10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
10 Der Einfluss des Klimawandels
   auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung
   von allergischen Erkrankungen
          Alika Ludwig, Daniela Bayr, Melanie Pawlitzki und
          Claudia Traidl-Hoffmann
          C. Günster | J. Klauber | B.‑P. Robra | C. Schmuker | A. Schneider (Hrsg.) Versorgungs-Report Klima und Gesundheit.
          DOI 10.32745/9783954666270-10, © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin 2021

Die Zahl der Allergiker:innen in Deutschland und Mittel-        lichkeiten und vor allem auch der Sicherung und
europa steigt stetig. Diese Entwicklung wird durch den Kli-     Unterstützung unabhängiger Forschung. Besonders im
mawandel noch verstärkt. Durch den Klimawandel verän-           Bereich der Prävention könnte diese mittelfristig sehr kos-
dern sich Verbreitung, Menge und Allergenität der Pollen.       teneffektiv den durch die Klimaveränderungen noch ver-
Die Zunahme extremer Wetterereignisse könnte zu ver-            größerten gesellschaftlichen Schaden abwenden.
mehrten Komplikationen für Asthmatiker:innen führen.
Steigende Temperaturen haben Einfluss auf die am Aller-         The number of people suffering from allergies in Germany
giegeschehen beteiligten Entzündungsprozesse.                   and Central Europe is constantly rising. Climate change
    Es besteht eine Kluft zwischen dem Verlust an Lebens-       further aggravates this development. Climate change
qualität und dem volkswirtschaftlichen Schaden, der durch       modifies the distribution, amount and allergenicity of
Allergien hervorgerufen wird, einerseits und der landläu-       pollen. The increase in extreme weather events could
figen Wahrnehmung der Erkrankung sowie der Versorgung           heighten complications in asthma patients. Rising tem-
der Betroffenen andererseits. Allergiker:innen können in        peratures have an influence on the inflammation process-
erster Linie durch die Inanspruchnahme einer Therapie der       es that have their share in the manifestations of allergic
Verschlimmerung ihrer Erkrankung vorbeugen, aber auch           diseases.
selbst Maßnahmen zur Anpassung an klimabedingte Ver-                There is a large gap between the impact allergies have
änderungen ergreifen.                                           on the quality of life and the deadweight loss they cause
    Viele der Versorgungslücken ergeben sich jedoch auch        on the one hand and people’s common perception of the
aufgrund von strukturellen Gegebenheiten und Weichen-           disease and the state of patient-centered care on the oth-
stellungen, denen der Gesetzgeber wirksam entgegentre-          er hand. The most important thing individuals suffering
ten könnte. Diese betreffen vor allem die Bereiche der Aus-     from allergies can do is to take advantage of professional
bildung der Ärzt:innen, der Vergütungskonzepte der ge-          treatment in order to prevent the worsening of their ill-
setzlichen Krankenkassen, der Verpflichtung zur adäqua-         ness. Beyond that, there are many measures they can take
ten Bereitstellung von Diagnose- und Behandlungsmög-            to adjust to the alterations climate change is causing.

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen
    für die medizinische Versorgung in Deutschland

    Many gaps in medical care for allergic persons, how-     10.2 Veränderung der Allergenexposition
ever, are due to structural circumstances and to how the
course has been set. Concerning these points, legislation    Pollen und Pilzsporen zählen zu den häufigsten
could effectively bring about change. The main issues here   Allergieauslösern in der Außenluft und sind da-
are the education of physicians, the reimbursement regu-     her von zentraler Bedeutung für die medizini-
lations of statutory health insurance, the commitment to     sche Praxis und Forschung. Die Konzentration
provide diagnostic opportunities and treatment options       von Pollen und Pilzsporen in der Außenluft
and – beyond all – the commitment to secure and support      wird dabei durch verschiedene Umweltfaktoren
independent research. Especially research in the field of    bestimmt und primär durch die regionale Ve-
allergy prevention could in the medium term help – in a      getation beeinflusst. Durch die atmosphärische
cost-effective way – to avert the societal damage that is    Zirkulation können zudem insbesondere kleine
even increased by climate change.                            und leichte Pollen und Pilzsporen über größere
                                                             Distanzen transportiert werden (Kasprzyk u.
                                                             Borycka 2019). Entscheidende Umweltfaktoren
10.1 Einleitung                                              sind daher regionale Parameter wie Wind, Luft-
                                                             temperatur, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit,
Allergische Erkrankungen breiten sich aus                    Bodenbeschaffenheit, Terrain sowie Agrarpro-
(Ring et al. 2012; Biedermann et al. 2019). Im               duktion, Luftqualität und Urbanisierung (Da-
Jahr 2015 litten in der EU mehr als 150 Millionen            mialis 2011; Menzel et al. 2006; Traidl-Hoff-
Menschen an einer Allergie (EAACI 2015), Ten-                mann 2017; Fairweather et al. 2020; Jochner et
denz steigend. Schätzungen der EAACI (Euro-                  al. 2013). Diese Umweltfaktoren stehen in di-
pean Academy of Allergy and Clinical Immunol-                rektem Zusammenhang mit dem Klimawandel
ogy) rechneten 2015 weiterhin damit, dass im                 und müssen regional stark differenziert be-
Jahr 2025 bereits die Hälfte der Bevölkerung an              trachtet werden.
einer Allergie leiden würde (EAACI 2015). Der                   Eine Vielzahl von Studien beschäftigt sich
sozioökonomische Schaden beläuft sich auf ge-                mit dem Einfluss von Umweltfaktoren auf die
schätzt 151 Milliarden Euro pro Jahr (Zuberbier              Allergenexposition sowie die Veränderungen
et al. 2014; Traidl-Hoffmann et al. 2014). Diese             dieser Faktoren aufgrund des Klimawandels.
enorme Zahl macht deutlich, wie sehr die land-               Eine höhere Pollenproduktion und ein früherer
läufige Wahrnehmung der Krankheit und ihre                   Beginn der Pollensaison konnte an Standorten
faktische Bedeutung auseinanderklaffen. Der                  mit erhöhten Temperaturen wie südlich ex-
jährlich neu durch sie verursachte Schaden und               ponierten Hängen, niedrigen Höhenlagen,
Verlust an Lebensqualität wird sich im Zuge des              urbanen Gebieten und in wärmeren Jahren
Klimawandels noch vergrößern. Veränderun-                    nachgewiesen werden. Aber auch höhere Nie-
gen bezüglich der Verbreitungsgebiete und                    derschläge vor der Blütenstandsbildung bedin-
Eigenschaften der Pollen sind dabei ein Aspekt.              gen eine stärkere Pollenproduktion (Damialis
Allergien gehören zu den nicht übertragbaren                 2011; Traidl-Hoffmann et al. 2014; Ring et al.
Krankheiten, bei denen entzündliche Prozesse                 2014). Des Weiteren zeigen deutsche Studien an
eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Diese                 Birkenpollen, dass auch die Pollenallergenität
wiederum werden von steigenden Temperatu-                    durch den Klimawandel beeinflusst wird. Hö-
ren beeinflusst. Die Zunahme der Allergiker:in-              here Temperaturen sowie der Anstieg des Koh-
nen hierzulande ist also unter anderem ein Ge-               lenstoffdioxidgehalts der Luft beeinflussen das
sicht des Klimawandels, das sich hier vor Ort                Pflanzenwachstum, die Pollensaison und die
in Mitteleuropa konkret zeigt.                               -produktion, sie führen aber auch zu einer Er-
                                                             höhung der in den Pollen enthaltenen allerge-
                                                             nen Eiweißstoffe. Dies bewirkt, dass die Pollen

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen                                         II
stärkere allergische Reaktionen verursachen             et al. 2003; Buters et al. 2012). Veränderungen
(Buters et al. 2008). Ferner ist auch die Ozon-         von atmosphärischen Zirkulationsmustern
konzentration eine wichtige Einflussgröße auf           durch den Klimawandel sind folglich ein wich-
die Pollenallergenität und die Pflanzenpopula-          tiger Bestandteil zur Quantifizierung der Pol-
tion. Auch Stickstoffdioxid kann auf sensitive          lenkonzentration sowie der Allergenexposition
Pflanzen Einfluss nehmen und Blattwachstum              und Gegenstand aktueller interdisziplinärer
sowie Ertrag beeinflussen. Hierbei besteht al-          Forschung.
lerdings nach Beck et al. (2013) noch Klärungs-            Eine Veränderung der globalen Vegetations-
bedarf über die verknüpfte Wirkung von Ozon,            zonen ist ebenfalls eine Folge des Klimawan-
Kohlenstoffdioxid, Stickstoffdioxid und Luft-           dels. Durch die Veränderung der Umweltfakto-
temperatur.                                             ren wie Temperatur, Niederschlag oder frost-
   Ein signifikanter Anstieg der saisonalen Pol-        freie Tage werden neue Pflanzenarten hei-
lenkonzentration sowie eine längere Dauer der           misch. Diese werden auch als invasive Arten
Pollensaison konnte auch für Standorte auf der          bezeichnet. Ein prominentes Beispiel hierfür
Nordhalbkugel festgestellt werden. Auch der             ist die Invasion der Ambrosiapflanze.
Anstieg der frostfreien Tage pro Jahr korreliert            Ambrosia artemisiifolia (Beifußblättriges
signifikant mit der Zunahme der Pollenbelas-            Traubenkraut) besitzt besonders stark allergene
tung und der Dauer der Pollensaison. Im Hin-            Pollen und gilt nach Einschätzung der Europäi-
blick auf die Ermittlung von sicheren Orten für         schen und Mediterranen Pflanzenschutzorga-
Allergiekranke ist insbesondere diese Korrela-          nisation (EPPO) als gebietsfremde und invasive
tion zwischen frostfreien Tagen und der Pollen-         Pflanzenart. Gemäß der Pflanzenschutzverord-
konzentration bzw. -saison entscheidend. Mit            nung vom 28. Februar 2001 (PSV, SR 916.20) be-
steigenden Temperaturen bedingt durch den               steht in der Schweiz bereits eine Meldepflicht
Klimawandel muss folglich in Regionen wie               der Fundorte. Diese Meldepflicht ist von zent-
den Alpen von einer Zunahme der frostfreien             raler Bedeutung, um der Ausbreitung nachhal-
Tage ausgegangen werden, wodurch gleichzei-             tig entgegenzuwirken und eine weitere Verbrei-
tig aufgrund der erhöhten Pollenexposition              tung zu verhindern (http://www.ambrosia.
auch ein höheres Risiko für Allergiker:innen            ch/). In Österreich existieren bereits Hinweise
entsteht (Ziska et al. 2019; Damialis et al. 2019;      auf einen Anstieg der Langzeittrends bei amb-
Kinney 2008; Shea et al. 2008; Heuson u. Traidl-        rosiaspezifischen Antikörpern bei Patient:in-
Hoffmann 2018; Picornell et al. 2019).                  nen mit inhalationsallergischen Erkrankungen
   Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Pollen-        (Buters et al. 2008; Smith et al. 2013; Buters et
exposition sind vorherrschende Wetterlagen.             al. 2015; El Kelish et al. 2014; Rauer et al. 2020;
So können vor allem kleine und leichte Pollen           Zhao et al. 2017, 2016). Aus diesem Grund sind
bei konstanten Winden über größere Distanzen            die Auswirkungen des Klimawandels auf die re-
transportiert werden (Long-Distance-Trans-              gionale Verbreitung von Ambrosia von zentraler
port) und die Pollenkonzentration in der Luft           Bedeutung.
stark beeinflussen. Der Zusammenhang zwi-                   Drei Ambrosia-Arten treten in Europa auf:
schen meteorologischen Faktoren und der Pol-            Ambrosia artemisiifolia, trifida und psilosta-
lenkonzentration wurde vor allem mit allerge-           chya. Besonders relevant ist Ambrosia artemi-
nen Pollenarten untersucht. Eine in Grönland            siifolia aufgrund der langen Keimfähigkeit. Ab-
durchgeführte Studie zeigt beispielsweise               bildung 1 zeigt die Modellierung der geografi-
potenzielle Ferntransport-Wege (Long-Distan-            schen Verteilung der drei Ambrosia-Arten so-
ce-Transport), die in einer Höhe von circa 630 m        wie die Modellprojektion auf die IPCC-Klimas-
vom Osten der USA über Neufundland und die              zenarien RCP6.0 und RCP8.5 (Rasmussen et al.
Labradorsee nach Grönland reichen (Rousseau             2017).

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II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen
    für die medizinische Versorgung in Deutschland

                            derzeitiges Klima                          RCP6.0 (2070–2099)                      RCP8.5 (2070–2099)
                    a)                                          b)                                     c)
A. artemisiifolia

                    d)                                          e)                                     f)
A. psilostachya

                    g)                                          h)                                     i)
A. trifida

                                   geringe Eignung                                                          hohe Eignung
                                                                        HAR Aa

                                                                                  HAR Ap
                                                                        HAR At

Abb. 1                   Habitateignung in Europa von drei Ambrosia-Arten. Dargestellt sind die gegenwärtigen Klimabedingungen sowie
                         die zukünftigen IPCC-Klima-Szenarien RCP6.0 und RCP8.5 für die Jahre 2070 bis 2099. Die Karten zeigen durch-
                         schnittliche Werte aus dem MAXENT-Model, welche aus 15 Wiederholungen abgeleitet wurden (modifiziert nach
                         Rasmussen et al. 2017, Creative Commons-Lizenz CC-BY 4.0).

    Die Karten der zukünftigen Habitateignung                                    baltischen Ländern entstehen sowie in dicht
für Ambrosia (s. Abb. 1) zeigen eine enorme                                      besiedelten Städten wie Paris und St. Peters-
Ausdehnung der Gebiete mit „hohem Allergie-                                      burg (Rasmussen et al. 2017).
risiko“ in Richtung Nord- und Osteuropa.                                            Die Invasion der Ambrosia zeigt deutlich auf,
Unter diesem Szenario werden neue potenziel-                                     welche enormen Herausforderungen bedingt
le Lebensräume für Ambrosien in Dänemark,                                        durch den Klimawandel auf die medizinische
Frankreich, Deutschland, Russland und den                                        Versorgung zukommen. Dennoch ist er nur ein

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen                                                     II
Aspekt dessen, was zu erwarten ist. Schadstof-              lergenextrakten. Die SIT hat sowohl kurative
fe habe verschiedenste Wirkung auf die Um-                  wie präventive Wirkungen, mit denen sie den
welt. Aus diesem Grund werden Beispielsweise                individuellen Krankheitsverlauf günstig beein-
im IPCC-Report 2014 verschiedenste Szenarien                flussen kann. Durch die SIT kann das Risiko
analysiert und der Einfluss auf den globalen Kli-           eines Etagenwechsels (von der allergischen
mawandel abgeschätzt. Indirekt wirkt sich die               Rhinitis hin zum Asthma) und die Entstehung
Umweltbelastung mit Schadstoffen darauf aus,                neuer Allergien bei vielen Behandelten verhin-
wie hoch die Anfälligkeit gegenüber Allergien               dert werden. Die SIT ist bei allergischer Rhinitis
ist. Schadstoffe beeinflussen die Durchlässig-              und allergischem Asthma langfristig im Ver-
keit der Hautbarriere und erhöhen die Anfällig-             gleich zur Pharmakotherapie deutlich kosten-
keit für asthmatische Erkrankungen.                         effektiver.

10.3 Empfehlungen für die medizinische                      10.4 Die Allergologie stärken –
     Versorgung                                                  für eine adäquate allergologische
                                                                 Versorgung
Allergische Erkrankungen wie die allergische
Rhinokonjunktivitis (im Folgenden allergische               Das „Patientenmanagement“ bei Allergien
Rhinitis) und ihre Folgeerkrankungen (wie al-               „überschreitet bei Weitem den normalerweise üblichen
lergisches Asthma bronchiale) haben für jeden               Zeitbedarf einer ärztlichen Konsultation im ambulanten
Betroffenen, aber auch für die Volkswirtschaft              Bereich; leider gibt es hierfür keinerlei extra Vergütungs-
insgesamt eine enorme Bedeutung. „Jede zehnte               systeme, auch nicht in der GOÄ, während dort z.B. unter
Krankschreibung in Deutschland wird einem allergischen      Ziffer 30 für die homöopathische oder schmerztherapeu-
Krankheitsbild zugeordnet. Die direkten Krankheitskos-      tische Erstanamnese bei chronisch Schmerzkranken spe-
ten für die allergische Rhinitis betrugen bereits in den    zielle Anamnesesätze angerechnet werden dürfen“ (Kli-
1990er-Jahren mehrere Hundert Millionen Euro. Nicht         mek et al. 2019).
nur die direkt durch die Erkrankung verursachten Kosten,        In einer großen Versorgungsstudie zur All-
sondern auch die teils schwierig zu messenden indirekten    ergologie, der sog. „Wasem-Studie“ (Biermann
Kosten belasten die Gesundheitssysteme“ – so die S2k-       et al. 2013) wurden die Abrechnungsziffern ana-
„Leitlinie zur (allergen‑)spezifischen Immun-               lysiert, die bei Indikationen aus dem Bereich
therapie bei IgE-vermittelten allergischen Er-              Allergie und Asthma gegenüber den gesetzli-
krankungen“ (Pfaar et al. 2014). Trotz dieser               chen Krankenkassen geltend gemacht wurden.
immensen Kosten kann man in Deutschland                     Die Studie umfasst vier Jahre mit jeweils zehn
davon ausgehen, dass nur etwa 6–30% der von                 Millionen Versichertendatensätzen. Das Kern-
einer allergischen Rhinitis Betroffenen eine                ergebnis dieser Auswertung ist beunruhigend:
spezifische Immuntherapie (SIT) erhalten (Bier-             Lediglich 7% der von allergischer Rhinitis und
mann et al. 2013; Schmitt et al. 2016; Klimek et            5% der von allergischem Asthma Betroffenen in
al. 2019).                                                  Deutschland erhielten eine SIT. Eine andere
    Der o.g. Leitlinie (Pfaar et al. 2014) ist fol-         Studie untersuchte 1.811.094 gesetzlich Versi-
gendes zu entnehmen: Personen mit einer al-                 cherte, von denen 2005/2006 6,2% eine allergi-
lergischen Rhinitis haben ein 3,5-fach erhöhtes             sche Rhinitis hatten und weitere 3,3% diese Er-
relatives Risiko, in weniger als zehn Jahren an             krankung bis 2011 entwickelten (Schmitt et al.
einem Asthma bronchiale zu erkranken (sog.                  2016). Ca. 20% der Kinder und 36% der Erwach-
Etagenwechsel). Therapieoptionen bestehen in                senen wurden nur hausärztlich behandelt.
der Allergenkarenz, der symptomatischen The-                Von allen Rhinitiskranken erhielten nur 16,4%
rapie mit Medikamenten, sowie der SIT mit Al-               eine SIT.

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen
    für die medizinische Versorgung in Deutschland

   In einer weiteren Versorgungsstudie zur Al-              ausreichendes Versorgungshonorar für allergo-
lergologie in Deutschland wurden zwischen                   logische Leistungen wird nicht bereitgestellt.
Oktober 2011 und Februar 2012 insgesamt                     Erschwerend hinzu kam 2009 ein neues Abrech-
359 niedergelassene Ärzt:innen befragt, die in              nungssystem (Einführung der Regelleistungs-
ihren Praxen eine allergologische Diagnostik                volumina in die gesetzliche Krankenversiche-
und Therapie anbieten. Es zeigte sich, dass die             rung).
SIT „relativ konsequent und mit hoher persön-                  Die Begründung für die Reduzierung der Er-
licher Überzeugung“ eingesetzt wurde (Klimek                stattung von Leistungen für Allergiekranke
2014). Allerdings hatten viele der Befragten Be-            liegt paradoxerweise in der Zunahme von Aller-
denken zur zukünftigen Entwicklung allergo-                 gien in der Bevölkerung: „Im Rahmen der vertrags-
logischer Tätigkeiten in der eigenen Praxis;                ärztlichen Versorgung wurde aufgrund der Leistungsaus-
etwa 50% hielten sie für sehr oder ziemlich, nur            weitung dringend eine Mengenbegrenzung erforderlich.
etwa 15% für wenig oder gar nicht gefährdet.                Das logarithmische Ansteigen der In-vivo- und In-vitro-
Auch die „Wasem-Studie“ (Biermann et al.                    Allergiediagnostik begründete bei der Kassenärztlichen
2013) kommt zur Schlussfolgerung, dass die                  Bundesvereinigung den Verdacht der Unwirtschaftlich-
Zahl der Arztpraxen, die allergologische Leis-              keit. Unberücksichtigt blieb dabei die Tatsache, dass ein
tungen erbringen, noch weiter sinken wird,                  logarithmisches Ansteigen der Erkrankungen zwangs-
und damit auch die Anzahl der SIT-Behand-                   läufig auch zu einem entsprechenden Anstieg diagnosti-
lungen.                                                     scher und therapeutischer Maßnahmen führen muss“
    In der Gesamtschau zeigen diese Arbeiten,               (Klimek et al. 2019).
dass es bei Allergiekranken in Deutschland                      Dem Trend zur Kürzung des Honorars für al-
schon heute eine erhebliche Unterversorgung                 lergologische Leistungen in der gesetzlichen
mit SIT gibt. Vor dem Hintergrund der derzei-               Krankenversicherung muss unbedingt ent-
tigen gesundheits- und honorarpolitischen                   gegengewirkt werden, auch und gerade weil
Entwicklungen dürfte sich die Versorgungssi-                die Betroffenenzahlen durch den Klimawandel
tuation in den kommenden Jahren sogar eher                  weiter zunehmen werden. So kann auch die
noch weiter verschlechtern. „Zumindest regional             Weiterbildung zur Zusatzbezeichnung Allergo-
scheint die Gefahr zu bestehen, dass die Versorgung trotz   logie wieder attraktiver gemacht werden (Bier-
schon jetzt hohem und voraussichtlich weiter wachsen-       mann et al. 2013). Allergologie sollte zum
dem Bedarf aus honorarpolitischen Gründen sogar deut-       Pflicht- und Prüfungsfach im Medizinstudium
lich zurückgefahren wird“ (Klimek 2014). Auch der           werden, was auch die Schaffung entsprechen-
zunehmende Trend zu Kurzzeitschemata bei                    der Lehrstühle beinhaltet. Die kontinuierliche
der injizierbaren SIT liegt nicht nur an der Zeit-          ärztliche Fortbildung in der Allergologie sollte
ersparnis für die Behandelten oder neuen Stu-               in allen Fachrichtungen verstärkt werden.
diendaten, sondern auch an der mangelhaften                 Auch in der Ausbildung und im Studium der
Vergütung ärztlicher Leistungen bei der SIT                 Krankenpflege sollte Allergologie stärker inte-
(Klimek et al. 2019). Die kumulative Dosis ge-              griert werden.
hört zu den Faktoren, die die klinische Wirk-
samkeit der SIT erhöhen und berücksichtigt
werden sollten (Pfaar et al. 2014); sie ist in              10.5 Weitere Maßnahmen
einem Kurzzeitschema nicht optimal umge-
setzt.                                                      Die meisten Antiallergika zur Behandlung der
    Die Gründe der Unterversorgung sind viel-               allergischen Rhinitis sind nicht verschrei-
fältig: Allergologie ist in Deutschland eine Zu-            bungspflichtig (OTC) und damit grundsätzlich
satzbezeichnung, die Ärzt:innen unterschied-                nicht verordnungsfähig zulasten der gesetzli-
licher Fachrichtungen erwerben können. Ein                  chen Krankenversicherung. Ausnahmen be-

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen                                       II
stehen für bestimmte orale Antihistaminika              einer adäquaten Behandlung (Biermann et al.
und nasale Glukokortikoide bei schwerwiegen-            2013; Schmitt et al. 2016; Klimek et al. 2019).
den Formen. Dass die meisten Betroffenen ihre           Kern einer erfolgreichen Therapie bzw. erfolg-
Medikamente selbst bezahlen müssen, ver-                reichen Prävention des atopischen Marsches
stärkt die häufig anzutreffende Bagatellisie-           oder eines Etagenwechsels ist also zunächst
rung ihrer Erkrankung auch durch die Betroffe-          einmal, die Allergien ernst zu nehmen und sich
nen selbst. Ein Teil von ihnen sucht daher sel-         professionelle Hilfe zu suchen.
tener ärztliche Hilfe, was wiederum eine effek-            Darüber hinaus existieren weitere Möglich-
tive und nachhaltige Behandlung erschwert.              keiten, wie der Verlauf der Erkrankung milder
Auch symptomatische Medikamente für die al-             gestaltet werden kann.
lergische Rhinitis sollten daher von den gesetz-            Für Pollenallergiker:innen bieten sich kleine
lichen Krankenkassen erstattet werden.                  Tricks an, z.B. das Lüften zur richtigen Tages-
   Die Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit            zeit, das Haare waschen vor dem Schlafengehen
sollte auch für seltene Therapieallergene der SIT       oder das Führen eines Symptomtagebuches,
erhalten bleiben, wozu auch manche Pollenar-            welches Aufschlüsse über die Auslöser der
ten zählen. Wichtig wäre auch eine bessere              Symptome gibt. Pollenmessdaten, wie sie z.B.
Standardisierung der Allergenprodukte (Lösun-           das Elektronische Pollennetzwerk (ePIN) Bayern
gen für die SIT und die Hauttestung) und der            liefert, können Anhaltspunkte geben, wann Tür
Bestimmung der wichtigsten Allergene (sog.              und Fenster vielleicht besser geschlossen blei-
Major-Allergene) sowie ihre einheitliche Dekla-         ben sollten oder der Spaziergang auf der Wiese
ration. Entsprechende Initiativen (Biological           vielleicht besser verschoben werden sollte.
Standardisation Programme, BSP 90) der ver-                 Forschungsarbeiten zum Thema haben in
antwortlichen Behörden (Paul-Ehrlich-Institut           den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse ge-
und European Directorate for the Quality of Me-         liefert, die den Betroffenen bei ausreichender
dicines, EDQM) sollten mit öffentlichen Mit-            Information nützlich sein können. Mittlerwei-
teln weiter unterstützt werden. Verschiedene            le geht man davon aus, dass das Meiden von
Faktoren haben zu Engpässen in der Produktion           bestimmten Lebensmitteln im Kleinkindalter
von Diagnostika für Allergien geführt, zum Bei-         nicht der Allergieentwicklung vorbeugt, im
spiel von Substanzen zum Hautpricktest. Die             Gegenteil: Kleine Kinder sollten möglichst vie-
Finanzierung für Entwicklung, klinische Prü-            le unterschiedliche Lebensmittel kennenlernen
fung und Herstellung dieser Allergene sollte            und ihr Immunsystem so auf Toleranz trainie-
durch gesetzgeberische Maßnahmen gesichert              ren. Vielfalt auf dem Gaumen und im Umfeld,
werden. Die Versorgung mit Diagnostikallerge-           wie z.B. auf dem Bauernhof, scheint wider-
nen sollte über eine Kostenerstattung oder Pra-         standsfähiger gegenüber Allergien zu machen
xisbedarfsregelung finanziell abgesichert sein          (von Mutius 2016; Kirjavainen et al. 2019).
(Klimek et al. 2019).

                                                        10.7 Empfehlungen für Weichen-
10.6 Verhaltensbezogene Prävention –                         stellungen vonseiten der Politik und
     Was können Betroffene selbst tun?                       Gesellschaft

Sehr häufig werden allergische Erkrankungen             Was die behandelnden Mediziner:innen und
von den Erkrankten selbst zunächst nicht so             Patient:innen selbst zum Management der Er-
ernst genommen, wie sie es sollten. Nicht alle          krankungen beitragen können, wird voraus-
Betroffenen finden den Weg zum Arzt (Muza-              sichtlich nicht allein ausreichend sein, um die
lyova 2019) und nur etwa 6–30% starten mit              Versorgungssituation von Allergiebetroffenen

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen
    für die medizinische Versorgung in Deutschland

nachhaltig zu verbessern. Weichenstellungen             liegt ein weiterer Schlüssel für die bessere Be-
vonseiten der Politik könnten positiven Verän-          wältigung der Situation. Bundesweite Informa-
derungen enormen Vorschub leisten. Im aktu-             tionskampagnen, die aufklären und Präven-
ellen „Weißbuch Allergie in Deutschland“ (Kli-          tionsmaßnahmen bekannt machen, können
mek et al. 2019) haben führende deutsche Aller-         sehr viel bewirken. Beispielhaft sei hier die
golog:innen umfassende Vorschläge erarbeitet,           2007–2008 gemeinsam durchgeführte Präven-
wie eine Verbesserung der Situation für Aller-          tionskampagne aller Unfallversicherungsträ-
giekranke erreicht werden könnte.                       ger und der gesetzlichen Krankenversicherung
   Ein zentraler Aspekt hierbei ist die Förde-          „Deine Haut. Die wichtigsten 2 m2 Deines Le-
rung von Forschung. Noch sind viele Zusam-              bens“ erwähnt (Rogosky u. Zeck 2009). Sie führ-
menhänge in Bezug auf die Erkrankung nicht              te u.a. zu mehr Aufmerksamkeit für den Son-
ausreichend verstanden und nur die Möglich-             nenschutz in der Bevölkerung und Wissenszu-
keit zu unabhängiger, transdisziplinärer und            wachs über Hautschutz in den Betrieben. Lang-
stark translational ausgerichteter Forschung            fristige präventive Auswirkungen sind derzeit
kann neue Lösungen für Erkrankte aufzeigen.             noch nicht abschätzbar. Es wäre sinnvoll, den
Die Themen hierfür sind vielfältig. Gerade in           bei allergischer Rhinitis drohenden Etagen-
der Prävention der Erkrankungen liegt der ef-           wechsel bis hin zum Asthma bronchiale oder
fektivste Weg, diese zu bekämpfen. Studien,             die durch (leicht vermeidbaren) Tabakrauch er-
die die Risiken durch Umwelteinflüsse für al-           höhte Gefahr, Allergien zu entwickeln, in ähn-
lergische Erkrankungen klären, die die relevan-         licher Weise bekannt zu machen. Die bereits
ten Faktoren zur Primärprävention beleuchten            entwickelten Patientenschulungen zu Neuro-
oder durch Langzeitbeobachtung die Gesund-              dermitis und Anaphylaxie sollten – ähnlich wie
heit fördernde sowie den Krankheitsverlauf              die für Asthma – allen Betroffenen zur Verfü-
negativ beeinflussende Faktoren identifizieren          gung stehen und von den Krankenkassen er-
und bestätigen helfen, könnten erheblich zu             stattet werden. Die Schulung von erziehendem
einer Verminderung der Inzidenz allergischer            und lehrendem Personal würde zu einer besse-
Erkrankungen beitragen. Aber auch die Grund-            ren Situation von allergiekranken Kindern bei-
lagenforschung ist enorm wichtig: Die Patho-            tragen.
mechanismen und molekularen Prozesse der                    Nicht zuletzt könnten Frühdiagnostik für
Allergieentwicklung sind noch teilweise unge-           Kinder mit erhöhtem Allergierisiko und gesetz-
klärt; genauere Kenntnisse in diesem Bereich            lich vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchungen
können neue Therapieansätze aufzeigen. Ein              bzw. Berufseingangsberatungen für Berufe, in
weiterer Schwerpunkt der Forschung sollte im            denen Haut oder Atemwege besonderen Gefähr-
Bereich der Diagnostik und Therapie ansetzen:           dungen ausgesetzt sind, möglicherweise die
bei der Wirkungsweise der SIT, ihren Langzeit-          Prävalenz von Allergien senken (Klimek et al.
effekten sowie bei geeigneten Biomarkern (für          2019).
die Auswahl der zu Behandelnden und auch für
die Prognose des Therapieerfolges). Dies könnte
die Versorgung der Patient:innen effektiver             10.8 Schlussfolgerungen
und auch kosteneffizienter gestalten. Nicht zu-
letzt könnte Versorgungsforschung die Effi-             Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die
zienz der SIT, den Gewinn an Lebensqualität             medizinische Versorgung von Allergiekranken
und die Kostenersparnis durch die konsequen-            nicht als zufriedenstellend betrachtet werden.
tere Behandlung evident machen.                         Im Zuge des Klimawandels wird sich die Zahl
   Im Informieren und Unterstützen von                  der Erkrankten und bei Pollenallergiker:innen
Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden               die Zahl der Monate pro Jahr erhöhen, an denen

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10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen                                                                             II
Symptome auftreten. Eine verbesserte Informa-                                Behrendt H, Prank M, Sofiev M, Cecchi L (2012) Release of
tion und Behandlung der Patient:innen sowie                                  Bet v 1 from birch pollen from 5 European countries. Results
                                                                             from the HIALINE study. Atmospheric Environment 55, 496–
Weichenstellungen im Rahmen der Gesund-
                                                                             505.
heitspolitik sind erforderlich, um diesen Zu-                           Damialis A (2011) Effects of environmental factors on pollen pro-
stand zu verbessern. Allein der wirtschaftliche                              duction in anemophilous woody species. Trees v. 25, 253–264.
Schaden durch die Erkrankung, der im Zuge des                           Damialis A, Traidl-Hoffmann C, Treudler R (2019) Climate Change
Klimawandels noch ansteigen wird, ruft nach                                  and Pollen Allergies In: Marselle, MR, Stadler, J, Korn, H, Ir-
                                                                             vine, KN, Bonn, A (ed) Biodiversity and Health in the Face of
weiterer, intensiver Forschungstätigkeit. Für
                                                                             Climate Change. Springer International Publishing, Cham,
die Prävention von allergischen Erkrankungen                                 pp. 47–66.
ist eine komplexe Betrachtung der relevanten                            EAACI (2015) The European Academy of Allergy and Clinical Im-
Umweltfaktoren ebenso entscheidend wie in-                                   munology (EAACI) Advocacy Manifesto Tackling the Allergy
                                                                             Crisis in Europe – Concerted Policy Action Needed. URL:
ter- und transdisziplinäre Forschungsansätze.
                                                                             https://www.eaaci.org/outreach.html (abgerufen am
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Betrach-                               19.02.2021)
tungsweisen müssen miteinander verbunden                                El Kelish A, Zhao F, Heller W, Durner J, Winkler J, Behrendt H, Traidl-
werden und die Vernetzung von Biowissen-                                     Hoffmann C, Horres R, Pfeifer M, Frank U, Ernst D (2014) Rag-
schaften, Medizin und Patientengruppen muss                                  weed (Ambrosia artemisiifolia) pollen allergenicity: Super-
                                                                             SAGE transcriptomic analysis upon elevated CO2 and drought
weiter fokussiert werden. Dies ist von zentraler
                                                                             stress. BMC Plant Biology 14, 176.
Bedeutung bei dem erforderlichen Transforma-                            Fairweather V, Hertig E, Traidl-Hoffmann C (2020) A brief introduc-
tionsprozess, um die immensen Herausforde-                                   tion to climate change and health. Allergy 75, 2352–2354.
rungen beim Thema Klimawandel und Gesund-                               Heuson C, Traidl-Hoffmann C (2018) Bedeutung von Klima- und
heit zu bewältigen und damit die Lebensquali-
                                                                             Umweltschutz für die Gesundheit mit besonderer Berücksich-
                                                                             tigung von Schädigungen der Hautbarriere und allergischen
tät von Allergiekranken zu verbessern.                                       Folgeerkrankungen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheits-
                                                                             forschung – Gesundheitsschutz 61, 684–696.
                                                                        IPCC (2014) Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vul-
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                                     MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen
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                                  MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
10 Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition:
   Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen                                                   II
                     Dr. Alika Ludwig
                     Medizinstudium in Regensburg und an der TU München, Promotion an der LMU München. Fach-
                     arztweiterbildung in der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums Augsburg, dort
                     bis 2019 als Oberärztin tätig. Seit 2020 Arbeit als Oberärztin in der Hochschulambulanz für Um-
                     weltmedizin des Universitätsklinikums Augsburg und im Studienzentrum des Lehrstuhls für Um-
                     weltmedizin, Universität Augsburg.

                     Daniela Bayr, Dipl.-Geografin
                     Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Bio- und Geostatistik der Forschungsgruppe „Aero-
                     biologie“, Lehrstuhl und Institut für Umweltmedizin, Universität Augsburg und Helmholtz Zent-
                     rum München (HMGU). Sie forscht insbesondere zu den Themen Interaktion von Umwelt, Klima
                     und Gesundheit mit dem Fokus auf allergische Erkrankungen.

                     Dr. Melanie Pawlitzki
                     Promotion im Fach Amerikanistik an der Universität Augsburg. Seit 2020 arbeitet sie am Lehr-
                     stuhl und Institut für Umweltmedizin, Universität Augsburg und Helmholtz Zentrum München
                     (HMGU) im Bereich Wissenschaftskommunikation.

                     Prof. Dr. med. Claudia Traidl-Hoffmann
                     Die Arbeit von Claudia Traidl-Hoffmann richtet sich primär auf die Erforschung und Prävention
                     von umweltbedingten Krankheiten, wie z.B. Allergien, und auf Wege, Resilienz und Gesundheit
                     zu stärken.
                     Als Ordinaria des Lehrstuhls für Umweltmedizin der Universität Augsburg und Direktorin des In-
                     stituts für Umweltmedizin des Helmholtz Zentrums München arbeitet sie innerhalb eines Netz-
                     werks international renommierter Institutionen, um Veränderung im Medizinsektor und in der
                     Gesellschaft voranzutreiben.

                                       © urheberrechtlich geschützt                                               143
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