Zur Beratungssituation im Asylverfahren - Ein Skript für die ehrenamtliche und studentische Rechtsberatung von Geflüchteten - bei den Refugee Law ...

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Zur Beratungssituation im Asylverfahren - Ein Skript für die ehrenamtliche und studentische Rechtsberatung von Geflüchteten - bei den Refugee Law ...
Zur Beratungssituation im
        Asylverfahren
Ein Skript für die ehrenamtliche und studentische
        Rechtsberatung von Geflüchteten

                  Herausgegeben von
Zur Beratungssituation im Asylverfahren - Ein Skript für die ehrenamtliche und studentische Rechtsberatung von Geflüchteten - bei den Refugee Law ...
EDITORIAL

Dieses Skript wurde im Rahmen des Regionaltreffens der Refugee Law Clinics
Süddeutschlands vom 31. März bis 02. April 2017 erstellt. Es wurde in
Verantwortung des Dachverbands Refugee Law Clinics Deutschland e.V.
überarbeitet und aktualisiert auf den Stand Februar 2018.

Ersterstellung: Dolores Sarancic, Fabian Grona in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Referent*innen
(siehe Programmübersicht auf Seite 1)

Überarbeitung: Greta Eriksen, Simon Herker

Lektorat: Dr. Carsten Hörich, Prof. Wolfgang Armbruster

Wir danken allen Beteiligten für ihr Engagement während der Erstellung des vorliegenden Skripts!

Inhaltliche Anmerkungen werden an 
gerne entgegen genommen.

Kontaktinformationen
       Refugee Law Clinics Deutschland e.V.
       c/o Migration Hub Network
       Am Krögel 2
       10179 Berlin
       Online: www.lawclinics.de

V.i.S.d.P.
         Maximilian Oehl, 1. Vorsitzender

© Refugee Law Clinics Deutschand e.V.

                                 Mit freundlicher Unterstützung von
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In herzlicher Erinnerung an Dr. Carsten Hörich (1981 – 2018).

    Er war Begleiter und vielfältiger Unterstützer des Netzwerks und der Refugee Law Clinics.

Was er uns gab, bleibt. Mögen sein wacher kritischer Geist und die Leidenschaft uns weiter tragen.
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INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis
A.        Programmübersicht............................................................................................................ 1
B.        Dokumente im Asylverfahren ............................................................................................ 2
     I.     Übersicht zum Ablauf des Asylverfahrens ...................................................................... 2
     II. Dokumente innerhalb der unterschiedlichen Verfahrensstadien .................................. 2
          1.       Einreise und Asylantrag ........................................................................................... 2
          2.       Dublin Verfahren ...................................................................................................... 5
          3.       Anhörung im Asylverfahren (§ 25 AsylG) ................................................................. 6
          4.       Positive Entscheidung des Bundesamtes................................................................. 6
          5.       Negative Entscheidung des BAMF ........................................................................... 7
          6.       Rechtsbehelfsbelehrung .......................................................................................... 8
          7.       EXKURS: Asylfolgeverfahren: Zweit- und Folgeantrag ............................................. 8
          8.       EXKURS: Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) ....................... 9
C.        Anhörungsvorbereitung ................................................................................................... 12
     I.     Übersicht ....................................................................................................................... 12
     II. Anhörungsvorbereitung ................................................................................................ 12
          1.       Ablauf ..................................................................................................................... 12
          2.       Rolle des/der Beraters/-in ..................................................................................... 12
          3.       Vor der Anhörungsvorbereitung ............................................................................ 12
          4.       Vorabinformationen an den/die Beratungssuchenden ......................................... 12
          5.       Kernfragen.............................................................................................................. 13
          6.       Nach der Anhörung ................................................................................................ 16
     III.      Anhörungsbegleitung ................................................................................................ 16
          1.       Problem: Der/Die Begleiter/-in wird von der Anhörung ausgeschlossen ............. 16
          2.       Vor der Anhörungsbegleitung................................................................................ 17
          3.       Rolle des/der Begleiters/-in ................................................................................... 17
     IV.       Checkliste zur Anhörungsvorbereitung ..................................................................... 18
     V. Literatur und nützliche Links ......................................................................................... 19
D.        Psychosoziale und psychotherapeutische Arbeit mit traumatisierten Asylbewerbern .. 20
     I.     Reflexionsfragen ............................................................................................................ 20
     II. Situation traumatisierter Flüchtlinge/Asylbewerber .................................................... 20
          1.       Traumatisierung im Heimatland ............................................................................ 20
          2.       Traumatisierung auf der Flucht ............................................................................. 20
          3.       Traumatisierung in Deutschland ............................................................................ 20

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     III.       Was ist ein Trauma? .................................................................................................. 21
     IV.        Psychotherapeutische Einsichten .............................................................................. 21
          1.       Ziele der Psychotherapie........................................................................................ 21
          2.       Die drei Schritte in der Psychotherapie ................................................................. 21
     V. Gedankenexperiment .................................................................................................... 21
     VI.        Inhalte psychosozialer Arbeit .................................................................................... 22
     VII.       Hinweise im Umgang mit traumatisierten Asylbewerber/-innen ............................. 22
          1.       Hilfreiches Verhalten ............................................................................................. 22
          2.       Reaktion in einer kritischen Situation .................................................................... 22
     VIII.      Literatur ..................................................................................................................... 23
     IX.        Kontakte zu psychosozialen Zentren ......................................................................... 23
E.        Beratungspraxis ................................................................................................................ 24
     I.      Übersicht zum Ablauf .................................................................................................... 24
     II. Ziele eines Beratungsgesprächs .................................................................................... 24
          1.       Aus Sicht der Berater/-innen ................................................................................. 24
          2.       Aus Sicht des/der Beratungssuchenden ................................................................ 24
     III.       Umgebung der Beratung ........................................................................................... 24
     IV.        Das Gespräch ............................................................................................................. 24
          1.       Begrüßung .............................................................................................................. 24
          2.       Gesprächsbeginn .................................................................................................... 25
          3.       Fragen .................................................................................................................... 25
          4.       Umgang mit Antworten des/der Beratungssuchenden......................................... 25
          5.       Unklarheiten vermeiden ........................................................................................ 25
          6.       Inhalt des Beratungsgesprächs .............................................................................. 26
          7.       Haftungshinweis..................................................................................................... 27
          8.       Gesprächsende....................................................................................................... 27
          9.       Nach dem Gespräch ............................................................................................... 28
     V. Checkliste zum Beratungsgespräch ............................................................................... 28
     VI.        Thema: Klage und Klagebegründung in der (R)LC ..................................................... 29
F.        Musterfälle zum Asyl- und Ausländerrecht...................................................................... 32
     I.      Fall: Langes Warten ....................................................................................................... 32
     II. Fall: Verpatzte Anhörung und europäische Familienzusammenführung ..................... 35
     III.       Fall: Für die Liebe!...................................................................................................... 39
     IV.        Fall: Familiennachwuchs und Umzugspläne ............................................................. 41
     V. Fall: Abgelehnt............................................................................................................... 44
     VI.        Fall: Schutz vor Gefängnisstrafe? / Der edle Pass .................................................... 48

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     VII.       Fall: Verfahren eingestellt – Oh mein Gott! .............................................................. 50
     VIII.      Fall: Eine Frage des Alters ......................................................................................... 52
G.        Grenzen der Rechtsberatung ........................................................................................... 55
     I.      Historie .......................................................................................................................... 55
     II. Allgemeine Vorschriften, § 1 – 5 RDG ........................................................................... 55
          1.        Gesetzeszweck, § 1 RDG ........................................................................................ 55
          2.        Anwendungsbereich des RDG ................................................................................ 56
     III.       Besondere Vorschriften, insbesondere § 6 RDG ....................................................... 59
          1.        Erfordernis einer Vollmacht ................................................................................... 59
          2.        Befugnis zur Erbringung der RDL ........................................................................... 59
          3.        Sonstige unentgeltliche außergerichtliche RDL, § 6 II RDG ................................... 60
          4.        „U te A leitu g ei e/-s Volljurist/ -i “, § 6 II RDG ........................................... 60
          5.        „Ei      eisu g u d Fo t ildu g“, § 6 A s. S. RDG............................................... 61
          6.        Problem: Verhältnis von § 6 RDG zu § 7 RDG ........................................................ 61
          7.        Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das RDG....................................................... 62
H.        Musterschriftsätze ........................................................................................................... 64
     I.      Androhung der Untätigkeitsklage ................................................................................. 65
     II. Untätigkeitsklage ........................................................................................................... 66
     III.   (Aufstockungs-)Klage auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus – Syrien und Antrag
     auf Prozesskostenhilfe ......................................................................................................... 69
     IV.        Klage und Eilantrag gem. 80 Abs. 5 VwGO bei Dublin-III-Verfahren ......................... 71
     V. Antrag auf Unterbringung in einer Wohnung ............................................................... 73
     VI.        Antrag auf Beistand bei Anhörung ............................................................................ 74
     VII.       Antrag und Klage auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand & Eilantrag .............. 75
     VIII. Eilantrag und Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bei Verfahrenseinstellung nach § 33
     AsylG 78

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A. PROGRAMMÜBERSICHT

                               A.     Programmübersicht

Das Programm des Regionaltreffens 2017 der Refugee Law Clinics Süddeutschland mit den
beteiligten Referent*innen, denen wir an dieser Stelle herzlichen Dank für ihre Unterstützung
dieses Skripts aussprechen:

                                                                                           1
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B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

                          B.     Dokumente im Asylverfahren

        I.     Übersicht zum Ablauf des Asylverfahrens

                      Asylge        Asyl-                       Anhör-          Entscheidung
    Einreise                                     Dublin
                      -such        antrag                         ung            des BAMF

        II. Dokumente innerhalb der unterschiedlichen Verfahrensstadien

                  1. Einreise und Asylantrag

                          a. Anlaufbescheinigung

•   Zwischen Einreise und Ausstellung des Ankunftsnachweises wird u.U. eine
    „Anlaufbescheinigung“ ausgestellt (rechtliche Einordnung unklar und nicht im AsylG geregelt)

Muster – Anlaufbescheinigung:

                          b. Ankunftsnachweis

•  Seit 8. Ja ua          6 Ausstellu g o „Ankunftsnachweis“ (AKN) direkt nach der
   erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 63a AsylG)
• Der Aufenthalt ist erst nach Ausstellung des Ankunftsnachweises gestattet (§ 55 Abs. 1 AsylG)
• Ausstellende Einrichtung/Behörde: zuständige Aufnahmeeinrichtung oder Außenstelle des
   BAMF
• Gültigkeit längstens 6 Monate
• Mit de A ku fts a h eis hat die „Bes hei igu g ü e die Meldu g als Asylsu he de “
   (BüMA) im Jahr 2016 eine bundeseinheitliche Ausgestaltung erhalten
 • Über die Bedeutung der Asylantragstellung sowie damit einhergehende Rechte und Pflichten
    ist der/die Asylsuchende schriftlich zu informieren (§ 14 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 24 Abs. 1 AsylG)
 • Hierzu erhält der/die Asylsuchende eine schriftliche Mitteilung (mehrseitiges Dokument)
 • Das BAMF legt für jedes Asylverfahren eine entsprechende Akte an ( Einsicht während des
    Verfahrens auf Antrag möglich)

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B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

Muster – Ankunftsnachweis:

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B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

                           c. Aufenthaltsgestattung

   •   Nach dem Ankunftsnachweis (s.o.) ist die Aufenthaltsgestattung ein neues Dokument, das
       aber den Aufenthaltsstatus unverändert lässt
   •   Aufenthaltsgestattung wird nach der förmlichen Asylantragstellung beim BAMF ausgestellt
   •   Aus den Dokumenten, die der/die Asylsuchende im Besitz hat, lässt sich deshalb gut ersehen,
       in welchem Stadium des Asylverfahrens er/sie sich gerade befindet und welchen
       Aufenthaltsstatus er/sie hat
   •   Die Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach § 61 AsylG. Die
       Vorrangprüfung entfällt in den Fällen des § 32 Abs. 5 BeschV
   •   Eine räumliche Beschränkung während des Wohnens in der (Erst-)Aufnahmeeinrichtung ergibt
       sich aus §§ 56 ff. i.V.m. §§ 47 ff. AsylG
   •   Gemäß § 60 Abs. 1 AsylG wird Asylsuchenden, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer
       Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, vorgegeben, an welchem Ort sie wohnen sollen, solange sie
       ihren Lebensunterhalt nicht selbstständig sichern (Wohnsitzauflage)
   •   Ausländer mit Aufenthaltsgestattung können bei freien Plätzen zu einem Integrationskurs
       zugelasse     e de , e „ei daue hafte u d e ht äßige Aufe thalt zu e a te ist“, §
       44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG (Herkunftsland mit hoher Anerkennungsquote -> „gute
       Blei epe spekti e“, BT-Drs. 18/6185). Über die Zulassung entscheidet das Bundesamt (§ 5
       IntV)

Muster - Aufenthaltsgestattung:

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B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

                 2. Dublin Verfahren

        a. Einleitung des Verfahrens und Entscheidung

•   Häufig erhält der/die Asylsuchende nach Stellung des förmlichen Asylantrags ein Schreiben,
    welches über die Einleitung des sogenannten Dublin-Verfahrens (Art. 20 Dublin III-VO)
    informiert  bedeutet lediglich, dass geprüft wird, ob ein anderer Dublin-Staat für die
    Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (bspw. Prüfung auf Treffer innerhalb EURODAC-
    Datei [Fingerabdruck-Identifizierungssystem der EU])
•   Über das Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (sogenanntes Dublin-
    Interview; von Betroffenen oft auch „Erstes Interview“ genannt) wird eine Niederschrift erstellt
     Zusendung i.d.R. mit Entscheidung
•   Wird festgestellt, dass ein anderer Dublin-Staat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig
    ist, e geht Bes heid, dass de „A t ag als u zulässig a geleh t“ i d § 29 Abs. 1 AsylG)
•   Außerdem ergeht eine Abschiebungsanordnung in den zuständigen Dublin-Staat (§ 34a AsylG)

        b. Bei festgestellter Zuständigkeit eines anderen Staates

•   Ein negativer Dublin-Bescheid besteht also aus einer Unzuständigkeitserklärung hinsichtlich des
    konkreten Asylverfahrens in Deutschland sowie der Abschiebungsanordnung
•   Die zuständige Ausländerbehörde regelt die Ausreisemodalitäten  Ausstellung einer so
    genannten Grenzübertrittbescheinigung (nicht im Gesetz geregelt) erfolgt mit dem Zweck des
    Nachweises der selbstständigen („f ei illige “) Ausreise und soll von Grenzbehörde oder
    Auslandsvertretung abgestempelt werden
•   Diese erhält der/die Asylsuchende zusammen mit entsprechenden Informationen schriftlich
•   Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf eine selbstständige Ausreise (vgl. BVerwG, Urt. v.
    17.9.2015 – 1 C 26/14)
•   Möglicherweise können inlandsbezogene Überstellungshindernisse geltend gemacht werden.
    Das können Duldungsgründe nach § 60a AufenthG sein, z.B. eine Reiseunfähigkeit infolge
    schwerer Krankheit oder Risikoschwangerschaft
•   Überstellungsfristen des Art. 29 Dublin III-VO beachten: Fristablauf führt zur Zuständigkeit
    Deutschlands. Zur Prüfung ggf. Akteneinsicht beantragen

        c. Rechtsmittel

•   Frist zur Klage gegen den Dublin-Bescheid beträgt 1 Woche (§ 74 Abs. 1 Hs. 2 i.V.m. § 34a
    Abs. 2 S.1 AsylG)
•   Auch Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung muss innerhalb einer Woche gestellt werden
•   Möglicherweise können zielstaatsbezogene Überstellungshindernisse geltend gemacht
    werden
•   Wichtig: 6-Monatsfrist (Überstellungsfrist) beginnt nach erfolglosem Gerichtsverfahren neu
    (BVerwG, Urt. v. 9.8.2016 – 1 C 6/16)

        d. Weitere Informationen

•   Dienstanweisungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zum Dublin-Verfahren
    (Stand November 2017): www.goo.gl/BjNhNx

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B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

   •   Informationsbroschüre         von        Pro       Asyl:        https://www.proasyl.de/wp-
       content/uploads/2015/12/Dublin_Ratgeber_Erste_Hilfe_2015.pdf (Achtung: Stand 2015!)
   •   Basisinformationen       vom     Informationsverbund       Asyl     &    Migration     auf:
       http://www.asyl.net/arbeitshilfen-publikationen/arbeitshilfen-zum-aufenthalts-und-
       fluechtlingsrecht/basisinformationen.html (Achtung: Stand 2015!)

                   3. Anhörung im Asylverfahren (§ 25 AsylG)

   •   Die Anhörung ist für den/die Asylbewerber/-in der wichtigste Teil im Asylverfahren, denn das
       dort Gesagte entscheidet über den weiteren Verlauf des Asylverfahrens. Fehler bei der
       Anhörung sind oft nicht mehr korrigierbar
   •   Der/Die Asylbewerber/-in erhält i.d.R. eine schriftliche Ladung zum Anhörungstermin
   •   Über die Anhörung ist eine Niederschrift zu erstellen und dem/der Asylsuchenden zur
       Unterschrift vorzulegen (§ 25 Abs. 7 AsylG)
   •   Das Anhörungsprotokoll wird dem Betroffenen nach dem Termin zugestellt, manchmal erst
       mit der Entscheidung (dazu: Fränkel in Hofmann, 2. Aufl., § 25 AsylG Rn. 26 f.)

       Hinweis: Über Probleme/Fehler während der Anhörung sollte das BAMF so schnell wie
       möglich in Kenntnis gesetzt werden

                   4. Positive Entscheidung des Bundesamtes

   •   Die Entscheidung wird bekanntgegeben, indem sie per Post zugesandt wird
   •   Wichtig: Dem BAMF ist bei Umzug stets die neue Adresse mitzuteilen. Anzeige gegenüber
       der Ausländerbehörde reicht nicht
   •   Klagefristen beginnen mit ordnungsgemäßer Zustellung (gelben Briefumschlag aufheben!)

       Hinweis: Die Erteilung der Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 – 3 AufenthG hat gem. § 5 Abs. 3
       Satz 1 AufenthG unabhängig von der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5
       Abs. 1, Abs. 2 AufenthG [u.a. Passpflicht]) zu erfolgen. Das gilt also für alle vier untenstehenden
       Schutzstatus

                        a. Asylberechtigung gem. § 16 a GG

   •   Kann bei der Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht gewährt werden  bei Einreise nach
       Deutschland auf dem Landweg immer gegeben. Daher wird die Asylberechtigung kaum erteilt
       und ist für die Praxis nicht relevant
   •   Rechtliche Wirkungen wie bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

                        b. Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 AsylG

   •   Es ergeht Bescheid: „Die Flü htli gseige s haft i d zue ka t“
   •   Aufenthaltstitel für 3 Jahre, § 26 Abs. 1 Satz 2 AufenthG
   •   Sofern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, muss die Ausländerbehörde eine „ laue
       Flü htli gspass“ ausstellen, Art. 28 GFK (sehr wichtig für Reisen ins Ausland)
   •   Privilegierter Familiennachzug möglich, vgl. § 29 Abs. 2 AufenthG

Zu beachten: Der sog. Flüchtlingspass gilt nicht für Reisen ins Herkunftsland. Davon ist dringend
abzuraten  Risiko des Erlöschens der Flüchtlingseigenschaft (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG)
oder eines Widerrufsverfahrens (§ 73 Abs. 1 S. 1 AsylG)

                                                                                                        6
B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

                    c. Subsidiärer Schutz, § 4 AsylG

•   Es ergeht ei Bes heid: „De su sidiä e S hutzstatus i d zue ka t. I Ü ige                 i d de
    Asyla t ag a geleh t“  Aufenthaltstitel gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist zu erteilen
•   Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubnis für 1 Jahr, anschließend Verlängerung auf zwei
    weitere Jahre möglich, § 26 Abs. 1 Satz 3 AufenthG
•   Keine Ausstellung des Flüchtlingspasses, ggf. kann ein Reiseausweis für Ausländer (§ 5 ff.
    AufenthV) beantragt werden (oft aber nicht ganz einfach zu bekommen)
•   Aussetzung oder (voraussichtlich ab August 2018) strenge Reglementierung des
    Familiennachzugs; gilt i ht fü „Du li III-“ oder Härtefälle gemäß § 22 AufenthG
•   Zweiwöchige Klagefrist (für sog. Aufstockungsklage, also die weitere Begehrung der
    Zuerkennung von Asyl- und/oder Flüchtlingseigenschaft, während die Zuerkennung des
    zumindest subsidiären Schutzstatus nicht angegriffen und bestandskräftig wird)

                    d. Nationales Abschiebeverbot, § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG

•   Es ergeht ein Bescheid: Der Antrag auf Asylanerkennung wird abgelehnt. Der subsidiäre
    Schutzstatus wird nicht zuerkannt. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 (oder Abs. 7) des
    Aufenthaltsgesetzes liegt vor
•   Aufenthaltserlaubnis für mindestens 1 Jahr, § 26 Abs. 1 Satz 4 AufenthG
•   Aufenthaltstitel soll erteilt werden, § 25 Abs. 3 AufenthG
•   Zweiwöchige Klagefrist

                5. Negative Entscheidung des BAMF

•   Klagefristen beginnen mit ordnungsgemäßer Zustellung des Bescheids
•   Achtung: Besondere Zustellungsvorschriften des § 10 AsylG beachten

        a. Offensichtlich unbegründeter Asylantrag (§ 30 AsylG)

•   „De A t ag auf A e ke u g als Asyl e e htigte             i d als offe si htli h u eg ü det
    abgelehnt. Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich
    unbegründet abgelehnt. Der Antrag auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter wird als
    offensichtlich unbegründet abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG
    liege i ht o .“
•   Beso de s ele a t ei Pe so e aus „sicheren Herkunftsstaaten“ i.S.d. § 29 Abs. 2 AsylG
    (derzeit: Albanien, Kosovo, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien,
    Ghana, Senegal)  Ablehnung gem. § 29 a Abs. 1 S. 1 AsylG
•   Frist für Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und Klage beträgt nur 1 Woche, §§ 36, 74 Abs. 1 Hs. 2
    AsylG

Hinweis: Fehlende Kopie der Asylakte (kommt normalerweise zusammen mit Bescheid) wirkt sich
nicht auf die Wirksamkeit der Zustellung aus.

                                                                                                  7
B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

        b. Einfache Ablehnung

•   Die Frist für eine Klage beträgt 2 Wochen (§ 74 Abs. 1 AsylG). Ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5
    VwGO ist nicht erforderlich
•   Ggf. auch Verpflichtungsklage gegen Befristung des gesetzlichen Einreise- und
    Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG (zweiwöchige Klagefrist, § 74 Abs. 1 AsylG), da
    Eilantrag nicht fristgebunden; aber nur zweckmäßig, wenn der/die Asylbewerber/-in eine
    spätere Rückkehr nach Deutschland tatsächlich anstrebt, er/sie legal einreisen könnte und nicht
    freiwillig ausreisen will
•   Kein Eilantrag erforderlich, weil Klage gegen einfache Ablehnung aufschiebende Wirkung hat,
    § 75 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG (sog. Suspensiveffekt)

                 6. Rechtsbehelfsbelehrung

•   Die Rechtsbehelfsbelehrung im Asylverfahren muss den Anforderungen des § 58 VwGO
    entsprechen. Bei Fehlen oder Fehlerhaftigkeit verlängert sich die Rechtsbehelfsfrist auf ein
    Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO)
•   Relevanz im Asylrecht: Rechtsbehelfsbelehrung in falscher Sprache. Über den
    Entscheidungstenor sowie mögliche Rechtsbehelfe sind in einer Sprache zu unterrichten,
    „deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt e de ka “, § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG
•   Aber grundsätzlich sollte den Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung immer gefolgt werden!

                 7. EXKURS: Asylfolgeverfahren: Zweit- und Folgeantrag

           a. Folgeantrag, § 71 AsylG
•   Legaldefinition in in § 71 Abs. 1 AsylG iVm § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG  normiert Gründe für
    das Wiederaufgreifen des Verfahrens (bspw. Veränderte Sachlage, hier: im Herkunftsland)
•   Folgeantrag muss persönlich bei der Außenstelle des BAMF gestellt werden (§ 71 Abs. 2 S. 1
    AsylG)
•   Die Abschiebung darf bis zu einer Entscheidung des BAMF nicht vollzogen werden

                                                                                                 8
B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

   •   Die Mitteilung ggü. der Ausländerbehörde erfolgt oft nur mündlich  Betreuer/-in erfährt
       davon erst mit Zustellung des Bescheides
   •   Rechtsschutz gegen Ablehnung: Klage und Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§§
       123 oder 80 Abs. 5 VwGO); zweiwöchige Klagefrist

               b. Zweitantrag, § 71 a AsylG
   •   Erneute Asylantragstellung nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren
       Drittstaat ( relevant: Mitgliedsstaaten von Dublin-III)
   •   Voraussetzungen:
                        Verfahrenszuständigkeit Deutschlands gem. Dublin-III VO +
                           Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
                        I Falle ei e egati e E ts heidu g, i d de A t ag als „u zulässig“
                           abgelehnt (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG)

                    8. EXKURS: Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)

                            a. Allgemein

  •    Rechtsgrundlage: § 60 a AufenthG -> hier gibt es zahlreiche verschiedene Arten der Duldung
  •    Erst nach negativem Abschluss des Asylverfahrens relevant, also kein Dokument des regulären
       Asylverfahrens
  •    Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel  Abschiebehindernis. Personen bleiben vollziehbar
       ausreisepflichtig
  •    Gewährt nur einen vorübergehenden straffreien Aufenthalt (vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG)
  •    Zuständig für die Ausstellung des Duldungsdokuments ist die Ausländerbehörde
  •    Duldung erlischt mit der Ausreise oder mit der Abschiebung, wenn Abschiebungshindernisse
       entfallen sind -> da      kei e e eute A d ohu g de A s hie u g, es sei de , „ i ht-
       sel st e s huldete“ A s hie u g ist lä ger als ein Jahr ausgesetzt, § 60a Abs. 5 S. 4, 5 AufenthG
  •    Mögliche Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach § 32 BeschV/ § 60 Abs. 6 AufenthG
  •    Wohnsitzverpflichtung und ggf. räumliche Beschränkung richten sich nach § 61 AufenthG

                            b. Duldungsgründe

                                    i.   § 60a Abs. 1 – Abschiebestopp
   •   Zuständige Landesbehörde erlässt Abschiebestopp (zunächst für bis zu drei, maximal für
       sechs Monate)

                                ii. § 60a Abs. 2 S. 1 – tatsächliche oder rechtliche
                                    Unmöglichkeit der Abschiebung
Tatsächliche Abschiebehindernisse:
   •   Fehlende Pass-/ Identitätsdokumente
   •   Staatenlosigkeit und/oder kein aufnahmebereiter Staat
   •   Keine Reiseverbindung ins Herkunftsland
   •   Reise-/Transportunfähigkeit (gesundheitliche Gründe) -> hier sind die Absätze 2c und 2d zu
       beachten (insbesondere ist eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erforderlich)
   •   Fortgeschrittene Schwangerschaft (analog Mutterschutz: 6 Wochen vor und 8 Wochen nach
       Geburt; ggf. länger bei Risikoschwangerschaft)

Rechtliche Abschiebehindernisse:

                                                                                                      9
B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

•   Gesetzlich geregelte Fälle gibt es v.a. in §§ 60 (Abschiebungsverbote), 81 Abs. 3 S. 2 AufenthG
    (Fiktionsduldung) und den §§ 36 Abs. 3 S. 8 (nach rechtzeitiger Eilantragsstellung im
    Asylverfahren), 71 Abs. 5 S. 2 und 71a Abs. 3 S. 1 AsylG (nach Folge- oder Zweitantrag)
•   Familiäre Gründe, z.B. unzumutbare Trennung von Familienmitgliedern, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK
•   Bevorstehende, den weiteren Aufenthalt legalisierende Heirat (konkreter Standesamtstermin,
    alle Unterlagen eingereicht, insb. Ehefähigkeitszeugnis)
•   Vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung, sofern Vater-Kind-
    Beziehung den weiteren Aufenthalt legalisiert
•   Faktische Inländer i.S.d. Art. 8 EMRK (keinerlei Bezug zum bloß noch formellen Herkunftsstaat)
•   Duldung für ein laufendes Gerichts-/Verwaltungsverfahren (jeweils nach Abwägung der
    entgegenstehenden Interessen)

                                iii. § 60a Abs. 2 S. 2 ff. – Strafverfahren/ dringende Gründe/
                                     Ausbildung
•   S. 2: Duldung wegen vorübergehender Notwendigkeit der Beteiligung an einem Strafverfahren
    wegen eines Verbrechens
•   S. 3: Ermessensduldung wegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe oder
    erheblicher öffentlicher Interessen
         o z.B. denkbar: Eintritt eines gesetzlichen Abschiebungsverbots absehbar; Beendigung
              des Schuljahres; Fortsetzung medizinischer Behandlung; Aufnahme/Fortsetzung einer
              Ausbildung, z.B. bei Einstiegsqualifizierung; vorübergehende Betreuung erkrankter
              Familienangehöriger
•   S. 4 ff.: Ausbildungsduldung für die Zeit der qualifizierten Berufsausbildung und danach bei
    Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf

                                iv. § 60a Abs. 2a – Rückübernahme nach gescheiterter
                                    Abschiebung
•   Bei europäischen Kooperationen ist im Falle gescheiterter Abschiebung der die Abschiebung
    durchführende Mitgliedstaat zur Rückübernahme verpflichtet, vgl. Art. 6 RL 2003/110/EG

                                v. § 60a Abs. 2b – Duldung der Kernfamilie eines „gut
                                   i tegrierte “ Minderjährigen mit AE nach § 25a
•   Auch Aufenthaltserlaubnis (AE) gem. § 25a Abs. 2 AufenthG im Ermessenswege möglich

                                                                                                10
B. DOKUMENTE IM ASYLVERFAHREN

Muster - Duldung:

                                                    11
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

                        C.      Anhörungsvorbereitung

     I.   Übersicht

    Anhörungsvorbereitung           Anhörungsbegleitung

     II. Anhörungsvorbereitung

             1.   Ablauf

•    Begrüßung und Rollen klären (Hinweis: nur ehrenamtliche / studentische Beratung),
     Überblick über Termin geben
•    Kontrolle von Adresse, Sprache und ggf. von mitgebrachten Unterlagen (insbesondere auf
     Termine und Fristen achten)
•    Ablauf und Bedeutung der Anhörung erklären
•    Kernfragen durchsprechen
•    Ggf. Infoblatt zur Anhörung überreichen (auf verschiedenen Sprachen verfügbar:
     http://www.asyl.net/index.php?id=337)
•    BAMF Fragenkatalog überreichen / BAMF Fragenkatalog durchgehen (Hinweis: Vielleicht
     werden nicht alle Fragen gestellt oder weitere ergänzt)

             2. Rolle des/der Beraters/-in

•    Betroffener/-e bringt die Geschichte mit, Berater/-in erfindet nicht (strafrechtliche
     Risiken!)
•    Ziel: Helfen, Geschichte widerspruchsfrei zu präsentieren

             3. Vor der Anhörungsvorbereitung

•    Kontrolle: Sind beim BAMF die Adresse und die Sprache, sowie der Dialekt, in der der/die
     Asylsuchende am besten kommunizieren kann, korrekt registriert?
•    Sonst: Korrektur an BAMF schicken  Fax
•    Ggf. Beistand anmelden (je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt)

             4. Vorabinformationen an den/die Beratungssuchenden

•    Die Anhörung ist der wichtigste Termin im Verfahren!
•    Bei der Anhörung anwesende Personen: Ein/-e Dolmetscher/-in, ein/-e BAMF
     Mitarbeiter/-in, ggf. Beistand der/s Betroffenen
•    BAMF ist kein Gericht, staatliche Behörden in Deutschland werden gerichtlich kontrolliert
     und sind vertrauenswürdig
•    Das BAMF stellt Fragen wiederholt, nicht davon irritieren lassen
•    Falls Anhörungstermin beim BAMF nicht wahrgenommen werden kann: Unbedingt BAMF
     benachrichtigen!
•    Termin verpasst? Sofort BAMF benachrichtigen! (Risiko: Einstellung des Verfahrens gem.
     § 33 AsylG)  die Benachrichtigung sollte per Fax erfolgen (Sendeprotokoll dient als
     Nachweis!)
•    Asylsuchender/-e kann eigenen Sprachmittler/-in mitbringen, § 17 AsylG

                                                                                           12
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

        •   Asylsuchender/-e kann Sonderbeauftragten/-e für Minderjährigen-, Kindersoldaten,
            Trauma- oder Vergewaltigungsfälle bekommen (bspw. kann das Geschlecht des/der
            Anhörer*in und des/der Dolmetschenden an die Bedürfnisse angepasst werden), vorab
            mitteilen ans BAMF
        •   Anhörungssimulation: Berater/-in spielt Rolle des Anhörers/-in. Auf Rollenwechsel
            hinweisen.
        •   Außer bei fließendem Deutsch: Dolmetscher/-in anfordern. Wenn Deutschkenntnisse,
            nicht schlecht sind: Begrüßung auf Deutsch, danach Gespräch in Muttersprache
        •   Hinweis: Es geht bei der Anhörung primär um das Einzelschicksal des/der Asylsuchenden/-
            e, nicht um die allgemeine Lage im Land. Das Einzelschicksal muss in den Vordergrund
            gestellt werden. Nicht bloß: Von Familien oder politischer Lage sprechen. Das ist wichtig,
            sofern es den Asylsuchenden/-e auch konkret tangiert. Dann aber darstellen, wie.
        •   Beweismittel sollten zur Anhörung mitgebracht werden, bspw. Zeitungsartikel,
            Blogeinträge, Facebook. Filme: Auf Handy zeigen bei Anhörung. Bilder ausgedruckt. Wenn
            Beweismittel abgewiesen, darauf achten, dass dies im Protokoll vermerkt wird, sonst in
            Gerichtsverhandlung schwer beizubringen  Achtung: Das Auslesen von Datenträgern,
            also z.B. Handydaten, durch das BAMF zur Feststellung von Identität und
            Staatsangehörigkeit regelt § 15 a AsylG (neu)1
        •   Beachte: Zu den Beweismitteln können auch ärztliche Atteste gehören, falls der/die
            Asylsuchende unter psychischen und/oder physischen Erkrankungen leidet
        •   Hinweis an Asylsuchenden/-e: Bei Gebrauch gefälschter Beweismittel sind die
            Ausführungen unglaubwürdig; häufig gefälscht: Haftbefehle und Drohbriefe.
        •   Über die Rechte aufklären: Vertrauensperson mitnehmen, Pausen einfordern, Recht auf
            passende/n Dolmetscher/in und wenn etwas nicht richtig verstanden wird, kann
            nachgefragt werden.
        •   Beim Reinholen durch Dolmetscher zur Anhörung: Nochmals prüfen, ob richtige Sprache,
            i de ku z: Hallo, Wie geht’s, S all Talk. We da ei e e kt: i ht i htige Sp a he, a s
            BAMF melden. Nicht mit schlechtem Dolmetscher anfangen, auf passende/-n
            Dolmetscher/-in bestehen, auch wenn das Warten auf einen neuen Termin bedeutet.
        •   Wenn BAMF auf Anhörung besteht -> Dienstaufsichtsbeschwerde
        •   Pausen machen beim Erzählen. Der Dolmetscher sollte die Chance haben, den Sachverhalt
            genau zu übersetzen und nicht nur eine Zusammenfassung des Gesagten.
        •   Unbedingt Rückübersetzung fordern und durchgehen, nicht ohne Rückübersetzung
            unterschreiben. Falsche Angaben korrigieren und Fehlendes ergänzen. Erst dann
            unterschreiben
        •   Termin meist ab 8:00 morgens, pünktlich erscheinen, aber Wartezeiten und lange Dauer
            einkalkulieren: Essen, Trinken, Lesen mitbringen. Kinder: Versorgen, nicht mitbringen.
        •   Unterschrift verweigern? (Druckmittel, wenn z.B. Protokoll noch nicht vollständig ist)

                    5. Kernfragen

        •   Gi t es ei P otokoll zu „klei e A hö u g“ Du li ef agu g ? Gibt es dort
            Widersprüche?
        •   Allgemeine Informationen über den/die Asylsuchenden/-e
        •   BAMF Fragenkatalog durchgehen (Hinweis: Vielleicht werden nicht alle Fragen gestellt
            oder andere ergänzt)

1
 Näher hierzu Hörich/Tewocht, Zum Gesetz der besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, NVwZ 2017, 1153
(1157).

                                                                                                      13
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

•   )e t al u d ausfüh li h: „Wa u si d Sie geflü htet?“, „Was ist Ih e passie t?“, „Was
    würden Sie ei ei e Rü kkeh i ih Hei atla d e a te ?“, „Was efü hte Sie?“
    (vorher erklären, warum nach Gefahren bei einer Rückkehr gefragt wird!)
•   Hierbei: Auf roten Faden und Konsistenz achten. Als Berater/-in au h sage : „Das glau e
    i h i ht.“
•   Auf Widersprüche hinweisen und diese erklären lassen. Unterschied wahre / erfundene
    Geschichte: Man kann die Widersprüche bei wahren Geschichten erklären. Dies sollte in
    der Anhörung dann auch geschehen.
•   Tool: Asylsuchender/-e soll Zeitlinie malen, um Fluchtgeschichte darzustelle . „Wa   a
    der erste Zeitpunkt, der zur Entscheidung beigetragen hat, zu gehen? Wie hat sich das
    weiterentwickelt? Was hat alles zur Fluchtentscheidung beigetragen? Was war das
    Ereignis, dass die Flucht ausgelöst hat? Wann sind Sie geflohen und wie?“ Ziel: Klare
    Kausalkette zeigen. In Anhörung kann BAMF von chronologischer Darstellung abweichen,
    darauf Asylsuchenden/-e hinweisen.
•   Am besten: Auffordern, auf leeres Papier Zeitstrahl zu malen
•   Bei Analphabeten: Symbole auf Zeitstrahl
•   Zeitlinie und Story auch nach Gespräch mit RLC benutzen, beispielsweise mit Helfern/-
    innen Geschichte durchgehen. Ziel: Vollständig die Faktoren, die zur Flucht motiviert
    haben, abbilden. Bei lange zurückliegenden Ereignissen oder Traumatisierung hilfreich,
    um sich zu erinnern
•   Nicht: Zeitlinie bei Anhörung beim BAMF verwenden, wirkt unglaubwürdig. Auf keinen Fall
    ablesen. Kompromissangebot bei Erinnerungsschwierigkeiten: Blatt mitnehmen,
    umdrehen, bei Schwierigkeiten verwenden. Auf jeden Fall dem/der Anhörer/-in Blatt
    zeigen, nicht versteckt lesen
•   Berater/-in hat möglicherweise das Gefühl, dass nicht alles erzählt wird. Ursache kann
    sein: Scham (kulturell) oder Trauma. Mögliche Lösung: Aufschreiben lassen, anstatt
    erzählen zu lassen. Bei Frauen: Gespräch mit weiblicher Betreuerin. Auch möglich:
    Mandant will schwere Sachen nur einmal erzählen, in der echten Anhörung. Das Gefühl
    mitteilen und nach einer Lösung suchen.
•   Fragen nach Erfolgsaussichten: Schwierig zu beantworten, unseriös. Besser nicht zu weit
    aus dem Fenster lehnen
•   Nur tatsächlich Erlebtes berichten

                                                                                        14
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

                                         Fragenkatalog des BAMF
                                    (zusammengestellt von Arrival Aid)

1. Sprechen Sie neben der/den angegebenen Sprache(n) noch weitere oder Dialekte?

2. Besitzen oder besaßen Sie noch weitere Staatsangehörigkeiten?

3. Gehören Sie zu einem bestimmten Stamm/ einer bestimmten Volksgruppe?

4. Können Sie mir Personalpapiere, wie zum Beispiel einen Pass, Passersatz oder Personalausweis
vorlegen?

5. Haben Sie in Ihrem Heimatland Personalpapiere, wie zum Beispiel einen       Pass, einen Passersatz oder
einen Personalausweis besessen?

6. Aus welchen Gründen können Sie keine Personalpapiere vorlegen?

7. Können Sie mir sonstige Dokumente (z. B. Zeugnisse, Geburtsurkunde, Wehrpass, Führerschein) über
Ihre Person vorlegen?

8. Haben oder hatten Sie ein Aufenthaltsdokument/ Visum für die Bundesrepublik Deutschland oder ein
anderes Land?

9. Nennen Sie mir bitte Ihre letzte offizielle Anschrift im Heimatland! Haben Sie sich dort bis zur Ausreise
aufgehalten? Wenn nein, wo?

10. Nennen Sie bitte Familienname, ggf. Geburtsnamen, Vorname, Geburtsdatum und –ort Ihres
Ehepartners sowie Datum und Ort der Eheschließung! Können Sie mir Nachweise vorlegen oder
nachreichen?

11. Wie lautet dessen Anschrift (falls er sich nicht mehr im Heimatland aufhält, bitte die letzte Adresse
dort und die aktuelle angeben)? Können Sie mir        Nachweise vorlegen oder nachreichen?

12. Haben Sie Kinder (bitte alle, auch volljährige mit Familiennamen, Vornamen, Geburtsnamen und –ort
angeben)? Können Sie mir Nachweise vorlegen oder nachreichen?

13. Wie lauten deren Anschriften (falls sich Kinder nicht mehr im Heimatland aufhalten, bitte die letzte
Adresse dort und die aktuelle angeben)? Können Sie mir Nachweise vorlegen oder nachreichen?

14. Nennen Sie mir bitte Namen, Vornamen und Anschrift Ihrer Eltern!

15. Haben Sie Geschwister, Großeltern, Onkel oder Tante(n), die außerhalb Ihres Heimatlandes leben?

16. Leben noch weitere Verwandte im Heimatland?

19. Welchen Beruf haben Sie erlernt? Bei welchem Arbeitgeber haben Sie zuletzt gearbeitet? Hatten Sie
ein eigenes Geschäft?

20. Haben Sie Wehrdienst geleistet?

                                                                                                     15
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

    21. Waren Sie früher schon einmal in der Bundesrepublik Deutschland?

    22. Haben Sie bereits in einem anderen Staat Asyl oder die Anerkennung als Flüchtling beantragt
    oder zuerkannt bekommen?

    23. Wurde für einen Familienangehörigen in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus beantragt
    oder zuerkannt und hat dieser dort seinen legalen Wohnsitz?

    24. Haben Sie Einwände, dass Ihr Asylantrag in diesem Staat geprüft wird?

    25. Bitte schildern Sie mir, wie und wann Sie nach Deutschland gekommen sind! Geben Sie dabei
    an, wann und auf welche Weise Sie Ihr Herkunftsland verlassen haben, über welche anderen
    Länder Sie gereist sind und wie die Einreise nach Deutschland erfolgte!

    Dem Antragsteller wird erklärt, dass er nun zu seinem Verfolgungsschicksal und den Gründen
    seines Asylantrags angehört wird. Er wird aufgefordert, die Tatsachen vorzutragen, die seine
    Furcht vor politischer Verfolgung begründen.

                      6. Nach der Anhörung

          •   Problem mit schlechtem oder unvollständigem Protokoll: Informationen nachreichen? Bei
              zeitnahen Präzisierungen in Ordnung, da oft Korrekturbedarf besteht. Wenn etwas völlig
              Neues hinzugefügt werden soll: Heikel, da dies als gesteigertes Vorbringen und
              unglaubwürdig gewertet werden kann. Nachreichung sollte begründbar sein, z.B. durch
              Trauma, das auch von Psychotherapeut/-in bescheinigt ist
          •   Nachträgliches Vorbringen: Wenn möglich nur durch Anwälte! (Risiko des Vorwurfs eines
              unglaubwürdigen gesteigerten Vorbringens)
          •   Protokoll nur ergänzen, wenn es um relevante Informationen geht
          •   Von Einschätzung der Erfolgsaussichten nach Anhörung wird abgeraten

              III. Anhörungsbegleitung

                      1. Problem: Der/Die Begleiter/-in wird von der Anhörung ausgeschlossen2

          •   Arg. Pro: § 14 IV VwVfG Beistand darf begleiten
          •   Arg. Con: § 25 VI AsylG Anhörung ist nicht öffentlich
          •   Handhabe: Unterschiedlich, in Baden-Württemberg und Niedersachsen ist Beistand
              zugelassen, in Bayern und Frankfurt eher nicht
          •   Die sta eisu g o Ja ua           6: „Werden Antragsteller/-innen von einem Beistand (§
              14 VwVfG) zur Anhörung begleitet, so ist diese Person nur dann zuzulassen, wenn die
              Antragsteller/-innen eine entsprechende Erklärung zu Protokoll geben und der Beistand
              sich bei Erscheinen ausweisen kann.“3 Grundsätzlich wird das Recht auf Begleitung hierin
              anerkannt!

2
  Hierzu: http://www.aktiv-fuer-fluechtlinge-
rlp.de/fileadmin/Dateien/news/20160825_Artikel_Anhoerungsbegleitung.pdf.
3
  https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/DA-Asyl.pdf.

                                                                                                      16
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

                         2. Vor der Anhörungsbegleitung

           •    Per Fax Begleiter/-in im Namen des/der Asylantragstellers/-in anmelden4, Fax-
                Sendebericht mitbringen, um vorzeigen zu können; am Eingang nochmal anmelden.
                Anmeldung auch schon vor der Ladung des/der Asylantragstellers/-in möglich
           •    Daten: Name, Adresse, Geburtsdatum des/der Begleiters/-in

                         3. Rolle des/der Begleiters/-in

           •    Falls nicht zugelassen: Besser kein riesiger Streit, könnte Asylantragsteller/-in zu sehr
                verunsichern
           •    F eu dli h, i ht ko f o tati , sel st e usst „Wi olle ge ei sa die este Lösu g
                e ei he “
           •    Streit mit BAMF bei der Begleitung: Direkt danach aufschreiben, was das Problem war und
                anschließend zum Anwalt/-in gehen. Dann: Als Beschwerdebrief ans BAMF ( Vorteil:
                kann in Akte zurückverfolgt werden)
           •    Protokoll Unterschrift verweigern? BAMF hat hohes Interesse an Unterschrift. Aber:
                Besser konstruktiv damit umgehen: Wir wollen auch eine gute Anhörung ermöglichen, wir
                unterschreiben, dafür muss aber das Protokoll ordnungsgemäß sein

4
    Muster für die Anmeldung findet sich im Skript bei H. VI. (S. 74).

                                                                                                      17
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

          IV. Checkliste zur Anhörungsvorbereitung

1) Begrüßung

2) Erläuterungen zu den Rahmenbedingungen und dem Zweck des Gesprächs
    ➢ Was ist die Zielsetzung des Vorbereitungsgesprächs
    ➢ Was kann geleistet werden/Was nicht
    ➢ Erläuterung zum Vorgehen

3) Erläuterungen zum Anhörungstermin
    ➢ Was ist die Anhörung?
    ➢ Zweck und Bedeutung der Anhörung
    ➢ Ablauf des Termins

4) BAMF Fragenkatalog
    ➢ Übergabe des Fragenkatalogs
    ➢ Liegt das P otokoll de Akte a lage „klei es I te ie “  Bestimmung der
      Zuständigkeit) vor? Was wurde hier gesagt?
    ➢ Hinweis: Nicht alle Fragen werden zwangsläufig gestellt
    ➢ Durchgehen der Fragen
    ➢ Vorbereiten auf ggf. kritischen Fragestil des/der Anhörers/-in

5) Verfolgungsgründe
    ➢ Situation vor der Flucht
    ➢ Fluchtgründe: persönliche Situation, die zu Flucht führte und individuelle Verfolgungslage
        ( Was würde bei Rückkehr passieren?)
    ➢ Beweisführung der Bedrohungs- und Verfolgungssituation: Sammeln von konkret
        nachweisbaren Fakten, Dokumente, Unterlagen, ggf. Zeugen
    ➢ Wichtige und entscheidende Aspekte gemeinsam in Stichpunkten festhalten
    ➢ Auf Unstimmigkeiten hinweisen und kritisch nachfragen

   Hinweis: Alle Angaben müssen konkret und überprüfbar sein!

6) Fragen zur Fluchtroute
    ➢ Gemeinsame Erarbeitung der Fluchtroute und Fluchtdauer ( durch welche Länder?
        Reisebelege, Kosten)
    ➢ Festhalten in Stichpunkten

7) To Do vor dem Anhörungstermin

   ✓ Ankündigung der Anhörungsbegleitung beim BAMF (am besten mit Fax  siehe
     Formularmuster in diesem Skript)
   ✓ Wenn nötig: Sonderbeauftrage/-n anfordern (bspw. Bei Trauma, geschlechtsspezifischer
     Verfolgung o.ä.)
   ✓ Sicherstellen, dass richtiger Dolmetscher/-in vor Ort ist, ggf. Sprachmittler/-in auf eigene
     Kosten hinzuziehen (Zuvor: Mitteilung an BAMF!)
   ✓ Wenn Termin nicht wahrgenommen werden kann: Frühzeitige Mitteilung an BAMF (ggf.
     Attest beifügen)

                                                                                                    18
C. DIE ANHÖRUNG IM ASYLVERFAHREN

           V. Literatur und nützliche Links

Rapp, Michael, Nicht ohne meinen Ehrenamtlichen, Rescriptum April 2016, S. 15.

    Anhörungsleitfaden
http://www.lawclinicmunich.de/wie-bekomme-ich-hilfe/anhoerung

    Info-Film zur Anhörung
http://www.asylindeutschland.de

    Infos zur Anhörung vom BAMF
http://www.asyl.net/index.php?id=337

   Beistand im Asylverfahren
Merkblatt für „Beistä de“ i Asyl e fah e   siehe Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

    Weiterführende Infos zur Anhörungsvorbereitung/-begleitung gibt es bei Arrival Aid
https://www.arrivalaid.org/ insbes.: im Fortbildungsskript (ArrivalAid)

                                                                                         19
D. PSYCHOSOZIALE ASPEKTE DER ARBEIT MIT GEFLÜCHTETEN

D.       Psychosoziale und psychotherapeutische Arbeit mit traumatisierten
                                 Asylbewerbern

         I. Reflexionsfragen
•    Welche schwierigen Verhaltensweisen können in der Beratung aufgrund von
     Traumatisierungen seitens des/der Asylbewerbers/-in auftreten?
•    Was ist für mich in der Beratung von traumatisierten Asylbewerbern/-innen hilfreich und
     wichtig?

     Übersicht zum Ablauf

           Die Situation                                                Inhalte
                                                 Psychothera-
          traumatisierter       Was ist ein                         psychosozialer
                                                  peutische                           Asylsuchende
            Flüchtlinge /        Trauma?                                 Arbeit
                                                  Einsichten
           Asylbewerber

         II. Situation traumatisierter Flüchtlinge/Asylbewerber

                    1. Traumatisierung im Heimatland

     •   Kriegs- und Gewalterlebnisse
     •   Ermordung von Familienmitgliedern, Freunden
     •   Zerstörung von Häusern, Dörfern, Städten
     •   Bedrohung, Terror, Gängelung durch kriminelle Banden
     •   Verlust eines guten sozioökonomischen Status (eig. Geschäft, Studium etc.) durch Krieg
     •   Monatelanges Verstecken, um nicht als Soldat rekrutiert zu werden

                    2. Traumatisierung auf der Flucht

     •   Gewalt: Folter, Vergewaltigung, Zwangsprostitution
     •   Todesdrohungen, Scheinhinrichtungen
     •   Verlust der Familie/ von Freunden auf der Flucht
     •   Gefängnisse/ Lager in Transitländern (Libyen, Äthiopien)
     •   Einsamkeit aufgrund des Verlusts des sozialen Netzes
     •   Lebensbedrohliche Situationen auf Schlepperbooten

                    3. Traumatisierung in Deutschland

     •   Unzumutbare Bedingungen in Unterkünften
     •   Charakterloses, autoritäres Verhalten von Mitarbeitern/-innen in EAE/GU
     •   Unfreundliches Verhalten von Mitarbeitern/-innen beim BAMF, Ämtern, Krankenkassen
         etc.
     •   Personalmangel
     •   Außerordentliche Wartezeiten bei Asylanträgen  monatelange Ungewissheit
     •   Untätigkeit wegen fehlender Möglichkeit, zu arbeiten

          Trauma-Folgestörungen bei 40% der Asylbewerber/-innen (bei Kindern: 80%)

                                                                                              20
D. PSYCHOSOZIALE ASPEKTE DER ARBEIT MIT GEFLÜCHTETEN

       III. Was ist ein Trauma?

                                                                      Auftritt der posttraumatischen
 belastende Ereignisse von                                               Belastungsstörung mit
                                       psychische " Verletzungen" ,
außergewöhnlichem Umfang                                                     psychischen und
                                             sog. Traumata
oder katastrophalem Ausmaß                                                 psychosomatischen
                                                                                Symptomen

  •    Das belastende Ereignis fährt wie ein Blitz in die Seele
  •    Psychosomatische       Symptome entstehen, wie            z.B. Herzrasen, Atemnot,
       Magenbeschwerden, Kopfschmerzen
  •    Psychische Auffälligkeiten wie Verlust des Selbstwertgefühls, Gefühl der Hilflosigkeit,
       Antriebslosigkeit, Blockierung des Denkens, selbstverletzendes Verhalten/ Suchtverhalten
       als Kompensationsversuch
  •    Wiede aufle e de ed ohli he Situatio du h „t igge de“ E eig isse

       IV. Psychotherapeutische Einsichten

                 1. Ziele der Psychotherapie

  •    Stabilisieren der seelis he Situatio : „I h fühle i h iede si he !“
  •    A k üpfe u d Stä ke o Ressou e : „I h lese/ko he ge !“
  •    Wiederherstellung von Vertrauen in sich und andere
  •    (Wieder-)Aufbau von Selbst- und Fremdwertschätzung
  •    Kontrolle der Übererregung durch gezielte Techniken
  •    Reduzie e u d Auflöse o „A se e “ u d „flash a ks“
  •    Distanzierung von Suizidalität
  •    Versöhnung mit der Vergangenheit und Blick in die Zukunft

                 2. Die drei Schritte in der Psychotherapie

  •    Stabilisierung
  •    Trauma-Konfrontation und Bearbeitung
  •    Integration

       V. Gedankenexperiment

  Stellen Sie sich vor, Ihr Leben ist durch Krieg bedroht, und Sie wollen Deutschland innerhalb
  kurzer Zeit verlassen und nach Südafrika fliehen.

  Stimmungsbild:
  • Unsicherheit/Ungewissheit
  • Orientierungslosigkeit
  • Lebenssituation verändert sich urplötzlich
  • Flüchtende suchen Orte, die persönliche und kulturelle Anknüpfungspunkte bieten
      (Angehörige, Freunde, Bekannte, große Community)

                                                                                                       21
D. PSYCHOSOZIALE ASPEKTE DER ARBEIT MIT GEFLÜCHTETEN

    VI. Inhalte psychosozialer Arbeit

•   Hilfen bei Alltagsbewältigung
•   Einzelfallhilfe/ Familienhilfe/ Hausbesuche
•   Sozialberatung
•   Beratung im Asylverfahren
•   Hilfe bei Wohnraumsuche
•   Hilfe bei Fragen zu Bildung, Erziehung bzw. Praktika, Ausbildung, Arbeit
•   Sinnvolle Freizeitgestaltung, Gruppenangebote, etc.

    VII. Hinweise im Umgang mit traumatisierten Asylbewerber/-innen

            1. Hilfreiches Verhalten

•   Sich Zeit nehmen
•   Freundlichkeit, Höflichkeit, Empathie
•   Einfache, verständliche Sprache
•   Wertschätzung dem Geflüchteten gegenüber zeigen
•   Ruhe, Gelassenheit
•   Hilfreiche Hinweise für den Alltag geben
•   Eins zu Eins Übersetzung bei Dolmetschern/-innen – Das Beratungsgespräch führt der/die
    Berater/-in nicht der/die Dolmetscher/-in
•   „P i zip de T a spa e z“ Gesp ä he z is he Be ate /-innen und Dolmetscher/-innen
    erklären, um Missverständnisse/Unsicherheit zu vermeiden)
•   Verbindlichkeit der Termine
•   Verschriftlichung von Vereinbarungen, z. B. bei Folgetermin
•   Na hf age: „Ha e Sie alles gesagt, as Sie sage ollte ?“. Ei e Geflü htete i ht zu
    Berichten drängen

            2. Reaktion in einer kritischen Situation

•   Nicht nach dem Trauma fragen! Immer nach dem Fluchtgrund fragen! Nie Therapeut
    spielen!
•   Freundlich, höflich und bestimmt bleiben
•   Kontakt halten, vielleicht energischer nachfragen, um Flüchtling im Gespräch zu halten
•   Bei sichtbaren Stressreaktionen wie Zittern/Schwitzen, ausweichen auf ein neutrales
    Gesprächsthema
•   Bei körperlich starken Reaktionen (Schreien/Ohnmacht): Ruhe bewahren und fragen:
    „Lasse sie si h )eit!“ „Mö hte Sie ei Glas Wasse ?“ „B au he sie ei e A zt?“
•   Bei eine D ohu g uhig lei e : „Ha i h et as fals h e sta de ?“ „Wie ko            e    i
    a    este eite ?“. Auch: di ekti sp e he : „Das e de Sie jetzt i ht tu !“

Es ist nicht die Aufgabe der Berater/-innen das Trauma mit dem/der Geflüchteten
aufzuarbeiten. Aufgabe ist eine rechtliche, keine psychische Hilfestellung. Hierzu ist
es wichtig, sich immer wieder der eigenen Grenzen bewusst zu bleiben.

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