Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...

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Ausgabe 1 / 2013

                                                            ISSN 1430-8614

Familien in Migration –
Migration in Familien
D O K U M E N TAT I O N E I N E R FA C H TA G U N G
Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...
2 | E D I TO R I A L

                                                       Liebe Leserinnen, liebe Leser,

      gerade in den Städten in Deutschland se-          Wie beschäftigt das Thema Migration         Aktuell wird viel über eine inklusive
      hen wir täglich, dass grenzüberschreitende        die Familien in ihrem Alltag? Mit welchen   Gesellschaft diskutiert. Auch für uns
      Lebens- und Familienformen längst normal          rechtlichen Rahmenbedingungen werden        ist dies ein wichtiges Thema, zu dem wir
      sind und das heutige Stadtbild bestimmen.         sie konfrontiert? Wie werden sie in der     in dieser Ausgabe Stellung beziehen.
      Viele Familien leben in weltumspannenden          Sozial- und Familienpolitik, auf dem
      Netzwerken und gestalten auf dieser               Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich         Zwei größere Artikel halten wir für Sie be-
      Grundlage ihr Familienleben.                      berücksichtigt? Dies waren Fragen, die      reit, die sich mit dem Thema »Rassismus«
                                                        uns in den Gesprächsrunden beschäftig-      beschäftigen: Warum wir uns so schwer
      Doch wissenschaftlich wird die the-               ten und die sicherlich nicht abschließend   damit tun, uns mit eigenen Rassismen
      matische Verbindung von Familie und               behandelt werden konnten.                   zu beschäftigen? Dazu äußert sich Anja
      Migration eher selten bearbeitet. Die                                                         Treichel und Tupoka Ogette gibt uns
      Familiensoziologie richtet ihren Blick auf        Weiterhin dürfen wir auf die in Arbeit      einen Einblick in ihr Workshopangebot,
      ausgesuchte Aspekte der Familien und              befindliche Studie zur »Integration von     in ihre Trainings.
      hat dabei die Dimension der Migration             zugewanderten Ehepartner/innen in
      wenig im Blick. Die Migrationsforschung           Deutschland« gespannt sein, von der         Weiterhin halten wir aktuelle Informa-
      wiederum beschäftigt sich stärker mit den         Frau Dr. Stichs vom BAMF berichtete.        tionen für Sie bereit, stellen eine Un-
      Migrationsgründen und Migrationsverläu-           Die Ergebnisse der Studie sollen Auf-       ternehmerin aus unserem Verband vor
      fen. Integrationspolitisch wird die Familie       schluss darüber geben, welche Faktoren      aus dem Bereich der Sprachförderung /
      zwar als ein wichtiger Faktor gesehen,            Integration und Lebenszufriedenheit         Mehrsprachigkeit und interkulturellen
      aber eher losgelöst von Familiensozio-            in Deutschland befördern.                   Bildung und zeigen, dass wir auch sport-
      logie oder Familienpolitik.                                                                   lich unterwegs sind beim ersten Lauf der
                                                        Ein zentrales Ereignis im ersten Halbjahr   Mehrsprachigkeit in Frankfurt.
      Es sind familiäre und regionale Netzwerke,        dieses Jahres war die alle zwei Jahre
      die meist darüber entscheiden, wer wohin          stattfindende Delegiertenversammlung.       Wir hoffen, dass auch wieder etwas
      migriert – führte Frau Dr. Shinozaki in un-       Es wurde ein neuer Bundesvorstand ge-       für Sie dabei ist und wünschen
      serer Fachtagung »Familien in Migration –         wählt, sich ungern von unserer bisherigen   eine interessante Lektüre.
      Migration in Familien« ein und fordert,           Vorsitzenden, Bettina Müller-Sidibé,
      dass die Migrationsforschung deshalb die          verabschiedet, und es wurden weitere
      Familie im Blick haben muss.                      Arbeitsschwerpunkte miteinander dis-        Ihre Hiltrud Stöcker-Zafari
                                                        kutiert.                                    Bundesgeschäftsführerin

             Bundesministerium               Die Herausgabe dieses Heftes wird mit Mitteln
             für Familie, Senioren, Frauen   des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
             und Jugend                      Frauen und Jugend gefördert.
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Inhalt

Einführung                                          4

Familien in Migration – Migration in Familien
Dr. Kyoko Shinozaki, Universität Bochum           5–8

Studie zur Heiratsmigration
Dr. Anja Stichs, BAMF Nürnberg                   9–11

Berichte aus den Diskussionsrunden              12–14

Zahlen und Fakten                                  15

Delegiertenversammlung 2013:
Rückblick – Abschied – Ausblick                 16–17

Der neue Bundesvorstand stellt sich vor         18–19

Zur Bundestagswahl 2013                         20–22

Neue Regelungen im Aufenthaltsgesetz               23

Aspekte einer inklusiven Gesellschaft           24–25

»Rassismus in uns«
Anja Treichel                                   26–28

Anderssein in (Bio-)Deutschland
Trainerin Tupoka Ogette, Berlin                 29–31

Interviews mit Unternehmer/innen aus dem Verband
Nicola Küpelikılınç                              32–33

Meldungen                                          34

Lauf für Mehrsprachigkeit                          35

Veranstaltungskalender                          36–37

Hochwasser – Spendenaufruf des Paritätischen
Impressum                                          38
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    Sehr geehrte Damen und Herren,
    liebe Freundinnen und Freunde,

Programm

                                                            es freut uns sehr, dass das Thema    Mittlerweile hat fast jede dritte Familie mit
12.30 Uhr   Anreise                                         auf großes Interesse stößt, sowohl   minderjährigen Kindern in Deutschland
                                                            bei den Mitgliedern unseres          einen so genannten Migrationshintergrund.
13.00 Uhr   Begrüßung und Einführung in das Thema
                                                            Verbandes sowie bei den Kolle-       Da die Entscheidungen zur Migration vor
13.30 Uhr   Familien in Migration – Migration in Familien   ginnen und Kollegen aus unserem      allem im familiären Zusammenhang ge-
            Dr. Kyoko Shinozaki, Universität Bochum         Netzwerk, aus Organisationen,        troffen werden, kommt auch weiterhin der
            Anschließend: Rückfragen und Diskussion
                                                            Institutionen und Verbänden, aus     Einwanderung ins Bundesgebiet aufgrund
14.30 Uhr   Kaffeepause                                     Politik und Wissenschaft.            einer Heirat eine große Bedeutung zu.

15.00 Uhr   Die Integration von zugewanderten
                                                            Als Verband beschäftigen wir uns     Die Familien- und Lebensformen sind
            Ehepartner/innen in Deutschland.
            Eine Studie zur Heiratsmigration des BAMF       mit Themen, die an den Schnitt-      äußerst vielfältig. Neben der Emigration
            Dr. Anja Stichs, BAMF, Nürnberg                 stellen von Familie und Migration    und der Rückkehr-Migration treffen wir auf
            Anschließend: Rückfragen und Diskussion
                                                            entstehen. Wir wissen um Familien,   Formen von transnationaler Migration mit
16.00 Uhr   Vertiefende Diskussionen in Worldcafé/          die in mehreren Ländern zuhause      seinen weltumspannenden Netzwerken. Die
            Marktplatz Runden                               sind.                                Sozialräume der Einzelnen erweitern sich,
            Gestaltung von Familienleben in Vielfalt                                             werden transnational.
            Rechtliche Rahmenbedingungen grenzüber-
            schreitenden Familienlebens
            Berücksichtigung der Familienvielfalt in der                                         Das Thema »Familien in Migration –
            Politik                                                                              Migration in Familien« gestaltet sich kom-
                                                                                                 plex und beinhaltet vielschichtige Aspekte.
17.00 Uhr   Zusammenfassung der Ergebnisse und
            Entwicklung von Handlungsstrategien                                                  Es ist ein bedeutendes Thema angesichts
                                                                                                 der weltweiten Mobilität und zunehmenden
18.00 Uhr   Abendessen                                                                           Globalisierung. Ich bin wünsche der Tagung
19.00 Uhr   Theaterstück »Mal ganz anders…«                                                      einen erfolgreichen Verlauf, viele anregende
            mit Szenen aus dem binationalen Leben                                                Diskussionen und Gespräche.
            Theatergruppe VeBinaFaPa, Mainz,
            musikalische Begleitung an Saxofon
            und Gitarre
            mit anschließender Diskussion und
            Einbeziehung der entwickelten                                                                     Ihre Angela Rother-El-Lakkis
            Handlungsstrategien
                                                                                                              Bundesvorsitzende
21.00 Uhr   Ende
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Familien in Migration, Migration in Familien
Dr. Kyoko Shinozaki

Familiäre und regionale Netzwerke entscheiden darüber, wer wohin migriert. Migrationsforschung
muss deshalb die Familie im Blick haben. Gleichzeitig verändern sich durch Migration die Familien.
Dr. Kyoko Shinozaki vom Lehrstuhl für Organisation, Migration, Mitbestimmung an der Ruhr-Uni Bochum
berichtet, wie die Familie die Migration bestimmt und die Migration zu neuen, transnationalen Familien-
formen führt.

Die Familie spielte lange Zeit keine große     kein Produkt des Zufalls, sondern auch eine   in einer deutschen Stadt mit 500.000
Rolle in der Migrationsforschung, kriti-       Folge sozialer und familiärer Beziehungen.    Einwohner/innen, davon 3.000 bis 5.000
siert Shinozaki, denn die neo-klassischen                                                    philippinischen Staatsbürgerinnen, kommt
Migrationstheorien stellen die Ökonomie        Shinozaki verweist auf die Analyse von        zum gleichen Ergebnis: Die Mehrzahl der
in den Vordergrund: Danach entschließen        Wanderungsprozessen aus der Karibik           befragten Haushaltsarbeiterinnen stamm-
sich Menschen in erster Linie aufgrund         und aus Mexiko in die USA. Hier hat sich      te aus nur zwei bis drei Gegenden in einer
von unterschiedlichem Lohnniveau und           gezeigt, dass die Mehrheit der Arbeitsmi-     bestimmten Provinz auf den Philippinen.
Beschäftigungschancen zu grenzüber-            grant/innen ihren Ortswechsel im Rahmen       Ihnen lieferte ein Netzwerk aus Familie und
schreitender Arbeitswanderung. Doch            ausdifferenzierter Netzwerke vornimmt.        Nachbarn die notwendigen Informationen
reichen diese Theorien nicht aus, die realen   Diese Netzwerke vermitteln Informatio-        für die Migration:
Wanderungsbewegungen zu erklären,              nen und Hilfe für jene, die nachkommen.       Diese Netzwerke erklären »warum,
meint die Sozialwissenschaftlerin. Denn es     Denn diese brechen nicht beliebig in ein      analysiert man die Migrationsbewegun-
seien nicht die Menschen aus den ärms-         fremdes Land auf, sondern gehen viel-         gen genauer, so viele Menschen aus so
ten Ländern, die migrieren, wie nach den       mehr in jene Länder, in denen schon ihre      wenigen Orten kommen«. Shinozakis Fazit:
neo-klassischen Theorien zu erwarten sei,      Verwandten und Freund/innen leben.            Familien und »Communities« strukturieren
sondern vielmehr Menschen aus Mittel-          Shinozakis Untersuchung zum Thema             als soziale Einheiten die zeitliche
einkommensländern. Und auch von dort           »Philippinische Haushaltsarbeiterinnen«       und räumliche Dynamik der Wanderungs-
kämen die Migrant/innen nicht aus der
untersten Schicht, sondern aus der unteren
bis mittleren Mittelschicht. Zudem spielten
historisch gewachsene, politische oder
koloniale Beziehungen eine große Rolle.            Was ist Migration?
Die klassischen Migrationstheorien griffen
                                                   Internationale Migration:
auch zu kurz bei der zeitlichen Einordnung
                                                   Eine Person verlegt ihren Lebensmittelpunkt über Staatsgrenzen hinweg
von Migration: Sie sähen Migration als
                                                   in ein anderes Land.
einem einmaligen, höchstens zweimaligen
Prozess: einmal Auswanderung und wieder            Langzeit-Zuwanderer (longterm-migrant):
zurück. Doch »Das ist nicht die gesamte            Eine Person verlegt ihren üblichen Aufenthaltsort voraussichtlich für einen
Geschichte – That‘s not the whole story«,          Zeitraum von mindestens einem Jahr ins Zielland (Definition UN).
betont Shinozaki, die in ihrer Forschung           Kurzzeit-Zuwanderer (shortterm-migrant):
entsprechend neuer Ansätze der Migra-              Eine Person, die ihren Aufenthalts- oder Lebensmittelpunkt in einem Zeitraum
tionsforschung die »Wie-Fragen« in den             zwischen 3 bis 12 Monate verlegt (Definition UN).
Vordergrund stellt. Diese Forschungsan-
                                                   Menschen mit Migrationshintergrund (Definition in Deutschland):
sätze fragen, wie Wanderungsbewegun-
                                                   Alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
gen passieren und welche Prozesse darin
                                                   Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in
involviert sind. Dabei werden Migrations-
                                                   Deutschland als Deutsche geborene mit mindestens einem zugewanderten
kreisläufe analysiert und Migrationsmuster
                                                   oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.
von Individuen und Familien herausgear-
beitet. Denn wer wann wohin migriert, ist
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                                                                                             Tätigkeitsbereiche, in denen die Migrant/-
                                                                                             innen aktiv werden. Damit wirkten sie
                                                                                             als soziale Einheiten über Staatsgrenzen
                                                                                             hinweg. Die Idee, dass solche soziale
    Kyoko Shinozaki, Ph.D.                  Veröffentlichungen:                              Einheiten in verschiedenen geografischen
                                                                                             Räumen übergreifend existieren kön-
    Geb. 1973 in Amagi, Japan               2013: »Family matters: migrant domestic          nen, liege dem transnationalen Ansatz
    Studium der Rechtswissenschaften        and care work and the issue of recogniti-        zugrunde.
    an der Kurume Universität in Japan.     on«,
    Politikwissenschaft an der Univer-      In: Floya Anthias et. al. (Hrgs.): Female Mig-   Transnationaler Ansatz: Flächenräume
    sity of Washington, Seattle, USA.       rants in Europe: The Paradoxes of Integrati-     und soziale Räume
    Gender Relations and Development        on, International Perspectives on Migration      Laut Shinozaki unterscheidet man beim
    Studies an der London School of         Series, Springer.                                transnationalen Ansatz Flächenräume
    Economics (1991–1997).                                                                   und soziale Räume. Flächenräume sind
    Promotion in Soziologie an der          2010: »New female migrants and German            konkrete Orte: ein Stadtteil von Frankfurt,
    Ochanomizu Universität, Tokio           labour market« (with Maria Kontos),              eine Gemeinde im Ruhrgebiet, ein Viertel
    (2004).                                 In: Krystyna Slany, Maria Kontos & Maria         in Tokio, ein Stadtteil in Manila oder in
                                            Liapi (Hrsg.): Women in New Migrations.          Istanbul. Flächenräume sind die Orte, wo
    Sie war tätig als Assistant Profes-     Debates in European Societies, Krakow:           die Menschen wohnen, arbeiten, ein-
    sor in Gender and Diversity an der      Jagiellonian University Press, 83–119.           kaufen und wo die Kinder in die Schule
    Universität Maastricht (2005–2007),                                                      gehen. Soziale Räume dagegen entstehen
    war wissenschaftliche Mitarbeiterin     2005: »For the sake of the family? Explo-        durch enge soziale Beziehungen von
    im FB Gesellschaftswissenschaften       ring the nexus between the Philippines’          Menschen. Flächenräume und soziale
    an der Goethe-Universität Frank-        social security and overseas employment          Räume müssen nicht deckungsgleich
    furt a.M. (2007–2009, 2012) und         policies«                                        sein.
    Post-Doktorandin im DFG-Gradu-          In: Frontiers of Gender Studies,
    iertenkolleg »Transnationale Soziale    4: 103–111.                                      Shinozaki weist darauf hin, dass eine
    Unterstützung« an der Johannes                                                           Deckungsgleichheit oft politisch erwartet
    Gutenberg-Universität Mainz             Kontakt:                                         und wissenschaftlich angenommen wird.
    (2009–2011).                            Dr. Kyoko Shinozaki                              Dies geschehe immer dann, wenn davon
    Seit 2012 forscht und lehrt sie an      Ruhr Universität Bochum                          ausgegangen oder als Ziel formuliert wird,
    der Ruhr-Universität Bochum. Ihre       Fakultät für Sozialwissenschaften                dass Migrant/innen nach der Auswande-
    Forschungsschwerpunkte sind:            Soziologie / Organisation, Migration,            rung die Verbindung zur Herkunftsregion
    Transnationalisierung, Gender und       Mitbestimmung                                    und Herkunftsfamilie aufgeben und
    internationale Migration, Care, Citi-   44780 Bochum                                     sich vollständig in den Ankunftsort und
    zenship, Hochqualifizierte Migration    fon: 0234 / 32-22580                             dessen Sozialstrukturen integrieren. Dies
    und Mobilität.                          kyoko.shinozaki@ruhr-uni-bochum.de               entspricht jedoch nicht den tatsächli-
                                                                                             chen Verhältnissen, die bei der Migration
                                                                                             festgestellt werden. Zahlreiche Studien
                                                                                             hätten in den vergangenen zehn Jahren
                                                                                             gezeigt, dass viele Migrant/innen ihre so-
Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...
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                                                 Wie viele Migrant/innen gibt es?
                                                 Augenblicklich werden 214 Millionen Menschen, rund 3 Prozent der Weltbevöl-
                                                 kerung, als internationale Migrant/innen definiert. In Deutschland zogen von
                                                 1991 bis 2011 knapp 19 Millionen Menschen aus dem Ausland zu (inklusive
                                                 Zuzüge deutscher Staatsangehöriger), mit einem Schwerpunkt zu Beginn der
ziale Beziehung mit ihren Herkunftsfamili-
                                                 1990er Jahre. Mit dem Wegfall des »Eisernen Vorhangs« war die Ausreise aus
en und Herkunftsregionen nicht nur wei-
                                                 Osteuropa erleichtert, außerdem flohen viele vor dem Bürgerkrieg im ehema-
ter aufrechterhalten, sondern sogar neue
                                                 ligen Jugoslawien. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Migrations-
Verbindungen aufbauen. Sie schaffen laut
                                                 geschehen auf einem niedrigen Niveau von 660 000 bis zu 960 000 Personen
Shinozaki »transnationale Sozialräume«.
                                                 stabilisiert. Allerdings gibt es mit rund 600 000 bis 750 000 Fortzügen pro Jahr
Als transnationale Sozialräume werden
                                                 auch eine erhebliche Abwanderung, sodass in den 20 Jahren von 1991 bis 2011
dabei grenzüberschreitende soziale
                                                 insgesamt 14,4 Millionen Menschen Deutschland verließen, sodass der Wande-
Verflechtungen bezeichnet, in denen die          rungsüberschuss 4,6 Millionen Menschen oder rund 5 Prozent der Bevölkerung
gemeinsamen sozialen Praktiken wie Er-           beträgt.
ziehungsmethoden, Symbolsysteme wie
Kleidung, und auch Artefakte insgesamt
eine so große Intensität entwickelt haben,
dass sie zur hauptsächlichen sozialräum-      en: Rund ein Drittel der Kinder von Gastar-   Die philippinische Mutter würde für
lichen Bezugseinheit der alltäglichen         beiter/innen aus der Türkei oder dem ehe-     ihre Kinder hier einkaufen und in dieser
Lebenswelt geworden sind.                     maligen Jugoslawien lebte von den Eltern      Handlung ebenso für ihre Kinder sorgen
                                              getrennt weiter im Herkunftsland. Neu ist     wie eine Mutter, die ihren Kindern die
                                              jedoch die Intensität und Gleichzeitigkeit    gekauften T-Shirts nicht per Paket zu-
Transnationale Familien und Fürsorge          der Kontakte, die die modernen Kommu-         schicken muss.
auf Distanz                                   nikationsmittel und preisgünstigen Fern-
Transnationale Familien sind »Familien,       reisemöglichkeiten erlauben. Shinozaki        Bei der Bewertung solcher Fürsorge
die, obwohl sie die meiste Zeit voneinan-     beschreibt beispielhaft, wie die »Fürsorge    auf Distanz warnt Shinozaki davor, die
der getrennt leben, dennoch zusammen-         auf Distanz« einer philippinischen Haus-      Erfahrung der räumlichen Trennung
halten und so etwas schaffen, das als ein     angestellten aussehen könnte, die als Teil    automatisch als »schmerzlich« zu klassifi-
Gefühl von Einheit und gemeinschaft-          der globalen Fürsorgekette in Honkong         zieren. Sie befürchtet, dass bei solch einer
lichem Halt bezeichnet werden kann«,          arbeitet, um ihre Familie zu ernähren: Die    pauschalen Betrachtung die westliche
beschreibt Shinozaki den Familientyp,         Mutter chattet im Internet, sendet täglich    Norm der Kernfamilie die Interpretation
der, wie sie betont, nicht neu ist. Auch in   SMS und ruft regelmäßig an. Es ist sogar      von Untersuchungen beeinflusst. Denn
den 1980er und 1990er Jahren gab es in        möglich, dass sie ihre Kinder über Skype      viele Kulturen, aus denen Migrant/innen
Deutschland viele transnationale Famili-      bei den Hausaufgaben betreut.                 kommen, seien nicht kernfamilienbasiert,
                                                                                            sondern die Kinderbetreuung finde tra-
                                                                                            ditionell in breiteren sozialen Kontexten,
                                                                                            wie einer Großfamilie statt. Ihre Besuche
   Globale Fürsorgeketten                                                                   bei Kindern von philippinischen Migrant/-
                                                                                            innen hätten gezeigt, dass diese Kinder
   Globale Fürsorgeketten, die »Global Carechains«, bestehen aus mindestens
                                                                                            auf den Philippinen zur Mittelschicht
   drei verschiedenen Gruppen von Frauen. Beispiel: Eine Mutter in Hongkong
                                                                                            gehörten: Sie hätten ihr eigenes Haus in
   ist berufstätig und stellt eine Frau von den Philippinen als Kindermädchen ein.
   Diese wiederum, die Frau aus den Philippinen, stellt, während sie in Hongkong            der Provinz, Appartements in Manila und
   arbeitet, eine ärmere Frau aus Manila für ihre Kinder zur Betreuung ein. Die Kin-        anderen Metropolregionen, eine schöne
   der dieser Frau wiederum werden von der ältesten Tochter der Familie versorgt,           Computerausstattung und teure Handys.
   die damit garantiert, dass die Mutter Geld verdienen kann.                               Stolz verwiesen sie darauf, dass sie all dies
                                                                                            von ihrer Mutter haben.
Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...
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          Familien schaffen transnationale Sozialräume
          Ein Familienverbund begründet einen transnationalen Sozialraum, wenn die Mitglieder zwar in
          verschiedenen Orten in verschiedenen Nationalgesellschaften leben, sie aber gleichzeitig in Bezug
          auf soziale Symbole wie die Sprache, die Musik, die Art und Weise, wie Geburtstage, Einschulung oder
          Abitur gefeiert werden, oder in der geteilten Nutzung von Artefakten und Kommunikationsmitteln wie
          SMS oder E-Mail genauso viele Gemeinsamkeiten untereinander teilen, wie dies jeweils an den ver-
          schiedenen Orten mit anderen Sozialgruppen der Fall ist. Wenn zum Beispiel die Geburt eines Kindes
          zwischen Familienangehörigen in Frankfurt Bockenheim, Deutschland, einerseits und in Accra, Ghana,
          andererseits genauso intensiv diskutiert und erlebt wird – es wird immer berichtet, wie es der Mutter
          geht, wie es dem Kind geht, was für ein Fest es geben wird und wie viel es kostet. Wenn eine solche
          Kommunikation sehr intensiv läuft und solche dauerhaften Beziehungen dabei entwickelt werden
          können, dann kann man von einer »transnationalen Familie« in grenzüberschreitenden Sozialräumen
          sprechen – dann ist eine transnationale Familie entstanden. Die Familie spielt also eine sehr wichtige
          Rolle, nicht nur bei der Entscheidung der Migration, sondern auch nach der erfolgten Migration.

    Dies soll nicht heißen, dass die Trennung      Shinozaki bedauert auch, dass die Migra-
    nicht von Vielen tatsächlich als schmerzlich   tionsforschung die Väter meist nicht im
    erlebt wird. Laut Shinozaki zeigen Studien,    Blick hat. Familienmigration, insbesonde-
    dass vieles davon abhängt, wie alt die         re wenn Mütter als Arbeitsmigrantinnen
    Kinder sind, ob die Eltern legal oder          in andere Länder gehen, wird leider oft
    illegal im Aufnahmeland leben und wie          verkürzt als »Frauenproblem« gesehen.
    viel Geld sie dort verdienen. Je jünger die
    Kinder, desto schmerzlicher ist die Tren-      Zusammenfassung Dagmar Rees
    nung von den Eltern. Sind sie im Schulalter,
    können sie diesem Schmerz Ausdruck
    verleihen und setzen oft ihre Mutter /
    Eltern unter Druck, zurückzukommen. Für
    Teenager überwiegen dagegen mehr die
    Vorteile des besseren sozialen Status.
    Sind die Eltern legal ausgewandert und
    verdienen gut, können sie öfters die
    Kinder besuchen. Schwieriger ist es in den
    Familien, in denen Illegalität sowohl die
    Verdienstmöglichkeiten beschneidet als
    es auch rechtlich weitgehend unmöglich
    macht, ins Herkunftsland zu reisen. Und
    noch einen Nachteil der Fürsorge auf
    Distanz nennt Shinozaki: Die modernen
    Kommunikationsmittel können einseitig
    abgeschaltet werden – schwänzt das
    Kind die Schule, hat es seine Ausbildung
    geschmissen, und will mit den Eltern nicht
    darüber reden, haben diese aus der Ferne
    keine Einflussmöglichkeiten mehr.
Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...
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»Die Integration von zugewanderten
Ehepartnerinnen und -partnern in Deutschland« –
eine Studie zur Heiratsmigration
Welche Faktoren fördern oder hemmen die Lebenszufriedenheit und Integration von nachgezogenen Ehegatten
aus Drittländern? Dieser Frage wird in einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nachgegangen.
Frau Dr. Anja Stichs stellte das Konzept der Studie vor. Die Endergebnisse werden voraussichtlich Anfang 2014 vorliegen.

Laut Stichs ist die BAMF-Heiratsmigra-        In der Studie wird nur die Zielgruppe der   Befragt werden Personen, die zwischen
tionsstudie »Die Integration von zugewan-     Ehegatt/innen aus Drittstaaten, die im      2005 (noch vor dem seit 2007 notwen-
derten Ehepartnerinnen und -partnern          Rahmen der Heiratsmigration zuziehen,       digen Sprachnachweis) und 2012 nach
in Deutschland« die erste, die statistisch    berücksichtigt, unberücksichtigt bleiben    Deutschland kamen. Dabei wurden 6 Un-
relevante Aussagen über einzelne Facetten     die Zuzüge aus EU Staaten und die auf-      tergruppen gebildet, um möglichst viele
des Ehegattennachzugs aus Drittstaaten        grund EU rechtlicher Regelungen erfolgten   unterschiedliche Paarkonstellationen und
treffen wird. Dies liegt zum einen darin      Familiennachzüge.                           soziostrukturelle Unterschiede abbilden
begründet, dass die Forscherin als Mitar-     Bis Mitte des Jahres 2013 werden 2.400      zu können. Diese Untergruppen beruhen
beiterin des BAMF ihre Stichprobe aus dem     repräsentativ ausgewählte Personen in       auf zu beobachtenden Heiratsmustern,
Ausländerzentralregister des Amtes ziehen     einem rund 35-minütigen Interview zu        die andere Studien aufzeigten. Konkret
kann. Zum anderen baut die Befragung auf      folgenden Themen befragt:                   wurden per Zufall Männer und Frauen aus
qualitativen Forschungen zum Ehegatten-                                                   den ehemaligen Anwerbeländern Türkei
nachzug in Deutschland auf, die Stichs zur    »   Soziodemographie und Migrations-        und ehemaliges Jugoslawien ausgewählt
Erstellung des standardisierten Fragebo-          geschichte des Befragten sowie des      sowie Frauen aus der Russischen Föde-
gens heranzieht.                                  Partners                                ration, der Ukraine, Indien, Pakistan, den
                                              »   Paarbiographie, Geschlechterrollen-     Philippinen und Thailand.
Sowohl die Perspektive der zuziehenden            bilder
Partner/innen als auch die Umstände, die      »   Wohnumgebung und Haushalts-             Ziel der Studie ist, belastbare Daten über
der Migration vorgelagert sind sowie den          konstellation                           die mitgebrachten Qualifikationen und
Einwanderungsprozess begleiten, sind in       »   Schulische und berufliche Bildung       Kenntnisse, die Lebenssituation, Wünsche
der bisherigen Forschung vernachlässigt           des Befragten und des Partners          und Probleme von mit eingereisten oder
worden. Aus einer lebenslaufsoziologi-        »   Aktuelle Tätigkeit des Befragten        nachgereisten Ehepartnerinnen und
schen Perspektive beinhaltet dieser Le-           und des Partners, Zufriedenheit mit     Ehepartnern zu gewinnen. Dadurch soll
bensabschnitt allerdings mehrere wichtige         der aktuellen Tätigkeit, Wünsche        es möglich werden, Faktoren zu ermitteln,
Entscheidungen und Übergänge, so z.B.         »   Deutschkenntnisse, Spracherwerb,        die die Integration in die deutsche Gesell-
den Prozess der Partnerwahl, die Anbah-           Sprachpraxis, Nutzung von Integra-      schaft beziehungsweise die Lebenszufrie-
nung der ehelichen Lebensgemeinschaft,            tions- und Beratungsangeboten           denheit in Deutschland befördern oder
die Vorbereitung auf einen (transnationa-     »   Soziale Vernetzung, Kontaktgelegen-     hemmen. Auch soll die Studie ermögli-
len) Ortswechsel, die Realisierung der Hei-       heitsstrukturen                         chen, den Nutzen des Sprachnachweises,
rat und der Migration sowie die Gründung      »   Einreisegründe, Zufriedenheit, Ver-     der Integrationskurse sowie anderer
eines neuen Haushalts und die Akkommo-            bundenheit mit sowie Perspektiven       integrationspolitischer Maßnahmen ein-
dation in einem neuen Lebensumfeld. Im            in Deutschland                          zuschätzen. Weiterhin sollen anhand der
Rahmen dieses Forschungsprojektes soll                                                    Befragungsergebnisse Handlungsemp-
daher die Dynamik der Heiratsmigration        Die Studie unterscheidet dabei drei Typen   fehlungen gegeben und zielgruppenge-
aus der Perspektive sowohl des in Deutsch-    der familiären Migration: die Familien-     rechte integrationspolitische Maßnahmen
land lebenden als auch des hinzuziehen-       zusammenführung, die Miteinreise und        (weiter)entwickelt werden.
den Partners erforscht werden.                die Migration zur Familiengründung.
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                                                                                              Datenquelle:
                                                                                              Visastatistik (vgl. Migrationsbericht 2011, S. 135)
                                                                                              und AZR (Ausländerzentralregister – Sonderaus-
                                                                                              wertung)

                                                                                              Anmerkungen zu Studien
                                                                                              Zum Thema Heiratsmigration und
                                                                                              Familiennachzug gibt es bereits viele
                                                                                              Erkenntnisse aus der Forschung oder aus
                                                                                              amtlichen Statistiken, z.B. die Visastatistik
                                                                                              und das Ausländerzentralregister. Durch
                                                                                              diese Quellen kann man sehen, wie groß
                                                                                              der Familiennachzug oder der Ehegat-
                                                                                              tennachzug ist, welche Gruppen nach
                                                                                              Deutschland kommen. Amtliche Statisti-
                                                                                              ken sind in der Reichweite ihrer Aussage
                                                                                              jedoch begrenzt. Man kann daraus keine
                                                                                              Aussagen machen, die beispielsweise die
                                                                                              Integration der Personen oder ihre spezifi-
                                                                                              schen Probleme, ihre Lebenszufriedenheit
                                                                                              betreffen.
                                                                                              Zu zugewanderten oder nachgereisten
                                                                                              Ehegatten und zum Ehegattennachzug
                                                                                              gibt es im Bereich der qualitativen For-
            Im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 hat Deutschland einen kontinuierli-
                                                                                              schung eine Reihe von Studien:
            chen Anstieg des Ehegatten- und Familiennachzugs aus Drittstaaten erlebt.
            Danach ging der Familiennachzug stark zurück und liegt seit 2008 mit weit-
                                                                                              »   Zum Beispiel führen Al-Rebholz und
            gehend konstanten 40.000 Menschen bei weniger als der Hälfte des Höchst-
                                                                                                  Apitzsch von der Universität Frankfurt
            stands im Jahr 2002. Zum Teil ist der Rückgang auf den Beitritt der neuen
                                                                                                  aktuell eine Studie zu männlichen Hei-
            EU-Staaten in den Jahren 2004 (Beitritt der EU-10) und 2007 (Beitritt der EU-2)
                                                                                                  ratsmigranten aus den Ländern Türkei
            zurückzuführen, da Staatsbürger/innen aus diesen Ländern aufgrund der
                                                                                                  und Marokko durch.
            Freizügigkeitsregelungen kein Visum mehr benötigen.

            Heute kommen die nachziehenden Familienangehörigen hauptsächlich aus              »   Can Aybek, Gaby Straßburger u.a. ha-
            der Türkei, der Russischen Föderation, dem Kosovo, Indien, den Vereinigten            ben in der qualitativen Untersuchung
            Staaten, Marokko, China, der Ukraine, Thailand und Japan. Dabei weisen                »Heiratsmigration und Ehegatten-
            China, die Ukraine sowie die Russische Föderation die höchsten Steigerungs-           nachzug aus der Türkei nach Deutsch-
            raten auf. Hier korrespondiert der Anstieg tendenziell mit einem Anstieg der          land« türkische Heiratsmigrant/innen
            erteilten Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung aus diesen Staaten.            mehrfach befragt, z.B. zunächst in der
                                                                                                  Türkei, dann in Deutschland. Es wur-
                                                                                                  den auch Familienangehörige befragt,
                                                                                                  um Aussagen über Veränderungspro-
                                                                                                  zesse machen zu können.
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    Anmerkung aus dem Publikum
    Aus der Beratungspraxis des Verbandes wissen wir, dass
    die Rahmenbedingungen für den Familiennachzug nicht
    immer günstig sind. Bestimmte Gruppen der Gesellschaft
    haben Angst vor einer »Vermischung« und haben einen                 Dr. Anja Stichs
    negativen Blick auf binationale Ehen.
    Auch der finanzielle Aspekt spielt eine Rolle: viele Paare          Studium der Soziologie und Promotion an der
    verschulden sich um Sprachkurse zu finanzieren und um               Freien Universität Berlin.
    die Familienzusammenführung durchzuführen.
                                                                        Mehrere Jahre an der Universität Bielefeld am Institut
    Es stellt sich die Frage, wie wirken sich solche Belastungen
                                                                        für Konflikt- und Gewaltforschung tätig.
    der Paare und Familien auf die nachfolgende Integration
                                                                        Dr. Anja Stichs arbeitet seit vielen Jahren in der empi-
    aus. Es wird bedauert, dass dies in der aktuellen Studie des
                                                                        rischen Sozialforschung zum Thema Integration.
    BAMF nicht berücksichtigt wird.
                                                                        Themenschwerpunkte, die sie dabei kontinuierlich
                                                                        verfolgt, sind Muslimisches Leben in Deutschland und
                                                                        Gender fragen. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mit-
                                                                        arbeiterin in der Forschungsgruppe des Bundesamtes
                                                                        für Migration und Flüchtlinge BAMF in Nürnberg.

                                                                        Sie ist Autorin/ bzw. Mitautorin folgender
                                                                        Veröffentlichungen des BAMF:

                                                                        Working Paper:
                                                                        Arbeitsmarktintegration von
                                                                        Frauen ausländischer Natio-
                                                                        nalität in Deutschland, 2008

                                                                        Forschungsbericht:
                                                                        Muslimisches Leben
                                                                        in Deutschland, 2009

»   Es gibt eine ältere Studie von Pataya Ruenkaew »Heirat              Forschungsbericht:
    nach Deutschland. Motive und Hintergründe thailändisch-             Islamisches Gemeindeleben
    deutscher Eheschließungen« zu thailändischen Heirats-               in Deutschland, 2012
    migrantinnen.
                                                                        Kontakt:
Qualitative Studien gehen in die Tiefe und können so Zusam-             Dr. Anja Stichs
menhänge herausarbeiten und Probleme besser beschreiben                 Migrationsforschung
als quantitative Studien, wie das BAMF sie macht. Daher ist das         Forschungsfeld II »Empirische Sozialforschung«
Zurückgreifen auf qualitative Studien im Vorfeld so wichtig.            Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
In Deutschland gibt es bisher noch keine explizite quantitative         Frankenstraße 210
Studie zum Thema der Heiratsmigration.                                  90461 Nürnberg
                                                                        fon: 0911 / 943-4434
Die Ergebnisse der Studie Heiratsmigration können nach Fertigstellung   anja.stichs@bamf.bund.de
2014 auf der Webseite des BAMF www.bamf.de unter der Rubrik For-
schungsthemen/Integration abgerufen werden.
                                                                        Weitere Informationen zu den Aufgaben und zur
Zusammenfassung Dagmar Rees und Maria Ringler                           Struktur des Bundesamtes unter www.bamf.de
12   |   FA C H TA G U N G

     Stärken nutzen und Hürden beseitigen

     Familien mit Migrationshintergrund haben Stärken und Ressourcen, die aus eben dieser familiären
     Migrationserfahrung resultieren. Noch können sie diese nicht ungehindert in die Gesellschaft einbringen,
     denn sie sind als Familien aufgrund der für sie oft geltenden besonderen rechtlichen und sozialen
     Rahmenbedingungen schlechter gestellt als ihre Nachbar-Familien ohne Migrationshintergrund.
     Was passieren muss, damit die in der Migration gründenden Stärken zum Tragen kommen können,
     welche Anforderungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu richten sind, dazu arbeiteten die
     Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Diskussionsrunden.

     Menschen aus Familien mit Migrations-         sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder    mit den großen Forderungen nach einem
     hintergrund haben eine hohe Sprach-           in anderen sozialen Zusammenhängen            legalen gesicherten Aufenthaltstitel für
     kompetenz, lautet ein Ergebnis aus den        tätig zu werden. Familien mit Migrations-     alle Familienmitglieder, sei es durch eine
     Diskussionsrunden zu Stärken und Res-         hintergrund verfügen oft über große, Län-     erleichterte Visaerteilung für Familienbe-
     sourcen dieser Familien. Dabei sollte unter   dergrenzen überschreitende tragfähige         suche bis hin zu einem allgemeinen Ein-
     Sprachkompetenz nicht nur das Sprechen        Netzwerke. Sie sind offen für Neues und       reiserecht für Familienmitglieder, durch
     und Verstehen mehrerer (Fremd)Spra-           bereit für Veränderungen. Das Fazit: Poli-    einen eheunabhängigen Aufenthaltstitel
     chen an sich verstanden werden, sondern       tik, Wirtschaft und Gesellschaft könnten      für nachgezogene Ehegatten oder durch
     auch die Fähigkeit, die vielfältigen Codes    diese Ressourcen besser und nachhaltiger      die Abschaffung der Optionspflicht für
     in unterschiedlichen Kulturen adäquat         für sich nutzen, wenn ihr Blick auf Famili-   in Deutschland geborene Kinder. Doch
     zu decodieren. Das Wissen darum, dass         en mit Migrationshintergrund offener und      auch im Detail liegen Zugangshürden: Zu
     eine Sache je nach Kultur unterschiedli-      Wert schätzender wäre.                        hohe Anforderungen an den Nachweis
     che Aspekte haben kann, führt zu einem        Die mangelnde politische Offenheit und        amtlicher Unterlagen, zu hohes Niveau
     kritischeren Blick auf die Gesellschaft und   Wertschätzung zeigt sich in Gesetzen,         des geforderten Sprachnachweises beim
     befähigt, Probleme mit einem so erwei-        Regelungen, Vorschriften und Umgangs-         Familiennachzug oder Befragungen we-
     terten Blick innovativ zu lösen. Die eigene   weisen, die den Alltag für viele Familien     gen des Verdachtes auf »Scheinehe« und
     Fremdheitserfahrung stärkt die Resilienz,     mit Migrationshintergrund erschweren.         ein zu schwieriges Behördendeutsch, das
     steigert die Fähigkeit, Widersprüchlich-      Die von den Diskussionsrunden zusam-          viele Regelungen unverständlich macht.
     keiten auszuhalten, und ermöglicht es         mengetragene Liste der Punkte mit             Die Abhilfe: transparente, einfachere
     gleichzeitig als Vermittler in Konflikten,    Änderungsbedarf ist lang. Sie beginnt         Verfahren, die den gesetzlich verankerten
FA C H TA G U N G | 1 3

                     Wir wünschen uns als binationale und Migrantenfamilien ein größeres Mit-
                     spracherecht bei der Politik und der Gestaltung der Gesellschaft. Politik geschieht
                     zu sehr »von oben herab« und die Kommunen mit ihren verschiedenen Vereinen,
                     Gruppen und Angeboten werden nicht oder nur zu wenig gehört.

                                                                                                Sprachkurse für Migrant/innen sollten
                                                                                                enger mit dem Arbeitsmarkt verzahnt
                                                                                                und berufsorientierter gestaltet werden.
  Die familiäre Beziehungspfl
                  Beziehungspflege
                                ege über Grenzen hinweg
  stellt eine reiche Quelle an Information, Unterstüt-
  zung und Rückhalt dar, sie erstreckt sich teilweise
  über mehrere Länder und Kontinente hinweg.

Schutz der Familie umfassend, für alle, im     chigkeit mit entsprechender Einbindung           die Leistungen würden entlang dieser
Blick haben und auch die über die Kern-        in den Schulunterricht, anonymisierte            Unterscheidung ungerecht verteilt.
familie hinausgehenden Familienformen          Bewerbungsverfahren, Anerkennung von             Grundsätzlich müsse die Familien- und
berücksichtigen.                               im Ausland erworbenen Qualifikationen,           Sozialpolitik differenzierter werden, damit
Auch die Bildungs- und Arbeitsmarktpoli-       eventuell eine Beschäftigungsquote für           sie die gesellschaftliche Realität besser
tik beinhaltet Barrieren, die das Entfalten    Menschen mit Migrationshintergrund.              abbilde.
der Stärken verhindern. So werden viel-                                                         Bis die ganze Fülle von notwendigen
fach die gesprochenen Sprachen, sofern         Die Familien- und Sozialpolitik könnte die       Änderungen in den Rahmenbedingun-
es nicht international hoch angesehene         Familien unterstützen, indem sie ihre In-        gen umgesetzt ist, haben Familien mit
Sprachen wie Englisch oder Französisch         strumente an modernen Familienformen             Migrationshintergrund trotz aller Stärken
sind, nicht als arbeitsmarktrelevante          orientiert und sich vom gesellschaftlich         einen besonderen Beratungsbedarf.
Qualifikationen gewertet. Auch in den          überholten Bild der Kernfamilie (Beispiel:       Dieser umfasst alle Lebensbereiche: Wie
Schulen sind die mitgebrachten Familien-       Ehegattensplitting) verabschiedet. Dies          funktioniert Deutschland? Besonderen
sprachen nicht als erste, zweite oder dritte   käme nicht nur Familien mit Migrations-          Beratungsbedarf gibt es bei Rechts- und
Fremdsprache anerkannt und werden              hintergrund zugute. Die augenblickliche          Bildungsfragen. Die Beratung sollte dabei
nicht unterrichtet. Die in Drittländern        Sozial- und Familienpolitik an sich sei          niederschwellig, ortsnah und mehrspra-
erworbenen Abschlüsse und Qualifika-           ungerecht, stellten die Teilnehmer/in-           chig angeboten werden.
tionen werden oft nicht anerkannt. Aus         nen fest. Die Frage sei nicht, ob jemand
dieser Analyse ergeben sich Handlungs-         Migrationshintergrund habe oder nicht,           Zusammenfassung Dagmar Rees

forderungen: Anerkennung der Mehrspra-         sondern ob jemand arm oder reich sei –
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                                                                                                   Bei aller Wertschätzung von Vielfalt
                                                                                                   sollten in Kindergärten und Schulen
          Es braucht neben der Anerkennung der im Ausland erworbenen                               nicht nur die Unterschiede, sondern
          Qualifikationen geeignete Nachqualifizierungsmaßnahmen,                                  auch die Gemeinsamkeiten der Kinder
          die staatlich finanziert werden müssen, so dass nennenswerte                             in den Blick genommen werden.
          Verbesserungen beim Zugang und bei der Eingruppierung in den
          Arbeitsmarkt erzielt werden können.

                                                                            Die vielen Selbständigen aus Familien mit Migrationshinter-
                   Sprach(en)förderung, interkulturelle Bildung             grund zeigen großen Mut neue Wege zu beschreiten. Oft
                   und wertschätzender Umgang mit Diversität                haben sie diesen Schritt aus wirtschaftlicher Not heraus getan.
                   müssen in der Ausbildung von pädagogischen
                   Fachkräften als Schlüsselkompetenzen veran-
                   kert werden.

                                                   Man kann nicht imm
                                                                    immer zwischen Familien-,
                                                   Sozial- und Schulpolitik trennen, da es viele
                                                   Schnittmengen gibt. Aber es wird überall
                                                   deutlich, dass der Staat in allen Bereichen
                                                   deutlich nachfinanzieren und unterstützen
                                                   muss.
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Zahlen und Fakten

Fast jede dritte Familie in Deutschland hat einen Migrationshintergrund         Literatur

2010 lebten insgesamt rund 8,12 Mio Familien mit minderjährigen Kindern         Ludger Pries
in Deutschland. 2,33 Mio (28,8%) davon waren Familien mit Migrations-           Transnationalisierung der sozialen Welt als
hintergrund. Dies ist fast jede dritte Familie.                                 Herausforderung und Chance
                                                                                in Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Transnationalis-
Familien mit Migrationshintergrund leben überwiegend in den alten Bundes-
                                                                                mus und Migration, Dossier.
ländern, dabei lebte fast jede zweite dieser Familien 2010 in Großstädten mit
                                                                                www.migration-boell.de/downloads/migration/
über 500.000 Einwohnern (42,6 %). Der Anteil in den Stadtstaaten Bremen         Dossier_Transnationalismus_und_Migration.pdf
(44,3 %) und Hamburg (41,8 %) war dabei am höchsten.
                                                                                Ludger Pries
                                                                                Wenn der Sozialraum der Menschen
Kinderzahl (2010)
                                                                                nicht nur an einem Ort ist, und warum das
                                                                                für Soziale Arbeit wichtig ist
                                                                                in WISO Diskurs, Heft April 2013,
                                                                                Friedrich Ebert Stiftung, Bonn
                                                                                http://library.fes.de/pdf-files/wiso/09854.pdf

                                                                                Meike Sophia Baader
                                                                                Kinder und ihre Familien. Kinder im »doing
                                                                                family«, Familienerziehung und «family care« als
                                                                                Desiderate der Familienforschung
                                                                                in Dorothea Christa Krüger, Holger Herma,
                                                                                Anja Schierbaum (Hrsg.):
                                                                                Familie(n) heute. Entwicklungen, Kontoversen,
Famlienform (2010)
                                                                                Prognosen
                                                                                Weinheim, Basel 2013

                                                                                Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim
                                                                                Fernliebe. Lebensformen im globalen Zeitalter
                                                                                Berlin 2011

                                                                                Can M. Aybek, Christian Babka von Gostomski,
                                                                                Stefan Rühl, Gaby Straßburger
                                                                                Heiratsmigration in die EU und nach Deutsch-
                                                                                land – ein Überblick
                                                                                in »Bevölkerungsforschung. Mitteilungen aus dem
                                                                                Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung«,
Einkommen (2010)
                                                                                34. Jahrgang, März 2013,
                                                                                www.bib-demografie.de
                                                                                Der mit Abstand wichtigste Grund für eine
                                                                                Einwanderung von Drittstaatsangehörigen nach
                                                                                Deutschland ist die Heiratsmigration. Auch in
                                                                                der gesamten EU ist die Einwanderung stark
                                                                                von Migration geprägt, die auf einer Heirat oder
                                                                                sonstigen familiären Gründen basiert. Der Beitrag
                                                                                analysiert zum einen die aktuellen Regelungen
                                                                                zum Familiennachzug in Deutschland und aus
                                                                                international vergleichender Perspektive und zum
                                                                                anderen die Konstellationen von Heiratsmigration
                                                                                in Deutschland.
Quelle: www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/135369/
        familien-mit-migrationshintergrund und www.destatis.de
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     Delegiertenversammlung 2013:
     Rückblick – Abschied – Ausblick
     Am 20. April war es wieder soweit – die gewählten Delegierten aus 25 Regionalgruppen des Verbandes
     kamen in Frankfurt am Main zur Delegiertenversammlung zusammen. Bundesweit tauschten sich Frauen
     und einige Männer über Vergangenes aus und diskutierten Zukünftiges miteinander.

     Viele kannten sich aus früheren Jahren
     und freuten sich auf ein Wiedersehen,
     neue wurden herzlich willkommen
     geheißen. Wie auch in den zurücklie-
     genden Jahren wurde auf die vielfältige
     professionelle Arbeit in den Regional-
     gruppen und auf Bundesebene zurück
     geblickt. Gemeinsam über aktuelle
     Themen zu reflektieren, Standpunkte zu
     analysieren und miteinander zu disku-
     tieren, wurde ausgiebig vorgenommen.
     Der vorgetragene Jahresbericht gab
     Einblicke in die Arbeit vor Ort, in die aus-
     differenzierten Beratungsangebote und          Ungern verabschiedeten wir uns von               Hiltrud Stöcker-Zafari verabschiedet
     in die vielfältigen Projekte mit Familien,     Bettina Müller-Sidibé. Sie war unsere            die erste Vorsitzende Bettina Müller-Sidibé

     Eltern(teilen) und Kindern / Jugendli-         Vorsitzende seit vielen Jahren und zieht
     chen. Er kann sich sehen lassen und ist        sich nun von den verantwortungsvollen            Die AGF und unser Verband wurden dabei
     auf der Website eingestellt.                   Aufgaben zurück. In der Laudatio wurden          von ihr sehr gut vertreten. Dafür und für
     www.verband-binationaler.de                    ihre Tatkraft und ihr Engagement hervor-         die vertrauensvolle Zusammenarbeit
                                                    gehoben. Bettina begleitete die Arbeit der       bedankten sich die Mitarbeiterinnen
                                                    Bundesgeschäftsstelle zuverlässig, war           der Bundesgeschäftsstelle, die weiteren
                                                    politisch vielseitig interessiert, diskutierte   Mitglieder des Vorstandes und die Dele-
                                                    gerne und viel, nahm sich Zeit – die sie         gierten bei ihr. Bärbel Sánchez Coroneaux
                                                    auch nur sehr begrenzt hatte – für Fragen,       vom Bundesvorstand überraschte an-
                                                    die an sie herangetragen wurden. Als             schließend nicht nur Bettina sondern die
                                                    Volkswirtin offerierte sie uns ihre Exper-       gesamte Versammlung mit ihrem Gedicht
                                                    tise bei finanziellen Herausforderungen,         »Ein Zimmer mit Aussicht in Frankfurt«
                                                    als Vorsitzende scheute sie sich nicht,          und spielte dabei auf die angenehmen
                                                    auch mit den ihr berufsfremden Themen            gemeinsamen Abende an, die sie als
                                                    der Familienpolitik umzugehen. In ihrer          auswärtiges Mitglied im Bundesvorstand
                                                    Amtszeit hatten wir erstmalig die Feder-         bei Übernachtungen in Bettinas Wohnung
                                                    führung in der AGF (Arbeitsgemeinschaft          verlebte.
                                                    der deutschen Familienorganisationen
                                                    e.V.) übernommen und damit die Präsen-
                                                    tation nicht nur für unseren Verband auf
                                                    hoher politischer Ebene. Es wurde an die
                                                    Gespräche mit dem Bundespräsidenten,
                                                    der Kanzlerin oder auch der Bundesfamili-
                                                    enministerin erinnert.
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Bevor es an die Diskussion der vorgeleg-    Die Themen »Schwarz-weiß« sowie                Die Antworten der im Bundestag vertre-
ten Anträge ging, wurde ein neuer Bun-      Rassismus wurden auch für die Zukunft          tenen Parteien auf die Wahlprüfsteine des
desvorstand für weitere zwei Jahre sowie    als bedeutende Themen für den Verband          Verbandes werden – sobald sie vollstän-
eine Rechnungsprüferin gewählt.             identifiziert. Es wurde herausgestellt, dass   dig vorliegen – aufbereitet und veröffent-
                                            zentrale Erfahrungen und Ergebnisse            licht. Über die hierin angesprochenen
Die Delegierten diskutierten über das       vor Ort weiterhin gut aufzubereiten, zu        Themen werden wir mit den Parteien im
Vorhaben, weitere Förderer zukünftig zu     bündeln und miteinander zu verzahnen           Dialog bleiben.
akquirieren. Unsere Themen sind rele-       sind. Die Delegierten hoben die Bedeu-
vante Querschnittsthemen und auch für       tung von aktuellen bundeseinheitlichen         Die nächste Delegiertenversammlung
Menschen interessant, die selbst nicht in   Positionierungen hervor, die vor Ort           wird im April 2015 stattfinden.
interkulturellen Lebenswelten leben.        helfen, auf Ereignisse zeitnah und sachlich
Es wurde sich wiederholt für die Abschaf-   versiert reagieren zu können. Hier aktuell     Hiltrud Stöcker-Zafari

fung der Optionspflicht ausgesprochen       zu bleiben, sollte uns allen wichtig sein.
sowie für eine generelle Hinnahme von
Mehrstaatigkeit bei Einbürgerung. Die
Delegierten waren sich darin einig, dass
die Anerkennung von Mehrstaatigkeit als
Normalfall der tatsächlichen Lebenssitu-
ation vieler Menschen in unserem Land
Rechnung trägt. Das Staatsangehörig-
keitsrecht sollte nicht weiterhin Staats-
bürger/innen unterschiedlicher Klassen
schaffen. Diese Forderung ist vor allem
einer neuen Bundesregierung vorzutra-
gen.                                                                                                Dorothea Lochmann
Ebenso sollte sich eine neue Regierung                    Bärbel Dierks
mit dem Dauerbrenner »Familiennach-
zug« beschäftigen. Neben der Rücknahme
des Spracherfordernisses vor der Einreise
sollte sich der Verband insbesondere für       Für das Amt der Rechnungsprüfung            Die Ombudsperson des Verbandes,
Erleichterung und Vereinfachung des            wurde Bärbel Dierks aus der Regio-          Dorothea Lochmann, berichtete über
Verfahrens im Familiennachzug einset-          nalgruppe Bremen für weitere zwei           ihre Tätigkeit der letzten beiden Jahre. Im
zen. In bewährter Manier werden hierfür        Jahre wieder gewählt. Sie arbeitet seit     Unterschied zur Wahl des Bundesvorstan-
konkrete Fälle aus der Beratungspraxis         26 Jahren beruflich im Rechnungs-           des und der Rechnungsprüfung wird die
zusammengetragen und dabei auch auf            wesen und in der Wirtschaftsprüfung.        Ombudsperson für eine Amtszeit von 4
zusätzliche Gebühren geachtet, die meist       Seit vielen Jahren engagiert sie sich       Jahren gewählt. Dorothea Lochmann lebt
in nicht unerheblicher Höhe von den Paa-       im Verband, sie ist Dipl. Betriebswirtin    in einer internationalen Familie in Bad
ren / Familien entrichtet werden müssen.       und macht die Arbeit der Rechnungs-         Vilbel bei Frankfurt. Sie ist Mediatorin und
                                               prüfung gerne. Sie prüft regelmäßig         Dozentin für Deutsch als Zweitsprache.
                                               die Bilanz des Verbandes und kon-           Seit 2009 leitet sie das Institut für Konflikt-
                                               trolliert die satzungsgemäße Verwen-        beratung und Mediation IKOM Frankfurt
                                               dung der Mittel.                            und ist als Ausbilderin für Mediation tätig.
                                                                                           Kontakt: info@dorothea-lochmann.de
18   |   D E L E G I E R T E N V E R S A M M LU N G

     Der neue Bundesvorstand stellt sich vor

                    Angela                                                                                        Bärbel
                Rother-El-Lakkis                                                                           Sánchez Coroneaux

     Name: Angela Rother-El-Lakkis                                                                    Name: Dr. Bärbel Sánchez Coroneaux
     Wohnort: Bonn                                                                                    Wohnort: Leipzig
     Kontakt:                                                                                         Kontakt:
     bundesvorstand@verband-binationaler.de                                                           bundesvorstand@verband-binationaler.de

     Vorsitzende                                                                                      Stellvertretende Vorsitzende

     Mein thematischer Schwerpunkt                    Warum ich den Verband binationaler              Mein thematischer Schwerpunkt
     im Bundesvorstand:                               Familien und Partnerschaften aktiv              im Bundesvorstand:
     » Vertretung in der Arbeitsgemeinschaft          unterstütze:                                    » Vertretung des Verbandes im
        der deutschen Familienorganisatio-            Binationale/ Bikulturelle Paare sind der           Deutschen Frauenrat
        nen/AGF                                       schönste Beweis dafür, dass friedliches         » Thematische Schwerpunkte:
     » Vertretung in Europäischen Dach-               Zusammenleben von Menschen unab-                   Inklusion und Bildung
        organisationen (ecb; CE)                      hängig von Hautfarbe und kulturellem            » Verbandsentwicklung und
     » Strategische Begleitung der Inter-             und religiösem Hintergrund möglich ist.            Mitgliederentwicklung
        kulturellen Beratung                          Der Verband binationaler Familien und
                                                      Partnerschaften transportiert als Lobby-
                                                      organisation die positiven und zukunfts-
                                                      weisenden Werte dieser Partnerschaften
                                                      sowohl in die deutsche Gesellschaft als
                                                      auch auf die europäische Ebene. Der Ver-
                                                      band setzt sich für ein anderes, besseres
                                                      Miteinander ein. Er steht für die Vielfalt
                                                      der Lebensformen, berät und informiert
                                                      zu Themen, die für die gleichberechtigte
                                                      Gestaltung interkulturellen Lebens wich-
                                                      tig sind. Damit setzt er sich für die gleiche
                                                      Vision von Gesellschaft ein wie ich und ich
                                                      freue mich, mich dabei aktiv einbringen
                                                      zu können.

                                                      Mein Lebensmotto:
                                                      »You have not done enough, you have
                                                      never done enough, so long as it is still
                                                      possible that you have something to
                                                      contribute.« (Dag Hammarskjöld)
D E L E G I E R T E N V E R S A M M LU N G   | 19

                                                                                                  Sidonie Fernau
                                                 John Kannamkulam

                                              Name: John Kannamkulam                        Name: Sidonie Fernau
                                              Wohnort: Hanau                                Wohnort: Hamburg
                                              Kontakt:                                      Kontakt:
                                              j.kannamkulam@verband-binationaler.de         Fernau@verband-binationaler.de

Warum ich den Verband binationaler            Mein thematischer Schwerpunkt                 Mein thematischer Schwerpunkt
Familien und Partnerschaften aktiv            im Bundesvorstand:                            im Bundesvorstand:
unterstütze:                                  » Partizipation und Teilhabe von Men-         » Vertretung des Verbandes im Arbeits-
Zum einen aufgrund meiner persönlichen           schen mit Migrationshintergrund               kreis Migration des PARITÄTISCHEN
Erfahrung als Teil einer binationalen Fami-                                                    Gesamtverbandes
lie in Deutschland.                           Warum ich den Verband binationaler            » Vertretung des Verbandes beim
Zum anderen, weil es mir wichtig ist, dass    Familien und Partnerschaften aktiv               Forum Menschenrechte
wir in einem Land leben, dass durch Viel-     unterstütze:                                  » Vertretung des Verbandes beim
falt und kulturellen Austausch geprägt ist.   Durch mein vielfältiges ehrenamtliches           Forum gegen Rassismus des Bundes-
Der Verband vermittelt durch seine            Engagement im Feld der Integrationspoli-         ministerium des Inneren
Aktivitäten und Projekte im Bereich der       tik und Interkulturalität vor Ort in Hessen   » Ansprechpartnerin: Pilotprojekt
interkulturellen Bildung, durch Beratung      kam ich zum Verband. Hier möchte ich             Hochschulgruppengründung
und durch seine Lobbyarbeit eben diese        diese Erfahrungen und Kontakte gewinn-        » Ansprechpartnerin: Kooperation mit
Kompetenz einer interkulturell gemisch-       bringend für den Verband einsetzen. Als          dem Projektbüro Angewandte Sozi-
ten Gesellschaft und wirbt dafür, diese       studierter Ethnologe und Politologe ist          alforschung der Universität Hamburg
für die Gestaltung einer zukunftsfähigen      die Partizipation und Teilhabe von Men-          (»Bessere Anbindung der rein ehren-
Gesellschaft einzusetzen.                     schen mit Migrationshintergrund mein             amtlich arbeitenden Gruppen des
                                              Schwerpunktthema.                                Verbandes«)
Mein Lebensmotto:                                                                           » Administration unserer Facebook-
Es gibt keinen, von dem du nicht lernen       Mein Lebensmotto:                                Bundesseite
kannst. (Dag Hammarskjöld)                    Eigentlich habe ich keins, weil ich viel zu
                                              jung für ein eigenes bin, daher halte ich
                                              mich an Mohandas Karamchand (Ma-
                                              hatma) Gandhi, der einst die Menschen
                                              aufgefordert haben soll: »Sei du selbst
                                              die Veränderung, die du dir wünschst
                                              für diese Welt...«
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     Zur Bundestagswahl 2013
     Am 22. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Parteien sind gerüstet
     für den anstehenden Wahlkampf. Ihre Wahlprogramme liegen vor. Die Wähler/innen
     können sie online einsehen und sich ein Bild machen. Die Zivilgesellschaft formu-
     liert ihre mannigfaltigen Erwartungen an eine zukünftige Bundesregierung.

                                               Doch wie bei allen Wahlen bleiben zahl-       Wahlprüfsteine des Verbandes
                                               reiche Menschen außen vor. Knapp sieben       Auch unser Verband verfolgt die Vorbe-
                                               Millionen Menschen mit ausländischer          reitungen zur Bundestagswahl. Bereits
                                               Staatsangehörigkeit – darunter zahlreiche     Anfang des Jahres entwickelte er Wahl-
                                               Partner und Partnerinnen von Deutschen        prüfsteine zu binationalen / bikulturellen
                                               – besitzen nicht das aktive und passive       Themen und fragte die im Bundestag
                                               Wahlrecht, können somit nicht an ihren        vertretenen Parteien CDU/CSU, FDP,
                                               eigenen Angelegenheiten mitwirken             SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und Die
                                               und stehen dem demokratischen Prozess         Linke. Alle Parteien haben uns Rückmel-
                                               außen vor. In manchen Stadtteilen deut-       dung zu den Wahlprüfsteinen gegeben.
                                               scher Großstädte kann das ein Drittel der     Darüber hinaus wurde eine Bereitschaft
                                               Wohnbevölkerung ausmachen.                    zum fortlaufenden Dialog auch nach den
                                               Dabei ist das politische Interesse der        Wahlen im September 2013 signalisiert.
                                               eingewanderten Menschen nicht weniger         Ein Dialog, den wir als Verband auf jeden
                                               ausgebildet als bei Deutschen. Laut einer     Fall verfolgen werden.
                                               Studie des Bundesamtes für Migration
                                               und Flüchtlinge (BAMF, Workingpaper           Wir fragten zu den Schwerpunkten:
                                               Nr. 46 vom 27.09.2012) interessieren sich     1. Sprache und Mehrsprachigkeit
                                               Menschen mit Migrationshintergrund in         2. Interkulturelle Öffnung und Bildung
                                               der zweiten Generation ebenso häufig          3. Anerkennung und Qualifizierung
                                               wie Deutsche für Politik (ca. 60 %), in der   4. Ausländerrecht
                                               ersten Generation der Eingewanderten          5. Besuchervisum
                                               sind es 43%. Die Analysen beziehen            6. Staatsangehörigkeit/ Mehrstaatigkeit
                                               sich auf die Jahre 2002 bis 2008. Eben-       7. Eheschließung
                                               falls stellte die Studie fest, dass sich      8. Familie und Binationalität
                                               Personen mit Migrationshintergrund            9. Antidiskriminierung
                                               und deutscher Staatsangehörigkeit zu          Das Gesamtergebnis veröffentlichen wir
                                               einem höheren Anteil mit politischen          in einem Sondernewsletter und auf unse-
                                               Belangen auseinandersetzten als aus-          rer Website – sobald uns die ausführliche
                                               ländische Personen. »Dies könnte ein          Antwort der CDU/CSU vorliegt.
                                               Hinweis darauf sein, dass das größtenteils
                                               fehlende Wahlrecht bei Ausländern ihre
                                               Bereitschaft abschwächt, sich mit dem
                                               politischen Leben in Deutschland zu
                                               beschäftigen.«(Workingpaper Nr. 6, S. 5)
                                               Die Schere zwischen Wahl- und Wohn-
                                               bevölkerung darf nicht weiter bestehen.
                                               Der Demokratisierungsprozess muss sich
                                               weiter entwickeln und auch Migrant/-
                                               innen mit einbeziehen, die dauerhaft in
                                               diesem Land leben.
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