Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen

Die Seite wird erstellt Penelope Blum
 
WEITER LESEN
Boris Grell

Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus
Sendungen

Le service « Courrier A Plus » de La Poste suisse est intéressant, notamment
pour des raisons financières, et offre, comme alternative au courrier recom-
mandé, un service presque comparable et souvent conforme à la loi pour le
suivi électronique de ces envois postaux. Néanmoins, il s’agit de rester pru-
dent lors de l’utilisation du courrier A Plus, comme c’est le cas dans cette cont-
ribution consacrée à l’utilisation, en droit du bail, du courrier A Plus par les
propriétaires et les gérances immobilières. (jp)

Catégories d’articles: Contributions
Domaines juridiques: Contrat de bail et de bail à ferme; Procédure civile; Droit
des obligations

Proposition de citation: Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen,
in : Jusletter 29 avril 2019

ISSN 1424-7410, jusletter.weblaw.ch, Weblaw AG, info@weblaw.ch, T +41 31 380 57 77
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

Inhaltsübersicht
1.    Ausgangslage und Fragestellung
2.    Verschiedene Formen der postalischen Zustellung und deren rechtliche Bedeutung
3.    Anwendung A-Post Plus auf relative und absolute Empfangstheorie
4.    Fristauslösende Zustellfiktion auch bei A-Post Plus Sendungen?
5.    Vertragliche Zustellungsvorschriften und A-Post Plus
6.    Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.         Ausgangslage und Fragestellung
[Rz 1] Seit einigen Jahren offeriert die Schweizerische Post, wichtige Briefsendungen mittels
A-Post Plus zu versenden. Dieses Dienstleistungsprodukt kombiniert – gemäss der Eigenwerbung
der Post1 – die schnelle und zuverlässige A-Post-Zustellung mit der elektronischen Sendungs-
verfolgung, indem der Absender online über «Track & Trace»2 die zugehörigen elektronischen
Aufgabe-, Sortier- und Zustellinformationen abrufen kann. Dabei preist die Post insbesondere
als Vorteile an, dass A-Post Plus Sendungen am nächstfolgenden Arbeitstag nach der Sendungs-
aufgabe (inklusive an Samstagen) direkt in den Briefkasten oder in das Postfach des adressier-
ten Empfängers zugestellt werden können. Damit hat der Empfänger bei Abwesenheit – anders
als bei per Einschreiben verschickten Postsendungen – auch keine (blosse) Abholungseinladung
mehr im Briefkasten oder im Postfach.
[Rz 2] Zweifelslos ist diese Erweiterung der Dienstleistungspallette der Schweizerischen Post zu
begrüssen und sinnvoll, besonders auch, weil der Versand von Briefen mittels A-Post Plus rund
die Hälfte billiger ist als der Versand mittels eingeschriebener Post.3
[Rz 3] Gleichwohl ist bei der Nutzung von A-Post Plus eine gewisse Vorsicht geboten, vor allem
beim Versand fristauslösender Mitteilungen. Nachstehend wird ein besonderes Augenmerk dar-
auf gerichtet, wie Liegenschaftsverwaltungen im schriftlichen Austausch mit Mietern von Wohn-
und Geschäftsräumlichkeiten den Versand mittels A-Post Plus für sich nutzen können und in
welchen Konstellationen immer noch der «klassische» Versand mittels eingeschriebener Brief-
post vorzuziehen ist.

2.         Verschiedene Formen der postalischen Zustellung und deren rechtli-
           che Bedeutung
[Rz 4] Im mietrechtlichen Kontext unterscheiden das Bundesgericht und die zugehörige Rechts-
lehre gemeinhin zwischen der relativen (bzw. eingeschränkten) und der absoluten (uneingesch-
ränkten) Empfangstheorie. Dabei unterscheiden sich die beiden Theorien dadurch, dass bei der
absoluten Empfangstheorie die Wirkung der Zustellung bereits dann eintritt, wenn die betreffen-
de Postsendung in den Zugriffs- oder Einflussbereich bzw. in den Machtbereich des Empfängers

1    A-Post Plus, https://www.post.ch/de/privat/versenden/briefe-inland-privat/a-post-plus, alle Webseiten zuletzt
     besucht am 11. April 2019.
2    Die Post, Sendungsnummer, https://service.post.ch/EasyTrack/?lang=de&shortcut=easytrack#simpleSearch.
3    Aktuell kostet der Versand mittels A-Post Plus CHF 3.40 und jener per Einschreiben CHF 6.30 (beide bis Format
     B5, 250 g, 2 cm Dicke und der Frankatur durch die Post).

                                                          2
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

gelangt ist, also die betreffende Postsendung insbesondere in den Briefkasten oder in das Postfach
des adressierten Empfängers (oder dessen Stellvertreter) gelegt worden ist.4
[Rz 5] Demgegenüber wird im Anwendungsbereich der relativen Empfangstheorie erst dann von
einer Zustellung im rechtlichen Sinne gesprochen (mit dem Beginn eines allfälligen Fristenlaufs),
wenn der adressierte Empfänger (oder dessen Stellvertreter) die betreffende Postsendung auch
effektiv und persönlich zur Kenntnis genommen hat resp. zur Kenntnis hätte nehmen können.
Denn spätestens 7 Tage, nachdem der adressierte Empfänger eine Postsendung erstmals hätte zur
Kenntnis nehmen können, greift die sog. 7-Tage-Regel, wonach die Zustellung (und damit auch
die Kenntnisnahme des Inhalts) der betreffenden Postsendung am 7. Tag der Abholfrist fingiert
wird.5
[Rz 6] So weit, so gut: Doch wann greift welche Art der Empfangstheorie und was für recht-
liche Konsequenzen ergeben sich daraus für den vermieterseitigen Einsatz von A-Post Plus für
Mitteilungen an die Mieterschaft? Grundsätzlich gilt im Mietrecht die absolute Empfangstheo-
rie, die jedoch in zwei Fällen von der relativen Empfangstheorie durchbrochen wird: So folgen
1) die vermieterseitige Abmahnung der Mieterschaft6 wegen ausstehender Mietzinszahlungen
mit gleichzeitiger Kündigungsandrohung gemäss Art. 257d Abs. 1 OR sowie 2) einseitige Än-
derungen des Mietvertrags zu Lasten der Mieterschaft (also insbesondere Mietzinserhöhungen)
gemäss Art. 269d OR der relativen Empfangstheorie. Dabei ist rechtlich erst die effektive Kennt-
nisnahme durch die adressierte Mieterschaft entscheidend und nicht bereits die Tatsache, dass
die betreffende Postsendung in den Machtbereich des adressierten Empfängers gelangt ist. Doch
entscheidend wofür?
[Rz 7] Die beiden Empfangstheorien unterscheiden sich zentral durch die Berechnung der Fristig-
keiten, wonach für die Mieterschaft die 30-tägige Frist zur Bezahlung der abgemahnten Mietzinse
gemäss Art. 257d Abs. 1 OR oder zur Anfechtung einer Mietzinserhöhung gemäss Art. 270b OR
erst nach der effektiven Kenntnisnahme zu laufen beginnt. Demgegenüber beginnt für die Mieter-
schaft die 30-tägige Frist zur Kündigungsanfechtung / Erstreckung des Mietverhältnisses gemäss
Art. 273 Abs. 1 und Abs. 2 OR bereits zu laufen mit der Zustellung der betreffenden Kündigung
in den Machtbereich der Mieterschaft und zwar losgelöst davon, ob die Mieterschaft von der
betreffenden Kündigung tatsächlich Kenntnis genommen hat.

3.         Anwendung A-Post Plus auf relative und absolute Empfangstheorie
[Rz 8] Soweit ersichtlich fehlen noch einschlägige, zivilrechtliche, insbesondere mietrechtliche
Entscheide des Bundesgerichts, wie der Versand bzw. die Zustellung von Postsendungen mit

4    Dabei besteht eine natürliche Vermutung dafür, dass der Briefträger die Abholungseinladung korrekt in den Brief-
     kasten bzw. das Postfach gelegt hat; dazu vgl. Roger Weber, in: Basler Kommentar Obligationenrecht I, 2015, zu
     Art. 257d OR N 5 unter Verweis auf die hierzu einschlägige Lehre und Rechtsprechung des Bundesgerichts.
5    Zustell- bzw. Zugangsfiktion; dazu statt vieler vgl. BGE 127 I 31 und Tobias Bartels, Fristwahrung im Mietrecht,
     Zürich 2016, S. 27 ff. sowie BGE 143 III 15 zur Frage der Zustellung an die Mieterschaft während deren Ferienab-
     wesenheit (mit einer zugehörigen Besprechung des Urteils durch den Autor in der Immobilia des SVIT Schweiz,
     Ausgabe April 2017, S. 38 ff.).
6    Die Abmahnung eines oder mehrerer Mieter gemäss Mietvertrag sowie die zusätzliche und separate Abmah-
     nung des (nichtmietenden) Ehepartners / eingetragenen Partners der Mieterschaft gemäss Art. 266n Bundes-
     gesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom
     30. März 1911 (OR; SR 220).

                                                          3
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

A-Post Plus zu behandeln ist. Die Rechtslehre hat sich hingegen dazu schon geäussert.7 Zudem
gibt es einen Bundesgerichtsentscheid vom 21. Februar 20188 zur Frage, welche Rechtswirkungen
und Konsequenzen der Versand mit A-Post Plus im Strafrecht hat, wobei die zugehörigen Erwä-
gungen des Gerichts auch interessant und bemerkenswert sind für die Beurteilung von A-Post
Plus Sendungen unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten.
[Rz 9] Nach dem Ausgeführten und mit Verweis auf die einschlägigen Stellen in der derzeit ver-
fügbaren Literatur und Rechtsprechung ist im Anwendungsbereich der relativen Empfangstheo-
rie davon auszugehen, dass auch inskünftig der Versand wichtiger bzw. fristauslösender Mittei-
lungen zunächst einmal im Bereich der Abmahnung von Mietzinsausständen gemäss Art. 257d
Abs. 1 OR sowie bei der vermieterseitigen Anzeige einseitiger Vertragsänderungen nach Art. 269d
OR nach wie vor9 mit eingeschriebener Briefpost erfolgen wird.10 Denn beim Versand mittels
A-Post Plus kann der Versender (insbesondere die hier interessierende Vermieterschaft bzw. deren
Liegenschaftsbewirtschafterin) die effektive Zustellung einer solchen Postsendung an den darin
adressierten Empfänger bzw. die tatsächliche Kenntnisnahme der adressierten Mieterschaft im
Bestreitungsfall11 regelmässig nicht beweisen.12
[Rz 10] Demgegenüber gibt es im Geltungsbereich der absoluten Empfangstheorie – und damit
insbesondere bei der Kündigung von Mietverhältnissen, aber auch bei mieterseitigen (eigentlich
formlosen) Mängelanzeigen gemäss Art. 257g Abs. 1 OR i.V.m. Art. 259a OR an die Vermie-
terschaft bzw. deren Liegenschaftsbewirtschafterin – gute Gründe, solche Briefsendungen aus
Beweisgründen vermehrt mittels A-Post Plus zu versenden. Denn damit kann auch in einem
Gerichtsverfahren– ohne weiteres über einen ins Recht gelegten Ausdruck des elektronischen
Sendungsverlaufs mittels Track & Trace – bewiesen werden, dass und zu welchem Zeitpunkt eine
Postsendung rechtswirksam und fristauslösend in den Machtbereich des adressierten Empfän-
gers gelangt ist.

7    Zum Folgenden vgl. Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis, in: SVIT-Kommentar zum Mietrecht, Zürich 2018 zu
     «Schlichtungsverfahren und Gerichtsverfahren in Mietsachen» Rz 169, S. 1190; Roger Weber (Fn 4), zu Art. 257d
     OR N 5 und Anita Thanei, in: Mietrecht für die Praxis, Zürich 2016, S. 711; alle vorgenannten unter Bezugnahme
     auf das Urteil des Kantonsgerichts Waadt vom 20. März 2012 (HC/2012/199 in: mp 2013, S. 216 ff.).
8    Urteil des Bundesgerichts 6B_773/2017 vom 21. Februar 2018 = BGE 144 IV 57; zur fraglichen Zulässigkeit eines
     Versands / einer Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden durch Gerichte im Zivilverfahren
     gemäss Art. 138 Abs. 1 Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO; SR 272) mittels A-Post
     Plus vgl. BGE 142 III 599, E. 2.
9    Zur Annahme der fingierten Zustellung bzw. der fingierten Kenntnisnahme des adressierten Empfängers – nicht
     nur beim Versand per Einschreiben, sondern auch beim Versand via A-Post Plus – vgl. sogleich.
10   Wenn nicht gar über die Zustellung mittels Rückschein, wobei der adressierte Empfänger den Erhalt der Sendung
     mit Unterschrift quittiert und diese Bestätigung im Anschluss dem Absender per A-Post zurückgeschickt wird.
11   Im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist insbesondere bei einer anwaltlich vertretenen Mieterschaft re-
     gelmässig von einer Bestreitung auszugehen, womit die Vermieterschaft gemäss Art. 8 Schweizerisches Zivilgesetz-
     buch (ZGB; SR 210) die Beweislast bzw. die Folgen der fehlenden Beweisbarkeit tragen muss.
12   Die Folgen der Beweislosigkeit führt auch dazu, dass bei einer von der Vermieterschaft im summarischen Verfah-
     ren beantragten gerichtlichen Ausweisung nach Art. 257 ZPO («Rechtsschutz in klaren Fällen») das angerufene
     Einzelgericht von einem illiquiden Sachverhalt ausgehen wird und auf das zugehörige Ausweisungsbegehren der
     Vermieterschaft nicht eintritt. Denn wenn die Vermieterschaft den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme
     der Abmahnung mit Kündigungsandrohung gemäss Art. 257d Abs. 1 OR durch die Mieterschaft nicht beweisen
     kann, wird die Vermieterschaft auch den Beweis nicht erbringen können, dass sie das Mietverhältnis erst nach Ab-
     lauf der zugehörigen 30-Tagesfrist gemäss Art. 257d Abs. 2 OR rechtsgültig gekündigt hat; dazu vgl. Raymond
     Bisang/Zinon Koumbarakis (Fn 7), Rz 169, S. 1190.

                                                          4
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

4.         Fristauslösende Zustellfiktion auch bei A-Post Plus Sendungen?
[Rz 11] Soweit ersichtlich ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob auch bei mittels A-Post Plus
versandten Postsendungen – wie bei eingeschriebenen Briefsendungen – die 7-Tage Regel zur
Anwendung kommt. Offen ist also, ob spätestens am 7. Tag nach der erstmals möglichen bzw.
hier der effektiven Zustellung die Zustellfiktion greift und zwar trotz fehlender tatsächlicher
Kenntnisnahme des Inhalts der betreffenden, als zugestellt geltenden Postsendung durch den
adressierten Empfänger.
[Rz 12] Zur Erinnerung: Bei der Versandmethode mit A-Post Plus wird der Brief mit einer Num-
mer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu
den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang durch den Empfänger nicht
quittiert. Entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hin-
terlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zustellung wird vielmehr elektronisch erfasst,
wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird. Auf diese
Weise ist es möglich, mit Hilfe des von der Post zur Verfügung gestellten elektronischen Suchsys-
tems «Track & Trace» die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen.13
[Rz 13] Gemäss dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung14 wird mit einem zugehörigen «Track
& Trace»-Auszug allerdings nicht direkt bewiesen, dass die Sendung tatsächlich in den Empfangs-
bereich des Empfängers gelangt ist, sondern bloss, dass durch die Post ein entsprechender Eintrag
in ihrem Erfassungssystem gemacht wurde. Einzig im Sinne eines Indizes lässt sich aus diesem
Eintrag darauf schliessen, dass die Sendung in den Briefkasten oder in das Postfach des Adres-
saten gelegt wurde. Mangels Quittierung lässt sich dem «Track & Trace»-Auszug sodann nicht
entnehmen, ob tatsächlich jemand die Sendung behändigt hat und um wen es sich dabei handelt,
geschweige denn, dass sie tatsächlich zur Kenntnis genommen worden ist.
[Rz 14] Mit anderen Worten kommt nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts beim Ver-
sand mittels A-Post Plus dem Eintrag, welcher die Post in ihrem Erfassungssystem vornimmt,
nicht die Eigenschaft einer Empfangsbestätigung zu. Denn mangels Quittierung lässt sich dem
Track & Trace-Auszug nicht entnehmen, ob tatsächlich jemand die Sendung behändigt hat und
um wen es sich dabei handelt, geschweige denn, dass die Sendung tatsächlich zur Kenntnis ge-
nommen worden ist.15 Diese Rechtsprechung des Bundesgerichts ist nach der Auffassung des
Autors dieses Beitrags zu rigoros bzw. kann nicht telquel auf die Frage der zivilrechtlichen Wir-
kungen und Konsequenzen postalischer Zusendungen mittels A-Post Plus unter Privaten übertra-
gen werden. Zudem sind die zugehörigen Erwägungen des Bundesgerichts auch nicht einschlägig
für zivilrechtliche Verhältnisse, zumal sich das Bundesgericht in diesen Entscheiden einzig zum
postalischen Versand mittels A-Post Plus durch Behörden und Gerichte geäussert hat.

13   BGE 144 IV 57 E. 2.3.1 mit Verweis auf BGE 142 III 599 E. 2.2 und weitere dort genannte Bundesgerichtsentschei-
     de.
14   BGE 142 III 599, E. 2.2 und BGE 144 IV 57 E. 2.3.1; diese Erwägungen des Bundesgerichts beziehen sich jedoch
     bloss auf die Frage der rechtlichen Konsequenzen von mit A-Post Plus verschickten Postsendungen durch Gerichte
     und Behörden und deren Verbindlichkeit angesichts der gesetzlichen Formvorschriften gemäss Art. 85 Schweizeri-
     sche Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) und Art. 138 ZPO.
15   Darum genügt nach BGE 142 III 599 E. 2.2 und nach BGE 144 IV 57, 61 E. 2.3.1 die Zustellung mit A-Post Plus den
     gesetzlichen Anforderungen von Art. 138 ZPO und Art. 85 Abs. 2 StPO nicht. Bemerkenswert dabei ist insbesonde-
     re, dass das Bundesgericht die Auffassung der kantonalen Vorinstanz verworfen hat, wonach die Zustellung an den
     Empfänger – unter Anwendung der Zustellfiktion – am letzten Tag der 7-tägigen Frist als zugestellt gelte.

                                                          5
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

[Rz 15] Die einschlägige Rechtslehre zum Mietrecht geht jedenfalls – analog zur Regelung beim
Versand eingeschriebener Postsendungen und in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundes-
gerichts zur Berechnung und Wahrung prozessualer Fristen – von einer solch fingierten Zustel-
lung an den bzw. einer fingierten Kenntnisnahme durch den adressierten Empfänger aus.16 Denn
andernfalls – und soweit auch in Anwendung der relativen Empfangstheorie beim Versand mit
A-Post Plus einzig die effektive, tatsächliche Kenntnisnahme des adressierten Empfängers rele-
vant wäre – könnte sich eine derart adressierte Mieterschaft im Gerichtsverfahren allein17 mit
der Behauptung der fehlenden (bzw. mit A-Post Plus letztlich nicht beweisbaren) tatsächlichen
Kenntnisnahme des Briefinhalts jeglicher Verantwortung und jeglicher rechtlicher Konsequenzen
entziehen aufgrund ihres vermuteterweise18 eigenen säumigen Verhaltens.
[Rz 16] Hinzukommt aber auch (und nimmt die vorgenannte, rigorose Rechtsprechung des Bun-
desgerichts darauf überhaupt keine Rücksicht), dass bei der Rücksendung eingeschriebener Post-
sendungen der Absender nach unbenutztem Ablauf der 7-tägigen Abholungsfrist nicht beweisen
kann bzw. sich dem «Track & Trace»-Auszug diesfalls nicht entnehmen lässt, dass tatsächlich
jemand die Sendung behändigt oder der adressierte Empfänger diese tatsächlich zur Kenntnis
genommen hat.
[Rz 17] Infolgedessen und zusammenfassend wird bei einem vermieterseitigen Versand einer
Briefsendung mittels A-Post Plus, deren Zustellung sich nach der relativen Empfangstheorie rich-
tet (z. B. das Abmahnschreiben mit gleichzeitiger Kündigungsandrohung gemäss Art. 257d Abs. 1
OR) spätestens am 7. Tag nach der effektiven Zustellung in den Briefkasten oder in das Postfach
der Mieterschaft die Kenntnisnahme des Inhalts der besagten Briefsendung fingiert. Damit be-
ginnt für die Mieterschaft die 30-tägige Zahlungsfrist zu laufen.19
[Rz 18] Bemerkenswert dabei ist zudem, dass – weil die Zustellung mittels A-Post Plus (im Un-
terschied zu eingeschrieben verschickten Postsendungen) auch an einem Samstag erfolgt – der
Mieterschaft somit die Frist zur Zahlung ausstehender Mietzinszahlungen oder die Frist zur An-
fechtung einer Kündigung des Mietverhältnisses an einem Samstag enden können. Mit anderen
Worten birgt der vermieterseitige Versand mit A-Post Plus für die Mieterschaft das Risiko, dass
dieser einen Fristablauf an einem Samstag droht und nicht erst am darauffolgenden Montag, wie
das bei eingeschriebenen Postsendungen (fast) immer der Fall ist.20 Dieser Umstand ändert aber
nichts daran (und ist bei diesem Fristenlauf auch keine für die Mieterschaft unzumutbare Kon-
sequenz oder Härte zu erkennen), dass die Zustellfiktion mit deren rechtlichen Wirkungen auch
beim Versand mittels A-Post Plus anwendbar ist.

16   Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis (Fn 7), Rz 169, S. 1190 und allgemein Andreas Maag, in: Handbücher für
     die Anwaltspraxis, Wohn- und Geschäftsraummiete, Basel 2016, Rz 2.64 ff. (insb. kritisch zum Versand mit A-Post
     Plus in Rz 2.67) und Rz 2.99 ff. sowie und Roger Weber (Fn 4), zu Art. 257d N 5 mit Verweis auf BGE 127 I 31 und
     BGE 134 V 49.
17   Zudem gilt immer der Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs gemäss Art. 2 ZGB.
18   Zur natürlichen Vermutung, dass der Briefträger die Abholungseinladung korrekt in den Briefkasten (bzw. in das
     Postfach) des adressierten Empfängers gelegt hat vgl. Roger Weber (Fn 4), zu Art. 257d OR N 5 mit Verweis auf
     Urban Hulliger, in: MRA 2012, S. 69 mit weiteren Nachweisen.
19   Raymond Bisang/Zinon Koumbarakis (Fn 7), S. 1190.
20   Dazu vgl. Tobias Bartels (Fn 5), S. 30.

                                                          6
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

5.         Vertragliche Zustellungsvorschriften und A-Post Plus
[Rz 19] Regelmässig wird im Mietvertrag vorgesehen, dass die Kündigung des Mietverhältnis-
ses mit eingeschriebener Postsendung erfolgen müsse, obwohl – mit Verweis auf die gesetzlichen
Formvorschriften gemäss Art. 266l OR – eine solche Versandart kein gesetzliches Gültigkeitser-
fordernis ist.
[Rz 20] Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Kündigung (mit dem zugehörigen
Zustellnachweis nach der absoluten Empfangstheorie) mittels A-Post Plus – anstatt mit einge-
schriebener Post – gültig ist, obwohl eine vertraglich vereinbarte Formvorschrift nicht eingehal-
ten worden ist. Mit Verweis auf Art. 16 Abs. 1 OR ist beim Vorbehalt einer vertraglich verein-
barten Versandform via eingeschriebener Briefpost davon auszugehen, dass die Erfüllung dieses
vertraglichen Formvorbehalts ein Gültigkeitserfordernis ist und keine blosse Beweisvorschrift.21
[Rz 21] Mit anderen Worten genügt der Versand bzw. die Zustellung einer Kündigung via A-Post
Plus nicht und ist eine solche Kündigung ungültig, obwohl die Vermieterschaft deren Zustellung
in den Machtbereich der Mieterschaft mittels Track & Trace ohne weiteres beweisen kann.22 Diese
Schlussfolgerung ist nachvollziehbar und richtig, zumal – wie vorstehend ausgeführt wurde –
der gekündigten Mietpartei bei der Zustellung mittels A-Post Plus allenfalls das Risiko eines
(unüblichen) Fristenendes an einem Samstag droht anstatt am kommenden Montag, wie das bei
der Zustellung mittels eingeschriebener Briefpost (fast) immer der Fall ist.

6.         Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
[Rz 22] Der Versand wichtiger, insbesondere zeit- und fristenrelevanter Postsendungen mittels
A-Post Plus ist im mietrechtlichen Kontext sinnvoll und rechtlich unbedenklich, soweit sich die
Zustellung solcher Sendungen nach der absoluten Empfangstheorie richtet. Eine gewisse Zurück-
haltung ist demgegenüber angebracht, soweit sich die Zustellung mietrechtlicher Korresponden-
zen gemäss Art. 257d Abs. 1 OR und Art. 269d OR nach der relativen Empfangstheorie richtet.
[Rz 23] Gleichwohl und selbst beim Versand mietrechtlicher Korrespondenzen, deren Zustellung
und rechtliche Wirkungen sich nach der relativen Empfangsmethode richten, sollte die Zustell-
fiktion auch bei einer mit A-Post Plus versandten Postsendung anwendbar sein, womit spätestens
7 Tage nach deren Zustellung in den Machtbereich des adressierten Empfängers auch dessen
Kenntnisnahme fingiert wird und fristauslösend ist, insbesondere für die rechtzeitige Bezahlung
der abgemahnten Mietzinsausstände oder für die fristgerechte Anfechtung einer einseitigen Miet-
vertragsanpassung des Vermieters.
[Rz 24] Im Übrigen stehen die Schlussfolgerungen unter dem generellen Vorbehalt des Rechts-
missbrauchs sowie, dass die Mietvertragsparteien keine vertraglichen Formvorschriften zum Ver-
sand mietrechtlich relevanter Mitteilungen per Einschreiben vorbehalten haben.

21   Jürg P. Müller, in: SVIT-Kommentar zum Mietrecht, Zürich 2018, zu Art. 266l–266o OR N 12.
22   Allenfalls kann die Berufung auf einen solchen vertraglichen Formvorbehalt aber rechtsmissbräuchlich sein oder
     wird davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien auf die vertraglich vorbehaltene Versandform stillschweigend
     verzichtet haben; zum Letzteren vgl. Jürg P. Müller (Fn 21), zu Art. 266l–266o OR N 12 mit weiteren Hinweisen.

                                                          7
Boris Grell, Zur Fristwahrung im Umgang mit A-Post Plus Sendungen, in : Jusletter 29 avril 2019

Dr. Boris Grell (LL.M.), Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht, Zürich,
www.grell-law.ch.

                                                          8
Sie können auch lesen