Zum Abschminken Plastik in Kosmetik - Greenpeace
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ZUM ABSCHMINKEN: PLASTIK IN KOSMETIK Das Ausmaß dieser Verschmutzung wird Zusammenfassung immer alarmierender. Wir müssen sofort Eine der schlimmsten Umweltkrisen unserer handeln, um die Ausbreitung von Kunststoff in Zeit ist die Verschmutzung unseres Planeten die Umwelt zu stoppen, vor allem dort, wo es durch Plastik – und mittlerweile eine der sicht- bereits weniger schädliche Lösungen gibt. barsten Herausforderungen für unsere Ökoys- Ein typisches Beispiel sind die zahlreichen teme. Mikroplastik hingegen ist ein Problem, Produkte des täglichen Bedarfs wie Reini- das mit bloßem Auge nicht so leicht zu sehen gungsmittel, Lacke und Farben, Düngemittel ist. Dabei hat dieses schleichende Kontamina- und Kosmetikprodukte, die Inhaltsstoffe aus tion mit künstlichen Polymeren bereits mit den Plastik enthalten. Fest und flüssig, gel- und Meeresströmungen und über die Atmosphäre wachsartig oder in Form von Schwebstoffen jeden Winkel der Erde erreicht.1,2 in Flüssigkeit: Plastik gelangt in erstaunlich Mikroplastik – damit sind oft feste Kunststoff- vielen Erscheinungsformen in unsere heimi- teilchen mit einem Durchmesser unter 5 mm schen Badezimmer und sogar auf unsere gemeint; das Problem umfasst aber gerade Haut. Etliche Kosmetik- und Körperpflege- auch die oft vergessenen flüssigen Kunst- produkte sind mit Kunststoffen angereichert; stoffen, die sich in der Umwelt ansammeln. sie dienen als billige Schleifmittel (Peeling- Plastik ist heute nicht nur in allen natürlichen Effekt) oder verbessern Glanz und Konsis- Ökosystemen vorhanden, es bildet vielmehr tenz des Produktes.8 Über den Abfluss gelangt sogar schon ein eigenes, neues Ökosystem, das Plastik dann am Ende allerdings oft unge- die Plastisphäre.3 Man findet es mittlerweile filtert in unsere Flüsse und Meere und wird überall: im Schnee der Arktis, in den tiefsten dort zum Problem – zu den Umweltauswir- Ozeangräben bis hin zu den entlegensten kungen der Stoffe ist weiterhin wenig bekannt.9 Ecken der Südsee.4 Aber auch in unserer Damit gehören sie nach dem Vorsorgeprinzip, Atemluft, in Getränken, in Obst, Gemüse, der Leitlinie der europäischen Umweltpolitik, Fischen und Meeresfrüchten – und sogar eindeutig nicht in Produkte, die ins Abwasser schon in menschlichem Blut und gelangen, also eine sogenannte umweltoffene Gewebe.5,6,7 Anwendung haben wie Kosmetik. 1 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31453336/ Die Kosmetikindustrie ist in Europa ein 2 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2018.00238/ full enormer Produktionssektor. 2018 betrug der 3 https://esajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/ Umsatz rund 45 Milliarden Euro. Die größten abs/10.1890/150017 Unternehmen der Branche haben ihren Sitz in 4 https://www.geochemicalperspectivesletters.org/article1829/ 5 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/ 8 https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/ S0013935120305703 dokumente/publikationen/2018/umsicht-studie-mikroplastik-in- kosmetik.pdf 6 https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.est.9b01517 9 https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/research_and_innova- 7 https://www.sciencedaily.com/re- tion/groups/sam/ec_rtd_sam-mnp-opinion_042019.pdf leases/2020/08/200817104325.htm 2
ZUSAMMENFASSUNG Frankreich, Deutschland und Italien. Green- verschluckt werden können. Diese Befunde peace hat Kosmetikprodukte wie Make-up, sind besonders beunruhigend, da es vermehrt Puder, Highlighter, Augen-Make-up, Lippen- Hinweise gibt, dass die Kunststoffe in Form stift und Lipgloss auf Inhaltsstoffe aus Plastik von Mikro- und den noch kleineren Nanoparti- untersucht. Die vorliegende Untersuchung keln auch hochselektive Barrieren wie die Blut- umfasste elf Marken (Catrice, Essence, Hirn-Schranke und die menschliche Plazenta L’Oréal, Deborah, Kiko, Lancôme, Lush, überwinden können.10,11 Maybelline, Nyx, Sephora und Wycon) und war in zwei Phasen unterteilt: Da es für Kunststoffe in flüssiger, halbfester und löslicher Form bis heute keine Analyse- PHASE 1 Online wurden die Listen der Inhalts- methode gibt, um sie sicher zu detektieren, stoffe von 664 Make-up-Produkten auf 530 konzentrierten sich die Laboruntersuchungen Polymere hin überprüft, 16 davon waren feste auf den Nachweis von festen Plastik-Partikeln Plastik-Arten und 514 flüssiges, halbfestes (Mikroplastik) in elf Produkten. Die Analysen und lösliches Plastik. Aus der Überprüfung der zeigten, dass in vier Produkten Polyethylen Inhaltsstoffe auf den offiziellen Websites der vorhanden war (Highlighter Sephora, Lippen- Unternehmen ging hervor, dass in 76 Prozent stift Maybelline, Augen-Make-up Kiko und der Produkte Kunststoffe enthalten sind. In Deborah), in zwei Produkten Polymethyl- 26 Prozent der Produkte sind dies feste Plas- methylacrylat (Highlighter Nyx und Make-up tikpartikel (Mikroplastik), in den restlichen Kiko) und in einem Puder Polyamid/Nylon-12 Produkten Plastik in flüssiger, halbfester oder (Wycon). Außerdem konnten mit der verwen- löslicher Form. deten Analytik in drei Produkten keine Inhalts- stoffe aus festem Plastik nachgewiesen werden, obwohl diese auf der Liste der Inhalts- stoffe angegeben waren, wahrscheinlich Die fünf Marken aufgrund der zu geringen Größe der Teilchen mit dem höchsten Anteil oder weil sie mit Pigmenten verbunden waren. an Produkten, 10 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcb.14020 die Plastik enthalten, waren: 11 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/ Maybelline (85 %), S0160412020322297 Deborah (84 %), Sephora (83 %), Wycon (78 %) und Lancôme (77 %). Die Kategorien, in denen am häufigsten Plastik gefunden wurde, waren, in absteigender PHASE 2 Im Labor wurden elf ausgewählte Reihenfolge, Produkte genauer auf ihre gelisteten Augen-Make-up (90 %), Kunststoffbestandteile, sowie auf das Lippenstifte und Lipgloss Vorhandensein weiterer Plastik-Arten (73 %), Make-up (71 %), hin analysiert. Highlighter (66 %) und Puder (51 %). Die Ergebnisse zeigen, dass Plastik-Inhalts- stoffe ausgerechnet in den Produkten, die mit sensiblen Körperteilen wie Augen und Lippen in Kontakt kommen, häufig enthalten sind und so von Verbraucher:innen eingeatmet oder 3
ZUSAMMENFASSUNG Schon 2017 hat Greenpeace Mikroplastik in Der Weg der Regierung, die seit Jahren auf Drogerie- und Kosmetikprodukten nachge- freiwillige Selbstverpflichtung setzt, um Mikro- wiesen.12 Die Regierungen in Deutschland und plastik aus Drogerieprodukten und Kosmetik Österreich setzen jedoch bis heute nur auf frei- zu entfernen, ist somit gescheitert. Der willige Selbstverpflichtung der Firmen statt auf Einsatz von Mikroplastik in Produkten, die ins ein klares Verbot von Mikroplastik in Kosmetik. Abwasser gelangen und damit eine umwelt- Da der Einsatz von Mikroplastik in Kosmetik- offene Anwendung haben wie Kosmetika, und Körperpflegeprodukten mittlerweile auch muss nach dem europäischen Vorsorgeprinzip in der Öffentlichkeit in die Kritik geraten ist verboten werden. und Kund:innen vom Kauf abschreckt, haben Greenpeace sieht das Umweltministerium in zahlreiche Hersteller einen freiwilligen Verzicht der Pflicht, eine solche gesetzliche Regelung angekündigt. Teilweise bewerben sie ihre in die Wege zu leiten, und fordert es auf, jetzt Produkte schon als mikroplastikfrei13 – doch ein starkes europäisches Verbot aller Arten von der schöne Schein trügt, wie die vorliegende zugesetztem Plastik in Kosmetikartikeln voran- Greenpeace-Untersuchung zeigt. Da es bis zutreiben. Die Kosmetikunternehmen müssen heute keine offizielle einheitliche Definition von sofort aufhören, Inhaltsstoffe aus Plastik zu Mikroplastik gibt, legt jeder Hersteller prak- verwenden. Auf diese Weise wäre ein wichtiger tisch eigenmächtig fest, was er unter dem Sektor für Konsumgüter nicht mehr Verursa- Begriff versteht und auf welche Produkte sich cher dieser Umweltverschmutzung, sondern der freiwillige Verzicht bezieht. Die Auslegung könnte sich zu einem Vorreiter für Nachhal- des Begriffs Mikroplastik reicht dann häufig tigkeit entwickeln. Für die Kosmetikindus- nur so weit, wie es gerade in den Produktions- trie ist es an der Zeit, dem schönen Schein ablauf passt. In fast allen Fällen sind ledig- und den grünen Versprechen Taten folgen zu lich feste Plastikpartikel gemeint, oft sogar nur lassen und die Gesundheit der Menschen und solche aus Polyethylen – nicht aber suspen- unseres Planeten nicht weiter zu belasten. Das dierte sowie flüssige, wachs- und gelartige gängige Argument, es mangele an brauch- Kunststoffe. Diese werden von den Poly- baren Alternativen zu Plastik, überzeugt nicht. meren allerdings am häufigsten in den Kosme- Dass es anders geht, zeigen ganz deut- tikprodukten eingesetzt und ihre Umwelt- lich die Hersteller zertifizierter verträglichkeit ist weitestgehend ungeklärt. Naturkosmetik: Deren Außerdem beziehen viele Hersteller ihren frei- Produkte sind grund- willigen Ausstieg nur auf Rinse-off-Produkte, sätzlich frei von Erdöl- die sofort wieder von Haut und Haaren abge- produkten. waschen werden, wie Peelings, Shampoos oder Duschgel. Sämtliche anderen Leave-on- Produkte, die vorerst auf Haut und Haaren verbleiben und zu einem späteren Zeitpunkt abgewaschen werden, zählen nicht dazu, also insbesondere Make-up-Artikel. 12 https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/ publications/s02031-greenpeace-report-plastik-kosmetik-oeko- tox-21070522.pdf 13 https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/ publications/20170412-greenpeace-plastik-kosmetik-firmenab- frage.pdf 4
1 MIKROPLASTIK In den vergangenen Jahren hat die weltweite Plastikverschmutzung größere Aufmerk- samkeit in Wissenschaft, Politik und Gesell- schaft erlangt. Doch obwohl die Daten über die Freisetzung und die Verbreitung von Plastik auf unserem Planeten und seine mögli- chen Umweltauswirkungen immer alarmie- render werden, gibt es nach wie vor keine konkreten Maßnahmen auf politischer und industrieller Ebene, die das Problem lösen.14 Viele Forschungsarbeiten haben sich bisher Plastikprodukten werden zur Verbesserung der auf festes Mikroplastik konzentriert. Mikro- Materialeigenschaften viele Arten an Zusatz- plastik gehört, wie alle Kunststoffe, zu den stoffen wie Weichmacher, Flammschutzmittel vom Menschen geschaffenen künstlichen oder Farbstoffe mit oft gesundheits- oder Polymeren: einer Gruppe chemischer Verbin- umweltschädlichen Eigenschaften beige- dungen, die aus langkettigen Makromolekülen fügt. Diese Additive können aus den entste- aufgebaut sind. Diese wiederum bestehen henden Plastikpartikeln austreten und sich aus einer Vielzahl von kleinen, sich wieder- in der Umwelt anreichern, man spricht vom holenden Einheiten (Monomeren). Der Begriff Auslaugen der Schadstoffe in die Umwelt.16 Mikroplastik ist jedoch bislang nicht einheitlich Andererseits können Schadstoffe, die bereits definiert und wird unterschiedlich verwendet. in der Umgebung vorhanden sind, sich So werden darunter oft feste Kunststoff wiederum an Plastikpartikel binden – beispiels- partikel in der Größe von 1 nm bis kleiner als weise Dioxin, DDT, Nonylphenol oder andere 5 mm verstanden.15 Besonders von diesen Pestizide aus Industrie und Landwirtschaft. festen Plastikpartikeln ist bereits bekannt, Plastikpartikel können durch ihre löchrige dass sie teils ungefiltert über unsere Abwässer Struktur oft wie kleine Schwämme wirken, in Flüsse und Meere gelangen. Einmal in die so kann der Schadstoffgehalt am Partikel bis Umwelt gelangt, zerfallen sie durch chemische zu einer Million Mal höher sein als im umge- und physikalische Prozesse der Witterung zu benden Wasser.17 Letztlich kann sich Mikro- immer kleineren Fragmenten, sogenanntem plastik dann wieder in der Nahrungskette Nanoplastik; biologisch abgebaut wird Plastik anreichern und so auch in den menschlichen in der Umwelt jedoch nicht. Körper gelangen.18 Dort können die Kunst- 14 https://www.pewtrusts.org/en/research-and-analysis/artic- stoffteilchen samt ihrer oft angereicherten les/2020/07/23/breaking-the-plastic-wave-top-findings Zusatzstoff-Fracht sowohl physisch als auch 15 https://wedocs.unep.org/handle/20.500.11822/7720 chemisch zum Problem werden.19 Bei Tieren ist belegt, dass sie etwa Entzündungen im Darmtrakt hervorrufen, die Nahrungsaufnahme oder das Fortpflanzungsverhalten beeinflussen und sogar Gewebe- und Zellbarrieren durch- dringen. 16 https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikatio- nen/rep0550.pdf 17 https://www.wur.nl/en/Publication-details.htm?publicatio- nId=publication-way-343430303039 18 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31476765/ 19 https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.9b02293 5
1 MIKROPLASTIK Im Durchschnitt nimmt ein Mensch heute lich ihrer Umweltverträglichkeit.21 Andere schon bis zu 5 Gramm Plastik pro Woche auf, hingegen gelten als langlebig, bioakkumulie- das entspricht in etwa dem Gewicht einer rend oder auch giftig für Meeresorganismen. Kreditkarte.20 Obwohl wir dieser Verschmut- Dass es wenig Forschung dazu gibt, liegt vor zung täglich ausgesetzt sind und nicht mehr allem daran, dass es schwierig ist, diese Subs- verhindern können, dass wir Mikroplastik mit tanzen in Analysen nachzuweisen, und dass unseren Nahrungsmitteln, Wasser und sogar es keine geltenden Rechtsvorschriften zu der Luft, die wir atmen, in unseren Körper ihrer Verwendung gibt. Ein weiterer Grund zur aufnehmen, gibt es bislang keine abschlie- Besorgnis ist die Tatsache, dass die wenigen ßenden Studien über die möglichen negativen flüssigen Kunststoffe, deren Produktions- Auswirkungen auf unsere Gesundheit – es gibt mengen bekannt sind, im großen Umfang (in aber auch keine ausreichenden Forschungser- der Größenordnung von Millionen Tonnen pro kenntnisse, die diese ausschließen können.9 Jahr) für unterschiedliche Zwecke mit umwelt- offenen Anwendungen genutzt werden. Poly- mere wie beispielsweise Polyacrylamide 1.1 Flüssiges, halbfestes werden in Wasseraufbereitungsanlagen, in der und lösliches Plastik Landwirtschaft für Düngemittel oder bei Öl- Neben den festen Bestandteilen gibt es auch und Gasbohrungen sowie in einigen Konsum- diverse Inhaltsstoffe aus Plastik in flüssiger, produkten verwendet. Einmal in die Umwelt gel- und wachsartiger oder löslicher Form, entlassen, können sie andere Stoffe bilden wie die nicht unter das gängige Verständnis von Acrylamide, die eine neurotoxische Wirkung festem Mikroplastik fallen. In den von Green- haben können.22 Derzeit gibt es allgemein nur peace untersuchten Marken wurden diese wenige aktuelle wissenschaftliche Erkennt- Kunststoffarten jedoch in 73 Prozent der nisse über flüssige, halbfeste und lösliche Produkte gefunden und stellen somit deut- Kunststoffe. Weil Kläranlagen diese nicht voll- lich den Hauptteil der eingesetzten Kunst- ständig aus dem Abwasser filtern können, stoffarten. Bislang ist die Wissenschaft darin gelangen sie oft ungehindert in die Gewässer einig, dass diese Kunststoffe in die Umwelt oder über den Klärschlamm auch auf unsere gelangen, aber für die große Mehrheit dieser Äcker.16,23 Es herrscht große Unsicherheit synthetischen Polymere (und deren zahl- über ihre Verbreitung in den unterschiedlichen reiche Mischungen) gibt es überhaupt keine Ökosystemen und über ihre möglichen Auswir- oder nur sehr lückenhafte Kenntnisse bezüg- kungen auf die Umwelt. Die einzige Gewissheit 20 https://apo.org.au/node/244456?utm_source=APO- im Zusammenhang mit flüssigen, halbfesten feed&utm_medium=RSS&utm_campaign=rss-research und löslichen Kunststoffen ist, dass es unmög- lich ist, sie zu entfernen, wenn sie einmal in die Umwelt gelangt sind. Aufgrund ihrer Persistenz und schwerer bis nicht vorhandener biolo- gischer Abbaubarkeit verursachen sie eine Verunreinigung, die jahrhundertelang bestehen bleibt.9,16,23 21 https://europepmc.org/article/med/32505887 22 https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.est.9b07089 23 https://act.greenpeace.de/wege-aus-der-plastikkrise 6
1 MIKROPLASTIK 1.2 Woher stammt das in die Umwelt.16 Das im Klärschlamm gebundene Mikroplastik? Mikroplastik dient sogar schon in einigen Unter- suchungen als Langzeitindikator zum Nachweis Primäres Mikroplastik bezeichnet Plastikarten, der Klärschlammausbringung auf landwirtschaft- die bewusst in der kleinen Größe hergestellt lichen Flächen.26 werden, und in Form von Kugeln, Granulat, Die Mengen von primärem Mikroplastik sind Fasern oder auch in flüssiger Konsistenz zwar kleiner als die Mengen, die an sekundärem verschiedenen Produkten wie Kosmetika, Mikroplastik in die Umwelt gelangen, aber ihre Reinigungsmitteln oder Düngemitteln als Emission durch umweltoffene Anwendungen Inhaltsstoffe beigesetzt werden. Sie werden wie in Kosmetik und Reinigungsmitteln können auch als Füllstoff für Fußballfelder und als sofort verhindert werden. Aufgrund ihrer geringen Granulate für die Plastikproduktion genutzt. Größe ist es praktisch unmöglich, Mikrokunst- Als sekundäres Mikroplastik werden hingegen stoffe wieder zu entfernen, wenn sie einmal in die Plastikpartikel definiert, die durch mechani- Umwelt gelangt sind. Die Verschmutzung durch sche Beanspruchung oder witterungsbedingte primäres Mikroplastik lässt sich nur dadurch Zerkleinerung größerer Kunststoffprodukte verhindern, dass es nicht mehr produziert entstehen.24 und eingesetzt wird. Doch obwohl den Unter- In Deutschland gelangen jährlich etwa 330.000 nehmen bewusst ist, dass diese Teilchen nach Tonnen primären Mikroplastiks aus diversen der Verwendung für Jahrhunderte den Planeten Quellen in die Umwelt, das entspricht rund verschmutzen, werden sie weiter produziert und 4 Kilogramm pro Person pro Jahr.25 Es wird in zahlreichen Produkten verwendet. geschätzt, dass jährlich 50.000 Tonnen Kunst- stoffe in Deutschland als Zusatz in Kosmetik-, 26 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/ S0269749105002290 Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukten eingesetzt werden.8 Beide Typen von Kunst- stoffen, primäres- sowie sekundäres Mikro- plastik, können durch Kläranlagen nur unzu- reichend aus dem Abwasser herausgefiltert werden und wenn, reichern sie sich oft im Klär- schlamm an und gelangen darüber auf Felder 24 https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikatio- nen/rep0550.pdf 25 https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/ dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsorti- alstudie-mikroplastik.pdf 7
2 RECHTSVORSCHRIFTEN In Europa haben mehrere Länder einige Einschränkungen für das Inverkehrbringen von Produkten mit bewusst zugesetzten Kunst- stoffen (primärem Mikroplastik) beschlossen. Dabei wurden jedoch nicht alle Produktkate- gorien berücksichtigt und die flüssigen, gel- und wachsartigen Kunststoffe oft gar nicht betrachtet. Fast kein europäisches Land hat die Produktion und den Einsatz von primärem Mikroplastik in Kosmetik verboten, wenn über- haupt, dann wurde nur die Nutzung fester Auch in Österreich gibt es noch keine gesetz- Plastikpartikel reguliert. liche Grundlage zum Verbot von Mikroplastik in Produkten. Im Programm der österreichischen In Deutschland gibt es bisher keine gesetzliche Bundesregierung (2019) wurde jedoch fest- Grundlage zum Verbot von primärem Mikro- gehalten, dass ein Aktionsplan gegen Mikro- plastik in Kosmetik- und Pflegeprodukten. Das plastik erarbeitet werden soll. Maßnahmen verantwortliche Umweltministerium setzt seit darin sind unter anderem: Forschung und 2013 lediglich auf eine freiwillige Selbstver- Datenerhebung, Nachrüstung von Kläran- pflichtung der Kosmetikfirmen im Rahmen des lagen, Verbot für die Ausbringung von Klär- Kosmetik-Dialogs.13,27 „Das Umweltministe- schlamm, wenn er mit Mikroplastik belastet rium führt seit Ende Oktober 2013 Gespräche ist. Auf europäischer Ebene wird sich Öster- mit den Herstellerfirmen und deren Verbänden reich für ein Verbot von Mikroplastik in der über eine zeitnahe Umsetzung des angekün- Produktion einsetzen, insbesondere für einen digten Ausstiegs.“ In den Bundestag einge- europaweiten Ausstieg aus der Verwendung brachte Gesetzesvorlagen wie ein „Gesetz- von Mikroplastik in Kosmetika und Reini- entwurf nach dem Vorbild Schwedens zum gungsmitteln. Sollte kein europäisches Verbot Verbot von Mikroplastik [so wie der Einsatz] kommen, wird ein nationales Verbot von „add- in allen Kosmetika und Körperpflegepro- ons“ (Mikroplastikpartikel in Produkten) ange- dukten aufgrund der Umweltbelastung der strebt.30 Meere sowie der Einsatz für ein vollständiges zeitnahes Verbot innerhalb der EU“ wurden hingegen mit den Stimmen der Bundesregie- 2.1 Der Vorschlag der EU und die rung 2018 abgelehnt.28 Auf EU-Ebene befür- Rolle der Industrielobby wortet das Umweltbundesministerium den Im Januar 2018 hat die Europäische Agentur vorliegenden, abgeschwächten Entwurf.29 für chemische Stoffe (ECHA) im Rahmen der European Plastic Strategy begonnen, einen 27 https://www.umweltbundesamt.de/themen/mikroplastik-in- Vorschlag zur Einschränkung von bewusst kosmetika-was-ist-das zugesetzten Kunststoffen (primärem Mikro- 28 https://www.bundestag.de/resource/blob/673912/a7220fca- 48c5abe19a212294227eb91b/WD-8-076-19-pdf-data.pdf plastik) in zahlreichen Produktkategorien 29 https://www.bmu.de/wenigeristmehr/vorschlag-verpackungs- auszuarbeiten.31 gesetz/ 30 https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/angebot/ analytik/factsheet-mikroplastik_202003.pdf 31 https://echa.europa.eu/documents/10162/ddf89aed-5bb8- ebf3-48d4-b06134641179 8
2 RECHTSVORSCHRIFTEN Der Vorschlag, der noch in Vorbereitung ist, Der derart abgeschwächte Vorschlag droht die soll in den nächsten Monaten beschlossen positiven Effekte auf die Umwelt zu reduzieren werden und könnte in den kommenden und verdeutlicht den Einfluss der Industrie- zwanzig Jahren die Freisetzung von unge- lobby. Die Kosmetikindustrie erklärt die bean- fähr 400.000 Tonnen Plastik in die Umwelt tragte Verlängerung mit den hohen Kosten, verhindern. Der Vorschlag der ECHA umfasst die durch die Änderung der Rezeptur ihrer jedoch nur feste Plastikpartikel und gilt nicht Produkte verursacht würden: Eine fadenschei- für Kunststoffe in flüssiger, halbfester und nige Begründung, denn die Unternehmen löslicher Form. Aufgrund des starken Drucks kennen die Auswirkungen von Mikroplastik,33 durch die Industrielobby wurde der Vorschlag und sie wissen ganz genau, welche Alterna- der ECHA schon jetzt mehrmals abgeändert tiven schon verfügbar sind. Dass es anders und im Vergleich zur ersten Formulierung stark geht, zeigen die Hersteller zertifizierter Natur- abgeschwächt:32 kosmetik. Hier werden grundsätzlich keine Paraffine und anderen Erdölprodukte einge- • Das Inkrafttreten der Beschränkung wurde setzt, egal in welcher Konsistenz sie vorliegen.8 auf 2022 verschoben. 33 https://echa.europa.eu/documents/10162/ddf89aed-5bb8- ebf3-48d4-b06134641179 • Das Inkrafttreten der Bestimmungen wurde für einige Warengruppen ungerechtfertigt verschoben: 2026 für Rinse-off-Kosme- tika, 2027 für Reinigungsmittel, Wachse, Produkte für die Landwirtschaft und Düngemittel, 2028 für Leave-on-Kosmetika, Make-up und Sportplätze aus Kunstrasen, 2030 für landwirtschaftliche Produkte für den Pflanzenschutz. • Für die Definition von Mikroplastik wurde eine Untergrenze von 100 Nanometern eingeführt. Diese Untergrenze würde der Industrie ermöglichen, sehr kleine Teilchen (Nanoplastik) zu verwenden, die mögli- cherweise gefährlicher für die Gesund- heit sind, weil sie direkt durch das Gewebe eindringen können. 32 https://echa.europa.eu/documents/10162/ddf89aed-5bb8- ebf3-48d4-b06134641179 9
3 DIE MAKE-UP- INDUSTRIE IN EUROPA Die Bedeutung, die Kosmetikprodukte im täglichen Leben haben, ist unbestritten. Schätzungen des italienischen Kosmetikverbands zufolge verwendet jede:r von uns durchschnittlich rund acht Kosmetikprodukte am Tag. Laut Statista In Frankreich dominieren große Konzerne erzielte die Kosmetikindustrie in Europa im wie beispielsweise L’Oréal den Markt. Dem Jahr 2018 rund 45 Milliarden Euro Umsatz.34 Unternehmen gehören vier Marken, die in Der Kosmetikmarkt wird von italienischen und dieser Untersuchung analysiert wurden französischen Firmen dominiert. Frankreich (L’Oréal Paris, Maybelline New York, Lancôme hält mit rund 17 Milliarden Euro den größten und Nyx). Eine positive Entwicklung, die Anteil am Kosmetik-Umsatz in Europa, gefolgt wahrscheinlich auch mit der derzeitigen von Deutschland (rund 9 Milliarden) und Italien Corona-Gesundheitskrise zusammenhängt, (rund 5,4 Milliarden). ist das wachsende Interesse an nachhaltigen Produkten. Der Kosmetiksektor ist hier 34 Statista: https://bit.ly/3qpPTVC keine Ausnahme: Für 63 Prozent der Konsument:innen von Kosmetikprodukten ist deren Nachhaltigkeit eine Grundbedingung.35 Laut einer Umfrage des deutschen Kosmetikverbands ist Nachhaltigkeit für Verbraucher:innen nach Qualität und Preis- Leistungs-Verhältnis mittlerweile das drittwichtigste Kaufkriterium.36 35 https://summit.pambianconews.com/wp-content/up- loads/2020/09/4_PwC_Nicola-Giorgi.pdf 36 https://www.tagesspiegel.de/advertorials/ots/ vke-kosmetikverband-prestigekosmetik-20-prozent- umsatzeinbruch-fuer-2020-erwartet-markenpiraterie- postweg-als-einfallstor-fuer-faelschungen-nachhaltigkeit-konsu- mentinnen-wuenschen-sich-mehr-fakten/25929490.html 10
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Ein Bericht von Greenpeace über Reinigungs- mittel („Flüssigplastik: Der neueste Trick, um unsere Meere zu vergiften“)37 hat gezeigt, dass in den meisten Haushaltsreinigern Plastik enthalten ist. Auch Körperpflegepro- dukte hat Greenpeace bereits 2017 im Report „Vom Waschbecken ins Meer“ untersucht.12 Doch nicht nur in Duschgels und Handseifen versteckt sich Mikroplastik. Greenpeace hat 4.1 Online-Untersuchung jetzt gezielt Make-up-Produkte untersucht, Die Rechtsvorschriften,38,39 die die Kenn- um festzustellen, ob trotz Ausstiegsverpflich- zeichnung von Kosmetikprodukten regeln, tungen der Firmen auch in diesen Produkten, verpflichten sowohl die Hersteller als auch die die wir üblicherweise auf unser Gesicht, auf die Unternehmen, die die Produkte auf den Markt Lippen und um die Augen auftragen, Kunst- bringen, auf der Verpackung die Liste der stoffe enthalten sind. In der Untersuchung Inhaltsstoffe (gemäß der INCI-Nomenklatur: wurden Make-up, Puder, Highlighter, Augen- International Nomenclature of Cosmetic Ingre- Make-up, Lippenstifte und Lipgloss von elf dients) deutlich sichtbar anzubringen. Dabei Marken analysiert: von drei italienischen (Kiko sind sie in absteigender Reihenfolge nach der Milano, Deborah Milano, Wycon), fünf fran- vorhandenen Menge aufzulisten. In der Realität zösischen (L’Oréal, Lancôme, Nyx, Maybel- sucht man allerdings die Inhaltsstoffe auf line, Sephora), zwei deutschen (Catrice und Mascara, Lipgloss und Puder in der Drogerie Essence) und einer englischen (Lush). Unter oft vergeblich, denn um sie zu finden, müsste ihnen ist eine Marke, die bei ihren Produkten man das Produkt kaufen und öffnen. Im einen bewussten Fokus auf Umweltverträglich- Gegensatz zu Lebensmitteln ist die Gesetzge- keit setzt (Lush), die anderen Marken gehören bung außerdem vage bezüglich der Verpflich- zu den bekanntesten und am häufigsten tung, die INCI-Bezeichnungen auch auf den verwendeten in Deutschland und Österreich. Plattformen für den Online-Verkauf anzugeben. Es wurden nicht alle erhältlichen Kosmetikpro- In einer Gesellschaft, die immer stärker zum dukte der Hersteller untersucht, sondern stich- Online-Kauf tendiert, sollten Unternehmen probenartig Produkte aus jeder Produktkate- alle Produktdetails, die wir normalerweise in gorie ausgewählt. den Geschäften finden, auch online angeben Bei der Untersuchung gab es zwei Herange- müssen. hensweisen: eine Online-Recherche, bei der 38 VERORDNUNG (EG) Nr. 1223/2009 DES EUROPÄISCHEN die Auflistungen der Inhaltsstoffe der Produkte PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/IT/ auf Kunststoffe hin untersucht wurden, und TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1223&from=EN) eine Laboruntersuchung einer kleineren Anzahl 39 VERORDNUNG (EG) N. 655/2013 DER KOMMISSION vom an Produkten, um Partikel in fester Form 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begrün- dung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen (Mikroplastik) nachzuweisen. Mitteln (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/IT/TXT/?uri=CE- LEX%3A32013R0655) 37 Grennpeace “Plastica liquida: l’ultimo trucco per avvelenare il nostro mare“ https://storage.googleapis.com/planet4-italy-state- less/2020/07/8707a2f2-gp_report_detersivi.pdf 11
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Bei der Recherche stellte sich heraus, dass Dort wird auch erklärt, dass das Unter- es in vielen Fällen kaum möglich ist, die nehmen den Inhaltsstoff durch Alternativen komplette Auflistung der Inhaltsstoffe online zu ersetzen will.40 Diesen Winter hat Lush bereits finden – bei fast allen von Greenpeace ausge- bei Lippenstiften PVP durch Rizinusöl ersetzt. wählten Marken stießen wir auf Produkte, zu Ein Ausstiegsdatum für die übrigen Produkte denen sich auf der jeweiligen Unternehmens- nennt die Firma jedoch nicht. Bei den anderen website nur unvollständige Informationen zur Unternehmen ist, je nach Marke, in Zusammensetzung fanden. Die Inhaltsstoffe 67 Prozent bis 85 Prozent der untersuchten der Maybelline-Produkte konnten zum Beispiel Produkte Plastik enthalten. Wenn man nur nicht der offiziellen Website entnommen die festen Bestandteile betrachtet, schwankt werden. dieser Prozentsatz je nach Marke zwischen 11 und 52 Prozent (Infografik 1). Von den 664 Produkten, die in der Online- 40 https://it.lush.com/ingredients/polyvinylpyrrolidone-pvp Recherche auf 16 feste und 514 flüssige Plas- tikarten hin untersucht wurden, enthielten 76 Prozent mindestens einen Inhaltsstoff aus Plastik. 26 Prozent enthielten Inhaltsstoffe aus Plastik in fester Form (Mikroplastik), während bei den übrigen Plastik in flüssiger, halbfester oder löslicher Form enthalten war (Infografik 1). Von den elf untersuchten Marken (Infografik 1) waren nur die Produkte von Lush frei von festem Mikroplastik. Allerdings enthalten einige Produkte von Lush weiterhin Polyvi- nylpyrrolidon (PVP), einen Kunststoff in flüs- siger Form, der zu den am häufigsten von den Unternehmen verwendeten Stoffen zählt. Lush ist sich der Verwendung dieses Inhaltsstoffs bewusst und kommuniziert dies sehr transpa- rent auf der eigenen Website. 12
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Anzahl der überprüften Marke Produkte (Online- L Recherche) Anzahl der Produkte, in Brand Angabe, ob das deren Inhaltsstoff-Liste Plastik als Bestandteil Unternehmen freiwillige angegeben ist Ausstiegsverpflichtungen in Bezug auf den Anzahl der Produkte, in Einsatz von Plastik deren Inhaltsstoff-Liste eingegangen ist festes Mikroplastik als Bestandteil angegeben ist Welche Informationen finden Konsument:innen auf der Website der Anteil der Produkte mit Unternehmen zu festem Mikroplastik (links) Plastik-Inhaltsstoffen Anteil der Produkte mit festem oder flüssigem Plastik (rechts) L 36 L 58 Steckbrief 26 Ausschluss von festen Mikroplastik-Partikeln 49 der untersuchten 8 bis 2023 und von ausgewählten flüssigen Polymeren 30 keine Marken 22% 72% (ohne Datum) 52% 84% Fast alle INCI-Angaben Alle INCI-Angaben L 35 L 111 L 70 25 Ausschluss von festen Mikroplastik-Partikeln 83 keine 54 keine bis 2023 und von 4 ausgewählten flüssigen Polymeren (ohne Datum) 32 25 11% 71% 29% 75% Fast alle INCI-Angaben 36% 77% Fast alle INCI-Angaben Alle INCI-Angaben L 37 L 77 L 47 28 Ausschluss von festen Mikroplastik-Partikeln 51 Legt einen Fokus auf Nachfüllpackungen und 40 keine als Peeling bis 2025, feste Seifen/Shampoos, 5 kein Ausschluss von flüssigem Plastik 0 verwendet kein festes Mikroplastik 18 14% 76% 0% 66% Detaillierte Beschrei- 38% 85% Keine Angaben zu INCI Alle INCI-Angaben bung aller Inhaltsstoffe L 64 L 42 L 87 43 keine 35 keine 68 keine 20 10 24 31% 67% Fast alle INCI-Angaben 24% 83% Fast alle INCI-Angaben 28% 78% Fast alle INCI-Angaben Infografik 1: Anzahl der Produkte pro Marke, bei der online das Vorhandensein von Inhaltsstoffen aus Plastik und der entsprechende Prozentsatz überprüft wurde. 13
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Die Produktkategorien, bei denen am häufigsten Inhaltsstoffe aus Plastik festgestellt wurden, sind Augen-Make-up (90 %), gefolgt von Lippenstift und Lipgloss (73 %), Make-up (71 %), High- lighter (66 %) und Puder (51 %) (Tabelle 1). Festes Mikoplastik war in Lippenstiften und Lipgloss (40 %), gefolgt von Puder (28 %), Highlighter (25 %), Make-up (15 %) und Augen-Make-up (13 %) vorhanden (Infografik 2). Anzahl der Produkte, Anzahl der Produkte, Wie viele Prozent Anzahl aller die mind. einen Wie viele Prozent die mind. einen der Produkte untersuchten Inhaltsstoff aus der Produkte Inhaltsstoff aus festem enthielten festes Produktkategorie Produkte Plastik enthalten enthielten Plastik Mikroplastik enthalten Mikroplastik PUDER 43 22 51 % 12 28 % MAKE-UP 146 104 71 % 22 15 % HIGHLIGHTER 95 63 66 % 24 25 % AUGEN- MAKE-UP 156 140 90 % 21 13 % LIPPENSTIFTE & LIPGLOSS 224 164 73 % 89 40 % Tabelle 1: Anzahl der Produkte pro Kategorie und Vorhandensein von Plastik und Mikroplastik. AUGEN-MAKE-UP 90 % Inhaltsstoffe HIGHLIGHTER aus Plastik 66 % Inhaltsstoffe 13 % festes Mikroplastik aus Plastik 25 % festes Mikroplastik PUDER 51% Inhaltsstoffe aus Plastik 28 % festes Mikroplastik MAKE-UP 71 % Inhaltsstoffe aus Plastik 15 % festes Mikroplastik LIPPENSTIFTE & LIPGLOSS 73 % Inhaltsstoffe aus Plastik 40 % festes Mikroplastik Infografik 2 14
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Die häufigsten Kunststoffe waren: Polyethylen Die Datenbank der ECHA bietet Informationen in 107 Produkten, Polyvinylpyrrolidone (PVP) über die Toxizität von chemischen Substanzen, in 91 Produkten, Polybutene in 91 Produkten, die im Rahmen der europäischen REACH- Trimethylsiloxysilicate in 69 Produkten, Acry- Verordnung (REACH: Regulation, Evaluation, lates Copolymer in 62 Produkten, Nylon-12 Authorization and Restriction of Chemicals) in 55 Produkten und Dimethicone in 41 der registriert wurden. Unter den zehn häufigsten Produkte. Von diesen sind Polyethylen und Kunststoffen, die im Rahmen dieser Unter- Nylon-12-Kunststoffe in fester Form suchung nachgewiesen wurden (Polyethylen, (Infografik 3). PVP, Polybutene, Trimethylsiloxysilicate, Acry- Die besorgniserregendste Erkenntnis aus der lates Copolymer, Nylon-12, Dimethicone, Untersuchung ist, dass in den Produkten, die Styrene/Acrylates/Ammonium Methacy- auf sensible Körperbereiche wie Augen und late copolymer, Vinyl Dimethicone/Methicone Lippen aufgetragen werden, Kunststoffe (feste Silsesquioxane Crosspolymer, Methyl Metha- und nicht feste) am häufigsten vorkamen. crylate Crosspolymer), werden von der ECHA drei als gefährlich eingestuft: Polyethylen • Polybutene: Substanz, die schädlich sein 107 kann, wenn sie geschluckt wird oder wenn sie in die Atemwege gelangt. Sie ist leicht Polyvinylpyrrolidone (PVP) entzündlich, kann langfristig schädliche Auswirkungen für Wasserorganismen verur- 91 sachen und führt zu Hautreizungen.41 Polybutene • Acrylates Copolymer: Gefährliche Subs- tanz, die schwere Reizungen der Augen und 91 der Haut verursacht und auch die Atem- wege reizen kann.42 Trimethylsiloxysilicate • Vinyl Dimethicone/Methicone Silsesquio- 69 xane Crosspolymer: Substanz, die schäd- lich sein kann – brennbar, wenn sie fest ist, hochentzündlich, wenn sie flüssig oder Acrylates Copolymer gasförmig wird.43 62 Nylon-12 41 https://echa.europa.eu/it/substance-information/-/substan- ceinfo/100.105.515#CAS_NAMEScontainer 55 42 https://echa.europa.eu/it/substance-information/-/substan- ceinfo/100.130.081 Vinyl Dimethicone/Methicon 43 https://echa.europa.eu/it/substance-information/-/substan- Silsesquioxane Crosspolymer ceinfo/100.168.034 41 Infografik 3: Verteilung der Kunststoffe, die am häufigsten in den Online-Inhaltsstoffangaben der Produkte gefunden wurden. 15
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE 4.2 Laboranalyse In zwei Proben (Nyx – Highlight & Contour Pro Palette, Highlighter; Kiko – Nourishing Perfec- Greenpeace hat in einem Labor elf Produkte tion Cream Compact Foundation, Make-up) auf das Vorhandensein von festen Plastik- wurde Polymethylmethylacrylat nachgewiesen, partikeln (feste Kunststoffteilchen mit einem während Polyamid/Nylon-12 in einem Produkt Durchmesser unter 5 mm) überprüfen lassen. gefunden wurde: (Wycon – Neon Dust Loose Dabei wurden Analyseverfahren und Geräte Powder, Puder) in Form von kugelförmigen verwendet, mit denen Teilchen mit Abmes- Mikropartikeln. Schließlich wurden in einem sungen bis zu einer Mindestgröße von Produkt (Deborah – Instant Maxi Volume, 10 Mikrometer identifiziert werden können Augen-Make-up) Mikrofasern aus Polyethy- (Anhang 1). Die zu überprüfenden Produkte lenterephthalat gefunden, besser bekannt wurden so ausgewählt, dass die meisten unter der Abkürzung PET, das in der Regel der elf Marken, deren Inhaltsstoffe schon bei zur Herstellung von Kunststoffflaschen und der Online-Recherche untersucht wurden, -behältern verwendet wird. In drei Produkten enthalten waren und jede Produktkategorie konnten keine Inhaltsstoffe aus Plastik nach- berücksichtigt wurde: vier Augen-Make-ups gewiesen werden, obwohl sie in den INCI- (Lancôme, Lush, Kiko und Deborah), zwei Listen aufgeführt sind. Das kann verschiedene Lippenstifte (Maybelline und Kiko), zwei Make- Gründe haben: Wenn die Größe der Kunst- ups (Deborah und Kiko), einem Puder (Wycon) stoffteilchen unter 10 Mikrometer im Durch- und zwei Highlighter (Nyx und Sephora). messer (0,01 Millimeter) liegt, oder sie mit Aufgrund des bis heute allgemeinen Fehlens Pigmenten verbunden sind, ist der Nachweis einer analytischen Methodik für flüssiges mit den verfügbaren Analysegeräten schwierig Plastik war es auch in den Greenpeace-Unter- (Infografik 3, Tabelle 3 im Anhang 2). Die drei suchungen nicht möglich, in den im Labor betreffenden Produkte sind: Deborah – Extra analysierten elf Produkten Kunststoffe in flüs- Mat Perfection Foundation, Make-up, dem siger, halbfester oder löslicher Form nach- Polypropylen, das im INCI enthalten war, nicht zuweisen, selbst wenn diese in der Liste der nachgewiesen werden konnte; Kiko – Nouris- Inhaltsstoffe enthalten waren (Infografik 3). hing Perfection Cream Compact Foundation, Gemäß den Labortests war der häufigste Make-up, bei dem es nicht möglich war, Poly- Inhaltsstoff aus Kunststoff Polyethylen, das in ethylen, das auf der Liste der Inhaltsstoffe vier Produkten festgestellt wurde und sowohl enthalten ist, nachzuweisen; Maybelline – in Form von kugelförmigen Mikropartikeln Color Sensational Creamy Matte Divine Wine, (Sephora – Glow-Palette Gesichts-Highlighter; Lippenstift, bei dem Polyethylenterephthalat, Maybelline – Color Sensational Creamy Matte das auf der INCI-Liste des Produktes enthalten Divine Wine, Lippenstift) als auch in Form von ist, nicht nachgewiesen wurde. Bruchstücken von Partikeln (Kiko – Unfor- gettable Waterproof Mascara, Augen-Make- up; Deborah – 24Ore Instant Maxi Volume Mascara, Augen-Make-up) vorhanden war. 16
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Marke: Maybelline Produkt: Color Sensational Creamy Matte Divine Wine Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Polyethylen Form der gefundenen Teilchen: Teilchen Marke: Kiko Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Produkt: Hydra Shiny Lip Stylo Polyethylene, Hydrogenated Styrene/Methyl Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Styrene/Indene Copolymer, Acrylic nicht nachgewiesen Acid/Isobutyl Acrylate/Isobornyl Acrylate Copolymer, Polyethylene Terephthalate, Form der gefundenen Teilchen: Acrylates Copolymer nicht nachgewiesen Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polybutene, Methyl Methacrylate Crosspolymer, Hydrogenated Styrene/Butadiene Copolymer Lippenstift Marke: Deborah Produkt: Extra Mat Perfection Foundation Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: nicht nachgewiesen Form der gefundenen Teilchen: nicht nachgewiesen Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polymethylsilsesquioxane, Polymethyl Methacrylate, Polypropylene, Acrylates/Dimethicone Copolymer Marke: Kiko Produkt: Nourishing Perfection Cream Compact Foundation Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Polymethylmethacrylat Form der gefundenen Teilchen: Runde Mikroteilchen Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polymethyl Methacrylate, Polyethylene Make-up Infografik 4 (diese und die folgende Seite): Ergebnisse der Analysen, die auf die Daten in Tabelle 3 in Anhang 2 verweisen. 17
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Marke: Kiko Produkt: Unforgettable Waterproof Mascara Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Polyethylen Marke: Lancôme Form der gefundenen Teilchen: Produkt: Monsieur Big Mascara Teilchen/Runde Mikroteilchen Entdeckte Inhaltsstoffe aus Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polyethylene Plastik: Polyethylen Form der gefundenen Teilchen: Teilchen Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Ethylene/Acrylic Acid Copolymer, Styrene/ Marke: Deborah Acrylates/Ammonium Produkt: 24Ore Instant Maxi Volume Mascara Methacrylate Copolymer, Polybutene, Divinyldimethicone/ Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Polyethylen, Dimethicone Copolymer, Polyethylenterepthalat Ethylenediamine/Stearyl Dimer Form der gefundenen Teilchen: Dilinoleate Copolymer Teilchen, Mikrofasern Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polyethylene, Acrylates Copolymer, Polyethylene Terephthalate, Polyvinylpyrrolidone (PVP) Augen-Make-up Puder Marke: Wycon Produkt: Neon Dust Loose Powder Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Polyamid/Nylon Form der gefundenen Teilchen: Runde Mikroteilchen Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Nylon-12 Marke: Sephora Produkt: Glow-Palette Gesichts-Highlighter Entdeckte Inhaltsstoffe Marke: Nyx aus Plastik: Polyethylen Produkt: Highlight & Contour Pro Palette Form der gefundenen Entdeckte Inhaltsstoffe aus Plastik: Teilchen: Runde Polymethylmethylacrylat Mikroteilchen Form der gefundenen Teilchen: Inhaltsstoffe aus Plastik Teilchen/Runde Mikroteilchen laut INCI: Polyethylene Inhaltsstoffe aus Plastik laut INCI: Polymethyl Methacrylate Highlighter 18
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE 4.3 Warum werden Inhaltsstoffe aus Plastik verwendet, und welche Alternativen gibt es? Die Funktionen der Inhaltsstoffe aus Kunststoffen, die Make-up-Produkten zugesetzt werden, sind vielfältig. Sie reichen von Peeling- und Verdickungseffekten über das Erreichen einer besseren Schleifwirkung, eines schimmernden oder mattierenden Effektes und einer filmbildenden oder bindenden Wirkung bis zur Freisetzung von Duftstoffen oder von kosmetischen Wirkstoffen (zum Beispiel von antimikrobiellen Mitteln oder Antioxidantien).44 Tabelle 2: Funktionen einiger Plasti-Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten. Nicht alle Inhaltsstoffe aus Plastik, die auf der Liste enthalten sind, fallen unter die gängige Definition von Mikoplastik als feste Partikel Funktionen, die in der CosIng 2018 und im Inhaltsstoffe aus Plastik Zugehörige INCI-Bezeichnung UNEP 2015 angeführt sind Polyethylen POLYETHYLENE Schleifmittel, Filmbildner, Viskositätskontrolle Polyvinylpyrrolidon (PVP) POLYVINYLPYRROLIDONE (PVP) Filmbildner Polypropylen POLYPROPYLENE Viskositätskontrolle Polymethylmethylacrylat POLYMETHYL METHACRYLATE Filmbildner, Absorptionsmittel für den Transport von Wirkstoffen Polytetrafluoroethylen POLYTETRAFLUOROETHYLENE Pflegemittel für die Haare, Verdünnungsmittel, Gleitmittel, ACETOXYPROPYL BETAINE Bindemittel, Pflegemittel für die Haut Polyurethan-Crosspolymer-1 POLYURETHANE Bindemittel CROSSPOLYMER-1 Polyurethan-Crosspolymer-2 POLYURETHANE Filmbildner CROSSPOLYMER-2 Polyamid (Nylon-5) NYLON-5 Pflegemittel für die Haut Polyamid (Nylon-6) NYLON-6 Erweichungsmittel/Feuchtigkeitsspender, Pflegemittel für NYLON 6/12 die Haut, Viskositätskontrolle, Verdünnungsmittel Polyamid (Nylon-12) NYLON-12 Verdünnungsmittel, Trübungsmittel, Viskositätskontrolle NYLON-12 FLUORESCENT BRIGHTENER 230 SALT NYLON 12 a NYLON 6/12 Styrene Acrylate Copolymer STYRENE/ACRYLATES COPOLYMER Trübungsmittel, Filmbildner Polyethylenterephthalat POLYETHYLENE Filmbildner TEREPHTHALATE Polyethylenisoterephthalat POLYETHYLENE Verdünnungsmittel, adhäsive Wirkung, Filmbildner, ISOTEREPHTHALATE Haarfestiger, Viskositätskontrolle, Schönheitsmittel Polybutylenterephthalat POLYETHYLENE TEREPHTHALATE Filmbildner, Viskositätskontrolle Polyacrylates, Acrylates Copolymer ACRYLATES COPOLYMER Antistatikum, Bindemittel, Filmbildner, Haarfestiger, ACRYLATES CROSSPOLYMER Suspendiermittel Ethylene/Acrylate Copolymer ETHYLENE/ACRYLIC ACID COPOLYMER Filmbildner, Verdickungsmittel Polystyren POLYSTYRENE Filmbildner Methyl Methacrylate Crosspolymer METHYL METHACRYLATE CROSSPOLYMER Filmbildner Polymethylsilsesquioxan POLYMETHYLSILSESQUIOXANE Trübungsmittel Polylactic Acid POLYLACTIC ACID Schleifmittel Quelle: ECHA (2019); ANNEX to the ANNEX XV RESTRICTION REPORT PROPOSAL FOR A RESTRICTION version number: 1.2 (pp 144–145)45 44 ECHA, (2019): Proposal for a restriction, ANNEX TO THE ANNEX XV RESTRICTION REPORT – MICROPLASTICS 45 https://echa.europa.eu/documents/10162/db081bde-ea3e-ab53-3135-8aaffe66d0cb 19
4 UNTERSUCHUNG VON GREENPEACE Das gängige Argument, es mangele an zahlreiche Kosmetik- und Make-up-Firmen, die brauchbaren Alternativen zu Kunststoffen, keine Inhaltsstoffe aus Plastik verwenden.46 In überzeugt nicht. Dass es anders geht, zeigen der von der holländischen Umweltorganisa- klar die Hersteller zertifizierter Naturkosmetik, tion Plastic Soup Foundation durchgeführten in deren Produkten grundsätzlich keine Paraf- Kampagne „Beat the Microbead“ wurden fine und anderen Erdölprodukte eingesetzt bereits über 2000 Kosmetikprodukte genannt, werden. Gibt es organische Substanzen, die die ohne diese Inhaltsstoffe auskommen, anstelle von Mikroplastik und von flüssigem, darunter Cremes, Lippenstifte sowie Make-up festem und löslichem Kunststoff verwendet für Gesicht und Augen.47 Das sind eindeutige werden können und die die gewünschte Funk- Daten, die belegen, dass die Firmen sofort auf tion gewährleisten? Die gibt es, zumindest Inhaltsstoffe aus Plastik in ihren Produkten was die Polymere betrifft, die als Verdickungs- verzichten könnten. mittel verwendet werden. Diese können durch 46 ECHA, (2019): Proposal for a restriction, ANNEX TO THE Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs ersetzt ANNEX XV RESTRICTION REPORT – MICROPLASTICS werden, beispielsweise: Stärke, Guarkernmehl, 47 ECHA, (2019): Proposal for a restriction, ANNEX TO THE Carrageen, Alginate, Polysaccharide, Pektin, ANNEX XV RESTRICTION REPORT – MICROPLASTICS Agar und Cellulosederivate. Weitere Anwen- dungsmöglichkeiten für natürliche Polymere sind Dextrin für Klebefunktionen und Guar- kernmehl als Emulgator. Außerdem gibt es 20
5 FORDERUNGEN VON GREENPEACE Mikroplastik hat bereits jeden Winkel unseres nehmen und Planeten erreicht, von den tiefsten Meeres- die Regierungen böden bis zu den höchsten Gipfeln, vom zum Handeln Wasser, das wir trinken, bis zur Luft, die wir verpflichten und atmen, vom Kochsalz bis zum Obst und den Verantwortung über- Meerestieren, die auf unseren Tellern landen nehmen. Der Ansatz der können. Sogar im Blut und in menschlichen Politik, auf freiwillige Selbst- Organen wurde es schon festgestellt. Unser verpflichtung der Firmen zu setzen, wie in Planet braucht einen sofortigen Kurswechsel! Deutschland mit dem Kosmetikdialog von Die Verschmutzung der Meere und des 2013 bis 2020, ist klar gescheitert. Das belegt Planeten ist nicht das einzige Problem rund um dieser Report. Schon 2017 hatte Greenpeace Plastik: Kunststoff wird aus Erdöl und Erdgas aufgezeigt, dass Drogerie- und Kosmetik- gewonnen. Die Förderung und Verbrennung firmen durch selbst festgelegte Definitionen dieser fossilen Rohstoffe ist eine der Ursa- des Begriffs Mikroplastik die Ausstiegsver- chen der Klimakrise, die wir gerade erleben.48 pflichtungen absichtlich unterlaufen, auch Wir müssen die Nutzung fossiler Rohstoffe eine Studie des Fraunhofer Umweltinstituts und die Produktion des daraus gewonnenen UMSICHT zeigt die unzureichende Wirkung Kunststoffs radikal reduzieren. Der erste, der freiwilligen Maßnahmen auf.8,13 einfache und sofort durchführbare Schritt ist, die Verwendung und Produktion von primärem Greenpeace fordert das Umweltministerium Mikroplastik einzustellen: Plastik, das unnötig auf, ein umfassendes Verbot von primärem und absichtlich zahlreichen Verbraucherpro- Mikroplastik (jeder Konsistenz) in Kosmetik dukten zugesetzt wird und unseren Planeten auf den Weg zu bringen. Die Regierung muss verunreinigt. So können wir sofort einen Teil darüber hinaus den europäischen Vorschlag der Kunststoffe, die täglich in der Umwelt im Rahmen der European Plastic Strategy landen und unseren Planeten schleichend zur Reduzierung von Mikroplastik aktiv unter- kontaminieren, reduzieren. Um dieses Ziel stützen. zu erreichen, müssen sich jedoch die Unter- Die Verwendung von Mikroplastik, das Konsumprodukten, darunter auch Make-up- 48 https://www.ciel.org/plasticandclimate/ Produkte zugesetzt wird, soll damit verboten werden. Der Vorschlag, der jetzt auf EU-Ebene auf dem Tisch liegt, ist ein erster Schritt, er muss jedoch verbessert und geschärft werden: 21
5 FORDERUNGEN VON GREENPEACE • Das Gesetz muss von festen Plastikpar- Die Kosmetikfirmen können hier eine führende tikeln auf alle Inhaltsstoffe aus Plastik in Rolle spielen, nicht nur wie bisher in wirt- flüssiger, halbfester oder löslicher Form schaftlicher Hinsicht, sondern auch bei der ausgeweitet werden, die Verwendung aller Nachhaltigkeit ihrer Produkte. Sie müssen Polymere aus Kunststoff muss verboten endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und werden. dürfen keine Inhaltsstoffe aus Plastik mehr einsetzten, sondern müssen ab sofort Alter- • Es darf keine Mindestgröße für die Einstu- nativen nutzen, die sicherer sind und nicht die fung als Mikroplastik gelten. Umwelt verschmutzen. Zudem müssen sie • Die Inhaltsstoffe aus Plastik dürfen nicht alle Prinzipien befolgen, die in der jüngsten einfach durch Alternativen ersetzt werden, europäischen Strategie für chemische Stoffe falls diese ebenfalls negative Auswirkungen im Rahmen des Green Deal empfohlen auf die Umwelt und die Gesundheit haben. wurden. Der Druck der Kosmetikindustrie, die Um einen wirksamen Standard zu errei- EU-Regelung zu verwässern und quasi auszu- chen, müssen die verschiedenen chemi- hebeln, ist ein schlechtes Zeichen. Dasselbe schen Substanzgruppen als Ganzes einer gilt für die Scheinlösungen von selbst defi- Regelung unterworfen werden, nicht nur nierten Mikroplastik-Begriffen, auf deren eine einzige Substanz. Erwähnung werbewirksam verzichtet werden kann für den Marketing-Effekt scheinbarer • Das Vorsorgeprinzip – die Leitplanke „Mikroplastik-Freiheit“. Darin zeigt sich das der europäischen Umweltpolitik – muss mangelnde Interesse und Verantwortungs- vorbehaltlos gelten, da die Auswirkungen bewusstsein der Unternehmen, sich einge- durch die Inhaltsstoffe aus Plastik auf den hender mit dem Thema Mikrokunststoffe in Menschen und die Umwelt nicht bekannt ihren Produkten zu beschäftigen, und es weist sind. darauf hin, dass Umweltschutzmaßnahmen • Das Inkrafttreten der von der EU vorge- der Unternehmen in diesem Bereich weiterhin schlagenen Beschränkung darf nicht fehlen. Die von den Unternehmen an den Tag verschleppt werden. Es darf keine langen gelegte Gleichgültigkeit wiegt umso schwerer Übergangsphasen für unterschiedliche angesichts der Krisen, die wir aktuell erleben. Warengruppen geben. Die Klimakrise zeigt überall auf der Welt ihre verheerenden Auswirkungen, und die Corona- Pandemie führt uns vor Augen, wie drin- gend wir das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ändern und eine grüne Wende der Wirtschaft vollziehen müssen. Der Schutz des Planeten und der Menschen muss Vorrang vor dem Gewinn einiger weniger haben. Kosme- tikprodukte berühren täglich unsere Haut, unsere Augen und Lippen. Es ist höchste Zeit, dass die Unternehmen, die diese Produkte herstellen, die Gesundheit der Menschen und unseren Planeten schützen. 22
ANHANG 1 Laboranalyse: Aliquote Teile der Proben wurden zum Auflösen in Reagenzgläser mit 5–10 ml Lösungsmittel auf Acetonbasis, Wasserstoffperoxid und n-Hexan gefüllt. Danach folgte eine Ruhepause von 48 Stunden auf Filtern, denen eine färbende Lösung zugesetzt war (1 mg Nilrot und 1 ml Chloroform). Die Proben wurden mit einem Fluoreszenzmikroskop (Axioscope 7/TRITC filter set) analysiert. Die gefundenen synthetischen Polymere wurden durch μRaman-Spektroskopie (DRX2xi, Thermofisher Scientific) nachgewiesen. Die Analysemethode ist nicht umfassend, da nicht alle Kunststoffe empfindlich gegenüber Verfärbung sind und da es der untere Grenzwert der verwendeten Messgeräte nicht gestattet hat, Teilchen unter einer Größe von 10 μm sowie Kunststoffe in flüssiger, halbfester oder löslicher Form zu identifizieren. 23
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