl antidiskriminierend als auch innovationsför- mehr innovative Ideen und effektivere Prozesse. dernd und damit wettbewerbsfördernd sein könnte, Der Lern- und Effektivitäts-Ansatz vereint also die bedeutet eine nachhaltige betriebliche Veränderung. Ansätze zu Antidiskriminierung und Fairness sowie Diversity könnte von seinem Ruf, ein bloßes Mode- Marktzugang und Legitimität zu einem umfassenden thema zu sein, befreit werden. Unternehmenskonzept, in dem Heterogenität nach- haltig in der Organisationskultur und -struktur veran- kert wird. Es soll miteinander und voneinander gelernt Diversity als Lernprozess und Unterschiedlichkeit effektiv genutzt werden. Durch einen entsprechend gestalteten betrieblichen Dialog können Lernprozesse beginnen, die eine Ein erster Gestaltungsschritt - das Online- Veränderungsbereitschaft entwickeln, stärken und Tool Diversity erhalten. Mit dem hier vertretenen Ansatz kann u. a. an das von Thomas und Ely2 entwickelte Diversity Diversity Management i. S. eines bewussten Umgangs Konzept des „learning and effectiveness paradigm“ mit Vielfalt beinhaltet das Erkennen, Verstehen und angeknüpft werden. Die dort entwickelte Diversity Wertschätzen von Vielfalt. Damit Unternehmen einen Management-Typologie beinhaltet drei wesentliche Zugang zum Thema Diversity und Diversity Manage- Entwicklungsschritte des Diversity Managements in ment bekommen können, wurde an der sfs ein Tool Unternehmen: entwickelt, welches Interessierten kostenlos im Inter- • Im „discrimination-and-fairness paradigm“ net zur Verfügung steht (www.online-diversity.de). Mit stehen die Verwirklichung von Gleichstellung, dem Online-Tool Diversity steht ein Befragungs- und Gleichbehandlung und sozialer Gerechtigkeit im Analyseinstrument zur Verfügung, mit dem Unterneh- Vordergrund. Basis sind die rechtlichen Vorga- men sowie öffentliche und private Einrichtungen aller ben zur Gleichbehandlung von benachteiligten Größen und Branchen ganz konkret ihren Umgang mit Minderheiten bei Anwerbung, Entlohnung und einer vielfältigen Belegschaft, aber auch Kundschaft Personalentwicklung. Ein Gradmesser der Zieler- analysieren können, unabhängig davon, ob sie ein reichung besteht etwa in der Verwirklichung des Diversity Management praktizieren oder nicht. Mit Ziels „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“. dem Tool kann eine grobe Standortbestimmung bis- • Beim „access-and-legitimacy paradigm“ steht heriger hemmender, aber auch fördernder Strukturen der Gedanke der Vielfalt der Belegschaft als Wett- und Handlungsweisen vorgenommen werden. Die bewerbsfaktor im Vordergrund. So hat die Vielfalt Ergebnisse ermöglichen es den Unternehmen, dar- der Kundschaft in der Vielfalt der Belegschaft aus erste Handlungsschritte ab- und einzuleiten. Das ihre Entsprechung. Die Herausforderung besteht folgende Bild gibt einen Einblick in das zur Verfügung darin, diese vielfältige Belegschaft auch in den stehende Angebot: erforderlichen Informations- und Kompetenzaus- tausch gleichberechtigt einzubinden. • Das „learning-and-effectiveness paradigm“ ver- Ein konkretes Handlungsfeld – Diversity sucht, die in den zuvor beschriebenen Paradig- und Innovationen 2 Thomas, David A., Ely, Robin J., 1996: Making Differences In der aktuellen Auseinandersetzung um Innovati- Matter. In: Harvard Business Review 74 (5) 79-91. onsschwächen in deutschen Unternehmen haben
sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | 37 wir uns u. a. die Frage gestellt: Kann ein Diversity nicht ausreichend genutzt werden (Kutzner 2011). Es Management zur Förderung von Innovationen beitra- berichten zwar nur wenige Befragte von Beschäftig- gen? Wie müsste ein innovationsförderndes Diver- tengruppen, die von Innovationsprozessen generell sity Management aussehen? Ein Ergebnis unserer ausgeschlossen sind. Die bewusste Entwicklung der Untersuchung: Zur Innovationsfähigkeit von Unter- personellen Vielfalt ist bei den meisten Unternehmen nehmen gehört neben der Fähigkeit, neue Trends auf allerdings deutlich unterentwickelt. den Märkten und veränderte Bedürfnisse der Kund- Neben der Inklusion der heterogen Beschäftigten in schaft frühzeitig wahrzunehmen, auch die Fähigkeit, Innovationsprozesse, unabhängig von ihrer Zuordnung Impulse von innen zu nutzen, kreative Ideen der zu bestimmten sozialen Gruppen, ist für erfolgreiche Beschäftigten zu fördern, ihr Wissen aufzunehmen. Produkt- und Dienstleistungsentwicklungen sowie Innovationen entstehen aus Ideenreichtum, aus der Prozessinnovationen eine Irritation des Alltagswis- Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Sichtweisen, sens auch über die verschiedenen Kund/innengrup- aus der Möglichkeit zum Perspektivenwechsel und pen notwendig, und damit eine Reflektion vorhan- aus dem Zusammenwirken von Beschäftigten mit dener Vorurteile. Das betrifft sowohl die äußerlich unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, mit wahrnehmbaren Unterschiede wie Geschlecht, Alter, unterschiedlichen Arbeits- und Lebenswelten. Ein Ethnie und Behinderung, als auch die nicht äußerlich erfolgreiches Ideen- und Innovationsmanagement wahrnehmbaren, eher subjektiven Unterschiede wie setzt dabei auf die breite Beteiligung der Mitarbeite- sexuelle Orientierung, Religion, Lebensstil. Bei der rinnen und Mitarbeiter und schließt Ausgrenzungen Entwicklung neuer Produkte ist die Verlockung der ganzer Beschäftigtengruppen aus. Reproduktion und Herstellung von längst überhol- Der betriebliche Alltag sieht häufig anders aus. ten Klischees über die vermuteten Interessen und Unsere Befragung zum Innovationsgeschehen in Bedürfnisse bestimmter Gruppen sehr groß. Pro- Dienstleistungsunternehmen zeigt, dass die vor- dukte und Dienstleistungen, die auf Basis solcher handenen Potenziale in der Belegschaft quer durch generellen Annahmen über beispielsweise die Frauen alle Beschäftigtengruppen in Innovationsprozessen und die Männer entwickelt werden, laufen Gefahr, an
38 | sfs | Jahresbericht 2010 | Beiträge | den Interessen der Nutzerinnen und Nutzer vorbei zu zu erkennen. Es gibt nicht das Diversity Management gehen. Solche Dichotomisierungen finden sich auch oder den Innovationsprozess. Jedes Unternehmen häufig bei den „Technologien des Alltags“3, wie z. B. entwickelt für sich seine Vorgehensweise. Das hat bei Damen- und Herrenrasierern, Damen- und Her- zur Folge, dass unter dem Label „Diversity Manage- renuhren, etc. Sinnvoller wäre eine Differenzierung ment” eine Vielzahl von unterschiedlichen Formen nach Nutzungsinteressen. So stellt sich vielleicht und Praktiken existieren. Für die Gestaltung dieser heraus, dass auch Männer Interesse an einer Bedi- Veränderungsprozesse wird mit unseren Untersu- enoberfläche haben, bei der Funktionalität und Über- chungsergebnissen allgemeines Orientierungs- und sichtlichkeit im Vordergrund stehen, die eigentlich für Handlungswissen zur Verfügung gestellt. die vermuteten nicht technikverliebten Interessen von Frauen konzipiert war. Um diesen Entwicklungen vorzubeugen, ist die Partizipation auch von bislang Zum Weiterlesen (Auswahl): von Innovationsprozessen Ausgeschlossenen von Nutzen. Kutzner, Edelgard (2009): Diversity als Innovationsstrate- gie. Das Selbstanalysetool „Online-Diversity“, in: Schrö- der, Lothar/Kutzner, Edelgard/Brandt, Cornelia (Hrsg.): Fazit Innovation durch Chancengleichheit – Chancengleich- heit als Innovation, Hamburg, S. 192-213 Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass Kutzner, Edelgard (2010): Diversity Management zwischen ein entsprechend gestaltetes Diversity Management Ökonomisierung und Gleichstellungspolitik., in: GENDER geeignet ist, personelle Vielfalt in Unternehmen zur - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Verbesserung von Ökonomie und Chancengleichheit 2/2010, S. 25-41 zu nutzen. Diversity als Erfolgsfaktor zu entwickeln, bedeutet zunächst einmal,die bestehende Vielfalt zum Thema zu machen und dabei auch Benachteiligungen und Ausgrenzungen sichtbar zu machen. Dazu ist es sinnvoll, die vorhandenen Strukturen, Praktiken und Routinen zu hinterfragen. Hierbei kann das angespro- chene Online-Tool Diversity eine Unterstützung bieten. Diversity Management bedarf einer unterstützenden Struktur und eines unterstützenden Klimas, welches Intoleranz reduziert und Offenheit fördert. Der Weg zu einem solchen Verständnis führt über Prozesse des Bewusstwerdens, einer intensiven Kommunika- tion und einer dementsprechenden Umsetzung. Die Verwendung des Begriffes Erfolg bezieht sich dabei sowohl auf den ökonomischen Nutzen als auch den Nutzen für die Chancengleichheit der Beschäftigten. Neben den Organisationsstrukturen ist die Haltung des Managements und der Beschäftigten zur Vielfalt in der Belegschaft entscheidend für den Erfolg eines Diversity Managements. Die vorliegenden Ergebnisse sollen dazu anregen, Gestaltungsmöglichkeiten von Diversity in Unterneh- men sowie öffentlichen und privaten Einrichtungen 3 Woffram, Andrea/Leicht-Scholten, Carmen (2009): Gen- Kutzner, Edelgard (2011): Vielfalt im Innovationsprozess. Konzep- der und Diversity in der Technikentwicklung. In: Schrö- te, Instrumente und Empfehlungen für ein innovationsförderndes der, Lothar/Kutzner, Edelgard/Brandt, Cornelia (Hrsg.): Diversity Management. Bielefeld, IFF-Forschungsreihe Band 18 Innovation durch Chancengleichheit-Chancengleich- (kostenlos zu bestellen bei: kutzner@sfs-dortmund.de) heit als Innovation. Hamburg 2009, S. 128-148
Sie können auch lesen