Zur Förderungswürdigkeit des E-Sports.
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http://www.mediaculture-online.de Autor: Breuer, Markus. Titel: Zur Förderungswürdigkeit des E-Sports. Quelle: merz. medien + erziehung. 53. Jg., Heft 6/ 09, Nr. 3. München, S. 58-64. Verlag: kopaed. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Markus Breuer Zur Förderungswürdigkeit des E-Sports. Zielstellung Der Begriff der Medienkompetenz wird als zentrales Konstrukt der Medienpädagogik seit Beginn der 1990er Jahre verstärkt diskutiert (Hugger 2008, S. 93). Als Medien sind dabei verstärkt die neuen Medien in das Blickfeld von Öffentlichkeit und Wissenschaft geraten, also vor allem elektronische Medien wie das Internet, aber auch Computer und Telespiele, wie sie im Fokus des nachfolgenden Artikels liegen sollen. Dabei geht es nicht nur um die technische Komponente, sondern es soll Medienkompetenz die grundsätzliche Fähigkeit eines Individuums beschreiben, sich in einer von Medien geprägten Welt zurechtzufinden (Bickelmann/ Sosalla 2002, S. 17). Als ein Bestandteil der elektronischen Medien gelten seit circa Mitte der 1980er Jahre auch die erwähnten Computerspiele. Der Terminus soll dabei im Folgenden synonym für jegliche Art von elektronischen Spielen genutzt werden. Eine Nutzungsart dieses Mediums konnte dabei in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung vollziehen: der E-Sport. Abseits der Debatte um Killerspiele und deren potenziellem, aus unterschiedlichen politischen Lagern immer wieder eingefordertem Verbot, hat sich aus einem Jugendphänomen ein Wirtschaftszweig ausgebildet. Ziel des nachfolgenden Beitrags soll sein, den E-Sport in seiner derzeitigen Konstitution zu umschreiben, wobei insbesondere die öffentliche Wahrnehmung eine Rolle spielen wird. Weiterhin soll erörtert werden, in welcher Form der elektronische Sport zur Steigerung der Medienkompetenz seiner 1
http://www.mediaculture-online.de Nutzerinnen und Nutzer beitragen und wie vor diesem Hintergrund eine öffentliche Begleitung ausgestaltet werden kann. E-Sport und seine öffentliche Wahrnehmung In der Literatur findet sich bislang ebenso wenig eine allgemein anerkannte Definition für E-Sport wie für eine einheitliche Schreibweise. Der Begriff selbst findet in den späten 1990er Jahren erstmals Erwähnung. Die einfachste Definition des E-Sports beschreibt ihn als „das wettbewerbsmäßige Spielen von Computer- oder Videospielen im Einzel- oder Mehrspielermodus“ (Müller-Lietzkow 2006, S. 102). Ähnlich wie im klassischen Sport, wo verschiedene Veranstaltungsformen vorliegen, ist dies auch im Falle des E-Sports beobachtbar. Während es in der Leichtathletik bspw. die Unterscheidung zwischen Hallen- und Freiluftveran-staltungen gibt, so sind im Falle des elektronischen Sports vor allem reine Online- von Präsenzwettkämpfen (Offline- oder Livewettkämpfen) zu unterscheiden. Der letztgenannte Fall einer Präsenzveranstaltung ist dem eines klassischen Sportwettkampfs am ähnlichsten. Die Sportlerinnen und Sportler bzw. Spielerinnen und Spieler befinden sich in einem physisch abgegrenzten Raum; die Verbindung der Rechnersysteme kann über ein lokales Netzwerk erfolgen. Den Ursprung haben derartige Veranstaltungen in sogenannten ,Privat-LANs’. Neben dieser Ausgestaltung der Turniere findet sich im Bereich der reinen Online-Wettkämpfe die zweite große Gruppe. In diesem Fall sind die Teilnehmenden bzw. ihre Rechner/Konsolen über das Internet miteinander verbunden; ein physischer Wettkampfort existiert nicht. Spontane Wettkämpfe sind dabei ebenso möglich wie Turniere, die zu festgelegten Zeiten ausgetragen werden. Aufgrund des geringen Alters des E-Sports existiert bislang praktisch keine Gruppe passiver Konsumenten, die den E-Sport selber nicht mehr betreiben. Eine genaue Quantifizierung der E-Sportlerinnen und E-sportler in Deutschland fällt nach gängiger Meinung außerordentlich schwer, wenn sie nicht unmöglich ist. Der esb (Deutscher E-Sport Bund) veröffentlicht aktuell eine Zahl von circa 1,5 Millionen Aktiven. Betrachtet man die demografischen Daten, so überrascht es nicht, dass E- Sportlerinnen und E-Sportler als ein junges Phänomen bezeichnet werden können. Geringe Eintrittsbarrieren ermöglichen sogar Minderjährigen den Eintritt in den professionellen bzw. semi-professionellen Bereich. Laut einer Studie der Universität Stuttgart aus dem Jahre 2007 sind 75 Prozent der E-Sportlerinnen und E-Sportler 2
http://www.mediaculture-online.de zwischen 16 und 21 Jahren alt. Bezüglich der Geschlechterverteilung konnte das Vorurteil des männlichen Spielers bestätigt werden: Circa 98 Prozent der Probandinnen und Probanden waren männlich. Abseits dieses Stereotyps unterscheidet sich der durchschnittliche Aktive jedoch signifikant vom Bild des tumben Gewaltspiel- Konsumenten, was sich sowohl an Interessen jenseits des E-Sports wie auch an ausgeprägten Sozialkontakten feststellen ließe. Umfragen aus der deutschen Electronic Sports League bestätigen diese Aussagen. So sind 97,2 Prozent der 72.000 Befragten in einer 2007 durchgeführten Untersuchung männlichen Geschlechts, knapp 80 Prozent sind jünger als 22 Jahre. Die größte Gruppe besuchte zum Befragungszeitpunkt ein Gymnasium, je circa 15 Prozent waren berufstätig oder in einer Ausbildung/ Lehre. Eine jüngere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es in zeitlicher Hinsicht zu keinen nennenswerten Verdrängungen realer sportlicher Aktivitäten durch Computerspiele kommt (Klink et al. 2008, S. 276). Die mediale Verwertung des E-Sports findet bislang in der Hauptsache im Rahmen von Online-Angeboten statt, eine Wahrnehmung in den klassischen Massenmedien existiert praktisch nicht. Unter den Online-Medien, deren gemeinsames Merkmal die notwendige Existenz eines (hinreichend schnellen) Internetzugangs ist, finden sich nun verschiedene Angebote, die sich auf die mediale Verwertung des E-Sports spezialisiert haben. Zu diesen gehören unter anderem ESL TV, die Plattform eines kommerziellen Ligabetreibers, das seit April 2007 existente Portal game-TV.com sowie Giga, ein Sender, der unter der Führung von NBC bereits Ende der 1990er Jahre interaktives Fernsehen und Berichte über Telespiele eingeführt hat1. Gemein ist diesen Anbietern, dass sie nicht flächendeckend über klassische Kanäle empfangen werden können. Was im klassischen Fernsehen noch als Ausnahme gilt, hat sich in diesem Segment als Standard durchgesetzt: der Empfang mittels WebTV. In den Printmedien findet der elektronische Sport bis heute praktisch keine Beachtung, sieht man von vereinzelten Beiträgen im Rahmen der Killerspieldebatte ab. Die bislang populärsten Versuche E-Sport im frei empfangbaren Fernsehen zu etablieren, wurden in den Jahren 2006 und 2007 vom Deutschen Sport Fernsehen (DSF) begangen. In beiden Fällen entschieden sich die Verantwortlichen zu einer wöchentlichen Sendung von 30 Minuten Länge, die sich jeweils 1 Die Zukunft Gigas ist aktuell unsicher, da Premiere als Eigentümer die Einstellung des Programms zum 31.03.09 beschlossen hat. 3
http://www.mediaculture-online.de mit virtuellen Fußballturnieren beschäftigte. Neben dem DSF versuchte unter den etablierten TV-Stationen nur der Musikkanal MTV den Betrieb einer eigenen Berichterstattung. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Welt des elektronischen Sports sich in einer Entwicklungs- und Expansionsphase befindet, wie sie auch für Trendsportarten als typisch gelten kann und an deren Ende teils die Etablierung steht. Im Bereich der Medialisierung erklärt sich die Dominanz neuer Medien einerseits durch die hohe technische Affinität der Nutzende, zum anderen durch die Exklusion des E-Sports von den traditionellen Medien, insbesondere des Fernsehens. Computerspiele und E-Sport im Blickfeld der Medienkompetenz Wie bereits angesprochen, findet der Begriff der Medienkompetenz insbesondere seit den 1990er Jahren verstärkte Beachtung. Auch wenn eine Prognose bezüglich der Bedeutung des Terminus in der Zukunft wie in fast allen Bereichen mit Unsicherheit verbunden ist, zeichnet sich hier jedoch eine Tendenz hin zu wachsender Bedeutsamkeit ab. Gleichwohl konnte sich – und dies darf wohl als typisch für den Diffusionsprozess von Konstrukten gelten – bislang keine eindeutige Definition durchsetzen. Trotz der Unterschiedlichkeiten im Detail können verschiedene Übereinstimmungen gefunden werden, die in allen theoretischen Konzepten vertreten sind. Hugger (2008, S. 95) nennt dabei an erster Stelle die Tatsache, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene in einer durch Medialisierung gekennzeichneten Umwelt vermehrt in der Lage sein müssen, Medien zu organisieren, zu reflektieren und kreativ zu nutzen. Im Falle von Kindern und Jugendlichen sei anzunehmen, dass nicht allen Heranwachsenden der Erwerb von Medienkompetenz im gleichen Ausmaß gelingen kann, so dass die Unterstützung und Förderung mit Hilfe medienpädagogischer Programme notwendig sei (ebd.). Aus der Tatsache, dass explizit auf alle Altersstadien des Menschen eingegangen wird, lässt sich weiter ableiten, dass das Erlernen von Medienkompetenz kein abzuschließendes Stadium darstellt. Einzelne Gruppen benötigen individuelle Voraussetzungen, die sich auf Determinanten wie Lebensalter oder auch Bildungsstand konzentrieren. Konzepte zur Vermittlung von Medienkompetenz müssen daher Möglichkeiten der permanenten Anpassung beinhalten und Erweiterungs- bzw. Kombinationsmöglichkeiten einschließen. Bereits in der Konzeption sollten Überprüfungszyklen Berücksichtigung finden (Bickelmann/Sosalla 4
http://www.mediaculture-online.de 2002, S. 25). Dies verstärkt sich umso mehr, sofern neue Medien im Bereich der Medienkompetenz Berücksichtigung finden. Im hier betrachteten Kontext können weniger Computerspiele per se, als vielmehr Spiele als neu gelten, die es erstens ermöglichen, von mehreren Personen gleichzeitig genutzt zu werden und die zweitens netzwerkfähig sind, in dem Sinne, dass die Spielerinnen und Spieler nicht an einem eng umgrenzten physischen Ort versammelt sein müssen, sondern mittels moderner Kommunikationswege eine ,virtuelle Gemeinschaft‘ bilden können. Damit wird die Perspektive bewusst eingeengt, um eine angemessene Analyse zu ermöglichen. Bezug nehmend auf einen der ersten Ansätze zu Medienkompetenz von Baacke, lassen sich vier verschiedene Felder definieren: die Medienkunde, die Medienkritik, die Mediengestaltung und die Mediennutzung. Im Zusammenhang mit Computerspielen im Allgemeinen und E-Sport im Speziellen sind besonders die Medienkunde und ihre Nutzung von Bedeutung. Neben dem Erlernen der instrumentell-qualifikatorischen Dimension der Medienkunde, den ,handwerklichen‘ Fähigkeiten und Fertigkeiten, die notwendig sind, um (neue) Medien zu nutzen, spielt vor allem die Unterscheidung von virtuellen und realen Welten im Sinne einer Rezeptionskompetenz, also des verantwortungsvollen, kritischen Umgangs mit Medien eine Rolle. Diese Unterscheidung findet sich ebenso im Kontext der Nutzung des Fernsehens, wird allerdings im Bereich von elektronischen Spielen oftmals als problematischer eingeschätzt, da Kinder und Jugendliche in diesem Fall nicht nur eine passive Rolle als Betrachtende respektive Konsumierende einnehmen, sondern vielmehr in der Lage sind, das Geschehen aktiv zu beeinflussen. Diese Beeinflussung stellt nicht nur eine theoretische Möglichkeit dar, wie sie zum Beispiel auch bei Angeboten unter dem Schlagwort des ,Web 2.0‘ subsumiert wird, sondern ist im Falle von Computerspielen ein zentrales, nutzenstiftendes Element. Aus einer ökonomischen Perspektive kann gesagt werden, dass der Nutzen eines derartigen Spiels nicht aus dem Besitz heraus resultiert, sondern praktisch ausschließlich aus der Beschäftigung damit und dem aktiven Einbringen eigener Ressourcen wie Zeit durch die Besitzerin oder den Besitzer. Neben den Chancen, die dem E-Sport prinzipiell zugeschrieben werden können – Erlernen von Medienkompetenz in den Bereichen Medienkunde und Rezeptionskompetenz – existieren verschiedene Risiken, die im vorliegenden 5
http://www.mediaculture-online.de Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben dürfen und dann auftreten, wenn eine entsprechende Medienkompetenz eben nicht vorliegt bzw. nicht erlernt werden kann. Allgemein werden in der Regel zwei Gruppen von Gefährdungspotenzialen gesehen: Die Diskussion um den Transfer virtueller Gewalt sowie die Spielsucht bzw. die Vernachlässigung sozialer Kontakte. Zum ersten ist festzuhalten, dass die Diskussion um die Gefahren von Mediengewalt (gleich in welchem Medium) als so alt gelten darf, wie Medien selbst (Kunczik/Zipfel 2008, S. 449). Ungeachtet der Vielzahl verschiedener Theorien führt die Gesamtschau aller empirischen Befunde der Forschung zu dem relativ unumstrittenen Ergebnis, dass Gewaltdarstellungen in den Medien negative Effekte in der Realität nach sich ziehen können (ebd. S. 451). Die Frage, was zuerst da war, die Henne (in Form der Nutzung gewalttätiger Medien) oder das Ei (gewalttätiges bzw. aggressives Verhalten), ist damit jedoch nicht beantwortet. Bezüglich der in der Öffentlichkeit als besonders gefährlich eingestuften Computerspiele sind für diesen Zusammenhang keine stärkeren Zusammenhänge festgestellt worden (ebd. S. 452). Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass das von verschiedenen Politikern geforderte Verbieten sowohl aus der oben geschilderten Perspektive zu kurz greift, als auch aus dem Grund, dass ein derartiges Verbot das Gegenteil der Intention erreichen kann: Das Verbotene hat die Nachfrage schon immer angeregt. Die Ausführungen zur Thematik der Gefährdungen aus (Online-) Spielsucht und der Vernachlässigung des sozialen Umfeldes sollen im vorliegenden Rahmen äußerst kurz gehalten werden. So ist zum einen festzuhalten, dass die Gefährdung realiter besteht. Gleichwohl kann dieser Aspekt für den Bereich des E-Sports weitgehend unberücksichtigt bleiben. Einerseits kommt es im elektronischen Sport gemäß der obigen Definition nicht zum Aufbau einer virtuellen Welt, wie sie in Online- Rollenspielen entsteht. Andererseits kann für E-Sportlerinnen und E-Sportler noch stärker als für die weiteren Nutzerinnen und Nutzer von Computerspielen festgehalten werden, dass es sich beim E-Sport um ein soziales Phänomen handelt. Ziel ist der wettbewerbsmäßige Vergleich, Ausdrucksformen dieses Ziels sind unter anderem Clans und Turniere, bei denen neben dem Leistungsvergleich die Kommunikation im Vordergrund steht. Auch bezüglich der physischen Entwicklung besteht weniger Grund zur Sorge, als an populärer Stelle immer wieder vertreten, da es in zeitlicher Hinsicht zu 6
http://www.mediaculture-online.de keinen nennenswerten Verdrängungen realer sportlicher Aktivitäten durch Computerspiele kommt (Klink et al. 2008, S. 276). © Chapree Da Grande E-Sport Meisterschaften erfreuen sich großer Beliebtheit. E-Sport im Spannungsfeld zwischen Medienkompetenz und öffentlicher Wahrnehmung Sofern der E-Sport – wie dies skizziert wurde – einen Beitrag zur Ausbildung von Medienkompetenz zu leisten im Stande ist, ist zu überprüfen, wie und ob dieser praktisch unterstützt werden kann. Für den Bereich des E-Sports ist diese Frage bislang nicht diskutiert worden, wohl aber für Computerspiele im Allgemeinen. Bereits in den 1990er Jahren sprach sich beispielsweise Jürgen Maaß aus mehreren Gründen für die staatliche Prädikatisierung positiver Spiele aus: Zum ersten seien die Erfahrungen in inzwischen etablierten Medien wie dem Film zu nennen, in dem es die öffentliche Aufgabe sei, eine Orientierungshilfe zu geben. Zweitens war ein Verbot entsprechender Spiele bereits Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Vernetzung aus rein technischer Sichtweise nicht mehr möglich. Abschließend ist der Effekt zu nennen, dass Verbote ungewollt Werbung für die betroffenen Spiele machen und schließlich, dass langfristige negative Schädigungen durch Computerspiele wissenschaftlich noch nicht belegt seien – eine Situation, die sich in ihrem Grundtenor bis heute nicht geändert hat! 7
http://www.mediaculture-online.de Für den E-Sport lässt sich auf Basis der Erfahrung der vergangenen Jahre eine ähnliche Beobachtung machen. Trotz weitgehender Missachtung des Phänomens in den konventionellen Medien lässt sich ein deutlicher Anstieg der Nutzenden konstatieren, so dass selbst die Entwicklung zu einer Anerkennung als Sport in Deutschland mittelfristig nicht mehr auszuschließen ist, wenn dem auch die derzeit ablehnende Haltung der etablierten Sportinstitutionen entgegensteht. Eine Orientierungshilfe in Form einer Prädikatisierung einzelner Spiele/Disziplinen ist bislang jedoch nicht realisiert worden. Ein Verbot des E-Sports steht indes in keiner Weise zur Diskussion, zumal für einen solchen Schritt die gesetzliche Grundlage fehlt; die Ausrichtung von Turnieren könnte lediglich mittels eines Verbotes der entsprechenden Basisspiele betrieben werden. Auf eine nähere Betrachtung dieses Komplexes soll an dieser Stelle verzichtet werden. Wenn auch die Vergabe von Prädikaten aktuell wenig diskutiert wird, so finden sich doch Ansätze, die den gezielten Einsatz von E-Sport im Rahmen der Förderung der Medienkompetenz fördern. Zwei dieser Ansätze sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. So ist zum einen die unter dem Motto „zusammen Spiele erleben“ stattfindende Eltern- LAN zu nennen. In zehn für 2009 geplanten Veranstaltungen werden Eltern wie auch Lehrkräfte an den Komplex der Computerspiele herangeführt. Ziel ist es, Berührungsängste abzubauen und unter pädagogischer Anleitung Spiele selber auszuprobieren. Dabei wird ein breites Spektrum an Titeln angeboten, darunter mit Counterstrike auch das in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland wohl umstrittenste Spiel. Organisatorisch zeichnen sich neben Turtle Entertainment als einem kommerziellen Ligenbetreiber unter anderem Spielraum, das Institut zur Förderung der Medienkompetenz an der Fachhochschule Köln, das Projekt Spieleratgeber NRW und spielbar.de, das Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zum Thema Computerspiele verantwortlich. Dieses Programm ist umso erwähnenswerter, stellt es doch eine Ausnahme dar, da Eltern bislang kaum angeleitet werden, sich mit den Medien ihrer Kinder auseinanderzusetzen (Bickelmann/Sosalla 2002, S. 34). Das zweite hier zu nennende Beispiel für eine offensive Herangehensweise an den elektronischen Sport und seine Nutzung im Rahmen der Medienerziehung findet sich im Falle der E-Sport Schulmeisterschaften. 8
http://www.mediaculture-online.de Begleitet vom Erfurter Institut Spawnpoint liegt auch hier das Augenmerk auf dem verantwortungsvollen Umgang mit Computerspielen. Schulen können dabei durch ein oder mehrere Teams vertreten werden, die im Wettstreit mit anderen Mannschaften um Sachpreise antreten, die die Schule im Rahmen der Lehre einsetzen kann. © endoflevelboss Bei Eltern-LANs werden Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen an Computerspiele herangeführt. So nennenswert diese Ansätze sind, so begrenzt ist ihre derzeitige Reichweite, sowohl hinsichtlich der Teilnahme, als auch hinsichtlich der Medienresonanz. So konnten im Rahmen der Schulmeisterschaft 2008/09 lediglich 26 teilnehmende Schulen (mit 31 Teams) im gesamten Bundesgebiet registriert werden. Vergleicht man diese Größen mit den Schätzungen der aktiven Spielerinnen und Spieler, so zeigt sich, welches Potenzial für eine Weiterentwicklung dieser Strategien besteht. Die politische Unterstützung für Anstrengungen dieser Art ist dabei einerseits vorhanden, andererseits punktuell und offensichtlich nicht systematisch ausgerichtet. Neben der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich beispielsweise der nordrheinwestfälische Minister für Familie, Frauen und Integration, Armin Laschet, als Schirmherr der Eltern-LAN. Ein koordiniertes Vorgehen ist bislang nicht erkennbar; eine Überprüfung der intendierten Wirkung oder eine Definition der oben angesprochenen Überprüfungszyklen ist bislang in keiner Weise erkennbar. Die Landesmedienanstalten, sonst häufig in Projekte zur Förderung der Medienkompetenz eingebunden und mit dem gesetzlichen Auftrag zur Förderung der Medienkompetenz ausgestattet (Bickelmann/ Sosalla 2002, S. 39, 55), treten bislang gar 9
http://www.mediaculture-online.de nicht in Erscheinung. Ein koordiniertes Vorgehen erscheint in einem sich schnell entwickelnden Segment wie dem E-Sport jedoch nötig, um zu vermeiden, dass unintendierte Wirkungen auftreten oder die Realisierung einer öffentlichen Förderung nicht mit der Praxis Schritt halten kann. So stellt sich die Frage, in welcher Form eine Förderung des E-Sports Gestalt annehmen könnte. Inhaltlich nahe zur derzeitigen Praxis und leicht realisierbar wäre eine Unterstützung ausgewählter Veranstaltungen im Zuge der Medienförderung. Unter kontrollierten Bedingungen ist es dabei möglich, Heranwachsende in den verschiedenen Ausprägungen der Medienkompetenz zu schulen und dabei eine altersgerechte Ausrichtung zu gewährleisten. Statt der Unterstützung bestehender Ausprägungen ist der Aufbau gänzlich öffentlich organisierter Veranstaltungen ebenfalls denkbar, jedoch aus zwei Gründen unwahrscheinlich. Dies sind zum einen der hohe bestehende Finanzierungsbedarf sowie zum anderen das Fehlen der notwendigen Kompetenzen, die zur Durchführung notwendig sind, so dass der Rückgriff auf bestehende Strukturen hier die effizientere Alternative darstellt. Voraussetzung wäre jedoch die Zielidentität der beteiligten Parteien, um spätere Interessenkonflikte zu vermeiden. Resümee Der elektronische Sport hat, praktisch unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung, eine bedeutsame Position in der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen eingenommen, stellt er doch nichts anderes dar, als die logische, auf den Möglichkeiten moderner Kommunikation beruhende Weiterentwicklung der Nutzung von Telespielen, wie sie in den 1980er Jahren und beschleunigt in den 1990er Jahren begonnen hat. E-Sport muss dabei klar von der Alleinnutzung von Computerspielen getrennt betrachtet werden. Hier können nicht nur Kompetenzen im technischen, sondern auch im sozialen Bereich erworben werden. Auf Basis der genannten Beispiele kann konstatiert werden, dass bereits heute eine Zusammenarbeit zwischen Veranstaltern, Aktiven und der öffentlichen Hand erfolgt, um einzelne Aspekte der Medienkompetenz zu fördern und insbesondere einen reflektierten Umgang mit dem Medium zu unterstützen. Nur wenn diese Bemühungen ausgebaut werden, kann der E-Sport im Sinne der Medienpädagogik 10
http://www.mediaculture-online.de genutzt werden. Kommt es hingegen zum völligen Rückzug, wird dies weder Veranstalter noch Spielende an weiteren Aktivitäten hindern. Vielmehr verliert die Öffentlichkeit jedoch in einem solchen Szenario jegliche Kontrolle über die Prozesse. Aus dieser Perspektive heraus erscheint es dringend notwendig, den elektronischen Sport aus seiner derzeitigen Position herauszulösen und ihn in der Öffentlichkeit zu etablieren, um zukünftig den verantwortungsvollen Umgang mit elektronischen Spielen zu fördern. Literatur Bickelmann, Karin/ Sosalla, Werner (2002). Medienkompetenz. Voraussetzungen, Förderung, Handlungsschritte. Berlin: Vistas. Hugger, Kai-Uwe (2008). Medienkompetenz. In Sander, Uwe/ von Gross, Friederike/ Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag. S. 93-99. Klink, Alice/ Marcolesco, Michael/ Siemens, Sönke/ Wolling, Jens (2008). Sport in virtuellen und realen Welten. Eine Befragung unter Jugendlichen. In: Quandt, Thorsten/ Wimmer, Jeffrey/ Wolling, Jens (Hrsg.), Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames. Wiesbaden: VS Verlag. S. 263-277. Kunczik, Michael/ Zipfel, Astrid (2008). Gewaltdarstellungen. In Sander, Uwe/ von Gross, Friederike/ Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.). Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag. S. 449-453. Müller-Lietzkow, Jörg (2006). Sport im Jahr 2050: E-Sport! Oder: Ist E-Sport Sport? medien + erziehung, 2006/6, S. 102-112. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des 11
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