2 Nutzen der Berücksichtigung räumlicher Belange in Fachpolitiken am Beispiel der integrierten Meerespolitik - DSN Connecting Knowledge
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MORO Forschung Nutzen der Berücksichtigung räumlicher Belange in Fachpolitiken am Beispiel der integrierten Meerespolitik 2 2015
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 3 Abbildungsverzeichznis 4 Zusammenfassung 5 Einleitung und Hintergrund 8 Aufgaben der integrierten Meerespolitik 10 Entwicklung der integrierten Meerespolitik auf europäischer Ebene 12 Meerespolitik im Kontext raumentwicklungs- politischer Zielsetzungen 15 Räumliche Konflikte in Teilbereichen der integrierten Meerespolitik 17 Integrierte Meerespolitik in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und den Küstengewässern 21 Nutzen der Berücksichtigung räumlicher Belange in der Meerespolitik 24 Handlungsbedarfe zur stärkeren Berück- sichtigung räumlicher Belange 29 Literaturverzeichnis 32 Inhaltsverzeichnis 3
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die politischen Ebenen der Gestaltung der Meerespolitik 10 Abbildung 2: Die Teilbereiche der Integrierten Meerespolitik 11 Abbildung 3: Nutzen der Berücksichtigung räumlicher Belange in der integrierten Meerespolitik 24 4 MORO Forschung
Zusammenfassung Mit Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon im indirekt Einfluss auf den Meeresraum, indem sie auf die Jahr 2009 wurde die territoriale Kohäsion als Zielsetzung Wertschöpfungskette und Regionalentwicklung wirken europäischer Politik verankert. Im Jahre 2011 forderten und Prioritäten setzen. die Fachminister für Raumordnung und territoriale Entwicklung der EU-Staaten in der Territorialen Agenda Die Untersuchung verdeutlicht, dass die Meerespolitik 2020 unter anderem eine stärkere Integration räumlicher mit ihrem integrativen Ansatz auch auf regionaler Ebene Belange in Fachpolitiken. Hierdurch sollen die Potenziale dazu führt, dass Fachpolitiken räumliche Belange und der Regionen und Städte Europas für eine nachhaltige Wechselwirkungen zu anderen Fachpolitiken stärker Entwicklung stärker mobilisiert werden. wahrnehmen. Durch die in der integrierten Meerespolitik geführten Diskussionen über die Bedeutung des Meeres Räumliche Aspekte werden in Fachpolitiken derzeitig für die Umwelt und Wirtschaft Europas und Deutsch- sehr unterschiedlich berücksichtigt. Einzelne Fachpo- lands sind insgesamt maritime Belange gestärkt worden. litiken sind durch eine stark räumlich differenzierte Nach Ansicht der in der Untersuchung eingebundenen Herangehensweise gekennzeichnet (bspw. in der Re- meerespolitischen Akteurinnen und Akteure kann der gional-, Verkehrs-, Agrar-, Energie- und Klimapolitik), Beitrag der integrierten Meerespolitik zur Entwicklung andere Fachpolitiken hingegen berücksichtigen räumli- der regionalen Küstengebiete und Küstengewässer als che Aspekte in vergleichsweise geringem Ausmaß. insgesamt positiv bewertet werden. Ziel dieser Untersuchung war es zu überprüfen, wie Fachpolitiken von der Berücksichtigung räumlicher Die Einführung der Maritimen Raumordnung als ein Zielsetzungen profitieren und noch wirksamer umgesetzt wichtiger Baustein der Meerespolitik in Deutschland werden können. hatte große Auswirkungen auf die Nutzungen in den Küstengewässern und in der ausschließlichen Wirt- Die Berücksichtigung räumlicher Wirkungen und schaftszone (AWZ) der Nord- und Ostsee. Die maritime Zusammenhänge sowie der Nutzen der Integration räum- Raumordnung in der deutschen AWZ hat erstmalig eine licher Aspekte in Fachplanungen wurden am Beispiel der Gesamtschau aller dortigen Meeresnutzungen geliefert. integrierten Meerespolitik exemplarisch analysiert. Die Dies hat zu einer neuen Transparenz der Nutzungen in Meerespolitik wurde als Analysebeispiel ausgewählt, da der AWZ geführt. Im Rahmen der Raumordnungspläne sie eine Querschnittspolitik ist d.h. sie ist so ausgelegt, für die AWZ in der Nordsee und in der Ostsee konnte dass sie in integrativer Weise meeresbezogene Fachpoliti- insbesondere der Konflikt zwischen Akteurinnen und ken einbindet. Daher lassen sich anhand der integrierten Akteuren der im Zuge der Klimapolitik geförderten Meerespolitik räumliche Wirkungen und Zusammenhän- Windenergie und der traditionellen Schifffahrt durch die ge studieren und der Nutzen der Integration räumlicher Festlegung von Eignungsgebieten für Windparks sowie Aspekte aufzeigen. die Berücksichtigung der völkerrechtlichen Vorrang- stellung der Schifffahrtswege gelöst werden. Mit der Im Ergebnis zeigt die Untersuchung, dass der Meeresraum Integration verschiedener Fachpolitiken verfolgt die inte- sich in einem Spannungsfeld vielfältiger Schutzgüter und grierte Meerespolitik einen partizipatorischen Ansatz, der Nutzungen befindet, die von fachpolitischem Handeln aus übergeordneter Sicht den Demokratiegedanken im artikuliert werden. Fachpolitiken sind dabei in zweierlei Allgemeinen und in der konkreten Umsetzung von Politik Hinsicht raumwirksam. Zum einen werden Flächen durch stärkt. Im Rahmen der Untersuchung wurden folgende die Vorhaben zur Nutzung bzw. zum Schutz des Meeres- Hauptnutzen durch die Berücksichtigung räumlicher raums direkt in Anspruch genommen. Forderungen zur Belange in der integrierten Meerespolitik identifiziert: Flächeninanspruchnahme überlagern sich dabei oftmals gegenseitig und äußern sich dann zumeist in Raumkon- Hauptnutzen kurrenzen. Zwischen den unterschiedlichen Interessen Wissensgenerierung - Die Berücksichtigung räum- können aber auch Synergien durch Mehrfachnutzungen licher Belange in der integrierten Meerespolitik erzeugt werden. Zum anderen nehmen die Fachpolitiken ermöglicht die Erweiterung des Wissens um räumliche Zusammenfassung 5
Nutzungsinteressen, Wechselwirkungen und Entwick- Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren. Hierdurch lungsdynamiken. Durch die Beachtung räumlicher wird insgesamt die administrative Steuerung verbessert Belange unterschiedlicher maritimer Akteurinnen und und der administrative Zeit- und Arbeitsaufwand für Akteure werden soziale, ökologische und ökonomische maritime Nutzerinnen und Nutzer sowie Planerinnen Interessen offengelegt. Ein stärkeres Verständnis um und Planer reduziert. räumliche Zusammenhänge und Wechselwirkungen er- möglicht es, maritim raumwirksame Entscheidungen und Optimierung von Sektorinteressen - Durch den inte- Beschlüsse noch stärker faktengestützt treffen zu können. grativen Ansatz der Meerespolitik und ihrer Teilbereiche sowie die Berücksichtigung räumlicher Belange wird die Koordinierung und Interessenausgleich - Durch Durchsetzung einzelner Sektorinteressen in Abstimmung eine frühzeitige Berücksichtigung und Steuerung der mit den Interessen anderer Sektoren gestärkt. Grundle- räumlichen Bedarfe der verschiedenen Teilbereiche der gend hierfür sind partizipative Entscheidungsprozesse, Meerespolitiken gelingt eine verbesserte Identifizierung, an denen sowohl verschiedene Sektoren der Meerespo- Beurteilung und balancierte Abwägung von Zielen der litik als auch maritime Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichen maritimen Akteurinnen und Akteure unterschiedlichen (hierarchischen) Ebenen eingebunden mit den vielfältigen Nutzungs- und Schutzansprüchen an werden (cross-sectoral und multi-level). den Meeresraum. Dies führt nicht nur zur Reduzierung von Nutzungskonflikten, sondern auch zur Schaffung Handlungsbedarfe von Synergien zwischen verschiedenen Nutzungen und Zur stärkeren Berücksichtigung räumlicher Belange in Tätigkeiten. Durch Koordinierung und Interessenaus- der Meerespolitik wurden im Rahmen der Untersuchung gleich kann eine Kohärenz zwischen Fachplanungen auf spezifische Handlungsbedarfe identifiziert. Beispielsweise verschiedenen räumlichen Ebenen gefördert werden, sollten Fachpolitiken bei der Entwicklung von Strategien was den ortsgebundenen Ansatz (place-based approach) die räumliche Inanspruchnahme der geplanten Vorha- unterstützt. ben und ihre räumliche Wirkung ex-ante erfassen und offenlegen. Mithilfe dieses Verfahrensschrittes könnten Rechts- und Planungssicherheit - In der integrierten Konfliktpotenziale zwischen den Nutzerinnen und Nut- Meerespolitik ergibt sich insbesondere im Rahmen des zern des Meeresraumes noch frühzeitiger erkannt und formellen Instruments der Maritimen Raumordnung der im Rahmen von „Better Governance“ und partizipativen Nutzen einer erhöhten Rechts- und Planungssicherheit Prozessen die Suche nach Alternativlösungen diskutiert, aus der expliziten Berücksichtigung räumlicher Belange. abgestimmt und gelöst werden. Räumliche Festlegungen in maritimen Raumord- nungsplänen schaffen sowohl (in der Regel) langfristige Die Entwicklungen auf dem Meer werden entscheidend Planungs- als auch Rechtssicherheit aufgrund des formal von den Entwicklungen an Land beeinflusst. Hier zeigen regelnden Charakters der Raumordnungspläne. Somit sich Potenziale für die Weiterentwicklung der Raum- und ist das Verfahren zur Berücksichtigung der räumlichen Fachplanungen, indem weiter darauf hingearbeitet wird, Belange im Fall der Maritimen Raumordnung transparent die Raumplanung auf dem Land und die Raumplanung geregelt. auf dem Meer noch weiter miteinander zu verzahnen. Ins- besondere ist in diesem Zusammenhang auch die zeitliche Kostenreduktion durch Effizienz - Die integrierte Mee- Perspektive zu berücksichtigen. Dynamiken und Wech- respolitik und die maritime Raumordnung als Teil davon selwirkungen auf dem Meer oder zwischen Land und erlauben es, die Entwicklungen verschiedener maritimer Meer können zeitlich unterschiedlich auftreten. Tätigkeiten einfacher und kostengünstiger aufeinander abzustimmen und die Koordinierung zwischen Behörden Gerade das Meer als System macht nicht vor administra- in den einzelnen Ländern zu verbessern. Insbesondere tiven Grenzen halt. Daher bedarf es bei raumwirksamen die maritime Raumordnung trägt zu Transparenz bei Vorhaben und Planungen auch grenzüberschreiten- Entscheidungsprozessen bei und führt zu vereinfachten der Abstimmungsprozesse sowie informeller und/ 6 MORO Forschung
oder formeller Kooperationsstrukturen. Vonseiten der deutschen Küstenbundesländer wird der Bedarf gesehen, auch zukünftig eine noch stärkere Harmonisierung der grenzüberschreitenden Kooperation anzustreben. In der Raumordnung für die ausschließliche Wirt- schaftszone besteht noch weiterer Handlungsbedarf bei der Klärung von räumlichen Belangen und möglichen Konkurrenzen zwischen den Bereichen Offshore- Windenergie und Fischerei. Wissensgenerierung über kumulative Effekte und Wechselwirkungen könnte dazu beitragen auch Synergien aufzudecken. Die Durchfüh- rung von strategischen Raumverträglichkeitsprüfungen könnte Mehrfachnutzungen auf dem Meer fördern. Derzeit ist das Wissen über erfolgreiche Konfliktlösungen zwischen Meeresnutzungen in weiten Teilen noch nicht explizit erfasst. Das vorhandene ‚stille‘ Wissen könnte in Studien über Best-Practice-Lösungen analysiert und transparent gemacht werden. Kein direkter Handlungsbedarf, aber eine Perspektive für eine zukünftige weitere Entwicklung der Maritimen Raumordnung, könnte die stärkere Durchführung von sozioökonomischen und soziokulturellen Analysen bei raumwirksamen Planungen und Vorhaben sein. Bei der sozioökonomischen Analyse steht die regionale Auswir- kung der Planung oder des Vorhabens auf die Wirtschaft und Bevölkerung im Zentrum der Betrachtung. Zusammenfassung 7
Einleitung und Hintergrund Die stärkere Integration räumlicher Belange in Fachpo- Die Berücksichtigung räumlicher Wirkungen und Zusam- litiken ist eine wesentliche Forderung der nationalen menhänge sowie der Nutzen der Integration räumlicher Fachminister der EU-Staaten für vertiefte mitgliedsstaatli- Aspekte in Fachplanungen wurden am Beispiel der che Zusammenarbeit im Kontext der Territorialen Agenda integrierten Meerespolitik exemplarisch analysiert. Die 2020. Die Forderung basiert auf der im Lissabon-Reform- Meerespolitik ist als Analysebeispiel ausgewählt worden, vertrag neu verankerten EU-Zielsetzung der territorialen da sie eine Querschnittspolitik ist d.h. sie ist so ausgelegt, Kohäsion. Die Beachtung räumlicher Vielfalt, das heißt dass sie in integrativer Weise meeresbezogene Fachpoliti- unterschiedlicher regionaler Charakteristika, in Planungs- ken einbindet. Daher lassen sich anhand der integrierten prozessen soll zu Effizienzsteigerungen und Synergien Meerespolitik räumliche Wirkungen und Zusammenhän- und in Folge zur erleichterten Erreichung ambitionierter ge studieren und der Nutzen der Integration räumlicher Wachstumsziele führen. Aspekte aufzeigen. Studien belegen, dass räumliche Aspekte in Fachpolitiken Gemäß dem administrativ räumlich-übergreifenden derzeitig sehr unterschiedlich berücksichtigt werden. Charakter der integrierten Meerespolitik wurden im Einzelne Fachpolitiken sind durch eine stark räumlich Rahmen der Untersuchung verschiedene räumliche differenzierte Herangehensweise gekennzeichnet, andere Dimensionen betrachtet: die europäische, die nationale Fachpolitiken hingegen berücksichtigen räumliche sowie die regionale Ebene (Bundesländer, ggfs. weitere Aspekte in geringem Ausmaß. Ziel der vorliegenden Un- Gebietskörperschaften). Zum einen sind die Ansätze zur tersuchung war es zu überprüfen, wie Fachpolitiken von integrierten Meerespolitik auf EU-Ebene von Interesse, der Berücksichtigung räumlicher Zielsetzungen profitie- zum anderen wird die integrierte Meerespolitik in natio- ren und noch wirksamer umgesetzt werden können. In nalen Politiken umgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die dieser Publikation werden Argumente zusammengefasst, Umsetzung der integrierten Meerespolitik in Deutschland die den Nutzen der Integration räumlicher Aspekte in und insbesondere auf regionaler Ebene der norddeutschen Fachplanungen herausstellen. Bundesländer von Interesse. Eine besondere Bedeutung kommt im Kontext dieser Untersuchung der Maritimen Die vorliegende Publikation beruht auf den Ergebnis- Raumplanung zu. Die maritime Raumplanung ist ein zen- sen einer Pilotstudie zum Nutzen der Berücksichtigung trales Instrument der integrierten Meerespolitik, welches räumlicher Belange in Fachpolitiken am Beispiel der es Behörden und Interessenträgern ermöglicht, eine koor- integrierten Meerespolitik, die im Auftrag des Bundes- dinierte und integrierte Herangehensweise zu verfolgen. instituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Im Zusammenhang mit der EU-Kohäsionspolitik wurde Infrastruktur (BMVI) durchgeführt wurde. Den zentralen durch den Bericht von Dr. Fabrizio Barca aus dem Jahr 2009 methodischen Ansatz zur Erarbeitung dieser Pilotstudie die Bedeutung des ortsbezogenen Ansatz oder des soge- bildete eine umfangreiche qualitative Dokumentenana- nannten „place-based approach“ herausgestellt und damit lyse politischer Grundsatzdokumente zur Meeres- und Diskussionen zur Kohäsionspolitik und zu diesem „place- Raumpolitik sowie forschungsrelevanter Fachliteratur. based approach“ angestoßen. Der „place-based approach“ Ergänzend zu der qualitativen Dokumentenanalyse beschreibt eine langfristige Strategie zur Erschließung wurden zwei Fachworkshops mit Hauptakteurinnen und ungenutzter Potenziale und zur Reduzierung dauerhafter -akteuren aus den Bereichen Meerespolitik und maritime sozialer Nachteile in bestimmten Orten durch externe Raumordnung durchgeführt. Zudem wurden Inter- Intervention und Anwendung des Mehrebenenansat- views mit einzelnen Experten der Meerespolitik und der zes (Multilevel Governance), bei dem insbesondere das Maritimen Raumplanung in Deutschland durchgeführt, spezifische lokale Wissen und die lokalen Akteure einge- die sich inhaltlich vornehmlich auf die Instrumente und bunden werden. Dieser Fokus berücksichtigt ausdrücklich den Nutzen der Umsetzung der integrierten Meerespolitik die territorialen Zusammenhänge und die Einbeziehung insbesondere auf Ebene der norddeutschen Bundesländer regionaler Akteure und regionaler und lokaler politi- konzentrierten. scher Ebenen. Dieser „place-based approach“ und seine 8 MORO Forschung
Umsetzung innerhalb der EU ist seither Teil verschiede- „fließender“ Strukturen (wie bspw. Schiffsverkehre, Fische) ner Untersuchungen. Beispielsweise wurde während der aus. Die Planung auf dem Meer muss daher im Vergleich polnischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2011 eine Umfrage zur Planung an Land, die sich in höherem Maße festen unter den Mitgliedsstaaten durchgeführt, in wie weit die Strukturen widmet, in stärkerem Umfang feste und per- Mitgliedsstaaten den ortsbezogenen Ansatz bereits in ihren manente Strukturen mit mobilen in Einklang bringen. öffentlichen Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene integrieren. Die vorliegende Untersuchung Dynamisch zusammenhängendes System - Das Meer ist leistet ebenfalls einen weiteren Beitrag zur Untersuchung ein zusammenhängendes System, bei dem kleine Verände- der Anwendung des „place-based approach“ unter der be- rungen an einer lokalen Stelle große Auswirkungen auf das sonderen Betrachtung der integrierten Meerespolitik. Gesamtsystem haben können. Viele dieser Zusammenhän- ge, Ursachen und (Wechsel-)Wirkungen sind dabei noch Aus der räumlichen Perspektive gesehen ist zunächst unbekannt. festzuhalten, dass die integrierte Meerespolitik sowie die maritime Raumordnung als einer ihrer Bestandteile sich Dynamische Wechselwirkung zwischen Entwicklungen dem Meeresraum widmen. Das Meer erscheint auf dem an Land und im Meer - Die Nutzungsdichte im Meer wird ersten Blick als ein Raum von großer Offenheit und Weite, wesentlich von den Entwicklungen an Land beeinflusst; dessen Fläche zumeist frei und unberührt wirkt. Doch die Bevölkerungsdichte korreliert in hohem Maße mit der dieser erste Eindruck täuscht, denn das Meer befindet sich Intensität der Nutzungen des Meeres. Auch die Meeresum- zunehmend in Konkurrenz verschiedener Nutzungs- und welt und das Ökosystem an Land bilden ein dynamisch Schutzansprüche an den Meeresraum. Dabei weist das Meer sich wechselseitig beeinflussendes System. Dies zeigt sich als Raum aus planerischer Sicht einige Besonderheiten auf. besonders im Hinblick auf den Wasserkreislauf. Mehrdimensionalität des Meeresraumes - Das Meer setzt Großflächige Planung - Bezogen auf die Planung gibt es auf sich aus mehreren räumlichen Ebenen zusammen wie dem offenen Meer nur wenige raumplanerischen Orientie- dem Luftraum über dem Meer, der Meeresoberfläche, der rungspunkte und Bezugsgrößen wie z.B. Siedlungsräume. darunter liegenden Wassersäule, dem Meeresboden und Die geplanten Nutzungen müssen daher mit Hilfe von Ko- dem Meeresuntergrund. An diese räumlichen Ebenen ordinaten verortet werden. Zudem werden Nutzungen auf des Meeres ergeben sich unterschiedliche Nutzungs- und dem Meer im Vergleich zum Land sehr häufig in größeren Schutzansprüche. Flächen ausgeübt und veranschlagt. Standort non-ubiquitärer örtlich gebundener Ressour- Vielfalt rechtlicher Rahmenregelungen - Das Meer cen - Das Meer wird durch vielfältige Variationen an unterliegt vielfältigen Regelungen und Rahmenbedingun- Lagerelationen und geographischen Gegebenheiten, wie gen von der internationalen bis zur regionalen Ebene. Auf beispielsweise der Topographie und Geomorphologie, dem internationaler Ebene unterliegt das Meer beispielsweise Klima und Ökosystem, charakterisiert. Der Meeresraum dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen bildet keine homogene räumliche Einheit, sondern ist zur Regelung des Seevölkerrechts, oder in europäischen durch das Vorkommen lokalisierter Ressourcen gekenn- Gewässern auf europäischer Ebene beispielsweise der zeichnet. Dazu zählen zum Beispiel die Rohstoffe Sand Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur und Kies, Gebiete mit Bedeutung für Ökosystemdienst- Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung. leistungen, aber auch Flächen, die touristisch sowie für Zudem bestehen Regelungen und Rahmenbedingungen auf die Gewinnung von erneuerbarer Energie (Wind, Wellen, nationaler und regionaler Ebene. Zu Ersteren zählen bei- Gezeiten) genutzt werden können. spielsweise die Raumordnungspläne für die ausschließliche Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee in Deutschland. Zu Hoher Anteil mobiler Strukturen - Neben dem Vor- Letzteren gehören unter anderem die Landesraumordnung handensein von permanenten und festen Strukturen oder das Integrierte Küstenzonenmanagement in den nord- zeichnet sich das Meer durch einen hohen Anteil mobiler, deutschen Bundesländern. (vgl. hierzu auch Abbildung 1). Einleitung und Hintergrund 9
Aufgaben der integrierten Meerespolitik Aufgabe der integrierten Meerespolitik ist es, einen kohä- die vielschichtigen politischen Ebenen (vgl. Mehrebe- renten Politikrahmen zu schaffen, in dem die Interessen nensystem der EU) Abstimmungsforen entwickelt. Dies einzelner Teilbereiche beziehungsweise Fachpolitiken stellt eine Herausforderung dar, da die vorherrschenden koordiniert werden. Dazu bedarf es integrativer In- vielschichtigen Politikstrukturen vorwiegend sektoral strumente zur Politikgestaltung. Vor dem Hintergrund, ausgerichtet sind. dass der Meeresraum ein räumlich mehrdimensionales und dynamisch in sich zusammenhängendes System Meerespolitik wird auf allen politischen Ebenen gestal- ist, müssen Eingriffe in dieses System hinsichtlich ihrer tet. Die folgende Abbildung 1 verdeutlicht, dass sowohl Auswirkungen auf das Gesamtsystem betrachtet wer- im internationalen Rahmen wie auch im europäischen, den. Aufgrund der Mehrdimensionalität des physischen nationalen und regionalen Kontext (beispielsweise in (Meeres-)Raums müssen die Wechselwirkungen und Zu- Deutschland) meeresrelevante Fragestellungen gesteu- sammenhänge auf folgenden Ebenen betrachtet werden: ert werden. Diese stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. ■■ Vertikale systemische Zusammenhänge zwischen Meeresuntergrund, -boden, -säule, -oberfläche Die integrierte Meerespolitik ist eine noch vergleichs- und -luftraum weise junge Politik, die als solches keine originäre ■■ Horizontal systemische Zusammenhänge Fachpolitik, sondern eine sektorübergreifende Koor- zwischen verschiedenen Meeresgebieten sowie dinierungspolitik darstellt. Sie ist durch raum- und zwischen Gegebenheiten an Land und im Meer sektorübergreifende Ansätze charakterisiert und zielt da- ■■ Systemische Zusammenhänge zwischen unter- rauf ab, die verschiedenen Fachpolitiken mit Meeresbezug schiedlichen räumlichen Maßstabsebenen (lokal, integrativ zu steuern. Fachpolitiken sind darauf ausge- regional, national, transnational, global) richtet, spezielle Sachthematiken zu beeinflussen und zu ■■ Entwicklungsdynamiken in Abhängigkeit der Zeit gestalten sowie Forderungen und Ziele zur Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen durchzuset- Im Zusammenhang eines integrativen Politikansatzes zen. Die meeresbezogenen Fachpolitiken nehmen die müssen die Eingriffe des Menschen in das Gesamtsystem Interessen und Zielvorstellungen der unterschiedlichen Meeresraum und die Wirkungszusammenhänge im Rah- (Meeres-) Akteurinnen und Akteure im Hinblick auf de- men von Entscheidungsfindungsprozessen berücksichtigt ren Ansprüche zur Nutzung beziehungsweise zum Schutz werden. Diese bedürfen eines politischen Rahmens der des Meeresraumes wahr. Diese Nutzungs- und Schutzan- horizontale sowie sektorübergreifende Instrumente sprüche sind in unterschiedlichem Maße raumrelevant zur Politikgestaltung bereitstellt und im Hinblick auf bzw. raumwirksam. Meeresrelevante Fragestellungen werden auf unterschiedlichen politischen Ebenen berücksichtigt: Globale Ebene Europäische Ebene Bundesebene Regionale Ebene Völkerrechtliche und zwischen- Integrierte Meerespolitik Raumordnung Landesraumordnung staatliche Vereinbarungen wie der EU • Raumordnungspläne für die beispielsweise • Maritime Raumordnung AWZ der Nord- und Ostsee Regionale Raumordnungs- • UN-Seerechtsüberein- • Meeresüberwachung konzepte / -programme Integrierte Meerespolitik kommen • Meeresbeobachtung/Daten • Entwicklungsplan Meer Maritime Aktionspläne • Protokoll zum Londoner • Meeresbeckenstrategien • Maritimer Koordinator Abkommen • Blaues Wachstum Meeresrelevante Initiativen • Meeresschutzbestimmun- Fachpolitiken und -planungen Makroregionale Strategien gen, -abkommen • Bundesfachpläne Offshore IKZM • Internationale INTERREG-Programm (BFO Nord- und Ostsee) Walfangkommissionen Fachpolitiken und -planungen Fachpolitiken Nationale IKZM-Stategie • Globale Fischereiabkommen Abbildung 1: Die politischen Ebenen der Gestaltung der Meerespolitik (Quelle: Eigene Darstellung) 10 MORO Forschung
Fachpolitiken, wie beispielsweise die Wirtschafts-, auf den Meeresraum, indem sie auf die Wertschöpfungs- Energie-, Forschungs- und Umweltpolitik, sind in den kette und Regionalentwicklung wirken und Prioritäten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf verschie- setzen. So stellt beispielsweise die Zielsetzung der dene Art und Weise thematisch und administrativ Reduktion von Treibhausgasen keine direkte Forderung organisiert. Dies gilt auch für die Verwaltungsstruktur zur Inanspruchnahme dar. Dennoch äußern sich die mit der Bundes- und Landesministerien. dieser Zielsetzung verbundenen Vorhaben stark raum- wirksam, beispielsweise im Kontext der Priorisierung der Der Meeresraum befindet sich im Spannungsfeld vielfäl- Offshore-Windenergie. tiger Schutzgüter und Nutzungen, die im Rahmen von fachpolitischem Handeln artikuliert werden. Fachpoliti- Aufgrund der Variationen der Zuständigkeiten und ken sind in zweierlei Hinsicht raumwirksam. Zum einen Organisation der Fachpolitiken mit Meeresbezug auf nehmen die Vorhaben zur Nutzung bzw. zum Schutz des unterschiedlichen räumlichen und politischen Ebenen, Meeresraums direkt Flächen in Anspruch. Diese Forde- wird im Folgenden der Begriff der Teilbereiche der Mee- rungen zur Flächeninanspruchnahme überlagern sich respolitik verwendet. Die Definition der Teilbereiche der oftmals und äußern sich in Raumkonkurrenzen, aber Meerespolitik orientiert sich thematisch an den vielfäl- auch Synergien zwischen den unterschiedlichen Interes- tigen Nutzungen und Schutzgütern des Meeresraumes. sen können durch Mehrfachnutzungen erzeugt werden. Die Abbildung 2 gibt einen Überblick über die zentralen Zum anderen nehmen die Fachpolitiken indirekt Einfluss Teilbereiche der integrierten Meerespolitik. Teilbereiche der integierten Meerespolitik Seehäfen und Küsten- und Hochsee- Meeresforschung Hafenentwicklung fischerei, Aquakultur Meeresbergbau, Sand- und Schifffahrt Meeres-, Küsten- und Natur- Kiesabbau, Deponierung von (Verkehrskorridore) tourismus, Wassersport Baggergut Landesverteidigung Schiffbau Unterwassererbe (militärische Aktivitäten) Erneuerbare Energien Seekabel und Pipelines Meeresüberwachung (Offshore-Windenergie) Auswärtige Beziehungen Beschäftigung in den maritimen im Zusammenhang mit Unterwassermunitionsaltlasten Sektoren Meeresfragen Weitere Meeresbezogene In- Meeresumweltschutz, Fossile Energiewirtschaft dustriezweige (Umwelttechnik, Meeresnaturschutz (Öl- und Gasgewinnung) marine Biotechnologie) Abbildung 2: Die Teilbereiche der Integrierten Meerespolitik (Quelle: Eigene Darstellung) Aufgaben der integrierten Meerespolitik 11
Entwicklung der integrierten Meeres- politik auf europäischer Ebene Europa ist von vier Meeren umgeben, in deren mittelbarer im Aktionsplan spezifizierten Ziele und Aktionen zu ent- Nähe ungefähr die Hälfte der Bevölkerung der Europä- wickeln. Als oberstes Ziel der europäischen integrierten ischen Union (EU) lebt. Fast über 70.000 km Küstenlinie Meerespolitik wird die Schaffung „optimaler Bedingung säumen den Kontinent, der einen überwiegenden Teil sei- für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane und Meere“ nes Handelsaufkommens über den Meeresweg abwickelt. sowie „gleichzeitig(es) Wachstum in der maritimen Der Meeresraum ist von herausragender sozioökonomi- Wirtschaft und in den Küstenregionen“ formuliert. Das scher und ökologischer Bedeutung für Europa und seine „Blaubuch“ legt zudem dar, unter welchen horizontalen Mitgliedsstaaten. Die Nutzung des europäischen Meeres- Planungsinstrumenten die Ziele der integrierten Meeres- raumes ist vielfältig und befindet sich im Spannungsfeld politik erreicht werden sollen: verschiedener Interessen. Die Konflikte zwischen den Sektorinteressen nehmen vor dem Hintergrund einer ■■ Meeresüberwachung stetigen Zunahme der Nutzung der europäischen Meere ■■ Maritime Raumplanung und das Integrierte in den letzten Jahrzehnten stark zu. Küstenzonenmanagement (IKZM) ■■ europäisches Meeresbeobachtungs- und Daten- In der EU wurde bis Mitte der 2000er Jahre für die ver- netzwerk (EMODNET) schiedenen meeresbezogenen Themen, wie Fischerei und Aquakultur, Energiegewinnung, Seeverkehr, Umwelt, In den folgenden Jahren folgten verschiedene Mittei- Tourismus, Forschung, Sicherheit und Überwachung lungen und Berichte der europäischen Institutionen zur sowie Raumplanung, getrennt Regelungen getroffen. integrierten Meerespolitik. Der Prozess der Umsetzung Da diese Regelungen sich in Teilen widersprachen, in der integrierten Meerespolitik auf europäischer und anderen Teilen gemeinsame Zielsetzungen verfolgten nationaler Ebene wurde wesentlich durch die umfang- und auch die Verschlechterung des Zustands der Oze- reiche Beteiligung von Stakeholdern vorangetrieben und ane kontinuierlich zunahm, wurde es notwendig, eine durch die in grenzüberschreitenden und transnationalen integrative Betrachtungsweise zu entwickeln und die ver- INTERREG-Projekten gewonnenen Erfahrungen gestützt. schiedenen Fachpolitiken mit Bezug zum Meeresraum zu koordinieren. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang Im Jahr 2008 wurde im Rahmen der ordentlichen die Einsicht der Europäischen Kommission „dass alle Gesetzgebung von den europäischen Institutionen die Fragen, die die Ozeane und Meere betreffen, miteinander „Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie“ (MSRL) verab- verbunden sind, [sodass] die Entwicklung meeresbezoge- schiedet, die einem ganzheitlichen, nachhaltigen und ner Maßnahmen auf koordinierte Weise erfolgen muss“ integrativen Ansatz zum Schutz der marinen Um- (Europäische Kommission, 2007). Diese Feststellung welt folgt. Die auch als Umweltsäule der integrierten bildet die Grundlage der durch die europäischen Institu- Meerespolitik verstandene Richtlinie wurde von der tionen vorangetragenen Einführung einer integrierten Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission Meerespolitik der EU im Oktober 2007 mit Vorlage des vorangetrieben und strebt einen guten Zustand der Mee- sogenannten „Blaubuches“ – dem Vorschlag der Kom- resumwelt der Gemeinschaft an. mission zur integrierten Meerespolitik (IMP) – und dem begleitenden „Aktionsplan“. Ebenfalls seit dem Jahr 2008 wird alljährlich in allen europäischen Staaten der Europäische Tag der Meere Im Dezember 2007 begrüßte der Europäische Rat das (European Maritime Day) durchgeführt. Der Europäische von der Kommission vorgeschlagene „Blaubuch“ zur Tag der Meere wurde vom Präsidenten der Europäischen IMP und den begleitenden Aktionsplan. Seither strebt Kommission, dem Europäischen Parlament und dem die integrierte Meerespolitik der Europäischen Uni- Rat der Europäischen Union ins Leben gerufen, um die on eine Koordinierung der Sektorpolitiken sowie die Sichtbarkeit der maritimen Wirtschaft in Europa zu Entwicklung sektorübergreifender Politikinstrumen- erhöhen und eine klare und kohärente Herangehenswei- te an, und fordert gleichsam die Mitgliedstaaten auf, se an Meerespolitik und an maritime Angelegenheiten nationale integrierte Meerespolitiken auf Grundlage der in der Europäischen Union zu unterstützen. Zentrale 12 MORO Forschung
Veranstaltung ist die Konferenz zum Europäischen Tag unterstützen und ihre Schwachstellen angehen. In diesem der Meere, die jedes Jahr in einem anderen Mitglieds- Zusammenhang sind auch die Makroregionalen Strategi- staat ausgetragen wird. Im Rahmen der Konferenz en der EU zu nennen, da sie einen raumbezogenen Ansatz kommen Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft mit zur Zusammenarbeit auf europäischer Ebene darstellen politischen Entscheidungsträgern zusammen, um zu dis- und z.T. Meeresbecken einschließen, wie z.B. die Ostsee. kutieren, zu debattieren und sich über Erfahrungen und Makroregionen sind staatenübergreifende Regionen, die Lösungen auszutauschen. sich u.a. durch gemeinsame Herausforderungen, eine gemeinsame Identität und funktionale Verflechtung Im Jahr 2011 verabschiedeten das Europäische Parlament auszeichnen. Makroregionale Strategien zielen darauf ab, und der Europäische Rat den von der Kommission vor- gemeinsame Herausforderungen bestimmter geografi- gelegten Vorschlag für eine „Verordnung zur Schaffung scher Regionen zu ermitteln und Ziele festzulegen, um die eines Programms zur Unterstützung der Weiterentwick- Zusammenarbeit auf der wirtschaftlichen, sozialen und lung der integrierten Meerespolitik“. Im Rahmen dieses territorialen Ebene zu vereinfachen und bestehende Ko- Programms standen der integrierten Meerespolitik für operationen in den Makroregionen zu stärken. Dadurch den Zeitraum der Jahre 2011 bis 2013 insgesamt 40 Millio- sollen bestehende finanzielle Mittel in den Makrore- nen Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln wurden unter gionen (z.B. aus EU-Förderprogrammen) gezielter und anderem die Entwicklung sektorübergreifender Instru- wirkungsorientierter eingesetzt werden. Makroregionale mente wie die maritime Raumplanung, der gemeinsame Strategien sind ein noch vergleichsweise junges Konzept Informationsraum sowie die Erarbeitung und Umsetzung der EU. Seit 2009 existieren Makroregionale Strategien von Strategien für einzelne Meeresräume unterstützt. - zunächst für den Ostseeraum (2009), anschließend für den Donauraum (2011) sowie für die Adria und das Ioni- Die Strategie Blaues Wachstum wurde 2012 von der Kom- sche Meer (2014). Eine Makroregionale Strategie für den mission verabschiedet und zielt u.a. auf die Entwicklung Alpenraum ist ebenfalls ausgearbeitet. ökoinnovativer Lösungen, die die sozialen, ökologischen und ökonomischen Zielstellungen der Europäischen Vor dem Hintergrund umfassender Reformen in der Ge- Union potenziell vereinen können. Im Rahmen des meinsamen Fischereipolitik sowie der Notwendigkeit, die Blauen Wachstums soll die strategische Nutzung des bis dato voneinander separierten maritimen Politikfelder Meeresraumes zur Zielerreichung der Europa 2020 Stra- – integrierte Meerespolitik und Gemeinsamen Fische- tegie beitragen. Gezielt wird in den Wirtschaftsbereichen reipolitik – gemeinsam zu betrachten, wurde für die Aquakultur, Küstentourismus, Meeresbiotechnologie, Förderperiode 2014 bis 2020 der bisherige Europäische Meeresenergie und Meeresbodenbergbau die Meeres- Fischereifond (EFF) unter Annahme neuer Zielsetzungen nutzung vorangetrieben. In aktuellen Debatten wird die in den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) Strategie des Blauen Wachstums als eine rein sektoral umgewandelt. Die integrierte Meerespolitik wurde in organisierte Politikinitiative bezeichnet. Für die genann- diesem Zusammenhang finanziell gestärkt, als dass die ten Wirtschaftsbereiche wurden gesondert Strategien Mittel für die IMP vervierfacht wurden und 5% des Ge- entwickelt, die nicht vorab auf ihre Umwelt- und Raum- samtvolumens des EMFF 2014 bis 2020 für die integrierte wirkung sowie insbesondere auf kumulative Effekte hin Meerespolitik vorgesehen sind. geprüft wurden. Seither wird die integrierte Meerespolitik auf europäi- Die europäische integrierte Meerespolitik stärkt die regio- scher Ebene folgendermaßen definiert: Die „integrierte nalen völkerrechtlichen Verträge der Anrainerstaaten der Meerespolitik [ist] eine Unionspolitik mit dem Ziel, über europäischen Meeresbecken und unterstützt die Entwick- abgestimmte meeresbezogene politische Maßnahmen lung von Strategien auf Grundlage zwischenstaatlicher und einschlägige Formen internationaler Zusammenar- Zusammenarbeit. Im Rahmen der Meerespolitik werden beit eine koordinierte, schlüssige Entscheidungsfindung Strategien für Wachstum und Entwicklung gefördert, im Interesse einer optimalen nachhaltigen Entwick- die die Stärken jeder großen Meeresregion in der EU lung, eines optimalen Wirtschaftswachstums und eines Entwicklung der integrierten Meerespolitik auf europäischer Ebene 13
optimalen sozialen Zusammenhalts in den Mitgliedstaa- Wie die vorangegangenen Ausführungen aufzeigen, ist ten und insbesondere den Küsten- und Inselregionen und die integrierte Meerespolitik auf EU-Ebene im Wesentli- den Gebieten in äußerster Randlage der Union sowie den chen eine politische Initiative. Als Rechtsakte bestehen maritimen Wirtschaftszweigen zu fördern“ (Europäische die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und seit 2014 die Kommission, 2014a (Artikel 3, Absatz 2, Nummer 10)). EU-Rahmenrichtlinie über die maritime Raumplanung. Im Juli 2014 wurde vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat eine Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung erlas- sen. Wesentliches Ziel dieser Richtlinie ist es, mittels Stärkung der maritimen Raumordnung ein nach- haltiges Wachstum der Meereswirtschaft zu fördern sowie die nachhaltige Entwicklung der Meeresgebiete und die nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen. Die EU-Richtlinie gibt einen Rahmen für die mariti- me Raumplanung vor, während die Mitgliedstaaten dafür verantwortlich und zuständig sind, für ihre Meeresgewässer die Form und den Inhalt von Raumord- nungsplänen zu konzipieren und festzulegen. An dieser Stelle soll insbesondere auf die Entwick- im Bereich der Raumplanung und -entwicklung zwi- lungen in der Ostseeregion hingewiesen werden, schen den Ostseeanrainerstaaten. Im Jahr 2009 nahm welche in vielfältiger Hinsicht die Weiterentwick- die Raumordnungs-Ministerkonferenz der Ostseestaaten lung der europäischen Meerespolitik beeinflusst eine langfristige Strategie mit einem Aktionsplan zur hat. Speziell für die Ostsee existiert bereits eine Raumentwicklung in der Ostseeregion (VASAB Long-Term Vielzahl an strategischen und analytischen Do- perspective for the Territorial Development of the Baltic kumenten (beispielsweise „EU-Strategie für die Sea Region) an. Im Rahmen dieser Strategie wurden 10 Ostseeregion“, 2009 und „Eine nachhaltige Agenda Planungsprinzipien zur Maritimen Raumordnung in der für blaues Wachstum in der Ostseeregion“, 2014). Ostsee erarbeitet. Hierzu gehört z. B. die Anwendung des Einen Beitrag zur Weiterentwicklung der europä- Prinzips des nachhaltigen Managements, also des Aus- ischen integrierten Meerespolitik leistete VASAB gleichs zwischen ökonomischen, ökologischen, sozialen (Visions and Strategies around the Baltic Sea), und anderen Interessen. eine zwischenstaatliche und multilaterale Kon- Gemeinsam mit der Helsinki-Kommission (HELCOM) ferenz der für Raumordnung und -entwicklung gründete VASAB 2010 eine Arbeitsgruppe zur Maritimen verantwortlichen Minister von 11 Anrainer- und Raumordnung (MRO), um die Koordination und Um- Nachbarstaaten der Ostseeregion. Sie erstellt setzung der Maritimen Raumordnung im Rahmen der gemeinsame Leitlinien und Prinzipien für die EU-Ostseestrategie in Abstimmung mit dem Ostseeak- räumliche Entwicklung der Ostseeregion und tionsplan von HELCOM und der Strategie von VASAB zu bietet ein Forum für den Austausch von Know-how ermöglichen. 14 MORO Forschung
Meerespolitik im Kontext raument- wicklungspolitischer Zielsetzungen Die territoriale Dimension hat im Zuge der Verab- Die TA 2020 spricht sich dafür aus, dass die Mitglied- schiedung des Lissabon Vertrages (2009) und der darin staaten ihre Planungen im maritimen Bereich in enger formulierten Zielstellung einer wirtschaftlichen, sozialen Abstimmung mit ihren bisherigen Planungsinstrumenten sowie territorialen Kohäsion an Bedeutung gewonnenen. vornehmen und die maritime Planung in diese einbetten. Auch in der EU-2020 Strategie wird der Kohäsionspo- So soll sichergestellt werden, dass es nicht zu abgekoppel- litik eine wichtige Rolle beigemessen und territorialer ten, sondern zu einer gemeinsamen und ausgewogenen Zusammenhalt neben wirtschaftlichem und sozialem Entwicklung von Land- und Meeresraum kommt. Zusammenhalt berücksichtigt. Weitere raumentwick- lungspolitische Zielsetzungen mit Verbindung zur In der TA 2020 werden Aussagen mit Relevanz für die Meerespolitik wurden im Rahmen der Territorialen Agen- integrierte Meerespolitik getroffen. Gemäß der TA 2020 da 2020 formuliert. VASAB und HELCOM entwickelten bedarf es: speziellere Zielsetzungen für den Ostseeraum. ■■ der Berücksichtigung territorialer Auswirkungen in Im Jahr 2007 haben sich die für die Raumentwicklung in allen Phasen der strategischen Programmplanung, den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständigen -evaluierung und -überwachung Minister auf eine erste sogenannte „Territoriale Agenda ■■ der Berücksichtigung ortsbezogener Beson- der EU“ verständigt. Im Jahr 2011 wurde im Rahmen eines derheiten, regionaler Ausgangspositionen und informellen Treffens der europäischen Minister für Raum- Bedürfnisse bei der Entwicklung von (funktionalen) entwicklung in Ungarn eine Neufassung der Territorialen Raumentwicklungsstrategien (vgl. auch place-based Agenda mit dem Titel „Territoriale Agenda 2020“ (TA 2020) approach und smart specialisation) verabschiedet. Mit der TA 2020 wird das Ziel verfolgt, ■■ der engeren Zusammenarbeit sektoraler Poli- strategische Orientierungen für die Raumentwicklung zu tikbereiche und Gebiete auf unterschiedlichen vermitteln, die territoriale Dimension auf allen Regie- räumlichen Ebenen, das heißt der horizontalen rungsebenen stärker in verschiedene Politikbereiche zu sowie vertikalen integrierten Mehrebenen-Gover- integrieren und die Umsetzung der Europa 2020-Strategie nance und Planung im Einklang mit den Grundsätzen des territorialen Zu- ■■ der Stärkung der evidenzgestützten Politikgestal- sammenhalts zu gewährleisten. Die TA 2020 stellt heraus, tung auf Basis der gebietsübergreifenden Erzeugung dass sich „alle, die für die Planung und Umsetzung sekto- und Nutzung gebietsspezifischen Wissens raler Politiken verantwortlich sind, die Grundsätze und ■■ der Förderung makroregionaler und grenzüber- Ziele der Territorialen Agenda zu eigen machen“ sollten. schreitender Ansätze ■■ der Förderung von Forschung, Humankapital und In diesem Zusammenhang formuliert die TA 2020 Innovationskraft Leitlinien zur strategischen Orientierung für die Raument- ■■ der Gewährleistung und Verbesserung der wicklung, die auch im Kontext der politischen Gestaltung territorialen Anbindung des Einzelnen an In- des europäischen Meeresraums von Bedeutung sind. Mit frastruktureinrichtungen (z. B. Schifffahrt, Bezug auf den Meeresraum verweist die TA 2020 einer- Luftverkehr, transeuropäische Energienetze) seits auf die Bedeutung der vermehrten Aktivitäten im und der Entwicklung von intermodalen Ver- maritimen Bereich für den territorialen Zusammenhalt kehrslösungen sowie kombinierten See-/ in Europa und andererseits auf die Zunahme räumlicher Landverkehrsanbindungen Konflikte verschiedener Nutzerinnen und Nutzer auf- ■■ der Förderung einer dezentralen, effizienten, grund dieser vermehrten Aktivitäten. In der TA 2020 wird sichereren und umweltfreundlichen Erzeugung die Bedeutung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der und Nutzung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Maritimen Raumplanung betont, um auf diesem Wege Energien einem Ausgleich der verschiedenen Interessen der Nutze- ■■ der verbesserten Verwaltung und Verknüpfung der rinnen und Nutzer und eine Lösung von Konflikten in den Umwelt-, Landschafts- und Kulturgüter von Regio- europäischen Meeresgebieten zu erzielen. nen durch ein gemeinsames Risikomanagement Meerespolitik im Kontext raumentwicklungspolitischer Zielsetzungen 15
Eine Analyse der Berücksichtigung der TA 2020 in der In Vorbereitung der Richtlinie wurden in einem Fahrplan integrierten Meerespolitik auf europäischer Ebene ergibt, für die maritime Raumordnung von der Europäischen dass die Bezüge zwischen der TA 2020 und den meerespo- Kommission 10 Grundsätze für die maritime Raumord- litischen Grundsatzdokumenten nicht direkt dargestellt nung in der EU vorgestellt. Insbesondere die folgenden und beschrieben werden. Gleichwohl sind die Inhalte Grundsätze lassen deutliche Schnittstellen zu den Leitli- der TA 2020 in weiten Teilen in den Grundsatzdokumen- nien der TA 2020 erkennen: ten der integrierten Meerespolitik enthalten. So lassen sich insbesondere die im Folgenden beschrieben Bezüge ■■ „Aufbau einer tragfähigen Daten- und erkennen. Wissensbank“ ■■ „Kohärenz der Raumordnung an Land und auf See Die europäische integrierte Meerespolitik benennt über (IKZM)“ die maritime Raumordnung hinaus die Instrumente „In- ■■ „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und tegrierte Meeresüberwachung“ und „Meereskenntnisse“. Konsultation“ Auch diese weisen eindeutige Bezüge zu den Leitlinien der ■■ „Beteiligung von Interessengruppen“ TA 2020 auf. Die integrierte Meerespolitik wird als Konzept ■■ „Einsatz der Maritimen Raumordnung je nach zur Koordination zwischen verschiedenen Politikbereichen Gebiet und Tätigkeitsbereich“ verstanden. Auch wenn die tatsächliche Integration über die verschiedenen Politikebenen und Fachbereiche hinweg Mit der 2014 schließlich verabschiedeten Richtlinie zur berechtigterweise hinterfragt werden sollte, so greift die Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung integrierte Meerespolitik dennoch die Hauptforderung der wurden die Mitgliedsstaaten verpflichtet eine maritime TA 2020 „integrativ zu denken“ inhärent auf. Es beste- Raumplanung einzuführen. Die EU gibt einen Rahmen hen darüber hinaus Übereinstimmungen zwischen den für die maritime Raumplanung vor, während die Mit- Leitlinien der TA 2020 und der integrierten Meerespolitik gliedstaaten dafür verantwortlich und zuständig sind, für im Hinblick auf die Priorisierung der Förderung „Blauer ihre Meeresgewässer die Form und den Inhalt von Raum- Energie“. Auch der seitens der TA 2020 geforderte Ansatz ordnungsplänen zu konzipieren und festzulegen. makroregionale Strategien zu entwickeln findet sich in der europäischen integrierten Meerespolitik im Rahmen der HELCOM und VASAB begleiteten wichtige Projekte zur Entwicklung von Meeresbeckenstrategien wieder. Entwicklung der Maritimen Raumordnung im Rahmen der EU-Ostseestrategie und erarbeiteten 10 Prinzipi- Die genannten Übereinstimmungen zeigen auf, dass die en zur Maritimen Raumordnung mit Fokus auf die integrierte Meerespolitik (der EU) raumentwicklungs- Ostseeanwendung: politische Grundsätze berücksichtigt. Es bestehen aber noch Potenziale im Hinblick auf die wohl bedeutendste ■■ Nachhaltiges Management Leitlinie der TA 2020 – nämlich Raumwirksamkeit von ■■ Langfristige Perspektive und Ziele Zielen und Vorhaben schon im Rahmen der strategischen ■■ Kohärente Planung zwischen Land und See Planung mitzudenken, um frühzeitig räumliche Belange ■■ Hohe Datenqualität zur Sicherung der identifizieren und berücksichtigen zu können. Grundsätz- Informationsbasis lich könnten zudem die Bezüge auf die TA 2020 und ihre ■■ Transnationale Koordination und Konsultation Ziele in den Grundsatzdokumenten der integrierten Mee- ■■ Planung auf Grundlage der ortsgebundenen respolitik deutlicher dargestellt werden. Die deutlichsten Charakteristika Bezüge zwischen der TA 2020 und konkreten meerespo- ■■ Umsetzung des Ökosystemansatzes litischen Maßnahmen lassen sich im Entstehungsprozess ■■ Vorsorgeansatz der EU Richtlinie zur maritimen Raumplanung erkennen. ■■ Partizipation (und Transparenz) Diese Richtlinie nimmt einen besonderen Stellenwert ein, ■■ Planung als kontinuierlicher Prozess da sie der erste und bisher einzige EU-Rechtsakt ist, der explizit raumplanerische Belange regelt. 16 MORO Forschung
Räumliche Konflikte in Teilbereichen der integrierten Meerespolitik Die Teilbereiche der integrierten Meerespolitik, bezie- ■■ Der Art und Weise, wie in der Politik Eigeninter- hungsweise die damit verbundenden Nutzungs- und essen versucht werden durchzusetzen (Eigeninter- Schutzinteressen der Akteurinnen und Akteure dieser essen versus Suche nach Kompromisslösungen) Teilbereiche, sind mit teils erheblichen Inanspruch- ■■ Der Beschaffenheit des regulatorischen Kontext, nahmen des Meeresraumes verbunden. Eine Studie im d.h. den koordinierenden gegebenen juristischen räumlichen Kontext des belgischen Meeresraumes kam und administrativen Instrumenten (Gesetze, Ver- zu dem Ergebnis, dass die Gesamtbeanspruchung an den waltungsstrukturen, Planungsinstrumente) und Meeresraum um den Faktor 2,6 größer ist als die vorhan- der Kohärenz dieser auf den unterschiedlichen dene maritime Fläche (Maes, et al., 2005). Insbesondere die räumlichen und politischen Ebenen Forderungen der Fischerei und Schifffahrt zur Flächen- inanspruchnahme sind hoch, als das sie fast die gesamte Im Rahmen verschiedener Forschungs- und Planungs- Meeresfläche betreffen. projekte wurde die Vereinbarkeit unterschiedlicher maritimer Schutzgüter und Nutzungen untersucht. Tatsächlich ist ein Großteil des europäischen Meeresrau- Die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen weisen mes, insbesondere in der Nordsee und Ostsee, beplant oder im Detail unterschiedliche Bewertungen zueinander durch Nutzungen belegt. Die steigende Nutzungsintensität auf, geben im Wesentlichen dennoch die großen sich in des Meeresraumes der vergangenen Jahre führte zu einer Konkurrenz zueinander befindlichen Teilbereiche der Verschärfung der Konflikte zwischen den verschiedenen Meerespolitik wieder. Nutzungsinteressenten. Es wird in diesem Zusammenhang Folgende Meeresnutzungen beziehungsweise Teilberei- zwischen potenziellen und tatsächlichen Nutzungskon- che der Meerespolitik weisen dabei ein besonders hohes flikten unterschieden. Das Ausmaß des Konfliktpotenzials Konfliktpotenzial auf: zwischen den Nutzungen und Raumforderungen basiert auf der Ausdehnung der beanspruchten Fläche, ihrer Meeresumweltschutz Intensität und Dynamik im Hinblick auf zukünftige Der Meeresumweltschutz wurde durch in Kraft treten der Entwicklungen sowie potenziellen Gefahren, die mit der Meeresstrategierahmenrichtlinie (2008) umfassend ge- Nutzung des Meeresraumes einhergehen. stärkt. Mit dem Ziel, bis 2020 einen guten Umweltzustand zu erreichen, gehen Vorhaben einher, die Meeresflächen Die Spannungen zwischen den Teilbereichen der Mee- unter Schutz zu stellen. So ist beispielsweise das gesam- respolitik bedingen sich jedoch nicht ausschließlich te Küstenmeer der deutschen Nordsee (Nationalpark durch die direkte Flächeninanspruchnahme, welche Wattenmeer) als Natura-2000 Gebiet ausgewiesen. In sich in lokalisierte Raumkonkurrenzen äußern, son- Natura-2000 Gebieten können anderweitige Meeresnut- dern auch durch sich widersprechende Zielsetzungen zungen mitunter eingeschränkt sein. Während auf der der Fachpolitiken und somit indirekte räumliche Be- einen Seite der Meeresumweltschutz andere Nutzungen lange (bspw. bei der Strategie Blaues Wachstum und der einschränken kann, wird dieser auf der anderen Seite, in Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie). nicht als Natura-2000 festgelegten Gebieten, im Hinblick auf die Erreichung der Zielsetzung eines guten Meeres- Das tatsächliche Ausmaß der Konflikte zwischen den umweltzustands, gefährdet — insbesondere durch die Meeresnutzungen wird zu dem von folgenden Faktoren Hafenwirtschaft sowie die Gewinnung von Rohstoffen beeinflusst: wie Öl, Sand und Kies. Auch Windparks, die durch die Produktion erneuerbarer Energie einen Beitrag zum ■■ Dem Umfang des Wissens um räumliche Belange, Klimaschutz leisten, können Lebewesen im Meeresluft- mögliche Zielkonflikte, Wechselwirkungen zwi- raum und Meeresboden gefährden – wenngleich erste schen Nutzungen sowie dem Umfang des Wissens Forschungsergebnisse auch darauf hindeuten, dass sich um das Ökosystem Meer und kumulative Effekte Windkraftanlagen positiv auf die Unterwasserflora und der verschiedenen Meeresnutzungen auf dieses -fauna auswirken können. Dies gilt es im jeweiligen Fall Ökosystem abzuwägen. Räumliche Konflikte in Teilbereichen der integrierten Meerespolitik 17
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