Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus
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Heiligenhauser Seniorenzeitung · Nr. 96 · Mai 2017 Herausgeber: Volkshochschule Velbert / Heiligenhaus ! men tneh Bitte mi Nachbar- schaften Hier wird gelebt · Warum ich ein gute Nachbarin bin · Nachbarschaften auf dem Dorf · Günter ist weg · Plädoyer für fremde Nachbarn · Nachbarschaft im Ausland · Der Traum vom Leben auf dem Land · Eine gute Nachbarschaft ist Lebensqualität · Buchvorstellung · Termine
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Heiligenhauser Seniorenzeitung Nr. 96 · Mai 2017 Herausgeber: Volkshochschule Velbert / Heiligenhaus Nachbarschaften Liebe Leserin und lieber Leser, Auch Intergration lebt nur dadurch, dass wir (innerlich und äußerlich) an Von klein auf umgeben uns Nachbarn, eine fremde Tür klopfen. sind oft „Tante“ und „Onkel“ und zeigen uns die Welt außerhalb der Fa- Ich selbst lebe seit 8 Jahren in einem milie mit anderen Werten. Wir kennen Mehrgenerationen-Wohnprojekt und auch alle Zerrbilder von Nachbar- meine Nachbarin Bärbel Bachmann schaft, und die Fernsehproduktionen hat das Zusammenleben in Versform leben davon. Unvergessen aus den launig beschrieben. 60ziger Jahren das Ohnsorg Theater mit „Tratsch im Treppenhaus“, in ver- Unsere Artikel zeigen eine Mischung feinerter Form heute abgelöst von der aus den Erfahrungen in früherer Zeit „Lindenstrasse“. und geben Anregungen wie heutige Erfordernisse für eine gute Nachbar- Nachbarschaft ist ein Wert, der aktuell schaft aussehen können. eine große Rolle spielt und gerade in Städten neu belebt wird. Alternative Wir wünschen Ihnen die positive Neu- Wohnformen entstehen und helfen gier und die Offenheit, die es braucht, gegen soziale Isolation. den Menschen neben uns kennen zu lernen. Wollen wir nachbarschaftlich gute Kontakte, müssen wir uns „in Gang“ setzten. Ihre Ursula Schwarze Nachbarschaft als wichtiges Gemeinschaftsleben Plädoyer für fremde Nachbarn Ute Moll................................................................................................2 Barbara Grieving................................................................................13 Hier wird gelebt Nachbarschaft im Ausland Bärbel Bachmann..................................................................................3 Marianne Fleischer.............................................................................15 Warum ich ein gute Nachbarin bin Der Traum vom Leben auf dem Land Dagmar Haarhaus................................................................................4 Rosemarie Koch..................................................................................17 Nachbarschaften auf dem Dorf Eine gute Nachbarschaft ist Lebensqualität Annemarie Vinck...................................................................................6 Martina Müller....................................................................................18 Günter ist weg Ein Lutherlied macht Nachbarn zu Freunden Helga Licher.........................................................................................8 Ruth Ortlinghaus.................................................................................20 Gute Nachbarschaft Buchvorstellung: Armin Merta..........................................................................................9 Christian Nürnberg und Petra Gerster: Der rebellische Mönch, die entlaufende Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten: Martin Luther. ....................................................................................20 1
Wir Älteren – Nachbarschaften diese sind heute selten. Während die Lebens- Nachbarschaft form der Großfamilie sich weitgehend aufge- als wichtiges löst hat, wird eine funktionierende Nachbar- schaft immer interessanter und wichtiger. Sie Gemeinschaftsleben ist heute von vielfältiger Bedeutung. Nachbar- Ute Moll schaft ist als Ersatz für die Großfamilie auch ein wichtiges Stück Heimat und kann ein iden- titätsstiftendes Zusammenleben ermöglichen. A ls alleinlebende Frau von 73 Jahren ma- Ich kann in einer lebendigen Nachbarschaft che ich mir schon seit geraumer Zeit Freunde finden sowie auch konkrete Hilfe für Gedanken über eine für mich zufrieden- den Alltag. stellende Wohn- und Lebensform im Alter. Ist meine jetzige und evtl. kommende Situation Unser heutiges Leben findet häufig in klei- die für mich beste und richtige? Jetzt habe ich neren und größeren Kommunen statt. Man- noch einen sogenannten „fließenden“ Alltag che Berufstätige erleben ihr Haus und ihre mit etlichen Interessen, selbstgewählten Auf- Wohngegend lediglich als Schlafstätte, weil gaben und vielen verstreuten Kontakten. Wer- sie tagsüber in anderen Orten arbeiten und in de aber jedes Mal sehr nachdenklich, wenn ich ihrer Freizeit nur wenig Kontakt zu ihren Mit- im Bekanntenkreis und in der Nachbarschaft bewohnern und Nachbarn suchen und finden mitbekomme, wie Krankheit und Sterben das können. Sie leben fast anonym. So haben sie Leben radikal verändern kann. nur dünne Wurzeln in ihrem direkten Wohnum- feld und sind nach ihrer Berufstätigkeit sehr auf Ich habe erkannt, dass das Altern nicht nur sich selbst gestellt. ein Vorgang, sondern auch eine Aufgabe ist, bei der viel zu bedenken ist und vor allen Din- Spätestens dann interessiert man sich für gen nach möglicher Hilfestellung schon früh- die Menschen und Familien im näheren Um- zeitig Ausschau gehalten werden sollte. Über feld. Dadurch, dass man wesentlich mehr Zeit einige Lebensformen im Alter konnte ich viele in den eigenen vier Wänden verbringt, hat Beispiele in entsprechender Literatur finden. man auch jetzt Gelegenheit, seine Nachbarn Habe mich dann auf den Weg gemacht, al- häufiger zu erleben und besser kennenzuler- ternative Wohnformen zu finden und zu besu- nen. Mir ging es ähnlich. Endlich habe ich Zeit, chen. In dieser Zeit konnte ich auch meine ei- am Nachbarschaftsfest teilzunehmen und die genen Wünsche und Bedürfnisse genau unter Wesensmerkmale dieser Menschen näher zu die Lupe nehmen und erkennen. betrachten. Ich kann ihnen an den folgenden Tagen viel persönlicher begegnen und mit ih- In Büchern fand ich die Thesen von Sozio- nen in näheren Kontakt kommen. Ich kann mir logen und Psychologen, die da sagen, der ihre Sorgen anhören und ihnen meine eigenen Mensch ist ein soziales Wesen, er sei nicht mitteilen. dazu geschaffen alleine zu leben. Diesen Er- kenntnissen kann ich mich kaum entziehen Ich selbst bin heute froh und dankbar, ein und erwehren, denn meine Sehnsucht nach großes nachbarschaftliches Umfeld zu haben. Kontakt und meine Lebenserfahrung bestäti- Es gibt ein gutes Gefühl, dass Hilfe erreich- gen dieses. Der Mensch braucht, egal in wel- bar ist, wenn ich sie brauche. Die Nachbarn chem Alter, die Erfahrung und Unterstützung in meinem Haus versorgen untereinander die anderer Menschen, damit er sich geborgen Pflanzen und den Briefkasten und springen und zuhause fühlen kann. ein, wenn Termine in der Wohnung wichtig sind und die Wohnungsinhaberin nicht anwesend In vergangenen Zeiten war es wohl die Groß- sein kann. Darüber hinaus ist ein Plausch im familie, die diese Aufgabe erfüllen konnte. Aber 2
Wir Älteren – Nachbarschaften Treppenhaus oder vor dem Haus sehr wich- „Habt ihr denn auch ein Gemeinschaftshaus tig, ich erfahre dann meistens etwas über die zum Waschen, zum Backen und für einen aktuelle nachbarschaftliche Lebenssituation. Schmaus?“ Eine wunderbare und unvergessliche Nach- Man mutmaßte gar: Ist´s denn ein Freuden- barschaftshilfe wurde mir zuteil, als ich mich ei- haus, das sprach man hinter der Hand nur ner Operation unterziehen musste, nicht Auto aus! fahren und viele Dinge nicht alleine bewältigen konnte. Meine direkte Nachbarin lieh mir ihre Ja, Freudenhaus wäre das richtige Wort – Gehhilfen aus und meine nachbarschaftliche doch damit verbind ich´nen anderen Ort. Freundin fuhr mich mit ihrem Auto zu Nachsor- geterminen und zum Einkaufen. Hier wird viel gegeben und manches emp- fangen, man weiß von dem ein oder anderen Nachbarschaftliche Hilfe ist also eine große Verlagen. Kostbarkeit, die ich noch ausbauen und auf keinen Fall missen möchte. Ich sag dann: Von allem ist etwas darin, kommt einfach mal rein, es wird klar euch der Sinn. Hier wird gelebt Ich war mal schlecht drauf und fühlt mich ganz mies, wollte gar nicht mehr raus aus Bärbel Bachmann dem eignen Verlies – hat zu gar nichts mehr Lust – mir war übel fast schon, wollte stun- Lebendiges Wohnen in Wuppertal – denlang sitzen auf dem eignen Balkon. Das ist doch bekannt durch den 3. Kanal. Ein Blick in den Hof – da wird mir gewahr, Ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt, eine fröhlich lachende Menschenschar! das kriegen die wenigsten Leute gecheckt. Denk ich so bei mir – was soll dieser Spaß, „Ach betreutes Wohnen, doch Altenheim, ich geh nur kurz runter – ich kenne mein Maß! da bin ich zu jung für, da pass ich nicht rein“. Steck nur mal die Nase so knapp um die Man wird oft gefragt: „Wie lebt es sich dort?“ Ecke, dann ganz schnell zurück in mein eignes „Was ist das für ein besonderer Ort?“ Verstecke. „Lebt ihr wie im Dorf, so wie´s früher mal war Bestimmt will ich unten nicht lange bleiben, – ein jeder kennt jeden, seid ihr euch sehr denn draußen da stört mich das fröhliche nah?“ Treiben. 3
Wir Älteren – Nachbarschaften Zum Überfluss kommt jetzt die Sonne heraus nen Wald ging, um Kleinholz aufzusammeln, – ich mach 3 Schritte – es ertönt der Applaus! damit der Ofen in den Wintermonaten Wärme spenden konnte. Die außergewöhnliche Si- „Wo bist Du gewesen – wir warten auf Dich! tuation schweißte die Frauen zusammen, so Da fällt mir ein: Die Idee hatte ich. dass aus den Nachbarinnen eine wunderba- Das Glas in der Hand – ich fühlte mich stark: re Frauenfreundschaft entstand, die auch ich noch erleben konnte. „Wir könnten mal wieder.. – ich mach den Vorschlag ein Fest draußen zu feiern, auch Mutter war der Meinung, nur durch die Har- so ohne Grund und jeder, der will, bringt was monie der Nachbarschaft, die gegenseitige mit für den Mund. Es muss ja nicht immer Hilfe, das große Vertrauen war es möglich, ge- was sein zum Essen, man könnte auch eine meinsam die schwere Zeit durchzustehen. Geschichte vorlesen, vielleicht etwas singen – In diese Nachbarschaft, in diese Harmonie vielleicht etwas dichten. kam ich im sehr kalten Winter 1946 auf die Da seht ihr – ich hab euch was mitgebracht, Welt. Während ich heranwuchs, lernte ich die das hätte ich ohne euch gar nicht gemacht! Freundinnen meiner Mutter kennen und durfte sie Tante nennen. Auch sie haben mir oft von Man muss sich nur trauen – das ist manchmal der schweren, aber auch schönen Zeit der Ge- schwer. Drei Schritte ins Leben – die Freude meinsamkeit und Harmonie berichtet. kommt her! Nach Kriegsende, alle drei Männer kehrten unversehrt zurück, blieb die Frauenfreund- schaft bestehen, und alle lebten zufrieden mit- Warum ich ein gute einander, wobei meine Mutter leider erleben Nachbarin bin musste, dass ihre beiden Freundinnen zuerst verstarben. Dagmar Haarhaus M eine Mutter lebte mit drei Frauen und drei kleinen Kindern in einem Wohn- haus in der Lotte-Neumann-Siedlung in Wuppertal, wo sie auch den 2. Weltkrieg er- lebten. Da die drei Ehemänner sich im Krieg befan- den, waren die Frauen auf sich alleine gestellt und versuchten, den Kriegsalltag zu bewälti- gen. Nahrungsmittel waren knapp, ebenso das Heizmaterial für die Öfen. Um einigermaßen ein normales Leben aufrecht zu erhalten, wurde die tägliche Arbeit aufgeteilt. Meine Tante Lilo wanderte mit einem Rucksack in die nähere Umgebung, um bei den Bauern zu „hamstern“, in der Hoffnung, man würde ihr einige Kartof- feln oder Obst aushändigen. Derweil versorgte meine Mutter die drei Kleinen, spielte mit ih- nen, während Tante Erika in den nah gelege- 4
Wir Älteren – Nachbarschaften Erst viel später, als ich von daheim weg- Dieser Wunsch wurde beidseitig erfüllt. Es zog, konnte ich selbst erfahren, was eine gute dauert nicht lange, so verabredeten wir uns im- Nachbarschaft ausmacht und warum ich mei- mer an einem Tag in der Woche. Entweder un- ne, eine gute Nachbarin zu sein. ternahmen wir Ausflüge in die Umgebung oder abwechselnd trafen wir uns in unseren Woh- Siebenundzwanzig Jahre habe ich in Müns- nungen, erzählten oder spielten Karten. Durch ter gewohnt. Meine erste Begegnung mit mei- ihre unaufdringliche Nachbarschaft erleichterte nen neuen Nachbarn war bei meinem Umzug sie mehr das Eingewöhnen in die neue Umge- sehr unangenehm, da aus Unwissenheit der bung. Wir tranken Brüderschaft und tauschten Parksituation, der Möbelwagen einen Parkplatz dabei unsere Haustürschlüssel. belegte. Die Parkplätze vor dem Haus, wie ich dann erfahren habe, waren an die Mieter ver- Befand sich meine Nachbarin in Urlaub, wur- mietet. Der Auftritt meines neuen Nachbarn den die Balkonblumen von mir versorgt, eben- war bühnenreif. Vom Balkon seiner Wohnung so der Briefkasten geleert. Gleiches hat sie mir aus wurde ich erst einmal angebrüllt, wieso der gewährt, wobei Ihre Unterstützung für mich Umzugswagen dort parken würde. Geschockt noch breiter gefächert war, da ich mich noch vom seinem heftigen Ausbruch beschlich mich im Berufsleben befand. Und bald spürte ich, das Gefühl, mit dem Nachbarn sei wohl zu- dass das nachbarschaftliche Verhältnis sich in künftig kein gutes Kirschenessen möglich. Auf- Freundschaft umwandelte, ähnlich wie damals atmen konnte ich, als wenige Wochen später bei meiner Mutter. Wir konnten uns aufeinan- der Nachbar verstarb. der verlassen und waren zur Stelle, wenn man gebraucht wurde. Nun lebe ich schon über Aber seine liebenswerte Frau schenkte mir 10 Jahre in Heiligenhaus und ich kann sagen, Brot und Salz zum Einzug und wünschte mir dass uns zwar die Kilometer trennen, aber eine gute Nachbarschaft. diese keinen Einfluss auf die Intensität unse- rer ehemaligen Nachbarschaft haben. Heute ist meine Freundin 83 Jahre und fährt weder Auto noch mit der Bahn. Dafür haben wir eine Lösung gefunden, weil ich sie hin und wieder gerne in Münster besuche. Mit meinen Nachbarn in Heiligenhaus be- steht auch eine Harmonie. Wir kennen keinen „Streit am Zaun“. Gegenseitig sind wir hilfsbe- reit sowie zu jeder Zeit ansprechbar. Wir pla- nen gemeinsame Unternehmungen, wobei der persönliche Freiraum erhalten bleibt. Und bei all meinen Erfahrungen, die ich mit meinen verschiedenen Nachbarn gemacht habe, war es mir wichtig, selbst eine gute Nachbarin zu sein, um dadurch ein angeneh- mes Nähe-Distanz-Verhältnis aufzubauen. 5
Wir Älteren – Nachbarschaften 80 Jahre alt, und ich durfte vom Telefon mei- Nachbarschaften auf nes Arbeitgebers anrufen, um zu gratulieren. dem Dorf Die Nachbarsfrau hat dann meine Großmutter ans Telefon gerufen. Am folgenden Tag stand Annemarie Vinck in der „Allgemeinen Zeitung“ der Vermerk „Eine Einwohnerin aus Flonheim wurde 80 Jahre alt N achdem mein Vater 1937 an einer eit- und von ihrer Enkelin aus London angerufen.“ rigen Mandelentzündung gestorben Nachdem diese Nachbarn gestorben, de- war – damals gab es weder Penicillin ren Kinder verheiratet und ausgezogenwaren, noch Antibiotika – zog meine Mutter mit mei- wurde in den 60er Jahren das Haus an ein jun- ner Schwester (8 Jahre) und mir (9 Jahre) von ges Paar verkauft. Essen weg zu ihren Eltern in das 2000-Seelen- Dorf Flonheim im rheinhessischen Hügelland. Er war von Beruf Restaurator am Museum, Hier wuchsen wir in einer Dorfgemeinschaft sie Logopädin. Beide haben in den folgenden auf, in der jeder jeden kannte. Jahren aus dem Nachbarhaus, dem ältes- ten Gebäude in Flonheim, in Eigenarbeit ein Rechts neben uns wohnte ein wohlhaben- Schmuckstück gemacht. der Weinhändler mit Frau, Sohn und Tochter. In den 40er und 50er Jahren hatten wir noch Unsere Mutter starb 1992. Danach ver- kein Telefon, deshalb wurde in dringenden Fäl- kauften meine Schwester und ich das seit len beim Nachbarn angerufen, der dann meine Jahrhunderten im Familienbesitz gewesene Mutter oder Großmutter ans Telefon holte. Von Anwesen. In der letzten Nacht, in der ich dort 1951 bis 1952 lebte ich als Au pair-Mädchen in schlief, träumte ich, dass über dem Eingang London. Im Mai 1952 wurde meine Großmutter zum Weinkeller die Jahreszahl 1718 stände. 6
Wir Älteren – Nachbarschaften Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass Bei Familien mit Kindern schwamm in der Brü- tatsächlich die Jahreszahl 1778 über der Tür he dann pro Kind noch eine Wurst. eingeritzt war. Ich konnte nur darüber staunen, Im Nachbarhaus zur Linken von uns lebte dass dieser Weinkeller zu Zeiten Friedrichs des eine Kleinbauernfamilie ohne Pferde, nur mit Grossen und von Maria Theresia gebaut wor- Kühen. Elsa, die Schwester des Bauern, fast den war und wir nie darauf geachtet hatten! blind und deswegen sehr behindert, kam im- Zum Abschied von Flonheim haben wir die mer zum Geburtstag unserer Mutter oder un- neuen Nachbarn im Febr. 1993 zum „Kreppel- serer Großmutter mit einem selbst verfassten Kaffee“ (das sind Berliner Ballen) eingeladen, Gedicht, das sie stolz und freudig vortrug. zusammen mit den Käufern des Hauses, dazu Zwei Häuser weiter wohnte eine Altersge- noch zwei weiteren Familien, mit denen wir nossin von mir namens Lina. Auch ihr Vater befreundet oder verwandt waren, um unseren betrieb eine kleine Landwirtschaft. An den Nachfolgern einen guten Start in Flonheim zu Sonntagen im Winter kamen Lina und eine ermöglichen. andere Klassenkameradin namens Henny im- Im Haus neben dem Weinhändler lebte die mer zu uns. Wir spielten „Spitz pass auf“, „Die Familie C. Der Vater war einst ein sehr reicher Rheinreise“ – ein Würfelspiel, oder „Schwarzer Mann, der in der Inflation sein Geld verlor. Peter“ usw. Henny war die Tochter eines Lum- Deshalb mussten die zwei jüngsten Töchter pensammlers, hatte noch 11 Geschwister. Sie eine Stelle annehmen. Emilie u. Lisbeth wur- war die Jüngste und erinnerte sich vor einigen den Hausdamen in wohlhabenden Familien in Jahren an unsere sonntäglichen Spiele und Oberhessen, während die älteste Schwester, kommentierte dazu, dass sie daheim ja über- unser Tante Käthchen, die Stellung daheim haupt keine Spiele besaßen. Kann man sich in hielt. Auch wenn wir nicht verwandt waren, so der heutigen Zeit so etwas vorstellen? waren diese drei unverheirateten Frauen für Weil ich mit Lina befreundet war wurde ich uns „richtige“ Tanten. natürlich auch manchmal in den schlechten An „Großkampftagen“, also an Tagen, an Zeiten zu ihr geschickt mitsamt der Milchkanne denen es hoch her ging, weil z.B. geschlach- und der Frage, ob wir wohl „einen Schoppen“ tet, Rübensirup oder Latwerg (Pflaumenmus) (1/2 Liter) Milch haben könnten. gekocht wurde, stand Tante Käthchen immer Zur Nachbarschaft gehörte natürlich auch bereit um zu helfen. Zur Schlachtung brachte unser Tante Lenchen. Sie war die Schwester sie eine spezielle große flache Schüssel mit, in meiner Großmutter mütterlicherseits und be- der sie das aus der Kehle des Schweins rin- trieb einen Kolonialwarenladen. Als wir grö- nende Blut auffing, das für die Blutwurst von- ßer wurden, halfen meine Schwester und ich nöten war. Latwerg und Rübensirup wurden samstags beim Verkauf im Geschäft, einem stundenlang im grossen Kupferkessel im Hof typischen Tante-Emma-Laden. Zucker, Salz, gerührt. An solchen Tagen war Tante Käthchen Reis usw. musste alles abgewogen werden. Öl stets zur Stelle, um beim Umrühren abzulösen. wurde in mitgebrachte Flaschen gezapft, Senf Am Ende eines Schlachttages, an dem im in bereit gehaltene Gefäße abgefüllt, die Preise selben Kupferkessel im Hof Fleischstücke und per Hand auf einem Block notiert und zusam- Würste gegart worden waren, wurde die gute mengezählt. Während des Krieges und da- Brühe, bei uns „Metzelsuppe“ genannt, an die nach mussten die von den Lebensmittelkarten Nachbarschaft verteilt. Wir Kinder brachten je abgeschnittenen Zuteilungsberechtigungen eine 2-3 Ltr. fassende Milchkanne mit dieser gesammelt und auf Blätter aufgeklebt werden. köstlichen Metzelsuppe in die Nachbarhäuser. Das war eine heillose Arbeit. 7
Wir Älteren – Nachbarschaften Gegenüber unseres Hauses hatte Anfang der 60er Jahre ein Ehepaar gewohnt, das uns bei der Weinlese half. Damals waren viel we- niger Maschinen im Einsatz als heutzutage, deshalb mussten abends nach der Lese noch die Kelterarbeiten ausgeführt werden. Da wur- den also die gemahlenen Trauben per Eimer in die Kelter geschüttet, dann beschwert, um danach langsam mit dem Pressen zu begin- nen. Der frisch gepresste Most wurde mangels fehlender Pumpe eimerweise in den Keller ge- tragen und in große Trichter über den Fässern gekippt. Diese Arbeiten dauerten oft bis Mit- ternacht. Infolge der immer größer werdenden Woh- nungsnot nach den Bombenangriffen während des Krieges, wurden auch bei uns zwei Zim- mer beschlagnahmt und eine junge Familie mit einem Kind eingewiesen. Eines Tages war es soweit: Kind Nr.2 drängte ans Licht der Welt. Der Ehemann und werdende Vater setzte Töp- fe mit Wasser auf den Kohleherd und geriet in Panik, weil der Hausarzt ausblieb. Aufgeregt Günter ist weg... rannte er zu meiner Mutter, die ihn zur Woh- Helga Licher nung des Hausarztes schickte. Dann kümmer- W te sich Mama um die werdende Mutter. Nie ir sind in größter Sorge. Gestern im Leben hatte sie einer Schwangeren beige- stand der kleine Kerl noch gut ge- standen. Aber nun ging alles atemberaubend launt im Kräuterbeet, und heute ist schnell und glücklicherweise komplikationslos. er plötzlich spurlos verschwunden. Mein erster Jedenfalls stand Mama mit einem Neugebo- Gedanke ist, Günter ist vielleicht einfach nur renen da, dem sie die Nabelschnur abwickel- umgezogen. Er liebäugelte schon lange mit te, die sich rund um den Hals gelegt hatte, als dem Begonienbeet in Nachbars Garten. wenige Minuten später der Hausarzt und der junge Vater eintrafen. Stundenlang suchen mein Mann und ich in der näheren Umgebung nach unserem Lieb- 1957 zog ich dann mit meinem Mann nach ling, aber Günter ist und bleibt unauffindbar. Essen. Die Erfahrungen dort mit unseren Nachbarn über viele Jahre sind dann wieder Ach so, – sie kennen Günter noch nicht? ganz andere Geschichten. Günter ist ein kleiner Gartenzwerg, der seit etwa vier Wochen in unserem Garten sein Zu- Wenn ich, die man neuerdings „hochbetagt“ hause gefunden hat. Er ist ungefähr dreißig nennt, viele Jahrzehnte meines Lebens Revue Zentimeter groß, trägt eine rote Zipfelmütze passieren lasse, dann stelle ich fest, dass das und hat eine blaue Gießkanne in der Hand. Sie Leben mit diesen aufgeführten Mitmenschen, werden sicher denken, na ja, so sehen fast alle Wegbegleitern, Nachbarn und vielen weiteren, Gartenzwerge aus. Doch da muss ich wider- nicht genannten, Nachbarschaften rund und sprechen. Günter ist etwas ganz besonderes. bunt war, aber niemals langweilig. Nur er hat dieses ansprechende Lächeln auf 8
Wir Älteren – Nachbarschaften den Lippen und in der linken Wange dieses sicher auch nicht zu kurz kommen. Frau Ber- entzückende Grübchen. gers Gartenzwerg ist übrigens nie mehr auf- getaucht. Aber wir haben unserer Nachbarin Mein Gatte ist untröstlich, er kann sich nicht zum Trost ein kleines Gartenzwerg-Mädchen erklären warum dieser Wicht über Nacht das geschenkt. Aus dieser spontanen Idee ist übri- Weite gesucht haben könnte. Und darum hat gens eine sehr nette Freundschaft entstanden. er eine abenteuerliche Theorie parat. „Günter ist nicht freiwillig gegangen...“, sagt mein Mann Und unser Günter ist irgendwann auch wie- und macht ein bedeutungsvolles Gesicht. „Ich der aufgetaucht. Er brauchte wahrscheinlich bin ganz sicher, Günter wurde entführt!“ Ich dringend eine Auszeit von unserem Famili- erschrecke, wer sollte Interesse daran haben, enleben und hatte sich zur Erholung in Ricos einen unschuldigen Gartenzwerg zu entfüh- Hundehütte zurückgezogen. Ob das letztend- ren? Gibt es Menschen, die so einem Winzling lich eine wirkliche Erholung für ihn war, sei mal Schaden zufügen könnten? dahingestellt. Günter tat keinem etwas zu Leide, er war Seit einigen Tagen steht übrigens ein neuer der verträglichste Zwerg, den ich kenne. Und Gartenzwerg in unserem Begonienbeet. Gün- ich kenne fast alle Gartenzwerge in unserer ter hat jetzt einen Freund, und der heißt Uwe... Nachbarschaft. „Ich bleibe dabei, Günter wur- de entführt“, sagt mein Gatte. „Frau Berger, unsere Nachbarin, vermisst ihren Zwerg auch seit einigen Tagen. Er stand im Kräutertopf un- Gute Nachbarschaft ter dem Küchenfenster.“ Ich bin erschüttert. Armin Merta „Dafür kann doch nur eine organisierte D Zwergen-Diebes-Bande verantwortlich sein. ie Straße – und damit die Nachbar- Sollte man den Fall nicht vielleicht der Polizei schaft in dieser Straße –, in der wir übergeben? Ich werde mal mit Frau Berger re- wohnen, entstand in den Jahren 1950- den.“ Doch von dieser Strategie will mein Mann 1952 aus einer Zwangslage heraus. Wohn- nichts wissen. „Die Polizei ist doch schon viel raum war zu dieser Zeit nach dem Krieg immer zu sehr überlastet, immerhin ist es doch nur noch Mangelware. Das Evangelische Hilfswerk ein Zwerg.“ als Bauträger und der Deutsche Siedlerbund als Berater boten bauwilligen Familien an, gan- Ich horche auf. Für mich ist Günter mehr als ze Siedlungen gemeinsam zum größten Teil als „nur ein Zwerg“, er gehört eigentlich schon zur Eigenleistung zu errichten. So sollten hier auf Familie. Ich beschließe mit unserer Nachbarin ehemaligem Ackerland 8 ein ernstes Wörtchen zu sprechen. Schließlich ist auch sie betroffen. Wenn schon die Poli- Doppelhäuser in zwei Baugruppen entste- zei sich nicht um diese merkwürdigen Vorfäl- hen. Es gab anfangs mehr Bewerber für diese le kümmert, so könnten wir doch gemeinsam Doppelhäuser, als Häuser entstehen sollten. versuchen diesen mysteriösen Ereignissen auf Bewerben für den Bau dieser Häuser konnte den Grund zu gehen. Gesagt getan... sich jedermann. Die Anwärter für diese Stra- ße kamen nach dem Krieg aus Ostpreußen, Bei einer guten Tasse Kaffee und leckerem Schlesien, dem Sudetenland, dem Sauerland, Kirschkuchen sind Frau Berger und ich uns aus Dresden, Holland, aber auch aus Kett- schnell einig. Regelmäßig, am ersten Mittwoch wig, Velbert und Heiligenhaus. Mit einfachsten im Monat werden wir uns zum Kaffee treffen Werkzeugen, Schaufel, Pickel und Schubkarre und uns über allgemeine Themen austau- hoben die Männer zunächst alle Baugruben per schen. Das Thema Gartenzwerge wird dabei Hand aus. Schweres Gerät fehlte. Dann wur- 9
Wir Älteren – Nachbarschaften den alle Keller errichtet, danach folgte jeweils gen, wurden die Häuser doch erst nach diesen das Obergeschoss, schließlich das Dach. Als 5 Jahren wirklich den Bewohnern ins Grund- der Rohbau abgeschlossen war, einschließlich buch eingetragen. Die großen Gemeinschafts- der elektrischen Leitungen Veranstaltungen gab es damals noch nicht. Allerdings ist bekannt, dass sich bei Jubiläen und der sanitären Anlagen wurden die Häu- manchmal einige Nachbarn zusammen taten ser verteilt. Welche Familie am meisten Stun- und ihren Jubilaren etwas schenkten, wie eine den in Eigenleistung nachweisen konnte, durfte weiße Tischdecke oder etwas ähnlich Nützli- sich als Erste ein Haus aussuchen. Hatten die ches für den Haushalt. Männer bis dahin eifrig und willig zusammen gearbeitet, gab es jetzt die ersten Spannun- Als der erste Obmann verstarb, fand sich gen. An weitere gegenseitige Hilfe war vorerst schnell ein neuer 1.Vorsitzender, der mal eine nicht zu denken, hatte doch jede Familie damit Reise und später für das 25-jährige Bestehen zu tun, selbst die Außenanlagen in Ordnung zu der Siedlergemeinschaft ein großes Fest or- bringen. Die Frauen kümmerten sich mittler- ganisierte. In seiner Rede bei diesem Jubilä- weile um die Gärten. Sinn einer solchen Sied- um verwies er auf die viele Arbeit, die geleistet lung mit Grundstücken zwischen rund 650 m² worden war und die noch zu leisten sei. Kurz bis fast 900 m² war es, dass sich die Familien darauf starb er noch relativ jung. zu einem großen Teil selbst versorgen sollten, 1979 zog ich mit meiner Familie in eine Dop- mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und selbst ge- pelhaushälfte in diese Straße. Für uns gab es haltenem Kleingetier wie Hühner oder Hasen erst einmal sehr viel zu tun. Wir gestalteten den oder gar einem Schwein. Der damalige Vorsit- vorher fast reinen Gemüsegarten in einen Be- zende der Siedlergemeinschaft, sie nannten reich zum Leben um. Zu den direkten Nachbarn ihn Obmann, hatte noch 5 Jahre damit zu tun, hatten wir etwas Kontakt. Wir fanden die direk- viel Schriftkram mit dem Bauträger zu erledi- te Nachbarschaft sehr angenehm. Wenn wir 10
Wir Älteren – Nachbarschaften uns besonders plagen mussten, kamen Nach- Beispiel dazu: Wir bekamen neue Nachbarn. barn zu uns, einfach um uns bei der schweren Das Haus war durch den Vorgänger sehr her- Arbeit zu helfen. Wir hatten sofort Jemanden, unter gekommen. Der noch junge Familienva- der auf unser Haus aufpasste, wenn wir drei- ter brachte das Haus innen in Schwung. Lei- mal im Jahr zu unseren Eltern ins Frankenland der starb er ein halbes Jahr nach dem Einzug. fuhren oder eine kleine Urlaubsreise antraten. Für seine Familie war das ein großer Schlag. Zu mehr Nachbarn als zu den direkten hatten Einige Familien entschlossen sich, an 4 – 5 wir wenig bis gar keinen Kontakt. Samstagen für die junge Witwe und deren Kin- der in Gemeinschaftsarbeit hinter dem Haus Das änderte sich ab 1985. Ende 1984 wur- eine große neue Terrasse zu bauen. Die Witwe de ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sorgte dafür, dass es mittags etwas zu Essen neuer 1.Vorsitzender der Siedlergemeinschaft gab. Solche Gemeinschaftsaktionen trugen zu werden. Damit alle Nachbarn wieder mehr zur Stärkung von guter Nachbarschaft und zu miteinander zu tun und zu reden hatten, orga- Freundschaften bei. nisierte ich ein großes Fest und einen Tages- ausflug. Für das Fest stellte ein Nachbar seine Nachbarn, die vorher nicht zur Siedlerge- große Bar mit zwei anschließenden Räumen meinschaft gehörten, traten uns bei. Es gab und den Garten zur Verfügung. Die Teilnahme sogar junge Familien, die sehr interessiert da- war sehr groß. Das zeigte, die Nachbarschaft ran waren, in unsere Straße zu kommen, so- hatte schon lange auf so etwas gewartet. An bald ein Haus zum Verkauf anstand. Und auch diesem Abend wollten die Nachbarn mir ge- sie traten bei. genüber dankbar sein. Sie wollten mir laufend Das klingt nun alles nur nach Harmonie ohne Herrengedecke spendieren, also jeweils ein Pils jeden Streit. Doch, auch bei uns kann es zu mit einem Schnaps. Ich merkte sehr bald, dass Streitigkeiten kommen. Vor langer Zeit baten mir das nicht gut tun würde und bremste sie mich mal zwei Familien wegen eines Streits zu ab. Es wurde ein wunderbar nachbarschaftli- sich. Ich konnte nur sehr genau zuhören, Ver- cher Abend, bei dem aus manchen „Sie“ viel- ständnis zeigen, aber einmischen konnte ich mals ein „Du“ wurde. Auch beim ersten Ausflug mich nicht. Dazu war ich zu wenig Fachmann. – als Eisenbahnfan natürlich eine Fahrt mit der Außerdem hätte ich ja irgendwann doch für Museumsbahn von Dahlhausen ins Muttental eine der Familien Partei ergreifen müssen und – wollten sehr viele Nachbarn mit. Nun war ich wäre somit in den Streit hinein gezogen wor- bei allen Alteingesessenen bekannt. den. Im Falle eines Streites sollten die Betroffe- Bei Problemen fanden sich schnell Familien nen miteinander reden. zusammen, die anderen Familien halfen. Ein 11
Wir Älteren – Nachbarschaften kühle Pils, die Frauen Sekt und unterhalten uns entspannt ein bis zwei Stunden. Fast 33 Jahre bin ich nun 1.Vorsitzender un- serer Siedlergemeinschaft, und sie funktioniert als relativ gute Nachbarschaft. Gerade in den letzten fünf Jahren bekamen wir viele junge neue Mitgliedsfamilien, die sich bei Ideen zur Gestaltung einer aktiven Nachbarschaft und auch im Vorstand einbringen. Die Alten unter uns freuen sich über den Nachwuchs und über die vielen Kinder. Manche haben einen guten Blick für fremde Autos – sie schreiben schon mal die Nummernschilder auf – oder für fremde Personen, die ihnen nicht ganz geheuer vor- kommen. Verhindern konnten sie die beiden Warum kann man nicht so etwas bauen, Einbrüche in den letzten vier Jahren allerdings wie es mein direkter Nachbar und ich getan nicht. Aber das ist doch auch etwas, was gute haben? Über den Zaun existiert eine Theke, Nachbarschaft ausmacht. daneben ist ein Schild mit der Aufschrift „Bier- Wir fühlen uns hier wohl wie die meisten weg“ angebracht. Im Sommer treffen wir uns Nachbarn. Veranstaltungen wie Wandern, Ke- zu viert an dieser Stelle, genießen ein oder zwei geln, Tagesausflüge, Kinderfeste fanden mal mehr mal weniger Zuspruch. Geblieben ist seit Hilfe auf Knopfdruck: Zuhause oder unterwegs! Die Johanniter-Notrufsysteme sichern jede Lebenslage ab. Der Johanniter-Hausnotruf: das Notrufsystem für zuhause Das Hausnotrufsystem der Johanniter sorgt bereits seit 30 Jahren dafür, dass sich Menschen zuhause sicher aufgehoben fühlen. Der Johanniter-Hausnotruf ist rund um die Uhr erreichbar – ein Knopfdruck genügt und Sie werden mit Menschen verbunden, die für Sie da sind und Ihnen schnell helfen. Zudem bieten die Johanniter-Hausnotrufgeräte eine besondere Sicherheit, da sie neben dem Festnetzanschluss auch alle verfügbaren Mobilfunknetze als Einwahlmöglichkeit zum Kommunikationsaufbau im Falle eines Notrufes verwenden. Der Johanniter-Begleiter: das Notrufsystem für unterwegs Der Johanniter-Begleiter ist ein neues mobiles Notrufsystem, das aktiven Seniorinnen und Senioren die nötige Sicherheit für unterwegs bietet. Ob bei Outdoor-Aktivitäten, Reisen, Gartenarbeiten oder Spaziergängen – per Knopfdruck alarmiert der kleine Sender bei Unfällen Hilfe. Auch ein Notruf ohne Sprechkontakt ist möglich: Das GPS-basierte Gerät lokalisiert den Unfallort, so dass Rettungsdienst oder Polizei direkt zum Hilfesuchenden geleitet werden. Weitere Informationen zu den Johanniter-Notrufsystemen erhalten Sie unter den folgenden Kontaktdaten: Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Kreisverband Mettmann, Mühlenstraße 1, 40885 Ratingen, Tel. 02102 70070-80 hausnotruf.mettmann@johanniter.de, www.johanniter.de/mettmann 12
Wir Älteren – Nachbarschaften nun mehr als 30 Jahren das gemeinsame Fest in unserer Straße, zu dem jede Familie einen Plädoyer für fremde Salat, Brote, Soßen, Nachtisch oder andere Nachbarn Beilagen beisteuert. Getränke und Fleisch wer- den zentral besorgt. Und immer fanden und Barbara Grieving finden sich genügend fleißige Helfer für den D Auf- und Abbau und für das Grillen. Übrigens a sitze ich nun. Erst lächle ich, dann leben in unserer Straße noch drei Männer, die strahle ich und dann lache ich. Ganz damals beim Bau der Häuser aktiv waren. In ganz laut aus vollem Herzen und mit ei- einem dieser Häuser wohnen drei Generati- nem warmen Gefühl. onen miteinander. Vielfach haben die Kinder die Häuser der Eltern übernommen. Meistens Gleichzeitig weiß ich, und das macht den ging bzw. geht das Zusammenleben sehr gut. Moment noch schöner, dass gerade jetzt ei- Wenn es machbar war, haben in diesen Häu- nige Menschen genau wie ich, irgendwo sind, sern die Nachkommen die Pflege der Eltern auf ihr Handy sehen und auch genau wie ich übernommen. reagieren. Es sind Paten von Flüchtlingen, die jetzt eine SMS oder Sprachnachricht bekommen: ganz viele hintereinander. Die Benachrichtigungstö- ne hören gar nicht mehr auf: „Wie gehts dir?“ „Vermisse dich! „ Smiley, Herzchen... „Habe ich das richtig geschrieben? (Fragesmiley). „Ver- BESTATTUNGEN RÜCKER Ihr Begleiter in schweren Stunden. Wir übernehmen für Sie: jeder Art · Bestattungen und Überführungen chen Form alitäten · Erledigung der erforderli · Bestattungsvorsorge · Persönliche Beratung – kostenlos und unverbindlich 0 20 56 / 29 53 Südring 189, 42579 Heiligenhaus, Tel. L E R E I R ÜCKER TISCH it 1928 Se Wählen Sie aus über 1000 Hosen en aller Art Tischlerarbeit und viele bekannte Marken cker r Fran z Werner Rü Tischlermeiste Damenmode in Größe 36 - 54 l. 0 20 54 / 8 34 06 9, 42579 Heiligenhaus, Te Ruhrstraße 11 Friedrichstr. 194 · Velbert · Tel 0 20 51-5 31 42 13
Wir Älteren – Nachbarschaften ehrte Dame ich bin in Erwartung eines großzü- richt zu geben, in einer Flüchtlingsunterkunft gigen Tests…“ Und schon bricht das herrliche mit Syrern, Afghanen und Afrikanern... Mit Lachen los. Dann: „Layla Saida, gute Nacht klopfendem Herzen gehe ich, springe ins kalte Mama.“ Und wieder ein Herzchen. Dieses Mal Wasser. Und da sind sie. Überwiegend Jungen etwas größer. und auch ein paar Mädchen. Erst trauen sie sich nicht, aber ja Ihr wisst: ein Lächeln baut Diese Momente möchte ich nie mehr mis- Brücken... sen. Ebensowenig die leuchtenden Augen der Menschen, wenn sie mit uns reden. Diese Höf- Wir fangen an. Wir fangen an uns kennen- lichkeit, die Hilfsbereitschaft. Sie sind es wert, zulernen. Die ersten Worte. So schwer. Was dass wir uns um sie kümmern. Sie tun es auf ist eine Mütze? Das da auf deinem Kopf Joan, vielfältige Weise auch für uns. Alleine die, die ist eine Mütze und die ist blau...Wie viele Ge- sie uns geben. Nie aufhören mit uns Deutsch schwister habt ihr? Erste einfache Worte und zu lernen und zu sprechen (Hat einer von Ihnen Sätze, mit jedem neuen Wort mehr Wärme schon einmal versucht arabisch zu sprechen?). und Dankbarkeit. Ich habe es versucht und es ist echt schwer!!! NUR DER NAME IST NEU Tage und Wochen vergehen, mal sind es 10, Wir müssen einfach für so tolle Menschen mal 15 auch nur 2 Menschen, die zum Unter- da sein. Es bereichert unser Leben. Ich ver- richt kommen. Unsere erste Weihnachtsfeier sprecheSeit mehrIhralswollt Euch, 40 kein Jahren gehörte anderes das Architekturbüro Leben in der Unterkunft,Frankunser Engelhardt zu denunser Frühlingsfest, bekannten mehr! Habt den MutAdressen nicht nur inzu. und geht aufeinander der Region Sommerfest.und Wir standsindfürunsArchitektur und So jetzt so vertraut. umfassende Bauherrenbetreuung. Dasvertraut, wird auch dass wirso alsbleiben! Denn die Woh- Paten versuchen, So fing es an Mitarbeiter, die Ihnen in ihrer bisherigen Funktion nungen als Ansprechpartner zu finden. zur Versuchen, Deutschkurse DieseVerfügung Woche kommenstanden,Flüchtlinge bleiben Ihnen erhalten in unse- undund sind auch in Zukunft Integrationskurse ein Garant zu finden. Versuchen für Ich re Stadt. Kontinuität, will michKundenorientierung engagieren. Oh Gott,und Qualität. Für Sie besteht also weiterhin uns selbst mit unseren Schützlingen im deut- wie geheumfassende ich damit nur Bauherrenbetreuung um? Meine Gedanken rund um die Architektur. schen Bürokratenchaos klarzukommen. kreiseln: Ich will sie doch gar nicht hier haben. So viele auch von uns, die mit alledem oft Mein Leben soll so bleiben wie es ist. Wir sind überfordert sind. So viele schlaflose Nächte. im Krieg ja auch nicht davongelaufen. Immer wieder neue Herausforderungen. Im- Ich habe Angst. Aber kann man Angst ha- mer wieder neue Gesetze. Immer wieder die ben vor etwas, das man nicht kennt? Nein. Frage: mache ich das alles richtig? Aber auch Also muss ich sehen was mir Angst macht. Ich immer wieder die Gewissheit: ja ich mache es gehe los und entschließe mich Deutschunter- richtig, die Flüchtlinge brauchen jeden von uns. EUGENBIALONARCHITEKT GMBH Nordring 56 103 42579 Hauptstraße 42579Heiligenhaus 42579 Heiligenhaus Heiligenhaus TT 02056 2589647 FFF02056 02056 5994030 0205659940399 02056 5821837 59940399 EE info@ebialon.de info@ebialon.de URL ebialon.de URL ebialon.de ebialon.de AKNW 21136 gif e.v. AKH 18532 14
Wir Älteren – Nachbarschaften Heute Nachbarschaft im Ich selbst habe seit einem Jahr die Paten- schaft von 4 syrischen Flüchtlingen übernom- Ausland men. Das letzte Weihnachtsfest und Sylvester Marianne Fleischer haben wir gemeinsam gefeiert. Meine Familie ist um vier reicher geworden. Um vier Men- V schen, die ich nie mehr missen möchte und on 1969-1974 lebte ich mit meiner Fami- von denen ich weiß, dass auch sie mir jederzeit lie im Libanon. Wir wohnten etwa 5 km helfen, wenn ich Hilfe brauche. Wir gehören von Beirut entfernt in einem Vorort. Die jetzt zusammen und natürlich lernen wir immer Siedlung bestand aus mehreren großen Mehr- noch Deutsch. Wir lachen viel und manchmal familienhäusern, die auf einem Hügel direkt ne- sind wir auch traurig. Besonders in den Mo- ben der Küstenstraße standen. In jedem Haus menten in denen wir in den Nachrichten zuse- befanden sich 4-6 Appartements die jeweils ei- hen müssen, wie die Bomben fallen. Dann ha- nen großen Balkon (etwa 12 m lange und 3-4 ben wir Angst, aber diese Angst ist begründet. m breit) mit Meerblick hatten. Ich möchte alle Menschen bitten, keine Wir wohnten in der 2. Etage eines dieser Angst vor Flüchtlingen zu haben. Habt den Häuser und verbrachten fast neun Monate im Mut sie kennenzulernen. Euer Leben wird nur Jahr überwiegend auf unserem Balkon, auf reicher und ihr werdet sagen ALHAMDULA, dem wir vom späten Vormittag bis zum Son- Gott sei Dank ich habe es versucht. nenuntergang viel Sonne hatten. Im Sommer wurde es sehr heiß! Ich hatte einen orange-far- benen Vorhang aus Segeltuch genäht, der die 15
Wir Älteren – Nachbarschaften der Glut zu nahe, denn plötzlich schlug eine Flamme in die Flasche. Wir erstarrten, auch mein Mann stand mit der brennenden Flasche in der Hand vor uns und wusste nicht, was er tun sollte. Meine Schwester, die bei uns zu Be- such war, schrie: „Schmeiß die Flasche weg! Schnell!“. Und mein Mann warf die brennende Flasche über das Balkongeländer in das Ge- strüpp unterhalb des Hauses. Die Sträucher, von wildlebenden Ziegen ziemlich kahl gefres- sen, und das trockene Gras fingen sofort Feu- er. Wir schrien, rannten in die Küche und das Bad, suchten Eimer und große Gefäße, liefen nach draußen und versuchten uns dem Feuer zu nähern. Im Haus gab es einen Hausmeister (Concierge), er hieß „Hashim“. Ich lief zu ihm in die Eingangshalle und zeigte ihm das Feuer. Er verstand sofort was ich wollte, nahm einen Schlauch, schloss ihn an einen Wasserkran an und begann von oben aus der Eingangs- halle das Feuer zu bekämpfen. Von unserem Geschrei aufgeschreckt stürzten Nachbarn, Sonne in der Mittagszeit ein wenig fernhalten die wir noch nie gesehen hatten, mit Eimern sollte. die Treppe herunter um zu helfen. Wir bildeten Wir waren die einzigen Ausländer in diesem eine Eimerkette und – gottlob – war das Feuer Haus. Alle anderen Wohnungen wurden von li- bald gelöscht. banesischen Großfamilien bewohnt. Wir sahen In der Eingangshalle unten im Haus bedank- nur wenig von ihnen, hörten sie aber auf ihren ten wir uns dann bei allen Helfern – auf Eng- Balkonen. Kleine Kinder gab es offensichtlich lisch, Französisch und Arabisch. „Shukran“ nicht – unsere Kinder waren 10, 12 und 13 – Dankeschön hatten wir schon gelernt und Jahre alt. Sie wurden jeden Morgen von einem sprachen es offensichtlich auch richtig aus. So Schulbus zum Unterricht abgeholt und mittags hat uns dieses Ereignis geholfen die anderen wieder zurück gebracht. Wir besaßen einen Holzkohlegrill, auf dem wir auf Ausflügen mit Freunden und Kollegen oft Würstchen und Fleisch zubereiteten. Ei- nes Tages kamen wir auf die Idee den Grill auf unserem Balkon zu benutzen – wir erwarte- ten Freunde! Alles war vorbereitet, der Tisch gedeckt, das Fleisch mariniert, die Salate fer- tig, die Holzkohle glimmte im Grillkasten vor sich hin, wollte aber keine rechte Glut bilden. Mein Mann holte ganz verzweifelt eine Flasche Brennspiritus aus der Vorratskammer, um ein wenig nachzuhelfen. Er öffnete die Flasche und näherte sich der glimmenden Glut, um ein paar Tropfen drauf zu gießen. Offensichtlich kam er 16
Wir Älteren – Nachbarschaften Hausbewohner kennenzulernen. Was sie un- tereinander über uns verrückte Ausländer, die brennende Flaschen in die „Machia“ werfen, redeten, verstanden wir „Gott sei Dank“ nicht. Unsere Nachbarschaft im Hause blieb die gan- zen fünf Jahre über sehr freundlich und hilfs- bereit! Seit unserer Rückkehr nach Deutschland le- ben wir nun schon über 40 Jahre hier in Hei- ligenhaus in unserem Häuschen. Wir haben auch hier eine Terrasse und oft wird auf ihr mit Freunden und Nachbarn gegrillt – zunächst mit unserem alten Grill mit Holzkohle, aber ohne einen Brand zu verursachen. Jetzt benutzen wir einen Elektrogrill, das ist nicht so gefährlich. Wir haben hier wunderbare, liebevoll besorg- te Nachbarn, die wir seit Jahrzehnten kennen und die uns immer hilfsbereit zur Seite stehen. Heute betreibt dort niemand mehr aktive Wir fühlen uns geborgen und können so dem Landwirtschaft. Die damaligen Bewohner sind Alter gelassen entgegensehen. entweder zu alt oder schon verstorben und ihre heute erwachsenen Kinder haben andere Berufe erlernt. Viele sind weggezogen, man- che haben neben dem Elternhaus ein eigenes Der Traum vom Leben neues Heim gebaut. auf dem Land In dem Dorf gab und gibt es auch heute kein Rosemarie Koch Geschäft, keinen Arzt oder eine Schule – nicht mal eine Telefonzelle. Die nächst größere Stadt liegt etwa 30 km entfernt. Da es auch keine V or 40 Jahren verließen meine Eltern ihr öffentlichen Verkehrsanbindungen gibt außer bisheriges zu Hause, Nachbarschaft und dem Schulbus, der morgens schon vor 7.00 Freunde und zogen vom Ruhrpott in ein Uhr die Kinder zur Schule und nachmittags kleines Dorf in den Westerwald. Mein Vater war wieder nach Hause bringt, ist man auf ein ei- damals 50 Jahre, meine Mutter 46 Jahre alt, genes Fahrzeug angewiesen. ich verheiratet und unser erstes Kind auf dem Weg. Es war wohl Zeit für einen Umbruch. Meine Eltern haben sich dort gut eingelebt und neue Freundschaften geschlossen. Sie In dem Dorf lebten ungefähr 40 Einwohner sind in der Gemeinschaft sehr geschätzt. Ohne mit ihren Kindern. Fast alle betrieben Landwirt- gute Nachbarschaft und gegenseitige Unter- schaft und Viehzucht. Man konnte am Abend stützung ging und geht es dort nicht. mit einer Kanne frisch gemolkene Milch bei ih- nen kaufen. Und wenn ein Schwein oder Rind Als meine Eltern in diesem Dorf ihr Eigen- geschlachtet wurde, war es auch möglich, ein heim bezogen, waren sie noch beide berufstä- entsprechendes Stück Fleisch zu bekommen, tig. Mit dem Auto konnten sie ihre Arbeitsstelle ebenso frische Eier oder ein Huhn für die Sup- problemlos erreichen, die Einkäufe und im und pe. am Haus alle Tätigkeiten erledigen. 17
Wir Älteren – Nachbarschaften Das Leben auf dem Land war herrlich. Wann unbekannt. Manchmal holen wir sie sogar zu immer es mir und meiner Familie möglich war, uns ins Rheinland. besuchten wir meine Eltern. Wir wohnten Papierkram und manch andere Dinge erle- in der Stadt, ca. 100 km entfernt, und freu- digen die Enkelkinder, aber für die alltäglichen ten uns immer, wenn wir mit unseren damals Dinge ist die Distanz zu weit. Ein guter Nach- noch kleinen Kindern in den Westerwald fah- bar kümmerte sich bis vor einigen Monaten um ren konnten. Es war für uns wie Urlaub – nur sie und half bei schwierigen Arbeiten, kleine- schöner. Ich ließ mich gerne von meiner Mutter ren Reparaturen und Besorgungen. Er mähte verwöhnen, denn das Essen bereitete sie zu. den Rasen und sah täglich nach dem Rechten. Wir machten zwar alles zusammen, doch es Dann ist er schwer erkrankt und benötigt jetzt war entspannter für mich. Die Kinder erkunde- selber Hilfe. ten das Dorf und die Umgebung oder halfen Opa bei der Arbeit im Garten. Es gab so viel Meine Eltern wollen im Dorf ihren Lebens- Abwechslung, und alles war so interessant abend verbringen. Für mich – aufgrund der und viel besser als zu Hause. Die Tiere auf den Entfernung – eine problematische Entschei- Weiden oder in den Stallungen, die Spazier- dung. gänge im Wald, das Suchen von Waldbeeren oder Pilzen, das Treckerfahren, wenn Opa Holz holte für den Ofen, der das Haus heizte, das abgeschnittene Geäst der Hecken, Büsche Eine gute Nachbarschaft und Bäume zusammentragen, die Erdbeeren pflücken und sofort zu verzehren und, und, ist Lebensqualität und. Die Beschäftigungen waren so vielfältig. Martina Müller Bei schlechtem Wetter wurde mit Oma Kuchen E oder Plätzchen gebacken, mit Holz und Papier nde der 60er Jahre, ich war 12, 13 Jah- gebastelt, mit Opa Musik gemacht. All diese re alt, meine beiden Schwestern ein und Besuche waren immer wunderschöne Erleb- zwei Jahre älter, und es war Hochsom- nisse und sind bis heute noch im Gedächtnis. mer. Wir wohnten auf der unteren Hauptstra- Inzwischen profitieren auch die Urenkel von ße, Nähe der AEG und wir hatten zu dritt zwei den Besuchen auf´dem Land. Zimmer unterm Dach, mit Fenstern an der Gie- Vater ist inzwischen der Dorfälteste. belseite. Wir mussten früh zu Bett gehen und hingen noch oft in den Fenstern. In den letzten 10 Jahren wurde häufig dis- kutiert, ob das Leben auf dem Land alleine Zwei Häuser neben uns wohnte eine Familie noch zu bewältigen ist, Haus und Garten noch mit zwei Töchtern. Sie waren 5, 6 Jahre älter gepflegt werden können, wie Einkäufe zu er- als ich. Am Abend gingen sie des öfteren zur ledigen sind, und und und. Allen Widrigkeiten „Eis Pra“, der Eisdiele in der Stadtmitte, um Eis zum Trotz wohnen meine Eltern immer noch für die Familie zu kaufen. Meine Schwestern in ihrem Haus auf dem Lande. Sie sind inzwi- und ich machten uns bemerkbar, riefen den schen 90 und 86 Jahre alt und nicht mehr so Nachbarmädchen zu und baten sie, für uns fit, um alles alleine zu bewältigen. Meine Mutter auch Eis mit zu bringen. Das Geld warfen wir fährt zwar immer noch selbst Auto, aber nur in ein Tuch gewickelt hinunter. bekannte Strecken. Für fachärztliche Behand- Dann wurden wir erfinderisch und knoteten lungen benötigen meine Eltern jemanden, der die Gürtel unserer Bademäntel und Tücher zu- sie mit dem Auto in den jeweiligen Ort fährt. sammen, banden ein Körbchen daran fest und Fachärzte oder Krankenhäuser sind zu weit fertig war unser Transportaufzug. Die Eisbe- entfernt, Wege dorthin zu verkehrsintensiv und cher kamen in das Körbchen und wir zogen es 18
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