Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht
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Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht* Dr. Martin Riemer „Die Prävention von Gewalt gegen Kinder stellt eine gewichtige 1. Einleitung chen Konsequenzen im Falle der Zuwi- gesellschaftliche derhandlung. Herausforderung dar. “ Die Prävention von Gewalt gegen Kin- der, vor allem in einer Zeit, in der es 2. Familien- und jugend- immer weniger Kinder gibt, stellt eine rechtliche Betrachtung gewichtige gesellschaftliche Heraus- forderung dar. § 1631 Abs. 2 BGB Die Erfahrungen der Kinderjahre legen gewährt Minderjährigen nunmehr ein den Grundstein für die weitere Persön- umfassendes Recht auf gewaltfreie lichkeitsentwicklung, Gewalterlebnisse Erziehung (S. 1). Ausdrücklich verboten sind dabei ein Entwicklungsrisiko, wes- sind körperliche Bestrafungen, seeli- wegen die Gesellschaft über ihren sche Verletzungen und andere entwür- Schutzauftrag für Minderjährige hi- digende Maßnahmen (S. 2). Während naus ein originär eigenes Interesse das Verbot psychischer Gewalt und daran haben muss, dahingehende Risi- seelischer Verletzungen trotz seiner kofaktoren für ihren Nachwuchs zu Normierung jedoch nur bedingt justi- minimieren1. Die Rechtslage zum Kör- ziabel erscheint, hier kommt in erster perstrafenverbot war nach mehreren Linie ein symbolischer Charakter zum (halbherzigen) Änderungen des Famili- Tragen, lassen sich Beispielsfälle ent- enrechts jedoch missverständlich und würdigender Erziehungsmaßnahmen unsicher2, weswegen der Gesetzgeber leicht anführen. Die nachfolgende mit der Novellierung von § 1631 Abs. 2 Betrachtung nimmt daher noch einmal BGB zum 08.11.2000 deutlich Position das Verbot von Körperstrafen ins Visier, für eine gewaltfreie Erziehung bezog3. die bis heute in den Familien verbreitet Im familien- und jugendrechtlichen sind und beleuchtet die strafrechtli- Schrifttum besteht weitgehend Einig- keit darüber, dass die Vorschrift, eng am Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 81
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 2. Familien- und jugendrechtliche Betrachtung Wortlaut orientiert, genau so zu verste- nung und wirkt insoweit auch auf das hen ist, wie sie formuliert wurde, näm- Strafrecht ein6. lich, dass jede Form von Körperstrafen Eine körperliche Abstrafung, die den fortan verboten ist, unabhängig vom Tatbestand des § 223 StGB erfüllt, war Anlass, von der Intension des Erziehers, grundsätzlich schon immer als Körper- der aufgewendeten kinetischen Ener- verletzung strafbar, sofern keine Recht- gie (ob Klaps, Ohrfeige, die Ohren lang fertigungs- oder Entschuldigungsgrün- ziehen oder Hieb) oder sonstigen de vorlagen. Da jede Körperstrafe Modalitäten4. Dieser Auffassung ist gegen ein Kind nunmehr aber uner- zuzustimmen. Der Gesetzgeber wollte laubt ist, muss zur Wahrung der Ein- – orientiert am skandinavischen Vor- heitlichkeit der Rechtsordnung folglich bild, dem sich immer mehr EU-Staaten auch der vormals gewohnheitsrechtli- anschließen – ausdrücklich eine Ab- che und von der Rechtsprechung wei- wendung von dem auf Erniedrigung terentwickelte nicht kodifizierte Recht- durch Körperstrafen überlieferten Er- fertigungsgrund „elterliches Züchti- ziehungsansatz5: Nicht länger sollte gungsrecht“ als strafrechtliche Privile- es heißen, man dürfe niemanden gierung entfallen. Eltern werden somit schlagen, es sei denn die eigenen Kin- nach neuem Recht nicht anders der. gestellt, als prügelnde Lehrer oder Drit- Entgegen anfänglich geäußerter Be- te ohne Bezug zur Familienbande. „Eltern werden nach denken verbietet § 1631 Abs. 2 BGB In der Strafrechtsliteratur ist daraufhin neuem Recht nicht jedoch nicht generell Gewalt in der Streit darüber ausgebrochen, wo die anders gestellt, als Kindererziehung, was auch kaum vor- Grenze zur strafbaren Körperverlet- stellbar erschiene. Eltern haben weiter- zung nunmehr verlaufen soll. „Harte“ prügelnde Lehrer oder hin selbstverständlich das Recht und Körperstrafen, wie „Tracht Prügel“ oder Dritte ohne Bezug zur die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen, wes- „Hosenboden versohlen“, erst recht Familienbande.“ wegen Pflege- und Gefahrabwehrmaß- unter Einsatz von Schlaggegenständen nahmen nicht von dem Verbot erfasst (Stock, Gürtel, etc.) werden von allen werden, sondern nur solche Gewalt Autoren inzwischen als tatbestandli- untersagt ist, die zu erzieherischen che und nicht zu rechtfertigende Kör- Zwecken (S. 1), insbesondere als Straf- perverletzung angesehen, was im Hin- maßnahmen (S. 2) eingesetzt wird. blick auf die sog. Wasserschlauchent- scheidung des Bundesgerichtshofs 3. Meinungsstreit im Strafrecht vom 25.11.1986, in der das Schlagen eines achtjährigen Mädchens mit Aufgrund der Einheitlichkeit der einem Gummischlauch auf das Gesäß – Rechtsordnung bleibt die Wirkung der unter Protest aus der Literatur – noch Gesetzesänderung jedoch nicht auf für statthaft erklärt worden war7, als das Familienrecht beschränkt. Wenn Erfolg bezeichnet werden darf. Auch der Gesetzgeber auch nur eine einzel- tritt heute wohl keiner der Autoren ne Norm neu formuliert, ändert er mehr dafür ein, dass Verwandte, das damit zugleich die gesamte Rechtsord- Au-Pair-Mädchen, der Baby-Sitter, Er- 82 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 3. Meinungsstreit im Strafrecht zieher8, Lehrer9, Ausbilder10, Stiefeltern die Rechte der Eltern betont, vertritt in oder sonstige Erziehungs- oder Auf- Kollision zum Wortlaut des Gesetzes- sichtspersonen zur körperlichen Züch- textes demgegenüber die Auffassung, tigung berechtigt sein sollen. Im Lichte „leichte“ Körperstrafen würden vom des gesetzlich normierten Verbots Verbot aus § 1631 Abs. 2 BGB nicht kann ihnen die Befugnis hierzu auch umfasst oder erfüllten schon per se nicht etwa rechtsgeschäftlich übertra- nicht den objektiven Tatbestand der gen werden11, denn eine solche Verein- Körperverletzung14. Der Gesetzgeber barung wäre wegen Verstoß gegen ein hätte überdies übermäßig in das gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 Elternrecht aus Art. 6 GG eingegriffen, BGB), hilfsweise sittenwidrig (§ 138 als er Körperstrafen in der Erziehung Abs. 1 BGB). Wenn überhaupt, dann insgesamt untersagte, weswegen § wurde ein „Züchtigungsrecht“ zuletzt 1631 Abs. 2 BGB verfassungswidrig sei nur den biologischen oder Adoptivel- bzw. verfassungskonform dahinge- tern bzw. Vormündern zugestanden, hend ausgelegt werden müsse, dass soweit zugleich Erziehungsberechtig- „leichte“ Körperstrafen weiterhin er- te12. laubt seien15. Die herrschende Meinung, die das Diese Sichtweise ist jedoch nicht nur „Züchtigungsrecht“ als komplett ent- für den Kinder- und Jugendschutz fallen ansieht, ist inzwischen aber auch abträglich, sondern auch strafrechts- hiervon abgerückt und will den vorma- dogmatisch überaus problematisch. „Diese Sichtweise ist ligen Rechtfertigungsgrund – in Über- Systematisch betrachtet kann der jedoch nicht nur für einstimmung mit dem Wortlaut von objektive Tatbestand des § 223 StGB den Kinder- und § 1631 Abs.2 BGB und der gesetzgebe- sowohl durch eine körperliche Miss- Jugendschutz rischen Intension – für niemanden handlung als auch durch eine Gesund- mehr gelten lassen (Differenzen inner- heitsbeschädigung erfüllt werden16. abträglich, sondern halb der herrschenden Meinung beste- Körperstrafen können daher sowohl auch strafrechts- hen wohl lediglich noch über den Var. 1 als auch zugleich Var. 2 verwirkli- dogmatisch überaus „leichten Klaps“)13. Das Recht zur Not- chen. wehr (§ 32 StGB) bleibt – auch insoweit Die Protagonisten eines fortbestehen- problematisch. “ besteht allseits Einigkeit - selbstver- den Züchtigungsrechts argumentieren ständlich unberührt. aber u.a., dass bestimmte Körperstra- fen (Ohrfeigen, Klapse) generell keine 4. Abweichende Meinung der beide Alternativen erfüllten, da sie im Strafrecht unterhalb der Tatbestandsschwelle des § 223 StGB blieben. Richtig ist an dieser Das Orchester der Meinungen im Straf- Betrachtung zwar, dass nur tatbestand- recht ist jedoch überaus vielstimmig, lich erhebliches Täterverhalten den was angesichts der unterschiedlichen objektiven Tatbestand der Körperver- weltanschaulichen Prägungen der letzung verwirklichen kann. Die am Fol- Betrachter auch nicht näher verwun- getag schon wieder verschwundene dert. Eine „abweichende Meinung“, die zehn Zentimeter lange Hautrötung am Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 83
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 4. Abweichende Meinung im Strafrecht Hals eines zwölfjährigen Schülers festmachen, ob eine Körperverletzung durch den Druck eines Sicherheitsgur- vorliegt und wie schwerwiegend sie tes beim Abbremsen im Auto17 oder ggf. ist. Gleiches gilt für den Klaps: Es das Kitzeln unter Kindern18 überschrei- kann schwerlich darauf ankommen, ten die Tatbestandsschwelle wohl was der Erzieher als Gewalt definiert, ebenso wenig, wie das viel zitierte wo die Abgrenzung zum Hieb verlau- Wegziehen des Kindes von der Straße fen soll, sondern wie das Kind dabei „Die Körperverletzung oder das Festhalten auf dem Wickel- empfindet. Die Körperverletzung ist ein ist ein Erfolgs- und tisch. Wenn daraus jedoch abgeleitet Erfolgs- und kein Tätigkeitsdelikt21, d.h. werden soll, dass Ohrfeigen und Klapse es kommt nicht auf die Modalitäten der kein Tätigkeitsdelikt.“ gegen ein Kind schon grundsätzlich Handlung des Täters, sondern vielmehr nicht tatbestandsmäßig i.S.v. § 223 auf die Qualität der körperlichen Ein- StGB sein können, muss dem wider- wirkung beim Opfer der Tat an22. sprochen werden. Diese Argumentati- Hervorzuheben ist überdies, dass on lässt z.B. nicht nur völlig offen, wie einem Klaps ebenso wie einer Ohrfeige viele Ohrfeigen und Klapse, in welchem der Charakter einer tätlichen Beleidi- Zeitraum, bei welchen Kindern (Unsi- gung zukommen kann (§ 185 StGB, cherheitsfaktoren: Lebensalter, Ent- der grundsätzlich auch Minderjährige wicklungsstand), auf welche Körper- schützt)23, vor allem bei einer Bestra- partien gegeben werden dürfen, um fung in der Öffentlichkeit. Auch inso- die Erheblichkeitsschwelle nicht zu weit fehlt es dann aber an einem überschreiten: Eine, zwei, drei ... sieben Rechtfertigungsgrund, denn das Ge- hintereinander? Soll es einen Unter- waltverbot aus § 1631 Abs. 2 BGB ver- schied machen, ob ein drei- oder ein bietet gleichfalls auch psychische dreizehnjähriges Kind die Ohrfeigen Gewalt (Demütigung) zum Zwecke der erhält, ob das Kind krank, behindert Erziehung. oder gesund ist (Glasknochenkrank- heit, Epilepsie)? – In diesem Zusam- 5. Kinderschutz als Priorität menhang ein Verweis auf den Bundes- gerichtshof: „Die körperliche Wirkung Insgesamt ist auch nicht ersichtlich, einer Ohrfeige, die eine üble, unangemes- welches erzieherische Konzept mit sene Behandlung darstellt,ist,auch wenn Ohrfeigen und Klapsen heute noch sie nur kurz anhält, in der Regel mehr als verfolgt werden soll. Geht es dabei eine bloß unerhebliche Beeinträchtigung noch um die Situation der Kinder oder des körperlichen Wohlbefindens.“19. Eine nicht vielmehr um eine Konservierung Ohrfeige kann schließlich sowohl zu tradierter Elternrechte, wenn bestimm- einem Hämatom auf der Wange, als im te Körperstrafen weiterhin privilegiert Unglücksfall auch zum Sturz mit weite- sein sollen? Selbst nach der vormals ren Verletzungsfolgen oder gar zum von der Rechtsprechung geprägten Platzen des Trommelfells20 führen. Rechtslage bedurfte die Züchtigung Allein an der Züchtigungshandlung aber stets einer erzieherischen Motiva- lässt sich daher dogmatisch noch nicht tion; andere als pädagogische Gründe 84 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 5. Kinderschutz als Priorität (z.B. elterliche Unausgeglichenheit, 6. Rechtsprechung Frust) vermochten die Rechtfertigung nicht auszulösen. Dem Ansatz, nach Letztlich zu entscheiden hat den Streit, einzelnen Körperstrafen zu unterschei- wo die strafrechtliche Erheblichkeits- den und bestimmte daraus auszuwäh- schwelle bei Körperstrafen anzusiedeln len, die pauschal weiterhin straffrei sein ist, jedoch die Rechtsprechung. Erste sollen, konnte in dieser Form somit Urteile aus neuerer Zeit, die Aufschluss auch bereits nach alter Rechtslage geben, wo die Strafgerichte nunmehr nicht gefolgt werden, da die Züchti- die Grenze zur Körperverletzung bei gung allenfalls als eine auf den Einzel- Kindern sehen, liegen auch bereits vor fall bezogene Strafmaßnahme, die stets und entgegen einem gängigen Vorur- einer pädagogischen Gesamtabwä- teil sind keineswegs immer nur Männer gung bedurfte, gerechtfertigt war. die Täter häuslicher Gewalt, sondern Wenn also einzelne Stimmen in der Frauen ebenso daran beteiligt. Literatur pauschal die von ihnen als „geringgradig“ definierte Körperverlet- 6.1 Ohrfeige an der S-Bahn- zungshandlungen gegen die eigenen Haltestelle Kinder (z.B. Ohrfeigen) frei von straf- Das Amtsgericht Köln25 verurteilte eine rechtlichen Weiterungen stellen wol- zur Tatzeit 22-jährige Mutter, die ihrer len, ist dieser „Lösungsansatz“ un- zweijährigen Tochter an einer Straßen- schlüssig und läuft erkennbar der bahnhaltestelle (mehrfach) ins Gesicht „Letztlich zu entschei- Intension des Gesetzgebers wie auch geschlagen und sie heftig geschüttelt den hat den Streit, wo der Systematik des Strafrechts zuwider. hatte26. Der Vorfall war von Passanten die strafrechtliche Problematisch ist an der „abweichen- beobachtet worden, die aus Sorge um Erheblichkeitsschwelle den Meinung“ überdies, dass die pau- das Kind eingriffen und die Polizei ver- schale Rechtfertigung einzelner For- ständigten. Die Staatsanwaltschaft bei Körperstrafen men von Körperstrafen ein Notwehr- bejahte das besondere öffentliche Inte- anzusiedeln ist, die recht hiergegen ausschließen würde. resse aus § 230 StGB und klagte an. Rechtsprechung.“ Weder dürfte sich das gezüchtigte Kind Vollständig aufklären, wie viele Schläge selber verteidigen, noch ein Dritter in das Mädchen erhielt, ließ sich der Sach- das Geschehen eingreifen. Wenn der verhalt in der Hauptverhandlung nicht türkische Familienvater der 13-jährigen mehr. Die Mutter gestand jedoch zu, Tochter eine Ohrfeige gibt, weil sie sich am Tatort mindestens eine Ohrfeige weigert, ein Kopftuch zu tragen24, gegeben zu haben und wurde darauf- könnte der zugerufene Polizeibeamte hin wegen Körperverletzung gem. somit nicht zum Schutz des Mädchens § 223 StGB zu einer Geldstrafe von 15 einschreiten, denn es fehlte an einer Tagessätzen zu fünf Euro verurteilt. Notwehrlage. 6.2 Ohrfeige beim Kaffeekränzchen Auch das Amtsgericht Burgwedel27 ver- urteilte eine Mutter gem. § 223 StGB wegen Körperverletzung an ihrer zwei- Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 85
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 6. Rechtsprechung jährigen Tochter, weil die Frau dem Das Amtsgericht Weiden in der Ober- Mädchen eine heftige Ohrfeige gegen pfalz30 hat einen 47-jährigen US-Ameri- die linke Wange gegeben hatte. Hinter- kaner wegen gefährlicher Körperver- grund war, dass die Tochter auf der letzung zu einer Freiheitsstrafe von Geburtstagsfeier einer Bekannten der sechs Monaten unter Strafaussetzung Mutter zunehmend ausgelassener wur- zur Bewährung verurteilt (§§ 223 Abs. de und Trinkbrause auf den Tisch 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Der Mann hat- gespuckt hatte. Das Mädchen verlor bei te von der Schule erfahren, dass sein dem Schlag das Gleichgewicht, prallte Sohn dort wiederholt schlechtes Be- „Das Gericht erkannte gegen eine Tischkante und fiel zu nehmen an den Tag gelegt hatte und in diesem Verhalten Boden. Das Gericht erkannte in diesem deshalb nachsitzen musste. Er schlug einen massiven Ein- Verhalten einen massiven Eingriff in die daraufhin – Tatgeschehen war das Jahr griff in die körperliche körperliche Unversehrtheit eines zwei- 2004 - mit einem 70 cm langen und jährigen Kindes und beurteilte das Vor- 3,5 cm breiten Ledergürtel auf das Kind Unversehrtheit eines gehen der Mutter als nicht gerechtfer- in der heimischen Wohnung ein, wobei zweijährigen Kindes.“ tigt, bot aber eine Einstellung des Ver- es zu Hämatomen an der linken Wan- fahrens gem. §§ 153, 153 a StPO an. Da ge, Ergüssen und Abschürfungen an die Mutter sich hierauf aber nicht ein- der linken Brustkorbwand, Blutergüs- lassen wollte, sprach sie das Gericht sen und Abschürfungen an der linken schuldig, verwarnte sie und behielt sich Flanke des Rückens sowie zu linearen die Verurteilung zu einer Geldstrafe von Blutergüssen und Schmerzen an bei- zehn Euro zu je zehn Tagessätzen vor28. den Armen kam. Das Amtsgericht Goslar31 hat eine 24- 6.3 Weitere Strafrechtsfälle jährige Mutter und den 43-jährigen Die Staatsanwaltschaft Berlin29 brachte Vater dreier Kinder rechtskräftig wegen verschiedene Delikte einer alleinerzie- gemeinschaftlicher Misshandlung von henden Mutter einer zwölfjährigen Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Tochter zur Anklage, die dem Mädchen gemeinschaftlicher gefährlicher Kör- laut Anklageschrift im Jahre 2001 perverletzung, den Vater zudem wegen durch drei selbständige Handlungen der Misshandlung von Schutzbefohle- jeweils einen CD-Ständer über den nen in Tateinheit mit vorsätzlicher Kör- Rücken geschlagen, mit dem Handrü- perverletzung verurteilt (§§ 223, 224 cken auf´s Auge, mehrfach mit der Abs. 1 Nr. 2 und 4, 225 Abs. 1 Nr. 1, 25 Hand an den Kopf und denselben Abs. 2, 53 StGB). Der Vater hatte zwi- gegen eine Flurwand gestoßen hatte. schen Ende Dezember 2004 und Ende Die Frau bestritt die Taten, räumte zu Januar 2005 seinen zehnjährigen Sohn einem der Anklagepunkte jedoch mit einem Ledergürtel „so auf den Hin- „Backpfeifen“ ein. Das Verfahren wurde tern geschlagen, dass der Junge erheb- daraufhin gem. § 153 a StPO gegen liche Schmerzen erlitt“, um ihn auf die- Zahlung einer Geldbuße von 250 Euro se Weise für ein vom Vater als unange- an den Deutschen Kinderschutzbund messen empfundenes Verhalten zu e.V. eingestellt. bestrafen, was das Gericht als Miss- 86 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 6. Rechtsprechung handlung von Schutzbefohlenen in Kabelschnüre, Gepäckträgergummi Tateinheit mit vorsätzlicher Körperver- sowie Stöcke aus Holz oder Bambus. In letzung wertete. Überdies schlugen die der Urteilsbegründung betonte die Eltern, teils alleine, teils gemeinsam, Strafkammer das „Recht eines jeden ihre damals elfjährige Tochter mit Kindes auf eine uneingeschränkte einem fünf Zentimeter breiten Leder- gewaltfreie Erziehung“. gürtel mit Metallschnalle „als Reaktion auf die von dieser getätigten Diebstäh- 6.4 Obergerichtliche Judikatur le an Mitschülerinnen“. Der Vater Zwar hat sich die obergerichtliche Judi- schlug mit dem Lederteil des Ledergür- katur mit den hier aufgeworfenen tels zu. Die Mutter vergaß sich aus Wut Rechtsfragen noch nicht näher be- derart, dass sie vollkommen unkontrol- schäftigt; den seit Ende 2000 verkünde- liert mindestens zehn- bis zwölfmal ten Entscheidungen zur Körperverlet- mal, auch mit der Schnalle des Gürtels, zung lagen jeweils anders gelagerte auf die Tochter einschlug. Sachverhalte zugrunde (u.a. sexuelle Das Landgericht Berlin32 verurteilte Gewalt gegen Kinder, Gewalt am einen 35-jährigen aus dem Sudan Arbeitsplatz), die als Vergleichsfälle stammenden und mit einer Deutschen nicht unmittelbar herangezogen wer- verheirateten Vater wegen Misshand- den können. Die Urteile der Amtsge- lung von Schutzbefohlenen in Tatein- richte Köln und Burgwedel und das heit mit gefährlicher Körperverletzung von der Staatsanwaltschaft Berlin ein- „Bereits Ohrfeigen in 13 Fällen sowie wegen Körperverlet- geleitete Strafverfahren lassen jedoch gegen Kinder können zung in weiteren 13 Fällen zu einer erkennen, dass auch bereits Ohrfeigen strafrechtliche Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter gegen Kinder strafrechtliche Konse- Konsequenzen nach Strafaussetzung zur Bewährung. Nach- quenzen nach sich ziehen können33. dem der Mann seine Frau zum Über- Die vorstehend erörterte „abweichen- sich ziehen.“ tritt zum Islam bewegt hatte, verprü- de Meinung“, wonach „leichte“ Züchti- gelte er zwei seiner vier Söhne zwi- gungen pauschal nicht unter das Kör- schen Anfang 2003 und Juli 2004 nahe- perstrafenverbot fallen sollen, stößt in zu täglich; angeklagt waren 348 selb- der Rechtsprechung nicht auf Zustim- ständige Handlungen. Die Jungen, mung. Auch hat bislang kein Gericht geboren 1993 und 1995, trugen wäh- verfassungsrechtliche Bedenken ge- rend der Abstrafungen Stoffknebel im gen § 1631 Abs. 2 BGB geäußert. Mund, damit außerhalb der Wohnung ihre Schreie nicht zu hören waren. Sie 7. Strafurteile bleiben die wurden wegen teils nichtiger Anlässe Ausnahme (z.B.Verstöße gegen die strengen Betri- tuale) brutal geschlagen: Auf den Kopf, Natürlich haben Eltern aus Art. 6 Abs. 2 die Füße, Fußsohlen, das unbekleidete GG ein Recht darauf, dass sich die Gesäß, Oberschenkel und Hände. Der Staatsgewalt nicht übermäßig in den Vater benutzte dazu wahlweise Gürtel, familiären Raum einmischt. Das Eltern- Holzschienen, einen Glasfaserstab, grundrecht definiert sich aber zuvor- Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 87
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 7. Strafurteile bleiben die Ausnahme derst durch seinen Pflichtengehalt, henden Passanten die Frau immerhin nicht durch einen Machtanspruch, d.h. zur Ruhe bringen, ohne sich selber die Norm enthält zwar ein Recht der wegen Körperverletzung oder Nöti- Eltern, jedoch nicht primär ein Recht im gung an der Mutter strafbar zu eigenen Interesse, sondern eines um machen. Die Lösung dieser Grenzfälle, den Schutz der Kinder willen34. Über- in denen die Verfolgung der Eltern im dies besteht die Grundrechtsposition Ergebnis unverhältnismäßig erschiene, „Die Grundrechts- auch nicht schrankenlos, sondern wird materiell-rechtlich nicht auf der Ebene position besteht durch das staatliche Wächteramt zum des Tatbestandes oder der Rechtswid- Schutz Minderjähriger begrenzt und rigkeit, sondern wenn überhaupt auf nicht schrankenlos, tritt im Falle von Körperstrafen in ein der Schuldebene zu suchen, erscheint sondern wird durch Spannungsverhältnis zu den Rechten dogmatisch eleganter – in diese Rich- das staatliche der Kinder aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 tung besteht auch weiterer For- Wächteramt zum GG auf würdevolle Behandlung und schungsbedarf; die Strafrechtsliteratur körperliche Unversehrtheit. Körperstra- hat diesen Lösungsweg bislang ver- Schutz Minder- fen sind mit der Menschenwürde je- nachlässigt – und belässt in der Ge- jähriger begrenzt.“ doch nicht vereinbar (bei Volljährigen samtschau für den Kinderschutz effek- würde dies wohl kein Autor in Frage tive Möglichkeiten, ohne die Familien stellen), auch nicht bei Strafmaßnah- übermäßig zu belasten. Polizei und men gegen Minderjährige. Staatsanwaltschaft können ein Ermitt- Es bedarf aber auch keineswegs eines lungsverfahren so betrachtet entweder Insistierens auf dem Fortbestehen des bereits nach § 170 Abs. 2 StPO wegen vormaligen Rechtfertigungsgrundes geringer Schuld, die keiner Reaktion oder dogmatischer Verrenkungen auf des Rechtsstaates bedarf, die Staatsan- der Tatbestandsebene von § 223 StGB, waltschaft gem. § 153 StPO oder in um eine Kriminalisierung der Eltern, die jedem Fall unter Mitwirkung des zu Unrecht befürchtet wird, zu vermei- Gerichts gem. §§ 153 a, 153 b StPO ein- den. Unsere Justiz ist bekanntermaßen stellen. Auch hat die Staatsanwalt- ohnehin dermaßen überlastet, dass sie schaft gem. § 230 StGB, Nr. 235 II, III sich um „Bagatellen“ schon gar nicht RiStBV stets Ermessensspielraum, ob mehr kümmern kann, weswegen Eltern sie die Tat überhaupt zur Anklage brin- auch von daher nicht befürchten müs- gen möchte, sofern kein Personensor- sen, wegen einer ausschließlich „leich- geberechtigter für das Kind Strafantrag ten“ Körperstrafe verurteilt zu werden, stellt. selbst wenn diese – wenig wahrschein- lich – zur Anzeige gelangen sollte. Wird 8. Sonderproblem: Gewalt in die Körperstrafe dann zwar als Un- Migrantenfamilien rechtshandlung, im Einzelfall aber als entschuldigt behandelt, weil der Mut- Das Verbot von Körperstrafen dient kei- ter z.B. im Affekt „die Nerven durchgin- nesfalls dem Zweck, einem Erziehungs- gen“, als ihr dreijähriger Sohn knapp minimalismus das Wort zu reden: Erzie- vor´s Auto lief, dürften die nebenste- hung ja, ggf. auch unter Einsatz elterli- 88 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 8. Sonderproblem: Gewalt in Migrantenfamilien cher Strenge und von Konsequenzen, Kinder eine stärkere Einmischung aber Gewalt nein. Um ohne das archai- staatlicher Stellen erforderlich. sche Strafsystem auszukommen, müs- sen Eltern zweifelsohne wesentlich 9. Ausblick und Zusammen- mehr Zeit, Phantasie und soziale Kom- fassung petenz für die Kindererziehung auf- wenden, was sich jedoch als gute Die Familienrechtsliteratur geht ganz Investition der Familien in die Zukunft überwiegend davon aus, dass alle For- der Gesellschaft erweisen wird, nicht men von Körperstrafen nunmehr ver- zuletzt wohl aber Zuwanderer vor boten sind. Im Strafrecht scheiden sich erhebliche Schwierigkeiten stellt. Pfeif- die Meinungen. Alle Autoren sind zwar fer konnte aufzeigen, dass Kinder in übereinstimmend der Auffassung, dass Migrantenfamilien aus Ländern, deren „harte“ Körperstrafen die Schwelle zur Gesellschaften patriachalisch geprägt strafbare Körperverletzung überschrei- sind (z.B. Türkei), in Deutschland deut- ten, insbesondere wenn Schlaginstru- lich mehr Gewalt erfahren, als Kinder mente zum Einsatz kommen. Insoweit ethnisch deutscher Familien35, bei hat sich die Rechtslage durch die Neu- denen Untersuchungen von Bussmann formulierung von § 1631 Abs. 2 BGB zufolge bereits erste Erfolge beim aber nur unwesentlich geändert, da Gewaltverbot angeführt werden kön- derartige körperliche Misshandlungen nen36. Die Verbesserung des Schutzes auch zuvor bereits strafbar waren. Die dieser Kinder stößt auf unterschiedli- herrschende Meinung hält nun auch che Schwierigkeiten; sie können von Ohrfeigen für grundsätzlich strafbar. „Problematisch ist, sich aus nur mit großer Mühe aus den Eine weiter im Vordringen befindliche dass es eine ein- patriarchalischen Strukturen ihrer El- Meinung will alle Formen „leichter“ kör- heitliche Definition ternhäuser ausbrechen, mit daher perlicher Züchtigung ohne Rechtferti- schlechteren Startchancen in einer gungsmöglichkeit vom Tatbestand des des Klapses und der liberalen Gesellschaft. Wer als Kind zu § 223 StGB erfasst wissen. Eine hiervon Ohrfeige nicht gibt, Hause geprügelt wird, neigt seinerseits „abweichende Meinung“ möchte was als Unsicherheit zu Gewaltverhalten, denn es wurde Eltern hingegen weiterhin Klapse und zum Nachteil des gelernt, zwischenmenschliche Konflik- Ohrfeigen gestatten. Problematisch te nicht verbal, sondern durch Tätlich- daran ist jedoch, dass es eine einheitli- Kindesschutzes geht.“ keiten auszutragen. Eine höhere Delin- che Definition des Klapses und der quenzrate von Migranten vor allem aus Ohrfeige nicht gibt, was als Unsicher- der Türkei, Ost- und Südosteuropa bei heit zum Nachteil des Kindesschutzes Gewaltdelikten ist nur eine der Folgen geht. Der Klaps auf den bekleideten Po daraus; bereits das Schulversagen der wird zwar, wenn es tatsächlich nur ein Migrantenkinder muss in ursächlichem Klaps und kein Hieb ist, aus sich heraus Zusammenhang zur mangelnden so- sicherlich nicht zur Strafverfolgung zialen Kompetenz ihrer Eltern gesehen führen; dahingehende Ängste erschei- werden37. Besonders bei dieser Popula- nen unbegründet. Die Argumentation tionsgruppe ist daher zum Schutz der „Es ist doch nur ein Klaps“ schafft Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 89
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ 9. Ausblick und Zusammenfassung jedoch einen Spielraum, der zur Ver- über den Schutz durch das Strafrecht. „Aus anwaltlicher niedlichung von Körperstrafen einlädt, Schließlich wird sich auch für den Fami- Sicht wird man Eltern was der Intension des Gesetzgebers lienrichter im Zuge einer Scheidung erkennbar zuwiderläuft. Der Überle- die Frage stellen, ob er das Sorgerecht daher dazu raten gung, die Erheblichkeitsschwelle für einem Elternteil anvertrauen kann, der müssen, auch auf Körperverletzungen soweit hoch zu Körperstrafen nicht schon im Grund- Ohrfeigen und Klapse setzen, dass sogar Ohrfeigen im Eltern- satz ablehnt. Aus anwaltlicher Sicht im Erziehungs- Kind-Verhältnis keine tatbestandliche wird man Eltern daher dazu raten müs- Körperverletzung darstellen, wurde sen, auch auf Ohrfeigen und Klapse im repertoire vollständig von der Rechtsprechung mehrfach Erziehungsrepertoire vollständig zu zu verzichten.“ eine Absage erteilt. Beabsichtigt war verzichten, denn die leider noch immer vom Gesetzgeber zwar nicht, Eltern zu anzutreffende These, dass von diesen kriminalisieren, wenn ihnen aus Über- Handlungen keine verbotene Gewalt forderung „die Hand ausrutscht“, aber ausgeht, wird sich zukünftig immer sehr wohl, Kinder besser zu schützen, in weniger halten lassen. letzter Konsequenz auch auf dem Weg Fußnoten FUSSNOTEN * Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte in der Zeitschrift Familie Partner Recht (FPR) 2006, Heft 10, S. 387-392 des Verlages C.H. Beck 1 Vgl. hierzu Herman: Die Narben der Gewalt, 1993, S.135; Moggi: Folgen von Kindesmiss- handlungen, S. 94 in Deegener/Körner: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung, 2005; Bussmann: Verbot elterlicher Gewalt gegen Kinder, S. 247 m.w.N. in Deegener/Körner (ebenda). 2 Zum historischen Überblick vgl. Bange: Gewalt gegen Kinder in der Geschichte, S. 13 in Deegener/Körner (Fn. 1). 3 Vgl. Bussmann: Rechtliche Konsequenzen des neuen Rechts auf gewaltfreie Erziehung, S. 259 in Deegener/Körner (Fn. 1). 4 Vgl. u.a. Rauscher: Familienrecht, 2001, Rn. 962; Rakete-Dombeck § 1631 Rn. 12 in Dauner- Lieb: BGB-Kommentar, 2005; Schlüter: Familienrecht, 10. Aufl. 2003, Rn. 365; Schwab: Familienrecht, 13. Aufl. 2005, Rn. 547; Schwer in Juris-Online-Kommentar zum BGB, Stand: 03.05.2006, § 1631 Rn. 12; Palandt-Diederichsen: BGB, 65. Aufl. 2006 § 1631 Rn. 11; Coes- ter-Waltjen: Familienrecht, 5. Aufl. 2006 § 57 Rn. 90; P.Huber § 1631 Rn. 23 in MüKo-BGB 4. Aufl. 2002; Kemper § 1631 Rn. 4 in Schulze: HK-BGB, 3. Aufl. 2003; Staudinger-Salgo 13. Aufl. 2002 § 1631 Rn.78, 86. 5 Vgl. BT-Drucks. 14/1247 S. 8; siehe auch die Verpflichtungen der Bundesrepublik aus Art. 3 EMRK (Verbot erniedrigender Strafe oder Behandlung) - EGMR ÖJZ 1999, 617-618:Verbot von Prügeln als Erziehungsmaßnahme wegen Menschenrechtsverletzung des Kindes – und Art. 19 UN-Kinderrechtskonvention (Schutz vor Gewalt). 90 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ Fußnoten FUSSNOTEN 6 So auch Joecks: MüKo-StGB Bd.3 2003 § 223 Rn. 63. 7 BGH NStZ 1987, 173; vgl. hierzu die Anmerkungen von Riemer, ZfJ 2003, 328 m.w.N.. 8 Siehe z.B. § 5 Abs. 8 Kindertagesstättengesetz Schleswig-Holstein 9 Vgl. VG Saarlouis, Az. 1 F 13/06, Beschluss vom 22.06.2006; siehe auch VG Berlin, Az. 80 A 42.02, Beschluss vom 24.03.2004. 10 Siehe § 31 JArbSchG. 11 So auch Coester-Waltjen (Fn. 4) und Salgo (Fn. 4) Rn. 90. Schwerlich mit dem Kinder- schutzgedanken vereinbar, soweit z.B. Schönke/Schröder-Eser: StGB, 7.Aufl. 2006 § 223 Rn.26 und Kühl: Strafrecht AT 5.Aufl. 2005 § 9 Rn.55 die „Ausübung“ auf einen Dritten – quasi als „Vollstrecker“ - für weiterhin übertragbar halten. 12 Vgl. Stratenwert/Kuhlen: Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2004, Rn.142. 13 U.a. Bussmann: Rechtliche Konsequenzen des neuen Rechts auf gewaltfreie Erziehung, S. 259 in: Deegener/Körner (Fn.1); Riemer, ZJJ 2005, 403; Rolf Schmidt: Strafrecht AT, 5. Aufl. 2006, Rn. 474; Gropp: Strafrecht AT, 3. Aufl. 2005 § 6.B. Rn.196a; Rinio, Betrifft JUSTIZ März 2001, S. 46; Gössel/Dölling: Strafrecht BT I 2. Aufl. 2004 Rn. 117; Rengier: Strafrecht BT II, 7. Aufl. 2006 § 13 Rn. 14; Lilie in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Rn. 10; Tröndle/Fischer 53. Aufl. 2006 § 223 Rn. 18; Roxin: Strafrecht AT, 4. Aufl., 2006, Rn. 32. 14 So z.B. wohl Brodag: Strafrecht BT, 9. Aufl. 2004 § 223 Rn. 21; unter Rückgriff auf die „Sozi- aladäquanz“ beim „Ausrutschen der Hand“ Haft: Strafrecht AT 9. Aufl. 2004; Kindhäuser: Strafrecht AT, 2005, § 20 Rn. 14; ders.: Strafrecht BT I, 2003, § 7 Rn. 14; Krey/Heinrich: Straf- recht BT I, 13. Aufl. 2005 § 3 Rn. 312; Kudlich: Strafrecht AT 2. Aufl. 2006 Fälle Nr. 124-125; nicht eindeutig Otto: Grundkurs Strafrecht, 7. Aufl. 2005, § 15 Rn. 25 und Schroeder § 8 III Rn. 19 in Maurach/Schroeder/Maiwald: Strafrecht BT 1 9. Aufl. 2003. 15 Vgl.Wessels/Beulke Strafrecht AT, 35. Aufl. 2005 Rn. 387; Kühl (Fn.11) Rn. 52. Für einen wei- teren Meinungsüberblick siehe Riemer (Fn. 13) und Tröndle/Fischer (Fn. 13). Rn. 17. - Jarass/Pieroth: Grundgesetz, 8. Aufl.2006, Art.6 Rn. 40 hält § 1631 Abs. 2 BGB für verfas- sungsgemäß, ebenso im Ergebnis wohl Schulze-Fielitz Art.2 Rn. 54 in Dreier: Grundge- setz, 2. Aufl. 2004; ambivalent Robbers Art. 6 Rn. 154 in v.Mangold/Klein: Grundgesetz 5. Aufl. 2005. Die überwiegende Zahl der Autoren äußert gegen § 1631 Abs. 2 BGB keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 16 Lilie (Fn. 13) Rn. 6, 12. 17 OLG Karlsruhe DAR 2005, 350. 18 AG Prüm NJW-RR 2005, 534. 19 BGH StV 1992, 106. Lilie (Fn. 13) Rn. 9 bejaht die erhebliche Beeinträchtigung durch eine Ohrfeige auch dann, wenn ein Verletzungserfolg nicht eingetreten ist. 20 Siehe hierzu OLGR Frankfurt 2001, 133 und LG Berlin, Az. (507) 70 Js 41/01 KLs (38/01), Urteil vom 16.10.2001. 21 Vgl. Wessels/Beulke (Fn. 15) Rn. 23. 22 So zutreffend auch OLG Karlsruhe DAR 2005, 350. 23 Zu den praktischen Schwierigkeiten der Verfolgung von Beleidigungshandlungen gegen Kinder vgl. Riemer (Fn. 13) S. 406. Das LAG Köln NZA-RR 2006, 237 hat den Klaps Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 91
Zur Auswirkung des Gewaltverbots in der Erziehung nach § 1631 Abs. 2 BGB auf das Strafrecht ➜ Fußnoten FUSSNOTEN 24 mit dem Handrücken auf den Po einer Arbeitskollegin als sexuelle Belästigung einge- stuft. Vgl. auch den Fall OLG Karlsruhe Justiz 2001, 193. Vgl. zu dieser Problematik insgesamt Cileli: Wir sind Eure Töchter, nicht Eure Ehre!, 2. Aufl. 2002. 25 AG Köln, Az. 524 Ds 337/03, Urteil vom 16.10.2003, Wiedergabe bei Riemer (Fn. 13). 26 Zur Problematik des Schüttelns von Kleinkindern vgl. BGH, NStZ 2004, 201. 27 AG Burgwedel JAmt 2005, S. 50. Die Berufung wurde vom LG Hannover, Beschluss vom 20.01.2005 - 62 C 6/05, als unzulässig verworfen. 28 So wie die Amtsgerichte Köln und Burgwedel wohl u.a. auch Roxin, JuS 2004, 177-180, Hillenkamp, Jus 2001, 159 und v.Heintschel-Heinegg, JA 2001, 129; a.A. Beulke: Klausu- renkurs im Strafrecht III, 2. Aufl. 2006 Rn. 356 und Kühl (Fn. 11) Rn. 77b. 29 Staatsanwaltschaft Berlin, Az. 3 Ju Js 561/02; angeklagt beim AG Tiergarten; Angaben laut Auskunft von Herrn StA Dr. Simgen vom 07.04.2006 (Az.1451 E 24/06). 30 AG Weiden i.d.OPf., Az. 4 Ds 6 Js 1788/04 jug., Urteil vom 12.07.2004. 31 Urteil AG Goslar, Az. 23 Ls J 602 Js 6950/05, Urteil vom 21.09.2005. 32 LG Berlin ZKJ 2006, 103 mit Anm. Riemer. 33 Auch VG Aachen, Az.6 L 145/04, Beschluss vom 17.02.2004, verneint eine „folgenlose Ohr- feige“, wenn der Schlag ins Gesicht der Tochter zu einer sichtbaren Schwellung der rechten Gesichtshäfte führt. 34 Vgl. Wiesner: Rechtliche Grundlagen der Intervention bei Misshandlung, Vernachlässi- gung und sexuellem Missbrauch, S.282, 284 in Deegener/Körner (Fn. 1); sehr ähnlich Gra- venhorst LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 3 S. 7(Anm. zu LAG Schleswig-Holstein, Beck-RS 2004, 40211). 35 Vgl. u.a. Pfeiffer/Wetzels: Junge Türken als Täter und Opfer von Gewalt, veröffentlicht unter http://www.kfn.de/fb81.pdf; dpa-Pressemeldung vom 02.06.2006: Studie belegt Gewaltprobleme bei Kindern aus Migrantenfamilien. 36 Vgl. Bussmann: Verbot elterlicher Gewalt gegen Kinder, S. 243-258 in Deegener/Körner (Fn.1); ders.: Evaluating the subtle impact of a ban on corporal punishment of children in Germany, Child Abuse Review 2004, S. 292. 37 Zu dieser Problematik insgesamt Wendler: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung in Migrantenfamilien, S. 186 in: Deegener/Körner (Fn. 1); siehe auch Kelek: Die verlorenen Söhne, 2006. 92 Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 1 · 2006
Dr. Martin Riemer Rechtsanwalt. Geboren in Marburg an der Lahn, studier- te Medizin und Jura in Erlangen, Freiburg im Breisgau und Kalifornien/USA. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim Landgericht Köln in 2004. Kontakt: Mühlenstraße 73 50321 Brühl Telefon: 02232 – 305 934 Telefax: 02232 – 310 254 E-Mail: post@riemer-law.de www.riemer-law.de Interdisziplinäre Fachzeitschrift der DGgKV · Jahrgang 9 · Heft 2 · 2006 95
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