Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft

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Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Die Patienten-
verfügung
Gesundheitliche Vorsorge
durch Selbstbestimmung
Ein Themenheft
Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Seite   INHALT

   3    Geleitwort von Margrit Kessler
        Präsidentin Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz
   4    Was genau ist eine Patientenverfügung?
        von Barbara Züst
   6    « Eine Patientenverfügung macht in jeder Lebensphase Sinn »
        Interview mit Daniela Ritzenthaler und Patrizia Kalbermatten-Casarotti

        Fälle aus der SPO-Praxis

   8    Der Patientenwille geht vor
        von Judith Strupler
  11    Erfahrungsbericht eines Angehörigen
        von Ruedi Graf

  12    Rechtliche Regelung von Patientenverfügungen
        von Barbara Züst
  16    « Mit dem Papier allein ist es nicht getan »
        Interview mit Dr. med. Hansueli Schläpfer

        Patientenverfügungen vorgestellt

  18    Patientenverfügung der SPO
  19    Patientenverfügung der FMH / SAMW: Bedürfnisgerecht kurz oder ausführlich
  20    Patientenverfügung des SRK: Kompetente Beratung – bessere Entscheidung
  21    Patientenverfügung der Krebsliga
  22    ALZ-Patientenverfügung bei Demenzerkrankungen

        Publireportagen

  23    Blasenschwäche – ein (un)vermeidbares Leiden?
  24    « Generation plus » – ein Projekt der Apotheken des Kantons Zürich

  26    Engagiert und erfolgreich für die Patientenrechte
  28    Die Beratungsstellen der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz
  31    Der Stiftungsrat der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz
  32    Gönnerverein der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz
Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Geleitwort von Margrit Kessler,
Präsidentin Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz

      Mit der Patientenverfügung eigenverantwortlich vorsorgen
Die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz setzt sich seit über dreissig Jahren kon-
sequent und erfolgreich für die Rechte der Patient / innen ein. In diesem Zeitraum wurde
den Patient / innen das Selbstbestimmungsrecht zugestanden – zweifellos einer der grössten
Fortschritte, der zugunsten der Patient / innen erzielt werden konnte.
      Damit das Selbstbestimmungsrecht aber tatsächlich wahrgenommen werden kann, müs-
sen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört eine umfassende Aufklärung in
einer angepassten, verständlichen Sprache, die jeder Behandlung vorausgehen muss. Zudem
muss die Einsichtnahme in das vollständige Patientendossier möglich sein.
      Der eigentliche Kern des Selbstbestimmungsrechts stellt jedoch das Recht dar, einer Be-
handlung zuzustimmen oder sie abzulehnen. Für den Fall, dass Sie infolge von Unfall, Krank-
heit, körperlicher oder geistiger Schwäche nicht mehr in der Lage sein sollten, sich zu äussern,
dokumentieren Sie Ihren Willen bei medizinischen Massnahmen mit einer Patientenverfü-
gung. In diesem Dokument können Sie Ihre Anweisungen hinsichtlich diagnostischer Unter-            Margrit Kessler,
suchungen, medizinischer Behandlung und Pflege festhalten.                                         Nationalrätin
      Für den Fall Ihres Ablebens legen Sie hier Ihre Wünsche bezüglich Obduktion und
Organentnahme fest.
      In der Verfügung bevollmächtigen Sie zudem jene Personen, die Informationen erhalten
dürfen und gegebenenfalls stellvertretend für Sie handeln können. Gemäss neuem Vertre-
tungsrecht ab Januar 2013 muss der behandelnde Arzt bei der Planung der Behandlung bei
urteilsunfähigen Patient / innen die zur Vertretung berechtigten Personen beiziehen und
diese über alle Umstände informieren. In erster Linie entscheidet diejenige Person, welche
Sie in der Patientenverfügung oder im Vorsorgeauftrag hiermit beauftragt haben.
      Man muss immer wieder darauf hinweisen: Die Grenzen zwischen medizinisch-tech-
nischen Möglichkeiten einerseits und dem ethisch Wünschbaren andererseits sind fliessend.
In der letzten Lebensphase lehnen viele Menschen Untersuchungen und Behandlungen ab,
die eher das Sterben als das Leben verlängern.
      Die Patientenverfügung dokumentiert, dass Sie sich gründlich mit den Problemen aus-
einandergesetzt haben, die auftreten können, wenn Sie nicht mehr in der Lage sein sollten,
eigenverantwortlich zu entscheiden. Sie legen in der Verfügung die Massnahmen fest, die
nach Ihrem eigenen Empfinden geeignet sind, Ihre menschliche Würde zu respektieren. Die
Verfügung informiert Angehörige, Ärzte und Pflegende über Ihren Willen. Damit werden
die Angehörigen entlastet, welche ohne Patientenverfügung den mutmasslichen Willen
eruieren müssten, anstatt diesen in der Patientenverfügung dokumentiert vorzufinden.
      Die Patientenverfügung ist eine wertvolle Hilfe. Der in der Verfügung geäusserte Wille
ist verbindlich und muss von allen beachtet werden, die Ihnen auf physischer, psychischer
und spiritueller Ebene beistehen.
     Wir können die Bedeutung der Patientenverfügung nicht genug betonen. Deshalb
widmen wir diesem wichtigen Dokument ein ganzes Heft, um verschiedene Aspekte rund
um das Thema gemeinsam mit verschiedenen Fachleuten auszuleuchten. Zudem stellen wir
die Patientenverfügung der SPO und weiterer Organisationen wie der Verbindung der
Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) sowie der Schweizerischen Akademie der Medizi-
nischen Wissenschaften (SAMW), des Schweizerischen Roten Kreuzes, der Krebsliga und
der Alzheimervereinigung vor. Damit möchten wir Ihnen die Wahl der für Sie am besten
geeigneten Patientenverfügung erleichtern. Haben Sie Ihre Patientenverfügung bereits
ausgefüllt?

     Margrit Kessler, Präsidentin Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz

                                                                                                                      3
Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Neue ZGB-Bestimmungen:
                                    Was genau ist                                                                                         Entlastung von Behandelnden und Angehörigen
                                                                                                                                     Hat eine urteilsunfähige Person vorher schriftlich ihren Willen bezüglich medizinischen           Spezialfragen
                                                                                                                                     Massnahmen festgehalten, können sich Behandelnde (Ärzt / innen, Pflegende etc.) im Sinne
                                    eine Patientenverfügung  ?                                                                       einer Leitlinie danach richten.
                                                                                                                                          Angehörige sind oft mit der Situation überfordert, wenn sich eine ihnen nahestehende
                                                                                                                                                                                                                                       Was passiert mit der PV
                                                                                                                                                                                                                                       beim Eintritt ins Spital?
                                                                                                                                     Person plötzlich nicht mehr zur medizinischen Behandlung äussern kann. Diese Ausgangs-
                                    Im Gegensatz zur finanziellen Vorsorge im Alter ist die gesundheitliche Vorsorge in un-          lage ist für alle Beteiligten mit grossem Stress verbunden und wird durch eine schriftliche       Zu empfehlen ist, dass ältere
                                    serer Gesellschaft noch häufig ein Tabuthema. Zu Unrecht, denn eine Patientenverfü-              Willensäusserung etwas entschärft. Nicht jede medizinische Handlung ist mit einer Patienten-      oder sehr kranke Patient/innen den
                                    gung kann helfen, viel Leid zu vermeiden.                                                        verfügung planbar. Wichtig bleibt das Vertrauen, das die Beziehung zwischen Ärzt / in und         Behandelnden bei Eintritt ins
                                                                                                                                                                                                                                       Spital eine Kopie ihrer Verfügung
                                                                                                                                     Patient / in entscheidend prägt und für den Erfolg einer Behandlung wichtig ist.
                                                                                                                                                                                                                                       abgeben.
                                        von Barbara Züst, Co-Geschäftsführerin und fachliche Leiterin                                                                                                                                  Ob eine Patientin oder ein Patient
                                         Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz                                                      Vertrauenspersonen einbeziehen                                                               im Notfall wieder zu beleben
                                                                                                                                     Sinnvollerweise besprechen Patient / innen, die eine Patientenverfügung ausfüllen möchten,        ist (mechanische, medikamentöse
                                    Über unser Leben grundsätzlich selbständig zu bestimmen, ist in unserer Kultur heute eine        den Inhalt mit ihren Vertrauenspersonen. Das kann in der Regel neben den Angehörigen              oder apparative Reanimation),
                                    Selbstverständlichkeit. Bei spezifisch medizinischen Fragen sind Entscheide zur Selbst-          auch die Hausärztin oder der Hausarzt sein. Das Gespräch mit ihren Vertrauenspersonen             entscheiden die Behandelnden in
                                                                                                                                                                                                                                       der Regel bei Spitaleintritt –
                                    bestimmung sehr anspruchsvoll. Die Patient / innen können aus einer Behandlungsfülle das         über den Willen bei medizinischen Massnahmen und über die entsprechenden persön-
                                                                                                                                                                                                                                       allerdings nicht immer explizit –
                                    beanspruchen, was für sie persönlich wünschbar und machbar ist.                                  lichen Wünsche im Falle der Urteilsunfähigkeit spielt eine wichtige Rolle und Hilfe bei der       und notieren diesen Entscheid gut
                                         Mit einer Patientenverfügung hält ein Patient oder eine Patientin seinen oder ihren         späteren Umsetzung im konkreten Anwendungsfall.                                                   sichtbar in der Krankenakte
    Barbara Züst, lic. iur.         persönlichen Willen in Bezug auf medizinische Massnahmen schriftlich fest. Er oder sie                Eine Patientenverfügung muss im entscheidenden Moment für die Angehörigen und                (Kardex) der Patientin oder des
                                    sorgt so für den Fall vor, falls er sich bei Verlust des Bewusstseins durch Unfall oder Krank-   Behandelnden zugänglich sein. Deshalb empfiehlt sich, einen entsprechenden Hinweis zum            Patienten. Patient / innen können
                                    heit nicht mehr äussern kann. Deshalb ist sinnvoll, sich schon frühzeitig über die zentralen     Hinterlegungsort in Kreditkartenformat im Portemonnaie anzubringen. Sinnvoll ist auch,            sich bei der Ärztin oder beim
                                                                                                                                                                                                                                       Arzt jederzeit über den Reanima-
                                    persönlichen Anliegen im Rahmen einer medizinischen Behandlungen klar zu werden.                 eine Kopie der Verfügung an die Vertrauenspersonen (Angehörige, Hausarzt /-ärztin etc.)
                                                                                                                                                                                                                                       tions-Entscheid erkundigen.
                                                                                                                                     zu übergeben. Zudem empfiehlt sich, beim Eintritt ins Spital oder Pflegeheim eine Kopie der       Ein Gespräch, um Entscheidungen
                                         Urteilsfähigkeit als Voraussetzung                                                          Patientenverfügung in der jeweiligen Institution zu hinterlegen.                                  im Hinblick auf das Lebensende
                                    Nur wer urteilsfähig ist, kann eine rechtsgültige Patientenverfügung verfassen. Dazu gehö-                                                                                                         zu klären, kann sinnvoll sein.
                                    ren auch urteilsfähige Minderjährige. Bei erwachsenen Personen besteht eine gesetzliche               Alle zwei Jahre überprüfen                                                                   Ärzt / innen haben oft ein Problem
                                    Vermutung für die Urteilsfähigkeit. Darunter versteht man die Fähigkeit, vernunftgemäss          Die Patientin oder der Patient sollte zudem seinen Willen regelmässig aktualisieren. Denn je      damit, von sich aus mit den
                                                                                                                                                                                                                                       Patient / innen über das Lebens-
                                    zu handeln. Die Urteilsfähigkeit ist eine relative Grösse, die immer in Bezug auf eine           älter eine schriftlich geäusserte Anweisung ist, desto grösser werden für alle Beteiligten die
                                                                                                                                                                                                                                       ende zu reden. Sie sind daher
                                    bestimmte Situation zu beurteilen ist. Der Wille der Patientin oder des Patienten, eine          Zweifel, ob die Behandelnden diese Anweisung verbindlich umsetzen sollen. Denn nicht              froh, wenn die Patient / innen das
                                    bestimmte medizinische Behandlung abzulehnen, ist keine ausreichende Begründung, den             selten veralten Patientenverfügungen, weil sich Wünsche ändern, ohne dass dies der Verfas-        schwierige Thema selber zur
                                    Betroffenen als urteilsunfähig anzusehen.                                                        sende bemerkt.                                                                                    Sprache bringen.
                                         Keine Rolle spielt, ob die Patientin oder der Patient seine schriftliche Willensäusserung        Die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz empfiehlt deshalb, die Patienten-            Wegen der steigenden Kosten
                                    in Form eines Briefs oder auf einem Formular notiert. Wichtig ist einzig, dass die verfas-       verfügung alle zwei Jahre zu überprüfen, zu unterschreiben und mit aktuellem Datum zu             häufen sich zudem die Ängste von
                                                                                                                                                                                                                                       Patient/innen, dass in Zukunft
                                    sende Person aus dem Schriftstück klar hervorgeht und das Schriftstück datiert und unter-        versehen. Dasselbe empfiehlt sich vor einem Spitaleintritt, dies vor allem für ältere oder sehr
                                                                                                                                                                                                                                       bei älteren Menschen nicht zu viel,
    «Hauptzweck des Konsu-          schrieben ist. Nicht notwendig sind dazu eine öffentliche Beurkundung oder eine notarielle       kranke Patient / innen.                                                                           sondern zu wenig getan wird.
    mentenforums ist, Menschen      Beglaubigung. Grundsätzlich muss der schriftlich geäusserte Wille der Patientin oder des
    Wahlfreiheit und eigen-         Patienten lesbar und verständlich verfasst sein.                                                      Was beinhaltet eine Patientenverfügung?
    verantwortliches Handeln             Die Verfügung kann jederzeit geändert oder annulliert werden. Bei einer Willens-            Die klassischen Inhalte einer Patientenverfügung sind Hinweise zur Schmerztherapie, zu
    zu ermöglichen.                 änderung ist das Dokument neu zu erstellen und wieder mit Datum und handschriftlicher            lebensverlängernden Massnahmen, zur Ernährung am Lebensende sowie zu starker Pflege-
    Die Patientenverfügung          Unterschrift zu versehen. Das vorangehende Dokument ist zu vernichten.                           abhängigkeit.
    ermöglicht es, dies auch dann                                                                                                        Die Patientin oder der Patient kann beispielsweise festlegen, dass die Schmerzmittel
    zu tun, wenn man dazu                Formulare für Patientenverfügungen                                                          grosszügig zu dosieren sind, auch wenn diese eine Einschränkung des Bewusstseins oder
    nicht mehr in der Lage ist,     Für die Patient / innen kann zur Klärung von Unsicherheiten eine persönliche Beratung            eine Verkürzung des Lebens mit sich bringen. Anweisungen zu apparativen oder medi-
    nicht mehr sagen kann,          durch versiertes Fachpersonal von Organisationen, die Patientenverfügungen vertreiben,           kamentösen Wiederbelebungsversuchen im Hinblick auf eine höchstwahrscheinlich aus-
    was zu tun bzw. zu unter-       sehr hilfreich sein. Als Hilfe stellen viele Organisationen und Stiftungen im Gesund-            sichtslose Prognose sind ebenfalls sinnvoll. Zudem kann die Patientin oder der Patient
    lassen ist. Angehörigen wird    heitswesen Formulare für Patientenverfügungen bereit. Krankheitsunabhängige Patienten-           Wünsche zur Ernährung festhalten, zum Beispiel ob er eine künstliche Ernährung durch
    damit in einer schwierigen      organisationen, wie die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz oder der Ärztedach-          Infusion oder Magensonde wünscht oder ablehnt.
    Situation der Entscheid         verband FMH, vertreiben allgemeine Vorlagen von Patientenverfügungen. Dort kann die                  Zudem ist es sinnvoll, wenn die Patientin oder der Patient seine persönlichen Werte
    abgenommen, Ärzte sind          Patientin oder der Patient mit Ankreuzen spezifische Anweisungen und Wünsche festhalten          im Zusammenhang mit seinem Verständnis von Lebensqualität in der Verfügung festhält.
    gehalten, sich dem Willen zu    sowie ergänzende Kommentare anbringen.                                                           Solche Äusserungen sind für die Ärzt / innen bei Behandlungsentscheiden eine Leitlinie und
    fügen.»                              Einen Schritt weiter gehen Formulare von krankheitsabhängigen Patientenorganisatio-         somit eine grosse Hilfe. Denn unmöglich ist, alle Eventualitäten im Laufe einer Behandlung
    Franziska Troesch-Schnyder,     nen, wie beispielsweise der Krebsliga oder der Alzheimervereinigung, die als weiterführende      vorauszusehen.
    Präsidentin Konsumenten-
    forum kf
                                    Hilfe spezifische Fragen ansprechen, damit die Betroffenen für den Fall ihrer Urteilsun-
                                    fähigkeit gezielt vorsorgen können. Denn je konkreter der Wille auf eine Krankheitssituation
                                    bezogen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Behandelnden den Willen bzw.
                                    die Anweisungen der Patientin oder des Patienten umsetzen.
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Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Wie läuft der Prozess, eine Patientenverfügung für sich zu erstellen, ab?
                                       « Eine Patientenverfügung                                                              Beraten Sie die Patienten?

                                                                                                                                  Daniela Ritzenthaler: Unsere Erfahrung zeigt, dass das Erstellen einer
                                       macht in jeder Lebensphase Sinn »                                                          Patientenverfügung Zeit braucht. Viele Menschen erstellen die Verfügung
                                                                                                                                  alleine, oder sie besprechen sie mit dem Hausarzt. Dialog Ethik bietet
                                                                                                                                  auch telefonische und persönliche Beratungen an. In diesen Beratungen
                                       Entscheidungen in Bezug auf lebenserhaltende Massnahmen sind aufgrund der                  werden die medizinischen Aspekte der Entscheidungen besprochen
                                       vielseitigen medizinischen Möglichkeiten sehr komplex geworden. Dialog Ethik               und die Verfügenden unterstützt, für sie stimmige Entscheidungen zu treffen.
                                       bietet deshalb auch telefonische und persönliche Beratungen an.
                                                                                                                              Welche Probleme tauchen bei der Umsetzung der Patientenverfügung
                                           Interview: Katrin Bachofen
                                                                                                                              in der Entscheidungssituation am häufigsten auf   ?
                                                                                                                                                                                                                  «Als Tochter, als Vater, als
                                                                                                                                  Patrizia Kalbermatten-Casarotti: Die Patientenverfügung muss als                Partnerin oder als Arzt: Man
                                                                                                                                  erstes verfügbar sein, wenn man sie braucht. Ab 2013 kann ein Hinweis des       steht am Krankenbett und
                                       Inwiefern hat die Bedeutung einer Patientenverfügung (PV)
                                                                                                                                  Hinterlegungsortes auf der Versichertenkarte der obligatorischen                muss plötzlich darüber
                                       in den letzten Jahren zugenommen?
                                                                                                                                  Krankenkasse gespeichert werden.                                                entscheiden, welche Behand-
                                           Daniela Ritzenthaler: Im Spital werden immer öfter medizin-ethische                       Oft sind die Patientenverfügungen, die in der Entscheidungs-                 lungen ein Patient, der
                                           Entscheidungen am Lebensende notwendig. Es gibt Studien, dass praktisch                situation vorhanden sind, kurz und sehr allgemein gehalten. Aus unserer         sich nicht mehr selbst äussern
    Daniela Ritzenthaler, lic.phil.,       bei der Hälfte aller Menschen, die in der Schweiz sterben, vorher eine                 Erfahrung sind solche Dokumente in der konkreten Situation wenig                kann, eigentlich wünscht.
    wissenschaftliche Mitarbeiterin        Entscheidung getroffen wurde, ob lebenserhaltende Massnahmen                           wirksam. Die an der Entscheidung beteiligten Personen müssen dann trotz         Solche Entscheide sind
    Dialog Ethik                           angewendet werden sollen oder nicht. Vor wenigen Jahrzehnten waren                     Patientenverfügung auf der Basis von Mutmassungen entscheiden,                  schwierig und belastend.
                                           solche Entscheidungen Einzelfälle. Mit den vielen medizinischen                        welche Behandlung umzusetzen ist. Liegen keine präzisen Anordnungen vor         Mit einer Patientenverfügung
                                           Möglichkeiten hat die Komplexität der Entscheidungen stark zugenommen.                 und wurde kein Gespräch mit den nächsten Angehörigen über Fragen                können wir mitbestimmen,
                                           Kann ein Patient sich nicht mehr zur Behandlung äussern, hilft ihm eine                am Lebensende geführt, ist das Treffen von Stellvertreterentscheidungen         welche Behandlungen wir
                                           Patientenverfügung, seinen Willen trotzdem umzusetzen. Zudem entlastet                 für die behandelnden Ärzte und die Angehörigen sehr anspruchsvoll.              bevorzugen für den Fall, dass
                                           sie in diesen Entscheidungen das Behandlungsteam, aber auch die                                                                                                        wir nicht mehr urteilsfähig
                                           Angehörigen.                                                                                                                                                           sind. Als Arzt weiss ich,
                                                                                                                              Haben Sie grundsätzliche Empfehlungen in Zusammenhang mit einer PV?
                                                                                                                                                                                                                  wie entlastend eine Patienten-
                                                                                                                                  Daniela Ritzenthaler: Das Ziel einer Patientenverfügung ist, bei Stell-         verfügung für Angehörige
                                       Mit ausgewählten Partnern gibt Dialog Ethik spezifische Patientenverfügungen
                                                                                                                                  vertreterentscheidungen anstelle von urteilsunfähigen Patienten gute            sein kann. Aus diesem Grund
                                       heraus. Was gibt es für Unterschiede?
                                                                                                                                  Entscheidungen im Sinne des Patienten zu treffen. Sie soll allen beteiligten    freue ich mich sehr, dass
                                           Patrizia Kalbermatten-Casarotti: Eine allgemeine Patientenverfügung                    Personen helfen, bei schwierigen Entscheidungen für den Patienten               die SPO mit diesem Themen-
                                           macht generellere Aussagen zu lebenserhaltenden Massnahmen oder zu                     angemessene Lösungen zu finden. Deshalb ist es ganz zentral, mit den            heft aufzeigt, dass eine
                                           spezifischen Entscheidungen, wie zum Beispiel zur Schmerzlinderung.                    nahen Angehörigen, mit vertretungsberechtigten Personen und                     Patientenverfügung eine
                                           Eine solche Patientenverfügung kann man für sich erstellen, auch wenn man              behandelnden Ärzten über die Inhalte der Patientenverfügung zu sprechen.        Chance bietet, unser Lebens-
    Patrizia Kalbermatten-Casarotti,       keine bestimmte Vorerkrankung hat. Die krankheitsspezifischen                          Damit wird der eigene Wille bekannt gemacht.                                    ende selbstbestimmt
    lic.phil., wissenschaftliche           Patientenverfügungen, welche Dialog Ethik mit Parkinson Schweiz und der                   Die Patientenverfügung erfüllt grundsätzlich drei Funktionen. Sie ist        mitgestalten zu können.»
    Mitarbeiterin Dialog Ethik             Krebsliga Schweiz herausgegeben hat, sind inhaltlich auf die Krankheits-               allererst ein Klärungsinstrument. Bei der Erstellung einer Patientenverfügung   Dr. med. Jürg Schlup,
                                                                                                                                                                                                                  Präsident der FMH
                                           bilder abgestimmt. Dies bedeutet, dass man für Symptome, die durch die                 reflektiert und legt die verfügende Person fest, wie sie in Situationen         ab Dezember 2012
                                           Krankheit wahrscheinlicher auf einen zukommen, Entscheidungen                          der Urteilsunfähigkeit medizinisch behandelt werden möchte. Sie ist aber auch
                                           vorwegnehmen kann. Eine krankheitsspezifische Verfügung ist deshalb                    ein wichtiges Kommunikationsinstrument. Eine Patientenverfügung
                                           präziser und kann individueller auf die eigene Situation angepasst werden,             ist oft Ausgangspunkt für ein Gespräch über emotional schwierige Fragen –
                                           weil sie den Verlauf der Krankheit berücksichtigt.                                     sei es mit dem behandelnden Arzt oder sei es mit den Angehörigen.
                                                                                                                                  Zuletzt ist eine ausführliche Patientenverfügung ein wirksames Entscheidungs-
                                                                                                                                  instrument, das dem Behandlungsteam und der vertretungsberechtigten
                                       Wer sollte eine PV machen?
                                                                                                                                  Person erlaubt, in der konkreten Entscheidungssituation die medizinischen
                                           Patrizia Kalbermatten-Casarotti: Grundsätzlich macht es in jeder                       Entscheidungen zu treffen, die dem Willen des urteilsunfähigen
                                           Lebensphase Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, was einem in einer                  Patienten entsprechen.
                                           akuten Krankheitsphase oder nach einem schweren Unfall wichtig wäre.
                                           In eine Situation der Urteilsunfähigkeit können auch junge, gesunde
                                           Menschen – wenn auch selten – plötzlich geraten. Gleichzeitig ist es freiwillig,
                                           eine Patientenverfügung zu erstellen und jeder Mensch hat das Recht,
                                           für sich zu entscheiden, dass er keine Patientenverfügung erstellen möchte.

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Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Fälle aus der SPO-Praxis

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                                         Der Patientenwille geht vor                                                                      rationen mehr haben wolle, sollte er einmal nicht mehr auf seinen eigenen Füssen stehen
                                                                                                                                          können. Seine physische Mobilität war für Herrn K. gleichbedeutend mit Selbstbestimmung
                                         Als Herr K. in ein Alterszentrum eintrat, bestand er darauf, seinen Lebensstil nicht             und die entscheidende Lebensqualität. Er hielt weiterhin fest, dass er weder künstlich
                                         ändern zu müssen. Dies und seine Weigerung, eine dringende Operation durchführen                 ernährt, noch durch Apparate am Leben bleiben wolle, wenn er geistig nicht mehr klar ent-
                                         zu lassen, führten schliesslich zu seinem Tod. Gegen den Willen der Tochter haben die            scheiden könne. Er wolle mit Schmerzmitteln nur soweit behandelt werden, dass er nicht
                                         Ärzte damit – schweren Herzens – das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung                    leiden müsse.
                                         respektiert.                                                                                          Als stellvertretende Vertrauensperson für seinen Willen setzte er die Tochter ein, die
                                                                                                                                          in seinem Sinne handeln und darauf achten solle, dass die Ärzt / innen und die Pflegenden
                                             von Judith Strupler, Beraterin der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz              seinem in der Patientenverfügung festgehaltenen Willen entsprechen, wenn er selbst sich
                                                                                                                                          nicht mehr klar äussern könne. Die Tochter unterzeichnete das Dokument ebenfalls und
                                                                                                                                          erklärte sich damit einverstanden.
               «Die Ärzt/innen und
        die Pflegenden haben völlig                                                                                                            Lebensnotwendige Amputation verweigert
                   korrekt gehandelt.                                                                                                     Herr K. fühlte sich im Alterszentrum schnell zuhause. Er bestand darauf, seinen Lebensstil
    Sie haben dem Willen und dem
                                                                                                                                          nicht verändern zu müssen. Er wollte weiterhin rauchen und seine täglichen Portionen
             Recht des Patienten auf
    Selbstbestimmung entsprochen.                                                                                                         Süssigkeiten konsumieren, was seiner Gesundheit nicht gerade zuträglich war.
         Die Stellvertreter-Funktion                                                                                                           Der betreuende Arzt und die Pflegenden führten mit Herrn K. eindringliche Gespräche,
                  der Tochter, die in                                                                                                     die er stets mit dem Ausspruch, «Ich will noch etwas vom Leben haben und wenn ich ein
           der Patientenverfügung                                                                                                         Jahr früher sterbe, so ist es mir das wert», kommentierte. Dieses Recht wurde ihm vom Arzt
                festgelegt worden ist,                                                                                                    und den Pflegenden, wenn auch schweren Herzens, aber doch im Zeichen der Selbstbestim-
    kommt erst zum Zug, wenn der
                                                                                                                                          mung zugestanden.
           Patient selbst nicht mehr
                  entscheiden kann.»                                                                                                           Die Tochter von Herrn K. wusste ihren Vater gut aufgehoben und war mit ihrer eigenen
                                                                                                                                          Familie sehr beschäftigt, so dass die Besuche beim Vater immer seltener wurden. Herr K.
                                                                                                                                          kommentierte auch diesen «Umstand» mit Humor.
                                                                                                                                               Bei einer gründlichen Untersuchung stellte der Hausarzt plötzlich fest, dass die grossen
                                                                                                                                          Zehen an den Füssen nicht mehr gut durchblutet waren. Da Herr K. niemandem gegenüber
                                                                                                                                          etwas erwähnt hatte, war die Mangeldurchblutung schon ziemlich weit fortgeschritten.
                                                                                                                                          Nach einigem Zögern willigte er ein, zum genaueren Untersuch ins nahe gelegene Kantons-
                                                                                                                                          spital einzutreten. Leider musste ihm dort im Beisein der Tochter und des Hausarztes erklärt
                                                                                                                                          werden, dass nur noch eine Amputation der beiden grossen Zehen ein fortschreitendes
                                         Mit der Einführung des neuen Erwachsenenschutzrechts im Januar 2013 bekommt die                  Absterben der Füsse verhindern könne.
                                         Patientenverfügung und damit die Selbstbestimmung der Patient / innen nochmals eine                   Herr K. weigerte sich, diese Operation ausführen zu lassen. Eindringlich wurde ihm
                                         zusätzliche Dimension. Es bedeutet, dass die behandelnden Ärzt / innen sich zwingend an          vom Oberarzt der Verlauf erklärt, den diese Weigerung auslösen würde: Schmerzen und ein
                                         die schriftlich gemachten Ausführungen halten müssen, ansonsten sie von den Angehöri-            eventuelles Absterben seiner Unterschenkel. Herr K. äusserte sich klar, dass er wieder ins
                                         gen rechtlich belangt werden können. Es heisst aber auch umgekehrt, dass die Angehörigen         Alterszentrum zurückgehen wolle und mit Schmerzmitteln behandelt werden wolle, solange
                                         akzeptieren müssen, was die Patientin oder der Patient schriftlich festgehalten hat und nicht    es gehe. Obwohl die Tochter bei allen Gesprächen dabei war, wurde sie doch einige Wochen
                                         im Nachhinein eigene Ansichten und Interessen durchsetzen dürfen, wenn sich die oder der         danach vom Telefon des Hausarztes überrascht, der sagte, Herr K. habe eine starke Infek-
                                         Betroffene selbst nicht mehr äussern kann.                                                       tion und Fieber. Aufgrund der Schmerzmittel, die er die letzten Wochen täglich einnehmen
                                                                                                                                          musste, blute er auch aus dem Darm und müsse notfallmässig operiert werden. Diesmal sei
                                               Physische Mobilität als entscheidende Lebensqualität                                       er mit einer Operation einverstanden.
                                         Herr K., Vater einer erwachsenen Tochter und eines im Ausland lebenden Sohnes, hat mit
                                         72 Jahren seine Ehefrau verloren. Mehrere Jahre konnte er für sich selbst sorgen und lebte            Dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung entsprochen
                                         alleine im bisher gemeinsam geführten Haushalt. Nach einem Sturz in der Küche entschied          Die Tochter eilte ins Krankenhaus und musste miterleben, dass ihrem Vater beide Füsse
                                         er sich im Gespräch mit der Tochter und mit seinem Hausarzt, in das örtliche Alters-             abgenommen werden mussten, da sich sonst die innere Vergiftung im ganzen Körper
                                         zentrum einzutreten. Es fiel ihm nicht sehr schwer, da er seinen Hausarzt behalten konnte        ausgebreitet hätte. Herr K. befand sich also in genau dem Zustand, den er in der Patienten-
                                         und auch schon einige seiner Bekannten im Alterszentrum wohnten.                                 verfügung als nicht mehr lebenswert bezeichnet hatte. Herr K. überstand die Operation,
                                              Beim Eintritt ins Alterszentrum wurde er herzlich empfangen und bekam für die ersten        zeigte aber keinerlei Lebenswillen mehr, ass und trank kaum noch und starb zwei Wochen
                                         Tage eine nur für ihn zuständige Pflegefachfrau an die Seite gestellt. Diese füllte mit ihm im   danach ruhig.
                                         Beisein seiner Tochter auch eine Patientenverfügung aus, die beim zuständigen Hausarzt
                                         und bei den Pflegenden des Alterszentrums hinterlegt wurde.

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Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Fälle aus der SPO-Praxis

     Nach der Beerdigung gelangte die Tochter an die SPO und bat um eine Abklärung über das
     Verhalten der Ärzte und der Pflegenden, die ihren Vater einfach sterben liessen, ohne ihn
     «mit sanftem Druck» auch gegen seinen Willen zu operieren. Sie sagte, der Vater habe sie als
                                                                                                          Erfahrungsbericht eines Angehörigen
     Stellvertreterin in der Patientenverfügung eingesetzt und sie hätte bei rechtzeitiger Informa-       Wie schwierig es ist, eine Entscheidung über Leben und Tod eines Angehörigen fällen
     tion ihren Vater schon «dahin gebracht», dass er bereits der ersten Operation zu-                    zu müssen, erlebte Ruedi Graf, als er bestimmen musste, ob seine Mutter reanimiert
     gestimmt hätte. Im Notfall hätte sie ihn auch dazu gezwungen, denn es wäre ja nur zu seinem          werden sollte oder nicht.
     Besten gewesen.
          Die Beraterin der SPO führte nach eingehender Abklärung der Fakten und nach Ein-                    von Ruedi Graf
     sichtnahme in die originale Patientenverfügung und die Pflegedokumentation verschiedene
     Gespräche mit dem betreuenden Arzt im Spital und dem Hausarzt. Sie kam zum Schluss,                                                                                                                  «Ich wusste zwar, dass meine
     dass die Ärzt / innen und die Pflegenden völlig korrekt gehandelt haben. Sie haben dem Wil-                                                                                                          Mutter eine Patientenverfügung
     len und dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung entsprochen. Die Stellvertreter-                                                                                                                ausgefüllt hatte, aber im
                                                                                                                                                                                                          Detail hatte ich mich nicht mit
     Funktion der Tochter, die in der Patientenverfügung festgelegt worden ist, kommt erst zum
                                                                                                                                                                                                          dem Inhalt auseinandergesetzt.
     Zug, wenn der Patient selbst nicht mehr entscheiden kann.                                                                                                                                            Ich konnte nicht mit Sicherheit
          Die Tochter sieht heute, nach dem ersten Schock über den schnellen Tod ihres Vaters                                                                                                             sagen, welches ihr Wille war.»
     ein, dass die betreuenden Ärzt / innen und die Pflegenden vollumfänglich dem Willen ihres
     Vaters entsprochen hatten und er, als ihm das Leben nicht mehr lebenswert schien, schliess-
     lich ruhig sterben konnte. Es gelingt ihr damit auch leichter dem eigenen Gefühl, nicht
     genug getan zu haben, entgegen zu treten.

                                                                                                          Meine 87-jährige Mutter hatte nach einem Sturz zu Hause heftig aus dem Ohr geblutet. Ich
                                                                                                          habe sie sofort zur Notfallbehandlung ins nahe Spital transportiert. Sie war nicht mehr
                                                                                                          ansprechbar, bekam kaum noch Luft und stand scheinbar vor einem Kreislaufkollaps oder
                                                                                                          Herzstillstand. Alles ging sehr schnell. Die behandelnden Ärzte bereiteten meine Mutter auf
                                                                                                          den Einsatz des Defibrillators vor und fragten mich, ob eine Wiederbelebung im Sinne mei-
                                                                                                          ner Mutter sei.
                                                                                                               Ich wusste zwar, dass meine Mutter zusammen mit meiner Schwester eine Patienten-
         Wir engagieren uns im ganzen Land Swiss                                                      u   verfügung ausgefüllt hatte und dass bei ihrem Hausarzt ein «Letzter Wille» hinterlegt war.
                                                                                                          Aber im Detail hatte ich mich nicht mit dem Inhalt auseinandergesetzt. Ich konnte nicht mit
         mit aller Kraft Power              u                                                             Sicherheit sagen, welches der Wille meiner Mutter war. Also sagte ich, wenn es möglich sei,
                                                                                                          meine Mutter wieder in den Zustand wie vor ihrem Sturz zu versetzen, sollten sie sie reani-
         für eine gemeinsame Zukunft Group.
         Wir engagieren uns im ganzen Land Swiss                               u
                                                                                     u                    mieren. Die Ärzte wollten von mir jedoch auf der Stelle ein JA oder ein NEIN hören. Also
                                                                                                          habe ich nein gesagt und die Ärzte haben die Elektroden wieder entfernt.
                                                                                                               Diesen folgenschweren Entscheid ganz alleine fällen zu müssen, war für mich ausser-
         mit aller Kraft Power     u
                                                                                                          ordentlich schwierig. Im Nachhinein konnte ich meine Schwester erreichen und mir bestätigen
         für eine gemeinsame Zukunft Group.                       u
                                                                                                          lassen, dass unsere Mutter bei nicht rückgängig zu machendem Versagen lebenswichtiger Körper-
                                                                                                          funktionen keine apparativen oder medikamentösen Wiederbelebungsversuche wünscht.
                                                                                                               Zum Glück ist jedoch alles gut ausgegangen. Der Kreislauf meiner Mutter konnte
                                                                                                          stabilisiert werden und sie wurde mit der Diagnose «Schädelbasisriss» ins Kantonsspital
                                                                                                          St. Gallen transportiert.
                                                                                                               Das Ganze hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich so früh wie möglich konkret mit den
                                                                                                          Wünschen und der Patientenverfügung einer nahestehenden Person auseinanderzusetzen.
                                                                                                          Die Ärzte helfen, soweit es in ihrer Macht steht. Doch die Grenze, bis wohin die medi-
                                                                                                          zinischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, müssen die Patientin, der Patient oder
                                                                                                          die Angehörigen bestimmen.
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         www.groupemutuel.ch
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Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Neue ZGB-Bestimmungen:                                                                                                                                                                                                              Neue ZGB-Bestimmungen:
                                      Rechtliche Regelung                                                                                   Neues Recht ab Januar 2013
 Spezialfragen                                                                                                                        Neu enthält das Bundesrecht (Art. 370 nZGB ff.) eine ausdrückliche Bestimmung über die         Spezialfragen
                                                                                                                                      Gültigkeit und Tragweite von Patientenverfügungen. Das Gesetz sieht vor, dass die Patientin
 Einsicht in das Patientendossier
                                      von Patientenverfügungen                                                                        oder der Patient seinen Willen für eine vorweggenommene Krankheitssituation festhalten
                                                                                                                                      kann. Darüber hinaus kann die Patientin oder der Patient eine Vertrauensperson bestim-
                                                                                                                                                                                                                                     Gilt die Patientenverfügung
                                                                                                                                                                                                                                     über den Tod hinaus?
 Patient / innen können in ihrer                                                                                                      men, welche die notwendigen Entscheidungen in Bezug auf eine medizinische Massnahme
 Patientenverfügung festlegen,        Bisher waren Patientenverfügungen in der Schweiz gesetzlich nicht einheitlich geregelt.         treffen soll. Es besteht somit die Möglichkeit, seine Wünsche hinsichtlich der medizinischen   Dauer der Vollmacht
 wer nach ihrem Tod Einsicht in       Mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht, das ab Januar 2013 in Kraft tritt, ändert sich            Massnahmen schriftlich festzulegen und eine Vertrauensperson zu bestimmen, die berech-         Mit dem Tod der Patientin
 das gesamte Patientendossier         diese für alle Beteiligten unbefriedigende Situation.                                           tigt ist, die urteilsunfähige Person zu vertreten und den vorgesehenen medizinischen Mass-     oder des Patienten erlöschen
 nehmen darf. Äussern sie sich in                                                                                                                                                                                                    in der Regel die Anweisungen
                                                                                                                                      nahmen zuzustimmen oder diese abzulehnen.
 ihrer Verfügung nicht dazu,                                                                                                                                                                                                         an die Beauftragten. Ausnahmen
 gilt in der Regel der postmortale        von Barbara Züst, Co-Geschäftsführerin und fachliche Leiterin                                                                                                                              sind, wenn das Gegenteil
 Persönlichkeitsschutz. Das heisst,       Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz                                                 Der in der Verfügung geäusserte Wille ist verbindlich und muss von allen beachtet werden,      vereinbart wurde oder wenn dies
 dass die Daten der verstorbenen                                                                                                      die der Patientin oder dem Patienten auf physischer, psychischer oder spiritueller Ebene       aus der Natur des Geschäfts
 Patient /innen über deren            Bis anhin existierte schweizweit keine einheitliche gesetzliche Bestimmung zur Regelung         beistehen. Die Wirksamkeit einer Patientenverfügung hängt direkt davon ab, wie detailliert     hervorgeht (Art. 405 Abs. 1 nZGB).
 Tod hinaus geschützt sind. Wollen    von Patientenverfügungen. Auch das Bundesgericht hat sich damit bis jetzt noch nicht            und situationsbezogen der schriftliche Wille festgehalten ist und wie gut sich dieser auf
 in solch einem Fall Angehörige                                                                                                                                                                                                      Autopsie (Obduktion)
                                      speziell auseinandersetzen müssen. Einige Kantone haben in ihren Gesundheitsgesetzen            medizinische Aufklärung abstützen lässt. Das heisst, es muss erkennbar sein, dass sich die
 der verstorbenen Person die medi-                                                                                                                                                                                                   Patient / innen, die ihren Körper
 zinischen Umstände nach ei-          Bestimmungen zu Patientenverfügungen erlassen.                                                  Person im Wissen um die medizinische Konsequenzen so entschieden hat.                          der medizinischen Forschung
 nem Tod abklären lassen, müssen           Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat in ihren                Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass die Verfügung der Schriftform bedarf. Das heisst,      übergeben wollen, können
 sich die damals behandelnden         ursprünglichen Richtlinien zur Sterbehilfe zur Ermittlung des mutmasslichen Patienten-          dass das schriftliche Dokument vom Verfassenden zwingend eigenhändig zu unterzeichnen          dies mit einem entsprechenden
 Ärzt / innen zuerst von der          willens kurz Stellung genommen. Dabei sollten schriftliche Wünsche der Patientin oder des       und zu datieren ist.                                                                           Hinweis in der Patienten-
 Gesundheitsdirektion von ihrer       Patienten zwar berücksichtigen werden, der Ärztin oder dem Arzt stand jedoch die ab-                                                                                                           verfügung tun. Bedenken sollten
 Schweigepflicht entbinden lassen.                                                                                                                                                                                                   sie dabei, dass sich eine Freigabe
                                      schliessende Entscheidung zu. Im Hinblick auf das neue Erwachsenenschutzrecht hat die           Neu kann, wer eine Patientenverfügung errichtet hat, diese Tatsache und den Hinter-
 Die Entbindung von der                                                                                                                                                                                                              des Körpers zur Autopsie
 ärztlichen Schweigepflicht durch     SAMW im Jahr 2009 spezifische Richtlinien zur Patientenverfügung erlassen. Diese Richt-         legungsort auf der Krankenkasse-Versichertenkarte eintragen lassen.                            bzw. Forschung auf die Begräbnis-
 die zuständigen Behörden             linien sind jedoch rechtlich nicht direkt anwendbar. Für medizinische Fachpersonen (Ärzte,           Die Ärzt / innen müssen bei der Patientin oder beim Patienten beim Eintreten der          modalitäten auswirken kann.
 funktioniert in der Praxis zwar      Pflegefachpersonen etc.) sowie Patient / innen bestand bis anhin somit wegen der uneinheit-     Urteilsunfähigkeit via Versichertenkarte abklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt. Ist    Legt die Patientin oder der Patient
 meist gut, doch geht bei diesem      lichen Rechtslage eine sehr unbefriedigende Situation. Insbesondere unklar war für alle         dies der Fall, so sind die Anweisungen für die Ärztin oder den Arzt verbindlich. Vorbehal-     Wert auf einen unversehrten
 Vorgehen nicht selten wert-          Beteiligten, wieweit ein zum Voraus geäusserter schriftlicher Wille als verbindlich zu gelten   ten bleiben folgende Ausnahmen:                                                                Körper nach dem Tod, sollte sie
 volle Zeit verloren. Es empfiehlt                                                                                                                                                                                                   oder er dies entsprechend
                                      habe.                                                                                             – Die Verfügung darf nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstossen, das heisst,
 sich daher, die Vertrauens-                                                                                                                                                                                                         in der Verfügung festhalten.
 personen mit einer entsprechen-                                                                                                           in einer Verfügung kann die Patientin oder der Patient von den Behandelnden               In speziellen Fällen (ausser-
 den Vollmacht auszustatten                Neues Recht ab Januar 2013                                                                      beispielsweise keine direkte aktive Sterbehilfe verlangen.                                gewöhnlicher Todesfall, Unfall,
 oder in der Patientenverfügung       Das im Zivilgesetzbuch (ZGB, Bundesprivatrecht) geregelte Vormundschaftsrecht, das vor            – Zudem dürfen über den freien und mutmasslichen Willen der verfassenden Person              Verbrechen etc.) kann eine
 ausdrücklich die Einsicht in         rund 100 Jahren in Kraft trat, ist veraltet und muss den heutigen gesellschaftlichen Verhält-        keine Zweifel bestehen.                                                                   pathologische Untersuchung
 die Krankenakte nach dem Tod         nissen und Anschauungen angepasst werden. Das revidierte Vormundschaftsrecht heisst                                                                                                            nach dem Tod jedoch auch auf
 zu erlauben.                                                                                                                                                                                                                        gerichtliche Anordnung hin
                                      neu Erwachsenenschutzrecht und trägt vor allem der Bedeutung des Selbstbestimmungs-             Neu trifft die Ärztin oder den Arzt eine Rechenschaftspflicht, wenn dem Patientenwillen
                                                                                                                                                                                                                                     und unabhängig von der Willens-
                                      rechts, aber auch der Hilfe zur Selbsthilfe Rechnung.                                           gemäss Verfügung nicht nachgekommen wird. Dann muss nämlich im Patientendossier                äusserung der Patientin oder
                                           Bereits im Dezember 2008 hat das eidgenössische Parlament dem neuen Erwachsenen-           festgehalten werden, aus welchen Gründen nicht der Verfügung entsprochen wurde.                des Patienten erfolgen.
                                      schutzrecht im Zivilgesetzbuch zugestimmt. Damit das neue Recht in den Kantonen auch
                                      umgesetzt werden kann, war Zeit zur Vorbereitung nötig. Endlich ist es soweit, die Inkraft-           Einen individuellen Vorsorgeauftrag erstellen                                            Transplantation
                                      setzung der neuen Bestimmungen erfolgt auf den 1. Januar 2013.                                  Ist die Patientin oder der Patient noch urteilsfähig, kann sie oder er umfassend vorsorgen,    In der Patientenverfügung
                                                                                                                                                                                                                                     können sich Patient / innen dazu
                                                                                                                                      indem eine natürliche oder juristische Person (z. B. ein Treuhand- oder Anwaltsbüro) be-
                                                                                                                                                                                                                                     äussern, ob sie bereit sind,
                                           Das neue Erwachsenenschutzrecht                                                            auftragt wird, die sich um die Patientin oder den Patienten und ihr bzw. sein Vermögen         Organe zu spenden, und wenn ja,
                                      Sechs Kernbereiche zeichnen das neue Erwachsenenschutzrecht aus:                                sorgt und sie oder ihn rechtsgültig vertritt. Nötig ist hierbei, dass die Patientin oder der   mit welchen allfälligen Ein-
                                        1. Die Selbstbestimmung ist durch den Vorsorgeauftrag und mit der Patientenverfügung          Patient eine natürliche oder juristische Person mit der Vertretung beauftragt bzw. diese       schränkungen. Laut Transplan-
                                           zu fördern.                                                                                hierzu bevollmächtigt.                                                                         tationsgesetz von 2007 werden
                                        2. Eingeführt wird ein gesetzliches Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen.                                                                                                           zur Organentnahme die nächsten
                                                                                                                                                                                                                                     Angehörigen befragt, falls
                                           Dieses ist vor allem wichtig, wenn eine urteilsunfähige Patientin oder ein urteils-        Patient / innen müssen dazu die Aufgaben, die sie übertragen wollen, umschreiben. Zudem
                                                                                                                                                                                                                                     hierzu keine Erklärung von der
                                           unfähiger Patient keine Patientenverfügung ausgefüllt hat. In dieser Situation bestimmt    können sie zur Erfüllung von Aufgaben Weisungen erteilen. Dabei geht es um Alltagsrou-         oder dem Verstorbenen bekannt
                                           das Gesetz, wer die urteilsunfähige Person vertreten darf.                                 tine wie Rechnungen bezahlen, das Haus in Ordnung halten, Tiere betreuen, Forderungen          ist. Angehörige können dann
                                        3. Vorgesehen ist ein verbesserter Schutz von Bewohnern in Wohn-                              von Versicherungen beantworten oder eintreiben, aber auch eine umfassende Vertretung in        einer Organentnahme rechtsgültig
                                           und Pflegeeinrichtungen.                                                                   allen rechtlichen Angelegenheiten etc. ist möglich.                                            zustimmen. Bekannt ist aller-
                                        4. Die behördlichen Massnahmen im Erwachsenenschutz sollen nach Mass erfolgen.                                                                                                               dings, dass sich nahestehende Per-
                                                                                                                                                                                                                                     sonen mit dem Entscheid zur
                                        5. Verbesserter Rechtsschutz im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung.                    Patient / innen können den Vorsorgeauftrag auf ihre individuellen Bedürfnisse zuschneiden.
                                                                                                                                                                                                                                     Organentnahme sehr schwer tun.
                                        6. Aufbau einer professionalisierten Behördenorganisation.                                    Und zwar, indem sie eine Person zur umfassenden Vertretung für alle finanziellen und           Eine grosse Hilfe ist es, wenn
                                                                                                                                      persönlichen Angelegenheiten beauftragen. Oder etwa, indem sie eine Person nur zur Ver-        sich die Patient / innen vorher klar
                                                                                                                                      tretung bei finanziellen Angelegenheiten beauftragen.                                          dazu geäussert haben.

12                                                                                                                                                                                                                                                                      13
Die Patienten-verfügung - gesunDheitliche vorsorge Durch selbstbestimmung ein themenheft
Der Vorsorgeauftrag samt Vollmacht unterliegt strengen Formvorschriften (Art. 361 nZGB):         Als Kriterium wird immer an die gelebte Beziehung angeknüpft. Es ist somit nicht mehr in          Neue ZGB-Bestimmungen:
                                   Er ist eigenhändig zu errichten, d. h. von Anfang bis zum Schluss von Hand zu schreiben, zu      erster Linie eine nahe rechtliche oder verwandtschaftliche Beziehung nötig, sondern die tat-      Spezialfragen
                                   datieren und zu unterzeichnen oder öffentlich zu beurkunden.                                     sächlich gelebte Beziehung.
                                                                                                                                         Sind mehrere Personen derselben Stufe berechtigt, darf die Ärztin oder der Arzt voraus-
                                                                                                                                                                                                                                      Patientenverfügung und
                                   Die auftraggebende Person kann ihren Vorsorgeauftrag jederzeit in einer Form widerrufen,         setzen, dass jede im Einverständnis mit den anderen handelt. Wenn sich die Vertretungs-           Versichertenkarte
                                   die für die Errichtung vorgeschrieben ist. Ein Widerruf ist auch durch Vernichten der            berechtigten nicht einigen können, wenn z. B. mehrere Kinder in Bezug auf ihre urteils-
                                   Urkunde möglich.                                                                                 unfähige Mutter widersprechende Wertvorstellungen haben und keine gemeinsame Auf-                 Die mit einem Mikroprozessor
                                        Die vorsorgebeauftragte Person haftet nach den Bestimmungen des Obligationenrechts          fassung zustande kommt, muss die Erwachsenenschutzbehörde informiert werden. In                   ausgestattete neue Karte der
                                   über den Auftrag. Die Verantwortung, die eine bevollmächtigte Person für die Patientin           dringlichen Fällen ergreift die Ärztin oder der Arzt medizinische Massnahmen nach dem             Krankenversicherer im Kredit-
                                                                                                                                                                                                                                      kartenformat kann neben
                                   oder den Patienten übernimmt, ist gross. Es ist möglich, dass die bevollmächtigte Ver-           mutmasslichem Willen und den Interessen der urteilsunfähigen Person.
                                                                                                                                                                                                                                      administrativen Angaben auch
                                   tretung schwerwiegende Entscheidungen fällen muss. Ein Vorsorgeauftrag sollte deshalb                                                                                                              medizinische Daten speichern.
 «Patientenverfügungen geben       nur mit vorgängiger persönlicher Beratung und Unterstützung durch spezialisierte Stellen         Wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht aus-             Dazu müssen Patient / innen
 nicht nur den PatientInnen        verfasst werden.                                                                                 üben will, so errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft. Die          ihre Versichertenkarte dem medi-
 die Sicherheit, das Gewünschte                                                                                                     Behörde handelt auf Antrag des Arztes oder einer anderen nahestehenden Person oder von            zinischen Leistungserbringer
 zu erhalten, sondern auch                                                                                                          Amtes wegen.                                                                                      vorlegen. Leistungserbringende
                                                                                                                                                                                                                                      im Sinne der Verordnung
 den ÄrztInnen, Pflegenden
                                                                                                                                                                                                                                      über die Versichertenkarte für

                                         «Neu enthält das Bundesrecht
 und übrigen Gesundheits-                                                                                                                                                                                                             die obligatorische Kranken-
 fachleuten die Gewissheit, das                                                                                                                                                                                                       pflegeversicherung sind Ärzt / in-

                                        eine ausdrückliche Bestimmung
 Richtige zu tun. Für die                                                                                                                                                                                                             nen, Apotheker / innen, Zahn-
 Schweizerische Akademie der                                                                                                                                                                                                          ärzt /innen, Chiropraktor / innen,
                                                                                                                                                                                                                                      Hebammen, Physio- und
                                       über die Gültigkeit und Tragweite                                                              Einladung zum Anlass
 Medizinischen Wissen-
                                                                                                                                                                                                                                      Ergotherapeut/innen, Pflegefach-
 schaften ist dies ein doppelter
                                                                                                                                      Patientenverfügung und Versichertenkarte                                                        personal, Logopäd / innen

                                          von Patientenverfügungen.»
 Grund, sich seit Jahren                                                                                                                                                                                                              und Ernährungsberater / innen.
 zusammen mit der Schweize-                                                                                                                                                                                                           Neben medizinischen Daten
 rischen Stiftung SPO Patien-                                                                                                                                                                                                         (Blutgruppe, Allergien, Krank-
 tenschutz und weiteren                                                                                                                                                                                                               heiten, Medikamente etc.) können
 Partnern für die Verwendung                                                                                                                                                                                                          Versicherte die Tatsache, dass
                                                                                                                                                                                                                                      sie eine Patientenverfügung
 und Beachtung von Patienten-
                                                                                                                                                                                                                                      verfasst haben auf der Versicher-
 verfügungen einzusetzen.»               Gesetzliches Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen                                                                                                                                   tenkarte registrieren lassen –
 Dr. Hermann Amstad,               Neu muss die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bei der Planung der Behand-                                                                                                              und ebenso deren Hinterlegungs-
 Generalsekretär Schweizerische
 Akademie der Medizinischen
                                   lung bei urteilsunfähigen Patient / innen die zur Vertretung berechtigten Personen beiziehen                                                                                                       ort. Ebenfalls ist es möglich,
 Wissenschaften (SAMW)             und diese über alle Umstände informieren. In erster Linie entscheidet diejenige Person,                                                                                                            die medizinische oder persönliche
                                   die der Patient oder die Patientin damit in der Patientenverfügung oder im Vorsorgeauftrag                                                                                                         Kontaktadresse für den Notfall
                                                                                                                                                                                                                                      auf der Versichertenkarte
                                   beauftragt hat. Die Vertrauensperson, die eine urteilsunfähige Patientin oder einen urteilsun-     Wann:                                           Wo:
                                                                                                                                                                                                                                      einzutragen. Ein Zugriff auf diese
                                   fähigen Patienten vertritt, muss ihre Entscheide im Hinblick auf deren Wohl und Fürsorge           Dienstag, 30. Oktober 2012, 13.30 – 16.00 Uhr   Saal der evang.-ref. Landeskirche Kt. Zürich,
                                                                                                                                                                                                                                      freiwilligen Daten ist nur den
                                   fällen. Zur Orientierung dient der mutmassliche Wille, der einer ausformulierten Patienten-                                                        Hirschengraben 50, Zürich
                                                                                                                                                                                                                                      oben erwähnten medizinischen
                                   verfügung zu entnehmen ist.                                                                                                                                                                        Leistungserbringern möglich.
                                                                                                                                      Was:
                                        Die Einwilligung der Vertretungsperson in eine Behandlungsmassnahme muss nicht                                                                                                                Wichtig: Der Krankenversicherer
                                                                                                                                      1. Die Patientenverfügung                       3. Demonstration
                                   in jedem Fall ausgesprochen werden. Denn die Einwilligung kann auch durch eine still-                                                                                                              kann auf diese Daten nicht
                                                                                                                                      – Was gilt bei Patientenverfügungen             – Wie kann ich meine Daten zur Patienten-
                                                                                                                                                                                                                                      zugreifen.
                                   schweigende Willensäusserung erfolgen. Um Missverständnissen vorzubeugen, empfiehlt                   grundsätzlich?                                  verfügung auf der Versichertenkarte
                                                                                                                                                                                                                                      Nur Leistungserbringer, die
                                   es sich daher, klar zu kommunizieren, wenn eine medizinische Massnahme abgelehnt wird.             – Was ist das neue Erwachsenenschutzrecht          speichern lassen?
                                                                                                                                                                                                                                      mit dem entsprechenden Lesegerät
                                        Hat die Patientin oder der Patient seiner Vertrauensperson in der Patientenverfügung             ab Januar 2013?
                                                                                                                                                                                                                                      ausgestattet sind, können
                                                                                                                                      – Wie wird künftig die Patientenverfügung       Bei einem Apéro können sich die Teil-
                                   keine Weisungen erteilt, so entscheidet bei medizinischen Massnahmen die Vertrauens-                                                                                                               die Daten elektronisch abfragen,
                                                                                                                                         rechtlich geregelt?                          nehmenden austauschen und auf
                                   person nach dem mutmasslichen Willen, welcher anhand von früheren Äusserungen oder                                                                                                                 wobei die Patientin oder der
                                                                                                                                      – Was ist ein gesetzliches Vertretungsrecht     Wunsch Inhalte auf der Versichertenkarte
                                   der Art der Lebensführung der Patientin oder des Patienten zu bestimmen ist.                                                                                                                       Patient dazu stets zustimmen muss.
                                                                                                                                         in medizinischen Massnahmen?                 hinterlegen lassen.
                                                                                                                                                                                                                                      Da das dafür nötige Lesegerät
                                        Hat die Patientin oder der Patient vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit keine Person zur
                                                                                                                                                                                                                                      nicht in jedem Fall zum erforder-
                                   Vertretung bestimmt und nicht über einen Beistand mit entsprechender Vertretungsbefug-             2. Die Versichertenkarte                        Die Platzzahl ist begrenzt.
                                                                                                                                                                                                                                      lichen Zeitpunkt vorhanden
                                   nis verfügt, wird er bei medizinischen Massnahmen von Personen in folgender Reihenfolge            – Was hat die Versichertenkarte mit der         Bitte melden Sie sich an:
                                                                                                                                                                                                                                      ist, empfiehlt sich sehr, die Angaben
                                                                                                                                         Patientenverfügung zu tun?                   Tel. 044 252 54 22
                                   vertreten:                                                                                                                                                                                         über die Patientenverfügung
                                                                                                                                      – Wie funktioniert die Versichertenkarte?       E-Mail: zh@spo.ch
                                     1. Ehegatte oder eingetragene / r Partner / in;                                                                                                                                                  nach wie vor zusätzlich in Papier-
                                                                                                                                      – Welche Daten zur Patientenverfügung sind      SPO Patientenschutz
                                     2. die Person im gemeinsamen Haushalt, die regelmässig und persönlich;                                                                                                                           form (in Kreditkartenformat)
                                                                                                                                         auf der Karte speicherbar?                   Häringstrasse 20
                                                                                                                                                                                                                                      im Portemonnaie auf sich
                                        Beistand leistet (Lebenspartner / in, Mitbewohner / in);                                      – Welche weiteren freiwilligen Daten sind       8001 Zürich
                                                                                                                                                                                                                                      zu tragen. Nur dann ist garantiert,
                                     3. Kinder, wenn diese regelmässig und persönlichen Beistand leisten;                                für den medizinischen Notfall speicherbar?
                                                                                                                                                                                                                                      dass die Beteiligten im Notfall
                                     4. Eltern, wenn diese regelmässig und persönlichen Beistand leisten;                                                                             Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
                                                                                                                                                                                                                                      auf diese wichtigen Daten
                                     5. Geschwister, wenn diese regelmässig und persönlichen Beistand leisten.                                                                                                                        zugreifen können.

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« Mit dem Papier allein                                                                    «Eine Patientenverfügung
                                    ist es nicht getan »                                                                          ist für mich eine Art
                                                                                                                              Lebens- und Altersvorsorge.»
                                    Beim Verfassen einer Patientenverfügung ist es wichtig, den eigenen Willen kon-
                                    kret schriftlich festzuhalten und die wichtigen Vertrauenspersonen gut darüber zu
                                    informieren. Auch der Einbezug des vertrauten Hausarztes ist dabei hilfreich.

                                        Interview: Katrin Bachofen
                                                                                                                                                                                                            «Als ich mich nach einer
                                                                                                                                                                                                            Herz-Operation mit der
                                                                                                                                                                                                            Komplikation ‹Hirnschlag› in
                                    Herr Schläpfer, wie stehen Sie persönlich zu einer Patientenverfügung (PV)?         Sollte man eine PV regelmässig aktualisieren?
                                                                                                                                                                                                            der Intensivstation wieder-
                                        Hansueli Schläpfer: Ich finde eine gute PV etwas sehr Wertvolles.                   Das ist sicher von Vorteil, geht aber gerne vergessen. Es ist dann einfach      fand, war einer meiner ersten
                                        Sie ist zwar auch ein juristisches Dokument, aber vor allem das Resultat            ein Papier in der Krankengeschichte. Wenn aber die Aussagen von                 Gedanken: «Zum Glück
     Dr. med. Hansueli Schläpfer,       einer persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit,                Angehörigen bestätigt werden, spielt es auch keine Rolle, wenn eine PV          habe ich einen rudimentären
     VRP Ärztenetz säntiMed AG          mit sich selbst und mit den Angehörigen. Dies ist ein Thema, das uns allen          schon etwas älter ist. Problematisch ist eher, wenn die Aussagen zu allgemein   letzten Willen aufgesetzt.»
                                        Angst macht. Wer den Mut hat, es trotzdem ins Auge zu fassen, mit                   formuliert sind. Der Ermessensspielraum ist dann sehr gross.                    Mit meinem Partner waren
                                        den Nächsten darüber zu sprechen und die Verfügung reifen zu lassen, wird                                                                                           Dinge wie ‹lebensverlän-
                                        sehr viel gewinnen: Die Angst wird kleiner, die Zuversicht grösser,                                                                                                 gernde Massnahmen – was
                                                                                                                        Welches sind die häufigsten Probleme, die sich im Ernstfall stellen?
                                        dass ein gutes Ende möglich ist und das Leben gewinnt eine neue Qualität.                                                                                           heisst das für mich?› be-
                                        Wenn dies gelingt und insbesondere die Angehörigen einbezogen sind                  Juristische Probleme habe ich noch nie erlebt. Das klappt bei uns in der        sprochen und ich vertraute
                                        und sich ihrem Loslassen auch stellen, kommt es fast immer richtig heraus,          Schweiz in der Regel gut. Am häufigsten sind die fehlende PV und                darauf, dass er meine
                                        weil alle spüren: Da steht ein klarer und gemeinsamer Wille dahinter.               Probleme mit Angehörigen, besonders wenn sie ganz unterschiedliche              Wünsche respektierte. Erst im
                                        Es kann so viel menschliches Leid vermieden werden.                                 Meinungen haben. Der Konsens unter den massgebenden Bezugspersonen              Nachhinein wurde mir
                                                                                                                            ist sehr wichtig. Wenn es ihn gibt, lässt er sich im konkreten Fall auch        bewusst, welche Verantwor-
                                                                                                                            gut durchsetzen. Dann kann auch die Verantwortung für Entscheidungen            tung ich ihm damit auf-
                                    Was muss ich als Patient beim Ausfüllen einer PV bedenken?
                                                                                                                            an der Grenze von Leben und Tod gemeinsam getragen werden.                      gebürdet hatte. Deshalb heisst
                                        Viele Patienten neigen dazu, nur allgemeine Empfehlungen abzugeben.                                                                                                 für mich Selbstbestimmung,
                                        Sie können so den konkreten Detailfragen ausweichen. Sie fürchten sich                                                                                              dass ich in guten Zeiten –
                                                                                                                        Was empfehlen Sie also dem Einzelnen?
                                        vor einem hilflos ausgelieferten Dasein in einem Heim oder vor schlimmen                                                                                            gemeinsam mit der Familie
                                        Krebsschmerzen, die man nicht behandeln kann und wollen einfach                     Es ist wichtig, den eigenen Willen konkret schriftlich festzuhalten und die     und/oder in der Partnerschaft
 «Zum lebenswerten Leben                eine Notbremse einbauen, ohne viel über das Ende nachdenken zu müssen.              wichtigen Vertrauenspersonen gut darüber zu informieren. Sie können             – eine Patientenverfügung
 gehört ein würdiges Sterben,           Das ist besser als nichts, genügt aber als Entscheidungshilfe in einer              dann im Sinne des Patienten handeln, wenn er nicht mehr selbst entscheiden      ausfülle und hinterlegen lasse.»
 dazu zählt meines Erachtens            schwierigen Situation oft nicht. Die PV ist etwas sehr Wichtiges, aber mit          kann. Probleme tauchen später ja vor allem auf, wenn die Situation im           Cristina Galfetti,
                                                                                                                                                                                                            Patientin und Patienten-Coach
 auch der bewusste Ver-                 dem Papier allein ist es nicht getan.                                               Umfeld nicht klar ist. Der Einbezug des vertrauten Hausarztes ist hier oft      cg empowerment,
 zicht auf medizinische Hilfe.                                                                                              hilfreich.                                                                      Meisterschwanden
 Ich werde deshalb die
                                    Was empfehlen Sie?
 Gelegenheit nutzen und die
                                                                                                                        Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
 Patientenverfügung der                 Ich befürworte, dass die Betroffenen versuchen, sich in die Situationen
 Schweizerischen Stiftung SPO           hineinzuversetzen, die auf sie zukommen könnten. Sie müssen im Voraus               Eine PV ist für mich eine Art Lebens- und Altersvorsorge. Sie sollte
 Patientenschutz ausfüllen.»            entscheiden, was dann geschehen soll. Das ist für viele sehr schwierig,             etwas Selbstverständliches werden, denn niemand weiss, wann ihn ein
 Dr. pharm. Lorenz Schmid,              denn die PV spricht ein Thema an, mit dem wir nicht gelernt haben                   Schicksalsschlag trifft. Man kann sich nie zu früh mit der Endlichkeit
 Präsident des Kantonalen
 Apothekerverbands
                                        umzugehen. Ein einfühlsames Gespräch mit einer erfahrenen Person kann               des Lebens befassen – warum nicht schon in der Schule? Mit der Zeit könnte
 und Kantonsrat Kt. Zürich              hier hilfreich sein.                                                                eine Kultur entstehen, um das Ende des Lebens ohne unnötiges Leid
                                                                                                                            würdevoll zu gestalten.
                                    Was ist aus Ihrer Sicht als Arzt problematisch?

                                        Für einen Arzt ist es manchmal heikel, eine PV zu thematisieren.
                                        Denn wenn ich als Patient von einem Arzt auf eine PV angesprochen werde
                                        so frage ich mich: Was beutet das? Denkt er, mein Ende sei nahe oder hat
                                        er mich schon abgeschrieben?

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