Digitalisierungsbericht - VIDEO Digitalisierung vollendet - Wie linear bleibt das Fernsehen? - SLM
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Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Herausgeber die medienanstalten – ALM GbR Friedrichstraße 60 10117 Berlin Tel: + 49 30 206 46 90 0 Fax: + 49 30 206 46 90 99 E-Mail: digitalisierung@die-medienanstalten.de Website: www.die-medienanstalten.de Verantwortlich Cornelia Holsten – Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten Thomas Fuchs – Koordinator des Fachausschusses Netze, Technik, Konvergenz der Medienanstalten Redaktion Aylin Ünal Dr. Simon Berghofer Lektorat Aylin Ünal Copyright © 2018 by die medienanstalten – ALM GbR Gestaltung und Satz Rosendahl Berlin Agentur für Markendesign Kastanienallee 71 10435 Berlin Tel: + 49 30 440 128 00 E-Mail: mail@rosendahl-berlin.de Website: www.rosendahl-berlin.de Illustrationen Rosendahl Berlin – Agentur für Markendesign, Daniela Sattler Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-9819728-1-8 Druck Druckcenter Berlin GmbH Stand: August 2018 Der Digitalisierungsbericht wird klimaneutral und nach FSC Standards gedruckt.
Digitalisierungsbericht 2018 Video Digitalisierung vollendet – Wie linear bleibt das Fernsehen? herausgegeben von die medienanstalten – ALM GbR
Vorwort Cornelia Holsten Thomas Fuchs Vorsitzende der Kommission für Koordinator des Fachausschusses Zulassung und Aufsicht (ZAK) Netze Technik, Konvergenz der Medienanstalten der Medienanstalten Wie schnell die Zeit vergeht! Bereits das 14. Jahr und welche Inhalte besser linear oder on-demand in Folge erscheint der Digitalisierungsbericht der funktionieren. Weiter gilt es zu ergründen, ob ein Medienanstalten und dokumentiert somit lücken- konvergenter Audience-Flow zwischen Fernsehen los die Veränderungen der Übertragungswege für und VoD geschaffen werden kann und inwiefern Rundfunk. Nächstes Jahr, quasi im 15. Jubiläums- redaktionelle und algorithmusbasierte Empfeh- jahr des Digitalisierungsberichts, werden erstmals lungssysteme von Zuschauern künftig angenom- alle Übertragungswege für Fernsehen vollständig men werden. digitalisiert sein, denn 2019 werden die letzten Signale des analogen Kabelfernsehens abgeschal- Wir wollen in unserem Digitalisierungsbericht die- tet. Doch damit enden nicht die Herausforderun- sen neuen Entwicklungen sowohl in der Erhebung gen für uns Medienanstalten. Längst haben wir als auch in der Darstellung den nötigen Platz ein- auch die konvergente Mediennutzung und Gerä- räumen. Aus diesem Grund wurde die Erhebung teausstattung der TV-Haushalte im Blick. Dieses in diesem Jahr erstmals aufgeteilt und es wur- Jahr stellen wir erneut fest, dass sich nichtlineare den zwei Publikationen entwickelt: Der Digitali- Dienste bei den Zuschauern großer Beliebtheit er- sierungsbericht Video und der Digitalisierungsbe- freuen. Die privaten TV-Veranstalter sind erwacht richt Audio. Im vorliegenden Videobericht finden und gehen mit ihren on-demand-Angeboten zu- Sie wie immer zuverlässig Daten und Fakten zum nehmend auf diese Nachfrage ein. Besonders jun- Bewegtbild aus der bevölkerungsrepräsentati- ge Erwachsene nutzen mittlerweile häufiger VoD ven Erhebung, die Kantar TNS in unserem Auftrag und Streamingangebote als klassisches Fernsehen. durchführt. Da der Bericht nur einen kleinen Ein- Kein Wunder bei der Omnipräsenz konvergenter blick bieten kann, finden Sie sämtliche Forschungs- Endgeräte! Die Branche muss herausfinden, war- ergebnisse auf unserer Website. Wie üblich soll um Zuschauer sich für einzelne Programmangebo- auch die europäische Perspektive nicht zu kurz te interessieren, wann und warum sie das klassi- kommen, schließlich wollen wir wissen, wie es sche, lineare Programm oder VoD-Angebote nutzen 4
um die digitalen TV-Haushalte und den Erfolg von Gleichzeitig schaut die Branche mit Spannung HD-Programmen in unseren europäischen Nach- auf den Entwurf für einen Medienstaatsvertrag, barländern steht. mit dem eine zeitgemäße Regulierung der Rund- funk- und Medienwelt endlich in greifbarer Nähe Dass wir nun auf die vollständige Digitalisierung erscheint. Der Gesetzgeber akzeptiert die techni- der Fernsehhaushalte zusteuern, ist auch ein Ver- schen und medialen Veränderungen und strebt dienst der vielen Informationskampagnen, die alle an, die gesetzlichen Regelungen entsprechend Beteiligten zusammen unter der Moderation der anzupassen. Das begrüßen wir sehr. Die Interes- Medienanstalten durchgeführt haben. In langen sen aller Beteiligten, die teilweise doch deutlich Gesprächen, häufigen Treffen oder Telefonaten auseinandergehen, zu berücksichtigen, macht die- und geduldigen Abstimmungen konnten sich alle sen Prozess zugleich schwierig und spannend. Die auf ein gemeinschaftliches Vorgehen einigen. So Medienanstalten werden sich dabei in gewohnter wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher Manier für größtmögliche Meinungs- und Anbieter ebenso rechtzeitig informiert wie der Fachhandel, vielfalt einsetzen, versprochen! die Politik und die Presse. Es war genug Zeit, sich auf die technischen Veränderungen einzustellen. Schließlich gab es viel zu erklären, um das Fern- sehpublikum auf dem Laufenden zu halten: Neue Geräte, neue Frequenzen, alte und neue Antennen und neue Standorte. Die Veränderungen werden im Digitalen nicht weniger, nur anders – und die Medienanstalten sind weiterhin gerne als vermit- telnde Stelle dabei. 5
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Inhalt Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt 9 Vom Wert und Nutzen „Runder Tische“ Thomas Fuchs / Aylin Ünal Suchmaschinen und Social Media – Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? 17 Regulierung von Intermediären unter M edienvielfaltsgesichtspunkten Dr. Anja Zimmer Daten & Fakten zur Digitalisierung in Deutschland Aktueller Stand der Digitalisierung der TV-Empfangswege und 34 digitalen Fernseh- und Videonutzung in Deutschland Dr. Simon Berghofer Methodik 54 Daten & Fakten zur internationalen Digitalisierung Der europäische Fernsehmarkt schließt die Lücke zur vollständigen Digitalisierung 58 Ricardo Topham Die Aufgaben der Landesmedienanstalten in der Plattformregulierung 67 Autoren 69 7
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt Vom Wert und Nutzen „Runder Tische“ Thomas Fuchs / Aylin Ünal Welche ist die größere technische Revolution – die lichkeit wahrgenommen wird. Dieser Beitrag soll neueste TV-Generation oder das Ende einer Infra- einen kleinen Einblick in die letzten großen Pro- struktur? Beides haben wir in den letzten Jahren jekte geben. mehrfach erlebt. Die Übertragung des analogen Fernsehens über Satellit wurde 2012 eingestellt. Das Antennenfernsehen DVB-T, zwar schon digital, Wie das Ende des analogen Kabelfernsehens aber noch nicht HD-fähig, machte letztes Jahr den seinen Anfang nahm Sprung auf den höheren Standard in der Terrest- Seit 2012 das analoge Satellitensignal endete, ist rik. Nun steht das Kabelfernsehen kurz davor seine das Breitbandkabel der letzte Übertragungsweg, letzten analogen Minuten zu senden. Die Medien- der in Deutschland noch analoge Fernsehpro- anstalten haben alle Umstellungen dieser letzten gramme überträgt. 1985 gestartet, mittlerweile Jahre begleitet und können aus reichhaltigen Er- mehrfach erweitert, bietet es in kontinuierlich gu- fahrungen schöpfen. ter Qualität etwa 30 analoge Fernsehprogramme und bildet die ortsüblichen Radioprogramme ab. Das wichtigste bei der Umstellung einer Infrastruk- Elf Jahre später, ab Sommer 1996, wurden die ers- tur ist uns, dass der Rundfunk weiterhin die Zu- ten digitalen Signale im Standard DVB-C im Kabel schauer erreicht – dieses Interesse deckt sich natür- übertragen. Das Kabelfernsehen wurde von den lich mit allen Beteiligten in der Branche, schließlich Kabelnetzbetreibern seitdem parallel mit analogen wollen auch die Fernsehsender, Fachhändler und und digitalen Signalen verbreitet. Allerdings nahm Netzbetreiber ihre Kunden im Laufe des Prozesses die Akzeptanz der digitalen Programmverbreitung nicht verlieren. Um einem Übertragungsweg auf erst an Fahrt auf, als im Jahre 2005 die Grundver- die neue Strecke zu helfen, sind unzählige Maß- schlüsselung der privaten Programme aufgehoben nahmen notwendig, oft mehr als in der Öffent- wurde und nicht mehr ausschließlich Set-top- Boxen der Kabelnetzbetreiber verwendet werden mussten. Während sich die Haushalte schließlich 9
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt über die Jahre zunehmend mit digitalen Geräten 82 Prozent gestiegen und lag damit über dem Wert, ausstatteten, sank der Anteil an analogen Kabel- den die Veranstalter bei der Abschaltung des ana- haushalten stetig. Die größere Programmvielfalt logen Satelliten als ausreichend für den Beginn und die bessere Bild- und Tonqualität, insbeson- der damaligen Umstiegskommunikation angese- dere auf großen Bildschirmen, überzeugte viele hen hatten. Im Vorfeld der Gespräche wurde das Zuschauer von der digitalen Fernsehwelt. Bundeskartellamt über die Zielsetzung des Runden Tisches informiert und einbezogen. Dieses hatte Erst die Abschmelzung einzelner analoger Kanäle, dann keine Bedenken geäußert, dass die Branchen- vornehmlich privater Spartenprogramme, durch teilnehmer sich zum Zweck einer koordinierten die Kabelnetzbetreiber brachte Bewegung in die Umstellung absprechen. Ein allein zwischen den Geschichte. Immer mehr Sender abzuschmelzen, Kabelnetzbetreibern koordinierter Umstieg wäre bis die Zuschauer nach und nach von selbst auf hingegen wohl ebenso kritisch gesehen worden die digitale Variante wechseln würden, war jedoch wie eine Abstimmung zwischen den Sendern über eine Drohkulisse. Aus Sicht der Netzbetreiber war ein Abschaltdatum. es verständlich, immer weniger Kapazitäten für analoge Signale vorzusehen, sondern diese für an- Aufgrund der vielschichtigen Vertragsbeziehun- dere Angebote zu verwenden, und dabei nicht als gen zwischen den Kabelnetzbetreibern und der erstes die beliebten großen Sendergruppen abzu- Wohnungswirtschaft war die Branche in den ver- schalten. Doch für die kleinen Sender, insbesonde- gangenen Jahren sehr vorsichtig in Bezug auf die re für die unabhängig von großen Senderfamilien Abschaltung analoger Verbreitungen. Da viele agierenden, drohte der Reichweitenverlust zu ei- Haushalte keinen direkten Kontakt zu den Kabel- nem finanziellen Problem zu werden, denn an der netzbetreibern pflegen, sondern die Beziehung erfolgreichen Verbreitung des Senders hängen die über ihre Vermieter bzw. die Hausverwaltung läuft, Einnahmen aus dem Verkauf von Werbung und war es allen Beteiligten wichtig, die Wohnungs- somit die Refinanzierung. Diese Situation mobi- wirtschaft in die Gespräche am Runden Tisch regel lisierte die Medienanstalten und resultierte Ende mäßig einzubeziehen. Auf diese Weise konnten die 2015 in einer Reihe von Branchengesprächen. Dabei Medienanstalten als neutrale Vermittler Partner ging es darum die Bereitschaft abzuschätzen, unter in einen Raum bringen, die bislang wenig Berüh- welchen Bedingungen eine vollständige Digitalisie- rungspunkte miteinander hatten. Wie im Laufe des rung des Kabels gemeinsam in Angriff genommen Prozesses deutlich wurde, bestand eine weitere werden könnte. Hauptaufgabe der Medienanstalten darin, die ge- genläufigen Interessen der Partner auszugleichen. Der „point of no return“ für den Umstieg Unter Moderation der Medienanstalten wurden Die Abschaltung: Tag X oder Phase X? Rundfunkveranstalter, Kabelnetzbetreiber und Nachdem sich alle zusammengefunden hatten, Verbände im Herbst 2016 zu einem ersten Run- drehte sich die erste größere Diskussion um den den Tisch zum Kabel-Analog-Digital-Umstieg ein- Zeitpunkt der Abschaltung. Nachdem die größeren geladen. Die Digitalisierungsquote in den Kabel- Kabelnetzbetreiber längere Zeit versucht hatten, haushalten war zu dem Zeitpunkt bereits auf über die Politik zu einem gesetzlichen Abschaltdatum 10
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt zu bewegen, war dies nur in Bayern, Sachsen und Projektbüro ausarbeitet und in Abstimmung mit Bremen gelungen. Für die restlichen Bundeslän- den Beteiligten umsetzt. Vor allem die zeitliche und der war daher der Zeitplan ungewiss. Die Veran- örtliche Koordinierung der regionalen Abschaltter- stalter forderten im Rahmen des Runden Tisches mine und der Kommunikationsmaßnahmen ist ein einen gemeinsamen Abschaltzeitpunkt der analo- zentraler Bestandteil. Dazu gehören nicht zu unter- gen Programmverbreitung in den Kabelnetzen, um schätzende organisatorische Aufgaben ebenso wie Planungssicherheit zu erreichen und die Kommuni- die kreative Leistung, gemeinsame Botschaften zu kation nach außen zu erleichtern. Aus logistischen entwickeln, die alle Partner unterstützen können – Gründen haben sich die Kabelnetzbetreiber jedoch ebenfalls keine leichte Aufgabe bei diesen unter- für einen längerfristigen Umstellungszeitraum schiedlichen Interessen der Marktteilnehmer. Wie ausgesprochen, der sich nach Regionen unter- immer im Leben hält man sich manchmal an De- scheidet. Denn anders als der Satellit ist das Kabel tails auf oder an Dingen, die wie Kleinigkeiten er- keine zentrale, homogene Infrastruktur. Als Kom- scheinen, aber im Unternehmen wichtige Fragen promiss folgte man schließlich der Strategie, die des Corporate Designs aufwerfen oder schlicht Umschaltzeitpläne der großen Kabelnetzbetreiber technische Beschränkungen offenbaren: Mal geht abzustimmen und die Information den kleineren es um die Farbgebung der gemeinsamen Website, Betreibern vor Ort zur Verfügung zu stellen, damit mal um die genaue Ziffer der Teletext-Seite. sie sich daran orientieren und von den Kommu- nikationsmaßnahmen in ihrer Region profitieren können. Angesichts der Vielzahl an Regionen und Viele Botschaften für ein gemeinsames Ziel Akteuren wurde im Herbst 2017 von den Beteiligten Ziel der gemeinsamen Kommunikation der Betei- beschlossen ein Projektbüro zur Koordinierung der ligten ist es in jedem Fall, die betroffenen Personen regionalen Abschaltkampagnen und zur Unterstüt- möglichst zielgruppengenau über den bevorste- zung einer neutralen Kommunikation einzurichten. henden Umstieg zu informieren, um einen lücken- In einem Auswahlverfahren nach einer öffentlichen losen Fernsehempfang sicherzustellen. Bestandteil Ausschreibung wurde die Goldmedia GmbH aus der Kampagne soll zudem eine neutrale Informati- Berlin mit der Umsetzung eines solchen Projekt- on über die Möglichkeiten des digitalen Empfangs büros beauftragt. Diese Struktur hat den Vorteil, sein. Damit ist gleichzeitig die Werbung für be- dass eine quasi unbeteiligte Stelle den Überblick stimmte Geschäftsmodelle ausgeschlossen; ein behält und alle Interessen berücksichtigen kann. Aspekt, der uns sowie besonders der Wohnungs- wirtschaft wichtig war, um keine Mehrkosten für Wie läuft nun die Arbeit in dieser Konstellation ab? die Mieter zu verursachen. Damit es keine Knapp- Die Partner einigen sich in regelmäßigen Gesprä- heit an Geräten am Tag der Umstellung gibt, chen am Runden Tisch auf Arbeitspakete, die das dient die Kampagne auch dazu, die Motivation der Verbraucher für einen frühzeitigen Umstieg zu erhöhen und nicht erst tätig zu werden, wenn der Bildschirm schwarz bleibt. Der Kauf neuer Geräte ist jedoch nicht die einzige Botschaft, die transportiert werden muss. Neben 11
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt den analogen müssen in vielen Kabelnetzen auch rungen getroffen: Von persönlichen Anschreiben die digitalen Haushalte erreicht und zum Handeln und Aushängen in den Häusern der Kunden bis bewegt werden. Bei der Abschaltung der analogen hin zu Laufbändern im Fernsehprogramm und In- Sender werden Kapazitäten frei. Um diese optimal formationen im Internet sowie am Point of Sale zu nutzen, ordnen die großen Kabelnetzbetreiber in den Läden, hinzu kam die Kundenbetreuung an die digitalen Sender neu. Deshalb wird für alle Ka- der Hotline und in den sozialen Medien. Auch die belhaushalte nach der Umstellung ein Sendersuch- relevanten politischen Akteure und die lokale Pres- lauf notwendig sein, teilweise kann es auch sein, se wurden eingebunden. Am Ende zeigte sich das dass die angelegten Favoritenlisten neu sortiert Unternehmen zufrieden: Die Hotlines waren nicht werden müssen. überlaufen mit verärgerten Kunden und die Nach- fragen hielten sich in Grenzen. Viele Kunden waren bereits informiert und mit den Informationen zu- Pilotprojekte der Netzbetreiber frieden. Die guten Erfahrungen wiederholten sich Wenn in einer Region mehrere hunderttausend in der zweiten Pilotregion Nürnberg im Mai 2018. Haushalte gleichzeitig kein analoges Fernsehen Auch hier verlief die Umstellung technisch erfolg- mehr empfangen und die bis dahin verbliebenen reich und das Unternehmen berichtete von positiv Analog-Haushalte auf das digitale Signal wechseln, gestimmten Kunden. ist das eine große kommunikative Herausforde- rung. Daher führten die Betreiber in mehreren Re- Der Kabelnetzbetreiber PŸUR, zu dem die Unter- gionen Pilotprojekte durch, um die Rückmeldung nehmen Tele Columbus und Primacom gehören, zu testen und natürlich auch um einzuschätzen, ist dieses Jahr ebenfalls mit einem Pilotprojekt an wie erfolgreich ihre Informationsbemühungen im den Start gegangen, um Erkenntnisse für die grö- Vorfeld waren. Letztendlich konnten die Pilotpro- ßere Abschaltung des analogen Kabels zu gewin- jekte durch ihren erfolgreichen Verlauf auch Wi- nen. Zum 20. März beendete das Unternehmen in derstände abbauen, die bislang am Runden Tisch Quedlinburg die analoge Verbreitung von TV- und noch nicht ausgeräumt waren. Radioprogrammen bei über 3.200 Kunden in den ehemals von Primacom versorgten Wohnungen. Am 9. Januar 2018 etwa schaltete Vodafone in der Auch PŸUR ging es darum, mit der Umstellung Region Landshut und Dingolfing die Kabelnetze auf ausschließlich digitale TV- und Radiosignale um. Betroffen waren rund 55.000 Haushalte mit neue Frequenzkapazitäten freizusetzen, um die analoger Nutzung, die auf digitale Geräte um- TV-Angebote in HD weiter auszubauen und neue steigen mussten, sowie digitale Haushalte, denen Angebote in der höchsten Bildauflösung UHD / 4K aufgrund der Neusortierung geraten wurde einen zu erproben. Sendersuchlauf durchzuführen. In der Umstel- lungsnacht zwischen 0 und 6 Uhr erledigte Vo- Die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der dafone demnach drei Dinge: Die Abschaltung des Logistik des Umstiegs und des Umfangs an Zu- analogen Fernsehens, die Abschaltung des analo- schauerreaktionen konnten durch diese Pilotpro- gen Radios sowie die Umbelegung der digitalen jekte ausgeräumt werden. Sie haben damit den Sender. Für die erfolgreiche Umstellung hatte das Weg frei gemacht für die weiteren Schritte. Unternehmen eine ganze Bandbreite an Vorkeh- 12
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt Hinzu kam, dass das Unternehmen Unitymedia in Zweitgerät aufzustellen. Ab April 2017 wurde aus seinen Versorgungsgebieten in Baden-Württem- DVB-T der neue Standard DVB-T2 HD und liefer- berg, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits mit te erstmals terrestrisches Fernsehen in HD-Auf- einem eigenen Zeitplan vorangeschritten war und lösung. Um die Verbraucher und den Fachhandel schon im Sommer 2017 sämtliche Netze vollstän- über den anstehenden Umstieg zu informieren, dig digitalisiert hatte. Zwischen dem 1. und dem waren viel Vorlauf und eine abgestimmte Kampa- 30. Juni 2017 waren die analogen Programme in gne notwendig. Ähnlich wie beim analogen Kabel mehreren Regionen nacheinander abgeschaltet handelte es sich um ein bundesweites Projekt, bei worden. Unitymedia war somit nicht Teil des Run- dem die Regionen eine entscheidende Rolle spiel- den Tisches, konnte allen Beteiligten jedoch von ten. Denn obwohl der größte Teil der terrestrischen den Erfahrungen berichten. Haushalte, insbesondere die meisten Ballungsräu- me, zum April 2017 die Frequenz wechselte, konnten nicht sämtliche Standorte auf einmal umgestellt Eine Nische: UKW-Radio über analoges Kabel werden. Daher gab es einen Zeitpunkt, an dem die Zusätzlich wird teilweise die UKW-Abschaltung im Kommunikation von der bundesweiten auf die re- Kabel in die gemeinsame Kommunikation der Pro- gionale Ebene wechselte. jektpartner aufgenommen, sofern die Region und die Haushalte davon betroffen sind. Nach gesetz- lichen Regelungen in Bayern, Bremen und Sachsen wird bis Ende 2018 neben dem analogen Fernseh- programm gleichzeitig die Übertragung der analo- gen UKW-Hörfunkprogramme im Kabel eingestellt. Einige Kabelnetzbetreiber planen auch in anderen Regionen Deutschlands die analogen UKW-Pro- gramme abzuschalten. Der Grund hierfür ist die zukünftige Nutzung des UKW-Frequenzbereichs im Kabel für die breitbandige Internetanbindung. Mit der Einführung des Kabelstandards Docsis 3.1 ist eine gleichzeitige Nutzung von UKW im Kabel Unter dem Motto „Kleine Antenne. Großes Fern- nicht mehr möglich. sehen.“ lief die Informationskampagne der Betei- ligten, die sich bereits Mitte 2014 unter Moderati- on der Medienanstalten an einem Runden Tisch Fernsehen per Antenne – zusammengefunden hatten. Die öffentlich-recht- der Sprung in die HD-Welt lichen und die beiden großen privaten Sender- Rund 10 Prozent der TV-Haushalte nutzten in den gruppen nahmen ebenso teil wie der Branchen- letzten Jahren eine Antenne zum Fernsehen, ob auf verband VAUNET (ehemals VPRT). Zusätzlich wurde dem Dach oder im Zimmer oder im Gartenhaus. ein enger Kontakt zur Deutschen TV-Plattform als Gerade der portable Empfang überzeugte viele, Schnittstelle zu den Geräteherstellern und dem zusätzlich etwa zum Kabelfernsehen auch eine Handel gepflegt. Nachdem der Plattformbetrieb Antenne für das kleinere oder seltener genutzte für DVB-T2 HD ausgeschrieben und zugewiesen 13
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt worden war, war außerdem der künftige Plattform- tal SD und HD) erschien ökonomisch nicht sinnvoll. betreiber Media Broadcast ein regelmäßiger Gast. Die Zahl der Haushalte, die technisch in der Lage Er wurde dabei jedoch nur als Dienstleister der waren, digitale Satellitensignale zu empfangen, Plattform konsultiert, nicht als Vermarkter seiner stieg stetig. Im Jahr 2010 lag sie bei knapp 80 Pro- Geschäftsmodelle, denn auch bei diesem Projekt zent, Tendenz weiter steigend. In dem Jahr haben ging es darum eine neutrale Informationskampag- die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender ne durchzuführen. Zu guter Letzt stimmte noch das auf Initiative der Medienanstalten ein Abschalt- Bundeskartellamt dem Vorhaben zu; eine weitere datum für den analogen Satelliten festgelegt. Am Gemeinsamkeit mit den anderen Projekten. Wie 30. April 2012 um 03.00 Uhr morgens wurde die beim analogen Kabel entschied man sich dafür, analoge Programmverbreitung über Satellit bei ein Projektbüro zu beauftragen, um das Projekt zu allen deutschen Fernsehveranstaltern eingestellt. koordinieren und die Kampagne für alle gemein- sam zu leiten. Die Medienanstalten haben auch Sender und Medienanstalten richteten damals in diesem Prozess ihre Rolle so verstanden, auf die ebenfalls ein Projektbüro ein, das die Kommuni- Neutralität der Kommunikation zu achten und we- kation zum Umstieg organisiert und koordinierte. der einen Übertragungsweg zu bevorzugen noch Zentral war auch hier eine neutrale Information gar einen bestimmten Sender oder Hersteller he- der betroffenen Haushalte. Weder sollte die Kam- rauszustellen. pagne den Satelliten gegenüber anderen Übertra- gungswegen promoten, noch sollte sie einzelne Geschäftsmodelle bewerben. Letzteres war auch für die Medienanstalten und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Entscheidun- gen des Bundeskartellamts ein wichtiger Aspekt. Von der Rückschau in die digitale Zukunft Alle vorausgehend beschriebenen Umstiegsprozes- Satellitenfernsehen – von analog zu digital se sind im Wesentlichen marktgetrieben gelaufen. Unter dem Claim „klardigital. Schon umgeschal- Es gab – mit wenigen Ausnahmen für das analo- tet?“ lief eine Informationskampagne, an deren ge Kabel – keine gesetzlichen Vorgaben oder Um- Ende die Abschaltung des analogen Satellitensi- stiegsdaten. Die Medienanstalten konnten dabei gnals im Frühjahr 2012 stand. Auch hier folgte die die Prozesse unterstützen und beschleunigen. Als Idee der Umstellung derselben Logik: Die Zukunft neutrale, der Vielfalt verpflichtete Behörden haben des Fernsehens ist digital. Das digitale Signal bean- die Medienanstalten die Beteiligten an einen Tisch sprucht wesentlich weniger Übertragungskapazi- gebracht und beigetragen, die verschiedenen In- tät bei gleichzeitig besserer Bild- und Tonqualität. teressen und Vorstellungen in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen. Wichtig war dabei stets der Auslöser des Umstiegs waren mehrere Faktoren. gute Austausch zwischen Medienanstalten und Eine dreifache Ausstrahlung des gleichen Pro- dem Bundeskartellamt, um den notwendigen Ab- gramms in unterschiedlicher Qualität (analog, digi- sprachen zur Kommunikation die erforderliche 14
Der analog-digital-Umstieg im letzten Akt rechtliche Sicherheit zu geben. Unser Ziel war zu- schen Entwicklungen nach: Streaminganbieter in dem die fundierte und neutrale Information der unserem Smart-TV-Portal, neue Apps auf unserem Verbraucher, weshalb wir uns stets auch selbst an Smartphone, um mit dem Fernseher zu interagie- den Kommunikationskampagnen beteiligt haben. ren oder Smart Speaker mit Sprachassistenten, die uns einen anderen Zugang zum Hörfunk bieten. Die Medienanstalten haben neben der moderie- Unsere Arbeit endet demnach nicht mit der Um- renden auch eine rechtsförmliche Rolle in diesen stellung eines Übertragungswegs, sondern öffnet Prozessen. So, wenn es um die Abstimmung der vielmehr die Tore zu einer neuen Umgebung für notwendigen Frequenzbereiche mit der Bundes- den Rundfunk. In dieser Umgebung gilt der glei- netzagentur geht oder um die Beteiligung an der che Grundsatz wie in der alten: Unsere Aufgabe Entwicklung zugangsoffener Standards. Und nicht ist es die Vielfalt an Angeboten und Anbietern zu zuletzt sind die Medienanstalten zuständig für die bewahren und sicherzustellen, dass die Zuschauer Ausschreibung terrestrischer Plattformen und kon- alle Angebote leicht auffinden können. trollieren die Einhaltung der Vorgaben für chan- cengleichen und diskriminierungsfreien Zugang auf den jeweiligen Plattformen. Die nächsten Veränderungen stehen schon bevor: Die Abschaltung des SD-Empfangs der öffentlich- rechtlichen Programme über Satellit ist für Mitte 2020 avisiert. Wenn Netzbetreiber und Rundfunk- veranstalter beschließen, eine Infrastruktur zu ver- ändern, muss das nicht immer ähnliche Gründe haben. Doch technische Neuerungen werden meist sowohl von den Zuschauern als auch von den Un- ternehmen begrüßt, sofern sich für alle Seiten Vor- teile bieten. Bei aller Begeisterung für neue Geräte oder OTT-Angebote dürfen aus unserer Sicht die Nutzer nicht vergessen werden. Dass sich Geräte und Anwendungen leicht bedienen lassen und alle Angebote einfach aufzufinden sind, sollte Herstel- lern und Entwicklern stets als Leitbild dienen. Wie unsere Forschung zeigt, halten Smart-TVs und HD-Programme immer stärker Einzug in die Haus- halte (vgl. Daten & Fakten-Beitrag ab S. 33) und lassen Röhrenfernseher und unscharfe Analog- bilder wie eine ferne Vergangenheit erscheinen. Während die alten Geräte nach und nach in den Keller wandern, rücken schon die nächsten techni- 15
Suchmaschinen und Social Media – Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Regulierung von Intermediären unter Medienvielfaltsgesichtspunkten Dr. Anja Zimmer Die Welt ist digital. Zweifelsfrei gibt es heute rein quantitativ mehr Medienvielfalt muss es auch sein.1 Angebote denn je. Neben klassische Medien sind Öffentlichkeit ändert sich in der digitalen Gesell- z. B. neue journalistische Formate, Blogs, User Ge- schaft rasant: Das Web 2.0 war für viele Menschen nerated Content und der Informationsaustausch Synonym für die dezentrale, offene und partizipati- in eigenen Netzwerken getreten. Ohne Interme- ve Kultur des Internets. Eine neue, möglicherweise diäre wäre die Flut an verfügbaren Informationen demokratische Öffentlichkeit war die Hoffnung. nicht zu bewältigen. Insbesondere Suchmaschinen Heute müssen wir uns stattdessen mit grundle- verstehen sich daher auch als „Gateopener“. Mehr genden Fragen und Herausforderungen an die Ge- Informationen zu erhalten bedeutet aber nicht au- sellschaft, die Politik und die Regulierung ausein- tomatisch, besser informiert zu sein. Im Gegenteil andersetzen. ist es dadurch oft schwieriger zu erkennen, wel- che Informationen relevant und verlässlich sind. Ein Thema ist dabei die Frage, welche Rolle Such- Auch hier kommen Intermediäre in Spiel. Sie be- maschinen und soziale Netzwerke für unsere stimmen mit, welche Themen wir wahrnehmen, Mediennutzung spielen. Immer mehr Menschen welche Reichweite Informationen erhalten und greifen mittlerweile auf sie zurück, um sich zu in- welche Medien in unserem Kommunikationsmix formieren. Vor allem bei den Jüngeren lösen digi- noch vorkommen. Intermediäre können so schnell tale Dienste wie Facebook oder Google die „klassi- zu „Gatekeepern“ werden. Das stellt neue Heraus- schen“ Medien wie Fernsehen, Hörfunk und Print forderungen an die Vielfaltssicherung. mehr und mehr ab. Suchmaschinen und soziale Netzwerke dienen als Mittler zwischen informie- Faktoren wie das Design von Algorithmen, die An- renden Inhalten und Nutzern, weshalb sie regelmä- zahl der persönlichen Netzwerke, die Art und Weise ßig als Intermediäre bezeichnet werden. wie Menschen digitale Inhalte teilen und die Archi- tektur digitaler Intermediäre bestimmen darüber, 1 These Nr. 1 der 10 Thesen für digitale Medienvielfalt des Media wie Informationen aggregiert, selektiert und uns Policy Labs; https://mediapolicylab.de/zehn-thesen-fuer-digitale- medienvielfalt.html 17
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? präsentiert werden. Die Selektion übernehmen Al- usgangspunkt muss dabei immer die Frage sein, A gorithmen, die die Informationsflut automatisch wer Einfluss auf die Meinungsbildung hat. Regu- nach von den Betreibern der Dienste festgelegten liert werden sollen und müssen all jene, die durch Kriterien sortieren. Damit haben sie entscheiden- ihre Beliebtheit beim Nutzer und den damit einher- den Einfluss auf die Medienvielfalt. Da die entspre- gehenden hohen Marktanteil einen wesentlichen chenden Algorithmen nach wie vor streng gehüte- Einfluss darauf ausüben, was der Nutzer täglich an te Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen sind, Informationen präsentiert bekommt und in wel- kann nicht im Detail nachvollzogen werden, nach cher Form dies geschieht. welchen Kriterien Inhalte ausgewählt und dem Nutzer präsentiert werden. Suchmaschinen Dies sind in jedem Fall Suchmaschinen, die dabei helfen, Inhalte zu finden. Sie entscheiden durch die Gesetzgeberische Überlegungen Ausgestaltung der dahinterstehenden Algorith- Bund und Länder beschäftigen sich daher schon men z. B. darüber, ob ein Zeitungsartikel oder eine länger mit der Frage, wie Medienvielfalt dauerhaft Fernsehsendung auf der ersten Seite der Sucher- geschützt werden kann. Bereits im Jahr 2016 hat gebnisse angezeigt wird oder auf der siebten. Und die Bund-Länder-Kommission Handlungsbedarf manchmal bestimmen sie sogar, dass ein Beitrag identifiziert; Leitlinien waren dabei u. a. die Begrif- gar nicht angezeigt wird, weil er z. B. gegen Richt- fe Transparenz und Diskriminierungsfreiheit. Die linien der Suchmaschine verstößt oder einfach be- Rundfunkkommission der Länder hat dies in ihrem stimmte Formate nicht durchsuchbar sind. Such- Arbeitsentwurf für einen neuen Medienstaatsver- maschinen erfüllen hier eine ähnliche Funktion wie trag – es wäre der 23. Rundfunkänderungsstaats- die Zeitungsauslage im Kiosk oder die Senderliste vertrag – aufgegriffen und konkretisiert.2 Die Um- beim Fernsehen. Wer nicht in der Auslage zu fin- setzung der Bestimmungen soll nach derzeitigen den ist, wird nicht gekauft und wer in der Sender- Überlegungen den Medienanstalten obliegen. liste auf Platz 500 gelistet ist, wird wahrscheinlich Auch die Medienanstalten haben regulatorische nicht gefunden. „Mindeststandards“ für Intermediäre gefordert.3 Das Geschäftsmodell von Suchmaschinen unter- scheidet sich aber deutlich von dem klassischer Was genau sind Intermediäre eigentlich? Rundfunkplattformen: Ihr Ziel ist nicht, dem Kun- Regulierung setzt Definitionen voraus. Denn recht- den oder Zuschauer attraktive Inhalte zu präsen- liche Anforderungen können nur umgesetzt wer- tieren und zu verkaufen, sondern ihn möglichst den, wenn klar ist, wer tatsächlich gemeint ist. intensiv zu binden. Je mehr ein Nutzer sucht und je besser er das für ihn Interessante findet, desto mehr Daten können gesammelt und desto mehr 2 Diskussionsentwurf zu den Bereichen Rundfunkbegriff, Plattformregulierung und Intermediäre -„Medienstaatsvertrag“, Werbung verkauft werden. Ob Medieninhalte oder Juli / August 2018, http://rundfunkkommission.rlp.de/ 3 Einen konkreten Vorschlag für regulatorische Mindeststandards Schuhe gesucht werden, ist dabei egal. Suchma- haben die Medienanstalten Anfang Mai 2018 veröffentlicht. Dieser schinen kommt somit eine doppelte Funktion zu: ist in einer kurzen Fassung als „Überlegungen der Medienanstalten zur Regulierung von Intermediären“ sowie Im Werbemarkt sind sie Wettbewerber klassischer in einer ausführlichen Fassung als „Weitere Erläuterungen zur Medien und als Plattform ermöglichen sie deren Regulierung von Informationsintermediären“ abrufbar unter https://www.die-medienanstalten.de/themen/intermediaere/ Auffindbarkeit. 18
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Suchmaschinen auch Abb. 1 bei 14 – 29-Jährigen vorn. Tagesreichweite informierende Nutzung Intermediäre nach Kategorien und Alter Soziale Netzwerke 41,5 21,2 4,7 17,3 Instant Messenger 6,9 4,1 0,9 3,1 Videoportale 18,0 7,1 1,7 6,7 Suchmaschine 45,8 27,4 13,1 24,2 Intermediäre gesamt 63,0 39,7 16,0 32,9 0% 25 % 50 % 75 % 14 – 29 Jahre 30 – 49 Jahre 50 + Jahre Alle Personen ab 14 Jahren Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Tagesreichweite = Nutzung gestern; Basis: 70,094 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 2.800; 14,498 Mio. 14 – 29 Jahre, n = 344; 21,084 Mio. 30 – 49 Jahre, n = 792; 34,512 Mio. 50 + Jahre, n = 1.664 19
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Soziale Medien 10 THESEN Noch mehr Einfluss bei der Auswahl von Inhalten für digitale Medienvielfalt haben soziale Netzwerke. Sie werden mittlerweile 1. Die Welt ist digital. Medienvielfalt muss insbesondere von den 14– 49-Jährigen intensiv ge- es auch sein. nutzt, um einen Überblick über aktuelle Themen zu erhalten. 71 % der in der MedienGewichtungs- 2. Lasst uns reden! Um digitale Medien- Studie 2017-II von KANTAR TNS Befragten geben vielfalt neu zu definieren, brauchen wir an, dass sie soziale Medien nutzen, weil sie einen einen besseren Austausch zwischen guten Überblick über verschiedene Standpunkte Regulierung, Wissenschaft, Medien und zu aktuellen Themen bieten – auch wenn das Ver- Zivilgesellschaft. trauen in sie noch deutlich geringer ist als das in 3. Hate Speech ist eine Bedrohung für eine klassische Medien. offene Gesprächskultur. Wir müssen ge- meinsam gegen sie vorgehen. Um Orientierung bei all den Inhalten zu geben, die mit Likes versehen oder mit Freunden geteilt 4. Unabhängiger und guter Journalismus werden, entscheiden Programmierer und ihre Al- ist eine Voraussetzung für unsere Demo- gorithmen, welche Inhalte der Nutzer überhaupt kratie. Wir müssen ihn verteidigen! zu sehen bekommt. Damit legen sie im Regelfall nicht nur eine Reihenfolge fest, sondern treffen 5. Wir brauchen neue Methoden eine echte Auswahl. zur Messung von Medienvielfalt. Wissenschaft, bist du dabei?! Und auch hier spielen die Geschäftsmodelle eine 6. Zur Sicherung der Medienvielfalt ist ein entscheidende Rolle. Den Anbietern ist es (im Rah- besserer Zugang zu Daten unabdingbar. men der gesetzten Community Standards) im Prin- zip egal, welche Inhalte der Nutzer zu sehen be- 7. Überwachung gefährdet die Meinungs- kommt. Wichtig ist ihnen nur, dass er den Dienst freiheit. möglichst oft nutzt und lange bleibt. Was aber ist, 8. Technologie ist Teil der Lösung. Vielfalt wenn die Auswahlkriterien zu Echokammern im muss schon in der Entwicklung mitge- sozialen Netz führen? Was, wenn die starke Beto- dacht werden. nung von Interaktion zu immer größerer Radika- lisierung führt? Wenn polarisierende Inhalte die 9. Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter größte Bindungskraft aufweisen? Oder erfundene in der Regulierung, lasst uns unsere Ar- Geschichten, „Fake News“, die Nutzer bei der Stan- beitsweisen neu erfinden. ge halten? Und was ist zu tun, wenn Hass und ju- gendgefährdende Inhalte sprießen? Hier ist auch 10. Wir brauchen eine Gesetzesänderung! der Gesetzgeber in der Pflicht, der entscheiden Transparenz und Diskriminierungsfrei- muss, wo Grenzen zu ziehen sind. heit müssen gesetzlich geschützt sein. 20
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Gut 70 % schätzen unterschiedliche Abb. 2 Meinungen in sozialen Medien. Aussagen zur Nutzung von sozialen Medien – Informierende Nutzer „ Ich nutze soziale Medien, weil sie einen guten Überblick über verschiedene Standpunkte zu aktuellen Themen bieten. “ Alle 71 24 47 25 4 29 1 14 – 29 Jahre 73 23 50 26 27 30 – 49 Jahre 71 28 43 22 7 29 50 + Jahre 62 18 44 29 4 33 Männer 71 23 48 25 4 29 Frauen 70 25 45 24 4 28 1 Gering / mittel 79 29 50 18 19 Hohe Bildung 58 17 41 34 8 42 100 % 50 % 0% 50 % 100 % Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Angaben in Prozent; Basis: 15,695 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, die gestern soziale Medien informierend genutzt haben; n = 554 21
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Nur knapp jeder Fünfte ver- Abb. 3 traut sozialen Medien mehr als klassischen Aussagen zur Nutzung von sozialen Medien – Informierende Nutzer Medien. „ Ich vertraue den Meldungen in sozialen Medien eher als denen in den klassischen Medien wie Fernsehen, Radio oder Zeitungen. “ 3 Alle 18 15 52 28 80 2 14 – 29 Jahre 14 12 57 29 86 30 – 49 Jahre 23 6 17 29 45 29 74 2 50 + Jahre 18 16 56 22 79 3 Männer 20 17 49 29 78 3 Frauen 15 12 57 27 84 Gering / mittel 22 5 17 54 23 77 1 Hohe Bildung 12 11 51 35 86 100 % 50 % 0% 50 % 100 % Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu Quelle: KANTAR TNS – MedienGewichtungsStudie 2017-II; Angaben in Prozent; Basis: 15,695 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, die gestern soziale Medien informierend genutzt haben; n = 554 Legaldefinition von Medienintermediären führt in ihrem Diskussionsentwurf dafür den Be- Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Angebote griff des „Medienintermediärs“ ein, der definiert mit unterschiedlichen Funktionen, Geschäftsmo- ist als „jedes Telemedium, das auch journalistisch- dellen und damit auch Risiken in eine Legaldefiniti- redaktionelle Angebote Dritter aggregiert, selektiert on zu fassen. Die Rundfunkkommission der Länder und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese 22
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen“.4 Regulatorische Mindeststandards Damit haben die Länder wesentliche Grundent- Ziel der Medienregulierung ist der Schutz von Viel- scheidungen getroffen: falt. Um sie zu sichern, müssen nicht nur klassische Rundfunkplattformen regulatorische Mindeststan- • Beim Medienintermediär geht es auch, aber dards befolgen, sondern auch die für die Präsen- nicht ausschließlich um Medien: Es reicht, tation und Auswahl von Medienangeboten min- wenn journalistisch-redaktionelle Inhalte ein destens ebenso wichtigen (Medien-) Intermediäre. Teil des Angebotes sind, daneben könnten Neben Regelungen zu Transparenz und Diskrimi- z. B. soziale Nachrichten ausgetauscht oder nierungsfreiheit sind hier Informationspflichten Einkaufslisten empfohlen werden. gegenüber der Medienaufsicht unabdingbar. • Anders als bei den Plattformen des Rundfunk- Transparenz staatsvertrags geht es nicht darum, ein (end- Nutzer wissen oftmals nicht, welche Mechanismen liches) Gesamtangebot bereitzustellen. Im zur Auswahl, Zusammenstellung und Darstellung Vordergrund steht die Vermittlung zwischen bei beispielsweise einer Google-Suche, einer Emp- dem Nutzer und grundsätzlich frei verfügba- fehlung oder der Anzeige des Facebook-Newsfeeds ren Inhalten. angewendet werden. Welche Kriterien wie in Ent- scheidungen einfließen, wird von manchen An- • Wichtigster Anknüpfungspunkt ist die Aus- bietern zwar mittlerweile mehr oder weniger um- wahlentscheidung. Um Vielfaltssicherung zu fangreich veröffentlicht.5 Dies erfolgt aber bisher gewährleisten und nicht ungewollt Dienste ausschließlich auf freiwilliger Basis; ein Informa- aus dem Anwendungsbereich auszuschließen, tionsdefizit ist nicht ausgeschlossen. bedarf es hier einer möglichst weiten Formu- lierung. Um hier klare Regelungen zu schaffen, will der Dis- kussionsentwurf der Rundfunkkommission Me- Durch eine allgemeine Definition lassen sich erste dienintermediäre verpflichten, die erforderlichen Themen adressieren und insbesondere dort, wo Informationen bereitzustellen. Dazu zählen Krite- sich ähnliche Fragen stellen, erste Lösungen finden. rien über Zugang und Verbleib von Inhalten, über Das ist ein guter Anfang, um Mindeststandards zu ihre Aggregation, Selektion und Präsentation sowie schaffen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. ihre Gewichtung, außerdem Informationen über In der regulatorischen Praxis wird sich dann zei- die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen.6 gen, ob dieser „one-fits-all“-Ansatz auf Dauer der Richtige ist. Dazu bedarf es weiterer Untersuchun- In die gleiche Richtung denkt auch die EU-Kom- gen und vor allem weiterer Informationen. Hier mission mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung kommen Auskunfts- und Transparenzregelungen des Europäischen Parlaments und des Rates zur ins Spiel. 5 Google beschreibt z. B., wie die Suche funktioniert (www.google. com/search/howsearchworks/) und hat auch seine Search Quality Evaluator Guidelines öffentlich gemacht (https://static.googleuser- content.com/media/www.google.com/de//insidesearch/howsearch- works/assets/searchqualityevaluatorguidelines.pdf). Facebook erläutert neuerdings grundsätzlich Funktionsweisen seines News Feed; https://newsfeederklaert.splashthat.com. 4 § 2 Abs. 2 Nr. 13b des Diskussionsentwurfes 6 § 53d des Diskussionsentwurfes 23
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? Abb. 4 Algorithmische Selektion Gesamtheit der vorliegen- (ggfs. personalisierte) den bzw. erschlossenen (Filterung, Priorisierung / Ranking, Klassifikation, Assoziation) Auswahl aus Gesamtheit Inhalte der Inhalte auf Grundlage von • Trefferliste • Newsfeed Generischen algorithmischen Verfahren • Empfehlungen (z. B. Regression; Bayes-Klassifikatoren, Support Vector Machines; • … Neuronale Netwerke) + Modell der Nutzerpräferenzen (z. B. Optimierung der Selektion auf Aktualität Clicks / Interaktion; Verweildauer; Aktualität; Vielfalt) + Nutzerdaten (z. B. Soziodemographie; Kontaktnetzwerke; Nutzerprofilen Kommunikationsmuster; verdichtet zu ortsbezogene Daten) Interaktion der Nutzer / innen mit Ergebnis der Selektion reichert Nutzerprofile weiter an Schematische Darstellung eines Systems algorithmischer Personalisierung; Quelle: Hans-Bredow-Institut, 2018 F örderung von Fairness und Transparenz für ge- entwurf der Rundfunkkommission ausdrücklich werbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, geregelt: Weist ein Medienintermediär eine the- der ebenfalls eine Verpflichtung zur Angabe dieser matische Spezialisierung auf, muss er dies schon Informationen gegenüber dem Nutzer vorsieht.7 durch die Gestaltung des Angebotes kenntlich ma- chen. Das ist ein wichtiger Punkt. Und auch hier Welche Informationen konkret erforderlich sind, stellt sich die Frage, was das bei marktbeherrschen- um Transparenz herzustellen, wird sich nach dem den Angeboten bedeutet. jeweiligen Einzelfall bestimmen müssen. Hier dürf- ten die unterschiedlichen Geschäftsmodelle eine Social Bots Rolle spielen. Einer dieser Fälle ist im Diskussions- Zur Transparenz gehören zudem Informationen darüber, ob Inhalte von einem Menschen stam- men oder automatisiert erstellt wurden. Bots, also 7 Artikel 5 des „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung von Fairness und Trans- Computerprogramme, die automatisiert bestimm- parenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten“, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ te Aufgaben übernehmen, ohne dass ein Mensch ALL/?uri=CELEX%3A52018SC0139 Dem Vernehmen will die eingreifen muss, gibt es in vielen Bereichen. Ein Kommission aber zunächst auf Selbstverpflichtungen setzen. 24
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? nicht zu unterschätzendes Thema sind sie in sozi- ist damit aber das Problem, dass sich erfahrungs- alen Netzwerken, wo sie sich als sogenannte Social gemäß nur wenige Nutzer für solche Informatio- Bots kommunikativ beteiligen und auf bestimmte nen interessieren. Unbeantwortet bleibt zudem die Eingaben automatisch reagieren können. Dies kann Frage, was der Nutzer tut, wenn er mit den Bedin- z. B. dann zu einem Problem werden, wenn sie mas- gungen nicht einverstanden ist. Solange es Alter- senhaft an Diskussionen teilnehmen, ohne dass sie nativen gibt, ist das sicher kein Problem. Schwieri- als Bots erkennbar sind. So kann nicht nur die Ver- ger wird es bei marktbeherrschenden Angeboten. breitung von Beiträgen erhöht, sondern u. U. auch gezielt manipuliert werden, etwa wenn Desinfor- Verbot diskriminierenden Missbrauchs mation verbreitet, Statistiken verfälscht werden Das macht deutlich, welche besondere Bedeu- oder der Eindruck entsteht, dass eine Einzelmei- tung dem Verbot diskriminierenden Missbrauchs nung zur Mehrheit geworden ist. Im schlimmsten zukommt. Sollten zumindest für die Meinungs- Fall werden Nutzer eingeschüchtert und davor ab- bildung wichtige Intermediäre verpflichtet sein, geschreckt, ihre Meinung zu äußern. nicht aktiv bei der Präsentation von Informatio- nen zu diskriminieren? Reicht das aus? Kann so die Die Folgen zeigen sich in vielen Debatten über Vielfalt der journalistisch-redaktionellen Angebote politisch brisante Themen, wie etwa über den Um- erhalten und eine (gezielte) Einflussnahme auf die gang mit Flüchtlingen, den Brexit oder die Liberali- Meinungsbildung der Nutzer verhindert werden? sierung der Abtreibungsregelungen in Irland. Und Über diese Fragen wird derzeit sicherlich am inten- das geht für wenig Geld. Um auch hier mehr Trans- sivsten diskutiert, reichen sie doch am weitesten in parenz zu schaffen, sieht der Diskussionsentwurf die Geschäftsmodelle der Anbieter herein. Ein Lö- der Rundfunkkommission eine erweiterte Kenn- sungsansatz kann im Prinzip der Diskriminierungs- zeichnungspflicht vor.8 Wenn Automatisierungen freiheit liegen, welches schon bei der Regulierung kenntlich gemacht werden, so die Hoffnung, kön- von Rundfunkplattformen zur Anwendung kommt. nen Einflüsse auf die öffentliche Meinung reduziert Zu klären wäre allerdings, was das für Intermediäre werden. Das ist ein wichtiger erster Schritt. heißt. Wie kann ein solches Konzept für Anbieter aussehen, für die Auswahl zum Geschäftsmodell Wissensvermittlung und Usability gehört und für die Personalisierung immer wich- Genauso wichtig wie das „ob“ ist das „wie“, also die tiger wird? Frage, wo sich die Informationen finden und wie sie aufbereitet sind. Ein 120-seitiger englischer Text, in Man wird sich leicht darauf verständigen können, den Tiefen der allgemeinen Geschäftsbedingungen dass Medienintermediäre nicht manipulieren und versteckt, würde kaum dazu führen, dass Nutzer keinen unsachgemäßen Einfluss darauf ausüben besser informiert wären. Die Informationen müs- sollten, auf welche meinungsrelevanten Inhalte sen daher leicht auffindbar und verständlich sein. ihre Nutzer aufmerksam werden. Ebenso unstrittig Hier sind der Fantasie der Anbieter keine Grenzen ist sicherlich, dass eine Bevorzugung eigener An- gesetzt. Ob 10-Punkte-Liste oder visuelle Aufberei- gebote, insbesondere bei marktstarken Unterneh- tung etwa durch einen Legetrickfilm, Intermediäre men, kritisch ist. Auch sollten Empfehlungen nicht nutzen dazu unterschiedlichste Wege. Nicht gelöst 8 § 55 Abs. 3 des Diskussionsentwurfes 25
Suchmaschinen und Social Media – Die mächtigen Gatekeeper der digitalen Gesellschaft? verkauft werden. Wenn Geld fließt, handelt es sich auf die Wahrnehmbarkeit“ bestimmt werden soll. um Werbung, sie ist als solche zu kennzeichnen. Ist damit Marktmacht gemeint? Dann müssen ei- Das wird aber nicht reichen. nige konkrete Fragen beantwortet werden: Zum Beispiel die, ob nach den Regeln des Kartellrechts Diskriminierungsfreiheit bedeutet nicht, dass In- ein Marktanteil von ca. 40 Prozent ausreicht. Oder termediäre immer zu Neutralität verpflichtet sind. ob es (auch) auf Meinungsmacht ankommt? Wür- Sie müssen sich jedoch an ihren eigenen Aussa- de es dann genügen, wenn ein soziales Netzwerk gen und Leitprinzipien messen lassen. Besondere z. B. von 30 Prozent der 14 – 29-Jährigen auch infor- Anforderungen müssen zudem bei journalistisch- mierend genutzt wird? redaktionellen Angeboten gelten. Zwar führt die Selektion und Präsentation von Inhalten immer Der Entwurf sieht weitere Begrenzungen vor: So auch dazu, dass Algorithmen unterscheiden. Das soll eine Diskriminierung insbesondere vorliegen, darf jedoch nicht aus unsachgemäßen Gründen wenn bewusst und zielgerichtet zugunsten oder geschehen. Was wäre beispielsweise, wenn jour- zulasten eines Inhaltes von allgemeinen Regeln ab- nalistisch-redaktionelle Inhalte prinzipiell auf die gewichen wird. Dieser subjektive Tatbestand dürfte hinteren Plätze im Ranking verschoben würden, nicht einfach zu beweisen sein. weil Werbung in ihrem Umfeld ausgeschlossen oder schwerer verkäuflich ist? Oder weil Nutzer ver- Außerdem sollen Verstöße nur von betroffenen In- meintlich nur „gute Laune“-Inhalte suchen? Was, halteanbietern geltend gemacht werden können. wenn ein Intermediär sich entschließen würde, ei- Diese Regelung hat schon bei der Regulierung von nen Anbieter auszuschließen, weil er negativ über Rundfunkplattformen nicht funktioniert. Je größer ihn berichtet hat? Da all dies zu erheblichen Reich- die Marktmacht eines Intermediärs, umso mehr weitenverlusten und Konsequenzen für die Refi- besteht die Gefahr, dass Inhalteanbieter vor einer nanzierbarkeit führt, muss sichergestellt werden, Beschwerde zurückschrecken. Um dies zu verhin- dass insbesondere marktstarke Intermediäre nicht dern, muss Medienaufsicht von Amts wegen er- unbillig behindern oder Inhalte ungleich behan- folgen. deln, ohne dass ein sachlicher Grund dafür vorliegt. Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtferti- Auskunfts- und Berichtspflichten gen, sind dabei vor dem Hintergrund von Vielfalts- Damit effektive Aufsicht gelingt, müssen die sicherung und Rundfunkfreiheit auszulegen. Medienanstalten zudem in der Lage sein, sich ein umfassendes und aussagekräftiges Bild über die Der Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission Funktionsweisen der Aggregations-, Selektions- greift dies in Teilen auf: Er verbietet die unbillige und Präsentationsmechanismen zu verschaffen. Behinderung und sachlich nicht gerechtfertigte Ohne ein entsprechendes Verständnis kann die Ungleichbehandlung von journalistisch-redakti- Einhaltung der Transparenzpflichten und das Ver- onellen Angeboten, dies allerdings nur, wenn der bot diskriminierenden Missbrauchs nicht sinnvoll Medienintermediär einen besonders hohen Ein- überwacht werden. Nicht nur die Medienanstal- fluss auf die Wahrnehmbarkeit der Angebote hat.9 ten wissen bisher viel zu wenig über Funktions- Nicht klar ist, wie dieser „besonders hohe Einfluss weisen von Algorithmen und die eingespeisten Daten. Während Intermediäre in ständigen Tests 9 § 53e des Diskussionsentwurfes 26
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