130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den
Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den   1891 - 2021
Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Obere Reihe (von links)
               Sr. M. Stefania Scholz
                  Sr. M. Beate Lange
                Sr. M. Gerburgis Bahr
                 Sr. M. Celina Lemke
              Sr. M. Andrea Händler
               Sr. M. Andrea Salbura
            Sr. M. Magdalena Hagenow

                     2. Reihe (von links)
               Sr. M. Adeline Grabisch
                 Sr. M. Silvia Moska
               Sr. M. Angelika Moska
               Sr. M. Daniela Gärtner
                Sr. M. Carola Passon
            Sr. M. Kat harina Brodhun

            Unterste Reihe (im Sitzwagen) von links
             Sr. M. Mart ina Rudisch
                Sr. M. Hedwig Pohl

     2021

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Abschied

                       130 Jahre Schwestern von der hl. Eli-            Kurz: die Schwestern waren so verschieden,
                       sabeth in Halle – diese Ära geht nun zu          wie Menschen nun mal verschieden sind.
                       Ende. Die Niederlassung wird aufge-
                       löst, die letzten 16 Schwestern versetzt,        Worin alle diese Frauen gleich waren, das
                       das Haus ausgeräumt. Zurück bleiben              war ihr Lebensstil, ihr persönlicher Einsatz für
                       ein gut funktionierendes, anerkanntes            eine gute, umfassende Betreuung der Pati-
                       Krankenhaus mit zwei Standorten in               enten mit Herz und Barmherzigkeit und – als
                       der Stadt und jede Menge Erinnerungen            sichtbares Zeichen – ihr Ordenskleid. Auch,
                       an die Zeit mit den Schwestern bei den           wenn sich das Aussehen der Schwestern im
                       Mitarbeitern, bei ehemaligen Patienten           Laufe der vergangenen 130 Jahre dreimal
                       und vielen Bürgern – Christen und Nicht-         (1924, 1962, 1971) änderte, so war jede von
                       christen – in der Stadt Halle.                   ihnen doch immer schon von weitem als
                                                                        Elisabeth-Schwester erkennbar. Ihr äußeres,
                       An die 900 Schwestern haben im Laufe der         für manche recht exotisch wirkendes Erschei-
                       Jahre in Halle gelebt und gearbeitet, manche     nungsbild war, wie jedes Etikett, Hilfe und
                       nur eine kurze Zeit, einige ihr ganzes Ordens-   Problem zugleich. Durch die Entscheidung,
                       leben. 502 davon sind in Halle gestorben         am Krankenbett und im Alltag das Or-
                       und wurden auf dem Südfriedhof begraben.         denskleid zu tragen, bringt jede Schwester in
                       Manche Schwestern (hoffentlich die meisten)      jede Begegnung nicht nur sich selbst in ihrer
                       waren liebenswürdig, andere weniger. Es gab      persönlichen Individualität ein, sie ist immer
                       Schwestern, bei denen die Schülerinnen gern      auch Vertreterin für Kirche, für Christen-
                       auf Station waren, andere waren gefürchte-       tum, für Gläubigkeit. Und je nach den damit
                       te „Ösen“, um die man lieber einen großen        verbundenen Vorerfahrungen, begegneten
                       Bogen machte. Es gab Frauen darunter, die        den Schwestern viele Menschen mit einem
                       in ihrer frommen Berufung mit beiden Beinen      hohen Vertrauensvorschuss, für andere war
                       fest auf der Erde standen, andere wirkten        das Kleid „ein rotes Tuch“ oder zumindest
                       manchmal wie verloren in dieser Welt.            Barriere für eine offene Kommunikation.
     Sr. M. Dominika

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Diese Sichtbarkeit von Kirche und Glauben        Durch den Weggang der Schwestern muss
     machte in den vergangenen Jahrzehnten            das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barba-
     einen wesentlichen Teil des Profils des Kran-    ra in Halle nun auf diese Ergänzung verzich-
                                                                                                       130 Jahre sind eine lange Zeit. Wenn es,
     kenhauses St. Elisabeth und St. Barbara aus.     ten und das ist sicher ein Verlust. Weil die
                                                                                                       wie in vielen Abschiedsworten zum Ausdruck
     Wer das Haus betrat, wusste in dem Mo-           Schwestern aber in den letzten Jahren viel-
                                                                                                       gebracht, eine gute und segensreiche Zeit
     ment, wenn er an der Pforte auf eine Ordens-     fach erfahren haben, dass es viele, sehr viele
                                                                                                       war, dann soll es uns recht sein. Mehr haben
     schwester traf, dass er in einem katholischen    Mitarbeiter im Krankenhaus gibt – auf allen
                                                                                                       die Schwestern vor 130 Jahren nicht gewollt.
     Krankenhaus war.                                 Hierarchieebenen, in allen Bereichen und
                                                                                                       Dafür, dass „nebenbei“ ein großes Kranken-
                                                      unabhängig von der persönlichen Religions-
                                                                                                       haus entstanden ist, von dem zu hoffen ist,
     Seit Gründung des Krankenhauses bemühte          oder Konfessionszugehörigkeit, die großen
                                                                                                       dass in ihm auch in Zukunft etwas vom Geist
     man sich auf vielfältige Weise, die immer        Wert darauf legen, dass das Krankenhaus
                                                                                                       der heiligen Elisabeth zu spüren ist, dürfen
     gegebene Diskrepanz zwischen dem, durch          das bisherige Profil behält und verdeutlicht,
                                                                                                       wir Gott und vielen engagierten, fachkundi-
     die Präsenz der Ordensschwestern gesetzten,      ist ihr Abschiedsschmerz nicht ohne Zuver-
                                                                                                       gen und fleißigen Mitmenschen danken.
     Etikett „christliches Krankenhaus“ und der       sicht. Sie dürfen die begründete Hoffnung
     im Krankenhausalltag erfahrbaren Realisie-       haben, dass man sich auch in Zukunft nicht
                                                                                                       Im Namen aller Schwestern, die jemals in
     rung der christlichen Werte möglichst gering     nur um die Verwirklichung der Werte bemüht,
                                                                                                       Halle gelebt haben und nach dem Beispiel
     zu halten. Durch das „Vorhandensein“ der         sondern mit Phantasie und Kreativität andere,
                                                                                                       der heiligen Elisabeth die Menschen in Leid
     Ordensschwestern war man aber – vor allem        neue, zeitgemäße Zeichen entwickelt, die –
                                                                                                       und Not froh machen wollten,
     in der Außenwirkung – für die Erkennbar-         ähnlich wie das Ordenskleid der Schwestern
                                                                                                       grüßt herzlich
     keit des christlichen Profils von EK und BK      – eindeutige Hinweise auf den christlichen
     nicht nur auf den Durchdringungsgrad der         Charakter des Krankenhauses in Halle sind.
                                                                                                       Sr. M. Dominika Kinder
     christlichen Werte in der Mitarbeiterschaft      Bei diesem Bemühen wird sie das Gebet der
     angewiesen. Es sei dahingestellt, ob das nur     Schwestern auch in Zukunft begleiten und
     positiv ist. Eine Hilfe und Unterstützung für    unterstützen.
     die Identität und Identifizierbarkeit katholi-
     scher Sozialeinrichtungen ist es sicher.

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Den Auftrag weiter leben                                                                     den Gründerinnen unseres Krankenhauses             haus steht für christliche Medizin. Das
                                                                                                  an Flexibilität und Beharrlichkeit abverlangt      bedeutet unter anderem, dass der Wille des
     Wir verabschieden uns von den                                                                worden ist – über gleich mehrere politi-           Patienten oberstes Gebot ist und bleibt. Wir
     Schwestern von der heiligen Elisa-                                                           sche Systeme und große Krisen hinweg.              haben ein Seelsorge-Team, das mit immer
     beth in Halle. Der Fortgang „unserer“                                                        Die Schwestern haben unser Krankenhaus             neuen Ideen und wachem Interesse am Ge-
     Schwestern ist eine Zäsur. Aber ist er                                                       nicht nur durch ihre Arbeit mitgetragen. Sie       spräch, aber auch am Handeln daran mitar-
     auch ein Ende? Ich denke nicht.                                                              haben die Mitarbeitenden aus allen Berufs-         beitet, christliches Krankenhaus erfahrbar zu
     Das Krankenhaus St. Elisabeth und St.                                                        feldern immer wohlwollend begleitet und            machen. In unseren Projekten und Vorhaben
     Barbara hat eine feste Basis, die vor 130                                                    angespornt, Nähe zu ihrer Tätigkeit und zu         finden sich so viele Wesenszüge der Kongre-
     Jahren von eben dieser Kongregation,                                                         unseren Patienten zu empfinden – und diese         gation wieder. Medizinische Angebote, die
     von Persönlichkeiten mit Mut, festem                                                         auch zu zeigen. So ist unser Krankenhaus           unsere Patienten ein Leben lang begleiten.
     Glauben und Pioniergeist geschaffen           Einzelleistungen, sondern das gemeinsam        von einer dringend benötigten medizinischen        Von den Himmelswunsch-Ballons für die
     worden ist. Von den Schwestern konn-          Geschaffene. Unsere Patienten bringen nicht    Versorgungseinrichtung in Halle zu einem Ort       Neugeborenen über unsere spezialisierten
     ten und können wir viel lernen. Sie           nur ein körperliches oder seelisches Leiden    inmitten der Stadt geworden, an dem Jeder          Kliniken hin zu einer Sterbe- und Trauerkultur,
     haben allen Menschen, die in unserem          mit. Sie haben Fragen und erwarten Orientie-   und Jede etwas für sich entdecken kann.            die vielen Menschen echten Halt gibt. Ob
     Krankenhaus gearbeitet haben und              rung. Für mich ist klar: Nur wer selbst über   Mehr als ein Krankenhaus. Wir wollen gesell-       „Engel der Kulturen“, „Tränenweihnacht“,
     arbeiten mit auf den Weg gegeben, in          Orientierung verfügt, kann sie an andere       schaftspolitisches Forum und verlässlicher         Gesundheitsversorgung für Geflüchtete,
     jeder Situation das Mögliche zu tun. Und      weitergeben. Wirtschaftliche Stabilität        Partner sein. „Gemeinde auf Zeit“ für Patien-      Elisabethtisch oder Familienbegleitung: Unser
     sie haben es vorgelebt. Unverzagt. Stets      und medizinische Exzellenz sind für unser      ten und Mitarbeitende gleichermaßen. Ohne          Ziel ist es, Menschen zu stärken, statt sie zu
     auf der Suche nach immer besseren Lö-         Krankenhaus wichtige Mittel zum Zweck.         das Beispiel der Schwestern hätte sich ein so      stigmatisieren. Auch damit stehen wir fest in
     sungen. Mit hoher Disziplin, aber auch        Den langfristigen Erfolg verspricht aber       hoher Anspruch vermutlich manches Mal im           der Tradition der Schwestern von der heiligen
     mit aufrichtiger Freude am Arbeiten in        die Erkenntnis, dass nur, wer die Richtung     medizinischen Alltag verloren.                     Elisabeth.
     der Gemeinschaft.                             kennt, das Ziel erreichen kann. Deshalb ist
                                                   der Auftrag der Schwestern von der heiligen    Wie also geht es weiter? Ich denke, vor allem      In der Mitverantwortung für unser Haus habe
     Unsere Aufgabe als Krankenhaus ist es, den    Elisabeth so wichtig für uns.                  „Wert-voll“. Das Wertegerüst unseres Hau-          auch ich viele Gemeinsamkeiten mit den
     Blick auf die Hilfesuchenden zu richten. In                                                  ses ist stark, aber es ist kein starres Korsett.   Schwestern entdecken können. Möglichkei-
     unserem Krankenhaus, das sich zurecht auch    Leicht ist dieser Weg nicht – und er war es    Es fußt auf dem Beispiel der Kongregation,         ten eröffnen und Angebote machen gehören
     mit „High Tech“-Medizin zeigt, zählen in      nie. Die Mühen der derzeitigen weltweiten      spiegelt sich in unseren Handlungen wider          ebenso dazu wie pragmatische Sparsamkeit
     letzter Konsequenz weder Instrumente noch     Gesundheitskrise lassen uns vergessen, was     und entwickelt sich weiter. Unser Kranken-         und überlegte Zurückhaltung, wo sie erforder-

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
lich sind. Um für andere da sein zu können,
     müssen wir selbst stark bleiben.

     Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, die
     im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara
     ihren Dienst tun, möchte ich den Schwestern
     danken. Dafür, dass sie unseren Blick gewei-
     tet haben. Sie haben uns vor Augen gehalten,
     dass es neben dem Bestreben, Krankheit zu
     heilen oder zu lindern so viel mehr am Men-
     schen zu erfahren gibt, an das es anzuknüp-
     fen gilt.
     Ich wünsche den Schwestern von der heiligen
     Elisabeth von Herzen, dass sie Halle mit Zu-
     versicht und Genugtuung verlassen. Behalten
     Sie uns und Ihre Stadt Halle (Saale) in froher
     Erinnerung!

     Es grüßt Sie herzlich

     Thomas Wüstner
     Geschäftsführer

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Die Anfänge der Elisabethschwestern in Halle                                                       Schwesternstation ein. Am 31. Januar 1891        hatten bald viele Patienten, fanden aber auch
                                                                                                        kamen die ersten vier Elisabethschwestern        Gegner, weil ihr Anliegen der ambulanten
     Die Niederlassungen und Krankenhäuser der           Der Verein sammelte erfolgreich Geld für ein   und fanden Unterkunft bei dem katholischen       Krankenpflege damals noch etwas Unge-
     Elisabethschwestern in Halle entwickelten          katholisches Krankenhaus und eine Nieder-       Schneidermeister Ochsenknecht im Grase-          wöhnliches war. Die Auseinandersetzungen
     sich in enger Verbindung mit der katholischen      lassung katholischer Krankenschwestern.         weg 16. Die Leitung der Gruppe hatte die         führten dazu, dass sich die Gruppe zunächst
     Gemeinde in der Stadt. Nach der Reformation                                                        spätere Provinzoberin Schwester M. Jucunda       auflöste.
     entstand erst 1808 wieder eine katholische         Noch im selben Jahr 1890 traf die damals        Pohl.
     Pfarrei in Halle. Ihre Gottesdienste feierte sie   erforderliche staatliche Genehmigung für die                                                                             Zwei der Gründerin-
     im Bildersaal der Residenz. Als die Gemeinde                                                       Als die Schwestern nach Halle kamen, war                                 nen, Maria Mer-
     im Jahr 1880 auf 2600 Mitglieder angewach-                                                         ihre Gemeinschaft noch jung. 1842 hatten                                 kert und Franziska
     sen war, reichte dieser Raum nicht mehr aus.                                                       sich in Neisse (Schlesien) vier junge Frau-                              Werner, unternah-
     1883 kaufte man für einen Kirchenbau ein                                                           en zusammengetan, um auf eigene Kosten                                   men 1850 einen
     Grundstück in der Mauerstraße.                                                                     Kranke, die ohne Versorgung waren, in deren                              zweiten Versuch, der
                                                                                                                                 Wohnungen zu                                    zum Erfolg führte.
                              Pfarrer Franz                                                                                      pflegen.                                        1859 erhielt ihre
                              Wilhelm Woker                                                                                      Clara Wolff, von der                            Gemeinschaft die
                              (1874–1892), der                                                                                   die Initiative ausge-                           bischöfliche und
                              damals die treiben-                                                                                gangen war, sagte                               1871 die päpstliche
                              de Kraft war, vertrat                                                                              über ihre Motive:                               Anerkennung. Da
                              den Standpunkt:                                                                                    „Der liebe Gott hat                             die Schwesternge-
                              „Ich will keine neue                                                                               mir schon früher ein-                           meinschaft einen
                              Kirche, ehe nicht für                                                                              gegeben, wie gut es                             staatlich anerkann-
                              die Armen meiner                                                                                   wäre, wenn es Men-                              ten Rechtsträger
     Gemeinde gesorgt ist.“ Daher gründete man                                                          schen gäbe, die sich der Pflege aller Kranken                            benötigte, wurde
     1890 in der katholischen Gemeinde einen                                                            ohne Unterschied des Standes unentgeltlich                               1864 die Katholische
     Verein zur „Pflege der Kranken, Armen,                                                             unterzögen, und da ich darüber viel nachge-                              Wohltätigkeitsan-
     Witwen und Waisen, zur Linderung der Not in                                                        dacht und auch darüber gesprochen hatte, so                              stalt zur heiligen
     den schwersten Stunden des Lebens, in den                                                          haben sich noch einige Mädchen gefunden,                                 Elisabeth (KWA)
     Schmerzen der Krankheit und des Todes“.                                                            welche so dachten und fühlten wie ich.“ Sie                              gegründet.

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Sie eröffneten am 1. Februar 1895 ein Kinder-   Genesung finden. Möge in diesem Hause nie-     preisen, der im Himmel ist. Möge der barm-
     Die Kongregation wuchs sehr schnell und         und Altenheim. Am 4. Februar 1895 kam ein       mand sterben, der nicht mit Gott ausgesöhnt    herzige Gott den Pflegerinnen stets Gesund-
     hatte im Jahr 1892, zur Zeit der Anfänge        Kinder-garten hinzu. Der ambulanten Kran-       ist; mögen Eifersucht und Neid übelwollender   heit, Geduld, Sanftmut, Demut und Eifer für
     in Halle, bereits 1105 Schwestern und 140       kenpflege gingen die Schwestern weiterhin       Feinde der katholischen Sache verstummen       die Ehre Gottes und Mitleid mit der Not der
     Niederlassungen. Ihre Arbeitsgebiete hatten     nach. 1896 wirkten 16 Schwestern in Halle.      im Angesichte der Wohltaten, die hier ge-      Mitmenschen alle Zeit ins Herz legen.“
     sich von der ambulanten Krankenpflege auf                                                       spendet werden; mögen sie die guten Werke
     Krankenhäuser, Kinder- und Altenbetreuung       Am 24. September 1896 legte man bereits         der edlen Schwestern sehen und den Vater       Johannes Mertens
     sowie Gemeindearbeit ausgeweitet.               den Grundstein für den Bau des St. Elisa-
     In Halle arbeiteten die vier Schwestern vom     beth-Krankenhauses, das am 8. September
     Graseweg aus in der ambulanten Kranken-         1897 eingeweiht wurde.
     pflege, hielten Nachtwachen in Kranken-         In der Gründungsurkunde hieß es: „Die hiesi-
     häusern und kochten das Mittagessen für         ge Niederlassung hat die katholische Sache
     die Kinder der katholischen Schule in der       vielfach gefördert, indem die Schwestern
     Residenz. Die Zutaten mussten sich die          Freunde und Gegner, Katholiken, Protestanten
     Schwestern zusammenbetteln. Regelmäßige         und Juden mit aufopfernder Liebe pflegten,
     Einkünfte hatten sie nicht. Durch ihre Arbeit   und dadurch nicht bloß die Kongregation,
     gewannen sie allgemeines Vertrauen und
     Sympathie über die katholische Gemeinde
     hinaus.                                            ... Mögen hier für alle Zukunft
     1893 kaufte der neue Pfarrer Christian             die Kranken Genesung finden...
     Schwermer (1892–1904) den „Maidaischen
     Torfplatz“, ein Grundstück zwischen Gom-
     mer-gasse und Mauerstraße. Am 5. Dezem-
     ber 1893 wurde hier der Grundstein sowohl       sondern auch die katholische Sache zu
     für die neue katholische Kirche als auch für    Ehren brachten … So möge denn der Segen
     das Schwesternhaus gelegt.                      des allmächtigen Gottes auf diesem Werk
     Am 28. Oktober 1894 wurde das St. Elisa-        ruhen, das zu Seiner Ehre und zum Heile der
     bethhaus der Schwestern eingeweiht. Der         leidenden Menschheit ins Leben gerufen
     Konvent bestand damals aus elf Schwestern.      ist. Mögen hier für alle Zukunft die Kranken

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130 Jahre Krankenpflege in Halle (Saale) mit den Ordensschwestern von der heiligen Elisabeth
Krankenzimmer   OP II - 1960

        Dachgarten für
           Frauen in der
          früheren sog.
     "Christl. Herberge"

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Schwester M. Modesta, die „Mutter Theresa von Halle“

                      Schwester M. Modesta hat sich ihr ganzes          An einem anderen Abend betraten wir einen
                      Ordensleben lang nach dem Beispiel unserer        Raum, den man auf keinen Fall eine Woh-
                      Gründerinnen mit ganzem Herzen der Armen          nung nennen konnte. Ich war erschrocken
                      und Kranken in ihren Wohnungen angenom-           von all dem, was ich sah. Die kranke Frau, zu
                      men. Als sie älter und kraftloser geworden        der Schwester M. Modesta gerufen worden
                      war, nahm sie mich mit auf ihren Wegen zu         war, lag auf Brettern, die mit alten Tüchern
                      den Hilfsbedürftigen in unserer Stadt, zumal      bedeckt waren. Auch als Kopfkissen und
                      an den Abenden. Von da an bekam ich per-          Zudecke dienten schmutzige alte Decken.
                      sönliche Einblicke in ihre Tätigkeit. Von einem   Ein kleines Kind, ungefähr vier Jahre alt, lag
                      Erlebnis bei diesen Krankenbesuchen möchte        vollständig angezogen auf einer alten Bank
                      ich berichten:                                    und schlief, es war ja schon später Abend.
                                                                        Ein Mann stand hilflos am Bett seiner Frau.
                      Schwester M. Modesta bat mich, bei einem          Schwester M. Modesta versuchte, so gut es
                      Sterbenden Nachtwache zu halten, und sie          ihr möglich war, der Lage Herr zu werden. Da-
                      brachte mich zu ihm. Das Haus wurde nur von       nach machten wir uns wieder auf den Heim-
                      ihm bewohnt und war mehr als abrisswür-           weg. Am nächsten Tag, es war ein Sonntag,
                      dig. Die Haustür und auch seine Zimmertür         schickte mich Schwester M. Modesta mit
                      waren nicht abschließbar. Doch so etwas           einer Milchkanne voll heißem Wasser zu
                      hielt Schwester M. Modesta nicht davon ab,        dieser Familie und gab mir den Auftrag, die
                      die notwendige Hilfe zu leisten, sondern war      Frau zu waschen. Sie selbst wollte dann mit
                      viel mehr ein besonderes Kennzeichen ihrer        dem Frühstück für alle nachkommen, und so
                      Barmherzigkeit und großen Nächstenliebe.          geschah es auch.
                      Unverschlossene Türen, auch in der Nacht,
                      waren für sie unerheblich, ihr ging es um den     Wie vielen kranken, alten und armen Men-
                      Menschen und sein Wohlbefinden, nicht um          schen Schwester M. Modesta mit ihrer
                      Äußerlichkeiten, selbst wenn diese für sie zur    großen Nächstenliebe und ihrer Uneigennüt-
                      Gefahr werden konnten.                            zigkeit geholfen und sie dadurch auch froh
     Sr. M. Modesta

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gemacht hat, weiß nur Gott allein. Jedenfalls
                                                      Ich erinnere mich an den duften Geruch
     war sie tagtäglich in der Stadt unterwegs,
                                                      zu Weihnachten aus der Klosterküche, wir
     stets mit zwei großen Taschen, die mit dem
                                                      hatten dort im Kloster unsere Klassenräume.
     gefüllt waren, was die Menschen, zu denen
                                                      Ich erinnere mich an Sr. Alberta, die streng
     sie unterwegs war, am nötigsten brauchten.
                                                      über das Gelände lief, aber immer ein Wort
     Noch als sie selber alt und krank war und
                                                      übrig hatte. An Sr. Stefanie, die uns immer
     nicht mehr ihren geliebten Dienst tun konnte,
                                                      etwas mehr auf den Teller gemacht hat und       Der Pflege-Abschlussjahrgang 1979 machte
     gingen ihre Gedanken stets zu bestimmten
                                                      dabei lustig war. An Christina, die Chefin      seine Examensfahrt nach Annaberg (Góra
     Familien. Sie sorgte sich sehr und wollte wis-
                                                      aus der Küche, die uns mit viel Geduld das      Swietej Anny) in Polen, einen Wallfahrtsort in
     sen, ob sie genug zu essen und auch sonst
                                                      Kochen beigebracht hat. Sr. Edeltrud mit        Oberschlesien. Die Schwestern Sr. Edeltrud,
     keine zu großen Nöte hatten.
                                                      ihrem großen Schlüsselbund hatte alles          Ausbildungs- und Stationsschwester Sr. Ro-
                                                      im Blick. Sr. Modesta mit ihrem gebeugten       switha und Sr. Stefania wurden ebenso wie
     Sr. M. Mechtild Siegmund
                                                      Körper und alter Tasche in der Hand. Wir        Herr Herbert Schmeja mitgenommen. In An-
                                                      nannten sie Mutter Teresa von Halle. Die        naberg erwartete die Frauenschar aus Halle
                                                      meisten Schwestern erkannte man schon am        eine große Männerwallfahrt! Vielleicht ist es
                                                      Gang, obwohl doch alle in ihrem Habit gleich    ja dem Segen dieses frommen Ortes zu ver-
                                                      aussahen. Schön war es auch, wenn Sonn-         danken, dass bis heute Krankenschwestern
                                                      tag der Tisch im Speisesaal eingedeckt war      dieses Ausbildungskurses aktiv im Dienst
                                                      und sich jeder kannte und ins Gespräch kam.     unseres Krankenhauses stehen und der Kurs
                                                      Gelernt haben wir, zu arbeiten und die Freude   über all die Jahre untereinander und mit den
                                                      daran. Das JA zum Leben und natürlich die       Ordensschwestern Kontakt gehalten hat!
                                                      Freundschaft innerhalb unseres Ausbildungs-
                                                      kurses über die ganzen Jahre hinweg. Das        Barbara L
                                                      Miteinander und die Vertrautheit. Es hat uns
                                                      zusammengeschweißt – insbesondere kommt
                                                      es mir vor, als wäre es erst gewesen.

                                                      Regine R.

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Die Zeit mit den Schwestern: Da habe ich          haben wir auch „Adelbienchen“ genannt. Mit
          ganz viele Erlebnisse und Erinnerungen. Und       einer Hingabe hat sie sich gekümmert! Und
          nur positive. Wir haben von 1975 bis 1979         diesen Geist nimmt man mit. Geprägt haben
          unsere Ausbildung am St. Elisabeth-Kran-          mich die Schwestern nur positiv. Glaube +
          kenhaus absolviert. Als 16-jährige Schülerin      Liebe + Hoffnung. Disziplin, Willenskraft,
          kam ich ins Internat im Haus. Wir kamen aus       Teamgeist und die Liebe zum Beruf. Wir
          allen Teilen der damaligen DDR. Von morgens       waren für die Schwestern, die uns ausbilde-
          5.30 Uhr Teildienst, mittags frei und 16.00 bis   ten, „Rohdiamanten“. Die Schwestern gaben
          19.00 Uhr täglich. 10 Tage durcharbeiten, 4       uns den Schliff. Sie waren uns gegenüber
          Tage frei. Trotzdem war es die schönste Zeit.     sehr streng, aber die meisten von ihnen sehr
                                                            herzlich. Für unser Leben haben wir unwahr-
          Jetzt, da es Kurznachrichtendienst-Apps gibt,     scheinlich viel gelernt, alle Höhen und Tiefen.
          haben wir eine Gruppe und teilen unsere
          Freuden, Sorgen und Nöte. Wir sehen uns bis       Sr. Carmelita danke ich: Nach den ersten 10
          heute regelmäßig alle 5 Jahre – nur letztes       Arbeitstagen wollte ich nie mehr nach Halle,
          Jahr fiel es durch Corona ins Wasser.             aber am Sonntagabend stand ich am Bahn-
                                                            steig, und es ging…zurück nach Halle. Sr.
       Sr. Adeltraud, haben wir auch                        Edeltrud mit ihrem Geburtstagstischchen am
     „Adelbienchen“ genannt. Mit einer                      Fahrstuhl. Sr. Thekla von der Pforte hat uns
      Hingabe hat sie sich gekümmert!                       oft durchgelassen, aber auch mal verpetzt.
                                                            Sr. Christina aus der Küche, es hat immer gut
                                                            geschmeckt und die Kilos merkte man. Zum
          Ich habe eine Sammeltasse zum bestandenen         Abschied Sr. Edeltruds Worte: „So einen Kurs
          Examen, geschenkt von Sr. M. Alexandra und        wie unseren hat es und wird es nie wieder
          Sr. M. Uta – sehr, sehr liebe Schwestern, die     geben.“ Also Mädels, wir können stolz auf
          ich sehr verehre, aber um keine zu verges-        uns und die Ordensschwestern sein!
          sen, wäre die Liste so lang. Meine damalige
          Schwester von Station 8, wo wir als Prak-         Barbara M.
                                                                                                              Sr. Tobia und Sr. Edeltraud
          tikanten eingesetzt waren, Sr. Adeltraud,

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Ich finde, alle Schwestern haben unser Leben
     geprägt – mehr oder weniger. Ich erinnere
     mich noch an den ersten Schultag, an dem          Die Zeit in Halle bei den Schwestern hat mich
     wir Schwester Roswitha unsere Hände               für mein Leben geprägt:
     zeigen mussten (wegen Nagellack) und ob           Sr. Edeltrud, vor der wir am Anfang gezittert
     wir ein sauberes Taschentuch hatten. Unsere       haben und die uns dann so gut durch unsere
     ersten Unterrichtsstunden fanden in einem         Ausbildung geführt hat. Wenn eine von uns
     Gebäude neben dem Schwesternsaal statt,           Geburtstag hatte, stand hinten im Internat ein
     bevor wir in die Räume des Klosters gezogen       Tisch mit Kerze, Karte und ein Stück „West-
     sind.                                             seife“ oder Schokolade;
                                                       Sr. Roswitha, die wir lieb „Schnüffelinchen“
     Sr. M. Beate L. hatte oft an den Wochen-          genannt haben, weil sie immer an der Tür
     enden Nacht-Pfortendienst und war für             gehorcht hat oder gerochen, ob im Zimmer
     mich eine große Beruhigung und Stütze. Bei        geraucht wird;
     Station 1 im Untergeschoss war die Durch-         Sr. Celina aus der Kapelle hat uns das Gitarre
     fahrt, und es war oft sehr gruselig, und die      spielen beigebracht;
     Schwester hatte etwas Beschützendes.              Sr. Monika mit dem Bücherwagen;
     Am meisten haben mich immer ihre Einstel-         Die Schwestern aus der Apotheke mit ihren
     lung zum Leben auch als Nonne und ihre            selbstgemachten Likör, der tat Wunder;
     Ehrlichkeit fasziniert. Daraus ist bis heute      die strenge Sr. Cornelia vom OP, die eigent-
     eine großartige Freundschaft und Verbunden-       lich gar nicht streng war;
     heit entstanden. Wir wurden sehr gut auf das      Sr. Thekla von der Pforte haben wir mit einem
     Leben vorbereitet.                                Schokoapfel bestochen, wenn es etwas
     Jede Ordensschwester war ein Original: To-        später war;
     bia, Sr. Dorothea aus der Pforte, jede einzelne   Sr. Sabina, von der ITS, die diesen damaligen
     Stationsschwester, Conselatrix, Monika, Sr.       Bereich mit aufgebaut hat und die viel zu früh
     Adeltraud.                                        verstorben ist.
                                                                                                        Apotheke des Krankenhauses, Sr. M. Hyazintha und Sr. M. Alexia
     Martina W.                                        Jutta H.

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Nach meinem Praktikum in Dessau habe ich
     von 1979-1982 im Elisabeth-Krankenhaus
     meine Ausbildung gemacht. Diese Zeit gehört
     für mich zu einer meiner schönsten Erinnerun-
     gen. So anstrengend die Ausbildung natürlich
     auch gewesen ist, so sehr habe ich diese Zeit
                                                     Ich lebe nach wie vor in Halle und freue mich
     aber auch genossen. Noch heute treffen wir
                                                     sehr, dass an die Schwestern als "FrauenOrt"
     uns gelegentlich (zuletzt 2018) und tauschen
                                                     auch künftig erinnert wird.
     uns aus. Bei unserem letzten Treffen hatten
     wir nochmal die Möglichkeit, Sr. M. Ros-
                                                     Als Erinnerungsstück fiel mir sofort das Kreuz
     witha, und beim Rundgang einige andere
                                                     ein, welches wir zum Abschluss bekommen
     Schwestern zu treffen.
                                                     haben. Es bedeutet mir sehr viel und hängt in
                                                     unserem Schlafzimmer.
     Es ist sehr schade, dass die Zeit für die
     Schwestern in Halle zu Ende geht. Leider
                                                     Ich danke allen Schwestern für Ihr Wirken in
     macht es die Pandemie ja nicht möglich, aber
                                                     Halle und wünsche Ihnen alles Gute. Bleiben
     ich bin mir sicher, wenn es möglich gewesen
                                                     Sie alle unter Gottes Schutz und Segen
     wäre, dann wären viele gekommen.
                                                     behütet.
     Neben mir haben ja auch mein Bruder Jo-
                                                     Mit dankbaren Grüßen
     hannes und meine Schwestern Christine und
                                                     Maria Elisabeth Koschig.
     Felicitas ihre Ausbildung im EK gemacht. Ich
     kann für uns alle sprechen, dass uns diese
     Zeit menschlich sehr positiv geprägt hat, und
     wir diese Zeit und auch die Schwestern nicht
     vergessen werden.

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Cordula Litschko, von 1982-1984 Ferienhilfe,       sierte doch sehr, welche Frisur sie unter dem
     von 1985-1988 Auszubildende und anschlie-          Schleier trägt – und bekam eine Antwort. Als
     ßend Mitarbeiterin, auch in Leitungsfunktion       Auszubildende und spätere junge Mitarbei-
     bis 2015.                                          terin ist mir der mächtige Schlüsselbund von
                                                        Schwester M. Edeltrud besonders in Erinne-
     Zum EK, wie ich es aus meiner Familie kann-        rung geblieben. Er kündigte ihr Kommen an.
     te, hatte ich als Ferienhilfe Kontakt. 1982
     auf Stat. 12 bei Schwester M. Editha. Der          Die ständige Einsatzbereitschaft der Ordens-
     Wunsch, den Beruf der Krankenschwester             schwestern fand ich in den 80er Jahren
     hier zu erlernen, flammte sofort auf. Eine der     richtig und angemessen – das hat mich wohl
     Patientinnen war auch Schwester M. Chris-          mehr geprägt als ich bisher annahm.
     tina aus der Küche. Es kostete schon Über-
     windung, das Zimmer zu betreten. Jedoch            Dem Krankenhaus St. Elisabeth und St. Bar-
     erwartete mich eine sehr freundliche, offene,      bara wünsche ich, dass vom Geist der Demut
     ja „normale“ Frau. Wir führten einige sogar        in dieser schnelllebigen Zeit etwas bleibt:
     sehr persönliche Gespräche. Mich interes-

                       "Wie kann ich eine goldene Krone tragen,
                       wenn der Herr eine Dornenkrone trägt!“

                                          Elisabeth von Thüringen

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Wie ich 1978 als Medizinstudent das erste Mal mit den Ordensschwestern Kontakt
     hatte – Erinnerungen von Dr. Peter Göbel                                                                                                          Ich hoffe, es bleibt ein Krankenhaus zurück,
                                                    mich erwartet. Etwas müde ging ich durch                                                           welches sich in, zugegeben schwierigen
     1978 war ich Medizinstudent in Dresden und     die noch leere Stadt vom Bahnhof in Richtung      mich der Empfang durch die Schwestern.           wirtschaftlichen Zeiten, an den Kernauftrag,
     interessierte mich schon für das Fach Kin-     St. Barbara Krankenhaus. Dort angekommen          Als ich dann 2004 als Chefarzt für Kinderchi-    den die Schwestern gelebt haben, immer wie-
     derchirurgie, welches man damals schon als     klingelte ich an der Pforte und wurde sehr        rurgie die Tür des St. Barbara Krankenhauses     der erinnert: Das Krankenhaus muss ein Ort
     Facharzt in der DDR ausüben konnte.            nett von einer Ordensschwester begrüßt. Ich       durchschritt, erinnerte ich mich als erstes      sein, wo sich Patienten in für sie schwieriger
                                                    stellte mich vor und bat darum, mich zu Dr.       an diese Begebenheit. Oft fragte ich mich:       Situation geborgen und verstanden wissen.
     Ich bin aus der Generation, die für ihren      Hofmann zu bringen. Die Ordensschwester           warum? Ich glaube, es war die Erfahrung, dass    Es muss aber auch ein Ort sein, wo Mitar-
     Abschluss eine Diplomarbeit schreiben          (ihren Namen weiß ich leider nicht mehr)          sich die Schwestern nicht nur um das Wohl        beiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag gern
     musste. Diese Arbeit beschäftigte sich mit     meinte: „das hat Zeit, sie müssen doch sehr       ihrer Patienten aufopferungsvoll kümmerten,      hingehen, weil sie dort ihren Beruf mit Freude
     der Behandlung von Kindern mit einem           müde sein nach der langen Fahrt aus dem           das war ja in der DDR hinreichend bekannt.       ausüben können und sich in einer Gemein-
     Hydrozephalus (Wasserkopf). Ein wichtiges      fernen Dresden. Wir haben für Sie eine            Deshalb zog es auch so viele Patienten in kon-   schaft von Gleichgesinnten aufgehoben und
     diagnostisches Hilfsmittel bei dieser Erkran-  Kleinigkeit vorbereitet.“ Sie führte mich in      fessionelle Krankenhäuser. Nein, sie kümmer-     verstanden wissen. Dann hat das Kranken-
     kung war der Ultraschall. In der DDR gab es    ein Zimmer und was ich dort vorfand, ließ mir     ten sich genauso um das Wohl der Mitarbei-       haus St. Elisabeth und St. Barbara auch ohne
     zu dieser Zeit nur wenige Kliniken, die diese  die „Studentenaugen“ übergehen. An einem          ter, wie ich an diesem Morgen erleben durfte.    Ordensschwestern eine gute Zukunft in der
     Untersuchungsmethode zur Verfügung hatten      schön gedeckten Tisch stand ein köstliches                                                         Stadt Halle.
     und auch gut beherrschten. Eine war das        Frühstück mit dampfendem Kaffee und               Erinnerungen verblassen oder überhöhen die
     Krankenhaus St. Barbara in Halle.              frischen Brötchen. Die Schwester sagte: „Er-      tatsächliche Situation. Das ist mir klar. Aber   Dr. Peter Göbel
     Der Chef der Kinderchirurgie in Dresden, bei   holen Sie sich von ihrer Reise. In einer halben   dieses Erlebnis hat mich mein Berufsleben        Chefarzt Klinik für Kinderchirurgie 2004-2020
     dem ich die Arbeit schrieb, meinte: ich sollte Stunde hole ich Sie wieder ab und bringe Sie      lang begleitet und ich hoffe, dass es auch ein
     mir das mal in Halle ansehen.                  zu Dr. Hofmann. Übrigens habe ich Ihnen dort      wenig mein Verhältnis zu meinen Mitarbeite-
                                                    auf den Stuhl Ihre Arbeitssachen gelegt“. Auf     rinnen und Mitarbeitern als Chefarzt beein-                                Im Stil der Zeit:
     Und dann erlebte ich folgendes:                einem Stuhl lagen frisch gebügelt ein weißes      flusst hat.                                                                Erstes Assistenz-
     Mit dem Zug machte ich mich am frühen          Hemd, eine Hose und ein frisch gestärkter                                                                                    arztjahr in der
     Morgen auf den Weg nach Halle, um pünkt-       Kittel.                                                                                                                       Kinderchirurgi-
     lich zum Dienstbeginn in der Klinik zu sein.                                                     Nun verlassen die Schwestern von der Hei-                                   schen Abteilung
     Ich war beim Chef Herrn Dr. Hofmann an-        Was ich an dem Tag fachlich lernte, weiß ich      ligen Elisabeth unser Krankenhaus und die                                   der Medizinischen
     gemeldet und natürlich sehr gespannt, was      heute auch noch, aber beeindruckend war für       Stadt Halle. Was wird bleiben?                                              Akademie Dresden

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Johannes Hünert
                                                                                                                     mit Sr. Edeltrud

     Der Vorgänger des Elisabethtisches
                                                     auf dem Tisch. An kirchlichen Feiertagen, die
     Lange, bevor der Elisabethtisch eingerichtet    in der DDR manchmal auch Werktage waren,
     wurde, hatten die Ordensschwestern aus          wie zum Beispiel Ostermontag, Himmelfahrt
     einer Not heraus probiert, wie Speisenver-      und Fronleichnam, sowie an den Festtagen
     sorgung für wirtschaftlich weniger bemittelte   der Heiligen Elisabeth, Barbara, Kosmos und
     Menschen funktioniert. In einem Nebenraum       Damian und anderen Ordensschwesternfei-
     der Klosterküche, mit schönen großen und        ertagen gab es zusätzlich weiße Tischdecken
     kleinen Grünpflanzen, einem riesigen Tisch      und Kerzen.
     mit Holzstühlen und vielen Fenstern, also                                                                                          Heute Gebetsraum, 1972 u.a
                                                                                                                                                                     . Werkstät ten
     eine Wohlfühloase, die auch ein bisschen
     zum Ausruhen gedacht war, wurden Männer                     J"eder bekam seinen Teller
     mittags bedient. Vier Mal in der Woche gab                gebracht, niemand musste in
     es wohlschmeckende Suppen und nur einmal                einer Schlange stehen. O ft gab es
     Kartoffeln, Fleisch oder Fisch mit Gemüse und             auch Kompott oder Pudding."
     Soße, aber zu jeder Mahlzeit eine Flasche
     Bier. Ja, die Bedürftigen, es waren 10 bis 15
     Männer, wurden wirklich bedient. Jeder be-
     kam seinen Teller gebracht, niemand musste      Gern haben die Ordensschwestern die Hand-
     in einer Schlange stehen. Oft gab es auch       werker bedient, natürlich haben die Männer
     Kompott oder Pudding.                           auch bei Bedarf unbürokratisch und schnell
     Im Gesundheitswesen der DDR war die             technische Probleme beseitigt, manches
     Entlohnung der Arbeit, die nie einfach          Bleirohr gelötet und wenn Schwester Johan-
     war, nicht besonders üppig. Die Gehälter        na aus dem Personalbüro es wollte, heimlich
     der Haushanderker lagen an der untersten        einen Baum vor ihrem Bürofenster gefällt.
     Grenze. Um Haustechniker am Krankenhaus
     zu halten, waren besondere Ideen gefragt.       Johannes Hünert
     Mit bescheidenen Mitteln und Möglichkeiten      ehem. Leiter Technik
     wurden die Herren versorgt. Blumen standen
                                                                                                     Kloster und Krankenhaus mit Werkstätten, Gärtnerei und Handwerkerspeisesaal 1928

34                                                                                                                                                                                      35
[..] Ein Lichtblick in dieser schwierigen       rekt aus dem katholischen Himmel in Gestalt
                                                                               Anfangszeit war Schwester Barbara, das          von Ordensschwester Katharina. Sie war
                                      „Ich war immer gern                      bildhübsche, intelligente Patenkind meiner      in Halle legendär, Mitte 40, klein, liebevoll,
                                      auf Stat ion. Es war                     Schwiegermutter. Sie hatte die Ausbildung
                                      ein guter Zusammen-                      zur Kinderkrankenschwester und zur Inten-
                                      halt. Das ist wich-                      sivschwester in Jena abgeschlossen. Dort                  Kat harina hat te etwas
                                      t ig, dass sich alle gut                 erhielt sie lukrative Angebote, aber als sie               Engelhaftes an sich.
                                      verstehen und sich                       von meinen Problemen hörte, kam sie nach
                                      gegenseit ig helfen und                  Halle, sah sich im St. Barbara-Krankenhaus
                                      wenn Neue auf Sta-                       um und sagte sofort zu. Damit war eines der     immer fröhlich und begnadet im Umgang mit
                                      t ion kommen, dass                       größten Probleme gelöst. Infolge fehlender      kranken Kindern. Man kannte sie in der Stadt.
                                      man sie gut einführt                     Fachschwestern sollten nämlich wie bisher       Wenn sie mit der Straßenbahn vom Barbara-
                                      und ihnen alles                          alle Säuglinge und alle etwas komplizierteren   Krankenhaus ins Mutterhaus am Franckeplatz
                                      erklärt.“                                Operationen bei Kindern in der Kinderab-        fuhr, traf sie meistens eines der Kinder, das
                                                                               teilung weiterbehandelt werden. Das wäre        irgendwann im „Barbara" behandelt worden
                                                                               das vorzeitige Ende meiner Vorstellung von      war. Katharina hatte etwas Engelhaftes an
                                                                               Kinderchirurgie gewesen. Wir Kinderärzte mit    sich. Sie begleitete mich von Anfang an in
                                                                               chirurgischen Möglichkeiten verstanden uns      allen schwierigen Situationen und wurde
                                                                               ja als gleichberechtigt zu den Kinderärzten,    auch mein persönlicher Engel. Die Kinder
                                                                               die für die internistische Behandlung zustän-   liebten sie über alles, sie sang, spielte und
                                                                               dig waren. Alle operierten Kinder sollten bei   betete mit ihnen, obwohl die meisten Kinder
                                                                               uns bis zu ihrer Entlassung weiterbetreut       in Halle schon damals nicht wussten, was ein
                                                                               werden.                                         Gebet sein sollte und wer dieser traurige Kerl
                                                                                                                               war, der in allen Zimmern an einem Holzkreuz
                                                                               Schwester Barbara erlernte in kürzester Zeit    hing und auf sie herunterschaute. Funktionä-
                                                                               die Besonderheiten einer postoperativen The-    re, Parteigenossen und russische Offiziere der
                                      fast 50 Jahre im BK auf Kinderstation/   rapie und baute mit den jungen Absolventen      nahen Garnison brachten ihre Kinder beson-
                                      Kinderchirurgie.                         der eigenen Kinderkrankenpflegeschule die       ders gern ins katholische Krankenhaus wegen
                                                                               neue Station auf. Dabei hatten wir Hilfe di-    der guten Pflege.
     Sr. M. Kat harina Brodhun (94)

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Katharina war eine von vielleicht noch 20         also zwei Seiten. Das übertriebene Hygiene-             Petra Walter, Leiterin der Küche im Kranken-
     Ordensschwestern im Haus. Meistens waren          regime konnte sogar in personell unterbesetz-           haus erinnert sich:
     sie an leitender Stelle eingesetzt, als Oberin,   ten Zeiten durchgehalten werden, weil dafür
     Stationsoberschwester oder Laborleiterin.         rund um die Uhr die jüngsten Schülerinnen               "Ich habe bei Schwester Christina gelernt,
     Schwester Cassiana leitete dank ihres pas-        unserer Kinderkrankenpflegeschule einge-                das war noch eine von den Köchinnen, die
     senden Namens das Lohnbüro. Aber einige           setzt wurden. Auf Station, am Krankenbett, in           alles konnten – vom Backen, über Kochen
     Bereiche waren schon verweltlicht: Kreiß-         Labor, Röntgen oder OP-Saal wurden sie im               usw. – Fachwissen pur. Bei ihr habe ich viel
     saal, Operationssaal, Röntgen und nun auch        ersten Jahr überhaupt nicht ausgebildet, sie            gelernt. Sie hat ihre Mannschaft gut im Griff
     die Kinderchirurgie. Die Ordensschwestern         mussten schrubben, was das Zeug hielt. Es               gehabt. Und wenn mal ein lautes Wort fiel,
     hatten über viele Jahre seit der Gründung         waren auffallend viele hübsche, gut erzogene            war sie am Tag darauf etwas leiser.
     1904 ein strenges, fleißiges und vor allem        und intelligente Schülerinnen im Haus, weil             Sie hatte immer einen riesigen Schlüsselbund
     sauberes Regime geführt.                          St. Barbara die einzige katholische Ausbil-
                                                       dungsstätte für Kinderkrankenschwestern in
     Von früh bis spät wurde geputzt, alles war        der DDR gewesen ist. Aus allen katholischen
     steril, überall stank es entsetzlich nach         Teilen der Republik kamen junge Mädchen,
     Wofasept, das dem Scheuerwasser reichlich         die nicht in der FDJ waren, kein Abitur
     zugesetzt wurde. Diese übertriebene Desin-        machen durften und auch sonst fortlaufend
     fektion war dem früheren pädiatrischen Chef       politische Schwierigkeiten in ihren Schulen             mit ganz vielen Schlüsseln dran, ich habe
     zum Verhängnis geworden, denn so konnten          hatten, zur Ausbildung nach Halle. [...]                immer ewig gebraucht, bis ich den richtigen
     sich die resistenten Hospital-Staphylokokken                                                              gefunden habe. Sie sagte dann immer zu mir:
     ungehemmt ausbreiten. Schwere abszedie-           Prof. Dr. Volker Hofmann, Er aber zog seine Straße      Ach, Peterchen, eines Tages wirst du diesen
                                                       fröhlich. Erinnerungen eines Kinderchirurgen, S. 149f
     rende Pneumonien bei Säuglingen waren die                                                                 Schlüsselbund haben. Daran war damals
     Folge. Diesen heftigen Stallgeruch bekam                                                                  nicht zu denken. Und dass es dann wirklich
     man nicht so schnell aus seinen Kleidern.                                                                 mal so kommt, hätte ich nicht gedacht. Ei-
     Wenn ich mit der Straßenbahn zum Bahnhof                                                                  gentlich wollte ich das nicht. Als es dann so
     fuhr, drehten sich die Passagiere zu mir um                                                               weit war, habe ich die Herausforderung aber
     oder wanderten einen Wagen weiter. Selbst                                                                 gerne angenommen.
     zu Hause kam noch eine ausreichende Brise
     St. Barbara an. Die peinliche Sauberkeit hatte

                                                                                                                                                               Krankenhausküche

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Schwester Oberin Magdalena
                                                                         Jeder Leser dieser Zeilen hat sofort den un-
                        Lange war das Labor ihr Reich und später für     verwechselbaren "Wohlgeruch" in der Nase,
                        viele Jahre das ganze Krankenhaus.               nach dem alle Kliniken in der DDR gestunken
                                                                         haben. Aber wenn das Mittel fehlte, konnte
                        So wie es in der Natur eine "Nahrungsket-        der Mangel für unsere Patienten lebensge-
                        te" gibt, in der das aufgenommene Gift von       fährlich werden. Darum ist Schwester Oberin
                        unten nach oben, von einem auf den anderen       umgehend in ihren Wartburg gestiegen und
                        übergeht und der Letzte vielleicht daran         in Richtung Wolfen gefahren. Wie sie in den
                        stirbt, gibt es im Krankenhaus eine "Katastro-   VEB "Chemiekombinat Bitterfeld" hineinge-
                        phenkette." Findet zum Beispiel die Schülerin    kommen ist, habe ich sie nicht gefragt, denn
                        keine Mullbinde mehr im Schrank, wendet          sie ist stets mit einigen Kanistern des kostba-
                        sie sich an die nächste Schwester, diese         ren Bakterientöters heimgekehrt.
                        dann an die Stationsschwester und so geht
                        es stufenweise die Treppe der medizinischen
                        Hierarchie aufwärts, bis das Problem bei
                        Schwester Oberin auf dem Tisch liegt. Wenn
                        unterwegs auf dieser Spirale der Verantwor-
                        tung niemand Mullbinden gefunden hat, ist
                        die Oberin nicht zu beneiden. Sie kann zwar
                        den Herrgott um Hilfe bitten, die Lösung des
                        Problems muss sie auf Erden jedoch selbst
                        finden.

                        Das ist der Alltag auch von unserer Oberin,
                        Schwester Magdalena, gewesen. Mehrmals
                        ist es geschehen, dass die Lieferung von Wo-
                        fasept ausgeblieben ist, das als Desinfekti-
                        onsmittel im Krankenhaus unentbehrlich war.
     Sr. M. Magdalena

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Ob ihr im atheistischen Staat das Ordensha-     der Schule für Kinderkrankenschwestern un-       Kleine Andekdoten von Peter Schmidt
     bit die Türen geöffnet hat, ihr entwaffnendes   term Dach, die eine ungeheure Anziehungs-
     Lächeln oder ein Päckchen Westkaffee, ist       kraft auf die Rekruten in der benachbarten       Der Schlüssel                                  Ordensschwestern haben einen weißen Sarg.
     ihr Geheimnis geblieben. Die Krankenhaus-       Kaserne ausgeübt haben. Zwar gab es eine         Ich hatte meinen Generalschlüssel verbum-      So wie das weiße Brautkleid. Ihr Leben ist
     hygiene jedenfalls und die Patienten waren      mit Stacheldraht bewehrte Mauer zwischen         melt. Bekam ihn aber zum Glück recht schnell   erfüllt – sie gehen zu Gott im Brautkleid und
     gerettet.                                       den Grundstücken, die aber kein Hindernis        zurück. Da musste ich an meine Chefin          das Zeichen nach außen ist der weiße Sarg.
                                                     für in der Kriegführung ausgebildete Männer      Schwester Magdalena denken. Sie trug ihre      Ein schönes Symbol! Die Ordensschwestern
                                                     dargestellt hat. Sie sind sogar über Mau-        Schlüssel immer an einer feinen Kette. Noch    wurden aus dem Krankenhaus durch eine ei-
                                                     ern, Nebengebäude und Blitzableiter bis zur      heute hängen meine wichtigen Schlüssel an      gene Friedhofstür auf den Friedhof gebracht.
                                                     Klausur im vierten Stock geklettert, aber dann   einer Kette, und ich habe sie immer griffbe-   Das Tor ist lange zugemauert. Den Schlüssel
                                                     war Schluss, noch bevor sie die anziehenden      reit.                                          für das Friedhofstor habe ich von Schwester
                                                     Fenster im Dachgeschoss erreicht hatten. Ihr                                                    Magdalena übernommen. Er ist heute noch in
                                                     Rumoren hat Schwester Oberin auf den Plan        Das Kreuz                                      meinem Besitz.
                                                     gerufen, die, mit ihrer großen Taschenlampe      Wir haben auf Station 3 im St. Barbara-Kran-
                                                     bewaffnet, der Sache nachgegangen ist.           kenhaus ein Zimmer gründlich geputzt. Das      Immer die Jüngste
                                                     Ein Kampf hat allerdings nie stattgefunden,      Kreuz, das es in jedem Patientenzimmer gab,    Die Sitzordnung der Ordensschwestern in der
                                                     wenn sie den kurz vor dem Absturz auf einem      war zerbrochen. Ich bekam den Auftrag, es      Kapelle war streng geregelt. Das Eintrittsal-
                                                     Sims zitternden Eindringling gestellt oder       im Klostergarten zu „bestatten“. Warum         ter regelte den Sitzplatz in der Kapelle. In
                                                     vom hohen Balkon heruntergeholt hatte. Die       wirft man es nicht einfach weg, so wie die     den vorderen Reihen saßen die „Alten“. Je
                                                     starken Kerle haben sich klein gemacht vor       anderen Dinge, die kaputtgegangen sind? Ein    kürzer man im Orden war, umso weiter saß
                                                     der achtungsvollen schwarzen Gestalt in der      Kreuz ist eben nicht einfach nur ein Deko-     man weiter hinten. Bei einem Sommerfest
                                                     Nacht.                                           rationsgegenstand. Normalerweise wurden        im Garten des St. Barbara-Krankenhauses, zu
                                                                                                      Kreuze, die kaputt gegangen sind, bei der      einer späteren Zeit und bei einem Glas Wein,
                                                     Die mutige Oberin hat der heiligen Barbara       nächsten Bestattung einer Ordensschwester      klagte Schwester Christiane mir ihr Leid.
     Gerettet hat unsere Oberin auch mehrmals        Ehre gemacht und könnte, in Nachfolge der        mit in den Sarg gelegt.                        Immer muss ich hinten sitzen. Sie war die
     Angehörige der Nationalen Volksarmee, die       Patronin unseres Krankenhauses, die fünf-                                                       "Jüngste" im Konvent und Nachwuchs war
     in der Nacht auf das Krankenhausgelände         zehnte Nothelferin geworden sein.                Tod einer Ordensschwester                      nicht in Sicht.
     vorgedrungen waren. Denn in der Barba-                                                           Der erste Sterbefall einer Ordensschwester
     rastraße wohnten dreißig hübsche Mädchen        Dr. Ernst Fukala                                 war für mich auch eine Besonderheit. Die

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Der Kaiser
     1976, OP des St. Barbara-Krankenhauses, das      dann kurz vor einem Feiertag im Krankenhaus
     OP-Programm war geschafft für diesen Tag.        aufgenommen zu werden. Dort war es warm,
     Was aber nicht bedeutete, es war auch Fei-       es gab gutes Essen und die eine oder andere
     erabend. Wir haben Tupfer gelegt. Schwester      Kleinigkeit. Und vor allem, es war einer da,
     Antonina erzählte uns, wie sie als Kind den      mit dem man sich etwas erzählen konnte.
     Kaiser in seiner Karosse gesehen hatte.
     Wir hörten ihr fasziniert zu. Tiefste DDR-Zei-
     ten und dann diese Geschichten. Herrlich!        Bettwäsche
                                                      Wir waren gerade erst verheiratet. In der
                                                      DDR war ja alles knapp. Unsere Oberin
     Eine andere Welt                                 wollte uns eine Freude machen und schenkte
     Als ich mit meiner Ausbildung im Kranken-        uns Bettwäsche. Wir hatten natürlich auch
     haus begann, wurde eine Krankenstation           keine Waschmaschine, und so gaben wir
     von einer Ordensschwester geleitet, die          Tischtücher und Bettwäsche in die staatli-
     Stellvertretung war eine Ordensschwester,        che Wäscherei. Als wir unsere Sachen zum
     für die Küche gab es noch eine Schwester,        vereinbarten Termin abholen wollten, war die
     die Suppen aufwärmte oder Brote schmierte.       neue Bettwäsche nicht dabei. Man vermute-
     Dazu gab es ein bis zwei freie Schwestern        te, wir hätten sie gestohlen. Nur, wenn wir
     und eine Schar von Auszubildenden. Später        einen Nachweis über die Herkunft erbringen,
     haben wir in meiner Familie oft gesagt, wenn     würden wir sie ausgehändigt bekommen.
     es um Dinge aus der DDR ging, das haben          Schwester Magdalena rief sofort in der Wä-
     wir so nicht erlebt. Das Krankenhaus, geprägt    scherei an und nahm uns in Schutz. Mit einer
     durch die Schwestern, war eine Welt für sich,    schriftlichen Bestätigung durch die Oberin
     in der wir gelebt haben. Zugegeben, auch         und der Unterschrift des Verwaltungsleiters
     hier gab es Ärger und Streit. Es war aber ein    erhielten wir unsere Wäsche zurück. Haben
     anderer Umgang miteinander. Sich um einan-       sie dann aber lieber selber gewaschen.
     der sorgend? Ich erinnere mich an Patienten,
     die ihre Wehwehchen tapfer ertrugen, um

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Das wird mir fehlen…                             die Krankenkommunion auszuteilen. Ja, wie
                                                                       mache ich das? Weder mein Chef noch mein
                      Schwester Basilia                                Heimatpfarrer haben mir wirklich geholfen.
                      …eine noch aktive Ordensschwester, die           Ich bin dann mit Schwester Basilia einige
                      neben der Seelsorge im Krankenhaus, der          Male mitgegangen und habe von ihr gelernt.
                      Arbeit in der Propstei, Orgelspiel auf den Au-   Durch ihr Tun habe ich für mich eine Form
                      ßenstationen, Gefängnisseelsorge auch noch       gefunden, die der Liturgie entspricht, die aber
                      in der Notfallseelsorge der Stadt Halle mitar-   auch von mir getragen werden konnte. Danke
                      beitet. Wo sie oft die Dienste übernimmt, die    dafür!
                      sonst keiner machen möchte.

                      Wir haben einmal im Monat Supervision.           Fasching im Kloster
                      Das geht von 19.00 bis 21.30 Uhr. Eine           Im Krankenhaus wurden alle christlichen
                      schöne Tradition ist es geworden, dass wir       Feste auch auf der Station gefeiert . Zu
                      beide danach zu Fuß durch die Stadt nach         Weihnachten hatte jede Station einen
                      Hause gehen. Sie bringt mich immer von der       Weihnachtsbaum und eine Krippe. Zu Ostern
                      Mittelstraße bis zum Steinweg, wartet, bis       wurden von den Schwestern Osterlämmer
                      meine Straßenbahn 95 gekommen ist, winkt         für die Station gebacken. Zum Rosenmontag
                      noch kurz und geht dann ins EK. Auf unse-        gab es zum Nachmittagskaffee eine Tasse
                      rem Fußmarsch wird über Gott und die Welt        alkoholfreien Punsch. Am Abend feierten die
                      gesprochen.                                      Ordensschwestern. Sie hatten sich verkleidet
                                                                       und trugen auf ihrem Schleier ein buntes
                                                                       Papphütchen.
                      Krankenkommunion
                      Zur Arbeit eines Seelsorgers im Krankenhaus
                      gehört es auch, den Patienten, die es wollen,

     Sr. M. Basilia

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Sehr eingeprägt hat sich mir die Gastfreund-                "... der liebe Gott kennt
     Ich wünsche dem Krankenhaus, auch weiter-                                      schaft der Elisabethschwestern. Als ich                    mich so gut, da brauche
     hin ein Ort des Glaubens und der Menschlich-    Peter Schmidt                  mehrmals im Monat Nachdienste im Dia-                     ich keine Angst zu haben."
     keit zu sein. Ein Ort, wo es einen Raum der     (ehem. Krankenhausseelsorge)   koniekrankenhaus hatte, durfte ich jeweils
     Stille gibt, mit Mittagsbesinnung, mit dem                                     morgens früh im Dachkämmerchen des Klos-
     Feiern von christlichen Festen (z.B. Barbara,                                  ters unterschlüpfen, um in Ruhe den Schlaf       lag. Als ich schon wieder gehen wollte, sagte
     Elisabeth). Ein Ort, wo neue Abteilungen                                       nachzuholen. Und meine ältere Mitschwester       sie mir, dass sie wohl nicht mehr so lange da
     gesegnet werden, wo man eine christliche                                       Margarete war immer willkommen, um Tage          sein würde. Ob sie das ängstige oder beun-
     Feier zum Examen begeht. Wo Schwerkranke                                       der Stille bei den Schwestern zu verbringen.     ruhige, fragte ich daraufhin. „Nein, der liebe
     und Sterbende immer die Möglichkeit haben,                                     Sie war gerührt, dass sogar ständig ein          Gott kennt mich so gut, da brauche ich keine
     Seelsorge zu bekommen. Wo Mitarbeiter                                          Zimmer für sie reserviert war und ihr Name       Angst zu haben“ war ihre schlichte Antwort.
     offen und ehrlich mit ihren Vorgesetzten                                       dort an der Tür stand. Die letzten Jahre nahm    Etwa eine halbe Stunde später ist sie – für
     sprechen können. Wo es keine Unterschiede                                      sie auch als Hausgast an den Exerzitien der      uns in diesem Moment doch sehr unerwartet
     zwischen Deutschen und „Ausländern“ gibt.                                      Schwestern teil und hat sehr davon profitiert.   – ganz leise gegangen. Hin zu Dem, dem sie
     Wo alle Religionen gleichberechtigt gelebt                                                                                      so vertrauen konnte.
     werden dürfen. Wo die bestehenden Glau-                                        Ein kurzes Gespräch mit einer der Elisabeth-
     bens- und Lebensäußerungen weiterhin Be-                                       schwestern ist bis heute in meinem Herzen        Kleine Schwester Myriam v. Jesus
     stand haben. Wo die Würde des Menschen                                         lebendig. Ich kam morgens in ihr Zimmer, in
     oberste Priorität hat.                                                         dem sie mit einer Lungenentzündung im Bett

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Maria Rother begann 1963 ihre Ausbildung       Schwestern geputzt. Die Zimmer mussten
     als Krankenschwester bei den Ordens-           gewischt werden, die Tischchen usw. Alle 4
     schwestern von der heiligen Elisabeth am       Wochen wurde der Fußboden mit Terpentin
     Standort des Krankenhauses St. Elisabeth       abgerieben. Danach wurde von Hand geboh-
     in der Mauerstraße. Sie war eine von 30        nert, einmal längs und einmal quer. Hatten
     Schülerinnen, die im Internat, der jetzigen    wir nur eine Richtung gebohnert, haben es
     Wahlleistungstation wohnten. Alle 4 Wochen     die Schwestern gemerkt. Dann war es schon
     durften sie nach Hause fahren -                Mittag, da mussten wir uns beeilen, denn das
     nach ordnungsgemäßer Abmeldung bei Sr.         Geschirr musste noch per Hand gewaschen
     Agnes. Damals musste man katholisch sein,      werden. Sonntags mussten in den Zimmern
     um Krankenschwester in einem kirchlichen       Läufer gelegt werden, damit die Besucher mit
     Krankenhaus zu werden.                         ihren Absätzen den Fußboden nicht kaputt
     Um überhaupt eine Ausbildung beginnen zu       machen. Die Läufer mussten natürlich dann
     dürfen, bedurfte es sogar eines Führungs-      auch gereinigt werden.
     zeugnis vom Pfarrer.
     Gearbeitet wurde an 6 Tagen der Woche und
     nach der Arbeit war Schulunterricht. War die
     Klasse schön leise, gab es durchaus auch
     mal einen Bonbon von der Oberin. Alle trugen
     ein Häubchen bei der Arbeit. Am Sonntag
     trug man unter der Schürze ein dunkelblaues
     Kleid, an den Wochentagen ein graues Kleid.

     Der Tag war fest getaktet. Nachdem die         Maria Rother blieb nach ihrem Examen bis
     Patienten ihr Frühstück bekommen haben,        zur Rente am Krankenhaus St. Elisabeth,
     durften die Schwesternschüler in der "Aula"    zuletzt als Leitende Endoskopieschwester.
     frühstücken. Danach war Saubermachen           Noch heute trifft sich die einstige Klasse
     angesagt - einen Reinigungsdienst wie heute    regelmäßig mit den Ordensschwestern und
     gab es damals nicht. Alles wurde von den       denkt gern an die "alten Zeiten" zurück.

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„Ich bin dankbar für
                                 die gute Zusammen-
                                 arbeit mit den Sta-
                                 t ionsteams (2c, 4d
                                 und Dialyse). Mein
                                 Wunsch ist, dass die
                                 Krankenhausseelsor-
                                 ger*innen mit allen
                                 Pat ienten Kontakt
                                 aufnehmen, nicht nur
                                 wenn man nach ihnen
                                 fragt. Meine Erfah-
                                 rung ist: nicht alle,
                                 die sich über meinen
                                 Besuch sehr freuten,
                                 hät ten die Seelsorge
                                 von sich aus gerufen."

                                 fast 50 Jahre im St. Marienstift Mag-
                                 deburg als „Röntgenschwester“, dann
                                 im EK Mitarbeit in der Krankenhaus-     Röntgen, ca. 1930
                                 seelsorge, vor allem für die Dialyse
     Sr. M. Carola Passon (92)

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Als ich 1978 im Röntgen anfing, hatte ich in    dern, Flötenmusik und einer Bescherung mit
     Schwester M. Alberta eine fachliche Stüt-       gegenseitigen kleinen, aber ausgesuchten
     ze, die mir die Wünsche praktisch von den       Geschenken. Die Ausflüge in die Umgebung
     Lippen ablas, was bei ihrer herausragenden      trugen zur Festigung der Mitarbeiter bei.
     Stellung auch zur Realisierung führte. Als      Besonders genossen Schwester M. Waltraud
     sie schon krank war, luden meine Frau und       und Schwester M. Claudia die offene Land-
     ich sie mit Schwester M. Edeltrud zu uns        schaft mit den Felsen im Saaletal. Bei einem
     nach Hause ein, wo wir bei guter Stimmung       Ausflug zum Petersberg grillten wir im Pfarr-
     munter plauderten. Auch zu den damals noch      hof. Als ein Gewitter aufzog, erlaubte uns
     zahlreichen Ordensschwestern in den ande-       Pfarrer Loske, mit all unseren Sachen in die
     ren Bereichen hatten wir als Querschnittsfach   ehrwürdige Stiftskirche umzuziehen.
     gute Kontakte. Zusammen mit Schwester M.
     Roswitha boten wir den Schülerinnen eine        Dr. Hartwig Hintner
     Einführung in die Röntgendiagnostik an.         (ehem. Chefarzt der Röntgenabteilung)
     Gern erinnern sich die Mitarbeiter noch an
     die Abteilungs-Weihnachtsfeier mit Lie-

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Sr. M. Silvia Moska (78)

     lange Jahre Leiterin der Finanzbuchhaltung im
     St. Marienstift Magdeburg, seit ca.10 Jahren
     im Speiseraum des Schwesternhauses.

                      “Ich wünsche dem Kranken-
                      haus, dass der Geist der hl. Eli-
                      sabet h im Krankenhaus erhalten
                      bleibt. Das bedeutet für mich
                      den Zusammenhalt Aller und
                      das gegenseit ige Aufmerksam-
                      keit geben: Mitarbeiter, Pat ienten,
                      Besucher und dass man die
                      Armen nicht vergisst.“

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