2.4.2 Building Information Modeling (BIM) - Offensive Mittelstand
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Umsetzungshilfe Arbeit 4.0 2.4.2 2. Organisation > 2 .4 Steuerung der 4.0-Prozesse Mai 2019 2.4.2 B uilding Information Modeling (BIM) Stichwörter: Bauvorhaben, Baustelle, gewerkeübergreifendes Arbeiten, Produktivitätssteigerung, E-Vergabe ›› Warum ist das Thema wichtig? Building Information Modeling (deutsch: werden, die Planung und Bauausführung, Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Auf der Bauwerksdatenmodellierung, BIM) hat in aber auch die Nutzung, Bewirtschaftung anderen Seite geraten die, die sich der Teilen des Baugewerbes für große Produk- und der Rückbau der Bauwerke kann ef- neuen Technologie verschließen, in Ge- tivitätssteigerungen gesorgt.1 Mit diesem fizienter gestaltet und, richtig eingesetzt, fahr, technologisch abgehängt zu werden. durch intelligente Software2 gesteuerten können die Beschäftigten entlastet wer- Für die Zukunft wird eine verpflichtende Werkzeug können Bauprojekte und we- den. Für kleine und mittlere Betriebe so- Einführung des Building Information Mo- sentliche Teile der Wertschöpfungskette wie Handwerk kann die Nutzung von BIM deling im Rahmen öffentlicher Bauverga- Bau komplett abgebildet und abgewickelt (als cyber-physisches System – CPS3) die ben diskutiert. ›› Worum geht es bei dem Thema? Begriff: Building Information Modeling über Architektur, Materialien, Mengen, unterschiedlichen Aufbauhöhen betten (BIM) Termine, Sicherheitsanforderungen, Lie- ihre Daten in die 3-D-Sicht ein. Anforde- BIM ist eine Arbeits- und Projektsteue- feranten und Kosten eingesehen werden. rungen und Prozesse der Sicherheit und rungsmethode zur Planung, Ausführung Erstellt wird ein solches Modell mithilfe der Koordination sind integriert. Auch und Bewirtschaftung von Gebäuden und dreidimensionaler, bauteilorientierter Materialien und Arbeitsstoffe, beispiels- anderen Bauwerken. BIM erfasst, kom- Softwaresysteme (entwickelter CAD-Sys- weise für den Trockenbau, Bestellmen- biniert und vernetzt in seiner Software teme). Das Gesamtmodell setzt sich zu- gen für Putze und Beschichtungsstoffe alle relevanten Bauwerksdaten digital. sammen aus den Zielvorstellungen des für Innenräume und Fassaden lassen Durch die umfassend verfügbaren Daten Bauherrn, den Modellen des beteiligten sich mittels der computererrechneten können alle ein Bauprojekt betreffenden Planers (zum Beispiel Architektur-BIM, Quadratmeterzahl feststellen und wer- Daten über den kompletten Lebenszyk- Tragwerk-BIM, Haustechnik-BIM) sowie den durch die skizzierte Raumauftei- lus eines Bauprojekts zentral abgebildet den Planungen der Bauunternehmen. So lung berechnet. Auch werden weitere werden und für alle Projektbeteiligten betten Elektriker die Struktur der Verka- Informationen zum Beispiel zu Kosten, zugänglich sein. Beispielsweise können belung ein, der Sanitär-Heizung-Klimabe- Abläufen oder Lieferstatus als Plan- und im dreidimensionalen Modell eines Ein- trieb speist die Verrohrung und notwendi- Ist-Daten hinterlegt. familienhauses aktuelle Informationen gen Anschlüsse ein, Bodenleger mit den Das Konzept des BIM existiert in sei- ten von gewerkbezogenen Teilprojekten, erfolgen und Kostenauswirkungen sowie nen Grundzügen schon seit den siebziger Materialien, Arbeitsstoffen und Werkzeu- Terminabläufe dargestellt werden. Das Jahren des 20. Jahrhunderts.4 Jedoch er- gen sowie die am Projekt beteiligten Ak- bringt eine fundamentale Veränderung möglichen erst die 4.0-Technologien5 den teure können miteinander vernetzt sein. der bisherigen Arbeitslogik mit sich.7 am Projekt beteiligten Akteuren, auf die- Sie gelangen zu einer zentralen objekt- Im virtuellen 3-D-Modell des Bauwer- selben und aktuellen Planungsdaten zu- basierten Verwaltung von Informationen, kes wird jede Änderung, wie Bauabschnit- zugreifen. Da die Dinge selbst die Daten die logische Planungsfehler eher ver- te, durchgeführte Arbeitspakete, stetig in teilweise einbringen können und verbun- meiden hilft.6 So können mittels dieser das Modell eingespeist. So wird bei BIM den mit Cloudtechnologie kann die Wi- Informationen automatisch Mengener- die 3-D-Darstellung des Bauwerkes mit In- derspruchsfreiheit zu den verschiedenen mittlungen für Baustoffe und Materialien formationen zum zeitlichen Ablauf durch Arbeitsschritten erhöht werden: Die Da- inklusive ihrer Sicherheitsanforderungen einen Terminplan (4-D) und den Kosten Diese Umsetzungshilfe gibt Experten und Interessierten Anregungen, wie Arbeit 4.0 zu gestalten ist. Die Empfehlungen sollten an die jeweilige konkrete betriebliche Situa- tion angepasst werden. 1 Borrmann et al. 2015 2 Intelligente Software steuert cyber-physische Systeme (CPS) und andere autonome technische Systeme (wie Messenger-Programme). Intelligente Software nutzt Modelle künstlicher Intelligenz zusammen mit anderen Basistechnologien wie zum Beispiel Algorithmen, semantischen Technologien, Data-Mining. Intelligente Software ist autonom und selbstlernend. 3 Cyber-physische Systeme (CPS) verbinden und steuern als autonome technische Systeme Arbeitsmittel, Produkte, Räume, Prozesse und Menschen beinahe in Echtzeit. Die komplette oder teilweise Steuerung übernimmt Intelligente Software auf Grundlage von Modellen der künstlichen Intelligenz. Genutzt werden dazu unter anderem auch Sensoren/Aktoren, Verwaltungsschalen, Plattformen/Clouds. 4 Eastman et al. 2011 5 4.0-Technologie bezeichnet hier Hardware und technologische Produkte (wie Assistenzmittel/Smartphones, Sensoren/Aktoren in smarten Arbeitsmitteln, Fahrzeugen, Produkten, Räumen usw., smarte Dienstleistungen, Apps), die von intelligenter Software (inkl. KI) ganz oder teilweise gesteuert werden. 6 Ludewig & Rahm 2017, S. 69 7 Ludewig & Rahm 2017, S. 70 8 Ludewig & Rahm 2017, S. 69 © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019 1
Arbeit 4.0: Building Information Modeling (BIM) – Umsetzungshilfe 2.4.2 Austausch über E-Mail Austausch im BIM Gebäudeinfos Daten Mitteilung Abbildung 1: Zentralisierung der Kommunikation (eigene Darstellung) (5-D) verknüpft.8 Anhand der Abhängig- gig von Softwareanwendungen seines die Rolle eines BIM-Verantwortlichen keiten berechnet die intelligente Software Auftraggebers wird. Dies lässt sich dann im Bauprojekt (BIM-Manager). Er er- (inkl. KI) automatisch, wie die Änderun- kaum vermeiden, der Problematik sollte stellt und vereinbart die BIM-Strategie gen sich auf die benötigten Materialien, sich der Betrieb allerdings bewusst sein mit dem Bauherrn und dem Planer, Zeitplanung und Kosten auswirken. Alle und eventuelle Alternativen vorbereiten definiert die vertraglichen Anforderun- Beteiligten (Bauherr, Planer, Handwerker, beziehungsweise parat haben (wie zum gen und gewährleistet die Einhaltung Dienstleister) können dies jederzeit mit Beispiel alternative Softwarelösungen, und ständige Weiterentwicklung der dem BIM-Viewer einsehen und mit einem die genutzt werden können). BIM-Projektstandards an die momen- BIM-Filter die für sie wichtigen Informatio- Auf Unternehmensebene erfordert die tane Leistungsphase. Zusätzlich ist ein nen herauslesen, da die Datenbasis zent- Einführung von BIM eine Ausrichtung auf BIM-Koordinator zu empfehlen, der ral abgelegt wird – siehe Abbildung 1. eine neue Arbeitsweise in der Projektab- den Arbeitsablauf zum Austausch von Ziel ist eine integrierte, partnerschaft- wicklung. Folgende neue Anforderungen (Modell-)Daten und Informationen be- liche Arbeitsweise aller am Bau Beteilig- wurden beispielsweise identifiziert:11 schreibt. Dieser koordinierte Ablauf ist ten über den gesamten Lebenszyklus von Für die Menschen: Die beteiligten Per- unerlässlich für eine effiziente gemein- Bauwerken hinweg. So kommt BIM im sonen und Beschäftigten müssen kon- same Nutzung von Daten während der Rahmen der Entwurfs-, Planungs-, Aus- tinuierlich diszipliniert und strukturiert Zusammenarbeit im Projekt. Hierbei führungs- und Betriebsphase (Facility Ma- mit der BIM-Software arbeiten und sie sollten auch die Planer und der Bau- nagement) sowie beim Um- und Rückbau entsprechend mit Daten füttern. Ge- stellenkoordinator (SiGeKo) eingebun- zum Einsatz. fordert wird ein höheres Fachwissen den werden, um die inhaltlichen Anfor- BIM funktioniert für alle Beteiligten bei gleichzeitig höherer Aufgeschlos- derungen an die Arbeitsablaufplanung allerdings nur dann reibungslos, wenn senheit gegenüber der neuen Technik. berücksichtigen zu können. Datentransparenz (die Open-BIM-Metho- Dies stellt Anforderungen an Erfahrun- An die Technologie: Die Softwarean- de) den leichten Zugang und den Einblick gen, Wissen und Qualifizierung der forderungen werden höher. Zu be- in die Projektinformationen ermöglicht, Beteiligten mit der neuen Technologie wältigen sind Aspekte der offenen auch wenn diese nicht direkt bearbeitet sowie an die neuen Formen der Zu- Schnittstellen und der Koordinations- werden können. Dazu sind offene Schnitt- sammenarbeit und Kommunikation, prozesse, des Datenaustauschs, des stellen und Standards erforderlich, wie an der verstärkt die technischen Syste- Datenmanagements, der Datenqua- sie mit dem IFC (Industry Foundation me beteiligt sind. lität, des BIM-Controllings (4-D [Zeit], Classes)9 vorliegen (unter ISO 16739 als An die Organisation:12 Im BIM-Prozess 5-D [Kosten], Leistungsmeldung, Nach- internationaler Standard registriert).9 In entstehen neue Aufgabenbereiche tragsmanagement) oder auch der Art diesem Zusammenhang kann es passie- sowie neue Verantwortlichkeiten und der Visualisierung. ren, dass ein Unternehmen, aber auch Haftungsfragen. Von übergreifender Für die Prozesse: Durch die zentrale ein Planer als Subunternehmer abhän- und organisatorischer Bedeutung ist BIM-Verwaltung von Informationen 9 DIN SPEC 91400 10 www.buildingsmart.de/bim-knowhow/standardisierung 11 Egger et al. 2013, S. 22 12 Egger et al. 2013, S. 30f. 2 © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019
Arbeit 4.0: Building Information Modeling (BIM) – Umsetzungshilfe 2.4.2 verändern sich die Prozesse vor allem Die BIM-Arbeitsmethode definiert ei- durchführung, wenn alle am Bau Be- in der Kommunikation und Zusam- nen Kulturwandel im Bauwesen, der ei- teiligten die Möglichkeiten des BIM menarbeit. Enge Koordinationskor- nen Kontrast zur traditionellen Herange- systematisch nutzen. setts werden im Rahmen des Infor- hensweise bildet. Hierbei fällt das „Wir“ mationsmanagements definiert. Sie zunehmend ins Gewicht. Folgende Aspek- Gelingt es, die Aspekte der sicheren dienen dazu, die vorhandene Qualität te beschreiben diesen Wandel:13 und gesundheitsgerechten Arbeitsge- der eingegebenen Informationen zu BIM fordert und fördert die Zusammen- staltung und Instrumente des Arbeits- untersuchen und die Koordination arbeit und Partnerschaft aller am Bau schutzes früh einzuplanen und ins BIM untereinander regelmäßig zu prüfen. Beteiligten, wenn diese einen für sie zu integrieren, ermöglicht das BIM die Die Anforderung nach Integration von einfachen Zugang zur BIM-Plattform prozessbezogene Integration von Sicher- Sicherheit und Gesundheit in die Pro- haben. heit und Gesundheit in die Abläufe, ohne zesse von Beginn an bleibt auch bei Die über Daten dokumentierte BIM-Le- dass kontinuierlich daran erinnert und BIM eine Aufgabe. benszyklusbetrachtung von Projekt- darauf geachtet werden muss. So kön- Für Vereinbarungen untereinander: beginn an gewinnt an Bedeutung und nen beispielsweise die von der BG BAU Für eine Zusammenarbeit sind ge- bietet die Chancen, Aspekte der Si- entwickelten Muster zur Gefährdungs- meinsame Ziele und die Regeln für cherheit und Gesundheit von Beginn beurteilung14 genutzt werden oder die die Zusammenarbeit zu vereinbaren. an berücksichtigen zu können und die von der Offensive Gutes Bauen konzi- Dazu zählen die Klärung des (geisti- Daten für erforderliche Planungen und pierten Praxishilfen wie der „Gutes Bau- gen) Eigentums der zentral verfügba- spätere Dokumentationen zu nutzen en: Unternehmenscheck“15 für Betriebe, ren Informationen und die Haftung für (zum Beispiel für den Sicherheits- und „KOMKO-bauen“16 zur Kommunikation die Richtigkeit der jeweiligen Modelle Gesundheitsschutzplan – SiGePlan der am Bau Beteiligten oder der GDA-OR- vor deren Weitergabe. All diese Punkte [nach RAB 31] oder für die „Unterlage GAcheck17 zum Arbeitsschutz. Hilfreich sind vor Beginn des Projektes zu klä- für spätere Arbeiten“ [nach RAB 32]). sind auch die umfassenden Hilfen des ren und vertraglich zu verankern. Eine gemeinsam vertraglich geregelte Gefahrstoff-Informationssystems der BG Für die Dokumentation: Es sollte zu Be- Zieldefinition und eine abgestimmte BAU (GISBAU)18, das seine Daten in einem ginn des Bauprojektes festgelegt wer- Vorstellung über die Bauqualität und 4.0-kompatiblen Format anbietet und so den, welche Prozesse wie dokumen- Bauabläufe können über BIM kontinu- beispielsweise Informationen zum siche- tiert werden müssen (unter anderem ierlich besser gemeinsam kontrolliert ren Umgang mit Gefahrstoffen beinahe in wegen Controlling, Verbesserungspro- werden. Echtzeit zur Verfügung stellen kann. zess, Schnittstellen, Kommunikations- Der offene, transparente Umgang mit Ein noch weitgehend unerschlossener wegen, Übergabe/Haftung). Außer- Problemen und Schwächen kann ge- Markt in Bezug auf eine Durchführung dem sollten die Anforderungen an die fördert werden, wenn die Beteiligten von Bauvorhaben unter Anwendung der Bauwerksdokumentationen festgelegt in der Lage sind, mit dem BIM umzu- BIM-Methode sind private Bauherren. werden (Planungsunterlagen, tech- gehen und die Möglichkeiten des BIM Dies stellt Anforderungen an die Software. nische Nachweise, Instandhaltungs- nutzen. plan, Unterlage für spätere Arbeiten Strategische Projektvorbereitung so- [RAB 32], Hausakte/Gebäudepass). wie ausführliche Planung der Bau- ›› Welche Chancen und Gefahren gibt es? Chancen bei der Nutzung von BIM kön- tung. Die Verwendung von BIM führt dazu, wird in ihrer Konsequenz für das gesamte nen unter anderem sein: dass in einem früheren Stadium als vor- Vorhaben dargestellt, dabei erhöht sich Bei der Durchführung von Bauprojek- her klare Entscheidungen getroffen wer- die Informationsqualität und sorgt für ten gibt es die zentralen Angelpunkte den (sollen) und systematischer geplant Transparenz und verbesserte Koordinati- Kosten, Zeit, Sicherheit und Qualität. BIM wird.19 on aller Beteiligten.21 ermöglicht die Überwachung und Doku- Die digital vernetzte Sicht auf 3-D Mit BIM können die autonomen und mentation der Qualität und Sicherheit (Bauwerk), 4-D (Zeit) und 5-D (Kosten) selbstlernenden Softwaresysteme (inkl. und damit die Reduktion von Fehlern. Es ermöglicht den Beteiligten einen konti- KI) zu wichtigen Werkzeugen werden. führt zu detaillierterer Vorplanung und nuierlichen Aufbau von Informationen. Durch Fortschreibung, Pflege und Syn- Anpassung der Planung beinahe in Echt- Potenzielle Konflikte und Risiken können chronisation der Daten können im Rah- zeit, damit zu Kosteneinsparung sowie einfacher, früher und präziser erkannt men von BIM Datenkonsistenz gesichert besserer Terminkalkulation und -einhal- werden.20 Jede Änderung der Planung und so Medienbrüche beim Datenaus- tausch vermieden werden. Auch Mehr 13 Egger et al. 2013, S. 23 14 www.bgbau-medien.de/handlungshilfen_gb/ facheingaben von Daten können reduziert 15 www.offensive-gutes-bauen.de/check-gutes-bauen und eine redundante und fehleranfällige 16 www.komko-bauen.de/ 17 www.gda-orgacheck.de/ Datenhaltung vermieden werden. 18 www.bgbau.de/gisbau BIM kann eine Hilfe bei der Koordinati- 19 Ludewig und Rahm 2017, S. 69f. 20 vgl. Ludewig & Rahm 2017, S. 69; Egger et al. 2013, S. 39 on von Sicherheit und Gesundheit auf der 21 vgl. Ludewig & Rahm 2017, S. 69f.; Borrmann et al. 2015 Baustelle sein, durch eine abgestimmte 22 siehe RAB 31. Der SiGePlan ist der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan, der der Bauherr unter bestimmten Bedingungen erstellen lassen muss. Ablaufplanung (SiGi-Plan)22 die gegensei- © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019 3
Arbeit 4.0: Building Information Modeling (BIM) – Umsetzungshilfe 2.4.2 tigen Gefährdungen wirkungsvoll reduzie- Ein reibungsloser und vollständiger Aus- nen Prozesse sowie Schnittstellen nach ren und zur Information aller Beteiligten tausch von Informationen ist nur bei einer außen müssen klar strukturiert und auch – teilweise sogar beinahe in Echtzeit – genauen Definition der Software-Schnitt- dokumentiert sein, um so jede Phase auch über sicheres und gesundheitsge- stellen der Beteiligten möglich. Hier stellt des Bauprojektes nachvollziehbar abbil- rechtes Arbeiten beitragen. sich die Frage nach einer Standardisierung den zu können. Als Risiko ist vor diesem und Homogenisierung der verwendeten in- Hintergrund auch die Unterschätzung der Gefahren bei der Nutzung von BIM telligenten Software (inkl. KI). Aufwandsvorverlagerung zu nennen. können unter anderem sein: Die Nutzung von BIM erfordert Wissen Die Sicherheit und Gesundheit der An erster Stelle ist hier die Frage der im Umgang mit Softwaresystemen. Fehlt beteiligten Personen können gefährdet Kompatibilität der von den einzelnen Be- dieses Wissen, kann dies schnell zur Des- werden, wenn das Thema Arbeitsschutz teiligten verwendeten intelligenten Soft- information, zur Verunsicherung und zur sowie Sicherheits- und Gesundheits-Ko- ware (inkl. KI) zu nennen. Hier ergeben sich Beeinträchtigung der Leistungsbereit- ordination nicht von Beginn an in die oft verschiedene Formate. Unzureichend schaft der Führungskräfte und Beschäftig- BIM-Prozesse integriert wird. Dies kann aufeinander abgestimmte Schnittstellen ten führen. zu Unfällen, Fehlzeiten, Störungen und führen zu Medienbrüchen und Verzögerun- Die Nutzung von BIM kann mit der zusätzlichen Kosten führen und die Mo- gen im Bauablauf beziehungsweise einem Notwendigkeit zur Prüfung betrieblicher tivation der Führungskräfte und Beschäf- unterschiedlichen Informationsstand. Prozesse einhergehen: Die betriebsinter- tigten negativ beeinflussen. ›› Welche Maßnahmen sind zu empfehlen? Einführung des BIM rungskräfte/Beschäftigten Entschei- mit den BIM-Systemen qualifizieren, Bei der Einführung vom BIM ist unter dungen im Bauprozess treffen können. trainieren und unterweisen. anderem zu beachten: Auch die Möglichkeiten der Interventi- Betriebe können durch BIM nicht Es wird empfohlen, dass sich die Füh- on von Führungskräften/Beschäftigten unmittelbar und sofort profitieren. rungskräfte Zeit nehmen und sich in- in das BIM-Programm sollten festgelegt Vielmehr sollten zuerst die Planungs- formieren, welche Möglichkeiten des werden. Zusätzlich sollte geklärt wer- informationen bereitgestellt und Er- BIM es für ihren Betrieb gibt (sich von den, wie eine mögliche Übergabe von fahrungen im Umgang mit dem System mehreren unterschiedlichen Quellen Entscheidungen vom BIM-Programm gesammelt werden. Daher erfordern beraten lassen bei Kammern, Verbän- an die Führungskräfte/Beschäftigten der Einstieg und die Umsetzung von den, Herstellern; Seminare und Mes- stattfindet, damit diese die Möglich- BIM Zeit. Vor diesem Hintergrund ist sen besuchen). keit haben, angemessen zu reagieren. für den Betrieb wichtig, nicht gleich Mit der Einführung von BIM (und dem Es ist zu empfehlen, eine Gefähr- zu viel zu erwarten, sondern sich die Profitieren von dessen Vorteilen) ist dungsbeurteilung durchzuführen, um BIM-Anwendung Schritt für Schritt eine neue Arbeitsweise notwendig. Da- zu überprüfen, welche Gefährdun- anzueignen. Ist das nicht möglich, bei sollten vor allem die Auswirkungen gen durch die Einführung von BIM weil der Auftraggeber einen direkten der technisch zentrierten BIM-Prozes- entstehen. Darauf basierend können Einstieg fordert, sollte ein Zeitfenster splanung auf Management- und Füh- systematisch Maßnahmen festgelegt vereinbart werden, in dem sich alle rungsaufgaben sowie Anforderungen werden, um Gefährdungen und Stö- Beteiligten im Betrieb mit der neuen an Beteiligte, Planungsprozesse und rungen durch die Einführung von BIM Anwendung vertraut machen können. -abläufe, Kommunikation und Koor- so gering wie möglich zu halten (zum Auch ist es sinnvoll, entsprechende dination oder Änderungen von Ver- Beispiel Integration von Arbeitsschutz Qualifizierungen und Trainings einzu- antwortlichkeiten beachtet werden. in die Planungsphase von BIM, Qua- planen. Dies sollte mit dem Auftragge- Abstraktion und Komplexität nehmen lifizierung von Führungskräften und ber vereinbart werden. zu. Die Führungskräfte sollten über- Beschäftigten, Einbindung von Füh- Um BIM erfolgreich zu implementie- legen und festlegen, wie sich die Pla- rungskräften und Beschäftigten in die ren, ist die Datenkompatibilität ele- nungs- und Arbeitsabläufe mit BIM Einführungsphase). mentar: Vorab sollte in Erfahrung ge- verändern und welche Maßnahmen Für eine erfolgreiche Einführung ist die bracht werden, wie Daten erstellt und dies im Betrieb zur Folge hat (zum Bei- Akzeptanz der Führungskräfte und welche Dateiformate zum Austausch spiel kontinuierlich diszipliniertes und Beschäftigten elementar. Es ist sinn- genutzt werden.25 Grundlage für eine strukturiertes Arbeiten, Verlagerung voll festzulegen, wie die Führungs- funktionierende und einheitliche von Arbeitsplanung in frühere Pla- kräfte und Beschäftigten zukünftig ihr „Sprache“ der vernetzten Komponen- nungsphasen, um Abläufe effizienter Wissen in die technisch verwalteten ten ist die Standardisierung digitaler und sicherer zu gestalten und Risiken BIM-Prozesse einbringen können, wel- Prozesse (IFC Standard). Schnittstel- zu reduzieren).23 che Tätigkeiten sie zukünftig ausfüh- len müssen passen, Formate der Da- Es wird empfohlen zu klären und fest- ren werden und welche Möglichkeiten ten kompatibel sein. zulegen, in welchen Bereichen das die BIM-Nutzung bringt.24 Führungs- Kriterien für die Qualität der verwen- BIM-Programm und in welchen die Füh- kräfte und Beschäftigte im Umgang deten Daten formulieren und festle- 23 vgl. Ludewig & Rahm 2017, S. 70; Egger et al. 2013 24 Ludewig & Rahm 2017, S. 70 25 Ludewig & Rahm 2017, S. 70 4 © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019
Arbeit 4.0: Building Information Modeling (BIM) – Umsetzungshilfe 2.4.2 gen, wie diese Qualität erreicht wer- Um die Software- und Datenkompatibi- klären und vertraglich zu dokumentie- den kann. lität im BIM-Prozess und innerhalb des ren.29 Überprüfen, ob auch personenbezo- Einzelbetriebes zu erleichtern, bieten Zu Beginn des Bauprojektes wird emp- gene Daten von BIM verwendet wer- sich angepasste Cloud-Lösungen und fohlen festzulegen, welche Prozesse wie den. Wenn dies der Fall ist, sollten die Cloud-Services an. Dabei wird Be- dokumentiert werden müssen (unter Beschäftigten darüber informiert wer- trieben auch geraten, sich nicht von anderem wegen Controlling, Verbesse- den und mit ihnen vereinbart werden, einem Software-Produkt abhängig zu rungsprozess, Schnittstellen zwischen wie mit diesen Daten umgegangen machen, hieraus können Beeinträch- Gewerken, Kommunikationswegen, Ent- wird. tigungen erwachsen, wenn dieses für scheidungsbefugnis intelligente Soft- Vom Hersteller kurze und verständli- ein folgendes Vorhaben nicht kompa- ware (inkl. KI) – Mensch – Übergabe/ che Informationen einfordern, welche tibel ist.27 Nur sichere und zertifizierte Haftung, Bauwerksdokumentationen). Daten das BIM-System erfasst, wie Clouds nutzen (zum Beispiel solche Die Zuständigkeiten aller am Bau und wo sie gespeichert und verarbeitet mit einem Trusted-Cloud-Zertifikat). Beteiligten klar regeln und die Arbeit werden und wer Zugriff auf die Daten immer lückenlos dokumentieren, da- hat. > Siehe Umsetzungshilfe 1.1.7 In- Nutzung des BIM mit für alle ein einheitlicher aktueller formationsblatt smartes Produkt. Bei der Nutzung vom BIM ist unter an- Stand verfügbar ist. Dies erfordert Dis- Für eine reibungslose Einführung und derem zu beachten: ziplin, für den Bauverlauf ist dies aber einen sicheren Betrieb von BIM ist Die BIM-Software liegt meist bei der von elementarer Bedeutung.30 Auch ein BIM-Verantwortlicher26 (BIM-Ma- koordinierenden Instanz (zum Beispiel hier sollte der Sicherheits- und Ge- nager) für das Bauprojekt (oder im Architekt, Planer) oder bei dem Bau- sundheitskoordinator (SiGeKo) hinzu- Betrieb generell) zu benennen. Die herrn (bei großen Bauherren). Es sollte gezogen werden. Aufgaben sind zum Beispiel: BIM-Stra- möglichst früh in Erfahrung gebracht Es wird empfohlen, Führungskräfte tegie mit Beteiligten abstimmen (wie werden, welche Daten, vor allem be- und Beschäftigte beim ersten Einfüh- Ziel der Nutzung von BIM, was soll triebs- und personenbezogene, erho- rungs- und Nutzungsprozess von BIM damit erreicht werden, Standards, ben und wie sie verwendet werden. zu begleiten und sie zu unterstützen Kommunikation im Projekt), Einhal- Bei der Anschaffung der intelligenten (wie Trainings, Coachings, Mentoring). tung und ständige Weiterentwicklung Software (inkl. KI) sollen bereits Inhal- Außerdem sollten ihre Erfahrungen der BIM-Projektstandards an die mo- te der präventiven Arbeitsgestaltung und Ideen für den wirkungsvollen Ein- mentane Leistungsphase, Kompatibi- integriert werden (etwa die baustellen- satz oder auch ihre Vorbehalte erfragt lität und Konformität der generierten bezogene Gefährdungsbeurteilung).28 und berücksichtigt werden. Im ge- Daten sicherstellen. Außerdem sollte Die Zusammenarbeit zwischen Unter- meinsamen Auswerten der Erfahrun- ein BIM-Koordinator für das Baupro- nehmen und Gewerken verändert sich gen und im gemeinsamen Verbessern jekt benannt werden (kann in kleinen mit BIM. Dies macht für eine Zusam- der Prozesse entsteht eine Akzeptanz Betrieben die/der BIM-Verantwort- menarbeit unter anderem die Defini- für die neue Technologie und die mit liche sein); die Aufgaben sind zum tion gemeinsamer Ziele und Regeln ihr verbundenen neuen Form der se- Beispiel: Detaillierte Festlegung und erforderlich (Eigentumsklärung zentral quenziellen und parzellierten Bear- Überwachung der Informationsflüsse verfügbarer Daten, die Richtigkeits- beitung von Projekten. Nur so entsteht und Schnittstellen, Koordination und haftung für die jeweiligen Modelle vor Schritt für Schritt ein Umgang mit BIM Anpassung der Abläufe, Einbindung deren Weitergabe). Es wird empfohlen, (eine neue BIM-Kultur), der die Poten- des SiGeKo. dies vor Beginn eines Bauprojektes zu ziale der neuen Technologie nutzt. Quellen und weitere Informationsmöglichkeiten: Borrmann, A., König, M., Koch, C. & Beetz, J. Contractors. Hoboken, New Jersey: Wiley. Liebich, T., Borrmann, A., Elixmann, R., (Hrsg.). (2015). Building Information Mo- Egger, M., Hausknecht, K., Liebich, R., & Przy- Eschenbruch, K., Hausknecht, K., Häuß- deling – Technologische Grundlagen und bylo, J. (2013). BIM-Leitfaden für Deutsch- ler, M., Hochmuth, M., & König, M. (2018). industrielle Praxis. Wiesbaden: Springer land – Information und Ratgeber. http:// Wissenschaftliche Begleitung der BMVI Verlag. www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/ Pilotprojekte zur Anwendung von BIM im DIN SPEC 91400:2017-02 Building Informati- Digitales/bim-leitfaden-deu.pdf?__blob=- Infrastrukturbau – Handlungsempfehlun- on Modeling (BIM) – Klassifikation nach publicationFile. Zugegriffen: 23.07.2018. gen. https://www.bmvi.de/SharedDocs/ STLB-Bau. Handwerkskammer Dresden (2016). Building DE/Anlage/DG/wissenschaftliche-be- Eastman, C., Teicholz, P., Sacks, R., & Liston, Information Modeling (BIM). http://www. gleitung-anwendung-bim-infrastruktur- K. (2011). BIM Handbook: A Guide to Buil- hwk-dresden.de/Portals/0/PDF/BIT/Buil- bau-2018.pdf?__blob=publicationFile. ding Information Modeling for Owners, ding%20Information%20Modeling.pdf. Zugegriffen: 23.07.2018. Managers, Designers, Engineers and Zugegriffen: 23.07.2018. 26 vgl. Ludewig & Rahm 2017, S. 70; Egger et al. 2013, S. 31 27 Die IFC ist das primäre Datenmodell für Bauwerksmodelle und offizieller ISO-Standard (ISO 16739:2013) sowie eine Lösung, um die Schnittstellenproblematik zu umgehen. 28 Schröter 2015d 29 Schröter 2015d 30 Ludewig & Rahm 2017, S. 70f. © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019 5
Arbeit 4.0: Building Information Modeling (BIM) – Umsetzungshilfe 2.4.2 Ludewig, J., & Rahm, N. (2017). Gemeinsam offensive-mittelstand.de/fileadmin/user_ scheidungshilfe_15_0604.pdf. Zugegrif- bauen – Building Information Modeling upload/pdf/mittelstand_40/Entschei- fen: 23.07.2018. BIM verändert die Baubranche. Organisa- dungshilfe_13_0604.pdf. Zugegriffen: VDI (2017). Building Information Mode- tionsEntwicklung, Nr. 2, S. 69–73. 23.07.2018. ling VDI-Richtlinien zur Zielerreichung. RAB 31 – Regeln zum Arbeitsschutz auf Bau- Schröter, W. (2015c). Entscheidungshilfe Arbeit https://www.vdi.de/fileadmin/user_ stellen „Sicherheits- und Gesundheits- 4.0. Building Information Modeling in der upload/VDI-Agenda_BIM_01-2017.pdf. schutzplan – SiGePlan“ vom 12.11.2003 Planung – Orientierung für Bauherren. ht- Zugegriffen: 23.07.2018. Schröter, W. (2015a). Entscheidungshilfe tps://www.offensive-mittelstand.de/filead- von Both, P., Koch, V., & Kindsvater, A. (2013). Arbeit 4.0. Building Information Mode- min/user_upload/pdf/mittelstand_40/ BIM – Potentiale, Hemmnisse und Hand- ling (BIM). https://www.offensive-mit- Entscheidungshilfe_14_0604.pdf. Zuge- lungsplan. Stuttgart: Fraunhofer IRB telstand.de/fileadmin/user_upload/ griffen: 23.07.2018. Verlag. http://www.mittelstand-digital. pdf/mittelstand_40/Entscheidungshil- Schröter, W. (2015d). Entscheidungshilfe Arbeit de/MD/Redaktion/DE/PDF/bim-poten- fe_12_1911.pdf. Zugegriffen: 23.07.2018. 4.0. Prozesse der Arbeitsgestaltung durch tiale-hemnisse-und-handlungsplan,pro- Schröter, W. (2015b). Entscheidungshilfe Building Information Modeling. https:// perty=pdf,bereich=md,sprache=de,r- Arbeit 4.0. Building Information Mode- www.offensive-mittelstand.de/fileadmin/ wb=true.pdf. Zugegriffen: 23. Jul. 2018. ling als Dienstleistung. https://www. user_upload/pdf/mittelstand_40/Ent- Zu diesem Thema könnten Sie auch folgende weitere Umsetzungshilfen interessieren: 1.1.7 Informationsblatt smartes Produkt 2.3.1 Datensicherheit in 4.0-Prozessen 2.5.2 Cloud-Modelle der Bereitstellung 1.2.1 Führung und 4.0-Prozesse 2.3.2 Datenschutz in 4.0-Prozessen und Dienstleistungen 2.1.5 Beschaffung digitaler Produkte 2.5.1 Anforderungen an eine Cloud Herausgeber: „Offensive Mittelstand – Gut für Deutschland“ – Stiftung „Mittelstand – Gesellschaft – Verantwortung“ Kurfürsten-Anlage 62, 69115 Heidelberg, E-Mail: info@offensive-mittelstand.de; Heidelberg 2019 © Stiftung „Mittelstand – Gesellschaft – Verantwortung“, 2019 Heidelberg. Gemeinsam erstellt von Verbundprojekt Prävention 4.0 durch BC GmbH Forschung, Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung BGF GmbH, Forum Soziale Technikgestaltung, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. – ifaa, Institut für Mittelstandsforschung Bonn – IfM Bonn, itb – Institut für Technik der Betriebsführung im Deutschen Handwerksinstitut e. V., Sozialforschungsstelle Dortmund – sfs Technische Uni versität Dortmund, VDSI – Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e. V. – gefördert vom BMBF – Projektträger Karlsruhe 6 © Verbundprojekt Prävention 4.0 / Offensive Mittelstand, Heidelberg 2019
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