Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...

 
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Rückkopplungen aus dem
Zodiak Free Arts Lab

HAU             21.–26.9.2021
Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
Bildet Nischen!
                                                                                                                      Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab
                                                                                                                      21.–26.9.2021 / HAU1
                                                                                                                      Im Winter des Jahres 1967 begann der Musiker und Künstler Conrad Schnitzler, auf
                                                                                                                      Einladung des Wirtes Paul Glaser in zwei Räumen unter der damaligen Schaubühne
                                                                                                                      am Halleschen Ufer, dem heutigen HAU2, das Programm zu gestalten. Mit Mitstrei-
                                                                                                                      ter:innen betrieb er das Zodiak Free Arts Lab über ein Jahr lang als hierarchiefreien
                                                                                                                      Raum für musikalische Experimente und interdisziplinären Austausch. Bis 1969
                                                                                                                      diente das Zodiak als künstlerischer wie sozialer Treffpunkt. Trotz des kurzen Be-
                                                                                                                      stehens kann es als initiierender Ort für zahlreiche musikalische Entwicklungen ver-
                                                                                                                      standen werden – vor allem für die kurze Zeit später entstehende “Berliner Schule”,
                                                                                                                      deren Sound oft unter dem Begriff “Krautrock” zusammengefasst wird und der bis
                                                                                                                      heute in diversen musikalischen Strömungen nachhallt.

                                                                                                                      “Bildet Nischen! Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab” begibt sich auf
                                                                                                                      Spurensuche und beleuchtet die Verbindungen aus politischen, sozialen und kultu-
                                                                                                                      rellen Verhältnissen, die auf die Szene um das Zodiak einwirkten. Welche Gemenge-
                                                                                                                      lagen setzen auch heute noch Energien frei, die sich in (pop-)kulturellen Entwick-
                                                                                                                      lungen manifestieren? Wie findet sich Gegenkultur und welcher Räume bedarf es
                                                                                                                      dafür? Lassen sich Spuren und Bezüge des Zodiak in der kulturellen Praxis späterer
                                                                                                                      subkultureller Entwicklungen im Berliner Underground aufzeigen? Fragestellungen
                                                                                                                      wie diese bleiben bis in die aktuelle Gegenwart für die Entwicklung künstlerischer
                                                                                                                      Positionen relevant. In einem Programm aus Konzerten, Kollaborationen, Installa-
                                                                                                                      tionen, Gesprächen und einer Lecture Performance geht das HAU ihnen nach.

                                                                                                                      Ein Festival des HAU Hebbel am Ufer. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

                                                                                                                      Inhalt
                                                                                                                      “Streifzug durch die Hallräume des Zodiak” von Tobias Schurig                          4
                                                                                                                      “Wir haben die Dinge nicht bewahrt, wir haben einfach gemacht.” Elke Lixfeld,
                                                                                                                      Alfred 23 Harth, Alexander Hacke und Andrea Neumann im Gespräch mit Jens Uthoff        7
                                                                                                                      “Namenlose Experimente” von Patrick Hohlweck                                          19
                                                                                                                      “Der glühende Raum” von Hendrik Otremba                                               23
                                                                                                                      Programm und Akteur:innen                                                             26
Die Fotografien in dieser Publikation sind von Detlef Krenz, gelernter Büromaschinenmechaniker, später studierte er   Zeitplan                                                                              30
Geschichte und Medienwissenschaften. Er war einst Gast im Zodiak, dabei sind die folgenden Bilder entstanden.         Impressum                                                                             31

➝ Während des Festivals wird auch eine Ausstellung mit seinen Fotos im Rangfoyer des HAU1 zu sehen sein.              ➝ Parts of this publication will be translated into English and published on HAU3000: www.hebbel-am-ufer.de/HAU3000

2                                                                                                                                                                                                                                           3
Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
Kulturelle Nischen sind vielfältig. Ihnen im-      Mit “Bildet Nischen!“ begeben wir uns nun auf      Dass unser Zodiak-Festival nun aufgrund von
            manent ist die Randständigkeit, eine Exis-         eine Spurensuche in die Geschichte unseres         Sanierungsarbeiten am und im HAU2 nicht in

Streifzug
            tenz jenseits dessen, was wir als Mainstream       Hauses. Wir wollen einem Phänomen seiner           den Originalräumen wird stattfinden können,
            bezeichnen. Bezogen auf das menschliche            Zeit nachspüren und seine Wirkung bis in un-       empfinden wir nach einer kurzen Phase der Er-
            Zusammenleben im urbanen Raum sind sie             sere Gegenwart hinein untersuchen. Wir wollen      nüchterung schließlich auch als Erleichterung.
            gleichbedeutend mit der kreativen Nutzung          genau hinhören auf das Echo einer Initialzün-      Die Gefahr der Musealisierung, die Versuchung
            von Zwischenräumen – ebenjener Zwischen-           dung, eines Schauplatzes nicht nur für eine Mu-    des Nachstellens von Schauplätzen und Inhal-
            und Freiräume, deren Verschwinden mono-            sik, die Popgeschichte geschrieben hat. Son-       ten ist so von vornherein gebannt. Unser Ex-
            kulturelle Ödnis hervorbringt. Das Wegfal-         dern auch für einen Geist und eine Haltung, die    kurs in den Mikrokosmos Zodiak nimmt zwar
            len solcher Räume ist ein aktuell drängen-         sich weder von gesellschaftlichen Normen           Vergangenes in den Blick, zielt aber auf Gegen-
            des Problem in vielen Städten, in Berlin ein       noch von künstlerischen Gepflogenheiten ein-       wart und Zukunft. Das Festivalprogramm stellt

durch
            viel diskutiertes Politikum. Nicht allein des-     schränken lassen wollen. Denen Freiheitsdrang      dies in unterschiedlichen Facetten dar. Einen
            halb, weil Verdrängung und die Frage, wem          und eine tief sitzende Skepsis gegenüber den       Schwerpunkt bilden exklusive Kollaborationen,
            nun die Stadt gehört, hier allgegenwärtig          verkrusteten Verhältnissen innewohnt, künst-       etwa zwischen dem Noise-Duo die ANGEL (Dirk
            sind, sondern auch weil genau die Nutzung          lerisch und auch politisch.                        Dresselhaus & Ilpo Väisänen) und dem Psyche-
            von Frei- oder Zwischenräumen, mithin die                                                             delic-Visionär Günter Schickert. Schickert war
            kreative Freiheit, selbst untrennbar zur Ber-      Dieses Festival kann und soll nicht abbilden,      damals dabei, ging im Zodiak ein und aus,
            liner Identität gehören. Sie sind es, die das      wie es damals war. Statt einer musealen Auf-       ebenso wie natürlich der Pionier Hans-Joachim
            Gesicht dieser Stadt und das Selbstver-            bereitung wollen wir den Geist des Zodiak im       Roedelius. Roedelius wird wiederum mit dem

die
            ständnis ihrer Bewohner:innen viele Jahre          Austausch mit Akteur:innen der heutigen Ber-       Gitarristen Manuel Göttsching ein gemeinsa-
            lang geprägt haben. Und die kulturellen Ni-        liner Musikszene und darüber hinaus zum            mes Set spielen. Der Schlagzeuger und Kompo-
            schen sind ihre Experimentierfelder und die        Schwingen bringen. Wir suchen die Auseinan-        nist Sven Åke Johansson kollaboriert mit dem
            Bühnen, auf denen sich ihre teils enorme           dersetzung mit dem, was am Ende der 1960er-        Elektroniker Jan Jelinek. Valentina Magaletti,
            Strahlkraft entwickelt. Das Zodiak war so          Jahre in diesen Räumen passierte. Und wir stel-    Andrea Belfi, Marta Sagnoli und Katharina Ernst
            eine Nische. Einer jener kurzzeitig genutzten      len die Frage, was uns dieses kurze, intensive     spielen das exklusive Projekt “merge/emerge”.
            Orte, deren Echo dafür umso länger anhält.         und kaum rezipierte Kapitel (West-)Berliner        Und vieles andere mehr.
                                                               Kulturgeschichte heute noch zu sagen hat. In-

Hallräume
            Ende der 1960er-Jahre entstand im Erdge-           wieweit bestimmten urbane Freiräume die Ge-        Die vorliegende Publikation versammelt Texte,
            schoss des heutigen HAU2-Gebäudes am Hal-          staltungsmöglichkeiten der Akteur:innen von        die sich der Wirkung und Geschichte des Zo-
            leschen Ufer in Berlin-Kreuzberg eine Musik, die   damals? Wie tun sie dies immer noch? Welche        diak auf verschiedene Weise und aus unter-
            bis heute nachhallt. Der Wirkungsmacht dieser      Konstellationen sind es, die künstlerische Ener-   schiedlichen Perspektiven annähern. Hendrik
            Musik, der künstlerischen Positionen ihrer Ma-     gieentladungen ermöglichen, so wie sie da-         Otremba, Künstler, Autor und Sänger der Grup-
            cher:innen und der gesellschaftlichen Relevanz     mals im Zodiak stattfanden?                        pe Messer, hat dem Free Arts Lab einen essay-
            von beidem widmen wir nun ein Festival. “Bil-                                                         istischen Text gewidmet. Mit der ehemaligen
            det Nischen! Rückkopplungen aus dem Zodiak         Wir nehmen Protagonist:innen des Orts und          Zodiak-Mitstreiterin Elke Lixfeld und den Musik-
            Free Arts Lab” setzt gewissermaßen eine Tra-       der Zeit in den Fokus, u.a. Conrad Schnitzler.     schaffenden Alfred 23 Harth, Alexander Hacke

des
            dition des Hauses fort. Schon die HAU-Musik-       Schnitzler war so etwas wie der künstlerische      und Andrea Neumann sprach der Journalist
            schwerpunkte “Detroit – Berlin: One Circle”        Kompass des Zodiak, obwohl er sich selbst          Jens Uthoff. Und eine zeitgeschichtliche Ein-
            (2018) oder “Nachtleben Berlin – 1974 bis          wohl nie so bezeichnen würde. Er gab entschei-     ordnung und Reflexion liefert der Literaturwis-
            heute” (2013) befassten sich mit dem vielfäl-      dende Impulse, er hatte eine Antenne für Men-      senschaftler Patrick Hohlweck.
            tigen musikalischen Erbe des Berliner Under-       schen, die künstlerisch ebenso auf der Suche
            grounds. Eine kritische Begleitung der aktuel-     waren wie er selbst. Diese Menschen vernetzte      Wir danken dem Hauptstadtkulturfonds für die
            len Stadtentwicklungsprozesse, die das kultu-      er miteinander und setzte so Dinge in Bewe-        großzügige Unterstützung, wünschen eine an-
            relle, aber auch das Alltagsleben in dieser        gung. Die Interaktion, die Schnitzler und andere   regende Lektüre und elektrisierende Rück-

Zodiak
            Stadt zunehmend unter eine kapitalistische         initiierten, war nicht zielgerichtet, sondern      kopplungen während der Konzerte! 
            Logik stellen und damit einengen, ist fester Be-   Selbstzweck. So gelang es, mit dem Zodiak für
            standteil des Programms. Die Reihe “Berlin         einen kurzen Zeitraum ein kreatives Milieu an-     Tobias Schurig (Kurator Musik) und das Team
            bleibt! #1–3” (2019–2021) stellte kontinuier-      zulegen. Ein Biotop, das ohne jede Absicht rich-   des HAU Hebbel am Ufer
            lich künstlerische und aktivistische Stimmen       tungweisende Kunst hervorgebracht hat.
            aus Berlin und vor allem aus der direkten Nach-
            barschaft des HAU vor.

                                                                                                                                                                5
Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
“Wir haben
die Dinge
nicht
bewahrt,
wir haben
einfach
gemacht.”
Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
Was passierte im Zodiak Free Arts Lab? Wie inspirierten sich die unterschiedlichen                                                                               Factory, wo es verschiedene intermediale Aktio-
                                                                                                                                                                 nen gegeben hatte. In Köln veranstaltete vorher
Szenen gegenseitig? Welchen Einfluss hatte das Zodiak auf nachfolgende Genera-                                                                                   schon Mary Bauermeister in ihrem Atelier Bau-
tionen? Um diese Fragen zu klären, haben wir mehrere Generationen an den virtuellen                                                                              ermeister Anfang der 1960er-Jahre Happenings
                                                                                                                                                                 und intermediale Abende. Spätere Berühmthei-
Zoom-Tisch gesetzt. Die Malerin Elke Lixfeld, die das Zodiak mitgegründet hat;                                                                                   ten wie Nam June Paik traten dort auf. Mit Karl-
den Musiker Alfred 23 Harth, der dort 1968 das Inventar ansägte; den Musiker                                                                                     heinz Stockhausen war Mary Bauermeister ei-
                                                                                                                                                                 nige Jahre ab 1967 verheiratet. Stockhausen
Alexander Hacke, der in Berlin den Postpunk mitgeprägt hat; die Musikerin Andrea                                                                                 hat natürlich auch einen sehr großen Einfluss
Neumann, die in den Neunzigern erlebte, dass Berlin zur Hauptstadt der improvisier-                                                                              ausgeübt, nicht nur in Westdeutschland. Auch
ten Musik wurde. Ein Gespräch über Experimente, Befreiung, Solidarität – und den                                                                                 die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik ha-
                                                                                                                                                                 ben wichtigen Input gegeben. Was unsere Ge-
unverzichtbaren Underground.                                                                                                                                     neration ausmachte: Wir haben die Dinge nicht
                                                                                                                                                                 bewahrt, wir haben einfach gemacht. Wir waren
                                                                                                                                                                 “Täter:innen”, das Tun stand vor dem Bewahren.
                                                                                                                                                                 Wir konnten deswegen kaum fotografieren oder
Das Zodiak Free Arts Lab existierte nur rund        unsere Gruppe Human Being übergeben. Fortan           Kiffer:innenin diesem weißen Raum liegen. Das
                                                                                                                                                                 archivieren. Heute ist es ja so, dass man alles zu-
eineinhalb Jahre, zwischen Ende 1967 und            haben wir als Kollektiv das Zodiak betrieben. Bo-     war ein offener Glasraum, wie ein Schaufenster.
                                                                                                                                                                 gleich macht. Es wird ein Event kreiert, um ihn
Mitte 1969, aber es gilt als legendärer Ort.        ris Schaak, der 2012 leider verstorben ist, war ein
                                                                                                                                                                 im nächsten Moment bei Instagram oder Face-
Es gibt wenige Bild- und Tonaufnahmen aus           bisschen unser Mastermind. Es gab auch noch ei-       Alfred, du hast auch im Zodiak gespielt. Wie
                                                                                                                                                                 book zu posten.
dem Zodiak. Elke, was war das überhaupt             nen Wirt, den habe ich aber nie groß wahrgenom-       hast du den Ort in Erinnerung?
für ein Raum?                                       men. (Anm.: Der Wirt war der Fotograf Paul Glaser.
                                                                                                                                                                 Welche Rolle spielten Student:innenbewe-
                                                    Glaser war der offizielle Betreiber des Zodiak, er    Alfred Harth: Ich performte 1968 zusammen mit
                                                                                                                                                                 gung und Außerparlamentarische Opposi-
Elke Lixfeld: Es gab zwei Räume im Zodiak. Der      überließ die Programmgestaltung jedoch nach           Sven-Åke Johansson, Rüdiger Carl und Werner
                                                                                                                                                                 tion im Zodiak?
vordere war ganz weiß, ein knallheller Raum         einer Weile Conrad Schnitzler, der sie wiederum       Götz im Zodiak. Die Hauptaktion spielte sich im
mit grellem Licht. Überall standen Plüschsessel     in die Hände von Human Being legte.)                  schwarzen Raum ab. Unser Auftritt war orgias-
                                                                                                                                                                 Elke Lixfeld: Es war eine politisch aufgeladene Si-
und Kanapees, auf denen die                                                                               tisch und wild. Wir machten nicht nur Instru-
                                                                                                                                                                 tuation. Auch die Baader-Meinhof-Gruppe hat
Leute saßen und rauchten.                                            Alfred Harth: Conrad Schnitzler      mentalmusik, sondern ich hatte auch eine
                                    “Oben in die                                                                                                                 sich öfter vor dem Zodiak aufgehalten. Wir ha-
Um in den hinteren Raum zu                                           war eine entscheidende Figur         große Säge dabei, mit der ich die Bühne oder
                                    Schaubühne gingen                                                                                                            ben eine freundschaftliche Beziehung zu denen
gelangen, musste man durch                                           dieser Zeit. Schnitzler hatte ja     das Podium ansägte als Happening-Aktion, im
                                    die reichen, schick                                                                                                          gehabt. “Sympathisant” war ein häufig benutz-
einen kleinen Tunnel hin-                                            bei Beuys studiert, er war ur-       Sinne von Fluxus. Fluxus war ja durch die Aus-
durch. Dann kam man in einen
                                    angezogenen                      sprünglich bildender Künstler.       stellung in Wiesbaden – also in der Nähe von
                                                                                                                                                                 tes Schimpfwort zu der Zeit. Holger Meins, ein
riesigen, schwarzen Raum. Das       Leute. Und während               Er hat sich dann von der bil-        Frankfurt am Main, wo ich lebte – im Jahr 1962
                                                                                                                                                                 wunderbarer Mensch, war damals ein junger Fil-
                                    der  Pau se sahen                                                                                                            memacher und kam ins Zodiak. Ulrike Meinhof
war der “Aktionsraum”, darin                                         denden Kunst abgesetzt, viel-        groß geworden.
                                    sie die jungen                                                                                                               kannte ich sehr gut, wir haben gemeinsam dafür
waren die Tätigen, die Aktiven.                                      leicht auch von Beuys.
                                    Rau  cher:innen      und                                                                                                     gekämpft, dass das Bethanien in Kreuzberg ein
Dort wurde Musik gemacht,                                            Schnitzler hat das Cello ge-         Welches waren weitere wichtige Einflüsse?
                                    Kiffer:innen in                                                                                                              Kinderkrankenhaus bleibt. Astrid Proll schenkte
aber es wurde auch immer                                             spielt, obwohl er es im her-
                                                                                                                                                                 mir Kinderklamotten. Ich habe damals versucht,
dazu agiert. Mit unserer Grup-      diesem weißen                    kömmlichen Sinne nicht               Elke Lixfeld: Das Living Theatre! Wir waren ja fast
                                                                                                                                                                 viele Leute von ihren politischen Aktionen, die
pe Human Being sind wir dort        Raum liegen.”                    “konnte”. Er hat es als Klang-       erschüttert vor Freude, was diese Gruppe uns
                                                                                                                                                                 ich für destruktiv hielt, abzubringen. Also zum
jeden Tag aufgetreten, die be-      (Elke Lixfeld)                   objekt genutzt, es wie ein:e         an Theater, Aktionskunst und Geräuschen ge-
                                                                                                                                                                 Beispiel das IBM-Gebäude mit Steinen zu bewer-
stand aus Norbert Eisbrenner,                                        spätere Punkmusiker:in ge-           boten hat. Der Theatervisionär Frank Burckner
                                                                                                                                                                 fen. Die Parole “Macht kaputt, was euch kaputt-
Broderick Price, Beatrix Rief,                                       spielt. Oder er hat sich seinen      (Anm.: bürgerlich Helmut Kraut) hat das Living
                                                                                                                                                                 macht” hatte schon ihre Berechtigung, doch für
Hans-Joachim Roedelius, Bo-                                          Lautsprecherhelm aufgesetzt          Theatre nach Berlin geholt. Burckner hat uns
                                                                                                                                                                 mich stand im Vordergrund, dass man seinen ei-
ris Schaak, Verena Schirz, Christoph Sievernich und den Kassettenrekorder umgeschnallt. Das               Jüngere mit Kunst bekannt gemacht, die wir
                                                                                                                                                                 genen Weg geht, sich kreativ äußert und sich
und mir. Das Zodiak war ein Ort, an dem man war schon alles sehr originär.                                nicht kannten, er war wie unser Mentor. Wir ha-
                                                                                                                                                                 bewusst macht, wer und was man eigentlich ist
seine Freiheit ausleben konnte. Ein Szeneplatz,                                                           ben am Forum-Theater am Kurfürstendamm ge-
                                                                                                                                                                 und was man tun kann.
an den alle Kreativen kamen, auch die Filme- Die Schaubühne befand sich damals im glei-                   meinsam mit dem Living Theatre das Stück
macher:innen. Es wurde Tag und Nacht Musik chen Gebäude wie das Zodiak, beides war                        “Connection” aufgeführt. Aus dieser Gruppe
                                                                                                                                                                 Alfred, du hast am 17. Juni 1967 das cen-
gemacht. Es wurden auch Filme wie “Chelsea im Haus des heutigen HAU2. In der Schau-                       gingen später Human Being und das Zodiak
                                                                                                                                                                 trum freier cunst in Frankfurt am Main be-
Girls” (Anm.: Andy Warhol, 1966) gezeigt, um bühne hat Peter Stein 1969 erstmals Stü-                     hervor. Den Einfluss des Living Theatre kann
                                                                                                                                                                 gründet. Auch in Frankfurt gab es eine enge
das Bewusstsein zu erweitern.                    cke aufgeführt. Wie war die Beziehung zu                 man meiner Meinung nach gar nicht hoch ge-
                                                                                                                                                                 Verbindung zwischen der linken Polit- und
                                                 dem Theater?                                             nug einschätzen. Eine Künstlerin wie Pina
                                                                                                                                                                 der Kunstszene.
Wer hat denn das Zodiak betrieben?                                                                        Bausch hätte es zum Beispiel ohne das Living
                                                 Elke Lixfeld: Das war eher eine gespaltene Szene-        Theatre so nicht gegeben.
                                                                                                                                                                 Alfred Harth: Unsere Musikszene hatten wir als
Elke Lixfeld: Conrad Schnitzler hatte den Raum rie: Oben in die Schaubühne gingen die reichen,
                                                                                                                                                                 Free-Music-Szene begriffen. Wir waren in dem
ausfindig gemacht, er hat das Projekt aufge- schick angezogenen Leute. Und während der                    Alfred Harth: Wir hatten auch internationale Vorbil-
                                                                                                                                                                 Sinne politisch, dass wir herrschaftsfreie Kom-
baut. Er hat es dann aber relativ schnell an Pause sahen sie die jungen Raucher:innen und                 der wie The Velvet Underground oder Warhols
                                                                                                                                                                 munikation betreiben wollten in unserer Musik,

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Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
mit unserer Musik. Wir grenzten uns damit von ung” (1969) von einer Revolution der Sinne              haben ihn als ironischen Begriff gesetzt – wie-    am Theater am Turm die Experimenta mit Hand-          rischen Entwicklungen. Man muss dazusagen,           “The Box with the Sound of its Own Making” von
dem Free Jazz der Wuppertaler Szene um Peter und der Wahrnehmung, es gab die Literatur                derum gegen die Übermacht der Mangelsdorff-        kes “Publikumsbeschimpfung” begonnen, John            dass es damals viel stärker als heute eine Form      Robert Morris und Objekte von Laurie Anderson.
Brötzmann ab, die eher am “Kaputtspielen” in- der Neuen Sensibilität. Und das Wort “frei”             Clique im Jazz, die in Frankfurt das Territorium   Cage war bei den Darmstädter Ferienkursen             von Lokalchauvinismus gab. Wir Berliner:innen        Und auf eine Gegebenheit weise ich auch immer
teressiert war. Aber auch diese Szene hatte ei- kommt überall vor, ob im Zodiak Free Arts             beherrschte und die Stadt zur westdeutschen        gewesen – an verschiedensten Orten gab es             galten als besonders dekadent, morbide und ar-       wieder hin: Damals gab es in Berlin fünf und an-
nen gewissen politischen Im-                                       Lab, bei Free Agitation, im        Jazzhauptstadt machte. Für den Nachwuchs,          Experimente im Geiste des Umsturzes und Auf-          rogant. All das ist vorteilhaft eingeflossen in      derswo in Westdeutschland drei Fernsehpro-
petus, denn das war ein Auf-       “Es ging uns                    centrum freier cunst oder          zu dem ich gehörte, war da kein Platz. Also        bruchs. Wir wollten die Welt verändern.               das, was da entstanden ist.                          gramme, die um Mitternacht Sendeschluss hat-
schrei. Mit Just Music, der Mu-                                    bei Free Music Production          mussten wir unser Ding do-it-yourself-mäßig                                                                                                                   ten. Danach musstest du dir etwas einfallen las-
                                   insgesamt darum,
sikgruppe, in der ich damals                                       (FMP).                             aufziehen.                                         Alexander, die Do-it-yourself-Haltung und             Was hat dich in erster Linie geprägt?                sen, woran du dich erfreuen konntest.
                                   die ganzen alten,
spielte, wollten wir weg von                                                                                                                             intermediale Performances gab es auch in
                                   vom Dritten Reich
dem Leaderprinzip, das im                                          Elke Lixfeld: Das Wort “Befrei-    Es kam damals sehr vieles aus unterschied-         den frühen Achtzigern – und dass jemand               Alexander Hacke: Meine musikalische und künstleri-   Elke Lixfeld: Zu unserer Zeit gab es Radio Luxem-
Jazz damals üblich war. Die
                                   kommenden                       ung” bezog sich auf die Väter-     lichsten Richtungen zusammen, aus Rock             mit einer Säge auf die Bühne geht, dürfte dir         sche Sozialisation fand im Zensor-Plattenladen bourg, da haben wir Bill Haley, Bob Dylan und
Bands waren seinerzeit alle        Haltungen aufzu-                generation. Es ging gegen die      und Pop, Free Jazz, dem Performance-               auch nicht fremd sein. Inwieweit war der Zo-          statt, den Burkhardt Seiler in der Belziger Straße Donovan zum ersten Mal gehört. Der Radiomo-
nach ihren Leadern benannt,        sprengen     und                Väter, wo viele noch aus dem       bereich, der Neuen Musik. War das deshalb          diak-Zirkel ein bewusster Einfluss auf die            in Schöneberg betrieb. Dort gab es Punk- derator Walter Bachauer vom RIAS war auch
wie etwa das Albert Mangels-       aufzulösen. Bloß                NS kamen und dort fleißig mit-     ein so wichtiger Moment der Kulturge-              Berliner Musikszene der frühen Achtziger?             rockplatten, aber ich entdeck-                                      eine wichtige Figur, der hat
dorff Quintett oder das Man-       keine    Führer:innen-          gemacht hatten. In unserer Er-     schichte, weil da alles kulminierte?                                                                     te auch Gruppen wie The Plas-        Wir Berliner:innen             uns Musik verständlich ge-
fred Schoof Quintett. Es ging      figuren!”                       ziehung – ich bin 1942 gebo-                                                          Alexander Hacke: So blauäugig und naiv, wie ich da-   tic People of the Universe aus       galten als beson-              macht. Und er hat tolle Kon-
uns insgesamt darum, die gan-      (Alfred Harth)                  ren – war das Autoritäre noch      Alfred Harth: Kulmination wäre eine Anhäufung –    mals war, habe ich unsere Performances und            der Tschechoslowakei oder            ders dekadent,                 zerte in der Akademie der
zen alten, vom Dritten Reich                                       vorhanden. Wir haben uns da-       ich denke, es war eher wie ein Aufspringen ver-    Musik in den frühen Achtzigern als eine Ent-          The Nihilist Spasm Band aus          morbide und                    Künste veranstaltet.
kommenden Haltungen aufzu-                                         gegen aufgelehnt.                  schiedener Knospen. Einerseits waren wir in        wicklung gesehen, die einzigartig war, die es         Kanada, die sich 1965 gegrün-
                                                                                                                                                                                                                                                    arrogant.”
sprengen und aufzulösen. Bloß                                                                         das Space Age eingetreten, es gab den Wett-        vorher so nie gegeben hat. Erst im Laufe der          det hatten und mit Alltagsge-                                       Alexander Hacke: In Westberlin
                                                                                                                                                                                                                                                    (Alexander Hacke)
keine Führer:innenfiguren! Der Name Just Music Alfred Harth: Das Wörtchen “frei” war wirklich         lauf ins All, den Kalten Krieg, technologische     Zeit habe ich festgestellt: Das Prinzip der           genständen Musik machten.                                           gab es auch schon immer Ver-
hatte diese Doppelbedeutung, die uns gut ge- überall. Eben auch in der Musik, etwa im Free            Entwicklungen, die Mondlandung 1969. Dann          Zweckentfremdung gab es schon einmal oder             Sehr wichtig für mich war die                                       schmelzungen zwischen den
fiel: Es ist “nur Musik” oder auch “just in dem Jazz – ein Idiom, das in den USA entstanden ist.      gab es die Student:innenbewegung mit sehr          auch diese bestimmte Form von Humor und Iro-          Ausstellung “Für Augen und                                          unterschiedlichen Kunstfor-
Moment entstandene Musik”.                       Insofern lässt sich das nicht nur politisch erklä-   vielen unterschiedlichen Facetten, Woodstock,      nie. Da wurde mir erst bewusst, welche Vorge-         Ohren” in der Akademie der Künste im Jahr men. Man hat nie getrennt zwischen Musi-
                                                 ren als Aufbegehren gegen die Väter. Für unser       die Entstehung alternativer Bewegungen, Ver-       schichte das hatte. Der Ort Westberlin, diese         1980. Die habe ich als 14-Jähriger bestimmt vier ker:innen, Filmemacher:innen und bildenden
Es lag auch viel Theorie in der Luft. Herbert centrum freier cunst haben wir bewusst einen            suche, durch Drogen das Bewusstsein zu er-         abgeschlossene Enklave, in der eigene Regeln          oder fünf Mal besucht. Dort stellten sie selbstge- Künstler:innen, die Sparten haben sich immer
Marcuse schrieb in “Versuch über die Befrei- überheblich klingenden Namen gewählt. Wir                weitern. In Frankfurt hatte Claus Peymann 1966     zu gelten schienen, war wichtig für die künstle-      baute Instrumente von Harry Partch aus oder vermischt. Auch die Politszene hatte ihren Platz

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Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
in diesem Gemisch. Für den Untergrund ist die         gespielt, die sonst nirgendwo Platz hatte. Es war Alfred Harth: Essenziell ist, dass sich bei den Krea-
Reibung, die dadurch entsteht, essenziell. Rei-       ein selbst organisierter Raum in einem besetz- tiven aller Zeiten solche Energien des Aufbe-
bung erzeugt Hitze erzeugt Energie. Es ist wich-      ten Haus in der Dunckerstraße in Prenzlauer gehrens zeigen. Ich finde es auch einleuchtend,
tig, dass die Themen von unterschiedlichen Ge-        Berg. Der Anorak machte nach der Wende auf. dass ihr, Andrea, den Begriff “Echtzeitmusik” für
sichtspunkten aus bearbeitet werden.                  Das Publikum dort war sehr gemischt, von Ob- diese Szene eingeführt habt und ein Buch mit
                                                      dachlosen über Punks mit Hunden bis hin zu diesem Titel veröffentlicht habt. Dadurch habt
Alfred Harth: Die Vermischung gab es in Frankfurt Leuten mit ganz konzentrierten, ästhetisch bi- ihr ja fast ein Genre gefestigt. Zumindest gibt
allerdings auch. Das hatte Westberlin nicht ex- zarren musikalischen und theatralen Ansätzen. der Begriff eine Richtung vor.
klusiv.                                               Das alles ging dort durcheinander. Die Hunde lie-
                                                      fen über die Bühne; die Leute im Publikum Wobei Echtzeitmusik wahrscheinlich eher
Zwischen dem Zodiak und                                                 ploppten mit den Bierflaschen, Nicht-Genre, Post-Genre, Anti-Genre ist.
den frühen Tagen des SO36              “Für den Unter-                  wenn sie sich langweilten. Es
hatte sich Punk ereignet.              grund ist die                    war sehr bunt, sehr krass, su- Andrea Neuman: Ich finde den Begriff auch proble-
Wenn man sich einen Auf-               Reibung (…) essen-               perkaputt. Das Klo war im Win- matisch. Dass wir ihn einführten, hatte eben-
tritt von dir, Alexander, beim         ziell. Reibung                   ter zum Beispiel immer zuge- falls mit einer Gegenbewegung zu tun. Denn im-
Atonal Festival 1982 an-               erzeugt Hitze                    froren. Aber zu der Zeit war provisierte Musik hat man zu der Zeit als etwas
schaut, erkennt man: Da ist            erzeugt Energie.”                völlig klar: Sonntags ging man abgetan, das aus dem Bauch kommt. Dem woll-
ein anderer Style, eine an-                                             in den Anorak. Der Ort hat ten wir – auch musiktheoretisch – etwas entge-
                                       (Alexander Hacke)
dere Energie. Was hat Punk                                              auch die internationale Szene gensetzen. Gleichzeitig ist bis heute unklar,
bewirkt?                                                                angezogen, die Sängerin und welche Musik unter diesen Begriff fällt und wel-
                                                                        Komponistin Shelley Hirsch che nicht.
Alexander Hacke: Punk war als Idee und Haltung oder der Perkussionist und Performancekünstler
wichtig, von der Attitüde her war das für mich David Moss traten da auf. Vom Zodiak habe ich Wie war das Verhältnis der alten Improv-/
als Teenager eine Offenbarung. Aber musika- nur mal gehört, dass Leute mitten im Raum Sex Jazzszene der DDR zu den Echtzeitmusi-
lisch war es noch wichtiger, über Punk hinaus- hatten. Das habe ich im Anorak nie erlebt.               ker:innen der frühen Nachwendezeit?
zugehen. Man hat schnell festgestellt, dass
auch Punk Rock’n’Roll-Musik ist. Klar, ein biss- Gibt es auch von der Haltung und der Grund- Andrea Neuman: Die ältere Generation war sehr prä-
chen schneller und lauter gespielt, doch die idee her Parallelen zu den Vorgängergene- sent, hatte aus meiner Perspektive das Sagen.
Strukturen sind die gleichen: Strophe-Chorus- rationen?                                                 Es war – wie wahrscheinlich häufig – für eine
Strophe-Chorus. Das hat uns gelangweilt. In                                                             jüngere Generation nicht einfach, Gehör zu be-
den Kreisen, in denen ich mich bewegte, war Andrea Neuman: Auch wir waren ziemlich ignorant, kommen, ernst genommen zu werden. Gleich-
man eigentlich auch sehr stolz darauf, dass wir auch wir haben geglaubt, wir erfänden gerade et- zeitig haben die neuen musikalischen Ansätze
in Deutschland diese Krautrockgeschichte hat- was völlig Neues. Wenn man aus Berlin kam, sag- das Alte auch infrage gestellt. Es gab aber auch
ten, die eben nicht einfach die angloamerikani- ten die Leute oft zu einem: “Ah, Berlin, die Stadt teilweise Neugier, gemeinsame Sessions und
sche Musik übernommen hat. Bands wie Neu! des Techno”. Und ich dachte                                                       Konzerte.
aus Düsseldorf, die den 1/1-Rhythmus spielten dann immer: Berlin ist die Stadt             “Berlin ist die Stadt
und niemals den Akkord innerhalb einer Num- der frei improvisierten Musik                  der frei improvisier-            Mit Echtzeitmusik kann man
mer wechselten. Und Ton Steine Scherben wa- mit reduziertem Ansatz, das                    ten Musik mit redu-              jedoch, ähnlich wie mit den
ren mir wichtig. Ich habe die Scherben geliebt. müssen die doch wissen! Oder               ziertem Ansatz, das              früheren Avantgardemusi-
                                                      man wurde auf die Einstürzen-        müssen die doch                  ken, kein Geld verdienen,
Alfred Harth: Die elektronische Szene in Berlin, also den Neubauten angesprochen                                            oder?
                                                                                           wissen!”
das, was man später Berliner Schule nannte, und inwieweit die einen ge-
                                                                                           (Andrea Neumann)
hat ja auch ganz wesentlich seinen Ursprung prägt hätten. Ehrlich gesagt                                                    Andrea Neuman: Geld ist ein wich-
im Zodiak gehabt. Ich denke da an Tangerine waren die aber gar nicht so ein                                                 tiger Punkt. Das Nicht-Kom-
Dream oder Ash Ra Tempel.                             wichtiger Einfluss für mich.                                          merzielle war Teil der ganzen
                                                      Diese Ignoranz ist vielleicht auch wichtig, um Ideologie. Bis heute ist das eine prekäre Szene,
Andrea, in den frühen Neunzigern gab es sich abzugrenzen. Wenn eine jüngere Generation inzwischen lebt sie von Kulturförderung. In den
dann Orte wie das Anorak im Ostteil der auf den Plan tritt, dann wird oft erst mal abge- Neunzigern war das anders. Es gab diese Frei-
Stadt, aus dem später das ausland hervor- wertet, was vorher war. Bei uns war das vor allem räume im Osten, die nichts kosteten. Man
ging. Zwischen dem Zodiak und dem Ano- der energetische Free Jazz, bei dem es darum konnte mit sehr wenig Geld seinen Lebensun-
rak gibt es einige Parallelen: Es gibt wenig ging, immer lauter, schneller und krachiger zu terhalt bestreiten, ähnlich wie in den Achtzigern
Bewahrtes und Archiviertes. Hat dich das spielen. Das haben wir abgelehnt. Wir sind auf in Westberlin.
eben Beschriebene an die Szene im Anorak Gegenkurs gegangen, indem wir die Stille zum
erinnert?                                             Nonplusultra erhoben haben. Das war irgend- Alexander Hacke: Ich möchte an der Stelle mal eine
                                                      wann eine ästhetische Entscheidung innerhalb Lanze brechen für den Untergrund. Es sollte al-
Andrea Neuman: Teils, teils. Im Anorak war es auf je- dieser Szene, die auch Berliner Reduktionismus len klar sein, wie wichtig dieser radikale Unter-
den Fall auch ziemlich wild. Dort wurde Musik genannt wurde.                                            grund für die Entwicklung von Kultur und Ge-

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Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
sellschaft ist. Das Zodiak war totaler Unter-     Männer haben frei rumexperimentiert, auch            Alexander Hacke: Die Zweckentfremdung. Also dass
grund, selbst wenn da vielleicht auch mal ein     wenn sie kein Instrument spielen konnten; sie        ein Raum wie ein Theater genutzt werden kann,
paar Hundert Leute vor der Tür standen. Es war    waren mutiger. Die Frauen dagegen sollten erst       dass da aber auch etwas anderes und mögli-
eine Gegenbewegung. Ich finde es wichtig, dass    mal beweisen, was sie können. Der Anorak hat         cherweise weniger kommerziell Verwertbares
auch die nächsten Generationen ermutigt wer-      diesbezüglich einfach die Gesellschaft abgebil-      stattfinden kann. Das sind wichtige Orte, an de-
den, eigene radikale Wege zu gehen.               det. Da hat sich in den vergangenen 25 Jahren,       nen radikale, ungewöhnliche, aufregende Dinge
                                                                    in denen ich aktiv bin, enorm      passieren können.
Elke Lixfeld: Im Zodiak waren an-   “Die   schlichte                viel verändert.
fangs alle Veranstaltungen                                                                             Andrea Neuman: Der Wert der Solidarität. Solidari-
                                   Tatsache, dass da
kostenlos. Aber wir haben                                          Alfred Harth: Seit Ende der Sech-   tät in dem Sinne, dass Leute so dringlich etwas
                                   ein Raum zur Ver-
eben auch wenige Ausgaben                                          ziger arbeite ich mit der belgi-    wollen, dass sie sich zusammentun und für die-
                                   fügung gestellt wird
gehabt. Wir haben auf Mate-                                        schen Künstlerin und Pianistin      ses Ziel hart arbeiten. Ich habe diese Solidarität
rielles nicht viel gegeben, ge-
                                   und dass einem                  Nicole Van den Plas zusam-          in den Neunzigern erlebt, und ich sehe sie auch
brauchte Kleidung getragen,        signalisiert    wird:           men. Ich habe schon damals          im Zodiak widergespiegelt. Die Musikerin und
alte Möbel benutzt. Ich muss       Hier kann alles                 festgestellt, dass mit Frauen       Kuratorin Steffi Weismann hat eines ihrer Kol-
aber dazu sagen, dass ich die      passieren.     Allein           innerhalb eines frei improvisie-    lektive Fernwärme genannt. Der Begriff passt
ganze Technik, die in den          das erzeugt einen               renden Idioms ein ganz ande-        gut. Es geht darum, dass man sich gegenseitig
Räumen stand, viel später im-      Magnetismus.”                   rer Sound entstehen kann. Es        unterstützt, ohne als Erstes daran zu denken,
mer noch abbezahlt habe.           (Alfred Harth)                  kommen andere Parameter             was man selbst davon hat.
Das waren Fernseher, Geräte                                        zum Vorschein. Wir spielten in
und Instrumente im Wert von                                        einer Zeit zusammen, als es         Elke Lixfeld: Ich antworte mal aus meiner persön-
60.000 D-Mark. Ich habe im-                                        die Feminist Improvising Group      lichen Warte: Ich habe meine Kreativität im Zo-
mer Geld ins Zodiak reingesteckt, ohne mich mit Lindsay Cooper und Irène Schweizer noch                diak weiterentwickelt, weil ich dort meine Per-
hätte es das vielleicht gar nicht gegeben. Als lange nicht gab. Und die Wuppertaler Jazzkul-           formances machen konnte. Und ich denke gern
Malerin hatte ich damals mehr Möglichkeiten, tur war eben ein reiner Männerclub, nicht selten          an die vielen Einflüsse und die tollen Menschen
Geld zu verdienen, als die Musiker:innen. Erst in mit Alkohol als Motor. Damit hatte ich als Mann      und Musiker:innen zurück, die ich kennenge-
späten Tagen des Zodiak fing Hans-Joachim damals auch Probleme, weil es hieß: Nur wenn                 lernt habe. An Human Being, aber auch an Sven-
Roedelius an, etwas Eintritt zu nehmen, damit du ein richtiger Trinker bist, bist du auch ein          Åke Johansson und Tangerine Dream, die sehr
durch die Veranstaltungen zumindest ein biss- richtiger Mann. Das waren so verblödete oder             oft bei uns spielten.
chen Geld reinkam.                                 verblödende Realitäten.
                                                                                                       Alfred Harth: Die Idee des Freiraums. Die schlichte
Andrea Neuman: Da möchte ich anmerken: Wenn         Wenn wir das Zodiak aus dem Jahr 2021              Tatsache, dass da ein Raum zur Verfügung ge-
man über das Zodiak liest, werden dort meist        heraus betrachten: Was ist die prägende            stellt wird und dass einem signalisiert wird: Hier
lauter Männernamen genannt. Die Musikge-            wichtige Idee, die bleibt?                         kann alles passieren. Allein das erzeugt einen
schichtsschreibung ist oft sehr männlich. Bei                                                          Magnetismus. Da wollen die Leute hin, das
uns im Anorak war die Szene auch männerlas-                                                            spricht sich rum. Es ist ganz wichtig, dass so et-
tig, die Frauen standen oft hinter der Theke. Die                                                      was kulturell erhalten bleibt. 

Elke Lixfeld, *1942, ist freie Künstlerin und Malerin. Sie hat mit der Gruppe Human Being im Zodiak das Programm kuratiert.
Sie lebt in Berlin und La Palma.

Alfred Harth (auch: Alfred 23 Harth), *1949, ist Komponist, Experimentalmusiker und Multimediakünstler. Er lebt heute in Seoul.

Alexander Hacke, *1965, ist u.a. Bassist bei den Einstürzenden Neubauten, arbeitet als Solomusiker, gemeinsam mit seiner Frau
Danielle de Picciotto und in vielen weiteren Projekten. Er lebt in Berlin.

Andrea Neumann, *1968, ist Komponistin und Musikerin. Sie hat Klavier an der Hochschule für Künste studiert und macht seit vielen
Jahren experimentelle Musik mit dem Innenklavier (einem nur aus Resonanzboden und Saiten bestehenden Instrument).
Sie ist Mitorganisatorin der Reihe “Labor Sonor”. Sie lebt in Berlin.

Der freie Autor und Journalist Jens Uthoff hat das Gespräch im Auftrag des HAU Hebbel am Ufer geführt und redaktionell bearbeitet.
Er lebt in Berlin und schreibt u.a. für “taz. die tageszeitung”, “Jungle World”, “Musikexpress” und die “Literarische Welt”.

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Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
Rückkopplungen aus dem Zodiak Free Arts Lab 21.-26.9.2021 - Hebbel am ...
Namen-
lose
Experi-
mente
Das Zodiak Free Arts Lab war ein Ort für Experimente mit offenem Resultat. Die Ak-                                                                     einen Prozess der permanenten Reflexion über-
                                                                                                                                                       führt wurden. Wenn auf diese Weise die Wieder-
teur:innen wollten Traditionen überwinden und Bedingungen für Unbekanntes schaf-                                                                       holbarkeit der klanglichen Ereignisse entschei-
fen. In seinem Text ordnet Patrick Hohlweck das Zodiak zeitlich, räumlich und musi-                                                                    dend die Zeitform des Gespielten veränderte,
                                                                                                                                                       war es die Einführung des Synthesizers in Kess-
kalisch ein und schlägt vor, es weniger als spezifisch Berliner oder deutsche Gegen-                                                                   lers Studio, die den Musiker:innen ein neuarti-
kultur zu verstehen, sondern vielmehr als Teil eines transnationalen Netzwerks von                                                                     ges, nicht mit der Assoziation einer musikali-
                                                                                                                                                       schen Tradition belastetes Instrument in die
genreübergreifenden Projekten.                                                                                                                         Hand gab.

                                                                                                                                                       Im Zodiak Free Arts Lab wurde ein Imperativ des
In einem 1937 gehaltenen Vortrag zur “Future gegenüber bundesdeutschen Verkrustungen.              “Electronic Meditation” von 1970 zu hören ist,      Experiments, des Neuen und Unbestimmten kul-
of Music” plädierte John Cage für die Einrich- Nun, Ende der 1960er-Jahre, erschienen sie vie-     hat mit Blues nichts zu tun; vielmehr verrät        tiviert, der spezifisch für die ästhetisch-politi-
tung von “Zentren experimenteller Musik”: Dort len vor allem als Ausdruck von Kulturimperia-       Froeses behelfsmäßiger Sprachgebrauch, dass         sche Gemengelage im Westberlin der späten
stünden, so malte Cage es sich aus, “die neuen lismus. Selbst Jazz in seiner inzwischen etab-      die Bewegung auf einem noch unmarkierten            1960er-Jahre war. Trotz dieser frenetischen Zu-
Materialien, Oszillatoren, Plattenspieler, Gene- lierten Form war – so der Labelbetreiber Rolf-    musikalischen Terrain eine unsichere ist. Die       kunftsgewandtheit versteht sich damit noch
ratoren, Mittel zur Verstärkung leiser Klänge, Ulrich Kaiser – längst auch “in den Konsumpro-      Akteur:innen gehen von tradierten Formen aus,       nicht von selbst, dass das Zodiak, wie eine gut
Filmphonographen usw. zur Verfügung. Kom- zeß bürgerlicher Kunstverwalter integriert“              um sie zu überschreiten: sei es die Qualifikation   etablierte historische Erzählung lautet, damit
ponisten, die die Mittel des zwanzigsten Jahr- und damit zu überwinden. Mit Neuer Musik,           von Blues als “experimentell”, sei es die Orga-     zur Geburtsstätte des Krautrocks wurde. Denn
hunderts verwenden, um Musik zu machen. angloamerikanischer Popmusik und Jazz sind                 nisationsform als Band, die im Zodiak durch die     es bedurfte dafür einer Gestaltung der am Hal-
Aufführungen der Resultate. Klangorganisation wohl die wichtigsten musikalischen Impulse           Einbeziehung des Publikums überschritten            leschen Ufer freigesetzten Potenziale, die ent-
zu außermusikalischen Zwecken (Theater, für Krautrock benannt; dennoch ist damit noch              wird, oder sei es eine rock- oder jazztypische      weder, wie die technologischen Erweiterungen
Tanz, Radio, Film).” Als dreißig                                  wenig bis nichts über die        Instrumentierung, die durch unsachgemäßen           in Kesslers Wilmersdorfer Studio, die Arbeit am
Jahre später das Zodiak Free                                      Soundhappenings ausgesagt,       Gebrauch oder die Verwendung nicht-musika-          kompositorischen Prozess und von dort aus die
                                   Mit Neuer Musik,
Arts Lab einen mindestens                                         die im Zodiak stattfanden. Die   lischer Gegenstände aufgebrochen wird.              musikalische Form betrafen oder aber die
                                   angloamerikani-
ähnlichen Impuls in den Räum-                                     wenigen Dokumente, die er-                                                           Marktgängigkeit der Musik mit Kategorien wie
                                   scher Popmusik und                                                                                                  der des “Kosmischen” oder später des Kraut-
lichkeiten am Halleschen Ufer                                     halten sind – die Fragmente      Damit ist für die Aktivitäten im Zodiak eine ge-
                                   Jazz sind wohl die                                                                                                  rocks: auf unterschiedlichen Ebenen angesie-
aufgriff, war die Zeit in beson-                                  der Auftritte von Human Being    wisse Gegenständlichkeit ohne Gegenstand
                                   wichtigsten musika-                                                                                                 delte Handhabungen und Handhabbarmachun-
derer Weise reif für Experi-                                      und Guru Guru in Dietmar         veranschlagt. Die Performances markieren eine
mente dieser Art. Die avant-
                                   lischen Impulse für            Buchmanns und Rainer Boldts      ereignishafte Suchbewegung, deren Gelin-            gen eines ungreifbaren Phänomens, die not-
gardistischen Entwürfe der         Krautrock     benannt;         Kurzfilm “Zodiak” (1969) so-     gensbedingungen im Dunklen liegen und die           wendig einen Rest zurückbehalten.
Minimal Music, der Musique         dennoch ist damit              wie Human Beings erst 2009       sich der Benennung und Identifikation, zumin-
concrète oder der frühen           noch     wenig  bis            erschienenes Album “Live at      dest teilweise, entzieht. Die nebligen Improvi-     Ein Ort ohne Gegenstand: Was der Betreiber des
elektronischen Musik trafen        nichts über die                the Zodiak” –, lassen keinen     sationen, die das Geschehen im Zodiak bestim-       Zodiak, der zu Unrecht vielfach vergessene Paul
ebenso wie die Einsätze der        Soundhappenings                Zweifel daran, dass das, was     men, markieren etwas, das als reines Potenzial      Glaser, seinem künstlerischen Direktor Conrad
“Happenings” oder des Fluxus       ausgesagt, die im              dort geschah, in keinem der      beschrieben werden könnte und dessen äthe-          Schnitzler ermöglichte, war die Schaffung einer
Ende der 1960er-Jahre auf          Zodiak stattfanden.            musikalischen Einflüsse auf-     rischer, unkörperlicher Charakter auf unter-        gegenkulturellen Infrastruktur, innerhalb derer
eine politische Imagination,                                      ging. Vielmehr ist das Zodiak    schiedliche Weise kanalisiert werden musste.        Akteur:innen weitgehend ohne allfällige Ver-
die häufig genug in Spannung                                      Schauplatz echter Experi-        Für die Entwicklung einer eigenen Formenspra-       wertungszwänge arbeiten konnten. So ent-
zu den künstlerischen Experi-                                     mente, ein Zentrum für expe-     che dieser neuen Generation von Berliner Mu-        stand, für einen flüchtigen Augenblick, ein Ge-
menten stand, aber auf ähnliche Weise an Zä- rimentelle Musik im Sinn Cages: “Experimen-           siker:innen etwa war tatsächlich erst ab 1969       genort oder eine Nische, die an den zeitlichen
suren, Diskontinuitäten und Neuheit interes- tell“ als Beschreibung einer Handlung, die nicht      – und damit im direkten Anschluss an die inten-     (man öffnete erst um 22:00 Uhr), räumlichen
siert war. Dies galt, aus anderen Gründen, be- scheitern oder gelingen kann, sondern deren         sive Zodiak-Zeit – das Electronic Beat Studio       und ideellen Rändern des bürgerlichen West-
sonders für Westdeutschland: Der erst kürzlich Resultate unbekannt sind.                           maßgeblich, das der Schweizer Komponist             berlins einen Raum für Außenseiter:innen aller
geschehene Zivilisationsbruch der Shoah und                                                        Thomas Kessler im Keller einer Wilmersdorfer        Art bildete: “Typen Kommunarden Künstler Pro-
die personellen Kontinuitäten in praktisch allen Zeitgenössisch geht damit auch einher, dass       Berufsschule eingerichtet hatte und in der          pheten […] Fixer […] Sensible Esoteriker […]
Bereichen des Disziplinarapparats des NS- gerade diese Namenlosigkeit der Ereignisse               Künstler:innen wie Tangerine Dream, Ash Ra          Schläfer Abgeschlaffte” und viele mehr. Nicht
Nachfolgestaats machten nicht nur für die Pro- und die Unvorhersehbarkeit der Performances         Tempel, Klaus Schulze oder Agitation Free die       einen spezifischen Stil oder Sound auszuprä-
tagonist:innen dessen, was später Krautrock im Zodiak – Proben vor Publikum, wie Klaus             Möglichkeit hatten zu proben. An die Stelle der     gen, sondern Bedingungen zu schaffen für das
heißen sollte, radikal antitraditionalistische Schulze sie beschrieb – es erschwerten, eine        Proben vor Publikum, die im Zodiak die musi-        Weirde und Unbekannte, so lautete die Aufgabe
Entwürfe besonders attraktiv.                     Sprache für sie zu finden: Tangerine-Dream-      kalischen Ereignisse ganz im Raum der Koprä-        dieses Raums. Darin war das Zodiak impulsge-
                                                  Gründer Edgar Froese suchte noch Ende 1968       senz und in einer irreversiblen Zeit der Perfor-    bend für Künstler:innen aus ganz Deutschland,
Die angloamerikanischen Beat oder Blues, per Anzeige im britischen “Melody Maker” nach             mance hatten aufgehen lassen, trat in Kesslers      die dort auftraten oder, wie etwa Irmin Schmidt
Werkzeuge der Re-education eigenen Rechts, Mitstreiter:innen, “(long haired) to re-form one        Studio eine Praxis der geradezu obsessiven          (Can), als Besucher inspiriert wurden. Trotzdem
waren nicht nur für viele der Zodiak-Protago- of the best German experimental blues                Bandaufnahmen von Sessions, die angefertigt,        ist das Zodiak vielleicht weniger als Teil einer
nist:innen lange Zeit Medien der Emanzipation groups”. Was auf Tangerine Dreams Debüt              angehört sowie diskutiert wurden und damit in       spezifisch deutschen oder Berliner Gegenkul-

20                                                                                                                                                                                                          21
Der
                                                                                                                                                       glü-
                                                                                                                                                       hende
                                                                                                                                                       Raum
turgeschichte zu verstehen als vielmehr als      schreitungen arbeiten, wäre allerdings nicht als   Kitchen in New York, das Warehouse in Chicago,
Element eines transnationalen, historischen      die Geschichte eines umfassenden, künstleri-       wo der eklektische Mix, den DJ Frankie Knuckles
Netzwerks von crossmedialen und transdiszip-     schen Projekts zu beschreiben, sondern als die     zwischen 1977 und 1983 spielte, behelfsweise
linären Gegenorten, deren Zusammengehörig-       Geschichte eines Spuks, der an unterschiedli-      als “Warehouse Music” und später als “House
keit sich häufig nicht über direkte Einfluss-    chen Orten unterschiedliche Gestalt annahm         Music” bekannt werden sollte. Als Gegenge-
nahme, sondern über eine Art Geistesver-         und annimmt. Sicher würden zu diesem Netz-         schichte ernst genommen wäre sie jedoch in
wandtschaft vermittelt.                          werk neben früheren Unternehmungen wie dem         erster Linie die Geschichte jener unzähligen
                                                 Institute of Contemporary Art in London oder       Räume, die ihren Protagonist:innen einen siche-
Eine Geschichte dieser teilweise ungesicherten   Andy Warhols Factory auch das dem Zodiak           ren, inspirierenden Rückzugsort geben, um sich
und ihrerseits potenziellen Geistesverwandt-     zeitgenössische und namensgebende Arts Lab         auszuprobieren und zu entfalten: namenlose
schaften zwischen Orten, die mit “Mitteln des    in London gehören. Eine solche Geschichte um-      Orte des Experiments, des Do-it-Yourself, Gegen-
zwanzigsten Jahrhunderts” (Cage) an Über-        fasste außerdem sagenumwobene Orte wie The         orte, Nischen. 

Der Literatur- und Kulturwissenschaftler
 Otto-Suhr-Siedlung,    Kreuzberg        Patrick Hohlweck lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.

22
Jede Avantgarde braucht günstige räumliche Bedingungen zum Gedeihen. Das West-
berlin der 1960er-Jahre bot mit seinen vielen frei und unkommerziell nutzbaren Orten
diverse Möglichkeiten zum künstlerischen Experiment, von denen auch das Zodiak
Free Arts Lab profitierte. In seinem Text bedauert Hendrik Otremba das Verschwin-
den solcher Orte heute und verlangt nach mehr Freiraum und freien Räumen.

Das Entstehen jener Avantgarden, deren Strahl- als früher Beuys-Schüler mit Fluxus infiziert, ei-   dem schnellen Ende, zog es viele der Künst-
kraft über die Jahrzehnte nicht an Intensität nige elektronische Impulse aus Düsseldorf mit-        ler:innen wieder zurück in die Provinzen, wo sie
abnimmt und die in ihrer Innovation rückbli- brachte. Berlin begegnete ihm ungeebnet, war           – zum Teil bis heute – mit der Erfahrung jenes
ckend noch zu wachsen scheinen, ist in der spürbar noch Ruine, Brachland, Spielplatz.               unwiederholbaren Momentums ausarbeiteten,
Kunstgeschichte oft an einen bestimmten Ort Klaus Schulze sagt: “Berlin war zu der Zeit im          was sie im Zodiak so prägte: Formen reiner, mu-
gebunden: Ein Zeitgeist bringt gleichgesinnt allerbesten Sinn kaputt, es herrschte eine auf-        sikalischer Energie.
Suchende zusammen, die sich auf sozialer Ebe- regende destruktive Romantik.” Ab 1968 be-
ne zunächst in Abgrenzung und Distinktions- spielte Schnitzler mit einigen anderen den Zo-          Legt man diesen Grundriss fünfzig Jahre später
bestreben gegenüber Feindbildern und frühe- diak Club, in dem – für eine Dauer von einem            über den Bauplan des HAU, wird klar, dass die
ren Generationen formieren. Die Anhänger:in- Jahr schon als situativ gedachtes Labor ange-          Linien in ihren letztendlichen Bedingungen
nenschaft der so entstehenden (verschwore- legt – in kurzer Zeit möglichst viel passieren           kaum noch aufeinander passen: War das Zo-
nen) Gemeinschaft eignet sich dann in dilet- sollte. Oben die Schaubühne, unten, nach 22:00         diak ein spontan erschlossener Raum ohne Ge-
tantisch gefärbter Experimen-                                     Uhr, wenn der letzte Vorhang      winnabsicht, Bringschuld, Verantwortung (und
tierfreude nicht selten neue                                      gefallen war, ein schwarzer       auch ohne finanzielle Förderung einer manifest
                                    Die Gestrandeten
Technologien an oder deutet                                       und ein weißer Raum. Bau-         formulierten Ausrichtung oder bewussten Per-
                                    sehnten sich nach
bestehende Verfahren um.                                          haus statt Hippietum. Im          spektive im Sinne eines Kulturauftrags), ist das
Somit verbindet sich ein pro-
                                    Freiheit und waren            schwarzen Raum vier Po-           heutige HAU Hebbel am Ufer eine Kulturstätte,
grammatisches Streben nach          nicht   selten dem            deste, auf denen bald impro-      die – gefördert, kuratiert, abgesichert und re-
ungeahnten Formen mit äs-           biederen Bürgertum            visiert wurde zwischen Free       daktionell begleitet – den damals freigesetzten
thetisch radikalen und darin        der  geistigen                Jazz, Rock und elektronischer     Energien nachspürt, jedoch kaum als Raum für
in Opposition zu den vorherr-       Provinzialität                Musik – was letztlich zur Ur-     das Entstehen einer solch folgenreichen Explo-
schenden bürgerlichen Ge-           entflohen.                    suppe werden sollte für jenen     sion dienen kann. Die Programme sind von lan-
sellschaftsnormen stehenden                                       diffusen Genrebegriff, der heu-   ger Hand geplant. Das ist nicht schlimm; ganz
Inhalten. Es entsteht etwas,                                      te zum weltweiten Bezugs-         im Gegenteil lässt sich insbesondere an diesem
das sich an seiner Intensität                                     punkt des musikalisch Pro-        Festival aufzeigen, wie wichtig Orte wie das
gemessen als originell und neuartig, ja, als gressiven gilt: Krautrock. Wenn man sich an-           HAU sind: um an die Bedeutung des konkreten
avantgardistisch beschreiben lässt. Und dieser schaut, wer da binnen eines Jahres aufeinan-         künstlerischen Freiraums zu erinnern und den
Prozess vollzieht sich dabei auch bezogen auf dertraf und was dann aus diesen Leuten später         gegenwärtigen Freigeistern überhaupt eine
seine Orte eben nicht im luftleeren Raum. Die wurde, lässt das Vergleiche mit Warhols               Spielstätte zu bieten. Doch lässt diese imagi-
Avantgarden werden vielmehr begünstigt – Factory und dem CBGB in New York zu. Hier tra-             näre Überblendung zweier Ortsbedeutungen
und nicht selten inspiriert – von lokalen, räum- fen sich die, die später “Berliner Schule” ge-     eine:n mit dem bedauernden Bewusstsein zu-
lichen Bedingungen.                               nannt wurden – besagte Schnitzler und Schulze,    rück, dass die Petrischalen der Avantgarden
                                                  Edgar Froese, Günter Schickert, Michael Hoenig,   durch die Dichte des Kapitalismus schlicht ih-
In den 1960er-Jahren der alten BRD war West- Dieter Moebius, Roedelius u.v.m. (u.a. in folgen-      res Raums in der Stadt beraubt sind. Wo einst
berlin eine Stadt, die ein solches Potenzial bot: den Bands: Human Being, Agitation Free, Ash       Erfindungsreichtum stattfand, steht heute Ei-
eine Insel, vergleichsweise frei von Repression, Ra Tempel, Tangerine Dream). Jede:r mit je-        gentum. Berlin, das lässt sich nicht leugnen, ist
billig, bespielbar. Die Gestrandeten sehnten der:m bildeten die autodidaktischen Klangfor-          verkauft. Was es also braucht – und was die
sich nach Freiheit und waren nicht selten dem scher:innen kurze, situative Gruppen, die die         Berührung von Vergangenheit, Gegenwart und
biederen Bürgertum der geistigen Provinziali- Aura ihrer Werke bewahrten, indem sie sie             Zukunft, die dieses Festival ganz unmissver-
tät entflohen. Abenteuer statt Wirtschaftswun- nicht planten, konservierten oder wiederhol-         ständlich entwirft –, sind Räume, die noch nicht
der. Conrad Schnitzler kam auf verschlunge- ten. Das Zodiak war im wahrsten Sinne des               wissen, was in ihnen geschehen wird! 
nen Wegen nach Berlin, wohin er, nicht zuletzt Wortes ein glühender Freiraum. 1969, nach

Hendrik Otremba, Schriftsteller und Musiker, spürt seit vielen Jahren den Pionier:innen musikalischer Avantgarden nach.

                                                                                                                                                        Collage aus Archivmaterial von Sven-Åke Johansson und einem Filmstill aus Dietmar Buchmanns Kurzfilm “ZODIAK” (1969, © DFFB Archiv).

24                                                                                                                                                                                                                                                                                             25
Bildet Nischen!                                                                                                                                                                                                                            Programm und Akteur:innen
 21.–26.9. / HAU1, Foyers                                                           Mi 22.9., 19:00 / HAU1                                                            Mi 22.9., 21:00 / HAU1                                                        Do 23.9., 18:00 / HAU1
  Music Is Not Language. Neither Is It Painting. Just Music.
  Soundinstallation von Conrad Schnitzler & Wolfgang Seidel                        Valentina Magaletti,                                                              Günter Schickert &                                                            Galina Ozeran, Etkin Çekin,
  Conrad Schnitzler und Wolfgang Seidel arbeiteten seit den frühen 1970er-         Andrea Belfi, Marta Salogni,                                                      die ANGEL (Dirk Dresselhaus,                                                  Sebastian Lee Philipp
  Jahren zusammen, als Seidel Mitmusiker in Schnitzlers frei improvisierender
                                                                                   Katharina Ernst                                                                   Ilpo Väisänen)                                                                The Ghost Zoo / Konzert
  Gruppe Eruption wurde. Kurz vor Schnitzlers Tod im Jahr 2011 überreichte
  er Seidel eine Festplatte mit seinem Archiv. Ein Stück stellte sich als eine     merge/emerge / Konzert                                                            Konzert                                                                       Galina Ozeran, Etkin Çekin und Sebastian Lee Philipp treffen sich zum ers-
  Spoken-Word-Aufnahme heraus, passend “CONtext” benannt, in der                                                                                                                                                                                   ten Mal zusammen auf der Bühne, um im Unterbewusstsein schlafende Ah-
                                                                                   Valentina Magaletti, Andrea Belfi, Marta Salogni und Katharina Ernst wer-         Günter Schickert und die ANGEL (Ilpo Väisänen und Dirk Dresselhaus) wer-      nentiere zu wecken. Mit ihrem improvisierten Zusammenspiel rufen sie
  Schnitzler humorvoll seine musikalische Philosophie beschreibt. Um diese
                                                                                   den im HAU das erste Mal als Quartett auftreten. Drei explodierende               den zum ersten Mal im Trio für “Bildet Nischen!” ein Konzert spielen. Schi-   diese auf, sich dem sakralen Klangritual anzuschließen. Welche Geister-
  Art Manifest arrangierte Seidel eine Raumklanginstallation für acht Boxen,
                                                                                   Schlagzeuge. Klangsplitter, die in unerwarteten Kombinationen zueinan-            ckert wird mittels selbstgebauter Klangobjekte sowie Blas- und Perkus-        wesen zur Wasserstelle kommen werden, wissen nicht einmal die
  die bei “Bildet Nischen!” erstmalig in der angedachten 8-Kanal-Installation
                                                                                   der finden. Aufgezeichnet auf Tonbändern, die sich in Unendlichkeiten wie-        sionsinstrumente akustische Signale in die Mischpulte von Dresselhaus         Musiker:innen selbst. Inspiriert von Pauline Oliveros’ Ansatz, immersive
  zu hören sein wird.
                                                                                   derholen. merge/emerge.                                                           und Väisänen senden. Durch Effektschleifen, Elektronik und Re-Sampling        Hörerfahrungen durch das Sammeln von Klängen aus der Atmosphäre zu
  Grau abgestuft – Zwischen weißem und schwarzem Raum                                                                                                                verarbeiten und arrangieren sie diese neu und erweitern sie durch eigene
                                                                                   Valentina Magaletti ist Schlagzeugerin, Komponistin und Perkussionis-                                                                                           schaffen, wird das Stück Feldaufnahmen von der aktuellen HAU2-Baustelle
  Fotografien von Detlef Krenz                                                                                                                                       Klänge aus Analog-Synthesizer und präparierter E-Gitarre. Das Arrange-
                                                                                   tin, deren Ziel es ist, eine folkloristische und eklektische Palette durch end-                                                                                 beinhalten. Auf diese Weise will The Ghost Zoo die Geister der Vergangen-
  Detlef Krenz kam als 19-jähriger Musik- und Fotografie-Enthusiast ins Zodiak.                                                                                      ment dieses speziellen Set-ups eröffnet einen Raum für Improvisation, in      heit einfangen und die Erfahrung eines längeren Jetzt schaffen − von den
                                                                                   loses Zuhören und Experimentieren mit neuen Materialien und Klängen
  Begeistert von den Konzerten, von ihm als “ungewöhnliche Klänge” beschrie-                                                                                         dem alles offen und möglich ist, so wie es auch im Zodiak Free Arts Lab       Zeiten des Zodiak bis heute.
                                                                                   strategisch zu bereichern. Sie hat mit vielen Künstler:innen zusammenge-
  ben, begann er, das Erlebte mit einer alten Contax-Kamera festzuhalten. Krenz’                                                                                     war.
                                                                                   arbeitet, darunter Nicolas Jaar, Jandek, Helm, Raime, Malcom Catto,                                                                                             Galina Ozeran, besser bekannt als Chikiss, ist eine Sängerin und Pianistin,
  atmosphärische Fotografien sind einige der wenigen dokumentarischen Über-
                                                                                   Charles Hayward, Graham Lewis, Tightpaul Sandra, Thurston Moore, Bat              Günter Schickert, in Westberlin aufgewachsen, begann im Zodiak, noch          Komponistin und Elektronikproduzentin. Seit der Aufnahme ihres ersten
  bleibsel aus der kurzen, intensiven Zeit des Zodiak Free Arts Lab.
                                                                                   for Lashes, Gruff Rhys u.a. Ihr aktuelles Projekt Vanishing Twin, bei dem ihr     mit Trompete in erste freie Kollaborationen zu gehen, bevor er in den         Albums im Jahr 2005 hat sie ein umfangreiches musikalisches Werk ge-
                                                                                   Schlagzeugspiel einer eher konventionellen Jazzidee folgt, steht dem ex-          frühen 1970er-Jahren zu seinem hypnotischen Krautrock-Gitarrensound           schaffen, das von Post-Punk und Psychedelic Rock bis zu minimalisti-
                                                                                   perimentelleren, auf Drone und Field Recordings basierenden, Percussion-          fand, der u.a. mit “Samtvogel”, 1975 erschienen auf Brain, und “Überfäl-      schem Synthesizer-Pop und avantgardistischer elektronischer Musik
                                                                                   Ansatz in ihrem Duo Tomaga entgegen.                                              lig”, erschienen 1980 auf Sky, Veröffentlichung fand. Schickert wirkte
 Di 21.9., 19:00 / HAU1                                                                                                                                                                                                                            reicht. Als Solokünstlerin und in verschiedenen Kollaborationen mit ande-
                                                                                                                                                                     als Musiker wie auch als Teil des Kollektivs im Berliner Club SO36 mit.       ren Musiker:innen und Künstler:innen hat Ozeran ihren persönlichen und
                                                                                   Andrea Belfi ist Schlagzeuger und Komponist. Belfi hat sich eine Repu-
                                                                                                                                                                     Mit Unterbrechungen ist er bis heute mit der Band Ziguri aktiv und spielt     eigenwilligen Stil entwickelt. Zusammen mit Etkin Çekin bildet sie das Duo
Nika Son                                                                           tation mit seinen charismatischen Soloauftritten erspielt. So eröffnete er
                                                                                   2019 Thom Yorkes “Tomorrow’s Modern Boxes”-Tour in Europa und den
                                                                                                                                                                     als Mitglied des Berliner Feedback Orchesters. 2018 entstand in Zusam-        God Is God, deren Debütalbum “Metamorphoses” demnächst auf dem elek-
Konzert                                                                            USA 2016 sowie Nils Frahms Projekt Nonkeen. Belfi kollaboriert regelmä-
                                                                                                                                                                     menarbeit mit Andreas Spechtl das Album “Nachtfalter”, erschienen auf         tronischen Label Bureau B erscheinen wird.
                                                                                                                                                                     Bureau B.
Nika Breithaupt alias Nika Son arbeitet als freischaffende Musikerin, Künstle-     ßig mit anderen Musiker:innen, so u.a. mit Mouse On Mars, Jóhann Jó-                                                                                            Etkin Çekin, bekannt unter dem Pseudonym Et Kin, ist ein Musiker, Multi-
rin, Filmkomponistin und DJ. Beeinflusst von Musique Concrète und den Au-          hannsson, Mike Watt und David Grubbs. Seine Musik, in der sich Akustik            die ANGEL (oder anfangs nur Angel), das Duoprojekt von Ilpo Väisänen          instrumentalist und Produzent experimenteller Musik. Derzeit lebt Çekin
ßenrändern elektronischer Musik erarbeitet sie ihre Kompositionen aus modi-        und Elektronik kunstvoll vermischen, ist gleichermaßen energiegeladen             (Ex-Pan Sonic) und Dirk Dresselhaus alias Schneider TM, entstand 1999         in Berlin. Er betreibt das Kassettenlabel Kinship und bietet damit Berliner
fizierten Field Recordings, verwoben mit analogen Klangsynthesen, gebroche-        und hypnotisch und zeichnet sich durch weitläufige, immersive Klang-              während einer gemeinsamen Europatournee von Pan sonic und Schneider           Künstler:innen wie Anadol, Spiritczualic Enhancement Center oder Isabassi
nen Rhythmen, verstreuten Stimmfetzen und moduliertem Tonband. Ihr neu-            landschaften aus.                                                                 TM mit dem Ziel, mithilfe von Elektronik, Streichinstrumenten und Effekt-     eine Plattform.
estes Album “To Eeyore” erschien 2020 auf dem Label Entr'acte. Sie ist Ko-Ku-                                                                                        schleifen eine Klangwelt jenseits fester Strukturen und klar definierter
                                                                                   Marta Salogni begann ihre musikalische Laufbahn als Tontechnikerin in                                                                                           Sebastian Lee Philipp tritt als Musiker unter dem Namen Die Wilde Jagd
ratorin des Papiripar Festivals und veranstaltet seit 2011 regelmäßige Reihen                                                                                        Genres zu entwickeln. die ANGEL tauchen tief in den Mikrokosmos der
                                                                                   verschiedenen unabhängigen, linken Non-Profit-Zentren und Clubs sowie                                                                                           auf. Er hat drei Studioalben veröffentlicht: “Die Wilde Jagd” (2015), “Uhr-
im Golden Pudel Club Hamburg. Dort fand auch 2018 ihr Festival Eruption statt,                                                                                       Töne ein und formen nuancierte Schichten abstrakter Klänge, die Ele-
                                                                                   bei der Radiostation Onda D’Urto in ihrer italienischen Heimat. Mit ihrem                                                                                       wald Orange” (2018) und “Haut” (2020). Für das HAU Hebbel am Ufer hat
das sich explizit mit dem Schaffen von Conrad Schnitzler auseinandersetzte.                                                                                          mente von Musique Concrète, Minimal Music, Industrial, Noise, Blues und
                                                                                   Umzug nach London begann Salogni, sich mehr und mehr auf die Arbeit                                                                                             er bereits das audiovisuelle Stück “Haut Ontogenesis” geschaffen, das
                                                                                                                                                                     Psychedelia integrieren und dennoch die unverwechselbare Handschrift
                                                                                   als Studiotechnikerin und Produzentin zu konzentrieren. So arbeitete sie                                                                                        2020 im Rahmen von #HAUonline präsentiert wurde.
                                                                                                                                                                     von die ANGEL tragen.
                                                                                   u.a. mit Björk, Bon Iver, Black Midi, Holly Herndon, Liars und M.I.A. Für das
 Di 21.9., 21:00 / HAU1                                                            Konzert im HAU Hebbel am Ufer wird Salogni analog mit Tonbändern
                                                                                   Sounds verfremden, morphen und verdichten.                                                                                                                       Do 23.9., 20:00 / HAU1
Taste Tribes                                                                       Katharina Ernst studierte Malerei an der Akademie der bildenden Künste

Musik: Wolfgang Seidel, Günter                                                     Wien. Sie spielt seit ihrem neunten Lebensjahr Schlagzeug und beschäf-
                                                                                   tigt sich mit polymetrischen, komplexen und chaotischen Strukturen im
                                                                                                                                                                                                                                                   The Notwist
                                                                                                                                                                                                                                                   Konzert
Müller, Hans Joachim Irmler /                                                      Spannungsfeld von Musik, bildender Kunst und Choreografie. Nach ihrem
                                                                                                                                                                                                                                                   Die Band The Notwist um die Brüder Markus und Micha Acher zeichnet
                                                                                   Debüt “Extrametric” (2018) erscheint nun ihre neue Solo EP “le temps” bei
Video: Alfred 23 Harth                                                             Ventil und Trost Records. Sie lebt in Berlin.
                                                                                                                                                                                                                                                   sich durch eine stilistische Offenheit aus, die den frühen Bandsound von
                                                                                                                                                                                                                                                   (punk-)rockigen Anfängen bis zur intelligenten und melancholischen Fu-
Konzert                                                                                                                                                                                                                                            sion von Elektronik und komplexer Popmusik weiterentwickelte. Die
2007 gründete Alfred 23 Harth das Trio Taste Tribes mit Hans Joachim Irm-                                                                                                                                                                          Acher-Brüder waren darüber hinaus an der Gründung zahlreicher, teils in-
ler, dem Mitbegründer und Organist der Band Faust, und dem Elektro-Impro-                                                                                                                                                                          ternational erfolgreicher Bands beteiligt und wirken im Zentrum eines
viser Günter Müller von Nachtluft und MKM. Es erschien eine CD. Pandemie-                                                                                                                                                                          Netzwerks von Projekten lokaler Musiker:innen. 2003 gründeten sie das
bedingt ist Harth im HAU Hebbel am Ufer nur virtuell zugegen. Wolfgang Sei-                                                                                                                                                                        Musiklabel Alien Transistor, seit 2016 kuratieren sie das internationale,
del vom Trio Eruption (mit Conrad Schnitzler) und von Ton Steine Scherben                                                                                                                                                                          genreoffene Musikfestival Alien Disko in den Münchner Kammerspielen.
ist der Schlagwerker von Taste Tribes. Er ist ein früher Besucher des Zodiak,
ebenso wie Harth, der dort 1968 mit Sven-Åke Johansson u.a. performte.

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