11 WIEN HAT GEWÄHLT - DIE ALTERNATIVE BLOG
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11 WIEn Hat gewählt Herausgegeben von November 2020 Einzelheft: 2,50 Euro Abonnement: 17 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0 021 012 558
TERMINE Meilensteine in der Gleichbehandlung Theorieansätzen in der Bildungstätigkeit österrei- Vortrag von Sandra Konstatzky, Juristin, chischer Gewerkschaften (in der späten Habsbur- Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft germonarchie, in der Ersten und Zweiten Republik) wissenschaftlich auseinanderzusetzen und dabei auch Seit dem EU-Beitritt Österreichs gelten die einschlägi- die Zusammenhänge mit der ökonomischen Situation gen Gleichbehandlungsrichtlinien. Im Jahr 2000 erwei- und der politischen Kultur herzustellen. terte sich das Spektrum über das Geschlecht hinaus. Dies soll in einer Reihe von öffentlichen wissenschaftli- Heute gilt in den Mitgliedsstaaten ein umfassendes chen Workshops und Arbeitsgesprächen (unter Einbezie- Diskriminierungsverbot auch hinsichtlich ethnischer hung österreichischer und internationaler Expertinnen Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, Alter, und Experten) geschehen. sexueller Orientierung und Behinderung. Im Jahr 2000 Die Ergebnisse dieser Arbeitsgespräche werden zeitnah wurde auch die Notwendigkeit von Gleichbehandlungs- zu den Veranstaltungen publiziert. stellen erwähnt. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft stellt heute eine wesentliche Institution im Kampf gegen Donnerstag, 19. November 2020, 16:00–19:00 Diskriminierung und für die Förderung von Gleichstel- IWK – www.iwk.ac.at | Berggasse 17, 1090 Wien lung dar. Mittwoch, 11. November 2020, 19:00 Schule und Schulpolitik in Österreich im 21. Jahrhundert Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien Präsentation In Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung Im Rahmen eines Innovationslabors im Masterstudien- gang PUBLIC MANAGEMENT an der Fachhochschule Campus Wien wurden im Sommersemester 2018 und im Demokratie im Ausnahmezustand Sommersemester 2019 in kleinen Arbeitsgruppen Ideen Buchpräsentation und Gespräch zu einer neuen Schule (einer Schule, in die wir alle gerne gegangen wären und die wir künftigen Generati- Demokratie ist systemrelevant. Die Coronakrise zeigt onen von Kindern wünschen) entwickelt. Die Arbeits- Stärken und Schwächen von demokratischen Systemen ergebnisse dieser Innovationslabors werden präsentiert, auf, so auch in Österreich. Tamara Ehs vermittelt in sollen weiter diskutiert und im Rahmen des Arbeitskrei- sieben Lektionen, was es braucht, um Demokratie ses SCHULE zu einem systematischen Konzept gestaltet krisenfest zu machen. Notsituationen wird es auch in werden. Zukunft geben, doch ein Abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit darf in keiner Krise aufgegeben werden. Freiheitsrechte sind nicht etwas, was der Staat gewährt, Donnerstag 03. Dezember 2020, 15:00–18:00 sondern etwas, das er gewährleistet! Was braucht es, IWK – www.iwk.ac.at | Berggasse 17, 1090 Wien damit selbst in einem Ausnahmezustand demokratische Grundrechte gewahrt werden? Tamara Ehs: Krisendemokratie. Sieben Lektionen aus Menschenrechte in Europa: Testfall Roma der Coronakrise. Mandelbaum Verlag, Wien 2020. Geh denken! Mirjam Karoly, Politologin, Österreichischer Dienstag, 17. November 2020, 19.00 Volkgruppenbeirat für Roma, Romano Centro Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien An die 12 Millionen Roma leben in Europa, sie zählen zu den größten Minderheiten. Dennoch sind sie von Gewerkschaften in Österreich nach 1945 I Rassismus und struktureller Diskriminierung betroffen. Workshop | Theorie und Praxis der gewerkschaftlichen 2011 hat die EU den Rahmen für Nationale Strategien Bildungsarbeit in Österreich zur Integration der Roma beschlossen. Wie steht es um die internationalen und nationalen Bemühungen vor Theoretische Begründung für gewerkschaftliche dem Hintergrund der gegenwärtigen Debatte um eine Organisationsweisen, die Vertretung der Interessen Fortführung von Maßnahmen zur sozialen Inklusion arbeitender Menschen und die damit zusammenhängen- von Roma post-2020? den Bildungstätigkeiten werden selten zum Gegenstand universitärer und außeruniversitärer Forschung. Donnerstag, 10. Dezember 2020, 19:00 Daher wird versucht, sich kontinuierlich und systema- Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien tisch mit zum Teil verdrängten und verschütteten 2
Alternative 11 2020 INDEX s. 4 – 5 KURZMELDUNGEN aus der Arbeitswelt Editorial s. 6 KOLUMNE Veronika Litschel von Renate Vodnek THEMA s. 7 – 8 Linke Mehrheit, anyone? s. 9 Pass Egal Wahl | Moria INTERNATIONAL Die Wahlen in Wien sind geschlagen – zu Redaktions- s. 10 EU-Mercosur-Leak schluss dauern die Koalitionsverhandlungen noch an. Es s. 11 Große Konzerne, ist also noch nicht klar, ob SPÖ-Grün, SPÖ-ÖVP oder kleiner Steuerbeitrag? SPÖ-Neos kommt. Was klar ist, dass immer weniger Wiener*innen wahlberechtigt sind: rund 30 Prozent durften COMIC ihre Stimme nicht abgeben. Nur bei der Pass-egal Wahl s. 12 / 13 MUCH von SOS Mitmensch, da sind alle in Wien lebende Menschen gleich(wahl)berechtigt. Mehr dazu findet sich ARBEITSMARKT im Blattinneren. s. 14 – 17 AMS Frauenprogramm Corona lässt uns auch im Herbst nicht los – und auch GEWERKSCHAFT UND BETRIEB die Situation am Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Besonders betroffen dabei sind wie so oft die Frauen. Ina s. 18 – 19 Corona im Herbst Freudenschuß und Nadja Bergmann analysieren die Situation s. 20 – 21 Roadmap Gesundheit 2020 und die Gleichstellungswirkung der unterschiedlichen s. 22 Reformvorschläge für mobile AMS-Angebote. Pflege und Betreuung Corona zeigt die Probleme im Gesundheitsbereich: chro- nische Unterfinanzierung, schlechte Arbeitsbedingungen MAGAZIN und Entlohnung. Die UG Arbeitsgruppe Gesundheit, Pflege und Soziales hat sich die Roadmap Gesundheit 2020 s. 23 Filmvorstellung angeschaut und stellt fest: diese kann nur ein erster Schritt s. 24 REZENSION Unerhörte Nachrichten. in Richtung einer grundlegenden Neufassung des Gesund- heits- und Krankenpflegegesetzes sein. Abschließend möchte ich auf unser Kino-Gewinnspiel hinweisen: Wir verlosen 2 x 2 Karten für den Film „Now“, der demnächst in den Kinos läuft. Zur Teilnahme bitte ein Mail an auge@ug-oegb.at schreiben. IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger Alternative und Grüne GewerkschafterInnen (AUGE/UG) Herausgeberin Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB) Redaktion Renate Vodnek, Layout Stefanie Hintersteiner Alle 1040, Belvederegasse 10/1, Telefon (01) 505 19 52-0, Fax (01) 505 19 52-22, E-Mail für Abonnement auge@ug-oegb.at, Redaktion alternative@ug-oegb.at, Internet www.ug-oegb.at, Bankverbindung (14 000) Kto.Nr. 00 110 228 775, BIC BAWAATWW, IBAN AT30 1400 0001 1022 8775. Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers oder der Herausgeberin entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnachdruck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702 In diesem Magazin werden folgende Schriften verwendet: 3 Share / Linux Libertine / Linux Biolinum / Sansus
Kurzmeldungen Alternative 11 2020 Kurzmeldungen aus der Arbeitswelt AUGE/UG Betriebsrats-Vernetzung Bei unserem Treffen hat sich gezeigt, dass Home-office Betriebsrät*innen hier in einem Spannungsverhält- nis stehen und es wichtig ist, Arbeitnehmer*innen Im Oktober fand die Betriebsrat-Vernetzung zum gut zu informieren und zu schützen. Wir haben Thema Home-Office & mobiles Arbeiten in den diskutiert, welche (rechtlichen) Forderungen wir Räumlichkeiten des ÖGB statt. Auf Basis der Er- diesbzgl. an die Politik haben und welche zentralen fahrungen während des Lockdowns haben die Be- Fragen in Betriebsvereinbarungen oder Kollektiv- triebsrät*innen der AUGE/UG gemeinsam darüber verträgen geregelt werden müssen. diskutiert, wie die Arbeit von zuhause gestaltet werden soll und welche Risiken sie birgt. Mayr-Melnhof: Protest gegen Denn es hat sich gezeigt, dass ortsunabhängi- StandortschlieSSung ges Arbeiten auch abseits von Corona im Trend liegt - aber nicht bei allen. Gerade für Arbeitneh- Der Kartonhersteller Mayr-Melnhof will seinen mer*innen die keine passende Arbeitssituation in Standort in Hirschwang in Niederösterreich noch ihrem Zuhause vorfinden, Betreuungspf lichten 2020 schließen. Trotz Rekordergebnisse in den letz- haben, neu im Betrieb sind oder für ihre Arbeit ten Jahren: So wurden 2018 und 2019 jeweils 10 auf den Austausch mit Kolleg*innen angewiesen Millionen Euro an Dividende ausgeschüttet. 2018 sind, ist Home-Office keine praktikable Lösung. wurde der Standort sogar konzernweit als „Werk Zudem erhöht sich die Gefahr, dass länger - und des Jahres“ ausgezeichnet. Dem Management ist häufig auch außerhalb der vereinbarten Arbeits- die gute Performance aber offenbar egal und damit zeiten - gearbeitet wird. Die Abgrenzung zwischen verlieren 150 Arbeitnehmer*innen den Arbeitsplatz. Arbeit und Privatleben fällt schwerer und führt vor Mitte Oktober fand aus Protest gegen die Stand- allem bei Frauen* oft zu mehr Belastung. Auch die ortschließung eine öffentliche Betriebsversammlung Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von vor der Wiener Konzernzentrale zeitgleich zur Auf- Arbeitnehmer*innen war in unserer Diskussion ein sichtsratssitzung statt. Einen ersten Erfolg brachte großes Thema - Stichwort Vereinsamung. Soziale die öffentliche Betriebsversammlung bereits am Kontakte werden mit Home-Office deutlich redu- Vorabend. Betriebsrat und Gewerkschaft konnten in ziert. Auch Betriebsratsarbeit und Arbeitskämpfe der fünften Verhandlungsrunde eine Einigung über werden erschwert, wenn Kolleg*innen nicht mehr einen Sozialplan inklusive einer Arbeitsstiftung und im Betrieb, in der Kantine, am Gang oder eben im einem Vorruhestandsmodell für die Beschäftigten Betriebsratsbüro angetroffen werden. auf den Weg bringen. Dennoch gibt es auch positive Seiten: Anfahrtswe- Klaudia Frieben von der Produktionsgewerkschaft ge fallen weg und Privat- und Berufsleben lassen sich PRO-GE und Karl Dürtscher von der Gewerkschaft mitunter besser in Einklang bringen, die zeitliche der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier und örtliche Souveränität der Arbeitnehmer*innen (GPA-djp) forderten Mayr-Melnhof auf, notwendige steigt. Und das gefällt vielen Arbeitnehmer*innen. Investitionen für das angrenzende Verpackungswerk Aber Achtung! Auch Arbeitgeber*innen wittern Neupack durchzuführen, um die Zukunft dieses Vorteile, die wiederum oft zu Lasten der Beschäf- Werkes zu sichern und damit auch für Arbeitsplätze tigten gehen. So können zahlreiche Kosten dadurch zu sorgen. auf die Arbeitnehmer*innen abgewälzt werden: Heizung, Strom, (mobile) Arbeitsgeräte, Klimaan- MAN muss in Steyr bleiben! lage, Kantine, Kaffeeküche, Versicherung - um nur einige zu nennen. Überwachung, Leistungs- und Etwa 5.000 Menschen protestierten Mitte Oktober Verhaltenskontrollen können für Chefs und Che- am Steyrer Stadtplatz gegen die Schließung des finnen mitunter ebenso erleichtert werden. Viele profitablen MAN-Standortes. Rund 2.400 Arbeitneh- Arbeitgeber*innen sehen darin die Möglichkeit sich merInnen sind unmittelbar betroffen, dazu kommen Kosten für die entsprechenden Räumlichkeiten zu tausende Beschäftigte bei Zulieferern ersparen und wollen Mitarbeiter*innen daher kein Große Empörung und Zorn über Management Büro bzw. keinen fixen Arbeitsplatz mehr zur Ver- und Eigentümer waren spürbar, schließlich ist der fügung stellen. Standortsicherungsvertrag für Steyr noch kein Jahr alt. 4
Alternative 11 2020 Kurzmeldungen Entsetzen nach Kündigungen bei die letzte Runde erneut ohne Ergebnis unterbrochen. Swarovski via GroSSbildschirm Die Arbeitgeber sind nicht einmal bereit, die In- f lationsrate abzugelten. Auch eine Corona-Prämie Die Kündigungsmethoden des Kristallkonzerns Swa- wird abgelehnt. Deshalb berufen die Gewerkschaf- rovski haben es in sich: Mitarbeiter*innen sollen via ten PRO-GE und GPA-djp am 19. Oktober eine Be- Großbildschirmen von ihrer Kündigung erfahren triebsrät*innen-Konferenz ein. (Ergebnisse nach haben. Üblicherweise gibt es für Kündigungen keine Redaktionsschluss) Formvorschriften, wie sie ausgesprochen werden Zwar sei die Branche mit dem Geschäftsrückgang müssen. Aber das bedeutet nicht, dass eine Vor- in der Gastronomie konfrontiert, der Privatkonsum gehensweise, die rechtlich in Ordnung ist, nicht lasse aber die Brauereien gut durch die Coronakrise moralisch verwerf lich ist. Auch datenschutzrecht- kommen. Die nächste Verhandlungsrunde wurde lich ist es bedenklich, wenn Kündigungen vor dem für den 23. November vereinbart. versammelten Team verkündet werden, betont ÖGB-Arbeitsrechtsexperte Michael Trinko. 300 Euro Corona-Prämie für Beschäftigte in privater Brauer-KV: vierte Kinderbetreuung Verhandlungsrunde ohne Die Gewerkschaften GPA-djp und vida konnten Ergebnis unterbrochen bei den Verhandlungen rund um den Mindestlohn- tarif für Beschäftigte in privaten Kindergärten, Die rund 3.500 Brauerei-Beschäftigten kämpfen angestellte Tageseltern und KinderbetreuerInnen nun bereits seit vier Verhandlungsrunden um einen in Kindergruppen eine Corona-Prämie in der Höhe Kollektivvertragsabschluss. Mitte Oktober wurde von 300 Euro erreichen. 5
Alternative 11 2020 KOLUMNE Veronika Litschel Gesellschaftlicher Rückbau mit Corona Hat es im Frühjahr nach einer vorrübergehenden Ausnahmesituation ausgesehen, wird zunehmend eine neue Normalität daraus. Der Herbst und die damit ver- bundenen Erkältungswellen verschärfen die Lage weiter. Statt einem höf lichen oder fröhlichen „Gesundheit“ beim Niesen, kommen seltsame Blicke, stille Vorwürfe der Gefährdung. Das ist die individuelle Ebene und die macht müde. Verbunden mit der eigenen Unsicherheit über Ansteckung, drohenden Jobverlust, Unplanbarkeit. Soziologische Studien über die Folgen stehen noch aus, aber einiges ist auch ohne diese absehbar. Denn Maßnahmen, die Folgen von COVID-19 abfedern sollen, deuten zumeist in eine gleiche Richtung. Die Bewältigung der Herausforderungen hat vielfach „privat“ zu passieren. Zwar ist geregelt, mit wie vielen Personen zugleich die Freizeit verbracht werden darf, Arbeitnehmer_innen-Schutz im Home-Office lässt aber neben anderem weiter auf sich warten. Fragen des Ver- sicherungsschutzes, der Arbeitszeit, der Doppelbelastung, der Nutzung privater Ressourcen, das alles verbleibt in einer Grauzone. Für Arbeitnehmer_innen, die nicht ortsungebunden arbeiten, erschweren sich die Arbeitsbedingungen. Unter Maske wird es heiß, der Kopf wird warm, es ist anstrengend. Die Zusam- menarbeit ist schwieriger, weil die Kommunikation anders funktioniert. Hohe Flexibilität ist gefragt, um Ausfälle von Kolleg_innen, sei es wegen Krankheit oder Betreuungspf lichten, kurzfristig und schnell zu kompensieren. Und über allem hängt das Damoklesschwert des drohenden Jobverlusts. Natürlich wäre es möglich jetzt andere Prioritäten zu setzen, die Chance zu nutzen, dort zu verändern, wo es schon lange nicht gut funktioniert. Stattdessen zeichnet sich der Rückbau hart erkämpfter Verbesserungen ab. Wer verlieren wird ist absehbar. Vor allem die Frauen. Auch wenn die gesetzten Maßnahmen vor der hand nicht spezifisch mit Frauen zu tun haben, sind sie geschlechts- blind. Die Regierung-Agenda ist ein konservativer Rückbau mit neoliberaler Schlagseite. Und mit einer gewissen Häme Frauen gegenüber. Ein Beispiel: Z • um wiederholten Mal wird die Abschaffung der Hacklerregelung gefordert. Unter anderem mit der Argumentation, dass diese Frauen und „vor allem die Mütter“ (Zitat Aschbacher) benachteiligt. Grundsätzlich in der Analyse nicht falsch, das Ergebnis ist aber zynisch. Der Mix zwischen Politik für (große) Unternehmen und Verunsicherung von Arbeitnehmer_innen schafft eine Einschränkung der Handlungsmacht von Lohnabhängigen. Ein Schelm, wer da an Zufall glaubt. Die Vorgabe der sozialen Distanzierung, um die Ansteckungszahlen in den Griff zu bekommen, erschwert Organisation, Solidarität und Widerstand. Die Bewältigung all der Auswir- kungen wird in den privaten Bereich verschoben, das trifft immer Frauen. Die Errungenschaften der Gleichstellung sind zarte Pf lanzen in der nach wie vor einzementierten gesellschaftlichen Arbeitsteilung und schnell wieder verblüht. Das geht nicht mit einem Knall, sondern schleichend, aber nachhaltig. Daher und trotz Müdigkeit und stetiger Wiederholung: Gleichstellung zu erkämpfen nutzt immer allen und darauf dürfen wir nie vergessen. 6
Alternative 11 2020 Thema Linke Mehrheit, anyone? Notizen zur Wien-Wahl 2020 Sagen wir's wie es ist: Es gibt nur eine Koalitionsvariante die eine lebenswerte Stadt - für alle - im Blick hat. Doch zuerst eine Analyse der Wahlergebnisse. Implosion - Das rechtsextreme Lager ist kollabiert. Die Führende Rolle im rechten Lager. Die ÖVP kam mit FPÖ kommt auf 7,11 % - das ist ein Minus von 23,7 %. 20,4 % noch knapp über die 20-%-Marke, das ist ein Ein historisches Minus. Auch das Team HC hat nicht Plus von 11,2 Prozentpunkten. Die Zahl ihrer Abgeord- punkten können – mit 3, 3 % haben sie die 5-%-Hürde neten stieg von sieben auf 22. Natürlich ist dies dem verfehlt um in den Gemeinderat einzuziehen. katastrophalen FPÖ-Wahlergebnis geschuldet. Bei der Nationalratswahl kam die ÖVP in Wien allerdings auf Das ist erstmal gut. Das ist gut, weil die Rechten 25 %, das heißt da wäre noch Luft nach oben gewesen, damit über weniger Ressourcen verfügen – weniger rechnete man die Implosion der FPÖ mit ein. Geld, weniger Ämter, weniger Redezeit. Dies ist aber als Zeitfenster zu begreifen! Ein Zeit- Im Wahlkampf hörte man oft: Seine Partei wird fenster das es zu nutzen gilt, um der FPÖ endlich trotz, nicht wegen Blümel zulegen. Die Wahlmotiv-- langfristig den Nährboden zu entziehen. Denn es war forschung von SORA zeigt: Ein gutes Viertel der nicht der Verdienst linker Programme und Visionen, Befragten, d ie fü r d ie ÖV P sti m mten, gab das die zu diesem Absturz geführt haben. Partei-Programm als wichtigsten Grund an. Als zweit- wichtigsten Grund, Spitzenkandidat Blümel. Allein, Rote Kernthemen, aber kein Häupl. Mit einem Plus geglaubt hat niemand, dass Blümel nach Wien geht. von zwei Prozentpunkten im Vergleich zur Gemein- Die ÖVP setze ihre rechts-konservative Einstellung deratswahl 2015 kommt die SPÖ auf 41,6 % und ist im Wiener Wahlkampf fort. Gerne benutze man da damit Wahlsiegerin. Wordings der FPÖ, wie etwa Gernot Blümel: „2015 Spannend ist, dass in absoluten Zahlen die SPÖ darf sich nicht wiederholen“. Oder Leonhard Wassi, von tausenden Menschen weniger als noch 2015 unter Obmann der Jungen ÖVP in Floridsdorf, der sich bei Amtsvorgänger Michael Häupl gewählt wurde. Im der Wahldiskussion der Gewerkschaftsjugend nicht Jahr 2015 machten noch fast 330.000 Wiener_innen zu schade war, den Macheten-Sager von Strache und ihr Kreuz bei den Roten, am vergangenen Sonntag Nepp zu borgen. nur knapp über 300.000. Die FPÖ wählten gut 200.000 Personen weniger als noch 2015, Neos, ÖVP und Grüne Erfolgskurs der Grünen setzt sich fort. Mit 14,8 % und verzeichnen in Prozent wie auch in einzelnen Stimmen einem Plus von 2,9 % der Stimmen haben die Grünen ein Plus. Dies hat mit der Wahlberechtigung und mit das historisch beste Ergebnis bei den Wien-Wahlen der sinkenden Wahlbeteiligung zu tun. erreicht. Mit 16 Mandaten – ein Plus von 6 Mandaten – gehen sie gestärkt aus der Wahl hervor. Wie ein Bürgermeister Ludwig nun nach seinem ersten Damit konnte der grüne Juniorpartner in einer Ko- Wahlerfolg tickt, wird sich zeigen. Im Wahlkampf alition in Krisenzeiten dazu gewinnen. Das Mittragen war Ludwig neben roten Kernthemen wie sozialer der menschenverachtenden ÖVP-Politik – Stichwort Wohnbau und ein gutes Gesundheitssystem bei anderen Moria – auf Bundesebene hat den Grünen in Wien linken Themen eher verhalten: Stichwort Integration nicht geschadet. Es stellt sich die Frage: Ist es den und Moria. Bei der Puls24-Elefantenrunde hat sich Wähler_innen zu wenig wichtig, muss es erst sickern Ludwig demonstrativ dazu nicht geäußert. Aus folgen- oder wurde ihnen die fehlende Durchsetzungskraft den Gründen: Bei den Flächenbezirken ist bei diesem geglaubt!? Thema nichts zu holen. Häupl wäre wohl nicht still Die Botschaft „Wer in Wien Rot-Grün will, muss gewesen. Da vermisst man die launige Häupl-Haltung. Grün wählen“ ist bei den Wähler_innen auf jeden Fall 7
Thema Alternative 11 2020 angekommen. Denn es zeigt sich, Ludwig ist offen- und einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung für hier sichtlich kein Garant dafür. geborene oder lange hier lebende Menschen, damit bei der nächsten Wien-Wahl wieder mehr als die Hälfte Neben der Covid19-Pandemie, scheinen die Wiener_innen der Wohnbevölkerung zur Wahlurne geht! das Ziel die Klimakrise zu bewältigen nicht aus den Augen verloren zu haben. In einer Runde der Chef- Koalitionspoker. Bürgermeister Ludwig hat mehrere redakteur_innen im ORF wurde kontrovers über die Optionen der Zusammenarbeit: Eine Fortsetzung von Spitzenkandidat_innen diskutiert. Bei einem Punkt war Rot-Grün, Rot-Türkis oder Rot-Pink. Laut Umfragen ist man sich einig: Niemand hat so Themen gesetzt wie Rot-Grün die beliebteste Variante bei den Wiener_innen. Birgit Hebein. Die zusätzlichen Radwege, eine autofreie Doch schon während des Wahlkampfes gab es einige Stadt, der Pool am Gürtel – am Thema Klimahauptstadt Zeichen der SPÖ an die Neos. Man framte sie als „nicht Wien kam man nicht vorbei. Das wünschenswerte so neoliberal“ wie im Bund und lobte das Engagement langfristige Ziel ist es, die Klimafrage mit der sozialen in der Bildung. Allein: Die Agenden liegen in Wien Frage zu verbinden – ob das bei den Wähler_innen seit jeher in SPÖ-Hand. Kaum vorstellbar, dass die schon angekommen ist, darf bezweifelt werden. Roten bereit wären, hier Zugeständnisse zu machen. Abgesehen davon scheint es absurd, dass gerade die SPÖ Die Grünen Wien ließen im Wahlkampf mit einer ihrer Wien vergisst, wofür die Neos stehen: für knallharte Hauptforderungen aufhorchen: eine 35-Stunden-Woche neoliberale Politik, die sie nach den Interessen der für alle 65.000 Beschäftigten der Stadt Wien. Durch Unternehmen und Konzerne ausrichten. Vergessen die Arbeitszeitreduktion würden auch zusätzliche 7000 auch die problematische „Kammerjäger“-Kampagne Arbeitsplätze mitten in der Corona-Krise geschaffen der Neos zur Abschaffung der Arbeiterkammer. Den werden. Es wäre ein visionärer Meilenstein, wenn Gewerkschafter_innen innerhalb der SPÖ müssen die Wien mit der Arbeitszeitverkürzung vorangeht. Haare zu Berge stehen bei diesem Säbelrasseln. Wird hier (nur) versucht die Regierungsbeteiligung Ein neues Projekt – Links. Es gibt ein spannendes der Grünen teurer zu machen? Vielleicht. neues Projekt am Polithimmel: Links. Den Sprung Die SPÖ sollte sich nicht verzetteln mit dem Koali- über die 5-%-Hürde in den Gemeinderat haben sie tionspoker, das kann nach hinten losgehen. Soziales, nicht geschafft. Man darf gespannt sein, wie sie sich Klimaschutz, Wohnen, Bildung, die lebenswerte Stadt entwickeln. Die erreichten 2 % sind ein Achtungserfolg. für alle – die inhaltlichen Überschneidungen liegen Auf Bezirksebene haben sie nun 23 Bezirksrät_innen. klar auf der Hand und die Visionen für Wien ergänzen Die Kommunikation von Links ist zu szene-lastig und sich. programmatisch braucht es noch mehr, als rot-grün Die Medien berichten am laufenden Band darüber, auf die Finger zu schauen, auch um eine tatsächliche wer sich im Rathaus wie gut versteht und was das Diskursverschiebung nach links zu schaffen. bedeuten kann. Dazu bleibt zu sagen: Persönliche Befindlichkeiten sollten draußen bleiben, wo Politik Beteiligung der Wohnbevölkerung in Wien erstmals gemacht wird. Wenn die Möglichkeit da ist, eine linke unter 50 %. Mit knapp 30 % liegen die Nicht-Wahl- Koalition herzustellen, ja, dann sollte man das auch berechtigten deutlich vor den Nicht-Wähler_innen gefälligst tun. (24,4%). Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik musste der Wiener Gemeinderat seine Macht auf einer dünneren Wähler_innen-Basis legitimieren. Karin Stanger ist Gewerkschafterin, Von den 1,6 Millionen Einwohner_innen im Wahl- Feministin und Antifaschistin. Sie ist alter gaben nur 739.485 ihre Stimme ab. Hauptgrund Bundesvorständin der AUGE/UG und arbeitet im Bundesbüro der AUGE/UG dafür ist der wachsende Anteil der Menschen, die als Politische Referentin. aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft von Wahlen aus- geschlossen sind. Dieser Anteil hat sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Die Politik muss hier gegen- steuern: Es braucht eine Senkung der Einbürgerungs- hürden, Möglichkeiten zu Doppelstaatsbürgerschaften 8
Alternative 11 2020 Thema Rekordbeteiligung bei Wiener Pass Egal Wahl Die Pass Egal Wahl findet immer parallel zu den Wiener Bezirks- und Gemeinderatswah- len statt, um aufzuzeigen dass die offizielle Wien-Wahl eine unvollständige Wahl ist. Ein Drittel der Bevölkerung im Wahlalter darf nicht teilnehmen. Bei der von SOS Mitmensch durchgeführten Wahl können alle, unabhängig von ihrem Pass, ihre Stimme abgeben. Die Wiener Pass Egal Wahl hat dieses Jahr mit einer Rekord- beteiligung geendet. Trotz Einschränkungen durch die Corona-Pandemie gaben mehr als Grafik www.sosmitmensch.at 1.500 Wiener*innen ohne österreichischen Pass ihre Stimme ab. Hinzu kamen über 1.000 Solidaritätsstimmen von Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Es nahmen Wiener*innen mit Pässen aus 86 Ländern an der Wahl teil. Am stärksten vertreten waren Menschen mit deutschen, afghanischen, türkischen, syrischen und italienischen Pässen. Wahlgewinnerin ist die SPÖ, vor den Grünen, Moria: Nicht einmal gefolgt von LINKS. Das Ergebnis der Wahl ein Akt der Nächstenliebe ist nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Wiener*innen ohne österreichischen Moria hat gebrannt, ganz egal warum, ob Brandstiftung dafür Pass. Das Wahlergebnis steht vielmehr stell- verantwortlich war oder nicht, Fakt ist: Über 13.000 Menschen vertretend für das politische Stimmungsbild haben ihr letztes Dach über dem Kopf verloren. Es fehlt an allem, jener Menschen, die bereit sind, aktiv ein was es braucht, um überleben zu können, Wasser, Nahrung, Zeichen für eine inklusivere Demokratie Kleidung. Schon lange sprechen wir nicht mehr von Sicherheit zu setzen. und Zuflucht, sondern von Missständen und unerträglichen Zuständen. Aber zumindest gab es noch ein Dach. Auch dieses Die Pass Egal Wahl zeigt, dass es erhebliches ist jetzt weg. Menschen irren auf der Insel herum, in Lesbos Interesse an politischer Beteiligung von spitzt sich die Lage immer mehr zu. Menschen ohne österreichischen Pass gibt. Unerheblich ist warum diese Menschen geflüchtet sind, sie Es ist hoch an der Zeit, dass die Türe zu brauchen jetzt unseren Anstand, von unserem Wohlstand etwas demokratischer Beteiligung für die Betrof- abzugeben. Nicht weil wir gütig sind, sondern weil es ihnen fenen geöffnet wird. zusteht. Um das zu verstehen, braucht es schon etwas mehr. Aber um nachvollziehen zu können, dass unschuldige Kinder und Es braucht dringend ein Umdenken der Poli- Jugendliche, die nicht einmal selbst die Entscheidung getroffen tik, weg von Ausgrenzung und Spaltung hin haben zu flüchten, in diesem Elend festsitzen und wir es in der zu einer Demokratie, die alle hier lebenden Hand haben, zumindest einigen von ihnen, da raus zu helfen, Menschen mit einschließt. braucht es nur einen Akt der Nächstenliebe und Güte, zumindest dazu sollte die ÖVP und ihre Vertreter*innen in der Lage sein. Renate Vodnek Liebe ÖVP Vertreter*innen, setzen Sie ein Zeichen und zeigen Sie, dass zumindest noch etwas Menschlichkeit in ihnen vorhanden ist. Vera Koller, Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschafter*innen im ÖGB 9
International Alternative 11 2020 EU-Mercosur-LeaK Ein gefährliches Handelsabkommen, das nicht unserer Zeit entspricht Greenpeace liegt das bisher geheim gehaltene unserer Erde. Der Handel mit Produkten aus Südame- Verhandlungsdokument des EU-Mercosur*-Assozi- rika ist schon jetzt zu stark mit der Zerstörung natür- ierungsabkommens vor. Es gibt Einblicke in eine licher Regenwälder verbunden. Anstatt diese traurige demokratisch fragwürdige und veraltete Art der Entwicklung weiter anzuheizen, müssen die Wälder Handelspolitik. Wichtige Herausforderungen unserer unserer Erde in Zukunft besser geschützt werden. Zeit, wie Klima- und Umweltschutz, werden deutlich  Ernsthafte Bedenken wirft das Assoziierungsab- hinter Profit- und Handelsinteressen gestellt. kommen auch hinsichtlich mangelnder demokratischer Prozesse auf. Der Text schafft eigene Gremien-Struk- Seit 2019 wird heftig über den EU-Mercosur-Pakt turen, die die Befugnis hätten, relevante Teile des diskutiert. Der Ma ngel a n Tra nspa renz und die Abkommens auch im Nachhinein zu ändern. Dabei Geheimniskrämerei um das Assoziierungsabkommen, könnten aufgrund unk la rer Formulierungen die das die Rechte und Pflichten der VertragspartnerInnen demokratisch legitimierten Kontrollen des Europä- definiert, warf bisher viele Fragen auf. Ausgerechnet ischen Parlaments und der nationalen Parlamente das Kapitel „Handel und Nachhaltige Entwicklung“ ausgehebelt werden. ist explizit vom Sanktionsmechanismus des Han- Dass die Regeln der globalen Handelspolitik heut- dels-Abkommens ausgenommen. Der Rest des gesamten zutage durch internationale Verträge Vorrang vor Assoziierungsabkommens folgt nun dieser Linie. nationalen Gesetzen haben und sich über normale Klima- und Umweltschutz sind die wichtigsten The- demokratische Entscheidungsprozesse hinwegsetzen men unserer Zeit. Doch anstatt klare und verbindliche können, ist stark zu kritisieren. Welchen Wert hat Regelungen zum Schutz unserer Erde zu treffen und das Pariser Klimaschutzabkommen überhaupt noch, Umweltzerstörung sanktionierbar zu machen, setzt man wenn man seine Wirksamkeit und Umsetzung von den auf ablenkende und schöne Worthülsen. Der Vertrag Regelungen globaler Wirtschaftsabkommen abhängig begrüßt zwar das Pariser Klimaschutzabkommen, macht? sieht aber in Klima- und Umweltschutz dennoch kein Der EU-Mercosur-Pakt zeigt starke Mängel in den „essential element“. Nur bei Verstößen gegen „essen- Bereichen Klima- und Umweltschutz, Demokratie tial elements“ können Vertragsparteien sofortige und und Transparenz und wird durch eine verzerrte angemessene Sanktionsmaßnahmen ergreifen, die bis Prioritätensetzung die drängenden Probleme unserer zur vollständigen Aussetzung des Abkommens reichen Zeit wie soziale Ungerechtigkeit, fortschreitende können. Während Profit- und Handelsinteressen un- Naturzerstörung und Erderhitzung nicht adressieren ter solcher Androhung von Sanktionsmechanismen können. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist klar, dass geschützt werden, werden Klima- und Umweltschutz der EU-Mercosur-Pakt nicht beschlossen werden darf! eben nicht als “essential element” behandelt. Dadurch können Vergehen gegen Klima und Umwelt einfach Erschienen auf greenpeace.at, gekürzt ungestraft bleiben! *Mercosur steht für: Mercado Comun de sur – Gemeinsamer Der EU-Mercosur-Pakt hätte einen direkten nega- Südamerikanischer Markt und ist ein Staatenbündnis von tiven Einf luss auf die artenreichsten Lebensräume Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay 10
Alternative 11 2020 International GroSSe Konzerne, kleiner Steuerbeitrag? Das gehört geändert! Auch multinationale Konzerne sollen endlich faire - Die Steuertricks der Konzerne, die Möglichkeiten Gewinnsteuern bezahlen. Daher müssen sich die zur Steueroptimierung und der schädliche Steuer- FinanzministerInnen jetzt auf OECD-Ebene rasch auf wettbewerb der Nationalstaaten zusammen führen zu einen weltweiten Mindeststeuersatz bei der Körper- weltweiten Einnahmenverlusten von knapp 200 Mrd. schaftsteuer einigen! Noch nie standen die Chancen US-Dollar jährlich für die öffentlichen Haushalte. besser, dass dieser historische Schritt gelingt und es Das entspricht knapp 10% der weltweiten Körper- hier einen echten Meilenstein gibt. schaftsteuereinnahmen. - Niedrige Steuern für multinationale Konzerne ver- Was wollen wir? schieben die Steuern hin zu ArbeitnehmerInnen und - Ein weltweiter effektiver Mindeststeuersatz den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die für Konzerngewinne einen immer größeren Beitrag zum Ausgleich leisten müssen. - Ei n i nternationa l a k kord iertes, ei n heitliches Regelwerk für die Ermittlung des Mindeststeuersatzes, Die Corona-Krise verschärft die Lage! auf Basis der OECD-Vorschläge Durch COVID-19 wird diese Schief lage noch einmal - Mehr Transparenz bei der Besteuerung multinati- dramatisch verstärkt: Steuereinnahmen werden (zu- onaler Konzerne, deswegen muss auch das „public mindest 2020) weltweit einbrechen. Die milliarden- Country by Country Reporting“ endlich umgesetzt schweren Hilfspakete müssten aber mit zusätzlichen werden Mitteln finanziert werden. Dazu kommt: Multinationale Konzerne profitieren aufgrund ihrer Größe oft überpro- Warum wir das wollen! portional von den staatlichen Hilfsprogrammen – und Multinationale Konzerne zahlen darüber hinaus auch vielfach von der Krise selbst (vom immer weniger Gewinnsteuern! Onlinehandel bis zu den Streamingplattformen). Wer mit Steuergeld gerettet wird, muss in Zukunft auch Die Regelungen für die internationale Unternehmens- einen fairen Beitrag leisten. besteuerung sind nicht mehr zeitgemäß. Immer noch versuchen auch EU-Staaten mit niedrigen Steuersätzen Was uns ein Mindeststeuersatz und Steuerdumping Unternehmen anzulocken. Gleich- für Konzerne bringt zeitig werden die Steuertricks der Unternehmen immer Wenn ein einheitlicher, effektiver Mindeststeuersatz aggressiver. für Konzerne OECD-weit eingeführt würde, Die Probleme sind schon lange bekannt, aber die Politik hat das lange ignoriert. Mittlerweile wissen wir aber: … könnten die weltweiten jährlichen Körperschaft- steuereinnahmen um bis zu 4%, also um bis zu 100 - Multinationale Konzerne zahlen im Durchschnitt um Mrd. USD jährlich steigen 30% weniger Körperschaftsteuer, als Unternehmen, … würden sich diese Mehreinahmen – mit Ausnahme die ausschließlich lokal tätig sind. von den Steueroasen – annähernd gleich auf alle - Die Steuerbelastung der Unternehmen der digitalen Staaten verteilen. Wirtschaft ist mit knapp 9,5% nicht einmal halb … würden Gewinnverlagerungen signifikant einge- so hoch wie die Steuerbelastung der traditionellen schränkt und Steueroasen effizient ausgetrocknet Wirtschaft mit 23,2%. werden - Multinationale Konzerne verschieben jährlich knapp …könnte der Steuerbeitrag von ArbeitnehmerInnen 40% ihrer Gewinne in Niedrigsteuerländer und Steu- und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ersümpfe. Österreich alleine verliert dadurch rund gesenkt werden 1 Mrd € an Steuereinnahmen pro Jahr. …könnte mehr Geld in Bildung und die Schaffung - 40% aller globalen Investments (Foreign Direct von Arbeitsplätzen investiert werden Investments) sind reines Phantomkapital, das nur der Steuervermeidung multinationaler Konzerne dient. https://arbeiterkammer.at/konzernezurkasse 11
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Arbeitsmarkt Alternative 11 2020 Das Frauenprogramm des AMS als eine Antwort auf die Corona-Krise? Untersuchungen zeigen, dass spezifische Bera- Wiedereinsteigerinnen besonders stark betroffen tungs- und Weiterbildungsangebote des Arbeits- marktservice (AMS) für Frauen größere Effekte Weiters lässt sich feststellen, dass die Corona-Ar- erzielen als andere, vergleichbare AMS-Angebote. beitslosigkeit vor allem bei der verletzlichen Gruppe Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Arbeits- der Wiedereinsteigerinnen stark verbreitet ist. Dabei losigkeit sollten auf diesen Erfahrungen aufbauen. handelt es sich um beim AMS arbeitslos gemeldete Personen mit Kinderbetreuungspf lichten, die weniger Frauenspezifische Angebote in Zeiten der Krise als ein Jahr seit dem Ende der Karenz erwerbstätig waren. Im April 2020 stieg die Anzahl der Wiederein- Deutlicher als in früheren Krisen sind Frauen von der steigerinnen unter den Arbeitslosen um 45 Prozent coronabedingten Arbeitslosigkeit stark betroffen. Auch im Vergleich zum Vorjahr. Auch im Juli 2020 ist die medial wurde über diese Aspekte relativ ausführlich Zahl der arbeitslosen Wiedereinsteigerinnen um 43 bzw. für österreichische Verhältnisse überraschend Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. oft berichtet. Wie konkret diesen Umbrüchen in der Arbeitswelt Gerade bei Wiederei nsteiger i n nen besteht d ie begegnet werden kann, ist gerade Gegenstand vielfäl- Gefahr – wie Erfahrungen auch aus früheren Krisen tiger Auseinandersetzungen. Umfassende Ansätze für zeigen –, dass schwierige arbeitsmarktpolitische den Arbeitsmarkt – etwa eine Arbeitsmarktoffensive, Rahmenbedingungen zu einem Rückzug aus dem konjunkturelle Maßnahmen, eine öffentliche Beschäf- Arbeitsmarkt führen können. Dies trifft vor allem tigungspolitik – werden diskutiert. Frauenpolitische, Frauen in ländlichen Regionen mit weniger gut aus- aber auch frauenspezifische Ansätze dürfen dabei gebauten Kinderbetreuungsangeboten bzw. Frauen nicht aus dem Blick genommen werden. aus Branchen mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Dieser Beitrag möchte anhand aktueller Daten und Längerfristige negative Auswirkungen auf ein zu- einer kürzlich abgeschlossenen Studie zeigen, dass künftiges eigenständiges Erwerbseinkommen werden vor allem dort, wo spezifische Bedürfnisse unter- ausgeblendet bzw. müssen in Kauf genommen werden. schiedlicher Gruppen von Arbeitslosen berücksichtigt Für Deutschland liegt hierzu eine erste Auswertung werden, diese auch tatsächlich in höherem Ausmaß vor, die zeigt, dass es vor allem Frauen mit kleinem von Maßnahmen profitieren. Einkommen sind, die ihre Jobs aufgeben, um dem Das Gesicht der coronabedingten Arbeitslosigkeit Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die soge- nannte „Corona-Arbeitslosigkeit“ ein anderes Gesicht hat als herkömmliche konjunkturbedingte negative Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Mit Beginn des Lock- downs im April erreichte die Arbeitslosigkeit einen historischen Höchststand von 571.000 Menschen. Lag traditionell die Arbeitslosenquote bei Männern immer etwas höher als bei Frauen, hat sich das Verhältnis seit April umgekehrt. Während die Männer-Arbeitslosigkeit bereits im März ihren Höhepunkt erreicht hatte (und seither auch wieder sinkt), kehrte sich der Trend bei den Frauen erst mit April um. 14
Alternative 11 2020 Arbeitsmarkt Partner mit dem höheren Einkommen noch stärker im April 2020 verringerte sich der Bestand auf rund als zuvor „den Rücken freizuhalten“. 58.000 Arbeitslose im Juli 2020. Die Arbeitslosigkeit lag im Juli damit um 39 Prozent höher als im Jahr davor. Anstieg bei höher gebildeten Frauen stärker als Bedarfsgerechte Antworten auf die in der Coro- bei höher gebildeten Männern na-Pandemie arbeitslos gewordenen Menschen sollten auf diese Spezifika eingehen und berücksichtigen, dass Eine geschlechtsspezifische Auswertung der Coro- die betroffenen Personen branchenspezifische Lösungen na-Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschlüssen macht brauchen, zum Teil bereits höher qualifiziert sind und zudem deutlich, dass die Erwerbsarbeitslosigkeit bei oftmals Betreuungspf lichten zu bewältigen haben. höher qualifizierten Frauen (akademische Ausbildung, höhere Ausbildung, die mit Matura abschließt) deutlich Gleich stel lu n gsw i rk u n g u ntersch ied l icher stärker angestiegen ist als bei den höher qualifizierten AMS-Angebote Männern. Der Trend wurde bereits im April 2020 sicht- bar und setzte sich im Verlauf des Jahres bis heute fort. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, Er- kenntnisse aus arbeitsmarktpolitischen Interventionen für diese Ausnahmesituation aufzubereiten, mit einem Fokus auf jene Zielgruppen, die es am Arbeitsmarkt auch ohne Corona-Krise nicht wirklich einfach haben. Eine aktuelle Studie, auf die wir in diesem Zusammen- hang eingehen wollen, beschäftigte sich im Auftrag des AMS mit der Gleichstellungswirkung arbeitsmarkt- politischer AMS-Angebote. Sie wurde im Jahr 2020 „vor Corona“ von L&R Sozialforschung durchgeführt. Die Gleichstellungwirkung der AMS-Maßnahmen (wie Beratungen, Weiterbildungen, Ausbildungen) wurde dabei entlang der Entwicklung der Erwerbs- integration, Arbeitszeit, Einkommen, Qualifikation, Positionierung am Arbeitsmarkt und Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrachtet. Kurz zusammengefasst,  zeigte die Wirkungsanalyse, dass die TeilnehmerInnen Auch die Branche macht einen Unterschied zwar insgesamt von den Angeboten profitierten, etwa indem sie danach häufiger in Beschäftigung waren. In den Branchen Tourismus/Gastgewerbe und Handel Bestehende geschlechtsspezifische Schief lagen – etwa gibt es einen hohen Frauenanteil bei den Beschäf- Einkommensunterschiede oder die unterschiedliche tigten. Diese Branchen waren besonders von den Arbeitszeitverteilung – bleiben aber bestehen. Lockdown-Maßnahmen betroffen und werden sich wohl erst mittelfristig davon erholen. Zwar kam es Vor allem dort, wo „frauenspezifisch“ draufsteht, im Sommer im Tourismus zu einer Halbierung der werden Frauen unterstützt Arbeitslosenzahlen auf rund 51.000 Personen, doch lag die Branchen-Arbeitslosigkeit im Juli immer noch In der Studie wurden neben den allgemeinen AMS-Maß- um 86 Prozent höher als im Jahr davor. nahmen auch die Frauenberufszentren und der frau- Im Handel erfolgte der Abbau der Arbeitslosigkeit enspezifische Kurs „Wiedereinstieg mit Zukunft“ auf deutlich schleppender: Von fast 70.000 Arbeitslosen ihre Gleichstellungswirkung hin untersucht. 15
Arbeitsmarkt Alternative 11 2020 Frauenspezifisch wirkt Bei einer Gegenüberstellung der Wirkung der Program- me von Frauenberufszentren und sonstigen vergleich- baren AMS-Angeboten für arbeitslose Frauen zeigten sich deutliche positive Wirkungen: Absolventinnen des Programms „Wiedereinstieg mit Zukunft“ verzeichne- ten im Jahr danach ein Plus von 84 Beschäftigtentagen, bei vergleichbaren anderen Programmen waren es nur 66 Tage. Auch Teilnehmerinnen an den Angeboten der Foto Alexis Brown Frauenberatungszentren waren mehr Tage beschäftigt als Teilnehmerinnen an vergleichbaren anderen Be- ratungen (66 Tage gegenüber 54 Tagen). Die Angebote wirken besser und auch die Teilneh- merinnen sind zufriedener. Das mag daran liegen, dass Frauenspezif ische AMS-Angebote wie die Frauen- dort spezifische Rahmenbedingungen adressiert werden berufszentren oder der Wiedereinsteigerinnenkurs und auf die konkrete Situation besser eingegangen bauen darauf auf, dass Arbeitslosigkeit (auch) durch wird. Auch Arbeitsmarktexpertin Hof bauer weist in gesel lscha ftl iche Ra h menbed i ng u ngen, w ie z.B. ihrer Analyse auf dieses Faktum hin und argumentiert, Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder fehlende dass diese genaue Zuspitzung der Angebote auf die Kinderbetreuungseinrichtungen, ausgelöst wird. Qua- Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe auch für andere lifizierungen allein befähigen die betroffenen Personen Angebote sinnvoll wäre. somit nicht, eine existenzsichernde Arbeitsstelle zu finden. Ebenso wichtig ist es, arbeitslosen Frauen Mögliche Erkenntnisse aus verschiedenen individuelle Hilfestellungen bei besonderen Prob- Ansätzen speziell für weibliche Arbeitsuchende lemlagen (z.B. alleinerziehend, von Gewalt betroffen, Branchen-Lohnstrukturen) anzubieten. Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zeigt, dass So wird im Programm „Wiedereinstieg mit Zu- die Frauenarbeitslosigkeit hartnäckig hoch bleibt und kunft“ die Kinderbetreuungssituation explizit mit spezielle Zielgruppen besonders betroffen sind – etwa der Kundin bearbeitet, und bei Bedarf werden auch Wiedereinsteigerinnen. Kinderbetreuungsplätze vermittelt. Berichten Frauen Diese werden vor allem von spezifischen Program- von sozialen Problemen werden diese an spezialisierte men gut erreicht. Um zu verhindern, dass sich diese Beratungsstellen weitergeleitet. Qualifizierungen im Frauen langfristig vom Arbeitsmarkt zurückziehen, Rahmen der Frauenberufszentren und des Programms ist es zentral, im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen „Wiedereinstieg mit Zukunft“ werden so angeboten, dass Interventionen auch entsprechende Erkenntnisse und eine Teilnahme auch für Menschen mit Betreuungs- Ansätze für Frauen bzw. spezifische Zielgruppen zu pflichten möglich ist. Im Rahmen der Karriereberatung integrieren und den Zugang zu diesen Angeboten werden sozioökonomische Strukturen in die Analyse sicherzustellen. der bisherigen Erwerbsbiografie miteinbezogen. In der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen „Corona-Arbeitsstiftung“, die zusätzliche Budgetmittel von rund 700 Millionen Euro für die Weiterbildung von arbeitslosen Menschen freimacht, sind prinzi- 16
Arbeitsmarkt piell frauenfördernde Maßnahmen vorgesehen. Flexible Kinderbetreuungsa ngebote bei den Weiterbildungsinstituten, die Möglichkeit, Wei- Kurzer Einwurf – just say terbildungen auch in Teilzeit zu besuchen, sowie Um es kurz zusammenzufassen: Die Maßnahmen des eine sanfte Steuerung der Ausbildungsplätze in AMS für Frauen wirken, sind erfolgreich und wichtig. zukunftsfähige Berufe (mit existenzsicherndem Auch wenn über einzelne Ausgestaltungen treff lich Einkommen) könnten mit der Weiterbildungs- gestritten werden kann und muss, natürlich auch offensive verwirklicht werden und Chancen für gestritten wird. Die teilweise unüberwindliche Hür- Wiedereinsteigerinnen bieten. de für Frauen liegt also weder an ihrem Geschlecht, noch an ihren Fähigkeiten, Interessen oder anderen Klar ist aber auch, dass frauenspezifische Kur- individuellen Gründen. Problematisch sind die immer se und Programme zwar einen Anstoß zu einer gleichen Schranken, an denen Frauen scheitern. Lernen besseren Arbeitsmarktintegration von Frauen sie Berufe, in denen ihr Geschlecht unterrepräsentiert geben können, insgesamt aber in der Krise die ist, finden sie mitunter keine Anstellung, weil die gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Un- Betriebe „nicht auf Frauen eingestellt sind“, begin- gleichgewichte noch stärker zum Tragen kom- nend von Sanitäranlagen über die bedarfsorientierte men als sonst. Deswegen sind eine öffentliche Organisation von Arbeitszeiten und Arbeitsabläufen Beschäftigungspolitik sowie mehr Mittel für bis hin zu Argumenten bezüglich des Betriebsklimas. eine innovative aktive Arbeitsmarktpolitik, vor Haben sie eine Erwerbstätigkeit (in welcher Position allem auch eine deutliche Erhöhung der Mittel auch immer) erreicht, hängt über ihnen häufig der für das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm Generalverdacht des Ausfalls bezüglich bestehender des AMS, nötig. oder unterstellt kommender Betreuungspflichten. Nicht zuletzt scheitert die partnerschaftliche Aufteilung der Ina Freudenschuß arbeitet in der Frau- unbezahlten Arbeit immer wieder am Lohngefälle, auf enabteilung des AMS Österreich und der höhere (meist) männliche Einkommen ist schwerer betreibt in einem Redaktionskollektiv zu verzichten. den Polit-Blog reflektive.at A l les kei ne neu en E rken nt n i s s e. Ja h r z e h nt e Nadja Bergmann ist Projektleiterin gebetsmühlenartig vorgebracht, nach dem verständ- bei L&R Sozialforschung mit den For- nisvollen Nicken folgt das Schulterzucken ohne Kon- schungsschwerpunkten Gleichstellung sequenzen. Dafür kann das AMS nichts und es ist auch und Arbeitsmarkt. nicht seine Aufgabe, hier strukturell gegenzusteuern. Es spricht auch nicht gegen die Maßnahmen des AMS, Zunächst erschienen ganz im Gegenteil. auf https://awblog.at • Beate Beranek 17
Gewerkschaft & Betrieb Alternative 11 2020 Corona im Herbst Regelungen ausgearbeitet sein sollen und die Sozial- partner Verhandlungen aufgenommen haben. Dabei ist grundsätzlich Folgendes auseinander zu halten: Es ist zu begrüßen, wenn es die Arbeitsministerin auf ihre Pünktlich zu Schulbeginn sind die Zahlen weiter Agenda schreibt, Rahmenbedingungen für Home-Office gestiegen. Die erste Krankheitswelle ist vorbei, zu erarbeiten. Diese Rahmenbedingungen kommen jeder kennt mittlerweile jemanden der/die Test- jedoch für die coronabedingte Arbeit zu Hause zu spät. erfahrungen gemacht hat. Menschen, die es sich Für die jetzt notwendige Form des Home-Office ist es finanziell leisten können, lassen sich privat testen, dringend notwendig zumindest für ein Minimum an jene mit geringeren finanziellen Möglichkeiten, Rechtssicherheit zu sorgen und den Unfallversiche- oder sonstigem Zwang den offiziellen Weg über rungsschutz auszudehnen. Betriebsrät*innen ist derzeit 1450 einzuschlagen, kennen die zermürbenden anzuraten Betriebsvereinbarungen nur befristet abzu- Zeiten zwischen Erstanruf, Testung und Ergebnis. schließen und nur auf die jetzige Situation anzupassen Und zu befürchten ist, dass Menschen in prekären und sich für die darüber hinaus gehenden Regelungen Situationen überhaupt davor zurück schrecken zum mobilen Arbeiten Zeit zu lassen. Symptome zu melden. Corona und Betreuung Die Ampel soll uns Orientierung bringen, hätte es in der geplanten Form wohl auch getan, aber nach Die Möglichkeit Sonderbetreuungszeit mit dem Ungerechtigkeitsgefühlen und Verstimmungen der Län- Arbeitgeber zu vereinbaren wurde bis 28.02.2021 der, wurde alles wieder verändert. Nach anfänglichen verlängert. Von 1.10.2020 – 28.02.2021 können weitere Chaoszuständen in den Schulen, hat sich zumindest 3 Wochen an Sonderbetreuungszeit vereinbart werden dort die Situation etwas entspannt und die Kinder und dafür gibt es einen Anspruch auf Vergütung der nehmen es sowieso gelassen. Die Empfehlungen lauten, Hälfte des Entgelts. Berücksichtigt werden dabei auch dort wo möglich die Arbeit wieder ins Home-Office Schulschließungen infolge von Ferien oder schulfreier zu verlagern, die Maskenpflicht gilt im Handel, in Tage. Darüber hinaus kann weiterhin bei Bedarf Pfle- der Gastronomie und überall dort in geschlossenen gefreistellung genommen werden bzw. ein persönlicher Räumen, wo noch kein fixer Sitzplatz eingenommen Verhinderungsgrund vorliegen. wurde. Auf Auslandsreisen soll, wenn nicht unbedingt notwendig, verzichtet werden und privat sollen wir Corona und Veranstaltungen uns so gut wie möglich einschränken. Veranstaltungen sind mittlerweile grundsätzlich wie- Corona und Home-Office der an strengere Vorgaben gebunden. Die zulässigen Höchstzahlen wurden herabgesetzt und die Masken- Nachdem die Empfehlung lautet, wieder vermehrt pflicht erhöht. Ausnahmen gibt es für sich aus dem auf Home-Office umzustellen, ist das Thema wieder Arbeitsverfassungsgesetz ergebende Zusammenkünfte, mehr in den Fokus gerückt. Ministerin Aschbacher hat sowie Erleichterungen bei Zusammenkünften zur be- voller Enthusiasmus angekündigt, dass bis März 2021 ruflichen Aus- und Weiterbildung. 18
Alternative 11 2020 Gewerkschaft & Betrieb Corona und Arbeitsmarkt Corona-Kurzarbeit III Die Situation am Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt, Das Modell Kurzarbeit wurde angepasst und kann ab vor allem bei Jugendlichen, Arbeitslosen bis 25 und bei 1. Oktober für maximal sechs Monate in Anspruch den Älteren. Die Verschärfung ist sicher auch Corona genommen werden. bedingt, jedoch nicht ausschließlich darin begründet. Die Nettoersatzrate ist weiterhin zwischen 80 und Auch durch die Transformation am Arbeitsmarkt und 90 Prozent, Lehrlinge erhalten ihre volle Lehrlingsent- durch den notwendigen Strukturwandel ergeben sich schädigung. Ebenso gilt auch in Kurzarbeit III weiterhin schon lang bekannte Schwierigkeiten für manche ein Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass Arbeitneh- Branchen. Dieser Transformationsprozess wurde lange mer*innen mindestens ein Monat nach Kurzarbeitsende ignoriert - im Sinne von Augen zu und durch und die weiterbeschäftigt werden müssen. Kosten sollen die anderen tragen - wurde starr versucht an bestehenden Bedingungen festzuhalten. Wie uns die Neu ist die sogenannte Entgeltdynamik. Eine Erhöhung jüngsten Beispiele wieder gnadenlos vor Augen führen, des Einkommens aufgrund einer kollektivvertraglichen ist die Profitgier von Konzernen ungebrochen. Zuerst Erhöhung muss berücksichtigt werden. Gearbeitet wurde Kurzarbeitsförderung kassiert, nicht weil die werden kann in Kurzarbeit grundsätzlich in einem Unternehmen knapp vor dem Ruin standen, sondern Ausmaß zwischen 30 und 80 Prozent. Hinzu kommt ab weil es kurzfristig Ausfälle gab. Die Konzerne schreiben Oktober auch eine Aus- und Weiterbildungspflicht für Gewinne, Dividenden und Boni werden ausgezahlt, aber Arbeitnehmer*innen. Vereinbarungen zur Ausbildungs- nach der Devise warum Geld und Förderungen nicht kostenrückerstattung sind während der Kurzarbeit III nehmen, wenn sie einem angeboten werden, wurde nicht zulässig. kassiert. Auch auf Vertragstreue kann man sich nicht verlassen und leider wird es weiterhin schändlich Unternehmen, die Lehrlinge zur Kurzarbeit III anmel- unterlassen, staatliche Gelder und Förderungen an den, müssen die ordnungsgemäße Lehrlingsausbildung bestimmte Bedingung zu knüpfen. Während Klein- und sicherstellen. Unterstützen können hier Ausbildungsver- Mittelunternehmer, Kulturschaffende… ihre Existenz bünde mit anderen Lehrbetrieben, eine überbetriebliche verlieren, sichern sich große Konzerne Renditen in Lehrausbildung oder Lehrwerkstätten. Schlussendlich den nächsten Jahren. müssen Unternehmen, die Kurzarbeit anmelden wollen, Dies ist nicht hinzunehmen, dringend braucht es ihre wirtschaftliche Betroffenheit belegen. Diese wird die Verknüpfung von staatlichen Geldern an die Er- durch Dritte, etwa Steuerberater*innen, überprüft. füllung von Bedingungen wie den Erhalt von Arbeits- plätzen und die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Gleichstellungsstandards. Außerdem eine verpflicht- Vera Koller, Vorsitzende der unabhängigen ende Einbindung von Betriebsrät*innen bei dermaßen Gewerkschafter*innen im ÖGB schwerwiegenden Unternehmensentscheidungen wie Dividenden oder Standortverlagerungen, verbunden mit einem Vetorecht bei Managemententscheidungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigten haben. 19
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