Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus

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Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus
Heiligenhauser Seniorenzeitung · Nr. 96 · Mai 2017
Herausgeber: Volkshochschule Velbert / Heiligenhaus

                                                                         !
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Nachbar-
schaften
Hier wird gelebt · Warum ich ein gute Nachbarin bin ·
Nachbarschaften auf dem Dorf · Günter ist weg · Plädoyer
für fremde Nachbarn · Nachbarschaft im Ausland · Der
Traum vom Leben auf dem Land · Eine gute Nachbarschaft
ist Lebensqualität · Buchvorstellung · Termine
Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus
Deutsches Rotes Kreuz
                   DRK Seniorenzentrum Velbert gGmbH
                     Unser Leistungsangebot umfasst:
                   • Stationäre Altenpflegeplätze inkl. Kurzzeitpflege; Tagespflege
                   • Service Wohnen in verschiedenen Größen mit Serviceleistungen, die das Altersleben erleichtern

                   Seniorenzentrum am Wordenbecker Weg
                   Mitten im Grünen
                   ... bieten wir Ihnen eine allumfassende pflegerische und psychosoziale Betreuung: Als
                   Bewohner in unserem Seniorenzentrum am Wordenbecker Weg oder als Gast der
                   Kurzzeit- und Tagespflege, Ihre individuellen Bedürfnisse und Wünsche stehen immer
                   im Mittelpunkt unseres Engagements.

                   Residenz Rheinischer Hof
                   Leben im Herzen von Velbert
                   ... bieten wir Ihnen mit unserem abgestuften Wohn- und Heimkonzept in der Residenz
                   Rheinischer Hof. Genießen Sie die Annehmlichkeiten des Stadtlebens, die unmittelbare
                   Nähe zur Fußgängerzone, die kurzen Wege zu Ärzten, Apotheken, Kirchen, Geschäften
                   und Banken sowie die attraktiven Angebote im Freizeit- und erhalten Sie bis ins hohe
                   Alter Unabhängigkeit, Sicherheit und Lebensqualität.

                   DRK-Seniorentreff
                   Treffpunkt für den interessierten Velberter
                   ... hier erwartet Sie ein wechselndes Veranstaltungsprogramm wie Quartalsgeburtstage,
                   jahreszeitliche Feste, Bingo, Vorträge zu Fragen der Lebensgestaltung im Alter usw.
                    Veranstaltungen bis zu 180 Personen sind möglich.

                   DRK Seniorenzentrum Velbert gGmbH, Wordenbecker Weg 51–56, 42549 Velbert
                   Tel. 0 20 51/60 84-0, Fax 60 84-11 84, E-Mail: seniorenzentrum@drk-sz-velbert.de

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en
                                                                                                        Spezialbrillengläser
        „Die gepflegte Art zu wohnen“

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                                          Pflege und Demenz                                              für altersbedingte Makuladegeneration

 n                                        in Heiligenhaus
                                                    Domizil mobil
                                                                                                       Spezialbrillengläser
                                                                                                       Sie haben eine Makuladegeneration, klagen
                                                                                                       über starke Blendempfindlichkeit und
                            epflegte Art zu wohnen

nen                                                                                                    für altersbedingte
                                                                                                       Kontrastverlust?        Makuladegeneration
                                                                                                                        Hier kann das Spezialbrillenglas
                                                                 Zu Hause gut versorgt                 vonhaben eine Makuladegeneration,
                                                                                                                             helfen:
                                                                                                       Sie                                  klagen
                                          Unsere Leistungen für Sie                                    über starke Blendempfindlichkeit und
                                                                                                       Kontrastverlust? Hier kann das Spezialbrillenglas
                                          • Wir bieten Kurzzeit-, Verhinderungs-                       Es vergrößert, schützthelfen:
                                                                                                       von                    vor
                                            und Dauerpflege                                             UV-Strahlen und verbessert
ilt:                                      • Wir beraten bei Fragen                                     das Kontrastsehen.
                                            zur Pflege und zur                                          Es vergrößert, schützt vor
                                            Demenz
                                                                                                       UV-Strahlen und verbessert
                                          • Wir sind Mitglied                                          Ihr Spezialist
                                                                                                       das             für
                                                                                                           Kontrastsehen.
                                            des Demenznetzes                                            AMD-Spezialgläser:
                                                                                                                   g
                                          • Ansprechpartnerin:
                                            Pflegedienstleitung                                         Ihr Spezialist für
                                            Astrid Stankiewicz-                                        AMD-Spezialgläser:
                                                                                                                     g
                                            Frisch

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                                          Domizil Heiligenhaus
                                          Domizil Wohnfühlen GmbH
                                          Südring 90, 42579 Heiligenhaus, Tel.: (0 20 56) 58 54 9-0
                                          info@domizil-wohnfuehlen.de, www.domizil-wohnfuehlen.de
                                                                                                      optik andreas reinders | Hauptstraße 146 | 42579 Heiligenhaus | Tel. 0 20 56-55 31

                                                           Beratung und Kostenklärung
Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus
Heiligenhauser Seniorenzeitung                                                Nr. 96 · Mai 2017                               Herausgeber: Volkshochschule Velbert / Heiligenhaus

Nachbarschaften
                            Liebe Leserin und lieber Leser,                                                            Auch Intergration lebt nur dadurch,
                                                                                                                       dass wir (innerlich und äußerlich) an
                            Von klein auf umgeben uns Nachbarn,                                                        eine fremde Tür klopfen.
                            sind oft „Tante“ und „Onkel“ und
                            zeigen uns die Welt außerhalb der Fa-                                                      Ich selbst lebe seit 8 Jahren in einem
                            milie mit anderen Werten. Wir kennen                                                       Mehrgenerationen-Wohnprojekt und
                            auch alle Zerrbilder von Nachbar-                                                          meine Nachbarin Bärbel Bachmann
                            schaft, und die Fernsehproduktionen                                                        hat das Zusammenleben in Versform
                            leben davon. Unvergessen aus den                                                           launig beschrieben.
                            60ziger Jahren das Ohnsorg Theater
                            mit „Tratsch im Treppenhaus“, in ver-                                                      Unsere Artikel zeigen eine Mischung
                            feinerter Form heute abgelöst von der                                                      aus den Erfahrungen in früherer Zeit
                            „Lindenstrasse“.                                                                           und geben Anregungen wie heutige
                                                                                                                       Erfordernisse für eine gute Nachbar-
                            Nachbarschaft ist ein Wert, der aktuell                                                    schaft aussehen können.
                            eine große Rolle spielt und gerade in
                            Städten neu belebt wird. Alternative                                                       Wir wünschen Ihnen die positive Neu-
                            Wohnformen entstehen und helfen                                                            gier und die Offenheit, die es braucht,
                            gegen soziale Isolation.                                                                   den Menschen neben uns kennen zu
                                                                                                                       lernen.
                            Wollen wir nachbarschaftlich gute
                            Kontakte, müssen wir uns „in Gang“
                            setzten.
                                                                                                                       Ihre Ursula Schwarze

 Nachbarschaft als wichtiges Gemeinschafts­leben                                                             Plädoyer für fremde Nachbarn
 Ute Moll................................................................................................2   Barbara Grieving................................................................................13
 Hier wird gelebt                                                                                            Nachbarschaft im Ausland
 Bärbel Bachmann..................................................................................3          Marianne Fleischer.............................................................................15
 Warum ich ein gute Nachbarin bin                                                                            Der Traum vom Leben auf dem Land
 Dagmar Haarhaus................................................................................4            Rosemarie Koch..................................................................................17
 Nachbarschaften auf dem Dorf                                                                                Eine gute Nachbarschaft ist Lebensqualität
 Annemarie Vinck...................................................................................6         Martina Müller....................................................................................18
 Günter ist weg                                                                                              Ein Lutherlied macht Nachbarn zu Freunden
 Helga Licher.........................................................................................8      Ruth Ortlinghaus.................................................................................20
 Gute Nachbarschaft                                                                                          Buchvorstellung:
 Armin Merta..........................................................................................9      Christian Nürnberg und Petra Gerster: Der rebellische Mönch,
                                                                                                             die entlaufende Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten:
                                                                                                             Martin Luther. ....................................................................................20

                                                                                                                                                                                                                     1
Nachbar-schaften - VHS Velbert/Heiligenhaus
Wir Älteren – Nachbarschaften

                                                   diese sind heute selten. Während die Lebens-
Nachbarschaft                                      form der Großfamilie sich weitgehend aufge-
als wichtiges                                      löst hat, wird eine funktionierende Nachbar-
                                                   schaft immer interessanter und wichtiger. Sie
Gemeinschafts­leben                                ist heute von vielfältiger Bedeutung. Nachbar-
Ute Moll                                           schaft ist als Ersatz für die Großfamilie auch
                                                   ein wichtiges Stück Heimat und kann ein iden-
                                                   titätsstiftendes Zusammenleben ermöglichen.

A
        ls alleinlebende Frau von 73 Jahren ma-    Ich kann in einer lebendigen Nachbarschaft
        che ich mir schon seit geraumer Zeit       Freunde finden sowie auch konkrete Hilfe für
        Gedanken über eine für mich zufrieden-     den Alltag.
stellende Wohn- und Lebensform im Alter. Ist
meine jetzige und evtl. kommende Situation            Unser heutiges Leben findet häufig in klei-
die für mich beste und richtige? Jetzt habe ich    neren und größeren Kommunen statt. Man-
noch einen sogenannten „fließenden“ Alltag         che Berufstätige erleben ihr Haus und ihre
mit etlichen Interessen, selbstgewählten Auf-      Wohngegend lediglich als Schlafstätte, weil
gaben und vielen verstreuten Kontakten. Wer-       sie tagsüber in anderen Orten arbeiten und in
de aber jedes Mal sehr nachdenklich, wenn ich      ihrer Freizeit nur wenig Kontakt zu ihren Mit-
im Bekanntenkreis und in der Nachbarschaft         bewohnern und Nachbarn suchen und finden
mitbekomme, wie Krankheit und Sterben das          können. Sie leben fast anonym. So haben sie
Leben radikal verändern kann.                      nur dünne Wurzeln in ihrem direkten Wohnum-
                                                   feld und sind nach ihrer Berufstätigkeit sehr auf
  Ich habe erkannt, dass das Altern nicht nur      sich selbst gestellt.
ein Vorgang, sondern auch eine Aufgabe ist,
bei der viel zu bedenken ist und vor allen Din-       Spätestens dann interessiert man sich für
gen nach möglicher Hilfestellung schon früh-       die Menschen und Familien im näheren Um-
zeitig Ausschau gehalten werden sollte. Über       feld. Dadurch, dass man wesentlich mehr Zeit
einige Lebensformen im Alter konnte ich viele      in den eigenen vier Wänden verbringt, hat
Beispiele in entsprechender Literatur finden.      man auch jetzt Gelegenheit, seine Nachbarn
Habe mich dann auf den Weg gemacht, al-            häufiger zu erleben und besser kennenzuler-
ternative Wohnformen zu finden und zu besu-        nen. Mir ging es ähnlich. Endlich habe ich Zeit,
chen. In dieser Zeit konnte ich auch meine ei-     am Nachbarschaftsfest teilzunehmen und die
genen Wünsche und Bedürfnisse genau unter          Wesensmerkmale dieser Menschen näher zu
die Lupe nehmen und erkennen.                      betrachten. Ich kann ihnen an den folgenden
                                                   Tagen viel persönlicher begegnen und mit ih-
  In Büchern fand ich die Thesen von Sozio-        nen in näheren Kontakt kommen. Ich kann mir
logen und Psychologen, die da sagen, der           ihre Sorgen anhören und ihnen meine eigenen
Mensch ist ein soziales Wesen, er sei nicht        mitteilen.
dazu geschaffen alleine zu leben. Diesen Er-
kenntnissen kann ich mich kaum entziehen              Ich selbst bin heute froh und dankbar, ein
und erwehren, denn meine Sehnsucht nach            großes nachbarschaftliches Umfeld zu haben.
Kontakt und meine Lebenserfahrung bestäti-         Es gibt ein gutes Gefühl, dass Hilfe erreich-
gen dieses. Der Mensch braucht, egal in wel-       bar ist, wenn ich sie brauche. Die Nachbarn
chem Alter, die Erfahrung und Unterstützung        in meinem Haus versorgen untereinander die
anderer Menschen, damit er sich geborgen           Pflanzen und den Briefkasten und springen
und zuhause fühlen kann.                           ein, wenn Termine in der Wohnung wichtig sind
                                                   und die Wohnungsinhaberin nicht anwesend
  In vergangenen Zeiten war es wohl die Groß-      sein kann. Darüber hinaus ist ein Plausch im
familie, die diese Aufgabe erfüllen konnte. Aber

2
Wir Älteren – Nachbarschaften

Treppenhaus oder vor dem Haus sehr wich-             „Habt ihr denn auch ein Gemeinschaftshaus
tig, ich erfahre dann meistens etwas über die        zum Waschen, zum Backen und für einen
aktuelle nachbarschaftliche Lebenssituation.         Schmaus?“
Eine wunderbare und unvergessliche Nach-
                                                     Man mutmaßte gar: Ist´s denn ein Freuden-
barschaftshilfe wurde mir zuteil, als ich mich ei-
                                                     haus, das sprach man hinter der Hand nur
ner Operation unterziehen musste, nicht Auto
                                                     aus!
fahren und viele Dinge nicht alleine bewältigen
konnte. Meine direkte Nachbarin lieh mir ihre        Ja, Freudenhaus wäre das richtige Wort –
Gehhilfen aus und meine nachbarschaftliche           doch damit verbind ich´nen anderen Ort.
Freundin fuhr mich mit ihrem Auto zu Nachsor-
geterminen und zum Einkaufen.                        Hier wird viel gegeben und manches emp-
                                                     fangen, man weiß von dem ein oder anderen
  Nachbarschaftliche Hilfe ist also eine große       Verlagen.
Kostbarkeit, die ich noch ausbauen und auf
keinen Fall missen möchte.                           Ich sag dann: Von allem ist etwas darin,
                                                     kommt einfach mal rein, es wird klar euch der
                                                     Sinn.

Hier wird gelebt                                     Ich war mal schlecht drauf und fühlt mich
                                                     ganz mies, wollte gar nicht mehr raus aus
Bärbel Bachmann                                      dem eignen Verlies – hat zu gar nichts mehr
                                                     Lust – mir war übel fast schon, wollte stun-
Lebendiges Wohnen in Wuppertal –                     denlang sitzen auf dem eignen Balkon.
Das ist doch bekannt durch den 3. Kanal.             Ein Blick in den Hof – da wird mir gewahr,
Ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt,                    eine fröhlich lachende Menschenschar!
das kriegen die wenigsten Leute gecheckt.            Denk ich so bei mir – was soll dieser Spaß,
„Ach betreutes Wohnen, doch Altenheim,               ich geh nur kurz runter – ich kenne mein Maß!
da bin ich zu jung für, da pass ich nicht rein“.     Steck nur mal die Nase so knapp um die
Man wird oft gefragt: „Wie lebt es sich dort?“       Ecke, dann ganz schnell zurück in mein eignes
„Was ist das für ein besonderer Ort?“                Verstecke.

„Lebt ihr wie im Dorf, so wie´s früher mal war       Bestimmt will ich unten nicht lange bleiben,
– ein jeder kennt jeden, seid ihr euch sehr          denn draußen da stört mich das fröhliche
nah?“                                                Treiben.

                                                                                                     3
Wir Älteren – Nachbarschaften

Zum Überfluss kommt jetzt die Sonne heraus         nen Wald ging, um Kleinholz aufzusammeln,
– ich mach 3 Schritte – es ertönt der Applaus!     damit der Ofen in den Wintermonaten Wärme
                                                   spenden konnte. Die außergewöhnliche Si-
„Wo bist Du gewesen – wir warten auf Dich!
                                                   tuation schweißte die Frauen zusammen, so
Da fällt mir ein: Die Idee hatte ich.
                                                   dass aus den Nachbarinnen eine wunderba-
Das Glas in der Hand – ich fühlte mich stark:      re Frauen­freundschaft entstand, die auch ich
                                                   noch erleben konnte.
„Wir könnten mal wieder.. – ich mach den
Vorschlag ein Fest draußen zu feiern, auch           Mutter war der Meinung, nur durch die Har-
so ohne Grund und jeder, der will, bringt was      monie der Nachbarschaft, die gegenseitige
mit für den Mund. Es muss ja nicht immer           Hilfe, das große Vertrauen war es möglich, ge-
was sein zum Essen, man könnte auch eine           meinsam die schwere Zeit durchzustehen.
Geschichte vorlesen, vielleicht etwas singen –
                                                      In diese Nachbarschaft, in diese Harmonie
vielleicht etwas dichten.
                                                   kam ich im sehr kalten Winter 1946 auf die
Da seht ihr – ich hab euch was mitgebracht,        Welt. Während ich heranwuchs, lernte ich die
das hätte ich ohne euch gar nicht gemacht!         Freundinnen meiner Mutter kennen und durfte
                                                   sie Tante nennen. Auch sie haben mir oft von
Man muss sich nur trauen – das ist manchmal        der schweren, aber auch schönen Zeit der Ge-
schwer. Drei Schritte ins Leben – die Freude       meinsamkeit und Harmonie berichtet.
kommt her!
                                                     Nach Kriegsende, alle drei Männer kehrten
                                                   unversehrt zurück, blieb die Frauenfreund-
                                                   schaft bestehen, und alle lebten zufrieden mit-
Warum ich ein gute                                 einander, wobei meine Mutter leider erleben
Nachbarin bin                                      musste, dass ihre beiden Freundinnen zuerst
                                                   verstarben.
Dagmar Haarhaus

M
        eine Mutter lebte mit drei Frauen und
        drei kleinen Kindern in einem Wohn-
        haus in der Lotte-Neumann-Siedlung
in Wuppertal, wo sie auch den 2. Weltkrieg er-
lebten.
   Da die drei Ehemänner sich im Krieg befan-
den, waren die Frauen auf sich alleine gestellt
und versuchten, den Kriegsalltag zu bewälti-
gen. Nahrungsmittel waren knapp, ebenso das
Heizmaterial für die Öfen. Um einigermaßen ein
normales Leben aufrecht zu erhalten, wurde
die tägliche Arbeit aufgeteilt. Meine Tante Lilo
wanderte mit einem Rucksack in die nähere
Umgebung, um bei den Bauern zu „hamstern“,
in der Hoffnung, man würde ihr einige Kartof-
feln oder Obst aushändigen. Derweil versorgte
meine Mutter die drei Kleinen, spielte mit ih-
nen, während Tante Erika in den nah gelege-

4
Wir Älteren – Nachbarschaften

  Erst viel später, als ich von daheim weg-          Dieser Wunsch wurde beidseitig erfüllt. Es
zog, konnte ich selbst erfahren, was eine gute    dauert nicht lange, so verabredeten wir uns im-
Nachbarschaft ausmacht und warum ich mei-         mer an einem Tag in der Woche. Entweder un-
ne, eine gute Nachbarin zu sein.                  ternahmen wir Ausflüge in die Umgebung oder
                                                  abwechselnd trafen wir uns in unseren Woh-
  Siebenundzwanzig Jahre habe ich in Müns-
                                                  nungen, erzählten oder spielten Karten. Durch
ter gewohnt. Meine erste Begegnung mit mei-
                                                  ihre unaufdringliche Nachbarschaft erleichterte
nen neuen Nachbarn war bei meinem Umzug
                                                  sie mehr das Eingewöhnen in die neue Umge-
sehr unangenehm, da aus Unwissenheit der
                                                  bung. Wir tranken Brüderschaft und tauschten
Parksituation, der Möbelwagen einen Parkplatz
                                                  dabei unsere Haustürschlüssel.
belegte. Die Parkplätze vor dem Haus, wie ich
dann erfahren habe, waren an die Mieter ver-         Befand sich meine Nachbarin in Urlaub, wur-
mietet. Der Auftritt meines neuen Nachbarn        den die Balkonblumen von mir versorgt, eben-
war bühnenreif. Vom Balkon seiner Wohnung         so der Briefkasten geleert. Gleiches hat sie mir
aus wurde ich erst einmal angebrüllt, wieso der   gewährt, wobei Ihre Unterstützung für mich
Umzugswagen dort parken würde. Geschockt          noch breiter gefächert war, da ich mich noch
vom seinem heftigen Ausbruch beschlich mich       im Berufsleben befand. Und bald spürte ich,
das Gefühl, mit dem Nachbarn sei wohl zu-         dass das nachbarschaftliche Verhältnis sich in
künftig kein gutes Kirschenessen möglich. Auf-    Freundschaft umwandelte, ähnlich wie damals
atmen konnte ich, als wenige Wochen später        bei meiner Mutter. Wir konnten uns aufeinan-
der Nachbar verstarb.                             der verlassen und waren zur Stelle, wenn man
                                                  gebraucht wurde. Nun lebe ich schon über
  Aber seine liebenswerte Frau schenkte mir
                                                  10 Jahre in Heiligenhaus und ich kann sagen,
Brot und Salz zum Einzug und wünschte mir
                                                  dass uns zwar die Kilometer trennen, aber
eine gute Nachbarschaft.
                                                  diese keinen Einfluss auf die Intensität unse-
                                                  rer ehemaligen Nachbarschaft haben. Heute
                                                  ist meine Freundin 83 Jahre und fährt weder
                                                  Auto noch mit der Bahn. Dafür haben wir eine
                                                  Lösung gefunden, weil ich sie hin und wieder
                                                  gerne in Münster besuche.
                                                      Mit meinen Nachbarn in Heiligenhaus be-
                                                  steht auch eine Harmonie. Wir kennen keinen
                                                  „Streit am Zaun“. Gegenseitig sind wir hilfsbe-
                                                  reit sowie zu jeder Zeit ansprechbar. Wir pla-
                                                  nen gemeinsame Unternehmungen, wobei der
                                                  persönliche Freiraum erhalten bleibt.
                                                    Und bei all meinen Erfahrungen, die ich mit
                                                  meinen verschiedenen Nachbarn gemacht
                                                  habe, war es mir wichtig, selbst eine gute
                                                  Nachbarin zu sein, um dadurch ein angeneh-
                                                  mes Nähe-Distanz-Verhältnis aufzubauen.

                                                                                                 5
Wir Älteren – Nachbarschaften

                                                 80 Jahre alt, und ich durfte vom Telefon mei-
Nachbarschaften auf                              nes Arbeitgebers anrufen, um zu gratulieren.
dem Dorf                                         Die Nachbarsfrau hat dann meine Großmutter
                                                 ans Telefon gerufen. Am folgenden Tag stand
Annemarie Vinck                                  in der „Allgemeinen Zeitung“ der Vermerk „Eine
                                                 Einwohnerin aus Flonheim wurde 80 Jahre alt

N
         achdem mein Vater 1937 an einer eit-    und von ihrer Enkelin aus London angerufen.“
         rigen Mandelentzündung gestorben          Nachdem diese Nachbarn gestorben, de-
         war – damals gab es weder Penicillin    ren Kinder verheiratet und ausgezogenwaren,
noch Antibiotika – zog meine Mutter mit mei-     wurde in den 60er Jahren das Haus an ein jun-
ner Schwester (8 Jahre) und mir (9 Jahre) von    ges Paar verkauft.
Essen weg zu ihren Eltern in das 2000-Seelen-
Dorf Flonheim im rheinhessischen Hügelland.         Er war von Beruf Restaurator am Museum,
Hier wuchsen wir in einer Dorfgemeinschaft       sie Logopädin. Beide haben in den folgenden
auf, in der jeder jeden kannte.                  Jahren aus dem Nachbarhaus, dem ältes-
                                                 ten Gebäude in Flonheim, in Eigenarbeit ein
   Rechts neben uns wohnte ein wohlhaben-        Schmuckstück gemacht.
der Weinhändler mit Frau, Sohn und Tochter.
In den 40er und 50er Jahren hatten wir noch        Unsere Mutter starb 1992. Danach ver-
kein Telefon, deshalb wurde in dringenden Fäl-   kauften meine Schwester und ich das seit
len beim Nachbarn angerufen, der dann meine      Jahrhunderten im Familienbesitz gewesene
Mutter oder Großmutter ans Telefon holte. Von    Anwesen. In der letzten Nacht, in der ich dort
1951 bis 1952 lebte ich als Au pair-Mädchen in   schlief, träumte ich, dass über dem Eingang
London. Im Mai 1952 wurde meine Großmutter       zum Weinkeller die Jahreszahl 1718 stände.

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Wir Älteren – Nachbarschaften

  Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass        Bei Familien mit Kindern schwamm in der Brü-
tatsächlich die Jahreszahl 1778 über der Tür       he dann pro Kind noch eine Wurst.
eingeritzt war. Ich konnte nur darüber staunen,
                                                      Im Nachbarhaus zur Linken von uns lebte
dass dieser Weinkeller zu Zeiten Friedrichs des
                                                   eine Kleinbauernfamilie ohne Pferde, nur mit
Grossen und von Maria Theresia gebaut wor-
                                                   Kühen. Elsa, die Schwester des Bauern, fast
den war und wir nie darauf geachtet hatten!
                                                   blind und deswegen sehr behindert, kam im-
  Zum Abschied von Flonheim haben wir die          mer zum Geburtstag unserer Mutter oder un-
neuen Nachbarn im Febr. 1993 zum „Kreppel-         serer Großmutter mit einem selbst verfassten
Kaffee“ (das sind Berliner Ballen) eingeladen,     Gedicht, das sie stolz und freudig vortrug.
zusammen mit den Käufern des Hauses, dazu
                                                     Zwei Häuser weiter wohnte eine Altersge-
noch zwei weiteren Familien, mit denen wir
                                                   nossin von mir namens Lina. Auch ihr Vater
befreundet oder verwandt waren, um unseren
                                                   betrieb eine kleine Landwirtschaft. An den
Nachfolgern einen guten Start in Flonheim zu
                                                   Sonntagen im Winter kamen Lina und eine
ermöglichen.
                                                   andere Klassenkameradin namens Henny im-
  Im Haus neben dem Weinhändler lebte die          mer zu uns. Wir spielten „Spitz pass auf“, „Die
Familie C. Der Vater war einst ein sehr reicher    Rheinreise“ – ein Würfelspiel, oder „Schwarzer
Mann, der in der Inflation sein Geld verlor.       Peter“ usw. Henny war die Tochter eines Lum-
Deshalb mussten die zwei jüngsten Töchter          pensammlers, hatte noch 11 Geschwister. Sie
eine Stelle annehmen. Emilie u. Lisbeth wur-       war die Jüngste und erinnerte sich vor einigen
den Hausdamen in wohlhabenden Familien in          Jahren an unsere sonntäglichen Spiele und
Oberhessen, während die älteste Schwester,         kommentierte dazu, dass sie daheim ja über-
unser Tante Käthchen, die Stellung daheim          haupt keine Spiele besaßen. Kann man sich in
hielt. Auch wenn wir nicht verwandt waren, so      der heutigen Zeit so etwas vorstellen?
waren diese drei unverheirateten Frauen für
                                                     Weil ich mit Lina befreundet war wurde ich
uns „richtige“ Tanten.
                                                   natürlich auch manchmal in den schlechten
   An „Großkampftagen“, also an Tagen, an          Zeiten zu ihr geschickt mitsamt der Milchkanne
denen es hoch her ging, weil z.B. geschlach-       und der Frage, ob wir wohl „einen Schoppen“
tet, Rübensirup oder Latwerg (Pflaumenmus)         (1/2 Liter) Milch haben könnten.
gekocht wurde, stand Tante Käthchen immer
                                                      Zur Nachbarschaft gehörte natürlich auch
bereit um zu helfen. Zur Schlachtung brachte
                                                   unser Tante Lenchen. Sie war die Schwester
sie eine spezielle große flache Schüssel mit, in
                                                   meiner Großmutter mütterlicherseits und be-
der sie das aus der Kehle des Schweins rin-
                                                   trieb einen Kolonialwarenladen. Als wir grö-
nende Blut auffing, das für die Blutwurst von-
                                                   ßer wurden, halfen meine Schwester und ich
nöten war. Latwerg und Rübensirup wurden
                                                   samstags beim Verkauf im Geschäft, einem
stundenlang im grossen Kupferkessel im Hof
                                                   typischen Tante-Emma-Laden. Zucker, Salz,
gerührt. An solchen Tagen war Tante Käthchen
                                                   Reis usw. musste alles abgewogen werden. Öl
stets zur Stelle, um beim Umrühren abzulösen.
                                                   wurde in mitgebrachte Flaschen gezapft, Senf
  Am Ende eines Schlachttages, an dem im           in bereit gehaltene Gefäße abgefüllt, die Preise
selben Kupferkessel im Hof Fleischstücke und       per Hand auf einem Block notiert und zusam-
Würste gegart worden waren, wurde die gute         mengezählt. Während des Krieges und da-
Brühe, bei uns „Metzelsuppe“ genannt, an die       nach mussten die von den Lebensmittelkarten
Nachbarschaft verteilt. Wir Kinder brachten je     abgeschnittenen      Zuteilungsberechtigungen
eine 2-3 Ltr. fassende Milchkanne mit dieser       gesammelt und auf Blätter aufgeklebt werden.
köstlichen Metzelsuppe in die Nachbarhäuser.       Das war eine heillose Arbeit.

                                                                                                  7
Wir Älteren – Nachbarschaften

   Gegenüber unseres Hauses hatte Anfang
der 60er Jahre ein Ehepaar gewohnt, das uns
bei der Weinlese half. Damals waren viel we-
niger Maschinen im Einsatz als heutzutage,
deshalb mussten abends nach der Lese noch
die Kelterarbeiten ausgeführt werden. Da wur-
den also die gemahlenen Trauben per Eimer
in die Kelter geschüttet, dann beschwert, um
danach langsam mit dem Pressen zu begin-
nen. Der frisch gepresste Most wurde mangels
fehlender Pumpe eimerweise in den Keller ge-
tragen und in große Trichter über den Fässern
gekippt. Diese Arbeiten dauerten oft bis Mit-
ternacht.
   Infolge der immer größer werdenden Woh-
nungsnot nach den Bombenangriffen während
des Krieges, wurden auch bei uns zwei Zim-
mer beschlagnahmt und eine junge Familie mit
einem Kind eingewiesen. Eines Tages war es
soweit: Kind Nr.2 drängte ans Licht der Welt.
Der Ehemann und werdende Vater setzte Töp-
fe mit Wasser auf den Kohleherd und geriet in
Panik, weil der Hausarzt ausblieb. Aufgeregt      Günter ist weg...
rannte er zu meiner Mutter, die ihn zur Woh-      Helga Licher
nung des Hausarztes schickte. Dann kümmer-

                                                  W
te sich Mama um die werdende Mutter. Nie
                                                             ir sind in größter Sorge. Gestern
im Leben hatte sie einer Schwangeren beige-
                                                             stand der kleine Kerl noch gut ge-
standen. Aber nun ging alles atemberaubend
                                                             launt im Kräuterbeet, und heute ist
schnell und glücklicherweise komplikationslos.
                                                  er plötzlich spurlos verschwunden. Mein erster
Jedenfalls stand Mama mit einem Neugebo-
                                                  Gedanke ist, Günter ist vielleicht einfach nur
renen da, dem sie die Nabelschnur abwickel-
                                                  umgezogen. Er liebäugelte schon lange mit
te, die sich rund um den Hals gelegt hatte, als
                                                  dem Begonienbeet in Nachbars Garten.
wenige Minuten später der Hausarzt und der
junge Vater eintrafen.                               Stundenlang suchen mein Mann und ich in
                                                  der näheren Umgebung nach unserem Lieb-
  1957 zog ich dann mit meinem Mann nach
                                                  ling, aber Günter ist und bleibt unauffindbar.
Essen. Die Erfahrungen dort mit unseren
Nachbarn über viele Jahre sind dann wieder          Ach so, – sie kennen Günter noch nicht?
ganz andere Geschichten.                          Günter ist ein kleiner Gartenzwerg, der seit
                                                  etwa vier Wochen in unserem Garten sein Zu-
  Wenn ich, die man neuerdings „hochbetagt“
                                                  hause gefunden hat. Er ist ungefähr dreißig
nennt, viele Jahrzehnte meines Lebens Revue
                                                  Zentimeter groß, trägt eine rote Zipfelmütze
passieren lasse, dann stelle ich fest, dass das
                                                  und hat eine blaue Gießkanne in der Hand. Sie
Leben mit diesen aufgeführten Mitmenschen,
                                                  werden sicher denken, na ja, so sehen fast alle
Wegbegleitern, Nachbarn und vielen weiteren,
                                                  Gartenzwerge aus. Doch da muss ich wider-
nicht genannten, Nachbarschaften rund und
                                                  sprechen. Günter ist etwas ganz besonderes.
bunt war, aber niemals langweilig.
                                                  Nur er hat dieses ansprechende Lächeln auf

8
Wir Älteren – Nachbarschaften

den Lippen und in der linken Wange dieses           sicher auch nicht zu kurz kommen. Frau Ber-
entzückende Grübchen.                               gers Gartenzwerg ist übrigens nie mehr auf-
                                                    getaucht. Aber wir haben unserer Nachbarin
   Mein Gatte ist untröstlich, er kann sich nicht
                                                    zum Trost ein kleines Gartenzwerg-Mädchen
erklären warum dieser Wicht über Nacht das
                                                    geschenkt. Aus dieser spontanen Idee ist übri-
Weite gesucht haben könnte. Und darum hat
                                                    gens eine sehr nette Freundschaft entstanden.
er eine abenteuerliche Theorie parat. „Günter
ist nicht freiwillig gegangen...“, sagt mein Mann      Und unser Günter ist irgendwann auch wie-
und macht ein bedeutungsvolles Gesicht. „Ich        der aufgetaucht. Er brauchte wahrscheinlich
bin ganz sicher, Günter wurde entführt!“ Ich        dringend eine Auszeit von unserem Famili-
erschrecke, wer sollte Interesse daran haben,       enleben und hatte sich zur Erholung in Ricos
einen unschuldigen Gartenzwerg zu entfüh-           Hundehütte zurückgezogen. Ob das letztend-
ren? Gibt es Menschen, die so einem Winzling        lich eine wirkliche Erholung für ihn war, sei mal
Schaden zufügen könnten?                            dahingestellt.
  Günter tat keinem etwas zu Leide, er war            Seit einigen Tagen steht übrigens ein neuer
der verträglichste Zwerg, den ich kenne. Und        Gartenzwerg in unserem Begonienbeet. Gün-
ich kenne fast alle Gartenzwerge in unserer         ter hat jetzt einen Freund, und der heißt Uwe...
Nachbarschaft. „Ich bleibe dabei, Günter wur-
de entführt“, sagt mein Gatte. „Frau Berger,
unsere Nachbarin, vermisst ihren Zwerg auch
seit einigen Tagen. Er stand im Kräutertopf un-     Gute Nachbarschaft
ter dem Küchenfenster.“ Ich bin erschüttert.        Armin Merta
  „Dafür kann doch nur eine organisierte

                                                    D
Zwergen-Diebes-Bande verantwortlich sein.                  ie Straße – und damit die Nachbar-
Sollte man den Fall nicht vielleicht der Polizei           schaft in dieser Straße –, in der wir
übergeben? Ich werde mal mit Frau Berger re-               wohnen, entstand in den Jahren 1950-
den.“ Doch von dieser Strategie will mein Mann      1952 aus einer Zwangslage heraus. Wohn-
nichts wissen. „Die Polizei ist doch schon viel     raum war zu dieser Zeit nach dem Krieg immer
zu sehr überlastet, immerhin ist es doch nur        noch Mangelware. Das Evangelische Hilfswerk
ein Zwerg.“                                         als Bauträger und der Deutsche Siedlerbund
                                                    als Berater boten bauwilligen Familien an, gan-
   Ich horche auf. Für mich ist Günter mehr als
                                                    ze Siedlungen gemeinsam zum größten Teil als
„nur ein Zwerg“, er gehört eigentlich schon zur
                                                    Eigenleistung zu errichten. So sollten hier auf
Familie. Ich beschließe mit unserer Nachbarin
                                                    ehemaligem Ackerland 8
ein ernstes Wörtchen zu sprechen. Schließlich
ist auch sie betroffen. Wenn schon die Poli-           Doppelhäuser in zwei Baugruppen entste-
zei sich nicht um diese merkwürdigen Vorfäl-        hen. Es gab anfangs mehr Bewerber für diese
le kümmert, so könnten wir doch gemeinsam           Doppelhäuser, als Häuser entstehen sollten.
versuchen diesen mysteriösen Ereignissen auf        Bewerben für den Bau dieser Häuser konnte
den Grund zu gehen. Gesagt getan...                 sich jedermann. Die Anwärter für diese Stra-
                                                    ße kamen nach dem Krieg aus Ostpreußen,
  Bei einer guten Tasse Kaffee und leckerem
                                                    Schlesien, dem Sudetenland, dem Sauerland,
Kirschkuchen sind Frau Berger und ich uns
                                                    aus Dresden, Holland, aber auch aus Kett-
schnell einig. Regelmäßig, am ersten Mittwoch
                                                    wig, Velbert und Heiligenhaus. Mit einfachsten
im Monat werden wir uns zum Kaffee treffen
                                                    Werkzeugen, Schaufel, Pickel und Schubkarre
und uns über allgemeine Themen austau-
                                                    hoben die Männer zunächst alle Baugruben per
schen. Das Thema Gartenzwerge wird dabei
                                                    Hand aus. Schweres Gerät fehlte. Dann wur-

                                                                                                    9
Wir Älteren – Nachbarschaften

den alle Keller errichtet, danach folgte jeweils   gen, wurden die Häuser doch erst nach diesen
das Obergeschoss, schließlich das Dach. Als        5 Jahren wirklich den Bewohnern ins Grund-
der Rohbau abgeschlossen war, einschließlich       buch eingetragen. Die großen Gemeinschafts-
der elektrischen Leitungen                         Veranstaltungen gab es damals noch nicht.
                                                   Allerdings ist bekannt, dass sich bei Jubiläen
   und der sanitären Anlagen wurden die Häu-
                                                   manchmal einige Nachbarn zusammen taten
ser verteilt. Welche Familie am meisten Stun-
                                                   und ihren Jubilaren etwas schenkten, wie eine
den in Eigenleistung nachweisen konnte, durfte
                                                   weiße Tischdecke oder etwas ähnlich Nützli-
sich als Erste ein Haus aussuchen. Hatten die
                                                   ches für den Haushalt.
Männer bis dahin eifrig und willig zusammen
gearbeitet, gab es jetzt die ersten Spannun-         Als der erste Obmann verstarb, fand sich
gen. An weitere gegenseitige Hilfe war vorerst     schnell ein neuer 1.Vorsitzender, der mal eine
nicht zu denken, hatte doch jede Familie damit     Reise und später für das 25-jährige Bestehen
zu tun, selbst die Außenanlagen in Ordnung zu      der Siedlergemeinschaft ein großes Fest or-
bringen. Die Frauen kümmerten sich mittler-        ganisierte. In seiner Rede bei diesem Jubilä-
weile um die Gärten. Sinn einer solchen Sied-      um verwies er auf die viele Arbeit, die geleistet
lung mit Grundstücken zwischen rund 650 m²         worden war und die noch zu leisten sei. Kurz
bis fast 900 m² war es, dass sich die Familien     darauf starb er noch relativ jung.
zu einem großen Teil selbst versorgen sollten,
                                                      1979 zog ich mit meiner Familie in eine Dop-
mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und selbst ge-
                                                   pelhaushälfte in diese Straße. Für uns gab es
haltenem Kleingetier wie Hühner oder Hasen
                                                   erst einmal sehr viel zu tun. Wir gestalteten den
oder gar einem Schwein. Der damalige Vorsit-
                                                   vorher fast reinen Gemüsegarten in einen Be-
zende der Siedlergemeinschaft, sie nannten
                                                   reich zum Leben um. Zu den direkten Nachbarn
ihn Obmann, hatte noch 5 Jahre damit zu tun,
                                                   hatten wir etwas Kontakt. Wir fanden die direk-
viel Schriftkram mit dem Bauträger zu erledi-
                                                   te Nachbarschaft sehr angenehm. Wenn wir

10
Wir Älteren – Nachbarschaften

uns besonders plagen mussten, kamen Nach-         Beispiel dazu: Wir bekamen neue Nachbarn.
barn zu uns, einfach um uns bei der schweren      Das Haus war durch den Vorgänger sehr her-
Arbeit zu helfen. Wir hatten sofort Jemanden,     unter gekommen. Der noch junge Familienva-
der auf unser Haus aufpasste, wenn wir drei-      ter brachte das Haus innen in Schwung. Lei-
mal im Jahr zu unseren Eltern ins Frankenland     der starb er ein halbes Jahr nach dem Einzug.
fuhren oder eine kleine Urlaubsreise antraten.    Für seine Familie war das ein großer Schlag.
Zu mehr Nachbarn als zu den direkten hatten       Einige Familien entschlossen sich, an 4 – 5
wir wenig bis gar keinen Kontakt.                 Samstagen für die junge Witwe und deren Kin-
                                                  der in Gemeinschaftsarbeit hinter dem Haus
  Das änderte sich ab 1985. Ende 1984 wur-
                                                  eine große neue Terrasse zu bauen. Die Witwe
de ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte,
                                                  sorgte dafür, dass es mittags etwas zu Essen
neuer 1.Vorsitzender der Siedlergemeinschaft
                                                  gab. Solche Gemeinschaftsaktionen trugen
zu werden. Damit alle Nachbarn wieder mehr
                                                  zur Stärkung von guter Nachbarschaft und zu
miteinander zu tun und zu reden hatten, orga-
                                                  Freundschaften bei.
nisierte ich ein großes Fest und einen Tages-
ausflug. Für das Fest stellte ein Nachbar seine      Nachbarn, die vorher nicht zur Siedlerge-
große Bar mit zwei anschließenden Räumen          meinschaft gehörten, traten uns bei. Es gab
und den Garten zur Verfügung. Die Teilnahme       sogar junge Familien, die sehr interessiert da-
war sehr groß. Das zeigte, die Nachbarschaft      ran waren, in unsere Straße zu kommen, so-
hatte schon lange auf so etwas gewartet. An       bald ein Haus zum Verkauf anstand. Und auch
diesem Abend wollten die Nachbarn mir ge-         sie traten bei.
genüber dankbar sein. Sie wollten mir laufend
                                                     Das klingt nun alles nur nach Harmonie ohne
Herrengedecke spendieren, also jeweils ein Pils
                                                  jeden Streit. Doch, auch bei uns kann es zu
mit einem Schnaps. Ich merkte sehr bald, dass
                                                  Streitigkeiten kommen. Vor langer Zeit baten
mir das nicht gut tun würde und bremste sie
                                                  mich mal zwei Familien wegen eines Streits zu
ab. Es wurde ein wunderbar nachbarschaftli-
                                                  sich. Ich konnte nur sehr genau zuhören, Ver-
cher Abend, bei dem aus manchen „Sie“ viel-
                                                  ständnis zeigen, aber einmischen konnte ich
mals ein „Du“ wurde. Auch beim ersten Ausflug
                                                  mich nicht. Dazu war ich zu wenig Fachmann.
– als Eisenbahnfan natürlich eine Fahrt mit der
                                                  Außerdem hätte ich ja irgendwann doch für
Museumsbahn von Dahlhausen ins Muttental
                                                  eine der Familien Partei ergreifen müssen und
– wollten sehr viele Nachbarn mit. Nun war ich
                                                  wäre somit in den Streit hinein gezogen wor-
bei allen Alteingesessenen bekannt.
                                                  den. Im Falle eines Streites sollten die Betroffe-
  Bei Problemen fanden sich schnell Familien      nen miteinander reden.
zusammen, die anderen Familien halfen. Ein

                                                                                                  11
Wir Älteren – Nachbarschaften

                                                                              kühle Pils, die Frauen Sekt und unterhalten uns
                                                                              entspannt ein bis zwei Stunden.
                                                                                 Fast 33 Jahre bin ich nun 1.Vorsitzender un-
                                                                              serer Siedlergemeinschaft, und sie funktioniert
                                                                              als relativ gute Nachbarschaft. Gerade in den
                                                                              letzten fünf Jahren bekamen wir viele junge
                                                                              neue Mitgliedsfamilien, die sich bei Ideen zur
                                                                              Gestaltung einer aktiven Nachbarschaft und
                                                                              auch im Vorstand einbringen. Die Alten unter
                                                                              uns freuen sich über den Nachwuchs und über
                                                                              die vielen Kinder. Manche haben einen guten
                                                                              Blick für fremde Autos – sie schreiben schon
                                                                              mal die Nummernschilder auf – oder für fremde
                                                                              Personen, die ihnen nicht ganz geheuer vor-
                                                                              kommen. Verhindern konnten sie die beiden
  Warum kann man nicht so etwas bauen,                                        Einbrüche in den letzten vier Jahren allerdings
wie es mein direkter Nachbar und ich getan                                    nicht. Aber das ist doch auch etwas, was gute
haben? Über den Zaun existiert eine Theke,                                    Nachbarschaft ausmacht.
daneben ist ein Schild mit der Aufschrift „Bier-
                                                                                Wir fühlen uns hier wohl wie die meisten
weg“ angebracht. Im Sommer treffen wir uns
                                                                              Nachbarn. Veranstaltungen wie Wandern, Ke-
zu viert an dieser Stelle, genießen ein oder zwei
                                                                              geln, Tagesausflüge, Kinderfeste fanden mal
                                                                              mehr mal weniger Zuspruch. Geblieben ist seit

     Hilfe auf Knopfdruck: Zuhause oder unterwegs!
     Die Johanniter-Notrufsysteme sichern jede Lebenslage ab.
     Der Johanniter-Hausnotruf: das Notrufsystem für zuhause
     Das Hausnotrufsystem der Johanniter sorgt bereits seit 30 Jahren dafür, dass sich Menschen
     zuhause sicher aufgehoben fühlen. Der Johanniter-Hausnotruf ist rund um die Uhr erreichbar –
     ein Knopfdruck genügt und Sie werden mit Menschen verbunden, die für Sie da sind und Ihnen
     schnell helfen. Zudem bieten die Johanniter-Hausnotrufgeräte eine besondere Sicherheit, da sie
     neben dem Festnetzanschluss auch alle verfügbaren Mobilfunknetze als Einwahlmöglichkeit zum
     Kommunikationsaufbau im Falle eines Notrufes verwenden.
     Der Johanniter-Begleiter: das Notrufsystem für unterwegs
     Der Johanniter-Begleiter ist ein neues mobiles Notrufsystem, das aktiven Seniorinnen und Senioren
     die nötige Sicherheit für unterwegs bietet. Ob bei Outdoor-Aktivitäten, Reisen, Gartenarbeiten oder
     Spaziergängen – per Knopfdruck alarmiert der kleine Sender bei Unfällen Hilfe. Auch ein Notruf ohne
     Sprechkontakt ist möglich: Das GPS-basierte Gerät lokalisiert den Unfallort, so dass Rettungsdienst
     oder Polizei direkt zum Hilfesuchenden geleitet werden.
     Weitere Informationen zu den Johanniter-Notrufsystemen
     erhalten Sie unter den folgenden Kontaktdaten:
     Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.
     Kreisverband Mettmann, Mühlenstraße 1, 40885 Ratingen, Tel. 02102 70070-80
     hausnotruf.mettmann@johanniter.de, www.johanniter.de/mettmann

12
Wir Älteren – Nachbarschaften

nun mehr als 30 Jahren das gemeinsame Fest
in unserer Straße, zu dem jede Familie einen                                 Plädoyer für fremde
Salat, Brote, Soßen, Nachtisch oder andere                                   Nachbarn
Beilagen beisteuert. Getränke und Fleisch wer-
den zentral besorgt. Und immer fanden und                                    Barbara Grieving
finden sich genügend fleißige Helfer für den

                                                                             D
Auf- und Abbau und für das Grillen. Übrigens                                      a sitze ich nun. Erst lächle ich, dann
leben in unserer Straße noch drei Männer, die                                     strahle ich und dann lache ich. Ganz
damals beim Bau der Häuser aktiv waren. In                                        ganz laut aus vollem Herzen und mit ei-
einem dieser Häuser wohnen drei Generati-                                    nem warmen Gefühl.
onen miteinander. Vielfach haben die Kinder
die Häuser der Eltern übernommen. Meistens                                     Gleichzeitig weiß ich, und das macht den
ging bzw. geht das Zusammenleben sehr gut.                                   Moment noch schöner, dass gerade jetzt ei-
Wenn es machbar war, haben in diesen Häu-                                    nige Menschen genau wie ich, irgendwo sind,
sern die Nachkommen die Pflege der Eltern                                    auf ihr Handy sehen und auch genau wie ich
übernommen.                                                                  reagieren.
                                                                                Es sind Paten von Flüchtlingen, die jetzt eine
                                                                             SMS oder Sprachnachricht bekommen: ganz
                                                                             viele hintereinander. Die Benachrichtigungstö-
                                                                             ne hören gar nicht mehr auf: „Wie gehts dir?“
                                                                             „Vermisse dich! „ Smiley, Herzchen... „Habe ich
                                                                             das richtig geschrieben? (Fragesmiley). „Ver-

     BESTATTUNGEN RÜCKER
     Ihr Begleiter in schweren Stunden.

     Wir übernehmen für Sie:
                                          jeder Art
     · Bestattungen und Überführungen
                                 chen Form alitäten
     · Erledigung der erforderli
     · Bestattungsvorsorge
      · Persönliche Beratung –
        kostenlos und unverbindlich
                                              0 20 56 / 29 53
      Südring 189, 42579 Heiligenhaus, Tel.

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    TISCH       it 1928       Se
                                                                                                       Wählen Sie aus
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             Ruhrstraße 11

                                                                                Friedrichstr. 194 · Velbert · Tel 0 20 51-5 31 42

                                                                                                                                    13
Wir Älteren – Nachbarschaften

ehrte Dame ich bin in Erwartung eines großzü-          richt zu geben, in einer Flüchtlingsunterkunft
gigen Tests…“ Und schon bricht das herrliche           mit Syrern, Afghanen und Afrikanern... Mit
Lachen los. Dann: „Layla Saida, gute Nacht             klopfendem Herzen gehe ich, springe ins kalte
Mama.“ Und wieder ein Herzchen. Dieses Mal             Wasser. Und da sind sie. Überwiegend Jungen
etwas größer.                                          und auch ein paar Mädchen. Erst trauen sie
                                                       sich nicht, aber ja Ihr wisst: ein Lächeln baut
   Diese Momente möchte ich nie mehr mis-
                                                       Brücken...
sen. Ebensowenig die leuchtenden Augen der
Menschen, wenn sie mit uns reden. Diese Höf-              Wir fangen an. Wir fangen an uns kennen-
lichkeit, die Hilfsbereitschaft. Sie sind es wert,     zulernen. Die ersten Worte. So schwer. Was
dass wir uns um sie kümmern. Sie tun es auf            ist eine Mütze? Das da auf deinem Kopf Joan,
vielfältige Weise auch für uns. Alleine die, die       ist eine Mütze und die ist blau...Wie viele Ge-
sie uns geben. Nie aufhören mit uns Deutsch            schwister habt ihr? Erste einfache Worte und
zu lernen und zu sprechen (Hat einer von Ihnen         Sätze, mit jedem neuen Wort mehr Wärme
schon einmal versucht arabisch zu sprechen?).          und Dankbarkeit.
Ich habe es versucht und es ist echt schwer!!!
         NUR     DER       NAME        IST   NEU
                                               Tage und Wochen vergehen, mal sind es 10,
     Wir müssen einfach für so tolle Menschen mal 15 auch nur 2 Menschen, die zum Unter-
da sein. Es bereichert unser Leben. Ich ver- richt kommen. Unsere erste Weihnachtsfeier
sprecheSeit   mehrIhralswollt
           Euch,          40 kein
                              Jahren  gehörte
                                   anderes     das Architekturbüro
                                            Leben     in der Unterkunft,Frankunser
                                                                                 Engelhardt    zu denunser
                                                                                      Frühlingsfest,
        bekannten
mehr! Habt    den MutAdressen     nicht nur inzu.
                         und geht aufeinander    der Region
                                                      Sommerfest.und Wir
                                                                      standsindfürunsArchitektur  und So
                                                                                       jetzt so vertraut.
        umfassende Bauherrenbetreuung. Dasvertraut,       wird auch
                                                                  dass wirso alsbleiben!   Denn die Woh-
                                                                                  Paten versuchen,
  So fing es an
        Mitarbeiter, die Ihnen in ihrer bisherigen         Funktion
                                                      nungen            als Ansprechpartner
                                                                 zu finden.                        zur
                                                                               Versuchen, Deutschkurse
  DieseVerfügung
          Woche kommenstanden,Flüchtlinge
                                bleiben Ihnen   erhalten
                                          in unse-    undund    sind auch in Zukunft
                                                             Integrationskurse             ein Garant
                                                                                    zu finden.   Versuchen
        für Ich
re Stadt.    Kontinuität,
                will michKundenorientierung
                             engagieren. Oh Gott,und Qualität. Für Sie besteht also weiterhin
                                                      uns   selbst  mit  unseren    Schützlingen   im deut-
wie geheumfassende
           ich damit nur Bauherrenbetreuung
                            um? Meine Gedanken rund um    die Architektur.
                                                      schen    Bürokratenchaos klarzukommen.
kreiseln: Ich will sie doch gar nicht hier haben.
                                                         So viele auch von uns, die mit alledem oft
Mein Leben soll so bleiben wie es ist. Wir sind
                                                      überfordert sind. So viele schlaflose Nächte.
im Krieg ja auch nicht davongelaufen.
                                                         Immer wieder neue Herausforderungen. Im-
  Ich habe Angst. Aber kann man Angst ha-
                                                      mer wieder neue Gesetze. Immer wieder die
ben vor etwas, das man nicht kennt? Nein.
                                                      Frage: mache ich das alles richtig? Aber auch
Also muss ich sehen was mir Angst macht. Ich
                                                      immer wieder die Gewissheit: ja ich mache es
gehe los und entschließe mich Deutschunter-
                                                      richtig, die Flüchtlinge brauchen jeden von uns.

         EUGENBIALONARCHITEKT
                          GMBH
        Nordring  56 103 42579
         Hauptstraße         42579Heiligenhaus
                            42579    Heiligenhaus
                                     Heiligenhaus
        TT 02056   2589647 FFF02056
            02056 5994030        0205659940399
                                02056   5821837
                                       59940399
        EE info@ebialon.de
            info@ebialon.de        URL  ebialon.de
                                   URL ebialon.de
                                       ebialon.de
        AKNW 21136          gif e.v. AKH 18532
14
Wir Älteren – Nachbarschaften

  Heute
                                                  Nachbarschaft im
   Ich selbst habe seit einem Jahr die Paten-
schaft von 4 syrischen Flüchtlingen übernom-      Ausland
men. Das letzte Weihnachtsfest und Sylvester      Marianne Fleischer
haben wir gemeinsam gefeiert. Meine Familie
ist um vier reicher geworden. Um vier Men-

                                                  V
schen, die ich nie mehr missen möchte und                on 1969-1974 lebte ich mit meiner Fami-
von denen ich weiß, dass auch sie mir jederzeit          lie im Libanon. Wir wohnten etwa 5 km
helfen, wenn ich Hilfe brauche. Wir gehören              von Beirut entfernt in einem Vorort. Die
jetzt zusammen und natürlich lernen wir immer     Siedlung bestand aus mehreren großen Mehr-
noch Deutsch. Wir lachen viel und manchmal        familienhäusern, die auf einem Hügel direkt ne-
sind wir auch traurig. Besonders in den Mo-       ben der Küstenstraße standen. In jedem Haus
menten in denen wir in den Nachrichten zuse-      befanden sich 4-6 Appartements die jeweils ei-
hen müssen, wie die Bomben fallen. Dann ha-       nen großen Balkon (etwa 12 m lange und 3-4
ben wir Angst, aber diese Angst ist begründet.    m breit) mit Meerblick hatten.

   Ich möchte alle Menschen bitten, keine           Wir wohnten in der 2. Etage eines dieser
Angst vor Flüchtlingen zu haben. Habt den         Häuser und verbrachten fast neun Monate im
Mut sie kennenzulernen. Euer Leben wird nur       Jahr überwiegend auf unserem Balkon, auf
reicher und ihr werdet sagen ALHAMDULA,           dem wir vom späten Vormittag bis zum Son-
Gott sei Dank ich habe es versucht.               nenuntergang viel Sonne hatten. Im Sommer
                                                  wurde es sehr heiß! Ich hatte einen orange-far-
                                                  benen Vorhang aus Segeltuch genäht, der die

                                                                                               15
Wir Älteren – Nachbarschaften

                                                  der Glut zu nahe, denn plötzlich schlug eine
                                                  Flamme in die Flasche. Wir erstarrten, auch
                                                  mein Mann stand mit der brennenden Flasche
                                                  in der Hand vor uns und wusste nicht, was er
                                                  tun sollte. Meine Schwester, die bei uns zu Be-
                                                  such war, schrie: „Schmeiß die Flasche weg!
                                                  Schnell!“. Und mein Mann warf die brennende
                                                  Flasche über das Balkongeländer in das Ge-
                                                  strüpp unterhalb des Hauses. Die Sträucher,
                                                  von wildlebenden Ziegen ziemlich kahl gefres-
                                                  sen, und das trockene Gras fingen sofort Feu-
                                                  er. Wir schrien, rannten in die Küche und das
                                                  Bad, suchten Eimer und große Gefäße, liefen
                                                  nach draußen und versuchten uns dem Feuer
                                                  zu nähern. Im Haus gab es einen Hausmeister
                                                  (Concierge), er hieß „Hashim“. Ich lief zu ihm
                                                  in die Eingangshalle und zeigte ihm das Feuer.
                                                  Er verstand sofort was ich wollte, nahm einen
                                                  Schlauch, schloss ihn an einen Wasserkran
                                                  an und begann von oben aus der Eingangs-
                                                  halle das Feuer zu bekämpfen. Von unserem
                                                  Geschrei aufgeschreckt stürzten Nachbarn,
Sonne in der Mittagszeit ein wenig fernhalten
                                                  die wir noch nie gesehen hatten, mit Eimern
sollte.
                                                  die Treppe herunter um zu helfen. Wir bildeten
  Wir waren die einzigen Ausländer in diesem      eine Eimerkette und – gottlob – war das Feuer
Haus. Alle anderen Wohnungen wurden von li-       bald gelöscht.
banesischen Großfamilien bewohnt. Wir sahen
                                                     In der Eingangshalle unten im Haus bedank-
nur wenig von ihnen, hörten sie aber auf ihren
                                                  ten wir uns dann bei allen Helfern – auf Eng-
Balkonen. Kleine Kinder gab es offensichtlich
                                                  lisch, Französisch und Arabisch. „Shukran“
nicht – unsere Kinder waren 10, 12 und 13
                                                  – Dankeschön hatten wir schon gelernt und
Jahre alt. Sie wurden jeden Morgen von einem
                                                  sprachen es offensichtlich auch richtig aus. So
Schulbus zum Unterricht abgeholt und mittags
                                                  hat uns dieses Ereignis geholfen die anderen
wieder zurück gebracht.
   Wir besaßen einen Holzkohlegrill, auf dem
wir auf Ausflügen mit Freunden und Kollegen
oft Würstchen und Fleisch zubereiteten. Ei-
nes Tages kamen wir auf die Idee den Grill auf
unserem Balkon zu benutzen – wir erwarte-
ten Freunde! Alles war vorbereitet, der Tisch
gedeckt, das Fleisch mariniert, die Salate fer-
tig, die Holzkohle glimmte im Grillkasten vor
sich hin, wollte aber keine rechte Glut bilden.
Mein Mann holte ganz verzweifelt eine Flasche
Brennspiritus aus der Vorratskammer, um ein
wenig nachzuhelfen. Er öffnete die Flasche und
näherte sich der glimmenden Glut, um ein paar
Tropfen drauf zu gießen. Offensichtlich kam er

16
Wir Älteren – Nachbarschaften

Hausbewohner kennenzulernen. Was sie un-
tereinander über uns verrückte Ausländer, die
brennende Flaschen in die „Machia“ werfen,
redeten, verstanden wir „Gott sei Dank“ nicht.
Unsere Nachbarschaft im Hause blieb die gan-
zen fünf Jahre über sehr freundlich und hilfs-
bereit!
   Seit unserer Rückkehr nach Deutschland le-
ben wir nun schon über 40 Jahre hier in Hei-
ligenhaus in unserem Häuschen. Wir haben
auch hier eine Terrasse und oft wird auf ihr mit
Freunden und Nachbarn gegrillt – zunächst mit
unserem alten Grill mit Holzkohle, aber ohne
einen Brand zu verursachen. Jetzt benutzen
wir einen Elektrogrill, das ist nicht so gefährlich.
Wir haben hier wunderbare, liebevoll besorg-
te Nachbarn, die wir seit Jahrzehnten kennen
und die uns immer hilfsbereit zur Seite stehen.           Heute betreibt dort niemand mehr aktive
Wir fühlen uns geborgen und können so dem              Landwirtschaft. Die damaligen Bewohner sind
Alter gelassen entgegensehen.                          entweder zu alt oder schon verstorben und
                                                       ihre heute erwachsenen Kinder haben andere
                                                       Berufe erlernt. Viele sind weggezogen, man-
                                                       che haben neben dem Elternhaus ein eigenes
Der Traum vom Leben                                    neues Heim gebaut.
auf dem Land                                              In dem Dorf gab und gibt es auch heute kein
Rosemarie Koch                                         Geschäft, keinen Arzt oder eine Schule – nicht
                                                       mal eine Telefonzelle. Die nächst größere Stadt
                                                       liegt etwa 30 km entfernt. Da es auch keine

V
      or 40 Jahren verließen meine Eltern ihr          öffentlichen Verkehrsanbindungen gibt außer
      bisheriges zu Hause, Nachbarschaft und           dem Schulbus, der morgens schon vor 7.00
      Freunde und zogen vom Ruhrpott in ein            Uhr die Kinder zur Schule und nachmittags
kleines Dorf in den Westerwald. Mein Vater war         wieder nach Hause bringt, ist man auf ein ei-
damals 50 Jahre, meine Mutter 46 Jahre alt,            genes Fahrzeug angewiesen.
ich verheiratet und unser erstes Kind auf dem
Weg. Es war wohl Zeit für einen Umbruch.                  Meine Eltern haben sich dort gut eingelebt
                                                       und neue Freundschaften geschlossen. Sie
  In dem Dorf lebten ungefähr 40 Einwohner             sind in der Gemeinschaft sehr geschätzt. Ohne
mit ihren Kindern. Fast alle betrieben Landwirt-       gute Nachbarschaft und gegenseitige Unter-
schaft und Viehzucht. Man konnte am Abend              stützung ging und geht es dort nicht.
mit einer Kanne frisch gemolkene Milch bei ih-
nen kaufen. Und wenn ein Schwein oder Rind                Als meine Eltern in diesem Dorf ihr Eigen-
geschlachtet wurde, war es auch möglich, ein           heim bezogen, waren sie noch beide berufstä-
entsprechendes Stück Fleisch zu bekommen,              tig. Mit dem Auto konnten sie ihre Arbeitsstelle
ebenso frische Eier oder ein Huhn für die Sup-         problemlos erreichen, die Einkäufe und im und
pe.                                                    am Haus alle Tätigkeiten erledigen.

                                                                                                     17
Wir Älteren – Nachbarschaften

   Das Leben auf dem Land war herrlich. Wann        unbekannt. Manchmal holen wir sie sogar zu
immer es mir und meiner Familie möglich war,        uns ins Rheinland.
besuchten wir meine Eltern. Wir wohnten
                                                       Papierkram und manch andere Dinge erle-
in der Stadt, ca. 100 km entfernt, und freu-
                                                    digen die Enkelkinder, aber für die alltäglichen
ten uns immer, wenn wir mit unseren damals
                                                    Dinge ist die Distanz zu weit. Ein guter Nach-
noch kleinen Kindern in den Westerwald fah-
                                                    bar kümmerte sich bis vor einigen Monaten um
ren konnten. Es war für uns wie Urlaub – nur
                                                    sie und half bei schwierigen Arbeiten, kleine-
schöner. Ich ließ mich gerne von meiner Mutter
                                                    ren Reparaturen und Besorgungen. Er mähte
verwöhnen, denn das Essen bereitete sie zu.
                                                    den Rasen und sah täglich nach dem Rechten.
Wir machten zwar alles zusammen, doch es
                                                    Dann ist er schwer erkrankt und benötigt jetzt
war entspannter für mich. Die Kinder erkunde-
                                                    selber Hilfe.
ten das Dorf und die Umgebung oder halfen
Opa bei der Arbeit im Garten. Es gab so viel          Meine Eltern wollen im Dorf ihren Lebens-
Abwechslung, und alles war so interessant           abend verbringen. Für mich – aufgrund der
und viel besser als zu Hause. Die Tiere auf den     Entfernung – eine problematische Entschei-
Weiden oder in den Stallungen, die Spazier-         dung.
gänge im Wald, das Suchen von Waldbeeren
oder Pilzen, das Treckerfahren, wenn Opa Holz
holte für den Ofen, der das Haus heizte, das
abgeschnittene Geäst der Hecken, Büsche             Eine gute Nachbarschaft
und Bäume zusammentragen, die Erdbeeren
pflücken und sofort zu verzehren und, und,
                                                    ist Lebensqualität
und. Die Beschäftigungen waren so vielfältig.       Martina Müller
Bei schlechtem Wetter wurde mit Oma Kuchen

                                                    E
oder Plätzchen gebacken, mit Holz und Papier               nde der 60er Jahre, ich war 12, 13 Jah-
gebastelt, mit Opa Musik gemacht. All diese                re alt, meine beiden Schwestern ein und
Besuche waren immer wunderschöne Erleb-                    zwei Jahre älter, und es war Hochsom-
nisse und sind bis heute noch im Gedächtnis.        mer. Wir wohnten auf der unteren Hauptstra-
Inzwischen profitieren auch die Urenkel von         ße, Nähe der AEG und wir hatten zu dritt zwei
den Besuchen auf´dem Land.                          Zimmer unterm Dach, mit Fenstern an der Gie-
     Vater ist inzwischen der Dorfälteste.          belseite. Wir mussten früh zu Bett gehen und
                                                    hingen noch oft in den Fenstern.
    In den letzten 10 Jahren wurde häufig dis-
kutiert, ob das Leben auf dem Land alleine             Zwei Häuser neben uns wohnte eine Familie
noch zu bewältigen ist, Haus und Garten noch        mit zwei Töchtern. Sie waren 5, 6 Jahre älter
gepflegt werden können, wie Einkäufe zu er-         als ich. Am Abend gingen sie des öfteren zur
ledigen sind, und und und. Allen Widrigkeiten       „Eis Pra“, der Eisdiele in der Stadtmitte, um Eis
zum Trotz wohnen meine Eltern immer noch            für die Familie zu kaufen. Meine Schwestern
in ihrem Haus auf dem Lande. Sie sind inzwi-        und ich machten uns bemerkbar, riefen den
schen 90 und 86 Jahre alt und nicht mehr so         Nachbarmädchen zu und baten sie, für uns
fit, um alles alleine zu bewältigen. Meine Mutter   auch Eis mit zu bringen. Das Geld warfen wir
fährt zwar immer noch selbst Auto, aber nur         in ein Tuch gewickelt hinunter.
bekannte Strecken. Für fachärztliche Behand-           Dann wurden wir erfinderisch und knoteten
lungen benötigen meine Eltern jemanden, der         die Gürtel unserer Bademäntel und Tücher zu-
sie mit dem Auto in den jeweiligen Ort fährt.       sammen, banden ein Körbchen daran fest und
Fachärzte oder Krankenhäuser sind zu weit           fertig war unser Transportaufzug. Die Eisbe-
entfernt, Wege dorthin zu verkehrsintensiv und      cher kamen in das Körbchen und wir zogen es

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