Zürcher Dachgrün für Ökologie, Klima und Wirtschaft-lichkeit
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Anpassung an den Klimawandel / Naturschutz 35 ZUP Nr. 97 Juli 2020 Zürcher Dachgrün für Ökologie, Klima und Wirtschaft- lichkeit Auf den Dächern der Stadt Zürich liegt grosses Poten- Ersatzbiotop, Sonnenenergie und Freiraum – zial. Begrünte Dachflächen Dachlandschaften bieten ungeahnte Möglichkeiten (Credit Suisse Uetliberg). geben der Natur im Sied- Quelle: Grün Stadt Zürich (GSZ) lungsraum eine neue Chance. Sie haben einen hitzemindernden Effekt, Hochwertige Dachbegrünungen sind Ökologisch wertvolle und ihr Einsatz ist auch ökologisch und stadtklimatisch sinnvoll. Dachbegrünung wirtschaftlich interessant. Sie halten Regenwasser zurück und be- Für eine ökologisch wertvolle Begrü- Tipps für Planung, Umset- feuchten und kühlen die Luft. Dadurch nung macht die Stadt Zürich verschie- zung und Pflege. wirken sie regulierend und gleichen dene Auflagen. Vorgeschrieben ist Ilona Sutter, Bettina Tschander Temperaturextreme aus. Neben dem Qualitätssubstrat mit genügender Was- Fachbereich Naturschutz positiven Effekt auf das Mikroklima bin- serspeicherfähigkeit (mind. 45 Liter pro Grün Stadt Zürich Stadt Zürich den sie Staub und können Schadstof- Quadratmeter) und einer Schichtdicke Telefon 044 412 27 15 fe filtern. Die Schalleinwirkungen wer- von 10 Zentimeter im gesetzten Zu- bettina.tschander@zuerich.ch den gedämpft, und Ersatzlebensraum stand. Zudem muss ein Substrathügel www.stadt-zuerich.ch für Tiere und Pflanzen wird geschaffen. von mindestens 3 Meter Durchmesser Checkliste Dachbegrünungen und und mindestens 20 Zentimeter Höhe Solaranlagen: www.stadt-zuerich.ch/ Das Grün auf dem Dach schützt pro 100 Quadratmeter oder pro rund dachbegruenung und nützt zehn Prozent der begrünten Fläche auf- Artikel «Basel Stadt: Grüne Dächer als Urbane Lebensräume», Seite 39 Dachbegrünungen wirken auch bau- geschüttet werden. physikalisch und ökonomisch positiv. Kleinstrukturen wie Totholz, Sand und Sie schützen die Dachhaut vor hohen Steine ermöglichen Lebensräume für Temperaturschwankungen und der Ein- bestimmte Tiergruppen. Zur Begrünung wirkung von UV-Strahlung. Der Energie- kommt einheimisches Qualitätssaatgut verbrauch des Gebäudes wird reduziert, für Dachbegrünung mit Schweizer Öko- und durch Reduktion von Wärmeverlus- typen zum Einsatz. ten im Winter und von Überhitzung im Sommer werden Betriebskosten einge- Solargründach – wirtschaftlich spart. Ebenso kann ein Imagegewinn für und ökologisch ein Gewinn Eigentümerinnen und Nutzer entstehen, Gemäss Artikel 11 der Bau- und Zonen- da nachhaltiges und verantwortliches ordnung (BZO) müssen seit 2015 Solar Handeln sichtbar wird. anlagen und Dachbegrünung kombi- Mit der baulichen Verdichtung steigt niert werden (Zusatzinfo Seite 36). Dies Themenschwerpunkt: die Gebäudenutzfläche. Der Grün- bedeutet, dass sie nicht räumlich ge- Aktivitäten zum Klimawandel und Freiraum wird knapper und nimmt trennt, sondern übereinander ange- Der Klimawandel ist eine der grössten gleichzeitig an Bedeutung zu. Intensi- ordnet werden. Der Wirkungsgrad von Herausforderungen unserer Zeit. Von ve Dachbegrünungen, beispielsweise Solaranlagen erhöht sich durch den Seite 5 bis 46 widmet sich diese Aus- in Form von Dachgärten, sind eine Er- Kühleffekt der Dachbegrünung um bis gabe daher den aktuellen Aktivitäten gänzung zum Freiraum am Boden und zu fünf Prozent. Umgekehrt profitiert von Kanton und Gemeinden im Klima- werten das Stadtbild auf. die Vegetation von der aufgeständerten schutz und bei der Anpassung an den Anlage, da sie für zusätzliche Nischen Klimawandel. durch Beschattung sorgt. Eine fachgerechte Pflege der Vegetati- on ist wichtig, um den positiven Effekt dieser Kombination zu erhalten. Da- www.zh.ch/umweltpraxis
Anpassung an den Klimawandel / Naturschutz 36 ZUP Nr. 97 Juli 2020 Mindestens zehn Zentimeter Sand- und Steinhaufen als Kombination von Solaranlagen (verdichtetes) Qualitätssubstrat. Strukturen für spezifische Tiergruppen und Dachbegrünung Quelle: GSZ (Europaallee). (ewz-Unterwerk Oerlikon). Quelle: GSZ Quelle: ewz Gesetzliche Grundlagen bei hilft die Checkliste Dachbegrünun- Gutes Substrat ist Basis in der Stadt Zürich gen und Solaranlagen unter www.stadt- des Erfolgs Das Planungs- und Baugesetz des zuerich.ch/dachbegruenung. Die wichtigste Grundlage für eine Be- Kantons Zürich gibt mit § 76 den Ge- grünung ist das Substrat. Es muss meinden die Möglichkeit, in ihren Bau- Wie gut sind die Zürcher Flach- Wasser und Nährstoffe nicht nur spei- und Zonenordnungen die Begrünung dachbegrünungen? chern, sondern auch an die Wurzeln von Flachdächern vorzuschreiben. Zwischen 2005 und 2015 liess Grün der Pflanzen abgeben können. Es darf Seit 1991 tut dies die Stadt Zürich in Stadt Zürich die Qualität der Begrü- keine pflanzenschädlichen Materialien Art. 11 Abs. 1 der Bau- und Zonenord- nung von Flachdächern in der Stadt enthalten und es muss genügend Halt nung (BZO). 2015 wurde der Artikel an- Zürich untersuchen. Es zeigte sich, bieten. gepasst, so dass neu ökologisch wert- dass begrünte Flachdächer relevante – Mindestens 10 Zentimeter Sub volle Begrünungen verlangt werden, Lebensräume sind. 40 Prozent der in strat verwenden, besser sind 13 auch in Kombination mit Solaranlagen. Zürich vorkommenden Pflanzenarten bis 15 Zentimeter (nach erfolgter wachsen auch auf Dächern. Das durch- Setzung). Unter Solaranlagen sind die Art. 11 Abs.1 BZO Dachbegrünung schnittliche begrünte Dach ist mit 33 Ar- Substratschichten anzupassen ( Ar- In allen Zonen ist der nicht als begeh- ten fast so artenreich wie vergleichbare tikel «Basel Stadt: Grüne Dächer als bare Terrasse genutzte Bereich eines ruderale Standorte am Boden. urbaner Lebensraum», Seite 39). Flachdachs ökologisch wertvoll zu be- Es hat sich auch gezeigt, dass der Le- – Substrate mit verschiedenen Korn- grünen, auch dort, wo Solaranlagen bensraum Dach eine relevante Fläche grössen (Sand, Kies, mit feinkörni- installiert sind. Die Pflicht, ökologisch einnimmt. Mit 511 Hektar entspricht gen Anteilen) weisen in Kombination wertvoll zu begrünen, besteht, soweit diese in etwa der Fläche aller geschütz- mit offenporigen Substratkompo- dies technisch und betrieblich möglich ten und inventarisierten kommunalen nenten (z. B. Blähton, Lava, Bims) sowie wirtschaftlich tragbar ist. Naturschutzobjekte auf Stadtgebiet. eine gute Wasserkapazität auf. Leider sind aber auch heute noch gut – Die Wasser- und Nährstoffrückhal- Erfolgskontrolle extensive 60 Prozent dieser Fläche nicht begrünt, tekapazität kann durch die Zugabe Dachbegrünung in Zürich vor allem weil es sich um ältere Gebäu- von organischen Anteilen zu rein Zwischen 2005 und 2015 liess Grün de mit Kiesflachdächern handelt. Auch mineralischen Substraten erhöht Stadt Zürich die Qualität der Begrü- unter den begrünten Gebäuden ist nur werden. Für Extensivbegrünungen nung von Flachdächern in der Stadt die Hälfte gut mit hohem Deckungsgrad sind rund 10 bis 15 Volumenprozent Zürich im Sinne einer Erfolgskontrolle begrünt, die andere weist nur eine Vege- organischer Anteil zielführend. untersuchen. Daten zu 141 Flachdach- tationsdeckung von 25 bis maximal 50 – Eine dünne Humusauflage ist bei begrünungen kamen so über die Jah- Prozent auf. Die mangelhafte Qualität Neuanlage einer Dachbegrünung re zusammen. Die darauf basierende ist eine vertane Chance. Sie lässt sich mit Ansaat hilfreich für die Entwick- umfangreiche Studie beschreibt und auf verschiedene Gründe zurückführen. lung der Pflanzen auf mineralischen bewertet die untersuchten Dachbegrü- Substraten. nungen umfassend und gibt Hinweise Praxistipps für die Umsetzung für die Praxis. Anhand dieser Untersu- Anhand der durchgeführten Untersu- Begrünung mit Ansaat chungen kann der hohe ökologische chungen ( Zusatzinfo links) lassen ist vielfältiger Wert und das grosse Potenzial von sich folgende Erkenntnisse für die Pra- Dächer mit einer Vegetationstragschicht Flachdachbegrünungen in der Stadt xis ableiten: Von Bedeutung sind das werden meist angesät. Allerdings wäre Zürich eingeschätzt werden. Die in die- verwendete Substrat, die Ansaat, Struk- auch die Spontanbegrünung denk- sem Artikel aufgeführten Praxistipps turelemente zur Förderung verschiede- bar. Die Erfolgskontrolle zeigt, dass an- und Empfehlungen resultieren unter ner Tierarten und die Möglichkeit, be- gesäte Dächer mehr Arten und auch anderem aus dieser Studie. stehende Begrünungen aufzubessern. einen höheren Deckungsgrad aufwei- Download: Konkrete Tipps bietet auch die bereits sen. Ansaaten etablieren sich schnel- www.stadt-zuerich/dachbegruenung erwähnte Checkliste. ler und sind in ihrer Zusammensetzung ausgeglichener. – Die Pflanzen auf Dachbegrünungen sind extremen Bedingungen ausge- www.zh.ch/umweltpraxis
Anpassung an den Klimawandel / Naturschutz 37 ZUP Nr. 97 Juli 2020 Das ideale Gründach: Solaranlage, Kleinstrukturen und ökologische Begrünung werden kombiniert (Greencity). Quelle: GSZ setzt. Die Saatgutmischung muss Kompakt mit kleinen Zwischenräu- Pflege – einfacher als gedacht darauf abgestimmt sein. men. Kann gut auf Substrathügel Die Vegetation auf dem Dach entwickelt – Saatgut von regional angepassten gesetzt werden (Foto oben). Attrak- sich und braucht mehrere Jahre, bis sie Arten – zumindest aber Schweizer tiv sind Wurzelstöcke. stabil ist. Die Dominanzverhältnisse Ökotypen – ist dafür gut geeignet. – Bollensteine und Grobkies: zwei zwischen den Arten verändern sich da- – Der Zeitpunkt der Ansaat kann über lagig aufschichten. Flächig oder li- bei. Das ist ein natürlicher Prozess. Sich den Erfolg entscheiden. Bester Zeit- near mit mindestens 50 Zentime- spontan ansiedelnde Arten sind bis auf punkt ist im Frühjahr (März bis Mit- ter Breite. Bei Problemen der Statik einige wenige erwünscht oder sogar te Juni). Herbstsaaten sind zweite auch einlagig möglich. wertvoll. Artenkenntnisse bei den Pfle- Wahl, manche überleben den Winter geverantwortlichen sind hier gefragt. infolge Trockenheit oder Kälte nicht. Bestehende Begrünungen kann Ebenso sind Moose Teil von Dachbe- Sommersaaten scheitern an zu we- man aufbessern grünungen und müssen nicht entfernt nig Wasser. Entsprechen bereits bestehende Be- werden. – Unter Solaranlagen sollten niedrig- grünungen nicht den Zielvorstellungen, Eine extensive Dachbegrünung ist nicht wüchsige Saatmischungen verwen- lassen sich diese im Nachhinein verbes- pflegeintensiv, das Unterhaltspersonal det werden. sern. muss jedoch gut auf die spezifische – Lückige Begrünungen können durch Pflege vorbereitet werden. Dabei gilt es – Strukturelemente fördern die Beimengung von Sand, mit Be- neben den technischen Kontrollen – vor die Fauna grünungssubstraten oder beidem allem invasive Neophyten, Problem Mit einfachen Mitteln lässt sich auf aufgebessert werden. unkräuter, verholzende Sämlinge und einem Dach die einheimische Insekten- – Substrat mit anderen Schüttmateri- Pflanzen mit starkem Rhizomwachstum welt fördern und so zusätzlich etwas für alien (Sand, Wandkies, Oberboden zu entfernen. Am besten werden diese die Biodiversität tun. oder Unterboden) überschütten und Arbeiten im Mai gemacht, allenfalls er- – Einsatz von ungewaschenem Sand: neu ansäen. gänzt mit einem zweiten Durchgang im Mindestens 20 Zentimeter dicke – Mit Speichermatten unter dem vor- Herbst. Schüttung, besser mehr. Gut be- handenen Substrat feuchtere Berei- sonnt. Kann gut mit aufliegendem che schaffen. Empfehlungen für die Planung Holz kombiniert werden. Integration – Nachsaaten, sofern der Bewuchs Eine erfolgreich umgesetzte Dachbe- der Sandschüttung in Substraterhö- ungenügend, aber genügend Sub grünung muss gut in den Bauprozess hungen oft sinnvoll. strat vorhanden ist. integriert sein. Dabei gilt es von der Pla- – Totholz: Mindestens zweilagig. – Verschiedene Wildstaudensetzlinge nung über die Realisierung bis zur Pfle- Durchmesser dicker als zehn Zen- als Initialbegrünung pflanzen. ge einiges zu beachten. timeter. Hartholz bevorzugt, aber – Wasserspeichernde Hügel gestal- – Einbezug der Begrünung ab Projekt- auch Fichte, Esche, Ahorn möglich. ten. beginn, bereits bei Machbarkeits- Anordnung wild oder gestaltet. Ideal: – Strukturelemente aufbringen. studie. www.zh.ch/umweltpraxis
Anpassung an den Klimawandel / Naturschutz 38 ZUP Nr. 97 Juli 2020 Gut gestaltete Dachflächen können sowohl begrünt als auch genutzt werden und ergänzen als Dachgärten den knapper werdenden Freiraum (Kalkbreite). Quelle: GSZ – Zuständigkeiten klar regeln. Es emp- nenden zur Verfügung. Bauherrschaf- Um die Dachbegrünung erfolgreich fiehlt sich, die Gestaltung und Aus- ten und Planende sollen sensibilisiert in eine blühende Zukunft zu bringen, führung in den Zuständigkeitsbereich und motiviert werden, mehr als nur den braucht es ein Miteinander voraus- von Landschaftsarchitekten und Standard zu bauen, und bei allen Be- schauender Planerinnen und Planer, Gartenbauunternehmen zu legen. teiligten soll das Bewusstsein für den praxisorientierter Profis und einer ver- – Potenzial und Rahmenbedingun- Wert qualitativ gut begrünter Dächer ge- lässlichen Behörde. gen klären: statische Voraussetzun- schärft werden. Diverse Checklisten so- gen, Kombination mit Solaranla- wie Pflanzenlisten und Bildmaterial wer- Was die Dachbegrünung ge, erhöhte Anforderungen für den den zur Verfügung gestellt. bringt ökologischen Ausgleich, Retenti- Der Fokus liegt auf grossen Dachflä- – Gebäudebegrünungen sind ein Ge- onsansprüche, gestalterische An- chen. Die Beratung kann über den gan- staltungselement und können ein sprüche, Einsehbarkeit, Haustech- zen Planungs- und Bauprozess bis hin Puzzlestein für eine nachhaltige nik. zur Pflegeinstruktion beigezogen werden. Siedlungsentwicklung sein. – Gründachplanung in Gesamtpla- Dieses Instrument hat sich sehr be- – Hochwertige Dach- und Vertikal- nung integrieren und den Gestal- währt, um die ökologische Qualität zu begrünungen sind ökologisch und tungsspielraum nutzen. verbessern. Das Angebot kann aber stadtklimatisch sinnvoll. – Kalkulation allfälliger Mehrkosten, nur für ausgewählte Dächer angeboten – Die Kombination von Solaranlage Integration in Kostenschätzung und werden. Viele Dächer im Regelbauver- und Dachbegrünung ist möglich -voranschlag. Eine spätere Aufnah- fahren können aus Ressourcengründen und wird angestrebt. me von Mehrkosten ist in der Regel meist nicht berücksichtigt werden, ma- – In dicht bebauten Gebieten können sehr schwierig. chen aber insgesamt einen grossen Teil Dachgärten das knapper werdende – Klare Submissionsanforderungen der Flachdachfläche aus. Freiraumangebot ergänzen. formulieren. Die Erfahrung zeigt, dass ergänzend – Dach- und Vertikalbegrünungen – Absprache Unterhaltskonzept mit zum Beratungsangebot Stichproben- sind neben bodengebundenen flä- Eigentümer und Nutzerinnen. kontrollen zur Umsetzung durchgeführt chigen Grünelementen Bausteine – Pflege professionalisieren. werden sollten. für ökologisch wertvolle Flächen. – Begrünte Dächer steigern die Re- Kostenloses Beratungsangebot Das Potenzial nutzen tention des Regenwassers und ver- Mit einem Beratungsangebot stellt Grün Obwohl in Zürich die gesetzlichen bessern die Dämmung. Stadt Zürich spezifische Informationen Grundlagen für eine ökologisch wert- zur möglichen Qualitätssteigerung der volle Dachbegrünung vorhanden sind, Gründächer zuhanden der Bauherr- ist das Potenzial hinsichtlich Qualität schaft, der Architekten sowie der Pla- und Quantität noch sehr gross. www.zh.ch/umweltpraxis
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