Familien in Migration - Migration in Familien - DOKUMENTATION EINER FACHTAGUNG - Ausgabe 1 / 2013 - Verband ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ausgabe 1 / 2013 ISSN 1430-8614 Familien in Migration – Migration in Familien D O K U M E N TAT I O N E I N E R FA C H TA G U N G
2 | E D I TO R I A L Liebe Leserinnen, liebe Leser, gerade in den Städten in Deutschland se- Wie beschäftigt das Thema Migration Aktuell wird viel über eine inklusive hen wir täglich, dass grenzüberschreitende die Familien in ihrem Alltag? Mit welchen Gesellschaft diskutiert. Auch für uns Lebens- und Familienformen längst normal rechtlichen Rahmenbedingungen werden ist dies ein wichtiges Thema, zu dem wir sind und das heutige Stadtbild bestimmen. sie konfrontiert? Wie werden sie in der in dieser Ausgabe Stellung beziehen. Viele Familien leben in weltumspannenden Sozial- und Familienpolitik, auf dem Netzwerken und gestalten auf dieser Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich Zwei größere Artikel halten wir für Sie be- Grundlage ihr Familienleben. berücksichtigt? Dies waren Fragen, die reit, die sich mit dem Thema »Rassismus« uns in den Gesprächsrunden beschäftig- beschäftigen: Warum wir uns so schwer Doch wissenschaftlich wird die the- ten und die sicherlich nicht abschließend damit tun, uns mit eigenen Rassismen matische Verbindung von Familie und behandelt werden konnten. zu beschäftigen? Dazu äußert sich Anja Migration eher selten bearbeitet. Die Treichel und Tupoka Ogette gibt uns Familiensoziologie richtet ihren Blick auf Weiterhin dürfen wir auf die in Arbeit einen Einblick in ihr Workshopangebot, ausgesuchte Aspekte der Familien und befindliche Studie zur »Integration von in ihre Trainings. hat dabei die Dimension der Migration zugewanderten Ehepartner/innen in wenig im Blick. Die Migrationsforschung Deutschland« gespannt sein, von der Weiterhin halten wir aktuelle Informa- wiederum beschäftigt sich stärker mit den Frau Dr. Stichs vom BAMF berichtete. tionen für Sie bereit, stellen eine Un- Migrationsgründen und Migrationsverläu- Die Ergebnisse der Studie sollen Auf- ternehmerin aus unserem Verband vor fen. Integrationspolitisch wird die Familie schluss darüber geben, welche Faktoren aus dem Bereich der Sprachförderung / zwar als ein wichtiger Faktor gesehen, Integration und Lebenszufriedenheit Mehrsprachigkeit und interkulturellen aber eher losgelöst von Familiensozio- in Deutschland befördern. Bildung und zeigen, dass wir auch sport- logie oder Familienpolitik. lich unterwegs sind beim ersten Lauf der Ein zentrales Ereignis im ersten Halbjahr Mehrsprachigkeit in Frankfurt. Es sind familiäre und regionale Netzwerke, dieses Jahres war die alle zwei Jahre die meist darüber entscheiden, wer wohin stattfindende Delegiertenversammlung. Wir hoffen, dass auch wieder etwas migriert – führte Frau Dr. Shinozaki in un- Es wurde ein neuer Bundesvorstand ge- für Sie dabei ist und wünschen serer Fachtagung »Familien in Migration – wählt, sich ungern von unserer bisherigen eine interessante Lektüre. Migration in Familien« ein und fordert, Vorsitzenden, Bettina Müller-Sidibé, dass die Migrationsforschung deshalb die verabschiedet, und es wurden weitere Familie im Blick haben muss. Arbeitsschwerpunkte miteinander dis- Ihre Hiltrud Stöcker-Zafari kutiert. Bundesgeschäftsführerin Bundesministerium Die Herausgabe dieses Heftes wird mit Mitteln für Familie, Senioren, Frauen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, und Jugend Frauen und Jugend gefördert.
| 3 Inhalt Einführung 4 Familien in Migration – Migration in Familien Dr. Kyoko Shinozaki, Universität Bochum 5–8 Studie zur Heiratsmigration Dr. Anja Stichs, BAMF Nürnberg 9–11 Berichte aus den Diskussionsrunden 12–14 Zahlen und Fakten 15 Delegiertenversammlung 2013: Rückblick – Abschied – Ausblick 16–17 Der neue Bundesvorstand stellt sich vor 18–19 Zur Bundestagswahl 2013 20–22 Neue Regelungen im Aufenthaltsgesetz 23 Aspekte einer inklusiven Gesellschaft 24–25 »Rassismus in uns« Anja Treichel 26–28 Anderssein in (Bio-)Deutschland Trainerin Tupoka Ogette, Berlin 29–31 Interviews mit Unternehmer/innen aus dem Verband Nicola Küpelikılınç 32–33 Meldungen 34 Lauf für Mehrsprachigkeit 35 Veranstaltungskalender 36–37 Hochwasser – Spendenaufruf des Paritätischen Impressum 38
4 | Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, Programm es freut uns sehr, dass das Thema Mittlerweile hat fast jede dritte Familie mit 12.30 Uhr Anreise auf großes Interesse stößt, sowohl minderjährigen Kindern in Deutschland bei den Mitgliedern unseres einen so genannten Migrationshintergrund. 13.00 Uhr Begrüßung und Einführung in das Thema Verbandes sowie bei den Kolle- Da die Entscheidungen zur Migration vor 13.30 Uhr Familien in Migration – Migration in Familien ginnen und Kollegen aus unserem allem im familiären Zusammenhang ge- Dr. Kyoko Shinozaki, Universität Bochum Netzwerk, aus Organisationen, troffen werden, kommt auch weiterhin der Anschließend: Rückfragen und Diskussion Institutionen und Verbänden, aus Einwanderung ins Bundesgebiet aufgrund 14.30 Uhr Kaffeepause Politik und Wissenschaft. einer Heirat eine große Bedeutung zu. 15.00 Uhr Die Integration von zugewanderten Als Verband beschäftigen wir uns Die Familien- und Lebensformen sind Ehepartner/innen in Deutschland. Eine Studie zur Heiratsmigration des BAMF mit Themen, die an den Schnitt- äußerst vielfältig. Neben der Emigration Dr. Anja Stichs, BAMF, Nürnberg stellen von Familie und Migration und der Rückkehr-Migration treffen wir auf Anschließend: Rückfragen und Diskussion entstehen. Wir wissen um Familien, Formen von transnationaler Migration mit 16.00 Uhr Vertiefende Diskussionen in Worldcafé/ die in mehreren Ländern zuhause seinen weltumspannenden Netzwerken. Die Marktplatz Runden sind. Sozialräume der Einzelnen erweitern sich, Gestaltung von Familienleben in Vielfalt werden transnational. Rechtliche Rahmenbedingungen grenzüber- schreitenden Familienlebens Berücksichtigung der Familienvielfalt in der Das Thema »Familien in Migration – Politik Migration in Familien« gestaltet sich kom- plex und beinhaltet vielschichtige Aspekte. 17.00 Uhr Zusammenfassung der Ergebnisse und Entwicklung von Handlungsstrategien Es ist ein bedeutendes Thema angesichts der weltweiten Mobilität und zunehmenden 18.00 Uhr Abendessen Globalisierung. Ich bin wünsche der Tagung 19.00 Uhr Theaterstück »Mal ganz anders…« einen erfolgreichen Verlauf, viele anregende mit Szenen aus dem binationalen Leben Diskussionen und Gespräche. Theatergruppe VeBinaFaPa, Mainz, musikalische Begleitung an Saxofon und Gitarre mit anschließender Diskussion und Einbeziehung der entwickelten Ihre Angela Rother-El-Lakkis Handlungsstrategien Bundesvorsitzende 21.00 Uhr Ende
FA C H TA G U N G | 5 Familien in Migration, Migration in Familien Dr. Kyoko Shinozaki Familiäre und regionale Netzwerke entscheiden darüber, wer wohin migriert. Migrationsforschung muss deshalb die Familie im Blick haben. Gleichzeitig verändern sich durch Migration die Familien. Dr. Kyoko Shinozaki vom Lehrstuhl für Organisation, Migration, Mitbestimmung an der Ruhr-Uni Bochum berichtet, wie die Familie die Migration bestimmt und die Migration zu neuen, transnationalen Familien- formen führt. Die Familie spielte lange Zeit keine große kein Produkt des Zufalls, sondern auch eine in einer deutschen Stadt mit 500.000 Rolle in der Migrationsforschung, kriti- Folge sozialer und familiärer Beziehungen. Einwohner/innen, davon 3.000 bis 5.000 siert Shinozaki, denn die neo-klassischen philippinischen Staatsbürgerinnen, kommt Migrationstheorien stellen die Ökonomie Shinozaki verweist auf die Analyse von zum gleichen Ergebnis: Die Mehrzahl der in den Vordergrund: Danach entschließen Wanderungsprozessen aus der Karibik befragten Haushaltsarbeiterinnen stamm- sich Menschen in erster Linie aufgrund und aus Mexiko in die USA. Hier hat sich te aus nur zwei bis drei Gegenden in einer von unterschiedlichem Lohnniveau und gezeigt, dass die Mehrheit der Arbeitsmi- bestimmten Provinz auf den Philippinen. Beschäftigungschancen zu grenzüber- grant/innen ihren Ortswechsel im Rahmen Ihnen lieferte ein Netzwerk aus Familie und schreitender Arbeitswanderung. Doch ausdifferenzierter Netzwerke vornimmt. Nachbarn die notwendigen Informationen reichen diese Theorien nicht aus, die realen Diese Netzwerke vermitteln Informatio- für die Migration: Wanderungsbewegungen zu erklären, nen und Hilfe für jene, die nachkommen. Diese Netzwerke erklären »warum, meint die Sozialwissenschaftlerin. Denn es Denn diese brechen nicht beliebig in ein analysiert man die Migrationsbewegun- seien nicht die Menschen aus den ärms- fremdes Land auf, sondern gehen viel- gen genauer, so viele Menschen aus so ten Ländern, die migrieren, wie nach den mehr in jene Länder, in denen schon ihre wenigen Orten kommen«. Shinozakis Fazit: neo-klassischen Theorien zu erwarten sei, Verwandten und Freund/innen leben. Familien und »Communities« strukturieren sondern vielmehr Menschen aus Mittel- Shinozakis Untersuchung zum Thema als soziale Einheiten die zeitliche einkommensländern. Und auch von dort »Philippinische Haushaltsarbeiterinnen« und räumliche Dynamik der Wanderungs- kämen die Migrant/innen nicht aus der untersten Schicht, sondern aus der unteren bis mittleren Mittelschicht. Zudem spielten historisch gewachsene, politische oder koloniale Beziehungen eine große Rolle. Was ist Migration? Die klassischen Migrationstheorien griffen Internationale Migration: auch zu kurz bei der zeitlichen Einordnung Eine Person verlegt ihren Lebensmittelpunkt über Staatsgrenzen hinweg von Migration: Sie sähen Migration als in ein anderes Land. einem einmaligen, höchstens zweimaligen Prozess: einmal Auswanderung und wieder Langzeit-Zuwanderer (longterm-migrant): zurück. Doch »Das ist nicht die gesamte Eine Person verlegt ihren üblichen Aufenthaltsort voraussichtlich für einen Geschichte – That‘s not the whole story«, Zeitraum von mindestens einem Jahr ins Zielland (Definition UN). betont Shinozaki, die in ihrer Forschung Kurzzeit-Zuwanderer (shortterm-migrant): entsprechend neuer Ansätze der Migra- Eine Person, die ihren Aufenthalts- oder Lebensmittelpunkt in einem Zeitraum tionsforschung die »Wie-Fragen« in den zwischen 3 bis 12 Monate verlegt (Definition UN). Vordergrund stellt. Diese Forschungsan- Menschen mit Migrationshintergrund (Definition in Deutschland): sätze fragen, wie Wanderungsbewegun- Alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gen passieren und welche Prozesse darin Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in involviert sind. Dabei werden Migrations- Deutschland als Deutsche geborene mit mindestens einem zugewanderten kreisläufe analysiert und Migrationsmuster oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil. von Individuen und Familien herausgear- beitet. Denn wer wann wohin migriert, ist
6 | FA C H TA G U N G prozesse und bestimmen oft auch die Tätigkeitsbereiche, in denen die Migrant/- innen aktiv werden. Damit wirkten sie als soziale Einheiten über Staatsgrenzen hinweg. Die Idee, dass solche soziale Kyoko Shinozaki, Ph.D. Veröffentlichungen: Einheiten in verschiedenen geografischen Räumen übergreifend existieren kön- Geb. 1973 in Amagi, Japan 2013: »Family matters: migrant domestic nen, liege dem transnationalen Ansatz Studium der Rechtswissenschaften and care work and the issue of recogniti- zugrunde. an der Kurume Universität in Japan. on«, Politikwissenschaft an der Univer- In: Floya Anthias et. al. (Hrgs.): Female Mig- Transnationaler Ansatz: Flächenräume sity of Washington, Seattle, USA. rants in Europe: The Paradoxes of Integrati- und soziale Räume Gender Relations and Development on, International Perspectives on Migration Laut Shinozaki unterscheidet man beim Studies an der London School of Series, Springer. transnationalen Ansatz Flächenräume Economics (1991–1997). und soziale Räume. Flächenräume sind Promotion in Soziologie an der 2010: »New female migrants and German konkrete Orte: ein Stadtteil von Frankfurt, Ochanomizu Universität, Tokio labour market« (with Maria Kontos), eine Gemeinde im Ruhrgebiet, ein Viertel (2004). In: Krystyna Slany, Maria Kontos & Maria in Tokio, ein Stadtteil in Manila oder in Liapi (Hrsg.): Women in New Migrations. Istanbul. Flächenräume sind die Orte, wo Sie war tätig als Assistant Profes- Debates in European Societies, Krakow: die Menschen wohnen, arbeiten, ein- sor in Gender and Diversity an der Jagiellonian University Press, 83–119. kaufen und wo die Kinder in die Schule Universität Maastricht (2005–2007), gehen. Soziale Räume dagegen entstehen war wissenschaftliche Mitarbeiterin 2005: »For the sake of the family? Explo- durch enge soziale Beziehungen von im FB Gesellschaftswissenschaften ring the nexus between the Philippines’ Menschen. Flächenräume und soziale an der Goethe-Universität Frank- social security and overseas employment Räume müssen nicht deckungsgleich furt a.M. (2007–2009, 2012) und policies« sein. Post-Doktorandin im DFG-Gradu- In: Frontiers of Gender Studies, iertenkolleg »Transnationale Soziale 4: 103–111. Shinozaki weist darauf hin, dass eine Unterstützung« an der Johannes Deckungsgleichheit oft politisch erwartet Gutenberg-Universität Mainz Kontakt: und wissenschaftlich angenommen wird. (2009–2011). Dr. Kyoko Shinozaki Dies geschehe immer dann, wenn davon Seit 2012 forscht und lehrt sie an Ruhr Universität Bochum ausgegangen oder als Ziel formuliert wird, der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Fakultät für Sozialwissenschaften dass Migrant/innen nach der Auswande- Forschungsschwerpunkte sind: Soziologie / Organisation, Migration, rung die Verbindung zur Herkunftsregion Transnationalisierung, Gender und Mitbestimmung und Herkunftsfamilie aufgeben und internationale Migration, Care, Citi- 44780 Bochum sich vollständig in den Ankunftsort und zenship, Hochqualifizierte Migration fon: 0234 / 32-22580 dessen Sozialstrukturen integrieren. Dies und Mobilität. kyoko.shinozaki@ruhr-uni-bochum.de entspricht jedoch nicht den tatsächli- chen Verhältnissen, die bei der Migration festgestellt werden. Zahlreiche Studien hätten in den vergangenen zehn Jahren gezeigt, dass viele Migrant/innen ihre so-
FA C H TA G U N G | 7 Wie viele Migrant/innen gibt es? Augenblicklich werden 214 Millionen Menschen, rund 3 Prozent der Weltbevöl- kerung, als internationale Migrant/innen definiert. In Deutschland zogen von 1991 bis 2011 knapp 19 Millionen Menschen aus dem Ausland zu (inklusive Zuzüge deutscher Staatsangehöriger), mit einem Schwerpunkt zu Beginn der ziale Beziehung mit ihren Herkunftsfamili- 1990er Jahre. Mit dem Wegfall des »Eisernen Vorhangs« war die Ausreise aus en und Herkunftsregionen nicht nur wei- Osteuropa erleichtert, außerdem flohen viele vor dem Bürgerkrieg im ehema- ter aufrechterhalten, sondern sogar neue ligen Jugoslawien. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Migrations- Verbindungen aufbauen. Sie schaffen laut geschehen auf einem niedrigen Niveau von 660 000 bis zu 960 000 Personen Shinozaki »transnationale Sozialräume«. stabilisiert. Allerdings gibt es mit rund 600 000 bis 750 000 Fortzügen pro Jahr Als transnationale Sozialräume werden auch eine erhebliche Abwanderung, sodass in den 20 Jahren von 1991 bis 2011 dabei grenzüberschreitende soziale insgesamt 14,4 Millionen Menschen Deutschland verließen, sodass der Wande- Verflechtungen bezeichnet, in denen die rungsüberschuss 4,6 Millionen Menschen oder rund 5 Prozent der Bevölkerung gemeinsamen sozialen Praktiken wie Er- beträgt. ziehungsmethoden, Symbolsysteme wie Kleidung, und auch Artefakte insgesamt eine so große Intensität entwickelt haben, dass sie zur hauptsächlichen sozialräum- en: Rund ein Drittel der Kinder von Gastar- Die philippinische Mutter würde für lichen Bezugseinheit der alltäglichen beiter/innen aus der Türkei oder dem ehe- ihre Kinder hier einkaufen und in dieser Lebenswelt geworden sind. maligen Jugoslawien lebte von den Eltern Handlung ebenso für ihre Kinder sorgen getrennt weiter im Herkunftsland. Neu ist wie eine Mutter, die ihren Kindern die jedoch die Intensität und Gleichzeitigkeit gekauften T-Shirts nicht per Paket zu- Transnationale Familien und Fürsorge der Kontakte, die die modernen Kommu- schicken muss. auf Distanz nikationsmittel und preisgünstigen Fern- Transnationale Familien sind »Familien, reisemöglichkeiten erlauben. Shinozaki Bei der Bewertung solcher Fürsorge die, obwohl sie die meiste Zeit voneinan- beschreibt beispielhaft, wie die »Fürsorge auf Distanz warnt Shinozaki davor, die der getrennt leben, dennoch zusammen- auf Distanz« einer philippinischen Haus- Erfahrung der räumlichen Trennung halten und so etwas schaffen, das als ein angestellten aussehen könnte, die als Teil automatisch als »schmerzlich« zu klassifi- Gefühl von Einheit und gemeinschaft- der globalen Fürsorgekette in Honkong zieren. Sie befürchtet, dass bei solch einer lichem Halt bezeichnet werden kann«, arbeitet, um ihre Familie zu ernähren: Die pauschalen Betrachtung die westliche beschreibt Shinozaki den Familientyp, Mutter chattet im Internet, sendet täglich Norm der Kernfamilie die Interpretation der, wie sie betont, nicht neu ist. Auch in SMS und ruft regelmäßig an. Es ist sogar von Untersuchungen beeinflusst. Denn den 1980er und 1990er Jahren gab es in möglich, dass sie ihre Kinder über Skype viele Kulturen, aus denen Migrant/innen Deutschland viele transnationale Famili- bei den Hausaufgaben betreut. kommen, seien nicht kernfamilienbasiert, sondern die Kinderbetreuung finde tra- ditionell in breiteren sozialen Kontexten, wie einer Großfamilie statt. Ihre Besuche Globale Fürsorgeketten bei Kindern von philippinischen Migrant/- innen hätten gezeigt, dass diese Kinder Globale Fürsorgeketten, die »Global Carechains«, bestehen aus mindestens auf den Philippinen zur Mittelschicht drei verschiedenen Gruppen von Frauen. Beispiel: Eine Mutter in Hongkong gehörten: Sie hätten ihr eigenes Haus in ist berufstätig und stellt eine Frau von den Philippinen als Kindermädchen ein. Diese wiederum, die Frau aus den Philippinen, stellt, während sie in Hongkong der Provinz, Appartements in Manila und arbeitet, eine ärmere Frau aus Manila für ihre Kinder zur Betreuung ein. Die Kin- anderen Metropolregionen, eine schöne der dieser Frau wiederum werden von der ältesten Tochter der Familie versorgt, Computerausstattung und teure Handys. die damit garantiert, dass die Mutter Geld verdienen kann. Stolz verwiesen sie darauf, dass sie all dies von ihrer Mutter haben.
8 | FA C H TA G U N G Familien schaffen transnationale Sozialräume Ein Familienverbund begründet einen transnationalen Sozialraum, wenn die Mitglieder zwar in verschiedenen Orten in verschiedenen Nationalgesellschaften leben, sie aber gleichzeitig in Bezug auf soziale Symbole wie die Sprache, die Musik, die Art und Weise, wie Geburtstage, Einschulung oder Abitur gefeiert werden, oder in der geteilten Nutzung von Artefakten und Kommunikationsmitteln wie SMS oder E-Mail genauso viele Gemeinsamkeiten untereinander teilen, wie dies jeweils an den ver- schiedenen Orten mit anderen Sozialgruppen der Fall ist. Wenn zum Beispiel die Geburt eines Kindes zwischen Familienangehörigen in Frankfurt Bockenheim, Deutschland, einerseits und in Accra, Ghana, andererseits genauso intensiv diskutiert und erlebt wird – es wird immer berichtet, wie es der Mutter geht, wie es dem Kind geht, was für ein Fest es geben wird und wie viel es kostet. Wenn eine solche Kommunikation sehr intensiv läuft und solche dauerhaften Beziehungen dabei entwickelt werden können, dann kann man von einer »transnationalen Familie« in grenzüberschreitenden Sozialräumen sprechen – dann ist eine transnationale Familie entstanden. Die Familie spielt also eine sehr wichtige Rolle, nicht nur bei der Entscheidung der Migration, sondern auch nach der erfolgten Migration. Dies soll nicht heißen, dass die Trennung Shinozaki bedauert auch, dass die Migra- nicht von Vielen tatsächlich als schmerzlich tionsforschung die Väter meist nicht im erlebt wird. Laut Shinozaki zeigen Studien, Blick hat. Familienmigration, insbesonde- dass vieles davon abhängt, wie alt die re wenn Mütter als Arbeitsmigrantinnen Kinder sind, ob die Eltern legal oder in andere Länder gehen, wird leider oft illegal im Aufnahmeland leben und wie verkürzt als »Frauenproblem« gesehen. viel Geld sie dort verdienen. Je jünger die Kinder, desto schmerzlicher ist die Tren- Zusammenfassung Dagmar Rees nung von den Eltern. Sind sie im Schulalter, können sie diesem Schmerz Ausdruck verleihen und setzen oft ihre Mutter / Eltern unter Druck, zurückzukommen. Für Teenager überwiegen dagegen mehr die Vorteile des besseren sozialen Status. Sind die Eltern legal ausgewandert und verdienen gut, können sie öfters die Kinder besuchen. Schwieriger ist es in den Familien, in denen Illegalität sowohl die Verdienstmöglichkeiten beschneidet als es auch rechtlich weitgehend unmöglich macht, ins Herkunftsland zu reisen. Und noch einen Nachteil der Fürsorge auf Distanz nennt Shinozaki: Die modernen Kommunikationsmittel können einseitig abgeschaltet werden – schwänzt das Kind die Schule, hat es seine Ausbildung geschmissen, und will mit den Eltern nicht darüber reden, haben diese aus der Ferne keine Einflussmöglichkeiten mehr.
FA C H TA G U N G | 9 »Die Integration von zugewanderten Ehepartnerinnen und -partnern in Deutschland« – eine Studie zur Heiratsmigration Welche Faktoren fördern oder hemmen die Lebenszufriedenheit und Integration von nachgezogenen Ehegatten aus Drittländern? Dieser Frage wird in einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nachgegangen. Frau Dr. Anja Stichs stellte das Konzept der Studie vor. Die Endergebnisse werden voraussichtlich Anfang 2014 vorliegen. Laut Stichs ist die BAMF-Heiratsmigra- In der Studie wird nur die Zielgruppe der Befragt werden Personen, die zwischen tionsstudie »Die Integration von zugewan- Ehegatt/innen aus Drittstaaten, die im 2005 (noch vor dem seit 2007 notwen- derten Ehepartnerinnen und -partnern Rahmen der Heiratsmigration zuziehen, digen Sprachnachweis) und 2012 nach in Deutschland« die erste, die statistisch berücksichtigt, unberücksichtigt bleiben Deutschland kamen. Dabei wurden 6 Un- relevante Aussagen über einzelne Facetten die Zuzüge aus EU Staaten und die auf- tergruppen gebildet, um möglichst viele des Ehegattennachzugs aus Drittstaaten grund EU rechtlicher Regelungen erfolgten unterschiedliche Paarkonstellationen und treffen wird. Dies liegt zum einen darin Familiennachzüge. soziostrukturelle Unterschiede abbilden begründet, dass die Forscherin als Mitar- Bis Mitte des Jahres 2013 werden 2.400 zu können. Diese Untergruppen beruhen beiterin des BAMF ihre Stichprobe aus dem repräsentativ ausgewählte Personen in auf zu beobachtenden Heiratsmustern, Ausländerzentralregister des Amtes ziehen einem rund 35-minütigen Interview zu die andere Studien aufzeigten. Konkret kann. Zum anderen baut die Befragung auf folgenden Themen befragt: wurden per Zufall Männer und Frauen aus qualitativen Forschungen zum Ehegatten- den ehemaligen Anwerbeländern Türkei nachzug in Deutschland auf, die Stichs zur » Soziodemographie und Migrations- und ehemaliges Jugoslawien ausgewählt Erstellung des standardisierten Fragebo- geschichte des Befragten sowie des sowie Frauen aus der Russischen Föde- gens heranzieht. Partners ration, der Ukraine, Indien, Pakistan, den » Paarbiographie, Geschlechterrollen- Philippinen und Thailand. Sowohl die Perspektive der zuziehenden bilder Partner/innen als auch die Umstände, die » Wohnumgebung und Haushalts- Ziel der Studie ist, belastbare Daten über der Migration vorgelagert sind sowie den konstellation die mitgebrachten Qualifikationen und Einwanderungsprozess begleiten, sind in » Schulische und berufliche Bildung Kenntnisse, die Lebenssituation, Wünsche der bisherigen Forschung vernachlässigt des Befragten und des Partners und Probleme von mit eingereisten oder worden. Aus einer lebenslaufsoziologi- » Aktuelle Tätigkeit des Befragten nachgereisten Ehepartnerinnen und schen Perspektive beinhaltet dieser Le- und des Partners, Zufriedenheit mit Ehepartnern zu gewinnen. Dadurch soll bensabschnitt allerdings mehrere wichtige der aktuellen Tätigkeit, Wünsche es möglich werden, Faktoren zu ermitteln, Entscheidungen und Übergänge, so z.B. » Deutschkenntnisse, Spracherwerb, die die Integration in die deutsche Gesell- den Prozess der Partnerwahl, die Anbah- Sprachpraxis, Nutzung von Integra- schaft beziehungsweise die Lebenszufrie- nung der ehelichen Lebensgemeinschaft, tions- und Beratungsangeboten denheit in Deutschland befördern oder die Vorbereitung auf einen (transnationa- » Soziale Vernetzung, Kontaktgelegen- hemmen. Auch soll die Studie ermögli- len) Ortswechsel, die Realisierung der Hei- heitsstrukturen chen, den Nutzen des Sprachnachweises, rat und der Migration sowie die Gründung » Einreisegründe, Zufriedenheit, Ver- der Integrationskurse sowie anderer eines neuen Haushalts und die Akkommo- bundenheit mit sowie Perspektiven integrationspolitischer Maßnahmen ein- dation in einem neuen Lebensumfeld. Im in Deutschland zuschätzen. Weiterhin sollen anhand der Rahmen dieses Forschungsprojektes soll Befragungsergebnisse Handlungsemp- daher die Dynamik der Heiratsmigration Die Studie unterscheidet dabei drei Typen fehlungen gegeben und zielgruppenge- aus der Perspektive sowohl des in Deutsch- der familiären Migration: die Familien- rechte integrationspolitische Maßnahmen land lebenden als auch des hinzuziehen- zusammenführung, die Miteinreise und (weiter)entwickelt werden. den Partners erforscht werden. die Migration zur Familiengründung.
10 | FA C H TA G U N G Datenquelle: Visastatistik (vgl. Migrationsbericht 2011, S. 135) und AZR (Ausländerzentralregister – Sonderaus- wertung) Anmerkungen zu Studien Zum Thema Heiratsmigration und Familiennachzug gibt es bereits viele Erkenntnisse aus der Forschung oder aus amtlichen Statistiken, z.B. die Visastatistik und das Ausländerzentralregister. Durch diese Quellen kann man sehen, wie groß der Familiennachzug oder der Ehegat- tennachzug ist, welche Gruppen nach Deutschland kommen. Amtliche Statisti- ken sind in der Reichweite ihrer Aussage jedoch begrenzt. Man kann daraus keine Aussagen machen, die beispielsweise die Integration der Personen oder ihre spezifi- schen Probleme, ihre Lebenszufriedenheit betreffen. Zu zugewanderten oder nachgereisten Ehegatten und zum Ehegattennachzug gibt es im Bereich der qualitativen For- Im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 hat Deutschland einen kontinuierli- schung eine Reihe von Studien: chen Anstieg des Ehegatten- und Familiennachzugs aus Drittstaaten erlebt. Danach ging der Familiennachzug stark zurück und liegt seit 2008 mit weit- » Zum Beispiel führen Al-Rebholz und gehend konstanten 40.000 Menschen bei weniger als der Hälfte des Höchst- Apitzsch von der Universität Frankfurt stands im Jahr 2002. Zum Teil ist der Rückgang auf den Beitritt der neuen aktuell eine Studie zu männlichen Hei- EU-Staaten in den Jahren 2004 (Beitritt der EU-10) und 2007 (Beitritt der EU-2) ratsmigranten aus den Ländern Türkei zurückzuführen, da Staatsbürger/innen aus diesen Ländern aufgrund der und Marokko durch. Freizügigkeitsregelungen kein Visum mehr benötigen. Heute kommen die nachziehenden Familienangehörigen hauptsächlich aus » Can Aybek, Gaby Straßburger u.a. ha- der Türkei, der Russischen Föderation, dem Kosovo, Indien, den Vereinigten ben in der qualitativen Untersuchung Staaten, Marokko, China, der Ukraine, Thailand und Japan. Dabei weisen »Heiratsmigration und Ehegatten- China, die Ukraine sowie die Russische Föderation die höchsten Steigerungs- nachzug aus der Türkei nach Deutsch- raten auf. Hier korrespondiert der Anstieg tendenziell mit einem Anstieg der land« türkische Heiratsmigrant/innen erteilten Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung aus diesen Staaten. mehrfach befragt, z.B. zunächst in der Türkei, dann in Deutschland. Es wur- den auch Familienangehörige befragt, um Aussagen über Veränderungspro- zesse machen zu können.
| 11 Anmerkung aus dem Publikum Aus der Beratungspraxis des Verbandes wissen wir, dass die Rahmenbedingungen für den Familiennachzug nicht immer günstig sind. Bestimmte Gruppen der Gesellschaft haben Angst vor einer »Vermischung« und haben einen Dr. Anja Stichs negativen Blick auf binationale Ehen. Auch der finanzielle Aspekt spielt eine Rolle: viele Paare Studium der Soziologie und Promotion an der verschulden sich um Sprachkurse zu finanzieren und um Freien Universität Berlin. die Familienzusammenführung durchzuführen. Mehrere Jahre an der Universität Bielefeld am Institut Es stellt sich die Frage, wie wirken sich solche Belastungen für Konflikt- und Gewaltforschung tätig. der Paare und Familien auf die nachfolgende Integration Dr. Anja Stichs arbeitet seit vielen Jahren in der empi- aus. Es wird bedauert, dass dies in der aktuellen Studie des rischen Sozialforschung zum Thema Integration. BAMF nicht berücksichtigt wird. Themenschwerpunkte, die sie dabei kontinuierlich verfolgt, sind Muslimisches Leben in Deutschland und Gender fragen. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mit- arbeiterin in der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge BAMF in Nürnberg. Sie ist Autorin/ bzw. Mitautorin folgender Veröffentlichungen des BAMF: Working Paper: Arbeitsmarktintegration von Frauen ausländischer Natio- nalität in Deutschland, 2008 Forschungsbericht: Muslimisches Leben in Deutschland, 2009 » Es gibt eine ältere Studie von Pataya Ruenkaew »Heirat Forschungsbericht: nach Deutschland. Motive und Hintergründe thailändisch- Islamisches Gemeindeleben deutscher Eheschließungen« zu thailändischen Heirats- in Deutschland, 2012 migrantinnen. Kontakt: Qualitative Studien gehen in die Tiefe und können so Zusam- Dr. Anja Stichs menhänge herausarbeiten und Probleme besser beschreiben Migrationsforschung als quantitative Studien, wie das BAMF sie macht. Daher ist das Forschungsfeld II »Empirische Sozialforschung« Zurückgreifen auf qualitative Studien im Vorfeld so wichtig. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge In Deutschland gibt es bisher noch keine explizite quantitative Frankenstraße 210 Studie zum Thema der Heiratsmigration. 90461 Nürnberg fon: 0911 / 943-4434 Die Ergebnisse der Studie Heiratsmigration können nach Fertigstellung anja.stichs@bamf.bund.de 2014 auf der Webseite des BAMF www.bamf.de unter der Rubrik For- schungsthemen/Integration abgerufen werden. Weitere Informationen zu den Aufgaben und zur Zusammenfassung Dagmar Rees und Maria Ringler Struktur des Bundesamtes unter www.bamf.de
12 | FA C H TA G U N G Stärken nutzen und Hürden beseitigen Familien mit Migrationshintergrund haben Stärken und Ressourcen, die aus eben dieser familiären Migrationserfahrung resultieren. Noch können sie diese nicht ungehindert in die Gesellschaft einbringen, denn sie sind als Familien aufgrund der für sie oft geltenden besonderen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen schlechter gestellt als ihre Nachbar-Familien ohne Migrationshintergrund. Was passieren muss, damit die in der Migration gründenden Stärken zum Tragen kommen können, welche Anforderungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu richten sind, dazu arbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Diskussionsrunden. Menschen aus Familien mit Migrations- sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder mit den großen Forderungen nach einem hintergrund haben eine hohe Sprach- in anderen sozialen Zusammenhängen legalen gesicherten Aufenthaltstitel für kompetenz, lautet ein Ergebnis aus den tätig zu werden. Familien mit Migrations- alle Familienmitglieder, sei es durch eine Diskussionsrunden zu Stärken und Res- hintergrund verfügen oft über große, Län- erleichterte Visaerteilung für Familienbe- sourcen dieser Familien. Dabei sollte unter dergrenzen überschreitende tragfähige suche bis hin zu einem allgemeinen Ein- Sprachkompetenz nicht nur das Sprechen Netzwerke. Sie sind offen für Neues und reiserecht für Familienmitglieder, durch und Verstehen mehrerer (Fremd)Spra- bereit für Veränderungen. Das Fazit: Poli- einen eheunabhängigen Aufenthaltstitel chen an sich verstanden werden, sondern tik, Wirtschaft und Gesellschaft könnten für nachgezogene Ehegatten oder durch auch die Fähigkeit, die vielfältigen Codes diese Ressourcen besser und nachhaltiger die Abschaffung der Optionspflicht für in unterschiedlichen Kulturen adäquat für sich nutzen, wenn ihr Blick auf Famili- in Deutschland geborene Kinder. Doch zu decodieren. Das Wissen darum, dass en mit Migrationshintergrund offener und auch im Detail liegen Zugangshürden: Zu eine Sache je nach Kultur unterschiedli- Wert schätzender wäre. hohe Anforderungen an den Nachweis che Aspekte haben kann, führt zu einem Die mangelnde politische Offenheit und amtlicher Unterlagen, zu hohes Niveau kritischeren Blick auf die Gesellschaft und Wertschätzung zeigt sich in Gesetzen, des geforderten Sprachnachweises beim befähigt, Probleme mit einem so erwei- Regelungen, Vorschriften und Umgangs- Familiennachzug oder Befragungen we- terten Blick innovativ zu lösen. Die eigene weisen, die den Alltag für viele Familien gen des Verdachtes auf »Scheinehe« und Fremdheitserfahrung stärkt die Resilienz, mit Migrationshintergrund erschweren. ein zu schwieriges Behördendeutsch, das steigert die Fähigkeit, Widersprüchlich- Die von den Diskussionsrunden zusam- viele Regelungen unverständlich macht. keiten auszuhalten, und ermöglicht es mengetragene Liste der Punkte mit Die Abhilfe: transparente, einfachere gleichzeitig als Vermittler in Konflikten, Änderungsbedarf ist lang. Sie beginnt Verfahren, die den gesetzlich verankerten
FA C H TA G U N G | 1 3 Wir wünschen uns als binationale und Migrantenfamilien ein größeres Mit- spracherecht bei der Politik und der Gestaltung der Gesellschaft. Politik geschieht zu sehr »von oben herab« und die Kommunen mit ihren verschiedenen Vereinen, Gruppen und Angeboten werden nicht oder nur zu wenig gehört. Sprachkurse für Migrant/innen sollten enger mit dem Arbeitsmarkt verzahnt und berufsorientierter gestaltet werden. Die familiäre Beziehungspfl Beziehungspflege ege über Grenzen hinweg stellt eine reiche Quelle an Information, Unterstüt- zung und Rückhalt dar, sie erstreckt sich teilweise über mehrere Länder und Kontinente hinweg. Schutz der Familie umfassend, für alle, im chigkeit mit entsprechender Einbindung die Leistungen würden entlang dieser Blick haben und auch die über die Kern- in den Schulunterricht, anonymisierte Unterscheidung ungerecht verteilt. familie hinausgehenden Familienformen Bewerbungsverfahren, Anerkennung von Grundsätzlich müsse die Familien- und berücksichtigen. im Ausland erworbenen Qualifikationen, Sozialpolitik differenzierter werden, damit Auch die Bildungs- und Arbeitsmarktpoli- eventuell eine Beschäftigungsquote für sie die gesellschaftliche Realität besser tik beinhaltet Barrieren, die das Entfalten Menschen mit Migrationshintergrund. abbilde. der Stärken verhindern. So werden viel- Bis die ganze Fülle von notwendigen fach die gesprochenen Sprachen, sofern Die Familien- und Sozialpolitik könnte die Änderungen in den Rahmenbedingun- es nicht international hoch angesehene Familien unterstützen, indem sie ihre In- gen umgesetzt ist, haben Familien mit Sprachen wie Englisch oder Französisch strumente an modernen Familienformen Migrationshintergrund trotz aller Stärken sind, nicht als arbeitsmarktrelevante orientiert und sich vom gesellschaftlich einen besonderen Beratungsbedarf. Qualifikationen gewertet. Auch in den überholten Bild der Kernfamilie (Beispiel: Dieser umfasst alle Lebensbereiche: Wie Schulen sind die mitgebrachten Familien- Ehegattensplitting) verabschiedet. Dies funktioniert Deutschland? Besonderen sprachen nicht als erste, zweite oder dritte käme nicht nur Familien mit Migrations- Beratungsbedarf gibt es bei Rechts- und Fremdsprache anerkannt und werden hintergrund zugute. Die augenblickliche Bildungsfragen. Die Beratung sollte dabei nicht unterrichtet. Die in Drittländern Sozial- und Familienpolitik an sich sei niederschwellig, ortsnah und mehrspra- erworbenen Abschlüsse und Qualifika- ungerecht, stellten die Teilnehmer/in- chig angeboten werden. tionen werden oft nicht anerkannt. Aus nen fest. Die Frage sei nicht, ob jemand dieser Analyse ergeben sich Handlungs- Migrationshintergrund habe oder nicht, Zusammenfassung Dagmar Rees forderungen: Anerkennung der Mehrspra- sondern ob jemand arm oder reich sei –
14 | FA C H TA G U N G Bei aller Wertschätzung von Vielfalt sollten in Kindergärten und Schulen Es braucht neben der Anerkennung der im Ausland erworbenen nicht nur die Unterschiede, sondern Qualifikationen geeignete Nachqualifizierungsmaßnahmen, auch die Gemeinsamkeiten der Kinder die staatlich finanziert werden müssen, so dass nennenswerte in den Blick genommen werden. Verbesserungen beim Zugang und bei der Eingruppierung in den Arbeitsmarkt erzielt werden können. Die vielen Selbständigen aus Familien mit Migrationshinter- Sprach(en)förderung, interkulturelle Bildung grund zeigen großen Mut neue Wege zu beschreiten. Oft und wertschätzender Umgang mit Diversität haben sie diesen Schritt aus wirtschaftlicher Not heraus getan. müssen in der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften als Schlüsselkompetenzen veran- kert werden. Man kann nicht imm immer zwischen Familien-, Sozial- und Schulpolitik trennen, da es viele Schnittmengen gibt. Aber es wird überall deutlich, dass der Staat in allen Bereichen deutlich nachfinanzieren und unterstützen muss.
FA C H TA G U N G | 1 5 Zahlen und Fakten Fast jede dritte Familie in Deutschland hat einen Migrationshintergrund Literatur 2010 lebten insgesamt rund 8,12 Mio Familien mit minderjährigen Kindern Ludger Pries in Deutschland. 2,33 Mio (28,8%) davon waren Familien mit Migrations- Transnationalisierung der sozialen Welt als hintergrund. Dies ist fast jede dritte Familie. Herausforderung und Chance in Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Transnationalis- Familien mit Migrationshintergrund leben überwiegend in den alten Bundes- mus und Migration, Dossier. ländern, dabei lebte fast jede zweite dieser Familien 2010 in Großstädten mit www.migration-boell.de/downloads/migration/ über 500.000 Einwohnern (42,6 %). Der Anteil in den Stadtstaaten Bremen Dossier_Transnationalismus_und_Migration.pdf (44,3 %) und Hamburg (41,8 %) war dabei am höchsten. Ludger Pries Wenn der Sozialraum der Menschen Kinderzahl (2010) nicht nur an einem Ort ist, und warum das für Soziale Arbeit wichtig ist in WISO Diskurs, Heft April 2013, Friedrich Ebert Stiftung, Bonn http://library.fes.de/pdf-files/wiso/09854.pdf Meike Sophia Baader Kinder und ihre Familien. Kinder im »doing family«, Familienerziehung und «family care« als Desiderate der Familienforschung in Dorothea Christa Krüger, Holger Herma, Anja Schierbaum (Hrsg.): Familie(n) heute. Entwicklungen, Kontoversen, Famlienform (2010) Prognosen Weinheim, Basel 2013 Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim Fernliebe. Lebensformen im globalen Zeitalter Berlin 2011 Can M. Aybek, Christian Babka von Gostomski, Stefan Rühl, Gaby Straßburger Heiratsmigration in die EU und nach Deutsch- land – ein Überblick in »Bevölkerungsforschung. Mitteilungen aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung«, Einkommen (2010) 34. Jahrgang, März 2013, www.bib-demografie.de Der mit Abstand wichtigste Grund für eine Einwanderung von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland ist die Heiratsmigration. Auch in der gesamten EU ist die Einwanderung stark von Migration geprägt, die auf einer Heirat oder sonstigen familiären Gründen basiert. Der Beitrag analysiert zum einen die aktuellen Regelungen zum Familiennachzug in Deutschland und aus international vergleichender Perspektive und zum anderen die Konstellationen von Heiratsmigration in Deutschland. Quelle: www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/135369/ familien-mit-migrationshintergrund und www.destatis.de
16 | Delegiertenversammlung 2013: Rückblick – Abschied – Ausblick Am 20. April war es wieder soweit – die gewählten Delegierten aus 25 Regionalgruppen des Verbandes kamen in Frankfurt am Main zur Delegiertenversammlung zusammen. Bundesweit tauschten sich Frauen und einige Männer über Vergangenes aus und diskutierten Zukünftiges miteinander. Viele kannten sich aus früheren Jahren und freuten sich auf ein Wiedersehen, neue wurden herzlich willkommen geheißen. Wie auch in den zurücklie- genden Jahren wurde auf die vielfältige professionelle Arbeit in den Regional- gruppen und auf Bundesebene zurück geblickt. Gemeinsam über aktuelle Themen zu reflektieren, Standpunkte zu analysieren und miteinander zu disku- tieren, wurde ausgiebig vorgenommen. Der vorgetragene Jahresbericht gab Einblicke in die Arbeit vor Ort, in die aus- differenzierten Beratungsangebote und Ungern verabschiedeten wir uns von Hiltrud Stöcker-Zafari verabschiedet in die vielfältigen Projekte mit Familien, Bettina Müller-Sidibé. Sie war unsere die erste Vorsitzende Bettina Müller-Sidibé Eltern(teilen) und Kindern / Jugendli- Vorsitzende seit vielen Jahren und zieht chen. Er kann sich sehen lassen und ist sich nun von den verantwortungsvollen Die AGF und unser Verband wurden dabei auf der Website eingestellt. Aufgaben zurück. In der Laudatio wurden von ihr sehr gut vertreten. Dafür und für www.verband-binationaler.de ihre Tatkraft und ihr Engagement hervor- die vertrauensvolle Zusammenarbeit gehoben. Bettina begleitete die Arbeit der bedankten sich die Mitarbeiterinnen Bundesgeschäftsstelle zuverlässig, war der Bundesgeschäftsstelle, die weiteren politisch vielseitig interessiert, diskutierte Mitglieder des Vorstandes und die Dele- gerne und viel, nahm sich Zeit – die sie gierten bei ihr. Bärbel Sánchez Coroneaux auch nur sehr begrenzt hatte – für Fragen, vom Bundesvorstand überraschte an- die an sie herangetragen wurden. Als schließend nicht nur Bettina sondern die Volkswirtin offerierte sie uns ihre Exper- gesamte Versammlung mit ihrem Gedicht tise bei finanziellen Herausforderungen, »Ein Zimmer mit Aussicht in Frankfurt« als Vorsitzende scheute sie sich nicht, und spielte dabei auf die angenehmen auch mit den ihr berufsfremden Themen gemeinsamen Abende an, die sie als der Familienpolitik umzugehen. In ihrer auswärtiges Mitglied im Bundesvorstand Amtszeit hatten wir erstmalig die Feder- bei Übernachtungen in Bettinas Wohnung führung in der AGF (Arbeitsgemeinschaft verlebte. der deutschen Familienorganisationen e.V.) übernommen und damit die Präsen- tation nicht nur für unseren Verband auf hoher politischer Ebene. Es wurde an die Gespräche mit dem Bundespräsidenten, der Kanzlerin oder auch der Bundesfamili- enministerin erinnert.
| 17 Bevor es an die Diskussion der vorgeleg- Die Themen »Schwarz-weiß« sowie Die Antworten der im Bundestag vertre- ten Anträge ging, wurde ein neuer Bun- Rassismus wurden auch für die Zukunft tenen Parteien auf die Wahlprüfsteine des desvorstand für weitere zwei Jahre sowie als bedeutende Themen für den Verband Verbandes werden – sobald sie vollstän- eine Rechnungsprüferin gewählt. identifiziert. Es wurde herausgestellt, dass dig vorliegen – aufbereitet und veröffent- zentrale Erfahrungen und Ergebnisse licht. Über die hierin angesprochenen Die Delegierten diskutierten über das vor Ort weiterhin gut aufzubereiten, zu Themen werden wir mit den Parteien im Vorhaben, weitere Förderer zukünftig zu bündeln und miteinander zu verzahnen Dialog bleiben. akquirieren. Unsere Themen sind rele- sind. Die Delegierten hoben die Bedeu- vante Querschnittsthemen und auch für tung von aktuellen bundeseinheitlichen Die nächste Delegiertenversammlung Menschen interessant, die selbst nicht in Positionierungen hervor, die vor Ort wird im April 2015 stattfinden. interkulturellen Lebenswelten leben. helfen, auf Ereignisse zeitnah und sachlich Es wurde sich wiederholt für die Abschaf- versiert reagieren zu können. Hier aktuell Hiltrud Stöcker-Zafari fung der Optionspflicht ausgesprochen zu bleiben, sollte uns allen wichtig sein. sowie für eine generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei Einbürgerung. Die Delegierten waren sich darin einig, dass die Anerkennung von Mehrstaatigkeit als Normalfall der tatsächlichen Lebenssitu- ation vieler Menschen in unserem Land Rechnung trägt. Das Staatsangehörig- keitsrecht sollte nicht weiterhin Staats- bürger/innen unterschiedlicher Klassen schaffen. Diese Forderung ist vor allem einer neuen Bundesregierung vorzutra- gen. Dorothea Lochmann Ebenso sollte sich eine neue Regierung Bärbel Dierks mit dem Dauerbrenner »Familiennach- zug« beschäftigen. Neben der Rücknahme des Spracherfordernisses vor der Einreise sollte sich der Verband insbesondere für Für das Amt der Rechnungsprüfung Die Ombudsperson des Verbandes, Erleichterung und Vereinfachung des wurde Bärbel Dierks aus der Regio- Dorothea Lochmann, berichtete über Verfahrens im Familiennachzug einset- nalgruppe Bremen für weitere zwei ihre Tätigkeit der letzten beiden Jahre. Im zen. In bewährter Manier werden hierfür Jahre wieder gewählt. Sie arbeitet seit Unterschied zur Wahl des Bundesvorstan- konkrete Fälle aus der Beratungspraxis 26 Jahren beruflich im Rechnungs- des und der Rechnungsprüfung wird die zusammengetragen und dabei auch auf wesen und in der Wirtschaftsprüfung. Ombudsperson für eine Amtszeit von 4 zusätzliche Gebühren geachtet, die meist Seit vielen Jahren engagiert sie sich Jahren gewählt. Dorothea Lochmann lebt in nicht unerheblicher Höhe von den Paa- im Verband, sie ist Dipl. Betriebswirtin in einer internationalen Familie in Bad ren / Familien entrichtet werden müssen. und macht die Arbeit der Rechnungs- Vilbel bei Frankfurt. Sie ist Mediatorin und prüfung gerne. Sie prüft regelmäßig Dozentin für Deutsch als Zweitsprache. die Bilanz des Verbandes und kon- Seit 2009 leitet sie das Institut für Konflikt- trolliert die satzungsgemäße Verwen- beratung und Mediation IKOM Frankfurt dung der Mittel. und ist als Ausbilderin für Mediation tätig. Kontakt: info@dorothea-lochmann.de
18 | D E L E G I E R T E N V E R S A M M LU N G Der neue Bundesvorstand stellt sich vor Angela Bärbel Rother-El-Lakkis Sánchez Coroneaux Name: Angela Rother-El-Lakkis Name: Dr. Bärbel Sánchez Coroneaux Wohnort: Bonn Wohnort: Leipzig Kontakt: Kontakt: bundesvorstand@verband-binationaler.de bundesvorstand@verband-binationaler.de Vorsitzende Stellvertretende Vorsitzende Mein thematischer Schwerpunkt Warum ich den Verband binationaler Mein thematischer Schwerpunkt im Bundesvorstand: Familien und Partnerschaften aktiv im Bundesvorstand: » Vertretung in der Arbeitsgemeinschaft unterstütze: » Vertretung des Verbandes im der deutschen Familienorganisatio- Binationale/ Bikulturelle Paare sind der Deutschen Frauenrat nen/AGF schönste Beweis dafür, dass friedliches » Thematische Schwerpunkte: » Vertretung in Europäischen Dach- Zusammenleben von Menschen unab- Inklusion und Bildung organisationen (ecb; CE) hängig von Hautfarbe und kulturellem » Verbandsentwicklung und » Strategische Begleitung der Inter- und religiösem Hintergrund möglich ist. Mitgliederentwicklung kulturellen Beratung Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften transportiert als Lobby- organisation die positiven und zukunfts- weisenden Werte dieser Partnerschaften sowohl in die deutsche Gesellschaft als auch auf die europäische Ebene. Der Ver- band setzt sich für ein anderes, besseres Miteinander ein. Er steht für die Vielfalt der Lebensformen, berät und informiert zu Themen, die für die gleichberechtigte Gestaltung interkulturellen Lebens wich- tig sind. Damit setzt er sich für die gleiche Vision von Gesellschaft ein wie ich und ich freue mich, mich dabei aktiv einbringen zu können. Mein Lebensmotto: »You have not done enough, you have never done enough, so long as it is still possible that you have something to contribute.« (Dag Hammarskjöld)
D E L E G I E R T E N V E R S A M M LU N G | 19 Sidonie Fernau John Kannamkulam Name: John Kannamkulam Name: Sidonie Fernau Wohnort: Hanau Wohnort: Hamburg Kontakt: Kontakt: j.kannamkulam@verband-binationaler.de Fernau@verband-binationaler.de Warum ich den Verband binationaler Mein thematischer Schwerpunkt Mein thematischer Schwerpunkt Familien und Partnerschaften aktiv im Bundesvorstand: im Bundesvorstand: unterstütze: » Partizipation und Teilhabe von Men- » Vertretung des Verbandes im Arbeits- Zum einen aufgrund meiner persönlichen schen mit Migrationshintergrund kreis Migration des PARITÄTISCHEN Erfahrung als Teil einer binationalen Fami- Gesamtverbandes lie in Deutschland. Warum ich den Verband binationaler » Vertretung des Verbandes beim Zum anderen, weil es mir wichtig ist, dass Familien und Partnerschaften aktiv Forum Menschenrechte wir in einem Land leben, dass durch Viel- unterstütze: » Vertretung des Verbandes beim falt und kulturellen Austausch geprägt ist. Durch mein vielfältiges ehrenamtliches Forum gegen Rassismus des Bundes- Der Verband vermittelt durch seine Engagement im Feld der Integrationspoli- ministerium des Inneren Aktivitäten und Projekte im Bereich der tik und Interkulturalität vor Ort in Hessen » Ansprechpartnerin: Pilotprojekt interkulturellen Bildung, durch Beratung kam ich zum Verband. Hier möchte ich Hochschulgruppengründung und durch seine Lobbyarbeit eben diese diese Erfahrungen und Kontakte gewinn- » Ansprechpartnerin: Kooperation mit Kompetenz einer interkulturell gemisch- bringend für den Verband einsetzen. Als dem Projektbüro Angewandte Sozi- ten Gesellschaft und wirbt dafür, diese studierter Ethnologe und Politologe ist alforschung der Universität Hamburg für die Gestaltung einer zukunftsfähigen die Partizipation und Teilhabe von Men- (»Bessere Anbindung der rein ehren- Gesellschaft einzusetzen. schen mit Migrationshintergrund mein amtlich arbeitenden Gruppen des Schwerpunktthema. Verbandes«) Mein Lebensmotto: » Administration unserer Facebook- Es gibt keinen, von dem du nicht lernen Mein Lebensmotto: Bundesseite kannst. (Dag Hammarskjöld) Eigentlich habe ich keins, weil ich viel zu jung für ein eigenes bin, daher halte ich mich an Mohandas Karamchand (Ma- hatma) Gandhi, der einst die Menschen aufgefordert haben soll: »Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt...«
20 | Zur Bundestagswahl 2013 Am 22. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Parteien sind gerüstet für den anstehenden Wahlkampf. Ihre Wahlprogramme liegen vor. Die Wähler/innen können sie online einsehen und sich ein Bild machen. Die Zivilgesellschaft formu- liert ihre mannigfaltigen Erwartungen an eine zukünftige Bundesregierung. Doch wie bei allen Wahlen bleiben zahl- Wahlprüfsteine des Verbandes reiche Menschen außen vor. Knapp sieben Auch unser Verband verfolgt die Vorbe- Millionen Menschen mit ausländischer reitungen zur Bundestagswahl. Bereits Staatsangehörigkeit – darunter zahlreiche Anfang des Jahres entwickelte er Wahl- Partner und Partnerinnen von Deutschen prüfsteine zu binationalen / bikulturellen – besitzen nicht das aktive und passive Themen und fragte die im Bundestag Wahlrecht, können somit nicht an ihren vertretenen Parteien CDU/CSU, FDP, eigenen Angelegenheiten mitwirken SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und Die und stehen dem demokratischen Prozess Linke. Alle Parteien haben uns Rückmel- außen vor. In manchen Stadtteilen deut- dung zu den Wahlprüfsteinen gegeben. scher Großstädte kann das ein Drittel der Darüber hinaus wurde eine Bereitschaft Wohnbevölkerung ausmachen. zum fortlaufenden Dialog auch nach den Dabei ist das politische Interesse der Wahlen im September 2013 signalisiert. eingewanderten Menschen nicht weniger Ein Dialog, den wir als Verband auf jeden ausgebildet als bei Deutschen. Laut einer Fall verfolgen werden. Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF, Workingpaper Wir fragten zu den Schwerpunkten: Nr. 46 vom 27.09.2012) interessieren sich 1. Sprache und Mehrsprachigkeit Menschen mit Migrationshintergrund in 2. Interkulturelle Öffnung und Bildung der zweiten Generation ebenso häufig 3. Anerkennung und Qualifizierung wie Deutsche für Politik (ca. 60 %), in der 4. Ausländerrecht ersten Generation der Eingewanderten 5. Besuchervisum sind es 43%. Die Analysen beziehen 6. Staatsangehörigkeit/ Mehrstaatigkeit sich auf die Jahre 2002 bis 2008. Eben- 7. Eheschließung falls stellte die Studie fest, dass sich 8. Familie und Binationalität Personen mit Migrationshintergrund 9. Antidiskriminierung und deutscher Staatsangehörigkeit zu Das Gesamtergebnis veröffentlichen wir einem höheren Anteil mit politischen in einem Sondernewsletter und auf unse- Belangen auseinandersetzten als aus- rer Website – sobald uns die ausführliche ländische Personen. »Dies könnte ein Antwort der CDU/CSU vorliegt. Hinweis darauf sein, dass das größtenteils fehlende Wahlrecht bei Ausländern ihre Bereitschaft abschwächt, sich mit dem politischen Leben in Deutschland zu beschäftigen.«(Workingpaper Nr. 6, S. 5) Die Schere zwischen Wahl- und Wohn- bevölkerung darf nicht weiter bestehen. Der Demokratisierungsprozess muss sich weiter entwickeln und auch Migrant/- innen mit einbeziehen, die dauerhaft in diesem Land leben.
Sie können auch lesen