Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau

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Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
- Zeitung Rheinland-Pfalz
09 / 2020     Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz • www.gew-rlp.de

        Schwerpunkt Coronakrise                                  (S. 4-15)

                                                                         Symbolfoto: iStock/sam thomas

  Deutlich mehr Belastung für Eltern
        durch Homeschooling
Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Kolumne

Der Mitgliederbindung verpflichtet
Günter Helfrich
                                                insgesamt sehr zufrieden,
                         Aus den bekann-
                                                da es uns immer wieder
                         ten Gründen wur-
                                                gelungen ist, eine lesens-
                         de der Gewerk-
                                                werte Zeitschrift zu pro-
                         schaftstag vom
                                                duzieren – so die meisten
                         Mai auf Ende No-
                                                Rückmeldungen. Der Weg
                         vember / Anfang
                                                dahin ist oft steinig und
                         Dezember ver-
                                                immer wieder eine große
                         schoben. Statt-
                                                Herausforderung, was
                         finden wird und
                                                die Leser*innen natür-
                         muss er auf jeden
                                                lich nicht sehen können.
                         Fall; in welcher
                                                Entscheidend ist aber, ob
                         Form hängt von
                                                wir unser oberstes Ziel,
                         der Entwicklung
                                                zur Mitgliederbindung
                         d e r Pa n d e m i e
                                                beizutragen, erreichen
statt. Wir hoffen natürlich auf eine Prä-
                                                konnten. Einfach ist das nicht, denn was     kengänge mit analytischem Anspruch zu
senszveranstaltung mit vielen lebendigen
                                                den 85-jährigen pensionierten Haupt-         lesen und die Kommunikation nicht auf
Diskussionen und anregenden Begegnun-
                                                schullehrer bewegt, muss die 25-jährige      wenige hingeschluderte Statements zu
gen, aber möglich ist auch eine Mischform
                                                Erzieherin nicht unbedingt tangieren.        reduzieren.
zwischen Präsenz und Videokonferenz
oder gar eine rein digitale Durchführung.       Wie gesagt: Wir stehen im Blickpunkt.        Auch gestalterisch sind wir nicht bereit,
Im Vorfeld gehört es zu den Verpflichtun-       Das hat den Vorteil, wahrgenommen            uns jedem Zeitgeist zu unterwerfen: Wir
gen der Funktionär*innen, Rechenschaft          zu werden, aber auch den Nachteil, auf       achten sehr darauf, ansprechende Fotos,
über ihre Arbeit in den vergangenen vier        Widerspruch zu stoßen. Das ist eben die      Zeichnungen und Grafiken zu haben, aber
Jahren abzulegen. Da die Redaktion ihr          hinzunehmende Kehrseite des Privilegs,       dem Design den Vorrang über die Inhal-
Mandat vom Gewerkschaftstag bekommt,            seine Ansichten direkt oder indirekt einem   te zu geben, ist aus unserer Sicht nicht
ihre Arbeit aber primär den Mitgliedern         größeren Publikum mitteilen zu dürfen.       zielführend. Wenn etwa ein Vorstands-
verpflichtet ist, hat es eine lange und         Wir werden ja nicht nur von unseren          mitglied etwas zu sagen hat, freut uns
gute Tradition, unseren entsprechenden          Mitgliedern (mehr oder weniger) gelesen,     das. Das muss dann aber nicht über eine
Bericht auch an dieser Stelle zumindest in      sondern erreichen auch die bildungspoli-     Doppelseite mit ganzseitigem Porträtfoto
Auszügen zu veröffentlichen.                    tischen Entscheidungsträger*innen bzw.       und nur einer halben Seite Text gehen, da
                                                auch deren Kritiker*innen.                   viel Weißraum zu den Dogmen aktuellen
Gewerkschaftliche Rechenschaftsberichte
                                                                                             Zeitungsdesigns gehört.
sind eine vielfältige Textsorte: Manche         Ist es eigentlich aufgefallen? 2020 ist
Kolleg*innen zählen über viele Seiten je-       bereits das 2. Jahr, in dem der Umfang       Abschließend gilt mein Dank dem bisheri-
den Termin auf, den sie wahrgenommen,           der GEW-Zeitung um ein Viertel redu-         gen Redaktionsteam und unserem Verlag
und jedes Schriftstück, das sie verfasst        ziert wurde. Dabei geht es ausschließlich    für die produktive Zusammenarbeit. Für
haben. Andere belassen es bei wenigen           um den sorgfältigen Umgang mit den           einen kleinen Landesverband sind wir
zusammenfassenden Sätze.                        Mitgliedsbeiträgen; wir würden gerne         personell richtig gut aufgestellt; Näheres
                                                wie früher 9 statt 8 Ausgaben mit 32         nach der Wahl.
Als langjähriger Redakteur kann ich mich
                                                statt 24 Seiten machen. Eher Negatives
auch bei meinem sechsten diesbezügli-
                                                ist dabei von Vorteil für uns: Für das Ma-
chen Bericht im Kern nur wiederholen:                                                         GEW-ZEITUNG
                                                nuskriptangebot aus dem Kreis unserer
Über keinen anderen Bereich unseres                                                           Rheinland-Pfalz 09 / 2020
                                                Funktionär*innen und der Mitglieder
gewerkschaftlichen Engagements wissen
                                                allgemein reichen der Umfang und die          Inhalt
unsere Delegierten bzw. allgemein die
                                                Anzahl unserer Ausgaben allemal; in an-
Mitglieder so genau Bescheid wie über
                                                deren, aktiveren Landesverbänden wie         Kolumne                      Seite        2
das, was wir geleistet haben – oder auch
                                                Berlin oder Hamburg wäre solch eine Re-      Politik                      Seite        3
nicht. 32 Ausgaben sind unsere Belege;                                                       Coronakrise                  Seiten 4 - 15
                                                duktion schwer durchzusetzen gewesen.
hinzu kommen konkret meine Kolumne an                                                        Recht                        Seiten 16 - 17
                                                Printmedien allgemein stehen heutzutage
dieser Stelle bzw. Berichte aus der Redak-                                                   GEW-intern                   Seite       18
                                                immer unter Druck, ihre Existenz ange-       Generation 60+/
tion, in denen regelmäßig diverse Aspekte
                                                sichts der weitaus größeren Aktualität       Tipps + Termine              Seite 19 - 21
unserer Arbeit thematisiert werden.
                                                digitaler Medien zu rechtfertigen. Wir       Kreis + Region               Seite      22
Mein Resümee kann deshalb kurzgefasst           setzen dabei darauf, dass es gerade auch     ABC der GEW                  Seite      23
                                                                                             Zeitgeist                    Seite      24
werden: Auch wenn es belastende und             in einer Bildungsgewerkschaft nach wie
unbefriedigende Situationen gab, sind wir       vor das Bedürfnis gibt, längere Gedan-

2                                                                                            GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 09 / 2020
Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Politik

Aufruf des DGB zum Antikriegstag
Nie wieder Krieg! In die Zukunft investieren statt aufrüsten!
Seit 1957 wird am 1. September an          wir uns heute wieder mit all unserer Kraft     schen BIP für Verteidigung auszugeben,
die Schrecken des Ersten und Zweiten       stark machen müssen.                           so könnte dies eine weitere Erhöhung
Weltkriegs sowie an die schrecklichen                                                     des Wehretats um mehr als 20 Milliarden
Folgen von Krieg, Gewalt und Faschis-      Neue Spirale der Aufrüstung                    Euro bedeuten.
mus erinnert. An jedem 1. September
                                           Wir erleben derzeit den internationalen
machen auch der DGB und seine Mit-                                                        Schutzlos dem Virus ausgesetzt
                                           Abgesang auf eine Politik der Abrüstung,
gliedsgewerkschaften seitdem deut-
                                           Entspannung und Zusammenarbeit und             Die Corona-Krise führt drastisch vor
lich: Die deutschen Gewerkschaften
                                           auf eine neue multilaterale Weltord-           Augen, wie verantwortungslos diese
stehen für Frieden, Demokratie und
                                           nung, die wir nach dem Fall des Eisernen       Geldverschwendung ist. Besonders deut-
Freiheit. Nie wieder Krieg, nie wieder
                                           Vorhangs erhofft hatten. Stattdessen           lich zeigt sich dies im Globalen Süden. So
Faschismus! Der DGB-Aufruf zum An-
                                           leben wir in einer Welt, die immer stär-       sind etwa in vielen Ländern Lateiname-
tikriegstag 2020 steht unter dem Mot-
                                           ker aus den Fugen gerät. Nationalismus         rikas große Bevölkerungsteile schutzlos
to: „Nie wieder Krieg! In die Zukunft
                                           und Militarismus greifen wieder um             dem Virus ausgesetzt, weil es an einer
investieren statt aufrüsten!“
                                                                 sich und setzen          flächendeckenden Gesundheitsversor-
                                                                 eine neue Spirale        gung fehlt und die dortige Zwei-Klassen-
                                                                 der Aufrüstung           Medizin Angehörige der Ober- und Mit-
                                                                 in Gang. 75 Jahre        telschicht privilegiert. Gleichzeitig sind
                                                                 nach dem Abwurf          die Rüstungsausgaben in der Region in
                                                                 der Atombomben           jüngster Zeit stark angestiegen – Geld,
                                                                 über Hiroshima           das für den dringend nötigen Ausbau der
                                                                 und Nagasaki im          Gesundheits- und Sozialsysteme fehlt.
                                                                 August 1945 er-          Aber auch im Falle Deutschlands legt
                                                                 reicht der nuklea-       die Corona-Krise schonungslos offen,
                                                                 re Rüstungswett-         wie gravierend die Fehlverteilung öf-
                                                                 lauf ungeahnte           fentlicher Mittel ist. Im Bundeshaushalt
                                                                 A u s m a ß e. A l l e   2020 waren ursprünglich 12 Prozent der
                                                                 neun Atommäch-           Ausgaben für den Verteidigungsetat vor-
                                                                 te stecken Un -          gesehen, während nur ein Drittel davon
DGB/FES AdsD
                                           summen in die Modernisierung ihrer Nu-         in das Gesundheitssystem fließen sollte.
                                           kleararsenale und Anfang des nächsten
Für uns Gewerkschaften ist der An-
                                           Jahres könnte mit dem russisch-ameri-          Wir müssen gegensteuern
tikriegstag 2020 ein besonderer Tag
                                           kanischen „New Start“-Vertrag das letzte
der Mahnung und des Erinnerns. Das                                                        Es ist höchste Zeit, das Ruder herumzu-
                                           verbliebene Rüstungskontrollregime für
Ende des Zweiten Weltkriegs und die                                                       reißen! Die Pandemie, der Klimawandel,
                                           Atomwaffen auslaufen. Auch deshalb ist
Befreiung Europas und der Welt vom                                                        die Digitalisierung – all diese gewalti-
                                           es nicht hinnehmbar, dass die deutsche
Faschismus jähren sich zum 75. Mal.                                                       gen Herausforderungen bedrohen den
                                           Bundesregierung sich weiterhin weigert,
Mit seinem Überfall auf Polen riss                                                        gesellschaftlichen Zusammenhalt und
                                           den UN-Vertrag über das Verbot von
Nazi-Deutschland 1939 die Welt in den                                                     vergrößern die soziale Ungleichheit. Wir
                                           Atomwaffen zu unterzeichnen.
Abgrund eines bestialischen Krieges, der                                                  müssen gegensteuern! Dafür sind neben
unermessliches Leid über die Menschen                                                     einem starken und solide finanzierten
                                           Zwei Billionen US-Dollar
brachte und 60 Millionen Tote forderte.                                                   Sozialstaat immense öffentliche Investi-
75 Jahre nach Kriegsende liegt es an       Welche Dimensionen das Wettrüsten              tionen nötig – in Gesundheit und Pflege,
uns, die Erinnerung an diese zahllosen     inzwischen erreicht hat, zeigen die ak-        in unser Bildungssystem, in eine sozial-
Toten wachzuhalten und der Millionen       tuellen Zahlen. Die globalen Rüstungs-         ökologische Gestaltung der Energie- und
von Holocaust-Opfern zu gedenken, die      ausgaben belaufen sich inzwischen auf          Verkehrswende, in die kommunale und
von den Nazis ermordet wurden. Und         2 Billionen US-Dollar. Die deutsche Bun-       digitale Infrastruktur und in den sozialen
wir müssen die Erinnerung daran wach-      desregierung spielt dabei eine unrühmli-       Wohnungsbau. Deshalb fordern wir die
halten, dass Deutschland angesichts        che Vorreiterrolle. Deutschland ist nicht      Bundesregierung auf, sich endgültig von
der Menschheitsverbrechen der Nazis        nur viertgrößter Rüstungsexporteur             der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO zu
besondere Verantwortung für den Frie-      weltweit, sondern ist bei den Ländern          lösen und die für Rüstungsausgaben vor-
den trägt. Nie wieder Krieg! Nie wieder    mit den meisten Rüstungsausgaben auf           gesehenen Mittel in ein sozial gerechtes
Faschismus! So lautet unumstößlich die     den siebten Platz vorgerückt. Wenn die         Deutschland und Europa mit nachhalti-
Lehre, die wir Gewerkschaften aus der      Bundesregierung die NATO-Zielvorgabe           gen Zukunftsperspektiven zu investieren.
Geschichte gezogen haben – und für die     erfüllen würde, zwei Prozent des deut-

GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 09 / 2020                                                                                             3
Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Coronakrise

Bundesweite Elternbefragung zu Homeschooling
Deutlich mehr Belastung für Eltern
Als Folge der Covid-19-Pandemie wur-            Eltern mehrheitlich fest, dass diese immer    von Freizeitmöglichkeiten während der
den am 16. März 2020 die Schulen in             oder oft so klar formuliert sind, dass ihr    Covid-19-Pandemie leidet.
Deutschland geschlossen, alle Kinder            Kind sie selbstständig bearbeiten kann.       - Knapp ein Viertel der Eltern gibt an, dass
und Jugendlichen sollten zu Hause im            - Die Aufgaben werden insgesamt als           sie die Beziehung zu ihrem Kind durch das
Homeschooling lernen. Was bedeutet              wenig abwechslungsreich von den Eltern        Homeschooling als belastet ansehen.
das für Eltern, Lehrkräfte und Schü-            wahrgenommen.                                 - Mehr als ein Viertel der Eltern gibt
ler und wie funktioniert das Home-              - Ein nicht unerheblicher Teil der Arbeits-   an, dass sie vor technischen Problemen
schooling aus deren Sicht? Das sind die         ergebnisse der Kinder wird nicht an die       bei der Umsetzung des Homeschooling
Leitfragen der Studie HOMEschooling             Lehrkräfte zurück übermittelt. Die Grün-      stehen. Das betrifft in erster Linie fehlen-
2020, die von Prof. Dr. Anja Wildemann          de dafür sind nicht bekannt, wären aber       de bzw. nicht ausreichend vorhandene
und Prof. Dr. Ingmar Hosenfeld von              aufschlussreich im Hinblick auf die Wei-      Endgeräte und unzureichende Internet-
der Universität Landau durchgeführt             terentwicklung von Unterricht und Schule.     verbindungen.
wurde.                                          - Die Mehrheit der Eltern wünscht sich                                      Paul Schwarz
An der bundesweiten Studie haben insge-         mehr Rückmeldungen durch die Lehr-
samt 4230 Eltern teilgenommen, davon            kräfte.
mit großer Mehrheit Mütter, die auch mit        - Eltern wünschen sich mehrheitlich
deutlicher Mehrheit für das Homeschoo-          mehr Struktur durch die Schule bzw. die
ling verantwortlich sind. Von den Kindern       Lehrkräfte, z.B. durch Wochenpläne, die
und Jugendlichen besuchen 43,1 Prozent          in einem wiederkehrenden Rhythmus
eine Grundschule und 52,6 Prozent eine          übermittelt werden.
weiterführende Schule, davon 64,9 Pro-          - In der Grundschule beinhalten die Auf-
zent ein Gymnasium.                             gaben vor allem Wiederholungen und
Folgende zentralen Ergebnisse lassen sich       Übungen, während in der Sekundarstufe
zusammenfassend skizzieren:                     verstärkt neue Inhalte dazukommen.
- Der zeitliche Umfang der Lernbetreuung        - Nach Einschätzung der Eltern sind 48,5
durch die Eltern hat im Zuge des Home-          Prozent der Kinder und Jugendlichen sehr
schooling deutlich zugenommen.                  oder ziemlich motiviert, hingegen 51,1
- Nicht ganz die Hälfte der Eltern (48,1 Pro-   Prozent eher wenig bis nicht motiviert -
zent) gibt an, dass die Aufgabenübermitt-       eine große Herausforderung für die Eltern
lung durch die Lehrkräfte für sie in keinem     beim Homeschooling.                           Unser Redaktionsmitglied Dr. Paul
erkennbaren Rhythmus stattfindet.               - 75,7 Prozent der Eltern gibt an, dass ihr   Schwarz berichtet über die bundesweite
- Hinsichtlich der Aufgabenklarheit stellen     Kind sehr oder ziemlich unter dem Wegfall     Elternbefragung zum Homeschooling.

Interview mit Prof. Dr. Anja Wildemann über ihre Studie zum Homeschooling
„Mehr Strukturiertheit bei der Aufgabenvermittlung“
Werden die Eltern die neue Lehrerschaft?        jüngere Kinder mehr Betreuung, Beglei-        Auch die Motivation spielt eine ganz
Ich habe auch in anderen Interviews             tung und Ermunterung brauchen. Aber:          große Rolle. Wir haben herausgefunden,
schon betont, Eltern sind keine Lehrkräf-       Eltern sind keine Lehrkräfte.                 dass es einen nicht geringen Anteil von
te. Eltern haben eine ganz andere Rolle                                                       Kindern und Jugendlichen gab, die eine
in ihrer Beziehung zu ihrem Kind, und           Was bedeutet Homeschooling für die            geringe oder keine Motivation hatten. Es
das darf auf Dauer durch Homeschooling          Eltern?                                       ist eine Herausforderung für Eltern, damit
auch nicht gefährdet werden. Es ist eine        Für die Eltern bedeutet es mehr Zeitauf-      umzugehen.
Notsituation gewesen, und ich denke, da-        wand. Und das hat unsere Studie gezeigt,
raus haben Eltern und Lehrkräfte einiges        Homeschooling, also das Lernen nach           Was hat Sie an den Ergebnissen über-
gelernt, und ich hoffe, wenn es wieder          Hause zu verlegen, ist etwas ganz anderes     rascht?
Homeschooling geben sollte oder eine            als Hausaufgabenbetreuung. Es ist eine        Ich hätte mir etwas mehr Strukturiert-
Mischung mit regulärem Schulunterricht          Mehrbelastung, denn viele Eltern waren        heit bei der Aufgabenübermittlung
erfolgt, dass es in Zukunft besser funkti-      selbst im Homeoffice oder haben in einem      erwartet. Freilich muss man sagen, dass
oniert und auch aus den Fehlern gelernt         systemrelevanten Beruf gearbeitet, das        Lehrkräfte wenig Zeit hatten, sich darauf
wurde.                                          war schon eine starke Doppelbelastung.        einzustellen, und teilweise auf sich alleine
Besonders bei jüngeren Schülerinnen und         Zeitmanagement ist eine große Her-            gestellt waren. Jeder musste zunächst
Schülern sind Eltern stärker gefordert, da      ausforderung für die Beziehungsebene.         einmal ausprobieren, wie es am besten

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Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Coronakrise

                                              in dem Lehrkräfte gemeinsam mit den          lien, wo zuhause kaum oder gar nicht
                                              Schülerinnen und Schülern in einer Klasse    Deutsch gesprochen wird?
                                              sind und sich dem einzelnen Schüler zu-      Der Anteil dieser Eltern an unserer Studie
                                              wenden und mit ihm sprechen. Auf diese       ist so gering, dass wir keine Aussagen
                                              Weise erfolgt zudem häufig eine direkte      dazu machen können. Wir würden das
                                              Rückmeldung. Guter Unterricht erfordert      gerne in einer weiteren Studie erheben.
                                              eben auch individuelles Lernen im Aus-       Wenn die Schule wieder losgeht, könnten
                                              tausch zwischen Lehrern und Schülern.        wir in den Schulen eine erneute Erhebung
                                                                                           starten und stärker die Schülerinnen
                                              Was läuft denn in den USA besser?            und Schüler einbinden. Jetzt standen ja
                                              Ich würde nicht sagen besser, aber in den    die Eltern im Fokus, deren Einschätzung
                                              USA ist Homeschooling anerkannt, es          und Wahrnehmung. Aber einen gezielten
                                              ist an den Curricula orientiert und stellt   Blick auf den Leistungsstand zu werfen,
                                              bestimmte Anforderungen. Bei uns wur-        wäre nach den Schulferien durchaus
                                              den aus der aktuellen Situation heraus       angebracht. Dabei ginge es uns auch
                                              Notprogramme entwickelt. Jetzt werden        um Unterrichts- und Schulentwicklung
                                              u.a. in den Ferien Sommerschulen ange-       und die Frage: „Wie gestaltet Schule in
Univ.-Prof. Dr. Anja Wildemann ist            boten, um ggf. Rückstände aufholen zu        solchen Zeiten wie jetzt den Unterricht?“
Professorin für Grundschulpädagogik           können. Ich finde diese Angebote, die
(Schwerpunkt Sprache) am Institut für         auf freiwilliger Teilnahme beruhen, gut.     Gibt es Überlegungen Ihrerseits, wie
Bildung im Kindes- und Jugendalter der        Aber es werden primär Deutsch und            man diese Homeschoolingdefizite in so-
Universität Landau.                           Mathematik angeboten. Das waren in           zialschwachen und in Migrationsfamilien
                                              der Zeit des Homeschoolings allerdings       auffangen kann?
geht. Aber dass Aufgaben anscheinend          die am häufigsten realisierten Fächer, so    Ich hätte mir die Sommerschulen von
nicht zurückgefordert wurden und die          unsere Studie. Ich frage mich, hätte man     der inhaltlichen Ausrichtung her etwas
sich u.a. daraus ergebene Rückmeldung         nicht bei den Angeboten in den Som-          anders gewünscht. Für einige Kinder
der Lehrkräfte oftmals fehlte, finde ich      merschulen auch andere Fächer stärker        und Jugendliche ist die Förderung der
doch bedauerlich. Die Rückbindung von         einbinden sollen, z.B. aus dem naturwis-     sprachlichen Fähigkeiten sehr wichtig. Es
Aufgaben an die Lehrkräfte und deren          senschaftlichen Bereich oder auch aus        gibt aber durchaus auch andere fachliche
Rückmeldung an die Kinder hat etwas mit       dem ästhetisch-kreativen Bereich, die ja     Bereiche, in denen Förderung sinnvoll ge-
Unterrichtsqualität zu tun. Es ist wichtig,   während des Homeschoolings eher sehr         wesen wäre. Es sollte auch nicht verges-
dass Schülerinnen und Schüler nicht           kurz gekommen sind.                          sen werden: die Sommerschulen beruhen
alleine gelassen werden oder die Eltern                                                    ja auf Freiwilligkeit. Das ist auch richtig
gar die Aufgaben machen, sondern dass         Öffnet Homeschooling die Bildungsschere      so, dennoch, so meine Vermutung: Es
sie immer eine Rückmeldung zu ihren           noch weiter als bisher?                      werden wieder eher solche Kinder daran
Lernergebnissen erhalten. Schülerinnen        Meine Vermutung ist ja. Ich kann es          teilnehmen, die zuhause schon gut unter-
und Schüler müssen wissen, was ist gut        anhand unserer Studie nicht bestäti-         stützt werden, während andere Kinder,
gelaufen, wo benötige ich noch Unter-         gen, denn bei solchen Erhebungen ist         die eine Förderung nötig hätten, nicht
stützung oder welches ist der nächste         es leider oft so, dass bestimmte Eltern      daran teilnehmen werden. Deshalb muss
Lernschritt. Das ist eine Baustelle, an der   nicht daran teilnehmen. Wir haben es         die Schule nun Konzepte entwickeln, wie
noch gearbeitet werden muss.                  mehrfach betont, dass sich mit großer        sie mit diesen benachteiligten Kindern
                                              Mehrheit Eltern mit mittlerem und            umgeht, denn die Benachteiligung wird
Ist Homeschooling eine Notlösung in           höherem Bildungsabschluss an unserer         sich in den Coronazeiten eher verstärkt
Pandemiezeiten oder eine Alternative zum      Studie beteiligt haben. Wir wissen auch      haben.
schulischen Lernen im digitalen Zeitalter?    aus anderen Studien, dass bestimmte          Es muss Förderung geben, differenzierte
Zurzeit ist es eine Notlösung. Es gibt        Familien mit solchen Erhebungen nicht        Angebote und Unterstützung für die
natürlich auch Homeschooling in ganz          erreicht werden. Einige haben zudem          Lehrkräfte.
anderer Art wie z.B. in den USA, dort hat     nicht die Möglichkeit teilzunehmen, sei es
es aber einen anderen Stellenwert. Das        aus technischen Gründen oder aufgrund        Homeschooling ist also sehr mittelstän-
digitale Lernen zuhause ersetzt nicht         ihres sprachlichen Vermögens Ich gehe        disch geprägt?
den Unterricht in der Schule. Besonders       daher davon aus, dass bestimmte Kinder       Ja. Eine Beobachtung, die man durchaus
kritisch angemerkt in der Elternbefra-        im Homeschooling nicht oder nur unzu-        auch im Ausland wahrnehmen kann, dass
gung wurde ja auch, dass die Interaktion      reichend erreicht wurden, in der Regel       Fördermaßnahmen häufig von akademi-
und die Kommunikation gefehlt haben.          Kinder aus bildungsbenachteiligten und       schen Haushalten wahrgenommen wer-
Das wird häufig, wenn über digitales          sozial schwachen Haushalten.                 den, die sich das auch leisten können. Es
Lernen gesprochen wird, unterschätzt.                                                      gibt in unserer Studie übrigens auch ent-
Ich bin nicht gegen digitales Lernen, das     Gibt es Erkenntnisse oder Beobachtungen,     sprechende Rückmeldungen von Eltern.
muss ausgebaut werden, aber es ersetzt        wenn es um Kinder aus sozial schwachen       Wir haben in der Umfrage auch einen Teil,
eben nicht den interaktiven Unterricht,       Familien geht oder um Migrationsfami-        in dem sich Eltern frei äußern konnten.

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Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Coronakrise

Und da gibt es immer auch Eltern, die das    4.000 Eltern, die bei uns teilgenommen        besuchen. Was wir nicht erreicht haben,
Homeschooling als positiv für ihr Kind       haben, hat diese Kommunikation sehr           das liegt aber auch an der Anlage unserer
erlebt haben. Sie argumentieren, dass ihr    wenig stattgefunden. Dieses geringe sozi-     Studie, ist der Förderschulbereich. Es
Kind endlich frei und ohne Druck lernen      ale Miteinander, der fehlende Austausch       wäre sehr interessant, hier nochmals den
konnte. Diese Aussagen bilden aber nicht     hat uns doch sehr gewundert. Es wurden        Blick darauf zu werfen. Wir haben auch ei-
die Mehrheit ab.                             anscheinend auch kaum Aufgaben zusam-         nige Mails von Eltern bekommen, die ein
                                             men bearbeitet. Was Eltern hier geleistet     bisschen enttäuscht waren, dass wir den
Feedback gehört ja zu einer effektiven Un-   haben, und das ist sehr positiv im Hinblick   Förderschulbereich nicht erkundet ha-
terrichtsgestaltung. Viele Eltern beklagen   auf die Motivierung ihrer Kinder, ist, dass   ben. Wir haben zum Beispiel Eltern, deren
in Ihrer Studie die fehlende Rückmeldung     sie vor allem positiv verstärkt haben.        Kinder eine spezielle Pflege benötigen.
der Lehrkräfte. Wo sehen Sie die Gründe      Die meisten Eltern haben geantwortet,         Solche Details konnten wir nicht erfra-
für diesen fehlenden Kontakt zwischen        dass sie versucht haben, ihrem Kind zu        gen, denn das hätte den Umfang unserer
Schülern und Lehrern beim Homeschoo-         erklären, dass das Lernen wichtig ist. Sie    Studie gesprengt. Aber ansonsten haben
ling?                                        haben auch das soziale Miteinander trotz      wir gar keine so großen Unterschiede
Auch hier gibt es wieder zwei Seiten. Es     der massiven Einschränkungen gefördert,       zwischen der Primar- und Sekundar-
gab zum einen anfangs viele technische       indem sie z.B. gemeinsam gekocht oder         stufe festgestellt. In der Sekundarstufe
Probleme, z.B. bei der Einrichtung und       sich zusammen einen Film angeschaut           wurden im Homeschooling mehr Fächer
Nutzung bestimmter Plattformen. Die          haben. Sie haben also versucht, gemein-       angeboten, was auch mit dem größeren
meisten Lehrkräfte haben zudem über          sam die Freizeit zu gestalten. Und das        Fächerspektrum zusammenhängt. In
Email mit den Schülerinnen und Schü-         haben Eltern in dieser Situation sehr         den Fächern Deutsch, Mathematik, auch
lern kommuniziert. Rückmeldungen             gut gemacht, indem sie das soziale und        Englisch wurde zudem eher traditionell
erfolgten somit zeitlich verzögert und       das kommunikative Miteinander gelebt          gearbeitet, also mit Arbeitsblättern und
nicht im direkten Austausch. Die von         haben.                                        Schulbüchern.
den Eltern als unzureichend deklarierten
Rückmeldungen haben aber auch etwas          Welche Konsequenzen müssen nach dem           Wir haben ja das am stärksten zerglie-
mit der Strukturierung von Unterricht        Homeschooling für die Lehrerbildung           derte Schulwesen weltweit. Würde eine
zu tun. Nach unserer Studie gibt es hier     gezogen werden?                               Schule für alle oder eine Integrierte Ge-
Nachholbedarf. Gestellte Aufgaben, wir       Natürlich ist das digitale Lernen noch        samtschule durchgehend bis Klasse 10
unterscheiden Lern- und Leistungsauf-        eine Baustelle, die in Deutschland sehr       besser fahren beim Homeschooling?
gaben, sind eingebettet in eine Unter-       groß ist. Das wissen wir schon lange,         Das betrifft ja die Frage nach der Inklusi-
richtsstruktur. Sie müssen auch überprüft    aber jetzt ist es deutlich geworden. Wir      on, die m.E. in Deutschland noch nicht so
werden, um eine Diagnose des Könnens         wissen aber auch, dass Schulen technisch      gut gelingt. Schule für alle wird leider oft
zu gewährleisten. Als Lehrkraft mache ich    oft nicht sehr gut ausgestattet sind, und     missverstanden. Bei Inklusion denken alle
mir so ein Bild von den Fähigkeiten und      wir wissen auch, dass mehr methodisches       an Schüler mit Behinderungen, aber Schu-
Bedarfen des Schülers oder der Schülerin.    Know How vorhanden sein muss, denn            le für alle bedeutet ja erstmal, ich nehme
Dass es hier noch Lücken gibt, liegt u.a.    die Beherrschung der Technik reicht           die Kinder so, wie sie kommen, egal wel-
daran, dass es in der Verzahnung von         für digitales Lernen nicht aus. Hier sind     ches Geschlecht, welcher Herkunft, Reli-
systematischer Diagnose und Förderpla-       die universitäre Lehrerbildung und das        gion oder Hautfarbe, mit oder ohne Be-
nung in der Schule grundsätzlich, auch       Referendariat gefragt und schließlich         einträchtigung. Das ist etwas, womit sich
außerhalb von Corona, Nachholbedarf          auch die Lehrerfort- und -weiterbildung.      Deutschland sehr schwer tut. Ich glaube,
gibt. Im Zuge des Homeschoolings sind        Das betrifft u.a. Fragen wie: Wie und         wenn wir diesen inklusiven Gedanken
diese Lücken deutlich zutage getreten.       wann kann ich digitales Lernen realisie-      stärker umsetzen würden, nicht nur im
Auch die Individualisierung, also das        ren? Wann setze ich welche Geräte ein         Primarbereich, in dem Inklusion nach wie
individualisierte Lernen, ist größtenteils   und wann machen sie keinen Sinn etc.?         stärker umgesetzt wird, sondern auch
weggefallen in dieser Zeit. Daran muss       Hier müssen die Kompetenzen für das           im Sekundarstufenbereich würde das
noch deutlich gearbeitet werden.             digitale Lernen bei den Lehrkräften noch      den Schülerinnen und Schülern guttun.
                                             ausgebaut werden. Aber auch die Struk-        Wir hätten dann auch ein ganz anderes
Unterricht ist immer auch ein Trainings-     turierung des Unterrichts ist weiterhin ein   Spektrum an Tätigen in den Schulen z.B.
lager für soziale Fähigkeiten wie Rück-      Thema für die Lehrerbildung, besonders        Sozialarbeiter, Psychologen, Lehrkräfte
sichtnahme, Respekt, Hilfsbereitschaft.      im Zuge digitalisierten Lernens.              mit unterschiedlichen Schwerpunkten in
Welche Fächer, Fähigkeiten und welche                                                      ihrer Qualifizierung, die sich gegenseitig
Kompetenzen werden beim Homeschoo-           Welche Schulart hat denn beim Home-           besser unterstützen könnten Wir hätten
ling vernachlässigt, z.B. auch der soziale   schooling am besten funktioniert und          mehr multiprofessionelle Teams, und das
und kommunikative Kompetenzerwerb?           warum?                                        wäre auf jeden Fall von Vorteil für alle.
Was uns sehr erstaunt hat, ist, dass die     Das kann man eigentlich gar nicht sagen,
Eltern angegeben haben, dass ihre Kinder     denn wir haben im Primar- und Sekun-          Welche Empfehlungen würden Sie nach
sehr wenig mit Mitschülern kommuniziert      darstufenbereich gefragt. In der Sekun-       Ihrer Studie der Bildungsministerin und
haben. Das hätten wir deutlich höher         darstufe haben wir einen hohen Anteil         der KMK geben?
eingeschätzt. Zumindest bei den über         von Eltern, deren Kinder das Gymnasium        Es wäre gut, nicht nur Hygienekonzepte

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Coronakrise

in den Schulen zu haben, sondern so          zu können und so eine passgenaue Dia-        gezielte Diagnosen sowie anschließende
etwas wie Unterrichts- und Schulent-         gnose und Förderplanung zu realisieren.      Beratungen für einzelne Schülerinnen
wicklungskonzepte. Diese sollten nicht       Außerdem haben Lehrkräfte häufig nicht       und Schüler auf Wunsch der dort tätigen
von oben angeordnet, aber angeregt und       die Zeit, um eine umfassende Diagnose        Lehrkräfte durchgeführt. Das war eine
vor Ort diskutiert und umgesetzt werden.     durchzuführen. Das ist schlimm.              wichtige Unterstützung. Dafür haben wir
Momentan wird von allen Seiten viel ge-      Ich komme selbst aus Hamburg und             im Diagnostikteam aber auch ausreichend
fordert, aber die Lehrkräfte werden noch     habe als Lehrerin an einer Förderschu-       zeitliche Entlastung erhalten.
zu wenig unterstützt durch Entlastung,       le gearbeitet. Wir hatten z.B. ein Di-
Fortbildung oder zusätzliche Lehrkräfte.     agnostikteam. Dieses Team hat die            Danke für das Gespräch!
Wir haben einen starken Lehrkräfte-          Schuleingangsdiagnostik und in Klassen       Die Fragen stellte Dr. Paul Schwarz
mangel, der durch Corona
auch nicht besser gewor-
den ist, das müssen wir
professionell ausgleichen.
Außerdem werden wir un-
terschiedliche Leistungs-
niveaus haben, wenn die
Schülerinnen und Schüler
nach den Schulferien wie-
der in die Klassen zurück-
kommen. Und wir müssen
vor allem an die Kinder und
Jugendliche denken, die
im Homeschooling nicht
erreicht wurden und nach
Corona Förderung und
individuelle Unterstützung
benötigen. Hier spielt gute
Diagnose eine zentrale
Rolle.
Hierzu wird mir häufig zu-
rückgemeldet, die Schulen
hätten auch nicht die Mög-
lichkeiten, aus verschiede-
nen Verfahren auswählen
                                             Baustelle digitales Lernen in Deutschland.    Symbolfoto: iStock/Manuel Tauber-Romieri

Gemeinsame Pressemitteilung von Landeselternbeirat
und allen Bildungsgewerkschaften in Rheinland-Pfalz
Sowohl der Landeselternbeirat als auch       und eine sofortige Bereitstellung zusätz-    mehr mangels digitaler Erreichbarkeit
alle Bildungsgewerkschaften in Rheinland-    licher Finanzmittel zur Verhinderung bzw.    (Endgeräte, Leitungskapazitäten) abge-
Pfalz fordern gemeinsam von der Landes-      Verringerung weiterer negativer Folgen       hängt wird.
regierung:                                   durch die Corona-Pandemie für unsere         Es ist insbesondere jeweils die Zustän-
- eine Einstellungsoffensive „Lehrkräf-      Schülerinnen und Schüler in Rheinland-       digkeitsfrage zu klären, um sofort hand-
teversorgung Corona“, deutlich kleinere      Pfalz.                                       lungsfähig zu sein. Allen Lehrkräften sind
Klassen sowie die Weiterentwicklung und      Dazu ist eine schnelle, coronabedingte       digitale Arbeitsgeräte und datenschutz-
Installation multiprofessioneller Teams in   Einstellungsoffensive dringend erfor-        konforme Kommunikationsmittel zur
allen Schularten,                            derlich, die es unseren Schulen auch bei     Verfügung zu stellen.
- eine schnellere Umsetzung der Digita-      Fortbestehen der Pandemie ermöglicht,        Des Weiteren fordern wir, dass allen Schü-
lisierung,                                   ihren Bildungsauftrag zu 100% zu erfüllen    lerinnen und Schülern nach den Sommer-
- die Umsetzung aller erforderlichen         und deutlich kleinere Klassen zu bilden.     ferien die Förderung zuteilwerden kann,
Maßnahmen zur Verbesserung der Si-           Wir erwarten außerdem, dass hinsichtlich     die sie benötigen. Dazu bedarf es unter
tuation von Schülerinnen und Schülern        der derzeitigen Digitalisierungsprobleme     anderem der Einstellung von multiprofes-
mit besonderen Förderbedürfnissen und        die Kommunen in die Lage versetzt wer-       sionellen Teams in allen Schularten.
Begabungen.                                  den, alles zu unternehmen, um den Start                                             pm
Wir erwarten von der Landesregierung         des neuen Schuljahres so zu unterstützen,
und dem Landtag solidarisches Handeln        dass keine Schülerin und kein Schüler

GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 09 / 2020                                                                                             7
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Coronakrise

Checkliste:                 Corona-Hygienekonzept zum Schutz von Beschäftigten
                            und Kindern/Jugendlichen in Schulen
    Merkmal                 Maßnahmen der Schule                                                         Merkmal erfüllt verantwortlich
    Organisation                                                                                          ja     nein
    Corona-Krisenteam       In der Schule ist ein Corona-Krisenteam zur einrichtungsspezifischen                         Schulleitung
                            Anpassung und Umsetzung der Maßnahmen gebildet.                                              (Personalrat)
    Hygieneplan             Auf der Grundlage des Infektionsgesetzes ist ein aktueller Hygieneplan                       Schulleitung (Personal-
                            erstellt unter Beachtung des Hygieneplans des Bildungsministeriums.                          rat, Schulträger)
    Unterweisung            Alle Beschäftigten werden über die Risiken, Übertragungswege, Symptome                       Schulleitung,
                            der Erkrankung, über die hygienischen Maßnahmen und deren korrekte                           Krisenteam, Lehrkräfte
                            Umsetzung unterwiesen.
                            Alle Schüler*innen werden zu den hygienischen Maßnahmen unterwiesen.
                            Dazu werden auch Piktogramme, Plakate und ggf. Videos verwendet.
    Planung des Einsatzes   Es wird ermittelt, wie viele Schüler*innen maximal aufgenommen werden                        Schulleitung
    der Lehrkräfte sowie    können, um die konkreten Hygienestandards noch umsetzen zu können.                           (Personalrat)
    der maximalen Anzahl    Es wird ermittelt, wie viele Lehrkräfte anwesend sein müssen, um die
    von Schüler*innen       Schüler*innenanzahl unterrichten zu können.
                            Lehrkräfte sowie Pädagogische Fachkräfte, die nach ärztlichem Attest
                            eine Corona-19-relevante Vor-/Erkrankung haben, werden nicht zum
                            Präsenzunterricht eingesetzt. Sie unterstützen das häusliche Lernen der
                            Schüler*innen aus dem sog. Homeoffice.
                            Es wird ermittelt, wie viele Schüler*innen aufgenommen werden, damit
                            die Hygienestandards eingehalten werden können.
                            Jeder Klasse/Lerngruppe wird ein festes Lehrkräfteteam zugeordnet.
                            Das sog. Homeschooling von Lehrkräften, die von zu Hause arbeiten, und
                            für die betroffenen Schüler*innen wird organisiert.
    Raumkonzept             Jede Klasse/Lerngruppe erhält einen eigenen Raum und wechselt ihn nicht.                     Schulleitung, Schulträger
                            Die Räume werden so gestaltet, dass der Mindestabstand von 1,5 m einge-
                            halten werden kann. Die maximale Gruppengröße richtet sich daran aus.
                            Verkehrswege innerhalb der Räume, der Flure und an den Ein- und Ausgän-
                            gen sind eindeutig gekennzeichnet, damit der Mindestabstand eingehalten
                            werden kann. Möglichst Einbahnregelungen treffen.
    Aufgabenübertragung     Es ist festgelegt, wer wo welche Maßnahmen kontrolliert.                                     Schulleitung, Krisenteam
    Ersthelfer*innen        Es ist sichergestellt, dass zu jeder Zeit genügend ausgebildete                              Schulleitung, Krisenteam
                            Ersthelfer*innen verfügbar sind.
    Schulfremde Personen Der Aufenthalt schulfremder Personen auf dem Gelände und im Gebäu-                              Schulleitung, Schulträger
                         de wird auf ein Minimum beschränkt. Sie haben Mund-Nasen-Schutz zu
                         tragen.
    Material                Es wird regelmäßig kontrolliert, ob ausreichend Hygienematerial (Seife,                      Schulträger, Schulleitung
                            Papierhandtücher, Toilettenpapier) vorhanden ist und es wird vorsorgend
                            ein Vorrat angelegt.
                            Den Beschäftigten steht ausreichend Schutzmaterial (Mund-Nasen-Schutz,
                            Desinfektionsmittel, Handschuhe etc.) gemäß der Gefährdungsbeurteilung
                            zur Verfügung. Vorsorgend wird ein Vorrat angelegt.
                            Für die Schüler*innen ist ausreichend Mund-Nasen-Schutz vorhanden,
                            vorsorgend wird ein Vorrat angelegt.
    Verhaltensregeln und persönliche Hygiene
    Hygieneregeln           Gründliches und regelmäßiges Waschen der gesamten Hand einschließlich                        Schulleitung,
                            Fingerzwischenräume und Handrücken mit Seife einschäumen, ca. 20 Se-                         Schulträger, Lehrkräfte
                            kunden: vor Unterrichtsbeginn, vor dem Essen, nach der Pause, nach dem
                            Toilettenbesuch, nach Kontakt mit schmutzigem ggf. kontaminierten Ma-
                            terialien (z. B. Treppengeländer, Türgriffe), nach dem Niesen oder Husten.
                            Hände aus dem Gesicht fernhalten.
                            Husten, Niesen in ein Papiertaschentuch oder in die Armbeuge. Papier-
                            taschentücher werden sofort entsorgt in einen Mülleimer mit Deckel.

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Coronakrise

Abstand halten         Gruppenbildungen werden verhindert.                                         Schulleitung, Lehrkräfte
                       Das Abstandsgebot von 1,5 m wird eingehalten.
Tragen von Mund-Na- Kann der Mindestabstand nicht eingehalten werden, wird der Mund-               Schulträger, Schulleitung
sen-Schutz          Nasen-Schutz getragen.
                       Mund-Nasen-Schutz wird für die Beschäftigten und auch für Schüler*innen
                       zur Verfügung gestellt.
Raumhygiene
Mobiliar               Lern-, Spielmaterial, Kleinmöbel bleiben in den jeweiligen Räumen und       Schulträger
                       werden täglich gereinigt.
Lüften                 Die Räume werden auch während des Unterrichts mehrfach stoß- und            Lehrkräfte
                       querbelüftet.
Reinigung              Die Räume und Kontaktflächen werden täglich gemäß des Reinigungs-           Schulträger
                       konzepts gereinigt.
Hygiene im Sanitärbereich
Sanitärräume, Anzahl, Die Sanitärräume sind in ausreichender Anzahl mit Seifenspendern, Pa-        Schulträger
Zustand, Reinigung    pierhandtüchern und Abfallbehältern ausgestattet.
                       Bei der Nutzung ist die Anzahl so festgelegt, dass die Abstandsregel ein-
                       gehalten wird.
                       Die Reinigung erfolgt (zweimal) täglich nach dem Reinigungskonzept.
Meldesystem            Es wird täglich kontrolliert und Material umgehend aufgefüllt.              Schulleitung, Lehrkräfte
                       Es wird sichergestellt, dass Schüler*innen verantwortungsbewusst mit
                       dem Material umgehen und zu Neige gehendes Material umgehend der
                       Schulleitung melden.
Musikunterricht        Das Singen in geschlossenen Räumen wird vermieden.                          Schulleitung, Lehrkräfte
                       Chorproben werden vermieden.
Sportunterricht        Abstandsregeln und Hygieneregeln werden eingehalten.                        Schulleitung, Lehrkräfte
                       Möglichst häufig das Außengelände nutzen.
Tagesablauf
Bringen, Abholen       Abstandsregeln werden eingehalten.                                          Schulleitung, Krisenteam
                       Bezugsperson betritt das Schulgelände nicht.
Schulweg               Bei Bus- oder Bahnnutzung Mund-Nasen-Schutz tragen.
                       Im Wartebereich wird die Abstandsregel eingehalten.
Unterricht             Lernmittel werden personenbezogen verwendet und nicht untereinander         Lehrkräfte
                       ausgetauscht.
                       Wenn möglich im Außengelände durchführen.
                       Unterrichtsmethode beachtet die Abstandsregel.
Pause                  Zeitversetzt und in festgelegten Bereichen.                                 Schulleitung
Ausflüge               Kleinere fußläufige Ausflüge möglich.                                       Schulleitung, Lehrkräfte
                       Größere Ausflüge mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfallen.
Veranstaltungen        Nur in dem Umfang möglich wie die Mindestabstandsregel von 1,5 m es         Schulleitung
                       erlaubt.
Besprechungen          Wo immer möglich ersetzen durch Video- oder Telefonkonferenzen.
Erkennbare Krankheitssymptome
Schüler*innen,         Melde-, Handlungs- Kommunikationskette sind mit dem Gesundheitsamt          Schulleitung, Lehrkräfte,
Beschäftigte           abgesprochen und mehrfach erprobt.                                          Schulträger, Eltern- und
                                                                                                   Schülervertretung
                       Soweit Krankheitssymptomen erkannt sind, Melde- und Handlungskette
                       unverzüglich in Gang setzen.
                       Nach Testung Quarantäneanweisungen einhalten.
                       Neue Erkenntnisse und empfohlene Maßnahmen, die vom Gesundheits-
                       amt oder übergeordneter Behörde kommen, werden umgehend zur
                       Kenntnis genommen und umgesetzt.
                       Kommunikativer Kontakt zu Schüler*innen oder Beschäftigten zu Hause
                       wird gepflegt.
                                                                                                                         d.r.

GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 09 / 2020                                                                                      9
Zeitung Rheinland-Pfalz - Deutlich mehr Belastung für Eltern durch Homeschooling - Universität Koblenz Landau
Coronakrise

Cornelia Dold & Janika Schiffel im Gespräch mit Hans Berkessel
„Wünsche mir eine Schule, in der das gemeinsame Lernen und
Arbeiten in gegenseitigem Respekt im Mittelpunkt steht“
Der studierte Germanist, Historiker,      Schüler*innen nicht erreicht wurden.          In den letzten Monaten wurde viel über
Politikwissenschaftler und Publizist      Es muss durch die Bereitstellung von          die schrittweise Öffnung der Schulen so-
Hans Berkessel war bis 2015 Lehrer        technischer Ausstattung (Tablets usw.)        wie die Ausgestaltung des Unterrichts im
und Regionaler Fachberater Geschich-      und durch besondere (Präsenz-) Be-            digitalen Raum diskutiert, auch der Weg
te Rheinhessen. Seit 2018 ist er Vor-     treuung von bildungsbenachteiligten           nach den Sommerferien ist noch unklar.
sitzender der von ihm mitgegründe-        Schüler*innen sichergestellt werden,          Inwiefern werden die Meinungen und
ten Stiftung „Haus des Erinnerns – für    dass die soziale Schere nicht noch weiter     Bedürfnisse der Schüler*innen bei die-
Demokratie und Akzeptanz Mainz“.          auseinander geht.                             sen Themenkomplexen berücksichtigt?
Mit ihm sprachen Cornelia Dold und                                                      Hierzu habe ich nur punktuelle Erkennt-
Janika Schiffel über die Herausfor-       • Lehr- und Lernformen: Nach den              nisse und keine empirisch belegten
derungen, Chancen und Risiken der         bisherigen Erfahrungen besteht die            Rückmeldungen; aber ganz sicher ist in
Corona-Pandemie für unser Bildungs-       Gefahr eines Rückfalls in überwiegend         Krisenzeiten die Neigung, „top down“ zu
system.                                   frontal gesteuerte Lernformen, alle in-       reagieren, d. h. die Maßnahmen durch
Sie haben selbst jahrelang als Ge-        teraktiven, kommunikativen, kleingrup-        die jeweilige Schulleitung vorzugeben,
schichtslehrer sowie als regionaler       pen- oder projektorientierten Formate         eher ausgeprägt. An einigen Schulen
Fachberater Geschichte gearbeitet und     oder auch an das Verlassen der Schulen        haben sich „Corona-Ausschüsse“ ge-
im Zuge dessen viele Entwicklungen im     gebundene Nutzung außerschulischer            bildet, die die jeweiligen Schritte zur
Schulbereich vorangetrieben. Nun ist      Lernorte drohen verloren zu gehen. Da-        Umsetzung des digitalisierten Unter-
durch die Einschränkungen aufgrund der    her ist dringend notwendig, den Schulen       richts und zur (Teil-)Öffnung der Schulen
Corona-Pandemie das Bildungssystem        und Kollegien unverzüglich qualifizierte      diskutiert haben, aber wohl nur in we-
vor besondere Herausforderungen ge-       Fortbildungsangebote zu machen, die           nigen Schulen waren Schüler*innen, im
stellt. Welche Herausforderungen sind     sie in die Lage versetzen, digitalbasierte,   eigentlichen Sinn die SV, daran beteiligt.
in Ihren Augen die größten?               interaktive Lernformen zu entwickeln          Das widerspricht natürlich den erwei-
Ich sehe nicht nur als Fachlehrer für     und einzusetzen.                              terten Beteiligungsmöglichkeiten für
Geschichte, Deutsch und Sozialkunde in                                                  Schüler*innen, wie sie Bildungsminis-
der Sekundarstufe I und II, sondern vor   Durch die Corona-Pandemie waren und           terin Dr. Stefanie Hubig bereits in ihrer
allem als Pädagoge, der die Schulreform   sind die Schulen gezwungen, vermehrt          Regierungserklärung im vergangenen
mitgestaltet hat, Probleme gleich auf     auf digitale Angebote zu setzen. In-          Jahr angekündigt hat und wie sie jetzt
mehreren Ebenen:                          wiefern könnte die Corona-Pandemie            auf Beschluss der Landtagsmehrheit
                                          eine Chance sein, die Digitalisierung im      ins neue Schulgesetzt aufgenommen
• Recht auf Bildung – Bildungsabschlüs-   Bildungsbereich weiter voranzubringen?        wurden. Es wird sicher schwer werden,
se: Durch die Voll- oder Teilschließung   Durch den Druck, den Unterricht in            unter den gegenwärtigen Bedingungen
von Schulen, den Wechsel von Präsenz-     wesentlichen Teilen digital anzubieten,       auch dieses Thema wieder auf die Agen-
unterricht und Homeschooling, konnten     mussten sich alle an Schule Beteiligten       da zu setzen – umso wichtiger ist es.
wesentliche Lerninhalte der einzelnen     „ehrlich“ machen und die Defizite im
Fächer nicht vergleichbar vermittelt      Blick auf technische Ausstattung wie          Gerade in Krisenzeiten wird immer wie-
werden. Da das auch im kommenden          auf didaktisch-methodisch gelungenen          der deutlich, wie wichtig eine historische
Schuljahr mutmaßlich nicht sicherge-      Umgang damit zur Kenntnis nehmen.             und erinnerungskulturelle Bildung ist.
stellt werden kann, muss u. a. darauf     Sicher gibt es im Land schon sehr gute        Wie kann und muss Schule und insbeson-
seitens der Bildungsverwaltung durch      Programme wie z. B. „Medienkompe-             dere der Geschichtsunterricht zukünftig
Reduzierung der Lehr- und Bildungsplä-    tenz macht Schule“, an denen aber im-         aussehen, um bei Schüler*innen ein
ne und durch die Einstellung zusätzli-    mer nur wenige Schulen, Lehrer*innen          Geschichtsbewusstein zu entwickeln?
cher Lehrkräfte zur Betreuung kleinerer   und Schüler*innen beteiligt sind. Hier        Der Geschichtsunterricht hat sich in
Lerngruppen reagiert werden, damit        müssen wir in die „Breite“ kommen, d.         den letzten dreißig Jahren – wie auch
ALLE Schüler*innen ihren angestrebten     h. an allen Schulen im Land muss eine         die Geschichtswissenschaft – grund-
Bildungsabschluss erreichen können.       entsprechende technische Ausstattung          legend geändert: Von der Vermittlung
• Bildungsgerechtigkeit: Die bisherigen   und deren personelle Betreuung (bisher        von Zahlenkanons und der „Haupt- und
Erfahrungen mit digitalisierten Lernan-   meist nur wenige Abordnungsstunden            Staatsaktionen“ großer Männer ist
geboten haben gezeigt, dass insbeson-     von Lehrer*innen) bis hin zur flächende-      eine zunehmend sozial- und struktur-
dere an den Grundschulen und an den       ckenden Fortbildung der Lehrkräfte und        geschichtliche Ausrichtung in Richtung
Sekundarschulen, die eine besonders       Trainings für Schüler*innen ermöglicht        einer Gesellschaftsgeschichte (Wehler
heterogene Schülerschaft haben, viele     werden.                                       u. a.) und z. B. einer Alltagsgeschichte

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Coronakrise

zu erkennen, die auch an regionaler          sieht für Sie die Schule der Zukunft aus?   Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz. Seit
Geschichte und an den Biografien ganz        Ich wünsche mir eine Schule der Zu-         2016 ist er freier Mitarbeiter am Institut
normaler Menschen, insbesondere der-         kunft,                                      für Geschichtliche Landeskunde (IGL) an
jenigen, die zum Opfer geworden sind,        • in der das gemeinsame Lernen und          der Universität Mainz und seit 2018 Vor-
orientiert ist. Von zentraler Bedeutung      Arbeiten in gegenseitigem Respekt im        sitzender der Stiftung „Haus des Erinnerns
erscheint mir, dass sich eine inzwischen     Mittelpunkt steht und das (Be-)Lehren       – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“.
wieder stärker zu vernehmende For-           in einem hierarchischen System noch         Als Herausgeber und Autor hat er zahlrei-
derung nach einem Schlussstrich der          mehr zurückgenommen wird;                   che Aufsätze und didaktische Beiträge zur
Erinnerung an die schlimmen Phasen           • in der das Mitwirken und Mitverant-       Kultur-, Sozial- und Zeitgeschichte, zur po-
der deutschen Geschichte nicht durch-        worten von Anfang an zum Prinzip für        litischen Bildung und zur Schulentwicklung
setzt, sondern dass in der öffentlichen      die Schulorganisation, die Gestaltung       (Demokratiepädagogik) publiziert und
Diskussion, aber eben auch im Unter-         des Schullebens, aber auch für Unter-       ist Mitherausgeber, Autor und Redakteur
richt, an dieser mühsam erworbenen           richt/Lernprozesse bis hin zur Bewer-       der IGL-Reihen Beiträge zur Geschichte
Erinnerungskultur festgehalten und           tung/Beurteilung (Feedback-Kultur) zur      der Juden in Rheinland-Pfalz und Main-
dass sie offensiv verteidigt wird. Aber zu   Leitlinie wird;                             zer Beiträge zur Demokratiegeschich-
einer angemessenen Erinnerungskultur         • in der die drei schulischen Gruppen       te, der Mainzer Geschichtsblätter und
gehört eben auch, dass wir uns stärker       (Schüler*innen, Lehrer*innen und El-        des Jahrbuchs für Demokratiepädagogik.
der positiven Ereignisse und Erinne-         tern) vertrauensvoll „auf Augenhöhe“        2016 wurde er für sein Engagement in
rungsorte einer deutschen Demokratie-        zusammenarbeiten und dabei neue ba-         der historisch-politischen Bildung und
geschichte, wie etwa in Rheinland-Pfalz      sisdemokratische Formen der Partizipa-      Demokratiepädagogik mit dem Bundes-
der Mainzer Republik und des Ham-            tion, wie z. B. der „Klassenrat“ auf- und   verdienstkreuz ausgezeichnet.
bacher Festes und Schlosses bewusst          ausgebaut werden und zugleich neue
werden und diese angemessen pflegen          Formen wie das paritätisch besetzte
und vor allem zielgruppengerecht an          „Schulparlament“ modellhaft entwickelt
jüngere Menschen vermitteln.                 und erprobt werden.

Im Bereich der historisch-politischen Bil-   Zur Person
dung sowie der Demokratiepädagogik           Hans Berkessel war über 20 Jahre Lehrer
sind Sie seit langen Jahren sehr aktiv       und Fachberater Geschichte Rheinhessen.
und stehen auch für große Visionen. Wie      13 Jahre lang leitete er ehrenamtlich den

GEW: Erhöhung der Regelstudienzeit um ein Semester!
Während umliegende Bundesländer              Damit hätten BAföG-berechtigte Studie-      zusätzliches Lehrpersonal und Tutoren zur
wie Baden-Württemberg, Hessen und            rende Anrecht auf Verlängerung ihrer        Verfügung zu stellen.“
Nordrhein-Westfalen bereits beschlos-        Ausbildungsförderung und die nach den                                             pm
sen haben, die individualisierte Regel-      Prüfungsordnungen einzuhaltenden Fris-
studienzeit für die im Sommersemester        ten würden automatisch um ein Semester
2020 eingeschriebenen Studierenden           verlängert.
zu erhöhen, wartet Rheinland-Pfalz           „Das Sommersemester 2020 darf nicht
noch immer ab – zum Stand Juli 2020.         auf die Fachstudienzeit angerechnet
                                             werden“, so Hammer. „Wir erwarten von
                                             der Landesregierung auch, dass sie alles
                                             unternimmt, um den Erstsemestern im
                                             kommenden Wintersemester zu einem
                                             erfolgreichen Studienstart zu verhelfen.
                                             Die Erstsemester dürfen nicht zu einem
                                             verlorenen Jahrgang werden.“ Anstelle
                                             von Vorlesungen mit großen Teilnehmen-
                                             denzahlen müssten Präsenzveranstal-
© www.pixabay.de                             tungen in kleineren Gruppen stattfinden
„Wir fordern die Landesregierung auf“,       sowie entsprechend geeignete digitale
so Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der      Lehrangebote angeboten werden. Beides
GEW Rheinland-Pfalz, „die Erhöhung der       erfordere u. a. auch mehr Personal.
Regestudienzeit auch für die rheinland-      „Wir fordern die Landesregierung auf“, so
pfälzischen Studierenden umzusetzen.“        Hammer abschließend, „mehr Mittel für       Klaus-Peter Hammer

GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 09 / 2020                                                                                             11
Coronakrise

Digitalisierung statt Menschenbildung?                                                     zu bieten. Durch die Online-Lehre wird
                                                                                           dieser egalitäre Ansatz – manifest in der
Eine Weichenstellung für die Zukunft                                                       Campus-Architektur der Siebziger Jahre
                                                                                           (Trier, Kaiserslautern) – jedoch aufge-
Dr. Matthias Fechner                                                                       löst. Die eine lernt jetzt ausschließlich
                                                                                           im WG-Hinterzimmer, der andere in der
Im März 2020 rutschte das deutsche           der reinen Informationsvermittlung –          Hausbibliothek, davor den Garten mit
Bildungswesen in eine historisch ein-        doch erst durch weitere Facetten an           Swimming-Pool. Und auch das Pendeln
zigartige Krise. Aus Furcht vor dem          Kontur. Man muss nicht Walter Benjamins       entfällt: Wer keine eigenen Transport-
hochinfektiösen Covid-19 Virus wurden        Aura-Begriff bemühen, um die Frage nach       mittel nutzte, war auf das zufällige und
bundesweit auf Landesebene Verord-           der Zukunft der Lehre im Zeitalter ihrer      durchaus demokratische Teilen fester
nungen verabschiedet, die auch eine          technischen Reproduzierbarkeit zu stel-       Wege in Bus und Bahn angewiesen. Durch
fast umgehende Schließung sämtlicher         len. Wo bleibt die Wirksamkeit mensch-        die Online-Lehre kann man sich dagegen
Bildungsreinrichtungen zur Folge hat-        licher Elemente, wenn die Lehrkunst           in die eigene Welt verpuppen und ab und
ten. In Rheinland-Pfalz schlossen die        plötzlich auf zwei Dimensionen und die        zu ein wenig Wissen saugen.
Schulen am Montag, 16. März 2020.1           Größe eines Monitors schrumpft? Geben         Im schulischen Bereich wurden die
Die Universitäten und Hochschulen            die Gesichter auf den Zoom-Kacheln über-      Lehrer*innen anfangs noch gelobt. Ob-
befanden sich in den Semesterferien,         haupt den Menschen dahinter frei? Und         wohl das Debakel der Distanzlehre schon
sodass der Eingriff weniger abrupte          was bedeutet es für die Lehre, aber auch      früh abzusehen war, nicht nur wegen der
Wirkungen zeitigte. Doch die men-            für eine Gesellschaft, wenn austauschbare     zu knappen Personaldecke, auch aufgrund
schenleeren Schulen und Hochschulen          Gesichter – nach Roland Barthes „Spec-        einer kaum ausreichenden IT-Infrastruktur
bildeten ein Szenario, das in dysto-         tres“: Abbildungen von Menschen, deren        und einem scheinbaren „Mangel an tech-
pische Science-Fiction-Filme gepasst         kohärentes Ich nicht erkannt werden           nischen Fähigkeiten der Lehrkräfte“.4 Viele
hätte und nicht einmal in den Krisen-        kann3 – mit digital verfremdeten Stimmen      jüngere Schüler*innen, aber auch ältere
szenarien des Bundestages vorgesehen         sprechen? Die Reproduzierbarkeit von          aus finanziell benachteiligten Elternhäu-
war.2 Vergleichbar dramatische Reakti-       Lehrveranstaltungen wirft weitere Fragen      sern und sogar Lehrer*innen verfügten
onen in vielen anderen Ländern unter-        auf. Was geschieht, wenn die persönliche      (und verfügen) zudem über kein adäqua-
strichen dabei die scheinbar weltweite       Begegnung seltener wird? Wird ihr dann        tes Endgerät. Engagierte Lehrer*innen
Alternativlosigkeit der Lage.                ein höherer Wert beigemessen? Führte          stellten deshalb die Aufgabenblätter
                                             dies langfristig zu unterschiedlichen Klas-   persönlich in die Briefkästen zu, holten
Digitale Medien boten in dieser Situation    sen von Lehre? Platinum: persönlicher         sie auch wieder ab, bei hohem zeitlichem
eine schnelle Lösung akuter Probleme         Professorenkontakt. Business: flexible        Zusatzaufwand. Doch selbst mit funktio-
in der Lehre, auch in Rheinland-Pfalz.       Betreuung und Hologrammvorlesung.             nierender digitaler Kommunikation konn-
Wenigstens theoretisch war die Technik       Standard: Download von Lehrmaterial           ten vor allem jene Schüler*innen nicht
vorhanden, die Lehre von Klassenzimmer       und Vorlesungsvideos. Oder verliert der       erreicht werden, die bereits während des
und Hörsaal in die häusliche Umgebung        persönliche Kontakt an Wert, weil ein         Präsenzunterrichts in besonderem Maße
der Studierenden und Schüler*innen           Studium ohnehin abgearbeitet wird, als        motiviert werden mussten. Natürlich gab
verlegen zu können. Der digitale Campus      zertifizierter Schritt zu einer materiell     es auch Lehrer*innen, die in dieser Situa-
Rheinland-Pfalz arbeite bereits mit einer    komfortablen Existenz? Und was bedeu-         tion einfach auf Sendepause schalteten.
entsprechenden Infrastruktur. Und auch       tete dies für die Gestaltung der Arbeits-     Noch befremdlicher aber waren die popu-
die Berichte in den Medien waren anfangs     verhältnisse an Hochschulen? Wächst           listischen, eindimensionalen Reaktionen
noch positiv unterlegt.                      dann die Zahl der prekär Lehrenden, die       in vielen Medien. Solche Lehrer*innen
Doch bereits nach kurzer Zeit zeigte sich,   in Telearbeit bei der Informationsvermitt-    seien „stinkfaul“ und „Exoten im Übungs-
dass die Praxis von den theoretischen        lung assistieren? Unter einer kleinen Zahl    blattzeitalter“, konstatierte beispielsweise
Möglichkeiten abwich, teilweise erheb-       von Forschenden, deren quantifizierbarer      „Hart aber fair“-Moderator Frank Plas-
lich. Die Hochschulen schienen durch         Output über Vertragsverlängerung und          berg. Und das generelle Problem ließe
den geringeren pädagogischen Anteil          Gehalt entscheidet? (Wie dies weltweit        sich durch ein Mehr an Digitalisierung und
der Lehrenden und der größeren Selbst-       bereits in vielen Ländern gängige Praxis      qualifiziertem Personal lösen.
ständigkeit der Studierenden zwar noch       ist.) Gleichzeitig schwinden die fachlichen   Mit dieser Kritik ignorierte man jedoch
einigermaßen akzeptabel zu arbeiten.         Anregungen, die besonders Forschende          nicht nur die oben angeführten grund-
Beklagt wurde dennoch, dass die kommu-       geistes- und sozialwissenschaftlicher         sätzlichen Fragen der Online-Lehre, son-
nikative Interaktion in der Online-Lehre     Fächer im kreativen Seminardiskurs er-        dern simpelste pädagogische Prämissen.
beeinträchtigt wäre. Viele Studierende       fuhren.                                       Denn digitaler Distanzunterricht benötigt
hatten sogar die Videofunktion der Pro-      Kaum behandelt wurde auch die Frage           andere methodische Formen als die Lehre
gramme ausgeschaltet. Verständlich:          des Raumes: des Pendelns und der Lern-        in Klassenzimmer und Hörsaal. Je jünger
Denn es schwankte nicht nur die visuelle     orte. Die Idee einer sozialen Hochschule      die Schüler*innen, je höher ihr individu-
und auditive Qualität der zumeist privaten   löste diese Fragen bislang auf, indem sie     eller Förderbedarf, desto umfassender
Endgeräte. Auch die Lehre selbst schien      wenigstens den Anspruch hatte, allen          kann und muss die pädagogische Unter-
dürftiger zu werden. Gewinnt sie – nach      vor Ort die gleichen Lernbedingungen          stützung ausfallen, die über eine reine

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