#zusammenhalten - Lebendige Gemeinde
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Das Magazin der ChristusBewegung 1 | 2021 #zusammenhalten Seite 4 Seite 8 Seite 10 Seite 16 #zusammenhalten … Was hält Evangelikal Bericht von der »davonlaufen kann jeder« uns zusammen? nach Trump? Frühjahrssynode Dr. Jörg Dechert Dr. Friedemann Kuttler Prof. Dr. Volker Gäckle www.lebendige-gemeinde.de
2 Termine · Inhalt Te r m i n e Inhalt april 17.4. Soirée im Turm, Musik und Wort im ABH O digital 4 Titelthema #zusammenhalten 17.4. Frauentag, Württembergischer Christusbund O digital »… davonlaufen kann jeder …« 30.4.–2.5. Jubiläum mit Israel-Freundestreffen, Zedakah O digital Dr. Jörg Dechert mai 1.5. S aronstag, Süddeutscher Gemeinschaftsverband, 8 T itelthema Was hält uns zusammen? Haus Saron, Wildberg 1.–9.5. Lonsinger Maitage, DIPM Wort des Vorsitzenden beim 6. Forum Pietismus 9.5. Schönblick Jahresfest, Die Apis, Schwäbisch Gmünd Dr. Friedemann Kuttler 8.5. K indermissionsfest, Liebenzeller Mission O digital 12.–16.5. 3. Ökumenischer Kirchentag O digital und dezentral 10 Positionen und Dialog Evangelikal nach Trump? 13.5. Stuttgarter Konferenz für Weltmission O digital und dezentral Prof. Dr. Volker Gäckle 14.–16.5. TMT TeenagerMissionsTreffen O digital 16.5. 50 Jahre EDI, Geburtstagsfeier, Tannenhöhe, Villingen 16 Synode aktuell Bericht von der Frühjahrs-Synode 22.5. Pfingstjugendtreffen, Aidlingen O digital 23.5. Pfingstmissionsfest, Liebenzeller Mission O digital 19.–20. März 2021 24.5. ER:FÜLLT, LGV-Pfingsttreffen O digital juni 20 J50ubiläen Jahre Evangeliumsdienst für Israel 3.6. hristustag in Baden, Bayern und Württemberg, C 50 Jahre Evangelisches Jugendwerk O digital und vor Ort in Württemberg 12.6. Christlicher Pädagogentag, CVJM-Zentrum, 13.6. Walddorfhäslach 50 Jahre EDI, Jubiläums Israelkonferenz, 22 CSeit hristusBewegung Lebendige Gemeinde 70 Jahren eine agile Bewegung Filderhalle, Leinfelden Dieter Abrell 18.-20.6. Younited weekend, bisher Dynamis, Jugendtreffen, 19.6. Württ. Christusbund, Friolzheim 9. Aidlinger Seminartag, 23 Aus den Bezirken Diakonissenmutterhaus Aidlingen 19.6. 25. Süddeutsche Israelkonferenz, LGV, Bad Liebenzell juli 2.-3.7. Landessynode, Sommertagung 3.–4.7. Landesposaunentag, Ulm 3.–4.7. Freundestreffen, OM, Deetken-Mühle, Mosbach 10.7. Forum Lebendige Gemeinde, Korntal 10.7. LaJu To Go, Die Apis, Stuttgart 28.7.–1.8. 125. Allianzkonferenz, Bad Blankenburg 30.7.–6.8. TeenStreet 2021, Offenburg august 1.8. Jusi-Treffen, Die Apis, Kohlberg/Metzingen Impressum Herausgeber und Bezugsadresse 7.–28.8. Bibelkurs, Ferien mit Gottes Wort, Lebendige Gemeinde. ChristusBewegung in Württemberg e. V. Diakonissenmutterhaus Aidlingen Saalstraße 6 70825 Korntal-Münchingen 7.-13.11. V orankündigung: Telefon 0711/83 46 99 Hoffnungsfest 2021 O TV und Livestream Telefax 0711/8 38 80 86 info@lebendige-gemeinde.de facebook.com/lebendige-gemeinde Bitte prüfen Sie im Vorfeld der Veranstaltungen twitter.com/lebendigemeinde noch einmal, ob diese aufgrund der Weitere Exemplare können nachbestellt werden. momentanen Situation stattfinden können. Erscheinungsweise: vierteljährlich Spendenkonto Weitere Termine finden Sie auch online Lebendige Gemeinde. unter www.lebendige-gemeinde.de/veranstaltung/ ChristusBewegung in Württemberg e. V. BW-Bank 2 356 075 (BLZ 600 501 01) IBAN: DE 87 6005 0101 0002 356075 BIC SOLADEST
Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser seit über einem Jahr leben wir mit Abstand zueinander. Die selbstverständliche Gemeinschaft, die wir untereinander hatten, ist zu einem kostbaren und seltenen Gut geworden. Wir erleben Gottesdienste, die online stattfinden. Jeder sitzt zu Hause und wir sind nur in einer virtuellen Gemeinschaft verbunden. Immer wieder lesen wir von »#zusammenhalten«. Aber was hält uns denn zusammen? Ist es eine gemeinsame Geschichte oder eine gemeinsame Identität, ein Begriff? Ge- rade in einer Zeit, in der alles pluraler und vielschichtiger wird, weil viele »Wahrheiten« auf uns einprasseln, stellt sich 10 Titelthema diese Frage. Ich erlebe viel Unsicherheit verbunden mit der ängstlichen Frage: »Gehört das noch zu uns?« #zusammenhalten – aber warum? Dr. Jörg Dechert nimmt uns mit hinein in die Fragen, was auseinandertreibt und was uns eint. Gedanken, die uns herausfordern, uns selbst zu über- legen, was es bei einem jedem von uns ist, was uns auseinan- dertreibt oder eben eint. Hinter manchen Begriffen verbergen sich auch ganze Identitäten. So ist der Begriff »evangelikal« für manche ein Reizwort und für andere Ausdruck einer star- ken Identität. Donald Trump hat in seinem Wahlkampf stark auf die Evangelikalen in den USA gebaut. Aber was sind die Folgen für diesen Begriff »evangelikal« nach Donald Trump und den Ereignissen rund um das Kapitol am 6. Januar 2021? Volker Gäckle geht diesen Fragen nach. Es geht dabei nicht nur um Begrifflichkeiten, sondern im Kern um die Frage, was zusammenhält, wenn Begriffe schwierig oder missgedeutet werden. Welche Folgen hat das für die eigene Identität? Was hält uns als ChristusBewegung zusammen? Wir sind eine Bewegung, die sich darin zusammengehalten weiß, dass Menschen von Herzen Jesus Christus nachfolgen und die Bi- bel als Wort Gottes als Maßstab für das eigene Leben anse- hen. Zusammengehalten von Jesus Christus – das ist echte Gemeinschaft und ein echter Halt. Ein Halt, der mir gerade in Zeiten der Unsicherheit die Stabilität im Leben gibt, die ich brauche. Wir danken allen, die durch ihre Spende . die kostenlose Verteilung dieses Magazins Ihr ermöglichen. Wir bitten um vollständige und deutliche Angabe der Anschrift bei Überweisungen, damit wir Spenden- quittungen übersenden können. Wir sind ganz auf die Gaben der Freunde angewiesen. Redaktion Dr. Friedemann Kuttler, Dieter Abrell, Steffen Kern, Dr. Friedemann Vorsitzender ChristusBewegung Lebendige Gemeinde Kuttler, Ute Mayer, Traugott Messner, Claudius Schillinger, Andreas Schmierer Gesamtgestaltung Grafisches Atelier Arnold, 72581 Dettingen Druck und Postzeitungvertrieb Druckerei C. Maurer, 73312 Geislingen Bildnachweis Titel: ©iStockphoto.com/Asya_mix Fotos ohne Bildnachweis: ©Lebendige Gemeinde oder ©privat
4 Titelthema #zusammenhalten #zusammenhalten »... davonlaufen » kann jeder...«... davonlaufen kann jeder...« ©Pixabay
Titelthema 5 Auszüge des Impulsreferats von Dr. Jörg Dechert beim 6. Forum Pietismus am 6. Februar 2021 in Korntal. Die Veranstaltung fand in hybrider Form mit wenigen Personen vor Ort statt. E in Hashtag ist ein Doppelkreuz mit nehmen zu. Es scheint unkontrollier einem Begriff dahinter. Ein Thema, barer und es drückt nach außen. unter dem Menschen sich auf Zeit Es wird immer schwerer, in eine Gesell und freiwillig versammeln. Da sammelt schaft hineinzusprechen, die zunehmend man alle Meinungen, alle Personen und säkularisiert ist und für die unsere alle Äußerungen, alles, was zu diesem The- Hashtags alles andere sind als »trending ma irgendwie gehört. Dies ist unser wir ge- topics«. Es wird immer schwieriger, worden, ein Sammelsurium aus Hashtags. die nächste Generation für das eigene Ich fürchte, das gilt auch für Christen. Hashtag zu gewinnen, das mich doch so Und ich frage mich: Was ist aus dem begeistert hat. Ist die Zentralkraft stark Einfach-Kreuz von Jesus Christus gewor- genug, das auszuhalten oder nehmen den? Was ist in einer Gesellschaft voller Hashtags diese Fliehkräfte überhand? Fliegen wir auseinander aus dem Einfach-Kreuz geworden? Hält dieses Kreuz, und verlieren das Einfach-Kreuz von Jesus aus dem die, die sich an diesen Jesus halten, noch zusammen? Blick, wenn wir uns an unsere Hashtags klammern? Halten wir zusammen? Oder haben wir uns in eine Gesellschaft der Hashtags aufgelöst? Was treibt uns auseinander? Hashtags, Doppelkreuze und das Wenn ich darüber spreche, dann spreche ich nicht als Einfach-Kreuz von Jesus Bewertender oder Wissender, sondern ganz ehrlich als Ratloser, als Suchender, als Sehnsüchtiger. Wenn ich darüber nachdenke – ich bin Physiker, kein Theologe –, möchte ich das Zusammenhalten aus Selbstgerechtigkeit einem physikalischen Blickwinkel betrachten. Soziale Unterschiede mangelnde Liebe Meinungsverschiedenheiten Sorgen Unverstehen Fliehkraft Sympathie/Antipathie Individualismus wenig Bibel Unruhe Misstrauen Rechthaberei Hermeneutik wir uns selbst Unsicherheit Streit Hass Kompromissunfähigkeit Egoismus Lieblosigkeit Milieuunterschiede Zentralkraft Postmoderne Corona Angst Neid Religion Untreue Moralismus Stolz Unbeweglichkeit Bibelverständnis Überzeugungen Sünde Respektlosigkeit Machtkampf Ethische Fragen Wortvergessenheit Auch ohne Formeln können wir begreifen, was pas- Umgang mit Corona Populismus siert, wenn sich eine Sache um eine andere Sache Macht Streitereien dreht. Stellen Sie sich die schwierige Phase beim Wienerwalzer vor, wenn es in die Drehung geht oder Wir spüren, dass uns etwas auseinander drückt. Wo einen Hammerwerfer. Über diese Kräfte, die da im kommen diese Kräfte her? Kaiser Wilhelm II. hat vor Spiel sind, lässt sich gut erklären, was bei #zusam- gerade mal rund 100 Jahren abgedankt. Schauen wir menhalten passiert. Zentrifugalkraft, die Fliehkraft in diese Zeit: Frauen durften in Deutschland erstmals treibt uns nach außen weg. Und es gibt die andere wählen; das Auto war dabei, die Kutsche abzulösen; Kraft – Zentralkraft –, die wir gar nicht spüren (die Familien hatten viele Kinder, der Vater war das unan- Muskelkraft beim Tanzen, das Seil des Hammerwer- gefochtene Oberhaupt; Zucht und Ordnung herrschte fers). Es ist die Kraft, die den Körper auf der Kreis- in der Schule; die ganze Familie saß vor dem Radio- bahn hält, was zum Zentrum, in die Mitte zieht. empfänger; in der Mission lehrte der »fromme weiße Ich glaube, dass wir auch als Christen in so einem Mann« die »armen Schwarzen«, die von Jesus keine System leben. Wir kreisen um das Zentrum Jesus Ahnung haben. Ich karikiere etwas – aber all das ist Christus: die eine Kraft (die wir nicht immer spüren) nur 100 Jahre her. 100 Jahre sind in der Kirchenge- zieht uns zu Jesus hin, bindet uns, lässt uns kreisen. schichte ein Wimpernschlag und trotzdem ist unser Was wir jedoch spüren, ist das, was uns nach außen Leben komplett anders als vor 100 Jahren. Heute lei- wegdrängt. Und Veränderungen unserer Gesell- tet unsere Gesellschaft ihre Werte nicht mehr sehr schaft pumpen Energie in dieses System hinein, es explizit von der christlichen Prägung ab, sondern wird schneller. Es gerät unter Druck, die Fliehkräfte eigentlich aus dem rein säkularen Individualismus.
6 Titelthema Da werden Positionen abgefragt über Signalthemen Wir sind auf dieser wie Islam, Gender, Homosexualität. Wenn ich diese Themen nehme, um damit Identitätspolitik nach in- Umlaufbahn. Und da zerrt nen zu betreiben, um die Reihen zu schließen, um es in zwei Richtungen … die Truppen zu sammeln, die Fahne aufzurichten im Abstiegskampf – dann finde ich das gefährlich. Dann ist das eine Fliehkraft, die das Zeug dazu hat, uns auseinanderzutreiben. Fliehkräfte Und soziale Medien sind das ideale Werkzeug, das zu Ich glaube, alle diese Veränderungen in nur 100 Jah- tun. Und übrigens auch das ideale Forschungslabor, ren haben mächtig Druck auf unser System, auf den sich das anzuschauen. Denn so eine Identitätspoli- Kreislauf gegeben – und das erzeugt Fliehkräfte bei tik verleiht auch Sicherheit, Zugehörigkeit, vielleicht uns selbst. Fliehkräfte auch in Christen, auch in un- auch ein Überlegenheitsgefühl. Man geht nicht unter. seren Gemeinden und Gemeinschaften. Und ich glau- Die Truppen versammeln zu können, verleiht Macht. be, zwei Fliehkräfte davon sind echt gefährlich. Aber ich glaube: Abstiegskampf und Identitätspo- litik sind Fliehkräfte, die uns auseinandertreiben. Es Erstens der Abstiegskampf: Das ist die Reaktion auf sind Versuche, sich an Hashtags festzuklammern, an den gesellschaftlichen Modernisierungsschub der Doppelkreuzen und nicht mehr am Einfach-Kreuz letzten 100 Jahre in Form eines Rückzugsgefechts, von Jesus Christus. »Mein ganzer Halt liegt in Chris- um irgendwie zu halten, was einmal selbstverständ- tus«, singen wir. Und dann tun wir so, als würde der lich war. Sei es der Gottesbezug in der Präambel des Halt im Hashtag liegen, an das wir uns klammern. Grundgesetzes, der Religionsunterricht in der Schule Können wir, die wir Jesus unseren Herrn nennen, aber oder die kirchlichen Feiertage. Zugleich ist es ein Ge- an verschiedenen Hashtags hängen, einander den fecht gegen alles, was als Symbol für diesen Moder- Glauben eigentlich noch glauben? Ich finde, das ist die nisierungsschub gilt: Political correctness, liberale Mindestvoraussetzung, um #zusammenzuhalten. Theologie, Islam, Gender, Homoehe, Globalisierung. Ich sage nicht, dass alle Veränderungen der letzten Was hält uns zusammen? 100 Jahre uneingeschränkt positiv gewesen wären – welche Veränderungen im Leben sind das schon? Ich Menschen zu Jesus führen sage auch nicht, dass all diese Veränderungen keine Gemeinsamer Auftrag Gottesdienst geistliche Komponente in sich tragen könnten (auch Gnade Christi Offenheit Glaube an Jesus wenn ich damit vorsichtig wäre, die komplette Sto- ry schon vor der finalen Folge enträtseln zu wollen). Gemeinschaft Vertrauen Verstehen wollen Aber ich sage, an diesen Stellen geht es sehr schnell Gelassenheit Barmherzigkeit Gelassenheit nicht mehr um Kritik und Auseinandersetzungen in Gottes Liebe Gebet Geduld Zuhören Versöhnung Jesus der Sache, sondern um einen Machtkampf, um den Macht Erhalt von Einfluss, um einen Kampf gegen den Ab- Bibel Glaube Hoffnung Gottes Wort stieg. Und das ist eine Fliehkraft, die ich für gefähr- Heiliger Geist Respekt lich halte. Toleranz Liebe Christus Demut Verständnis Seine Gnade Zweitens die Identitätspolitik: Der Abstiegskampf Überzeugungen Bibelvertrauen Bekenntnis richtet sich gegen »die da draußen« – und das wird Gott Freundschaft Leben teilen Ambiguitätstoleranz nach innen zu einer Art »Identitätspolitik«. Da hei- Hoffnungsgeschichten echte tiefe Freundschaft ligt der Zweck schnell die Mittel. Da geht es dann um sich gegenseitig ertragen Vergebung »die da gegen uns hier«. Wir oder die. Da gilt es dann Gemeinsame Erfahrungen eine Fahne aufzupflanzen – laut, sichtbar, plakativ, Hashtag. Da gilt es die Reihen zu schließen, Krite- rien dafür aufzustellen, wer denn wirklich zu uns Ich finde, diese Wolke macht Hoffnung, denn es gibt gehört und wer zu denen. Da gilt es, Abweichler zu Zentralkraft. Drei davon möchte ich nennen. bestrafen, die sich nicht entschieden genug gegen die anderen positionieren. Da gilt es, die Reinheit der ei- Erste Zentralkraft: Notwendigkeit: Das klingt ein genen Überzeugung abzusichern. Die Verurteilung bisschen »ungeistlich«, aber das gehört zu dieser über Bande – kennen Sie das? »Wenn du mit denen, Welt: Wenn wir uns Gewerkschaften anschauen in dann kann ich nicht mehr mit dir, denn die haben den letzten 50 Jahren, dann sehen wir eine Bewe- damals das gesagt …« Das ist Reinheitsdenken. Als gung hin zur Fusion. Gewerkschaften verstehen: wäre der andere irgendwie verseucht, als würde er Wenn wir weiter Einfluss haben wollen in einer Ge- mich irgendwie in Gefahr bringen. sellschaft, die immer weniger Industriegesellschaft
Titelthema 7 ist und immer mehr Dienstleistungs- und Wissens- sie erkennen, nicht an ihrem Hashtag, sondern an gesellschaft wird, dann müssen wir uns zusammen- ihrer Liebe untereinander. tun. Oder bei den Sparkassen kann man das wun- Wie viel diese Welt von Jesus sieht, liegt auch an derbar sehen. Wenn wir in einer postchristlichen uns. Nicht so sehr an dem, was wir über ihn sagen, Gesellschaft etwas erreichen wollen als Christen, sondern daran, dass wir unseren Herrn mehr lieben dann wird es – und auch große Kirchen merken das als unsere Unterschiede. inzwischen – nur noch zusammen gehen. Es geht nicht mehr, wenn jeder sein Hashtag pflegt und sein Schlussbemerkung eigenes Ding macht. Wegen der Aufmerksamkeit und – seien wir ehrlich – auch wegen des Geldes. Schauen wir uns das Kräftegleichgewicht nochmals Wir sind in Deutschland nur noch wenige Jahre von an. Wir sind auf dieser Umlaufbahn. Und da zerrt dem Punkt entfernt, an dem weniger als 50 % der es in zwei Richtungen – deswegen ist Zusammenhal- Menschen in Deutschland zu irgendeiner christli- ten schwer. Zusammenhalten heißt, ich muss vieles chen Kirche gehören werden. Ich meine nicht einmal aushalten: Verschiedenartigkeit, Andersartigkeit, genau meinen Hashtag oder Ihren, sondern irgend- Fremdheit, theologische Differenzen, Spannungen, einen. Ich glaube, da wird etwas kippen, und es ist ungeklärte Fragen, Stückwerk, Relativierung … Aber schon am Kippen. Unsere Generation und die nächs- ich glaube, das ist der einzige Weg in die Zukunft. te Generation haben die Aufgabe, die gewachsenen In Offenbarung 7,9–11 gibt es das Bild vom großen Strukturen einer christlichen Fragmentierung, einer weißen Thron, und sie beten Gott an, sie beten Jesus »protestantischen Explosion« für die Zukunft mitei- an, der auf dem Thron sitzt, und das Lamm. Jesus nander neu zu vernetzen und zusammenzuführen. mit seinem Einfach-Kreuz. Und dann heißt es: »Die- sem Lobpreis schloss sich die ganze unzählbar große Zweite Zentralkraft: geistliche Gesundheit: 26 Mal Schar der Engel an, die rings um den Thron und um steht im Neuen Testament (nach Luther 2017) das die Ältesten und die vier lebendigen Wesen standen. Wort »einander«. Und dabei geht es nicht um eine Sie warfen sich vor dem Thron nieder und beteten Moral des Miteinanders, so nach dem Motto »Kinder Gott an.« vertragt euch doch mal«, sondern es geht um geist- Können Sie sich vorstellen, dass diese Engel mein liche Gesundheit und Reife. Zusammenhalt in Ver- oder Ihr Hashtag anbeten und sich davor niederwer- schiedenheit fördert geistliche Reife und geistliche fen? Das werden sie sicher nicht. Am Ende werden Gesundheit. Paulus hat in Epheser 4,13 (NGÜ) ge- alle unsere Doppelkreuze in Bedeutungslosigkeit schrieben: »Das soll dazu führen, dass wir alle in un- versunken sein und es wird nur noch ein Kreuz da- serem Glauben und in unserer Kenntnis von Gottes stehen – nämlich das Kreuz von Jesus Christus. Wie Sohn zur vollen Einheit gelangen und dass wir eine wir die Zeit bis dahin nutzen, das ist unsere Ent- Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist scheidung, das ist Ihre Entscheidung, das ist meine in seiner ganzen Fülle.« Einheit und Reife in einem Entscheidung. Welche Doppelkreuze wir unterwegs Satz – beides gehört zusammen. Ich glaube, es gehört noch wichtig nehmen und welche nicht, ist unsere zum geistlichen Reifeprozess von Christen, zu erken- Entscheidung und ich wünsche uns nen und anzuerkennen, dass verschiedene geistliche allen und mir: Mögen wir weise ent- Prägungen genau in ihrer Verschiedenheit zusam- scheiden. V mengehören und nur gemeinsam den Leib Christi der autor: aufbauen können. Oder Matthäus 16,18 (LUT): »Du Dr. Jörg Dechert bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Ge- ist Vorstandsvorsitzender meinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie von ERF Medien nicht überwältigen.« Nicht »auf diesen Hashtag«, nicht auf Ihren und nicht auf meinen, sondern auf diesen Felsen will Jesus seine Gemeinde bauen. Erst die Einheit in Verschiedenheit macht Gemeinde Jesu geistlich widerstandsfähig. Am Ende werden alle unsere Doppelkreuze in Bedeutungs- Dritte Zentralkraft: Jesus verkörpern: Das ist für mich der tiefste Grund, warum es sich lohnt, dafür zu losigkeit versunken sein und kämpfen, dass wir zusammenhalten. Das wir nur ge- es wird nur noch ein Kreuz meinsam Jesus verkörpern. Johannes 13,35 (NGÜ): dastehen – nämlich das Kreuz »An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.« Also nicht an der rich- von Jesus Christus tigen Position in dieser oder jener gesellschaftspoli- ©priv at tischen Frage, nicht an ihrer »Bibeltreue« werdet ihr Videoaufzeichnung des Vortrages auf: www.pixelpastor.com/zusammenhalten
8 Titelthema ©paylessimages - stock.adobe.com Was hält uns zusammen? Wort des Vorsitzenden beim 6. Forum Pietismus am 6. Februar 2021 A ls Fußballfan schaue ich sehr gerne die Spiele hen in den Gemeinden und Gemeinschaften, aber im DFB-Pokal an. Da spielen die kleinen ge- auch in unseren Orten. Da sind wir als Gemeinschaft gen die großen Clubs. Wenn ich mir die Mann- von Christen gefordert. Aber nicht nur untereinan- schaften vor den Spielen auf dem Papier so ansehe, der, sondern auch für andere. Wir brauchen gegen- dann dürften die großen Clubs eigentlich immer ge- seitige Glaubensstärkung, Ermutigung. Sagen wir winnen. Aber in der Realität sieht es oft anders aus: uns gegenseitig Worte der Bibel und erzählen wir Da spielen die namhaften Spieler des FC Bayern ge- uns Glaubensgeschichten und Erlebnisse mit Gott, gen ein Bollwerk von namenlosen Spielern von Hol- damit Menschen in diesen Tagen gestärkt werden. stein Kiel, die voller mannschaftlicher Geschlossen- So wie Jesus in seinen Abschiedsreden im Johannes- heit munter aufspielen. Mit erhobenem Haupt, voller evangelium die Jünger gestärkt hat mit Worten der Selbstbewusstsein, voller Leidenschaft und vereint Ermutigung und Stärkung. Worte voller Zuversicht auf ein Ziel: »Das Spiel ihres Lebens zu spielen und und Hoffnung. Jesus hat seine Jünger vorbereitet, dem großen Club ein Bein stellen.« Zusammenhal- wenn er nicht mehr greifbar ist – sozusagen leiblich ten ist das große Geheimnis. Nicht nur im Fußball auch Abstand geht. Diese Worte helfen auch heute. ist mannschaftliche Geschlossenheit bzw. Zusam- Wir können füreinander beten. Zusammenhalt in menhalten gefordert, sondern auch in diesen Zeiten diesen Tagen ist Ausdruck echter Gemeinschaft. und Tagen. Wir erleben, wie Menschen durch alle Al- tersschichten vereinsamen, weil sie allein sind. Wir In diesen Tagen werde ich immer wieder gefragt, was erleben, wie Menschen an ihre Grenzen kommen, uns als ChristusBewegung zusammenhält. Wenn weil sie Arbeit, Homeschooling und Kinderbetreu- ich an die Fußballmannschaften der kleinen Clubs ung unter einen Hut bekommen müssen. Wir hören denke, dann ist es die gemeinsame Aufgabe, das Spiel von Menschen, die vor lauter Existenzängsten nicht gewinnen zu wollen. Wir als ChristusBewegung ha- schlafen können. Da braucht es ein Zusammenste- ben keinen Gegner, dem wir auf einem Spielfeld ent-
Titelthema 9 Sagen wir uns gegenseitig beginnt in meinen Beziehungen. Mission und Dia- konie gehören untrennbar zusammen. Was ausein- Worte der Bibel und erzählen andergefallen scheint, gehört inhaltlich zusammen. wir uns Glaubensgeschichten Gelebtes und verkündigtes Evangelium ist gelebte Liebe und Zeugnis für Jesus Christus. Wir wollen und Erlebnisse mit Gott, Menschen die frohe Botschaft von Jesus Christus damit Menschen in diesen verkündigen. Dazu gehört aber auch, dass wir mit- Tagen gestärkt werden. helfen, die Lebensvoraussetzungen zu schaffen, dass Menschen offen sind für das Wort Gottes. Diakoni- sche Arbeit und missionarische Verkündigung kön- nen nur gemeinsam erfolgen. gegentreten. Wir sind eine Bewegung, die sich darin Als Kirche müssen wir nicht zu allen politischen The- zusammengehalten weiß, dass Menschen von Her- men Stellung beziehen. Das können andere oft bes- zen Jesus Christus nachfolgen und die Bibel als Wort ser als wir. Aber es gibt politische Themen, da dürfen Gottes als Maßstab für das eigene Leben ansehen. Kirche und wir als Christen nicht schweigen. So wie Aber im Gegensatz zu Fußballern, die der Siegeswil- der Schutz am Anfang des Lebens, wie auch was das le zusammenhält, werden wir von Jesus zusammen- Ende unseres Lebens angeht. In der aktuellen De- gehalten. Wie in Fußballmannschaften treten aber batte um Hilfe zur Selbsttötung in kirchlichen und auch bei uns Spannungen auf. Da erleben wir, wie diakonischen Einrichtungen braucht es eine starke wir auch in manchen theologischen und ethischen Stimme der Kirchen für das Leben. Ich bin dem Rat Fragen zu unterschiedlichen Auffassungen kommen. der EKD sehr dankbar für seine klare Stellungnahme, Ist das ein Grund, den gemeinsamen Zusammenhalt die sich gegen die Hilfe zur Selbsttötung ausspricht. aufzukündigen? Geht es nicht vielmehr darum, Wir müssen alles dafür tun, dass Sterbende seelsor- noch näher zusammenzurücken, um im gemeinsa- gerlich und palliativmedizinisch gut betreut werden. men Bibellesen und um ein gemeinsames Ringen Gerade im Sterben braucht es den gegenseitigen Bei- um Antworten? Gerade auch, wenn wir dann man- stand und den Zusammenhalt, dass Menschen sich ches aushalten müssen. Gerade in diesem Ringen, auch im Sterben von Gebeten getragen fühlen. auch trotz manch unterschiedlicher Auffassungen verbindet uns die Leidenschaft der Jesus-Nachfolge Ich erlebe in diesen Tagen, dass Menschen Ori- und die Leidenschaft dafür, Gottes Wort zu lesen, zu entierung und Halt suchen. Der gesellschaftliche studieren und in unserem Leben Gestalt werden zu Zusammenhalt fehlt und Menschen beginnen, da- lassen. Mit dieser Leidenschaft für Jesus begegnen vonzurennen. Menschen klammern sich an leere wir Menschen. Versprechungen und klammern sich an falsche Si- cherheiten. Wir erleben, wie Menschen den Zusam- Menschen für Jesus zu gewinnen, ist keine Projekt- menhalt in unseren Gemeinden und Gemeinschaf- arbeit, die wir mal eine Zeit lang machen oder nicht. ten aufgeben. Gehen wir diesen Menschen nach. Es ist unsere Grundhaltung. Es ist unsere DNA, dass Begleiten wir sie auf ihrem Weg und geben ihnen die wir als Zeugen für Jesus leben und unseren Mit- Sicherheit durch unsere Begleitung. Gerade in diesen menschen ein lebendiges Zeugnis sind. Unser Leben Zeiten werden mir Worte Jesu wichtig, die mir Halt spricht oft lauter und deutlicher als unsere Worte. und Sicherheit geben. In Tagen wie diesen erlebe ich Ich mache uns Mut, dass wir in unseren Bezirken, Matthäus 28,20 noch einmal neu: »Siehe ich bin bei unseren Gemeinden und Gemeinschaften die Fra- Dir alle Tage, bis an der Welt Ende.« Wir gehen nicht ge stellen: »Wie missionarisch sind wir eigentlich?« allein durch diese herausfordernden Zeiten, sondern Ich mache Mut, sich persönlich hinterfragen zu las- unser Herr geht mit uns. Jesus ist nicht der Trainer, sen. Es ist eine Herausforderung und doch beginnt der an der Seitenlinie uns zu Höchstleistung Mission bei mir persönlich: in meiner Beziehung zu antreibt, sondern Jesus steht mit uns auf dem Jesus, in meiner Leidenschaft für Jesus und wegen Platz. Er ist unsere Mitte, er ist der alleinige der Liebe zu meinem Nächsten. Beten wir für unsere Herr dieser Welt und er hält uns zusammen. Familien, Freunde, Nachbarn und für unser Land um Wenn Jesus uns zusammenhält, warum dann Erweckung. Mission beginnt mit Gebet und Mission davonlaufen? Pfr. Dr. Friedemann Kuttler Als geistlichen Impuls brachte Pfarrerin Corinna Schubert ein bewegendes Spoken Word zum Forum Pietismus mit. In vier Teilen führt es uns vom Anfang über die Krise zum Helfer und Neuanfang. Hören Sie es sich an unter: www.lebendige-gemeinde.de/spokenword-zusammenhalten/
10 Titelthema nach Trump? Das evangelikale Trump-Desaster und die Folgen für die evangelikale Bewegung
Positionen und Dialog 11 D Man ist gerne »evangelisch« ie Szenen waren gruselig. Als am 6. Januar dieses Jahres ein wütender Mob, befeuert vom Präsidenten der Vereinigten Staaten höchst- und auch »pietistisch«, persönlich, das Kapitol in Washington stürmte, tru- gen viele Schilder mit sich, auf denen Slogans stan- aber man ist nicht gerne den wie »Jesus lives«, »Jesus 2020« oder »An Appeal »evangelikal« to Heaven«. Einer der frommen Hooligans hatte ein Schofar dabei, ein Signalhorn, wie es im alten Isra- el im heiligen Krieg verwendet wurde. Die vielleicht verstörendste Szene, die durch die Medien ging, war die Folgende: Ein Mann mit nacktem Oberkörper, das Gesicht mit der amerikanischen Flagge bemalt und einer Mütze aus Fellen und Hörnern auf dem Kopf, steht mit anderen schrägen Gestalten in den Fluren des Kapitols. Ein Mann mit langen Haaren und Trump-Basecap steht neben ihm, schließt die Augen und betet mit erhobener Faust: »Jesus Chris- tus, wir rufen deinen Namen an! Amen.« Der gehörn- © picture alliance / Manuel Balce Cenata te Kollege brüllt daraufhin in sein Megafon: »Danke, himmlischer Vater, dass du uns in deiner Gnade diese Möglichkeit schenkst, uns für unsere gottgegebenen Rechte einzusetzen.« Andere skandieren in Sprech- chören »Hängt Mike Pence!« Gemeint war der Vize- präsident der Vereinigten Staaten, ein bekennender evangelikaler Christ, der vier Jahre lang in großer Nibelungentreue seinem Chef zur Seite stand und selbst in den peinlichsten Momenten der an schrillen Szenen wahrlich nicht armen Amtszeit von Donald Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump Trump loyal blieb – bis eben zu diesem Tag, an dem stürmten am 6. Januar 2021 das Capitol und sprachen er sich der Anweisung seines Chefs verweigerte, die unter anderem auch Dankgebete vor laufenden Kameras. gesetzlich und protokollarisch vorgegebene Bestä- tigung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu trächtiger und heimischer ist als die aus dem angel- boykottieren. sächsischen Raum kommende Bezeichnung »evan- gelikal«, die sich zudem in Deutschland erst in den Nicht zuständig? 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts etabliert hat. Was haben Pietisten als geistliche Erben von Philipp Ja- Neben Fassungslosigkeit überkommt mich eine ab- kob Spener, Johann Albrecht Bengel, August Herr- grundtiefe Scham. Diese Menschen reklamieren für mann Francke und Nikolaus Graf von Zinzendorf sich offensichtlich denselben Glauben, den auch ich mit evangelikalen Trump-Freunden wie Franklin teile und sie gehören vermutlich einem Frömmig- Graham, Eric Metaxas, Robert Jeffress oder Jer- keitstypus an, der mit meinem »nicht unverwandt« ry Falwell Jr. zu tun? Vielen frommen Menschen ist, um es einmal ganz vorsichtig und mit hochroten in Württemberg geht der Begriff »evangelikal« nur Wangen zu sagen. schwer als Identitätsbezeichnung über die Lippen. Es wurde viel geschrieben in den letzten Monaten Man ist gerne »evangelisch« und auch »pietistisch«, über die Evangelikalen in den USA und auch wenn aber man ist nicht besonders gerne »evangelikal«. wir es nicht mehr hören können und wollen: Wir Der Begriff klingt nach wie vor zu amerikanisch, zu müssen über dieses Thema reden, weil es uns angeht bunt, zu »unevangelisch« und zu unseriös. und wir uns nicht davor drücken können. Mein erster Impuls – vielen Lesern dieser Zeilen Der Pietismus und die Evangelikalen wird es ähnlich gegangen sein – war natürlich, mich als »nicht zuständig« zu erklären für diesen Aus- Allerdings lässt sich rein historisch betrachtet der bruch theologisch verirrter Gewalt einer Bewegung, Pietismus seit dem 19. Jahrhundert vom Evange- die offensichtlich zu viele schlechte Berater gehabt likalismus nicht mehr trennen. Zu zahlreich sind und zu viele oberflächliche Predigten gehört hat. die historischen Verbindungen, die wechselseitige Wir könnten uns in Württemberg nun auf das Befruchtung, die Impulse, die der deutsche Pietis- Türschild »Pietismus« zurückziehen und damit auf mus aus der angelsächsischen Welt erhalten hat, eine Identitätsbezeichnung, die viel älter, geschichts- angefangen von den großen amerikanischen Erwe-
12 Positionen und Dialog ckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts über die Viele evangelikale Evangelisationen Billy Grahams bis hin zur Welt- missionsbewegung und der Lausanner Bewegung im Führungsfiguren und 20. Jahrhundert. Der Pietismus war und ist Teil der entsprechend viele weltweiten evangelikalen Bewegung – das lässt sich überhaupt nicht leugnen. Zu dieser Bewegung zählt fromme Menschen haben natürlich nicht nur der amerikanische Evangelika- sich auf Gedeih und lismus, sondern eine weltweite Bewegung, die im 20. Jahrhundert ihr Achtergewicht in den globalen Verderb mit einem Süden verlagert hat und ihr größtes Wachstum bis Menschen verbündet, heute in Lateinamerika, Afrika und Asien erlebt. Die evangelikale Bewegung, zu der aus globaler Perspek- der sich charakterlich tive auch die pentekostal-charismatische Bewegung bereits weit vor der gehört, ist aus rein quantitativer Perspektive der mit Wahl als unqualifiziert Abstand dynamischste Flügel der Weltchristenheit in allen Kontinenten mit Ausnahme »Europa«. erwiesen hat Der theologische, finanzielle und nicht zuletzt publizistische Mittelpunkt dieser Bewegung liegt aber nach wie vor in Nordamerika. Man muss sich der ZEIT, hat es in einem Kommentar auf den Punkt nur einmal im Sortiment der christlichen Buchhand- gebracht: Der »zynische Narzisst Trump hat den Ver- lungen und Büchertische umsehen, um festzustellen lierern des Kulturkampfes eine Stimme verliehen, wie sehr der nordamerikanische Evangelikalismus die an Nation und Kirche glauben, aber nicht an den die Szene bestimmt. Auch die großen Weltkongresse Katechismus des Korrekten. Sie verübeln der ‚Elite‘ der Lausanner Bewegung wären ohne die organisato- die Sprachkontrolle und die Fetischierung von Gen- rischen, logistischen und vor allem finanziellen der, Hautfarbe und Sexualität« (Josef Joffe, Ende des Möglichkeiten der amerikanischen Schwes- Albtraums, Die ZEIT, Nr. 3/2021, S. 1). tern und Brüder völlig undenkbar. Fehlende Distanz und kritiklose Identifikation Das Dilemma der evangelikalen Amerikaner Das Problem ist nicht, dass evangelikale Christen Donald Trump gewählt haben. In einem faktischen Mein zweiter Impuls war, die »vernünf- Zwei-Parteien-System, das einem bei einer Wahl tigen Evangelikalen« vor diesem geist- nur zwei Optionen lässt, ist es nachvollziehbar, dass lich und geistig unterversorgten Mob in fromme Menschen erstens zur Wahl gehen (was im- Schutz zu nehmen. Denn natürlich schä- mer gut ist) und sie zweitens ihre Stimme nicht der men sich Millionen evangelikaler Christen Partei oder dem Kandidaten geben, die bzw. der nicht in den USA genauso für diese Szenen wie ich ihre politischen Interessen, Anliegen und Werte ver- und viele der Leser dieser Zeilen. Es ist uns tritt. Bei einer politischen Wahl geht es nicht um allen klar, dass die Evangelikalen in den USA die Wahl einer pietistischen Gemeinschaftsleitung, genauso zerrissen sind, wie die gesamte ame- sondern um die Wahl eines Staatführers oder einer rikanische Gesellschaft. In dieser Bewegung gibt Staatsführerin. Hier geht es nie um eine absolute Zu- es nach wie vor eine Fülle kluger, bedächtiger, tief stimmung zu allen Punkten eines Wahlprogramms geistlicher und theologisch heller Köpfe. Das zeigt oder den Überzeugungen eines Kandidaten oder ei- gerade auch die beginnende Aufarbeitung des geisti- ner Kandidatin, sondern immer um eine relative Zu- gen, geistlichen und theologischen Desasters dieser stimmung zu einem »Gesamtpaket«. Bewegung. Das Problem war (und ist!) etwas anderes: Die evan- Ich verstehe auch das politische Dilemma, in dem gelikale Bewegung in den USA hat sich in den letzten sich viele der evangelikalen Schwestern und Brüder Jahren in Teilen ihrer Führungspersönlichkeiten befanden und befinden. Ich kann ihren Frust durch- und in (großen) Teilen ihrer Mitglieder zunächst aus nachvollziehen: Sie sehen sich von der Washing- mit einem Kandidaten und dann mit einem Präsi- toner Politik verlassen und nicht mehr vertreten. Die denten in einer Weise verbunden, identifiziert und starke Fokussierung auf Minderheiten, um Unge- verschmolzen, die absolut war und keine Differen- rechtigkeit zu vermindern, hat zu neuen Ungerech- zierungen mehr sichtbar werden ließ. Donald Trump tigkeiten geführt. Viele weiße Evangelikale kommen war der Präsident der (weißen) Evangelikalen. sich vor, wie jemand der in einer langen Warteschlan- Viele evangelikale Führungsfiguren und entspre- ge steht, in der sich ständig Leute vordrängeln und chend viele fromme Menschen haben sich auf Ge- sie nie weiterkommen. Josef Joffe, der Herausgeber deih und Verderb mit einem Menschen verbündet,
Positionen und Dialog 13 der sich charakterlich bereits weit vor der Wahl als die Einmischung führender kirchenleitender Ver- unqualifiziert erwiesen hat und in seiner bisherigen antwortungsträgerinnen und -träger in politische Lebensführung all die Werte öffentlich und erkenn- Sachfragen, für die es kein christliches Mandat gibt, bar mit Füßen getreten hat, für die Christen eigent- weil man sie auch nach den Maßstäben christlicher lich stehen. Die Art und Weise, wie dieser Präsident Ethik so oder so treffen kann. Es sind Ermessensent- kommuniziert, polemisiert, polarisiert, diffamiert scheidungen. Doch genau diese Einmischung in das und diskutiert hat, machte immer unmissverständ- politische Tagesgeschäft sowie die Ideologisierung lich klar, dass es ihm nie darum ging, Amerika groß von politischen Sachfragen kennzeichnete die evan- zu machen, sondern nur sich selbst. gelikalen Voten und die evangelikale Agenda in den USA in den letzten Jahren. Die Ideologisierung politischer Sachfragen Die Scham der jungen Frommen Dass Machthaber gleich welcher Couleur gelegent- lich lügen, ist nichts Neues in der Weltgeschichte, Nun ist der Scherbenhaufen groß und das Aufräu- und dass sie dennoch die Stimme auch von Christen men beginnt … und hier beginnt auch unsere Auf- bekommen, gehört zum Wesen demokratischer Ge- gabe! Gerade viele junge Evangelikale, aber gewiss sellschaften. Ohne Kompromisse ist keine Demo- nicht nur sie, schämen sich heute für dieses Adjektiv kratie zu haben. Das Problem ist die evangelikale »evangelikal« als Beschreibung der eigenen geistli- Distanzlosigkeit, die absolute Identifikation und die chen und theologischen Identität, weil bei den ame- Unfähigkeit zur Kritik an den zahllosen Verfehlun- rikanischen Schwestern und Brüdern trotz vieler gen dieses Mannes. warnender Stimmen der Evangelikalismus und der In der Bewertung politischer Entscheidungen und Trumpismus zu oft nicht mehr zu unterscheiden war. Führungspersönlichkeiten können nicht nur einzel- Die Frage steht im Raum, was die Bezeichnung ne symbolträchtige Punkte ausschlaggebend sein, »evangelikal« bringt, wenn sich immer mehr Evange- sondern es muss immer um ein Gesamtbild gehen. likale für sie schämen oder sich gar von ihr abgrenzen, Es ist legitim, aus einer konservativen Haltung her- weil man zu so einem Verein einfach nicht gehören aus Trumps Entscheidungen in Lebensrechtsfragen will. Mit einer solchen Verwandtschaft wollen immer (Stichwort »Abtreibung«) oder in der Nahostpolitik weniger junge Christen zusammen gesehen werden. zu begrüßen. Aber das darf nicht den Blick für das Solange das Adjektiv »evangelikal« für Christen Ganze verzerren, vor allem nicht für den Umgang steht, die von einer lebendigen Hoffnung erfüllt sind, mit Worten, die dieser Präsident mit einer Brutalität weil sie von dem gekreuzigten und auferstandenen verwendete wie keiner seiner Vorgänger. Jesus Christus ergriffen worden sind und deshalb In Deutschland beklagen viele Christen seit Jah- täglich mit ihm reden, zu ihm beten und ihn loben, ren zurecht die Politisierung vieler Predigten und steht der Begriff für einen lebendigen und anzie- Der Evangelist Billy Graham (1918 –2018) war im 20. Jahrhundert das Gesicht der weltweiten evangelikalen Bewegung. Siebenmal trat er auch in Deutschland auf, zuletzt im Rahmen von ProChrist 1993. Düsseldorf 1954 Bundesarchiv, Bild 194-0798-29 Lachmann, Hans / CC-BY-SA 3.0
14 Position und Dialog von Freude getragen und zugleich klug und reflek- tiert. An ihren guten Tagen ist evangelikale Spiritu- alität in ihrer Hingabe an andere vorbildlich. An ihr kann deutlich werden: Es ist mehr im Glauben zu fin- den als dürre Mitgliedschaft, als totes Katechismus- wissen oder als moralische Bemühung, mehr als ‚mil- des Luthertum‘, mehr als lebens- und jahreszyklisch aktivierte Kasualfrömmigkeit. Indifferenz soll und kann überwunden werden. Eine starke Resonanz kann entstehen. Das ist das Movens ihrer Mission« (Deutsches Pfarrerblatt 117 [2017], 524). Nun waren die letzten Monate und Jahre leider nicht die besten Tage der Evangelikalen und das nicht nur wegen des »Onkels in Übersee«. Zu zer- stritten und zersplittert, zu erbittert und verbittert, zu verletzend und zersetzend, zu rechthaberisch und Was die Lausanner Bewegung weltweit bewirkte, dafür sorgte manchmal einfach etwas »schräg« haben sich die ProChrist in Deutschland: Die Evangelikalen fanden dort zusammen, Evangelikalen auch in Deutschland präsentiert. Das wo ihr Herz schlägt: bei der Evangelisation. war und ist nicht gut. Wäre damit nicht der Anlass und der Moment henden Glauben. Solange »evangelikal« für Chris- gekommen, sich von dem belastenden Adjektiv zu ten steht, die glauben, dass sein Sühnetod am Kreuz verabschieden und die Vergangenheit einfach hinter ein stellvertretendes Sterben für uns und zu unse- sich zu lassen? Muss man auf alle Ewigkeit an einem ren Gunsten ist, und deshalb auch überzeugt sind, Namen festhalten, der erstens in Deutschland sowie- dass jeder Mensch davon erfahren sollte, weil sich so weder alt noch übermäßig ehrwürdig ist und sich aus der Vergebung der Schuld das Leben verändert, zweitens verbraucht hat oder gar zum »Unwort« zu Beziehungen neu werden können, Umkehr aus den werden droht und drittens mehr eine Last als eine Sackgassen der Sünde, der Sucht und der Selbstbezo- Lust geworden ist? War Donald Trump der Totengrä- genheit möglich wird, steht das Wort für »reforma- ber des Evangelikalismus? torisch« im besten Sinn. Solange »evangelikal« da- für steht, dass wir in der Heiligen Schrift Wahrheit, Mit einem Namen verschwindet nicht selten Trost, Orientierung und nicht zuletzt die Hoffnung auch die bezeichnete Sache auf die Wiederkunft Jesu und das ewige Leben fin- den können, solange ist das Adjektiv »evangelikal« Bevor man allerdings eine etablierte Selbst- und wie eine warme Stube, in die man gerne geht, weil es Fremdbezeichung für eine weltweit gesehen erstaun- warm aus ihr kommt. lich vitale geistliche Bewegung über Bord wirft, weil In so eine warme Stube lädt man gerne ein, für so sie unappetitlich geworden ist, sollte man sich vor- eine warme Stube setzt man sich gerne ein, für so her doch etwas mehr Zeit für ein paar tiefergehende eine Stube engagiert man sich und bringt auch gerne Überlegungen nehmen. manches Opfer. Denn mit dem Verschwinden eines »Namens« Prof. Dr. Michael Herbst hat es vor Jahren im Deut- oder einer Bezeichnung verschwindet nicht selten schen Pfarrerblatt treffend auf den Punkt gebracht: auch die Sache, die sie bezeichnet. Es verschwinden »An ihren guten Tagen ist evangelikale Spiritualität zwar nicht die Menschen und auch nicht die Ge- meinden, aber es verschwindet die Gemeinsamkeit, die Einheit, die identitätsstiftende Verbundenheit, die auf gemeinsamen geistlichen und theologischen Zu zerstritten und zersplittert, Überzeugungen beruht. In der Evangelischen Al- zu erbittert und verbittert, lianz haben sich die Evangelikalen gefunden zum gemeinsamen Gebet in der Allianzgebetswoche, zur zu verletzend und zersetzend, gemeinsamen Evangelisation bei ProChrist und dem zu rechthaberisch und Christival, zur gemeinsamen Mission in der Lausan- ner Bewegung und der Arbeitsgemeinschaft evange- manchmal einfach etwas likaler Missionen usw. »schräg« haben sich die Wenn die Selbstbezeichnung verschwindet, wer- den diese Dinge nicht ohne Weiteres fortbestehen, Evangelikalen auch in denn dann gibt es nur noch Pietisten, Charismati- Deutschland präsentiert ker, Freikirchler und konservative Protestanten, die
Position und Dialog 15 aber nichts mehr verbindet und die sich folglich wei- Woran es uns ter atomisieren. Plötzlich wären wir alle wieder sehr klein und sehr allein. Die vielen Erfahrungen der gegenwärtig mangelt, Ermutigung und Glaubensstärkung, die Möglichkei- sind Versöhnung ten, mit einer gemeinsamen Stimme zum Glauben einzuladen und gemeinsame Anliegen zu formulie- und Einheit sowie ren, die geistliche Einheit, an der Generationen von Wahrheit und Klarheit. Müttern und Vätern gearbeitet und um die sie ge- rungen haben, wären schneller zunichte als wir uns vorstellen können. wärtige Evangelikalen-Bashing wie ein warmer Som- Schlagartig wäre auch die Gemeinschaft mit den merregen. Aber würde je ein Katholik auf die Idee vielen evangelikalen Schwestern und Brüder im glo- kommen, sich deshalb vom Namen seiner Kirche, sei- balen Süden dahin, mit denen wir über mehr als 100 ner Identität und seines Glaubens zu verabschieden? Jahre durch die Weltmissionsbewegung verbunden Nein, ich glaube nicht, dass es Evangelikalen hel- sind, die sich in der Lausanner Bewegung 1974 ge- fen würde, den Namen zu wechseln – einmal ganz funden haben, und denen die aktuellen Verirrungen davon abgesehen, dass man es sich sowieso nicht der amerikanischen Verwandtschaft genauso pein- aussuchen kann, wie andere einen nennen. Der ein- lich sind wie uns. Und nicht zuletzt: Was wäre das für zige Weg aus dem Dilemma führt über Begriffe, die ein Signal an die Millionen schwarzer Evangelikaler Evangelikale gut kennen: Buße, Bescheidenheit, in den USA und an die vielen nach wie vor aufrech- Demut und einen besonneneren Umgang mit Wor- ten, anständigen, rechtschaffenen aber zunehmend ten auf allen Kanälen, insbesondere in den sozialen verzweifelten Evangelikalen, die gerade jetzt unser Netzwerken. Gleichzeitig brauchen wir auch klare Gebet brauchen und nicht unsere naserümpfende Worte, dass wir mit manchen Stilblüten des welt- Abkehr? weiten Evangelikalismus wie z. B. dem Wohlstands evangelium einer Paula White oder eines Kenneth Die Last des Geschehenen wird man nicht Copeland nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. durch einen neuen Namen los Wir brauchen vor allem eines: Zeit! Die entscheidende Frage ist aber, ob so ein Etiketten- wechsel der richtige Weg ist, um mit einer belasten- Woran es uns gegenwärtig mangelt, sind Versöhnung den Geschichte umzugehen. War es jemals der Weg und Einheit sowie Wahrheit und Klarheit. Nun las- christlicher Seelsorge, einem Menschen, der sich im sen sich diese Dinge nicht einfach machen, sondern Leben verirrt hat, den Rat zu geben, einfach den Na- sie werden immer nur geschenkt und dazu brauchen men zu ändern, um mit den Lasten der Vergangen- wir vor allem eines: Zeit! heit fertig zu werden? Kann man ein Image einfach Der alttestamentliche Prediger war ein weiser ablegen, indem man sich einen neuen Namen sucht? Mensch als er schrieb: »Ein jegliches hat seine Zeit Nehmen wir einmal für einen kurzen Moment an, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit das wäre möglich, wie sollte dieser Name denn dann … pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt lauten? ist, hat seine Zeit … abbrechen hat seine Zeit, bauen Vielleicht hilft hier ein kurzer Seitenblick auf un- hat seine Zeit … zerreißen hat seine Zeit, zunähen sere katholischen Schwestern und Brüder. Deren Si- hat seine Zeit … Streit hat seine Zeit, Friede hat sei- tuation nach den schier endlosen Missbrauchsskan- ne Zeit« (Pred 3,1-8). Auch der »Aufbruch der Evan- dalen der letzten Jahre und den quälenden und nicht gelikalen« (so Fritz Laubachs Buch von 1972) hatte selten misslungenen Versuchen der Aufarbeitung seine Zeit und ihre Neuformierung nach dem großen ist noch viel prekärer als das evangelikale Desaster Streit wird auch ihre Zeit haben. Wir werden diese in den USA. Gegenüber dem Zeit brauchen – und noch dazu viel Geduld. V Shitstorm, den die Katholiken gerade erleben, ist das gegen- der autor: Vor fast 50 Jahren Prof. Dr. Volker Gäckle formulierte der frühere ist Rektor der Internationale Hochschule Vorsitzende der Evan- Liebenzell (IHL), Pfarrer der Württem gelischen Allianz, Fritz bergischen Landeskirche und Mitglied Laubach, die erste des Vorstandes der ChristusBewegung Programmschrift der Lebendige Gemeinde deutschen Evangelikalen
16 Synode aktuell Bischofsbericht »Komm, weite den Blick ...« Frühjahrssynode In Anlehnung an die zwölf EKD- Leitsätze »Hinaus ins Weite...« be- fasste sich Landesbischof Dr. h.c. Behutsam prüfen, Frank Otfried July in seinem Bi- schofsbericht »Komm, weite den Blick ...« mit der Zukunft der Kir- che. Dabei ging er auf die einzel- dann aber nen Leitsätze ein und forderte, ein EKD-Kompetenzzentrum Digita- lisierung mit Schwerpunkt im Be- entscheiden reich E-Learning in Württemberg einzurichten. Die Frühjahrssynode tagte am 19. und 20. März 2021 erneut »hybrid«, sowohl im Hospitalhof in Stuttgart wie auch digital. Alle Anwesenden wurden einem Schnelltest unterzogen. Neben dem Bischofsbericht zu den EKD-Leitsätzen, waren der Bericht des Sonderausschus- Dekan Gunther Seibold beim ses zur inhaltlichen Ausrichtung, das Gesprächskreisvotum für die LG digital vermittelte Abendmahl und das Der Bernhäuser Dekan Gunther Klimaschutzkonzept der Ev. Landeskirche Seibold bestärkte im Gesprächs- zentrale Themen der Synodaltagung. kreisvotum der Lebendigen Ge- meinde (LG) nochmals den Leit- satz der »Mission« und warb da- für, die Verschiedenheit der Ge- meindeprägungen in Württem- berg als Reichtum zu begreifen. In der Aussprache benannte Mi- chael Schneider (LG) Defizite in der digitalen Präsenz der Kirche und forderte, auch den digitalen Verkündigungsauftrag verstärkt wahrzunehmen. In diesem Sinne begrüßte Tobias Geiger (LG) die Forderung nach einem Kompe- tenzzentrum Digitalisierung. Er freue sich aber noch mehr, wenn unsere Landeskirche auch zu ei- nem Kompetenzzentrum für dialo- gische Kommunikation des Evan- geliums werden würde.
Synode aktuell 17 Sonderausschuss für Dekan Siegfried Jahn (LG) beton- Pfarrerin Maike ©elk-wue.de inhaltliche Ausrichtung und te in der Aussprache die Wichtig- Sachs berichtete für Schwerpunkte keit der freien Werke und Dienste den Sonderausschuss Für den in der Sommersynode mit ihrer diakonischen, missiona- für inhaltliche 2020 einberufenen »Sonderaus- rischen und gemeinschaftsbilden- Ausrichtung und schuss für inhaltliche Ausrich- den Arbeit. Darum beantragte er, Schwerpunkte tung und Schwerpunkte« gab Mai- diese als eigenes Kriterium zu be- ke Sachs (LG) als stellvertretende nennen, da sie bei vergleichswei- Ausschussvorsitzende einen ers- se geringen Zuwendungen einen ten Bericht. Vor dem Hintergrund hohen Mehrwert für die Landes- sinkender Kirchenmitgliedszah- kirche haben. Daran anknüpfend len und Kirchensteuereinnahmen regte Pfarrer Thomas Stuhrmann erarbeitet der Ausschuss in Ab- (LG) an, bei kirchlichen Arbeitsfel- sprache mit dem Oberkirchenrat dern über engere Kooperationen Rainer Köpf (LG) machte sich für Kriterien, mit denen die künftig mit freien Werken nachzudenken die Kirchenmusik stark. Sie sei für knapperen Ressourcen und kirch- und Kompetenzen zu übertragen, die kirchliche Praxis grundlegend lichen Handlungsfelder priorisiert statt sie aufzugeben, sollten die und eine wichtige Form der Kom- werden. Ressourcen knapp werden. Pfarrer munikation des Evangeliums. ©elk-wue.de
18 Synode aktuell Aktuelle Stunde ©Tobias Geiger In der aktuellen Stunde wurden zwei Themen diskutiert. Die erste halbe Stunde befasste sich mit dem Thema »Neue Egoismen. Wie die Pandemie unser Miteinander ver- ändert und was die Aufgabe der Kirche ist«. Maike Sachs brachte die Sorge zum Ausdruck, dass sich Distanzierungen und Abgrenzun gen zunehmend verfestigten. Dem stellte sie den Gedanken Martin Luthers gegenüber: »Wenn mein Nächster mich aber braucht, so will ich weder Ort noch Person meiden, sondern frei zu ihm ge- hen und helfen.« Egoismus komme durch Existenz- Die LG-Synodalen ängste zutage, wurde mehrmals Thomas Stuhrmann (oben) betont. Diese müssen wahrge- und Siegfried Jahn (links) nommen werden »nicht verurtei- lend – sondern so wie Jesus mit über das digitale Abendmahl und Martha umging«, so Rainer Köpf. benennt die wesentlichen Aspekte Die Botschaft Jesu Christi sei eine einer Abendmahlsfeier. Der stell- hoffnungsvolle, die gerade jetzt vertretende Vorsitzende des theo- immer wieder betont werden und ©Tobias Geiger logischen Ausschusses, Steffen dem Miteinander helfen könne. Kern (LG), warb dafür, theologisch sorgsam zu reflektieren, behut- sam zu prüfen, dann aber auch zu entscheiden. Dabei appellierte er Digital vermitteltes an die evangelische Freiheit: »Wir Abendmahl dürfen das Abendmahl nicht mit Zäunen und Verboten belegen, Seit Ostern 2020 ist die Möglich- sondern wir brauchen die Frei- keit eines digital vermittelten heit, es verantwortlich zu feiern.« Abendmahls nicht nur im theolo- Die Erfahrungen damit seien so gischen Ausschuss Dauerthema. positiv, dass wir es verantwortet Im Februar fand hierzu ein syn- wagen sollten, so Kern. Rainer odaler Studientag statt, der das Köpf unterstrich die seelsorgerli- Thema aus unterschiedlichen Per- che Verantwortung. Es brauche in spektiven beleuchtet hat. Hellger der gegenwärtigen Notsituation Koepff, Vorsitzender des theolo- Ausnahmen von den bestehenden gischen Ausschusses, gab auf der Regeln, um die seelsorgerliche Si- Frühjahrssynode einen ausführ- tuation in den Gemeinden ernst lichen Bericht über den aktuellen zu nehmen. Diskussionsstand. »In vielem ste- Die Synode hat hierzu mehrere hen wir am Anfang eines Such- Anträge verabschiedet, die den und Klärungsprozesses, der nicht Oberkirchenrat bitten, sich mit auf Württemberg begrenzt ist«, dem Thema weiterhin zu befassen, resümierte Koepff die kontroverse die Kirchengemeinden über den Diskussion, die nicht entlang kir- aktuellen Beratungsstand zu infor- chenpolitischer Linien verlaufe. In mieren und die Feier des Online- der Aussprache war auch der aktu- Abendmahls zum Osterfest in elle Osterbrief des Landesbischofs diesem Jahr als pandemisch be- Thema. Darin informiert July die dingte Ausnahmesituation zu er- Gemeinden über die Diskussionen möglichen.
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