Digitalisierungsbericht - VIDEO Digitalisierung vollendet - Wie linear bleibt das Fernsehen? - SLM

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Digitalisierungsbericht - VIDEO Digitalisierung vollendet - Wie linear bleibt das Fernsehen? - SLM
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Digitalisierungsbericht
Digitalisierung vollendet – Wie linear bleibt das Fernsehen?

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Digitalisierungsbericht - VIDEO Digitalisierung vollendet - Wie linear bleibt das Fernsehen? - SLM
Digitalisierungsbericht 2018
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herausgeber
die medienanstalten – ALM GbR
Friedrichstraße 60
10117 Berlin
Tel: + 49 30 206 46 90 0
Fax: + 49 30 206 46 90 99
E-Mail: digitalisierung@die-medienanstalten.de
Website: www.die-medienanstalten.de

Verantwortlich
Cornelia Holsten – Vorsitzende der Kommission
für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten
Thomas Fuchs – Koordinator des Fachausschusses Netze,
Technik, Konvergenz der Medienanstalten

Redaktion
Aylin Ünal
Dr. Simon Berghofer

Lektorat
Aylin Ünal

Copyright © 2018 by
die medienanstalten – ALM GbR

Gestaltung und Satz
Rosendahl Berlin
Agentur für Markendesign
Kastanienallee 71
10435 Berlin
Tel: + 49 30 440 128 00
E-Mail: mail@rosendahl-berlin.de
Website: www.rosendahl-berlin.de

Illustrationen
Rosendahl Berlin – Agentur für Markendesign,
Daniela Sattler

Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-9819728-1-8

Druck
Druckcenter Berlin GmbH

Stand: August 2018

Der Digitalisierungsbericht wird klimaneutral
und nach FSC Standards gedruckt.
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Digitalisierungsbericht 2018
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Digitalisierung vollendet – Wie linear bleibt das Fernsehen?

herausgegeben von
die medienanstalten – ALM GbR
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Vorwort

                           Cornelia Holsten                                           Thomas Fuchs
                           Vorsitzende der Kommission für                             Koordinator des Fachausschusses
                           Zulassung und Aufsicht (ZAK)                               Netze Technik, Konvergenz
                           der Medienanstalten                                        der Medienanstalten

Wie schnell die Zeit vergeht! Bereits das 14. Jahr          und welche Inhalte besser linear oder on-demand
in Folge erscheint der Digitalisierungsbericht der          funktionieren. Weiter gilt es zu ergründen, ob ein
Medienanstalten und dokumentiert somit lücken-              konvergenter Audience-Flow zwischen Fernsehen
los die Veränderungen der Übertragungswege für              und VoD geschaffen werden kann und inwiefern
Rundfunk. Nächstes Jahr, quasi im 15. Jubiläums-            redaktionelle und algorithmusbasierte Empfeh-
jahr des Digitalisierungsberichts, werden erstmals          lungssysteme von Zuschauern künftig angenom-
alle Übertragungswege für Fernsehen vollständig             men werden.
digitalisiert sein, denn 2019 werden die letzten
­Signale des analogen Kabelfernsehens abgeschal-            Wir wollen in unserem Digitalisierungsbericht die-
 tet. Doch damit enden nicht die Herausforderun-            sen neuen Entwicklungen sowohl in der Erhebung
 gen für uns Medienanstalten. Längst haben wir              als auch in der Darstellung den nötigen Platz ein-
 auch die konvergente Mediennutzung und Gerä-               räumen. Aus diesem Grund wurde die Erhebung
 teausstattung der TV-Haushalte im Blick. Dieses            in diesem Jahr erstmals aufgeteilt und es wur-
 Jahr stellen wir erneut fest, dass sich nichtlineare       den zwei Publikationen entwickelt: Der Digitali-
 Dienste bei den Zuschauern großer Beliebtheit er-          sierungsbericht Video und der Digitalisierungsbe-
 freuen. Die privaten TV-Veranstalter sind erwacht          richt Audio. Im vorliegenden Videobericht finden
 und gehen mit ihren on-demand-Angeboten zu-                Sie wie immer zuverlässig Daten und Fakten zum
 nehmend auf diese Nachfrage ein. Besonders jun-            Bewegtbild aus der bevölkerungsrepräsentati-
 ge Erwachsene nutzen mittlerweile häufiger VoD             ven Erhebung, die Kantar TNS in unserem Auftrag
 und Streamingangebote als klassisches Fernsehen.           durchführt. Da der Bericht nur einen kleinen Ein-
 Kein Wunder bei der Omnipräsenz konvergenter               blick bieten kann, finden Sie sämtliche Forschungs-
 Endgeräte! Die Branche muss herausfinden, war-             ergebnisse auf unserer Website. Wie üblich soll
 um Zuschauer sich für einzelne Programmangebo-             auch die europäische Perspektive nicht zu kurz
 te interessieren, wann und warum sie das klassi-           kommen, schließlich wollen wir wissen, wie es
 sche, lineare Programm oder VoD-Angebote nutzen

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um die digitalen TV-Haushalte und den Erfolg von      Gleichzeitig schaut die Branche mit Spannung
HD-Programmen in unseren europäischen Nach-           auf den Entwurf für einen Medienstaatsvertrag,
barländern steht.                                     mit dem eine zeitgemäße Regulierung der Rund-
                                                      funk- und Medienwelt endlich in greifbarer Nähe
Dass wir nun auf die vollständige Digitalisierung     erscheint. Der Gesetzgeber akzeptiert die techni-
der Fernsehhaushalte zusteuern, ist auch ein Ver-     schen und medialen Veränderungen und strebt
dienst der vielen Informationskampagnen, die alle     an, die gesetzlichen Regelungen entsprechend
Beteiligten zusammen unter der Moderation der         anzupassen. Das begrüßen wir sehr. Die Interes-
Medienanstalten durchgeführt haben. In langen         sen aller Beteiligten, die teilweise doch deutlich
Gesprächen, häufigen Treffen oder Telefonaten         auseinander­gehen, zu berücksichtigen, macht die-
und geduldigen Abstimmungen konnten sich alle         sen Prozess zugleich schwierig und spannend. Die
auf ein gemeinschaftliches Vorgehen einigen. So       Medienanstalten werden sich dabei in gewohnter
wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher           Manier für größtmögliche Meinungs- und Anbieter­
ebenso rechtzeitig informiert wie der Fachhandel,     vielfalt einsetzen, versprochen!
die Politik und die Presse. Es war genug Zeit, sich
auf die technischen Veränderungen einzustellen.
Schließlich gab es viel zu erklären, um das Fern-
sehpublikum auf dem Laufenden zu halten: Neue
Geräte, neue Frequenzen, alte und neue Antennen
und neue Standorte. Die Veränderungen werden
im Digitalen nicht weniger, nur anders – und die
Medienanstalten sind weiterhin gerne als vermit-
telnde Stelle dabei.

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Inhalt

Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt                                            9
Vom Wert und Nutzen „Runder Tische“
Thomas Fuchs / Aylin Ünal

Suchmaschinen und Social Media – Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?            17
Regulierung von Intermediären unter M
                                    ­ edienvielfaltsgesichtspunkten
Dr. Anja Zimmer

Daten & Fakten zur Digitalisierung in Deutschland

Aktueller Stand der Digitali­sierung der TV-Empfangswege und                        34
digitalen Fernseh- und Videonutzung in Deutschland
Dr. Simon Berghofer

Methodik                                                                            54

Daten & Fakten zur internationalen Digitalisierung

Der europäische Fernsehmarkt schließt die Lücke zur vollständigen Digitalisierung   58
Ricardo Topham

Die Aufgaben der Landesmedienanstalten in der Plattformregulierung                  67

Autoren                                                                             69

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Der analog-digital-Umstieg
im letzten Akt
Vom Wert und Nutzen „Runder Tische“
Thomas Fuchs / Aylin Ünal

Welche ist die größere technische Revolution – die       lichkeit wahrgenommen wird. Dieser Beitrag soll
neueste TV-Generation oder das Ende einer Infra-         einen kleinen Einblick in die letzten großen Pro-
struktur? Beides haben wir in den letzten Jahren         jekte geben.
mehrfach erlebt. Die Übertragung des analogen
Fernsehens über Satellit wurde 2012 eingestellt.
Das Antennenfernsehen DVB-T, zwar schon digital,         Wie das Ende des analogen Kabelfernsehens
aber noch nicht HD-fähig, machte letztes Jahr den        seinen Anfang nahm
Sprung auf den höheren Standard in der Terrest-          Seit 2012 das analoge Satellitensignal endete, ist
rik. Nun steht das Kabelfernsehen kurz davor seine       das Breitbandkabel der letzte Übertragungsweg,
letzten analogen Minuten zu senden. Die Medien-          der in Deutschland noch analoge Fernsehpro-
anstalten haben alle Umstellungen dieser letzten         gramme überträgt. 1985 gestartet, mittlerweile
Jahre begleitet und können aus reichhaltigen Er-         mehrfach erweitert, bietet es in kontinuierlich gu-
fahrungen schöpfen.                                      ter Qualität etwa 30 analoge Fernsehprogramme
                                                         und bildet die ortsüblichen Radioprogramme ab.
Das wichtigste bei der Umstellung einer Infrastruk-      Elf Jahre später, ab Sommer 1996, wurden die ers-
tur ist uns, dass der Rundfunk weiterhin die Zu-         ten digitalen Signale im Standard DVB-C im Kabel
schauer erreicht – dieses Interesse deckt sich natür-    übertragen. Das Kabelfernsehen wurde von den
lich mit allen Beteiligten in der Branche, schließlich   Kabelnetzbetreibern seitdem parallel mit analogen
wollen auch die Fernsehsender, Fachhändler und           und digitalen Signalen verbreitet. Allerdings nahm
Netzbetreiber ihre Kunden im Laufe des Prozesses         die Akzeptanz der digitalen Programmverbreitung
nicht verlieren. Um einem Übertragungsweg auf            erst an Fahrt auf, als im Jahre 2005 die Grundver-
die neue Strecke zu helfen, sind unzählige Maß-          schlüsselung der privaten Programme ­aufgehoben
nahmen notwendig, oft mehr als in der Öffent-            wurde und nicht mehr ausschließlich Set-top-­
                                                         Boxen der Kabelnetzbetreiber verwendet werden
                                                         mussten. Während sich die Haushalte schließlich

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Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

über die Jahre zunehmend mit digitalen Geräten       82 Prozent gestiegen und lag damit über dem Wert,
ausstatteten, sank der Anteil an analogen Kabel-     den die Veranstalter bei der Abschaltung des ana-
haushalten stetig. Die größere Programmvielfalt      logen Satelliten als ausreichend für den Beginn
und die bessere Bild- und Tonqualität, insbeson-     der damaligen Umstiegskommunikation angese-
dere auf großen Bildschirmen, überzeugte viele       hen hatten. Im Vorfeld der Gespräche wurde das
Zuschauer von der digitalen Fernsehwelt.             Bundeskartellamt über die Zielsetzung des Runden
                                                     Tisches informiert und einbezogen. Dieses hatte
Erst die Abschmelzung einzelner analoger Kanäle,     dann keine Bedenken geäußert, dass die Branchen-
vornehmlich privater Spartenprogramme, durch         teilnehmer sich zum Zweck einer koordinierten
die Kabelnetzbetreiber brachte Bewegung in die       Umstellung absprechen. Ein allein zwischen den
Geschichte. Immer mehr Sender abzuschmelzen,         Kabelnetzbetreibern koordinierter Umstieg wäre
bis die Zuschauer nach und nach von selbst auf       hingegen wohl ebenso kritisch gesehen worden
die digitale Variante wechseln würden, war jedoch    wie eine Abstimmung zwischen den Sendern über
eine Drohkulisse. Aus Sicht der Netzbetreiber war    ein Abschaltdatum.
es verständlich, immer weniger Kapazitäten für
analoge Signale vorzusehen, sondern diese für an-    Aufgrund der vielschichtigen Vertragsbeziehun-
dere Angebote zu verwenden, und dabei nicht als      gen zwischen den Kabelnetzbetreibern und der
erstes die beliebten großen Sendergruppen abzu-      Wohnungswirtschaft war die Branche in den ver-
schalten. Doch für die kleinen Sender, insbesonde-   gangenen Jahren sehr vorsichtig in Bezug auf die
re für die unabhängig von großen Senderfamilien      Abschaltung analoger Verbreitungen. Da viele
agierenden, drohte der Reichweitenverlust zu ei-     Haushalte keinen direkten Kontakt zu den Kabel-
nem finanziellen Problem zu werden, denn an der      netzbetreibern pflegen, sondern die Beziehung
erfolgreichen Verbreitung des Senders hängen die     über ihre Vermieter bzw. die Hausverwaltung läuft,
Einnahmen aus dem Verkauf von Werbung und            war es allen Beteiligten wichtig, die Wohnungs-
somit die Refinanzierung. Diese Situation mobi-      wirtschaft in die Gespräche am Runden Tisch regel­
lisierte die Medienanstalten und resultierte Ende    mäßig einzubeziehen. Auf diese Weise konnten die
2015 in einer Reihe von Branchengesprächen. Dabei    Medienanstalten als neutrale Vermittler Partner
ging es darum die Bereitschaft abzuschätzen, unter   in einen Raum bringen, die bislang wenig Berüh-
welchen Bedingungen eine vollständige Digitalisie-   rungspunkte miteinander hatten. Wie im Laufe des
rung des Kabels gemeinsam in Angriff genommen        Prozesses deutlich wurde, bestand eine weitere
werden könnte.                                       Hauptaufgabe der Medienanstalten darin, die ge-
                                                     genläufigen Interessen der Partner auszugleichen.

Der „point of no return“ für den Umstieg
Unter Moderation der Medienanstalten wurden          Die Abschaltung: Tag X oder Phase X?
Rundfunkveranstalter, Kabelnetzbetreiber und         Nachdem sich alle zusammengefunden hatten,
Verbände im Herbst 2016 zu einem ersten Run-         drehte sich die erste größere Diskussion um den
den Tisch zum Kabel-Analog-Digital-Umstieg ein-      Zeitpunkt der Abschaltung. Nachdem die größeren
geladen. Die Digitalisierungsquote in den Kabel-     Kabelnetzbetreiber längere Zeit versucht hatten,
haushalten war zu dem Zeitpunkt bereits auf über     die Politik zu einem gesetzlichen Abschaltdatum

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Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

zu bewegen, war dies nur in Bayern, Sachsen und        Projektbüro ausarbeitet und in Abstimmung mit
Bremen gelungen. Für die restlichen Bundeslän-         den Beteiligten umsetzt. Vor allem die zeitliche und
der war daher der Zeitplan ungewiss. Die Veran-        örtliche Koordinierung der regionalen Abschaltter-
stalter forderten im Rahmen des Runden Tisches         mine und der Kommunikationsmaßnahmen ist ein
einen gemeinsamen Abschaltzeitpunkt der analo-         zentraler Bestandteil. Dazu gehören nicht zu unter-
gen Programmverbreitung in den Kabelnetzen, um         schätzende organisatorische Aufgaben ebenso wie
Planungssicherheit zu erreichen und die Kommuni-       die kreative Leistung, gemeinsame Botschaften zu
kation nach außen zu erleichtern. Aus logistischen     entwickeln, die alle Partner unterstützen können –
Gründen haben sich die Kabelnetzbetreiber jedoch       ebenfalls keine leichte Aufgabe bei diesen unter-
für einen längerfristigen Umstellungszeitraum          schiedlichen Interessen der Marktteilnehmer. Wie
ausgesprochen, der sich nach Regionen unter-           immer im Leben hält man sich manchmal an De-
scheidet. Denn anders als der Satellit ist das Kabel   tails auf oder an Dingen, die wie Kleinigkeiten er-
keine zentrale, homogene Infrastruktur. Als Kom-       scheinen, aber im Unternehmen wichtige Fragen
promiss folgte man schließlich der Strategie, die      des Corporate Designs aufwerfen oder schlicht
Umschaltzeitpläne der großen Kabelnetzbetreiber        technische Beschränkungen offenbaren: Mal geht
abzustimmen und die Information den kleineren          es um die Farbgebung der gemeinsamen Website,
Betreibern vor Ort zur Verfügung zu stellen, damit     mal um die genaue Ziffer der Teletext-Seite.
sie sich daran orientieren und von den Kommu-
nikationsmaßnahmen in ihrer Region profitieren
können. Angesichts der Vielzahl an Regionen und        Viele Botschaften für ein gemeinsames Ziel
Akteuren wurde im Herbst 2017 von den Beteiligten      Ziel der gemeinsamen Kommunikation der Betei-
beschlossen ein Projektbüro zur Koordinierung der      ligten ist es in jedem Fall, die betroffenen Personen
regionalen Abschaltkampagnen und zur Unterstüt-        möglichst zielgruppengenau über den bevorste-
zung einer neutralen Kommunikation einzurichten.       henden Umstieg zu informieren, um einen lücken-
In einem Auswahlverfahren nach einer öffentlichen      losen Fernsehempfang sicherzustellen. Bestandteil
Ausschreibung wurde die Goldmedia GmbH aus             der Kampagne soll zudem eine neutrale Informati-
Berlin mit der Umsetzung eines solchen Projekt-        on über die Möglichkeiten des digitalen Empfangs
büros beauftragt. Diese Struktur hat den Vorteil,      sein. Damit ist gleichzeitig die Werbung für be-
dass eine quasi unbeteiligte Stelle den Überblick      stimmte Geschäftsmodelle ausgeschlossen; ein
behält und alle Interessen berücksichtigen kann.       Aspekt, der uns sowie besonders der Wohnungs-
                                                       wirtschaft wichtig war, um keine Mehrkosten für
Wie läuft nun die Arbeit in dieser Konstellation ab?   die Mieter zu verursachen. Damit es keine Knapp-
Die Partner einigen sich in regelmäßigen Gesprä-       heit an Geräten am Tag der Umstellung gibt,
chen am Runden Tisch auf Arbeitspakete, die das        dient die Kampagne auch dazu, die Motivation
                                                       der Verbraucher für einen frühzeitigen Umstieg
                                                       zu ­erhöhen und nicht erst tätig zu werden, wenn
                                                       der Bildschirm schwarz bleibt.

                                                       Der Kauf neuer Geräte ist jedoch nicht die einzige
                                                       Botschaft, die transportiert werden muss. Neben

                                                                                                                 11
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

den analogen müssen in vielen Kabelnetzen auch        rungen getroffen: Von persönlichen Anschreiben
die digitalen Haushalte erreicht und zum Handeln      und Aushängen in den Häusern der Kunden bis
bewegt werden. Bei der Abschaltung der analogen       hin zu Laufbändern im Fernsehprogramm und In-
Sender werden Kapazitäten frei. Um diese optimal      formationen im Internet sowie am Point of Sale
zu nutzen, ordnen die großen Kabelnetzbetreiber       in den Läden, hinzu kam die Kundenbetreuung an
die digitalen Sender neu. Deshalb wird für alle Ka-   der Hotline und in den sozialen Medien. Auch die
belhaushalte nach der Umstellung ein Sendersuch-      relevanten politischen Akteure und die lokale Pres-
lauf notwendig sein, teilweise kann es auch sein,     se wurden eingebunden. Am Ende zeigte sich das
dass die angelegten Favoritenlisten neu sortiert      Unternehmen zufrieden: Die Hotlines waren nicht
werden müssen.                                        überlaufen mit verärgerten Kunden und die Nach-
                                                      fragen hielten sich in Grenzen. Viele Kunden waren
                                                      bereits informiert und mit den Informationen zu-
Pilotprojekte der Netzbetreiber                       frieden. Die guten Erfahrungen wiederholten sich
Wenn in einer Region mehrere hunderttausend           in der zweiten Pilotregion Nürnberg im Mai 2018.
Haushalte gleichzeitig kein analoges Fernsehen        Auch hier verlief die Umstellung technisch erfolg-
mehr empfangen und die bis dahin verbliebenen         reich und das Unternehmen berichtete von positiv
Analog-Haushalte auf das digitale Signal wechseln,    gestimmten Kunden.
ist das eine große kommunikative Herausforde-
rung. Daher führten die Betreiber in mehreren Re-     Der Kabelnetzbetreiber PŸUR, zu dem die Unter-
gionen Pilotprojekte durch, um die Rückmeldung        nehmen Tele Columbus und Primacom gehören,
zu testen und natürlich auch um einzuschätzen,        ist dieses Jahr ebenfalls mit einem Pilotprojekt an
wie erfolgreich ihre Informationsbemühungen im        den Start gegangen, um Erkenntnisse für die grö-
Vorfeld waren. Letztendlich konnten die Pilotpro-     ßere Abschaltung des analogen Kabels zu gewin-
jekte durch ihren erfolgreichen Verlauf auch Wi-      nen. Zum 20. März beendete das Unternehmen in
derstände abbauen, die bislang am Runden Tisch        Quedlinburg die analoge Verbreitung von TV- und
noch nicht ausgeräumt waren.                          Radioprogrammen bei über 3.200 Kunden in den
                                                      ehemals von Primacom versorgten Wohnungen.
Am 9. Januar 2018 etwa schaltete Vodafone in der      Auch PŸUR ging es darum, mit der Umstellung
Region Landshut und Dingolfing die Kabelnetze         auf ausschließlich digitale TV- und Radiosignale
um. Betroffen waren rund 55.000 Haushalte mit         neue Frequenzkapazitäten freizusetzen, um die
analoger Nutzung, die auf digitale Geräte um-         TV-Angebote in HD weiter auszubauen und neue
steigen mussten, sowie digitale Haushalte, denen      Angebote in der höchsten Bildauflösung UHD / 4K
aufgrund der Neusortierung geraten wurde einen        zu erproben.
Sendersuchlauf durchzuführen. In der Umstel-
lungsnacht zwischen 0 und 6 Uhr erledigte Vo-         Die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der
dafone demnach drei Dinge: Die Abschaltung des        Logistik des Umstiegs und des Umfangs an Zu-
analogen Fernsehens, die Abschaltung des analo-       schauerreaktionen konnten durch diese Pilotpro-
gen Radios sowie die Umbelegung der digitalen         jekte ausgeräumt werden. Sie haben damit den
Sender. Für die erfolgreiche Umstellung hatte das     Weg frei gemacht für die weiteren Schritte.
Unternehmen eine ganze Bandbreite an Vorkeh-

12
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

Hinzu kam, dass das Unternehmen Unitymedia in       Zweitgerät aufzustellen. Ab April 2017 wurde aus
seinen Versorgungsgebieten in Baden-Württem-        DVB-T der neue Standard DVB-T2 HD und liefer-
berg, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits mit    te erstmals terrestrisches Fernsehen in HD-Auf-
einem eigenen Zeitplan vorangeschritten war und     lösung. Um die Verbraucher und den Fachhandel
schon im Sommer 2017 sämtliche Netze vollstän-      über den anstehenden Umstieg zu informieren,
dig digitalisiert hatte. Zwischen dem 1. und dem    waren viel Vorlauf und eine abgestimmte Kampa-
30. Juni 2017 waren die analogen Programme in       gne notwendig. Ähnlich wie beim analogen Kabel
mehreren Regionen nacheinander abgeschaltet         handelte es sich um ein bundesweites Projekt, bei
worden. Unitymedia war somit nicht Teil des Run-    dem die Regionen eine entscheidende Rolle spiel-
den Tisches, konnte allen Beteiligten jedoch von    ten. Denn obwohl der größte Teil der terrestrischen
den Erfahrungen berichten.                          Haushalte, insbesondere die meisten Ballungsräu-
                                                    me, zum April 2017 die Frequenz wechselte, konnten
                                                    nicht sämtliche Standorte auf einmal umgestellt
Eine Nische: UKW-Radio über analoges Kabel          werden. Daher gab es einen Zeitpunkt, an dem die
Zusätzlich wird teilweise die UKW-Abschaltung im    Kommunikation von der bundesweiten auf die re-
Kabel in die gemeinsame Kommunikation der Pro-      gionale Ebene wechselte.
jektpartner aufgenommen, sofern die Region und
die Haushalte davon betroffen sind. Nach gesetz-
lichen Regelungen in Bayern, Bremen und Sachsen
wird bis Ende 2018 neben dem analogen Fernseh-
programm gleichzeitig die Übertragung der analo-
gen UKW-Hörfunkprogramme im Kabel eingestellt.
Einige Kabelnetzbetreiber planen auch in anderen
Regionen Deutschlands die analogen UKW-Pro-
gramme abzuschalten. Der Grund hierfür ist die
zukünftige Nutzung des UKW-Frequenzbereichs
im Kabel für die breitbandige Internetanbindung.
Mit der Einführung des Kabelstandards Docsis 3.1
ist eine gleichzeitige Nutzung von UKW im Kabel     Unter dem Motto „Kleine Antenne. Großes Fern-
nicht mehr möglich.                                 sehen.“ lief die Informationskampagne der Betei-
                                                    ligten, die sich bereits Mitte 2014 unter Moderati-
                                                    on der Medienanstalten an einem Runden Tisch
Fernsehen per Antenne –                             zusammengefunden hatten. Die öffentlich-recht-
der Sprung in die HD-Welt                           lichen und die beiden großen privaten Sender-
Rund 10 Prozent der TV-Haushalte nutzten in den     gruppen nahmen ebenso teil wie der Branchen-
letzten Jahren eine Antenne zum Fernsehen, ob auf   verband VAUNET (ehemals VPRT). Zusätzlich wurde
dem Dach oder im Zimmer oder im Gartenhaus.         ein enger Kontakt zur Deutschen TV-Plattform als
Gerade der portable Empfang überzeugte viele,       Schnittstelle zu den Geräteherstellern und dem
zusätzlich etwa zum Kabelfernsehen auch eine        Handel gepflegt. Nachdem der Plattformbetrieb
Antenne für das kleinere oder seltener genutzte     für DVB-T2 HD ausgeschrieben und zugewiesen

                                                                                                             13
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

worden war, war außerdem der künftige Plattform-        tal SD und HD) erschien ökonomisch nicht sinnvoll.
betreiber Media Broadcast ein regelmäßiger Gast.        Die Zahl der Haushalte, die technisch in der Lage
Er wurde dabei jedoch nur als Dienstleister der         waren, digitale Satellitensignale zu empfangen,
Plattform konsultiert, nicht als Vermarkter seiner      stieg stetig. Im Jahr 2010 lag sie bei knapp 80 Pro-
Geschäftsmodelle, denn auch bei diesem Projekt          zent, Tendenz weiter steigend. In dem Jahr haben
ging es darum eine neutrale Informationskampag-         die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender
ne durchzuführen. Zu guter Letzt stimmte noch das       auf Initiative der Medienanstalten ein Abschalt-
Bundeskartellamt dem Vorhaben zu; eine weitere          datum für den analogen Satelliten festgelegt. Am
Gemeinsamkeit mit den anderen Projekten. Wie            30. April 2012 um 03.00 Uhr morgens wurde die
beim analogen Kabel entschied man sich dafür,           analoge Programmverbreitung über Satellit bei
ein Projektbüro zu beauftragen, um das Projekt zu       ­allen deutschen Fernsehveranstaltern eingestellt.
koordinieren und die Kampagne für alle gemein-
sam zu leiten. Die Medienanstalten haben auch           Sender und Medienanstalten richteten damals
in diesem Prozess ihre Rolle so verstanden, auf die     ebenfalls ein Projektbüro ein, das die Kommuni-
Neutralität der Kommunikation zu achten und we-         kation zum Umstieg organisiert und koordinierte.
der einen Übertragungsweg zu bevorzugen noch            Zentral war auch hier eine neutrale Information
gar einen bestimmten Sender oder Hersteller he-         der betroffenen Haushalte. Weder sollte die Kam-
rauszustellen.                                          pagne den Satelliten gegenüber anderen Übertra-
                                                        gungswegen promoten, noch sollte sie einzelne
                                                        Geschäftsmodelle bewerben. Letzteres war auch
                                                        für die Medienanstalten und nicht zuletzt vor dem
                                                        Hintergrund der vorausgegangenen Entscheidun-
                                                        gen des Bundeskartellamts ein wichtiger Aspekt.

                                                        Von der Rückschau in die digitale Zukunft
                                                        Alle vorausgehend beschriebenen Umstiegsprozes-
Satellitenfernsehen – von analog zu digital             se sind im Wesentlichen marktgetrieben gelaufen.
Unter dem Claim „klardigital. Schon umgeschal-          Es gab – mit wenigen Ausnahmen für das analo-
tet?“ lief eine Informationskampagne, an deren          ge Kabel – keine gesetzlichen Vorgaben oder Um-
Ende die Abschaltung des analogen Satellitensi-         stiegsdaten. Die Medienanstalten konnten dabei
gnals im Frühjahr 2012 stand. Auch hier folgte die      die Prozesse unterstützen und beschleunigen. Als
Idee der Umstellung derselben Logik: Die Zukunft        neutrale, der Vielfalt verpflichtete Behörden haben
des Fernsehens ist digital. Das digitale Signal bean-   die Medienanstalten die Beteiligten an einen Tisch
sprucht wesentlich weniger Übertragungskapazi-          gebracht und beigetragen, die verschiedenen In-
tät bei gleichzeitig besserer Bild- und Tonqualität.    teressen und Vorstellungen in einen vernünftigen
                                                        Ausgleich zu bringen. Wichtig war dabei stets der
Auslöser des Umstiegs waren mehrere Faktoren.           gute Austausch zwischen Medienanstalten und
Eine dreifache Ausstrahlung des gleichen Pro-           dem Bundeskartellamt, um den notwendigen Ab-
gramms in unterschiedlicher Qualität (analog, digi-     sprachen zur Kommunikation die erforderliche

14
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt

rechtliche Sicherheit zu geben. Unser Ziel war zu-     schen Entwicklungen nach: Streaminganbieter in
dem die fundierte und neutrale Information der         unserem Smart-TV-Portal, neue Apps auf unserem
Verbraucher, weshalb wir uns stets auch selbst an      Smartphone, um mit dem Fernseher zu interagie-
den Kommunikationskampagnen beteiligt haben.           ren oder Smart Speaker mit Sprachassistenten, die
                                                       uns einen anderen Zugang zum Hörfunk bieten.
Die Medienanstalten haben neben der moderie-           Unsere Arbeit endet demnach nicht mit der Um-
renden auch eine rechtsförmliche Rolle in diesen       stellung eines Übertragungswegs, sondern öffnet
Prozessen. So, wenn es um die Abstimmung der           vielmehr die Tore zu einer neuen Umgebung für
notwendigen Frequenzbereiche mit der Bundes-           den Rundfunk. In dieser Umgebung gilt der glei-
netzagentur geht oder um die Beteiligung an der        che Grundsatz wie in der alten: Unsere Aufgabe
Entwicklung zugangsoffener Standards. Und nicht        ist es die Vielfalt an Angeboten und Anbietern zu
zuletzt sind die Medienanstalten zuständig für die     bewahren und sicherzustellen, dass die Zuschauer
Ausschreibung terrestrischer Plattformen und kon-      alle Angebote leicht auffinden können.
trollieren die Einhaltung der Vorgaben für chan-
cengleichen und diskriminierungsfreien Zugang
auf den jeweiligen Plattformen.

Die nächsten Veränderungen stehen schon bevor:
Die Abschaltung des SD-Empfangs der öffentlich-
rechtlichen Programme über Satellit ist für Mitte
2020 avisiert. Wenn Netzbetreiber und Rundfunk-
veranstalter beschließen, eine Infrastruktur zu ver-
ändern, muss das nicht immer ähnliche Gründe
haben. Doch technische Neuerungen werden meist
sowohl von den Zuschauern als auch von den Un-
ternehmen begrüßt, sofern sich für alle Seiten Vor-
teile bieten. Bei aller Begeisterung für neue Geräte
oder OTT-Angebote dürfen aus unserer Sicht die
Nutzer nicht vergessen werden. Dass sich Geräte
und Anwendungen leicht bedienen lassen und alle
Angebote einfach aufzufinden sind, sollte Herstel-
lern und Entwicklern stets als Leitbild dienen.

Wie unsere Forschung zeigt, halten Smart-TVs und
HD-Programme immer stärker Einzug in die Haus-
halte (vgl. Daten & Fakten-Beitrag ab S. 33) und
lassen Röhrenfernseher und unscharfe Analog-
bilder wie eine ferne Vergangenheit erscheinen.
Während die alten Geräte nach und nach in den
Keller wandern, rücken schon die nächsten techni-

                                                                                                               15
Suchmaschinen und
Social Media – Gatekeeper der
digitalen ­Gesellschaft?
 Regulierung von Intermediären unter
­Medienvielfaltsgesichtspunkten
Dr. Anja Zimmer

Die Welt ist digital.                                                 Zweifelsfrei gibt es heute rein quantitativ mehr
Medienvielfalt muss es auch sein.1                                    Angebote denn je. Neben klassische Medien sind
Öffentlichkeit ändert sich in der digitalen Gesell-                   z. B. neue journalistische Formate, Blogs, User Ge-
schaft rasant: Das Web 2.0 war für viele Menschen                     nerated Content und der Informationsaustausch
Synonym für die dezentrale, offene und partizipati-                   in eigenen Netzwerken getreten. Ohne Interme-
ve Kultur des Internets. Eine neue, möglicherweise                    diäre wäre die Flut an verfügbaren Informationen
demokratische Öffentlichkeit war die Hoffnung.                        nicht zu bewältigen. Insbesondere Suchmaschinen
Heute müssen wir uns stattdessen mit grundle-                         verstehen sich daher auch als „Gateopener“. Mehr
genden Fragen und Herausforderungen an die Ge-                        Informationen zu erhalten bedeutet aber nicht au-
sellschaft, die Politik und die Regulierung ausein-                   tomatisch, besser informiert zu sein. Im Gegenteil
andersetzen.                                                          ist es dadurch oft schwieriger zu erkennen, wel-
                                                                      che Informationen relevant und verlässlich sind.
Ein Thema ist dabei die Frage, welche Rolle Such-                     Auch hier kommen Intermediäre in Spiel. Sie be-
maschinen und soziale Netzwerke für unsere                            stimmen mit, welche Themen wir wahrnehmen,
Medien­nutzung spielen. Immer mehr Menschen                           welche Reichweite Informationen erhalten und
greifen mittlerweile auf sie zurück, um sich zu in-                   welche Medien in unserem Kommunikationsmix
formieren. Vor allem bei den Jüngeren lösen digi-                     noch vorkommen. Intermediäre können so schnell
tale Dienste wie Facebook oder Google die „klassi-                    zu „Gatekeepern“ werden. Das stellt neue Heraus-
schen“ Medien wie Fernsehen, Hörfunk und Print                        forderungen an die Vielfaltssicherung.
mehr und mehr ab. Suchmaschinen und soziale
Netzwerke dienen als Mittler zwischen informie-                       Faktoren wie das Design von Algorithmen, die An-
renden Inhalten und Nutzern, weshalb sie regelmä-                     zahl der persönlichen Netzwerke, die Art und Weise
ßig als Intermediäre bezeichnet werden.                               wie Menschen digitale Inhalte teilen und die Archi-
                                                                      tektur digitaler Intermediäre bestimmen darüber,
1 These Nr. 1 der 10 Thesen für digitale Medienvielfalt des Media     wie Informationen aggregiert, selektiert und uns
  Policy Labs; https://mediapolicylab.de/zehn-thesen-fuer-digitale-
  medienvielfalt.html

                                                                                                                      17
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

präsentiert werden. Die Selektion übernehmen Al-                      ­ usgangspunkt muss dabei immer die Frage sein,
                                                                      A
gorithmen, die die Informationsflut automatisch                       wer Einfluss auf die Meinungsbildung hat. Regu-
nach von den Betreibern der Dienste festgelegten                      liert werden sollen und müssen all jene, die durch
Kriterien sortieren. Damit haben sie entscheiden-                     ihre Beliebtheit beim Nutzer und den damit einher-
den Einfluss auf die Medienvielfalt. Da die entspre-                  gehenden hohen Marktanteil einen wesentlichen
chenden Algorithmen nach wie vor streng gehüte-                       Einfluss darauf ausüben, was der Nutzer täglich an
te Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen sind,                         Informationen präsentiert bekommt und in wel-
kann nicht im Detail nachvollzogen werden, nach                       cher Form dies geschieht.
welchen Kriterien Inhalte ausgewählt und dem
Nutzer präsentiert werden.                                            Suchmaschinen
                                                                      Dies sind in jedem Fall Suchmaschinen, die dabei
                                                                      helfen, Inhalte zu finden. Sie entscheiden durch die
Gesetzgeberische Überlegungen                                         Ausgestaltung der dahinterstehenden Algorith-
Bund und Länder beschäftigen sich daher schon                         men z. B. darüber, ob ein Zeitungsartikel oder eine
länger mit der Frage, wie Medienvielfalt dauerhaft                    Fernsehsendung auf der ersten Seite der Sucher-
geschützt werden kann. Bereits im Jahr 2016 hat                       gebnisse angezeigt wird oder auf der siebten. Und
die Bund-Länder-Kommission Handlungsbedarf                            manchmal bestimmen sie sogar, dass ein Beitrag
identifiziert; Leitlinien waren dabei u. a. die Begrif-               gar nicht angezeigt wird, weil er z. B. gegen Richt-
fe Transparenz und Diskriminierungsfreiheit. Die                      linien der Suchmaschine verstößt oder einfach be-
Rundfunkkommission der Länder hat dies in ihrem                       stimmte Formate nicht durchsuchbar sind. Such-
Arbeitsentwurf für einen neuen Medienstaatsver-                       maschinen erfüllen hier eine ähnliche Funktion wie
trag – es wäre der 23. Rundfunkänderungsstaats-                       die Zeitungsauslage im Kiosk oder die Senderliste
vertrag – aufgegriffen und konkretisiert.2 Die Um-                    beim Fernsehen. Wer nicht in der Auslage zu fin-
setzung der Bestimmungen soll nach derzeitigen                        den ist, wird nicht gekauft und wer in der Sender-
Überlegungen den Medienanstalten obliegen.                            liste auf Platz 500 gelistet ist, wird wahrscheinlich
Auch die Medienanstalten haben regulatorische                         nicht gefunden.
„Mindeststandards“ für Intermediäre gefordert.3
                                                                      Das Geschäftsmodell von Suchmaschinen unter-
                                                                      scheidet sich aber deutlich von dem klassischer
Was genau sind Intermediäre eigentlich?                               Rundfunkplattformen: Ihr Ziel ist nicht, dem Kun-
Regulierung setzt Definitionen voraus. Denn recht-                    den oder Zuschauer attraktive Inhalte zu präsen-
liche Anforderungen können nur umgesetzt wer-                         tieren und zu verkaufen, sondern ihn möglichst
den, wenn klar ist, wer tatsächlich gemeint ist.                      intensiv zu binden. Je mehr ein Nutzer sucht und
                                                                      je besser er das für ihn Interessante findet, desto
                                                                      mehr Daten können gesammelt und desto mehr
2 Diskussionsentwurf zu den Bereichen Rundfunkbegriff,
  Plattformregulierung und Intermediäre -„Medienstaatsvertrag“,       Werbung verkauft werden. Ob Medieninhalte oder
  Juli / August 2018, http://rundfunkkommission.rlp.de/
3 Einen konkreten Vorschlag für regulatorische Mindeststandards
                                                                      Schuhe gesucht werden, ist dabei egal. Suchma-
  haben die Medienanstalten Anfang Mai 2018 veröffentlicht. Dieser    schinen kommt somit eine doppelte Funktion zu:
  ist in einer kurzen Fassung als „Überlegungen der
  Medienanstalten zur Regulierung von Intermediären“ sowie            Im Werbemarkt sind sie Wettbewerber klassischer
  in einer ausführlichen Fassung als „Weitere Erläuterungen zur       Medien und als Plattform ermöglichen sie deren
  Regulierung von Informationsintermediären“ abrufbar unter
  https://www.die-medienanstalten.de/themen/intermediaere/            Auffindbarkeit.

18
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

                                                                                                                 Suchmaschinen auch
Abb. 1                                                                                                            bei 14 – 29-Jährigen
                                                                                                                          vorn.
Tagesreichweite informierende Nutzung Intermediäre
nach Kategorien und Alter

Soziale Netzwerke
                                                                                 41,5
                                      21,2
        4,7
                             17,3

Instant Messenger
              6,9
     4,1
  0,9
  3,1

Videoportale
                              18,0
              7,1
     1,7
              6,7

Suchmaschine
                                                                                          45,8
                                                     27,4
                    13,1
                                             24,2

Intermediäre gesamt
                                                                                                                        63,0
                                                                             39,7
                           16,0
                                                                 32,9

0%                                                  25 %                                           50 %                                       75 %

   14 – 29 Jahre      30 – 49 Jahre      50 + Jahre          Alle Personen ab 14 Jahren

Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Tagesreichweite = Nutzung gestern; Basis: 70,094 Mio. Personen ab 14 Jahren in
Deutschland, n = 2.800; 14,498 Mio. 14 – 29 Jahre, n = 344; 21,084 Mio. 30 – 49 Jahre, n = 792; 34,512 Mio. 50 + Jahre, n = 1.664

                                                                                                                                               19
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

                                                                      Soziale Medien
  10 THESEN
                                                                      Noch mehr Einfluss bei der Auswahl von Inhalten
  für digitale Medienvielfalt
                                                                      haben soziale Netzwerke. Sie werden mittlerweile
  1.    Die Welt ist digital. Medienvielfalt muss                     insbesondere von den 14– 49-Jährigen intensiv ge-
        es auch sein.                                                 nutzt, um einen Überblick über aktuelle Themen
                                                                      zu erhalten. 71 % der in der MedienGewichtungs-
  2.     Lasst uns reden! Um digitale Medien-                         Studie 2017-II von KANTAR TNS Befragten geben
        vielfalt neu zu definieren, brauchen wir                      an, dass sie soziale Medien nutzen, weil sie einen
        einen besseren Austausch zwischen                             guten Überblick über verschiedene Standpunkte
        ­Regulierung, ­Wissenschaft, Medien und                       zu aktuellen Themen bieten – auch wenn das Ver-
         Zivil­gesellschaft.                                          trauen in sie noch deutlich geringer ist als das in
  3.    Hate Speech ist eine Bedrohung für eine                       klassische Medien.
        offene Gesprächskultur. Wir müssen ge-
        meinsam gegen sie vorgehen.                                   Um Orientierung bei all den Inhalten zu geben,
                                                                      die mit Likes versehen oder mit Freunden geteilt
  4.    Unabhängiger und guter Journalismus                           werden, entscheiden Programmierer und ihre Al-
        ist eine Voraussetzung für unsere Demo-                       gorithmen, welche Inhalte der Nutzer überhaupt
        kratie. Wir müssen ihn verteidigen!                           zu sehen bekommt. Damit legen sie im Regelfall
                                                                      nicht nur eine Reihenfolge fest, sondern treffen
  5.    Wir brauchen neue Methoden
                                                                      eine echte Auswahl.
        zur ­Messung von Medienvielfalt.
        Wissenschaft, bist du ­dabei?!
                                                                      Und auch hier spielen die Geschäftsmodelle eine
  6.    Zur Sicherung der Medienvielfalt ist ein                      entscheidende Rolle. Den Anbietern ist es (im Rah-
        ­besserer Zugang zu Daten unabdingbar.                        men der gesetzten Community Standards) im Prin-
                                                                      zip egal, welche Inhalte der Nutzer zu sehen be-
  7.    Überwachung gefährdet die Meinungs-                           kommt. Wichtig ist ihnen nur, dass er den Dienst
        freiheit.                                                     möglichst oft nutzt und lange bleibt. Was aber ist,
  8.    Technologie ist Teil der Lösung. Vielfalt                     wenn die Auswahlkriterien zu Echokammern im
        muss schon in der Entwicklung mitge-                          sozialen Netz führen? Was, wenn die starke Beto-
        dacht werden.                                                 nung von Interaktion zu immer größerer Radika-
                                                                      lisierung führt? Wenn polarisierende Inhalte die
  9.    Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter                        größte Bindungskraft aufweisen? Oder erfundene
        in der Regulierung, lasst uns unsere Ar-                      Geschichten, „Fake News“, die Nutzer bei der Stan-
        beitsweisen neu erfinden.                                     ge halten? Und was ist zu tun, wenn Hass und ju-
                                                                      gendgefährdende Inhalte sprießen? Hier ist auch
  10. Wir brauchen eine Gesetzesänderung!
                                                                      der Gesetzgeber in der Pflicht, der entscheiden
      Transparenz und Diskriminierungsfrei-
                                                                      muss, wo Grenzen zu ziehen sind.
      heit müssen gesetzlich geschützt sein.

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Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

                                                                                                              Gut 70 % schätzen
                                                                                                               unterschiedliche
Abb. 2                                                                                                       Meinungen in sozialen
                                                                                                                   Medien.
Aussagen zur Nutzung von sozialen Medien – Informierende Nutzer

„           Ich nutze soziale Medien, weil sie einen guten Überblick
            über verschiedene Standpunkte zu ­aktuellen Themen bieten.
                                                                                                    “
                                                                                                                                           Alle
                71               24                             47                25 4 29

                                                                                           1
                                                                                                                                14 – 29 Jahre
               73               23                              50                    26    27

                                                                                                                                30 – 49 Jahre
                71                    28                        43               22        7 29

                                                                                                                                     50 + Jahre
                      62              18                        44                     29 4 33

                                                                                                                                      Männer
                71               23                             48                25 4 29

                                                                                                                                        Frauen
                70                   25                         45                24 4 28

                                                                                 1
                                                                                                                              Gering / mittel
          79                    29                              50          18    19

                                                                                                                               Hohe Bildung
                           58             17                    41                             34   8 42

100 %                           50 %                              0%                                       50 %                         100 %

  Stimme voll und ganz zu       Stimme eher zu    Stimme eher nicht zu     Stimme gar nicht zu

Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Angaben in Prozent; Basis: 15,695 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland,
die gestern soziale Medien informierend genutzt haben; n = 554

                                                                                                                                           21
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

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                                                                                                                         jeder Fünfte ver-
Abb. 3                                                                                                                traut sozialen Medien
                                                                                                                       mehr als klassischen
Aussagen zur Nutzung von sozialen Medien – Informierende Nutzer                                                              Medien.

„               Ich vertraue den Meldungen in sozialen Medien eher als
                denen in den klassischen Medien wie Fernsehen, Radio oder
                Zeitungen.
                                                                                                           “
                                                               3
Alle
                                                      18                   15                                    52                  28 80

                                                                   2
14 – 29 Jahre
                                                           14              12                                          57                 29 86

30 – 49 Jahre
                                                 23        6               17                     29       45                    29 74
                                                               2
50 + Jahre
                                                      18                   16                                         56           22 79

                                                           3
Männer
                                                   20                      17                                   49                 29 78
                                                                   3
Frauen
                                                           15              12                                          57                27 84

Gering / mittel
                                                 22     5                  17       54             23 77
                                                                       1
Hohe Bildung
                                                               12          11                                    51                      35 86

100 %                           50 %                                        0%                                   50 %                            100 %

   Stimme voll und ganz zu     Stimme eher zu     Stimme eher nicht zu               Stimme gar nicht zu

Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Angaben in Prozent; Basis: 15,695 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland,
die gestern soziale Medien informierend genutzt haben; n = 554

Legaldefinition von Medienintermediären                                          führt in ihrem Diskussionsentwurf dafür den Be-
Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Angebote                             griff des „Medienintermediärs“ ein, der definiert
mit unterschiedlichen Funktionen, Geschäftsmo-                                   ist als „jedes Telemedium, das auch journalistisch-
dellen und damit auch Risiken in eine Legaldefiniti-                             redaktionelle Angebote Dritter aggregiert, selektiert
on zu fassen. Die Rundfunkkommission der Länder­                                 und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese

22
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen“.4                          Regulatorische Mindeststandards
Damit haben die Länder wesentliche Grundent-                        Ziel der Medienregulierung ist der Schutz von Viel-
scheidungen getroffen:                                              falt. Um sie zu sichern, müssen nicht nur klassische
                                                                    Rundfunkplattformen regulatorische Mindeststan-
•    Beim Medienintermediär geht es auch, aber                      dards befolgen, sondern auch die für die Präsen-
     nicht ausschließlich um Medien: Es reicht,                     tation und Auswahl von Medienangeboten min-
     wenn journalistisch-redaktionelle Inhalte ein                  destens ebenso wichtigen (Medien-) Intermediäre.
     Teil des Angebotes sind, daneben könnten                       Neben Regelungen zu Transparenz und Diskrimi-
     z. B. soziale Nachrichten ausgetauscht oder                    nierungsfreiheit sind hier Informationspflichten
     Einkaufslisten empfohlen werden.                               gegenüber der Medienaufsicht unabdingbar.

•    Anders als bei den Plattformen des Rundfunk-                   Transparenz
     staatsvertrags geht es nicht darum, ein (end-                  Nutzer wissen oftmals nicht, welche Mechanismen
     liches) Gesamtangebot bereitzustellen. Im                      zur Auswahl, Zusammenstellung und Darstellung
     Vordergrund steht die Vermittlung zwischen                     bei beispielsweise einer Google-Suche, einer Emp-
     dem Nutzer und grundsätzlich frei verfügba-                    fehlung oder der Anzeige des Facebook-Newsfeeds
     ren Inhalten.                                                  angewendet werden. Welche Kriterien wie in Ent-
                                                                    scheidungen einfließen, wird von manchen An-
•    Wichtigster Anknüpfungspunkt ist die Aus-                      bietern zwar mittlerweile mehr oder weniger um-
     wahlentscheidung. Um Vielfaltssicherung zu                     fangreich veröffentlicht.5 Dies erfolgt aber bisher
     gewährleisten und nicht ungewollt Dienste                      ausschließlich auf freiwilliger Basis; ein Informa-
     aus dem Anwendungsbereich auszuschließen,                      tionsdefizit ist nicht ausgeschlossen.
     bedarf es hier einer möglichst weiten Formu-
     lierung.                                                       Um hier klare Regelungen zu schaffen, will der Dis-
                                                                    kussionsentwurf der Rundfunkkommission Me-
Durch eine allgemeine Definition lassen sich erste                  dienintermediäre verpflichten, die erforderlichen
Themen adressieren und insbesondere dort, wo                        Informationen bereitzustellen. Dazu zählen Krite-
sich ähnliche Fragen stellen, erste Lösungen finden.                rien über Zugang und Verbleib von Inhalten, über
Das ist ein guter Anfang, um Mindeststandards zu                    ihre Aggregation, Selektion und Präsentation sowie
schaffen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen.                      ihre Gewichtung, außerdem Informationen über
In der regulatorischen Praxis wird sich dann zei-                   die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen.6
gen, ob dieser „one-fits-all“-Ansatz auf Dauer der
Richtige ist. Dazu bedarf es weiterer Untersuchun-                  In die gleiche Richtung denkt auch die EU-Kom-
gen und vor allem weiterer Informationen. Hier                      mission mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung
kommen Auskunfts- und Transparenzregelungen                         des Europäischen Parlaments und des Rates zur
ins Spiel.
                                                                    5 Google beschreibt z. B., wie die Suche funktioniert (www.google.
                                                                      com/search/howsearchworks/) und hat auch seine Search Quality
                                                                      Evaluator Guidelines öffentlich gemacht (https://static.googleuser-
                                                                      content.com/media/www.google.com/de//insidesearch/howsearch-
                                                                      works/assets/searchqualityevaluatorguidelines.pdf).
                                                                      Facebook erläutert neuerdings grundsätzlich Funktionsweisen
                                                                      seines News Feed; https://newsfeederklaert.splashthat.com.
4 § 2 Abs. 2 Nr. 13b des Diskussionsentwurfes                       6 § 53d des Diskussionsentwurfes

                                                                                                                                     23
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

Abb. 4

Algorithmische Selektion

  Gesamtheit der vorliegen-                                                                                   (ggfs. personalisierte)
  den bzw. erschlossenen             (Filterung, Priorisierung / Ranking, Klassifikation, Assoziation)        Auswahl aus Gesamtheit
  Inhalte                                                                                                     der Inhalte
                                                              auf Grundlage von
                                                                                                              •   Trefferliste
                                                                                                              •   Newsfeed
                                     Generischen algorithmischen Verfahren
                                                                                                              •   Empfehlungen
                                     (z. B. Regression; Bayes-Klassifikatoren, Support Vector Machines;
                                                                                                              •   …
                                     Neuronale Netwerke)

                                                                      +
                                     Modell der Nutzerpräferenzen
                                     (z. B. Optimierung der Selektion auf Aktualität Clicks / Interaktion;
                                     Verweildauer; Aktualität; Vielfalt)

                                                                      +
                                     Nutzerdaten
                                     (z. B. Soziodemographie;
                                     Kontaktnetzwerke;                                     Nutzerprofilen
                                     Kommunikationsmuster;             verdichtet zu
                                     ortsbezogene Daten)

                                     Interaktion der Nutzer / innen mit Ergebnis
                                     der Selektion reichert Nutzerprofile weiter an

Schematische Darstellung eines Systems algorithmischer Personalisierung; Quelle: Hans-Bredow-Institut, 2018

F­ örderung von Fairness und Transparenz für ge-                          entwurf der Rundfunkkommission ausdrücklich
 werbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten,                        geregelt: Weist ein Medienintermediär eine the-
 der ebenfalls eine Verpflichtung zur Angabe dieser                       matische Spezialisierung auf, muss er dies schon
 Informationen gegenüber dem Nutzer vorsieht.7                            durch die Gestaltung des Angebotes kenntlich ma-
                                                                          chen. Das ist ein wichtiger Punkt. Und auch hier
Welche Informationen konkret erforderlich sind,                           stellt sich die Frage, was das bei marktbeherrschen-
um Transparenz herzustellen, wird sich nach dem                           den Angeboten bedeutet.
jeweiligen Einzelfall bestimmen müssen. Hier dürf-
ten die unterschiedlichen Geschäftsmodelle eine                           Social Bots
Rolle spielen. Einer dieser Fälle ist im Diskussions-                     Zur Transparenz gehören zudem Informationen
                                                                          darüber, ob Inhalte von einem Menschen stam-
                                                                          men oder automatisiert erstellt wurden. Bots, also
7 Artikel 5 des „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
  Parlaments und des Rates zur Förderung von Fairness und Trans-          Computerprogramme, die automatisiert bestimm-
  parenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten“,
  abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/              te Aufgaben übernehmen, ohne dass ein Mensch
  ALL/?uri=CELEX%3A52018SC0139 Dem Vernehmen will die                     eingreifen muss, gibt es in vielen Bereichen. Ein
  ­Kommission aber zunächst auf Selbstverpflichtungen setzen.

24
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

nicht zu unterschätzendes Thema sind sie in sozi-            ist damit aber das Problem, dass sich erfahrungs-
alen Netzwerken, wo sie sich als sogenannte Social           gemäß nur wenige Nutzer für solche Informatio-
Bots kommunikativ beteiligen und auf bestimmte               nen interessieren. Unbeantwortet bleibt zudem die
Eingaben automatisch reagieren können. Dies kann             Frage, was der Nutzer tut, wenn er mit den Bedin-
z. B. dann zu einem Problem werden, wenn sie mas-            gungen nicht einverstanden ist. Solange es Alter-
senhaft an Diskussionen teilnehmen, ohne dass sie            nativen gibt, ist das sicher kein Problem. Schwieri-
als Bots erkennbar sind. So kann nicht nur die Ver-          ger wird es bei marktbeherrschenden Angeboten.
breitung von Beiträgen erhöht, sondern u. U. auch
gezielt manipuliert werden, etwa wenn Desinfor-              Verbot diskriminierenden Missbrauchs
mation verbreitet, Statistiken verfälscht werden             Das macht deutlich, welche besondere Bedeu-
oder der Eindruck entsteht, dass eine Einzelmei-             tung dem Verbot diskriminierenden Missbrauchs
nung zur Mehrheit geworden ist. Im schlimmsten               zukommt. Sollten zumindest für die Meinungs-
Fall werden Nutzer eingeschüchtert und davor ab-             bildung wichtige Intermediäre verpflichtet sein,
geschreckt, ihre Meinung zu äußern.                          nicht aktiv bei der Präsentation von Informatio-
                                                             nen zu diskriminieren? Reicht das aus? Kann so die
Die Folgen zeigen sich in vielen Debatten über               Vielfalt der journalistisch-redaktionellen Angebote
­politisch brisante Themen, wie etwa über den Um-            erhalten und eine (gezielte) Einflussnahme auf die
 gang mit Flüchtlingen, den Brexit oder die Liberali-        Meinungsbildung der Nutzer verhindert werden?
 sierung der Abtreibungsregelungen in Irland. Und            Über diese Fragen wird derzeit sicherlich am inten-
 das geht für wenig Geld. Um auch hier mehr Trans-           sivsten diskutiert, reichen sie doch am weitesten in
 parenz zu schaffen, sieht der Diskussionsentwurf            die Geschäftsmodelle der Anbieter herein. Ein Lö-
 der Rundfunkkommission eine erweiterte Kenn-                sungsansatz kann im Prinzip der Diskriminierungs-
 zeichnungspflicht vor.8 Wenn Automatisierungen              freiheit liegen, welches schon bei der Regulierung
 kenntlich gemacht werden, so die Hoffnung, kön-             von Rundfunkplattformen zur Anwendung kommt.
 nen Einflüsse auf die öffentliche Meinung reduziert         Zu klären wäre allerdings, was das für Intermediäre
 werden. Das ist ein wichtiger erster Schritt.               heißt. Wie kann ein solches Konzept für Anbieter
                                                             aussehen, für die Auswahl zum Geschäftsmodell
Wissensvermittlung und Usability                             gehört und für die Personalisierung immer wich-
Genauso wichtig wie das „ob“ ist das „wie“, also die         tiger wird?
Frage, wo sich die Informationen finden und wie sie
aufbereitet sind. Ein 120-seitiger englischer Text, in       Man wird sich leicht darauf verständigen können,
den Tiefen der allgemeinen Geschäftsbedingungen              dass Medienintermediäre nicht manipulieren und
versteckt, würde kaum dazu führen, dass Nutzer               keinen unsachgemäßen Einfluss darauf ausüben
besser informiert wären. Die Informationen müs-              sollten, auf welche meinungsrelevanten Inhalte
sen daher leicht auffindbar und verständlich sein.           ihre Nutzer aufmerksam werden. Ebenso unstrittig
Hier sind der Fantasie der Anbieter keine Grenzen            ist sicherlich, dass eine Bevorzugung eigener An-
gesetzt. Ob 10-Punkte-Liste oder visuelle Aufberei-          gebote, insbesondere bei marktstarken Unterneh-
tung etwa durch einen Legetrickfilm, Intermediäre            men, kritisch ist. Auch sollten Empfehlungen nicht
nutzen dazu unterschiedlichste Wege. Nicht gelöst

8 § 55 Abs. 3 des Diskussionsentwurfes

                                                                                                                            25
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen ­Gesellschaft?

verkauft werden. Wenn Geld fließt, handelt es sich                    auf die Wahrnehmbarkeit“ bestimmt werden soll.
um Werbung, sie ist als solche zu kennzeichnen.                       Ist damit Marktmacht gemeint? Dann müssen ei-
Das wird aber nicht reichen.                                          nige konkrete Fragen beantwortet werden: Zum
                                                                      Beispiel die, ob nach den Regeln des Kartellrechts
Diskriminierungsfreiheit bedeutet nicht, dass In-                     ein Marktanteil von ca. 40 Prozent ausreicht. Oder
termediäre immer zu Neutralität verpflichtet sind.                    ob es (auch) auf Meinungsmacht ankommt? Wür-
Sie müssen sich jedoch an ihren eigenen Aussa-                        de es dann genügen, wenn ein soziales Netzwerk
gen und Leitprinzipien messen lassen. Besondere                       z. B. von 30 Prozent der 14 – 29-Jährigen auch infor-
Anforderungen müssen zudem bei journalistisch-                        mierend genutzt wird?
redaktionellen Angeboten gelten. Zwar führt die
Selektion und Präsentation von Inhalten immer                         Der Entwurf sieht weitere Begrenzungen vor: So
auch dazu, dass Algorithmen unterscheiden. Das                        soll eine Diskriminierung insbesondere vorliegen,
darf jedoch nicht aus unsachgemäßen Gründen                           wenn bewusst und zielgerichtet zugunsten oder
geschehen. Was wäre beispielsweise, wenn jour-                        zulasten eines Inhaltes von allgemeinen Regeln ab-
nalistisch-redaktionelle Inhalte prinzipiell auf die                  gewichen wird. Dieser subjektive Tatbestand dürfte
hinteren Plätze im Ranking verschoben würden,                         nicht einfach zu beweisen sein.
weil Werbung in ihrem Umfeld ausgeschlossen
oder schwerer verkäuflich ist? Oder weil Nutzer ver-                  Außerdem sollen Verstöße nur von betroffenen In-
meintlich nur „gute Laune“-Inhalte suchen? Was,                       halteanbietern geltend gemacht werden können.
wenn ein Intermediär sich entschließen würde, ei-                     Diese Regelung hat schon bei der Regulierung von
nen Anbieter auszuschließen, weil er negativ über                     Rundfunkplattformen nicht funktioniert. Je größer
ihn berichtet hat? Da all dies zu erheblichen Reich-                  die Marktmacht eines Intermediärs, umso mehr
weitenverlusten und Konsequenzen für die Refi-                        besteht die Gefahr, dass Inhalteanbieter vor einer
nanzierbarkeit führt, muss sichergestellt werden,                     Beschwerde zurückschrecken. Um dies zu verhin-
dass insbesondere marktstarke Intermediäre nicht                      dern, muss Medienaufsicht von Amts wegen er-
unbillig behindern oder Inhalte ungleich behan-                       folgen.
deln, ohne dass ein sachlicher Grund dafür vorliegt.
Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtferti-                       Auskunfts- und Berichtspflichten
gen, sind dabei vor dem Hintergrund von Vielfalts-                    Damit effektive Aufsicht gelingt, müssen die
sicherung und Rundfunkfreiheit auszulegen.                            Medien­anstalten zudem in der Lage sein, sich ein
                                                                      umfassendes und aussagekräftiges Bild über die
Der Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission                         Funktionsweisen der Aggregations-, Selektions-
greift dies in Teilen auf: Er verbietet die unbillige                 und Präsentationsmechanismen zu verschaffen.
Behinderung und sachlich nicht gerechtfertigte                        Ohne ein entsprechendes Verständnis kann die
Ungleichbehandlung von journalistisch-redakti-                        Einhaltung der Transparenzpflichten und das Ver-
onellen Angeboten, dies allerdings nur, wenn der                      bot diskriminierenden Missbrauchs nicht sinnvoll
Medienintermediär einen besonders hohen Ein-                          überwacht werden. Nicht nur die Medienanstal-
fluss auf die Wahrnehmbarkeit der Angebote hat.9                      ten wissen bisher viel zu wenig über Funktions-
Nicht klar ist, wie dieser „besonders hohe Einfluss                   weisen von Algorithmen und die eingespeisten
                                                                      Daten. Während Intermediäre in ständigen Tests
9 § 53e des Diskussionsentwurfes

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