A 2 Institutionalisierung der Informations-Marlies Ockenfeld

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Marlies Ockenfeld
A 2 Institutionalisierung der Informations-
    wissenschaft und der IuD-Infrastruktur in
    Deutschland
1 Der Anfang
Die Anfänge der wissenschaftlichen Disziplin, wie wir sie heute verstehen, liegen im
19. Jahrhundert, die Bezeichnung selbst tritt in Deutschland erst nach dem 2. Weltkrieg
auf. Ihre Wurzeln lassen sich in verschiedenen natur-, ingenieur-, sozial- und geisteswis-
senschaftlichen Bereichen verorten, eine entscheidende Rolle spielten jedoch damals
wie heute Chemiker und Physiker – weniger wegen deren fachlichen Methodologie, son-
dern vor allem wegen der großen Herausforderung, die Übersicht über das intensive und
umfangreiche Publikationsgeschehen in diesen Fächern zu behalten. Auch das World
Wide Web wurde 1989 am Forschungszentrum CERN für diesen Zweck entwickelt, und
naturwissenschaftlich-technische Fachgesellschaften sind treibende Kräfte bei der zeit-
gemäßen Modernisierung der Wissenschaftskommunikation, Informationsaufbereitung
und Informationsvermittlung.

1.1 Informationswissenschaft in der Chemie

In der Chemie mit ihrer forschungsintensiven Industrie wurden früh die Notwendigkeit
und die Bedeutung der tiefen fachlichen Erschließung von Dokumenten sowie die Reprä-
sentation von chemischem Wissen erkannt. An ihr lässt sich exemplarisch zeigen, wie
aus einer Fachwissenschaft heraus Impulse für die spätere Informationswissenschaft
entstanden.
     Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, zunächst als Handbuch der theoreti-
schen Chemie von Leopold Gmelin (1788–1853) herausgebracht, hatte zum Ziel, alle wich-
tigen Daten chemischer Substanzen zu sammeln, kritisch zu sichten und in strukturierter
Form zu veröffentlichen. Die 1. Auflage erschien 1817. Wegen der wachsenden Daten-
menge wurde die organische Chemie ab 1881 im von Friedrich Konrad Beilstein heraus-
gegebenen Handbuch der organischen Chemie behandelt. 1830 war das Chemische Zen-
tralblatt als erste Referatezeitschrift der Chemie publiziert worden.
     Chemiker aus Industrie und akademischer Forschung gründeten 1919 die Internatio-
nal Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), weil sie mit einer verbindlich festge-
legten internationalen Nomenklatur den Wissensaustausch und die wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit sowie den Handel erleichtern wollten. Die International Association of
Chemical Societies (IACS) hatte bereits 1911 in Paris ein Arbeitsprogramm für die IUPAC
formuliert. Es umfasste neben der Erarbeitung einer Nomenklatur u. a. auch die Einset-
zung einer Kommission zur Qualitätskontrolle von Veröffentlichungen, Anforderungen
an Publikationen und Maßnahmen, die Mehrfachpublikationen ein und desselben Ar-
beitsergebnisses verhindern sollten. Zuvor hatte Kekulé 1860 eine Reihe von internatio-
nalen Begegnungen initiiert, die 1892 zur Genfer Nomenklatur als Vorläuferin einer inter-

Trotz großer Sorgfalt bei der Erstellung unserer Bücher lassen sich Fehler leider manchmal nicht vermeiden. Wir ent-
schuldigen uns für die fehlerhafte Nummerierung der auf Seite 36 aufgeführten Fachinformationsbereiche. Die Zäh-
lung sollte nicht mit 5, sondern natürlich mit 1 beginnen und mit 16 enden. Der Fehler wurde inzwischen korrigiert.
  Open Access. © 2023 Marlies Ockenfeld, publiziert von De Gruyter.                Dieses Werk ist lizenziert unter der
Creative Commons Attribution 4.0 International Lizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110769043-002
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national verbindlichen Terminologie in der Chemie geführt hatten. Eine solche allgemein
akzeptierte Fachsprache gilt als fundamentaler Bestandteil jeder Wissenschaft.
     Die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung führte zu einer frühen Blüte
dokumentarischer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. 1967 gründen die großen
deutschen Chemiekonzerne die Internationale Dokumentationsgesellschaft für Chemie
(IDC) mit Sitz in Frankfurt am Main, um die Entwicklung fortschrittlicher maschineller
Dokumentations- und Retrievalverfahren gemeinsam voranzutreiben. Unter der Leitung
von Robert Fugmann (Hoechst AG) entsteht GREMAS (Genealogical Retrieval of Magnetic
tape Storage), ein Retrieval-System auf Basis eines klassifikatorischen Fragmentcodes für
Verbindungen, sowie TOSAR (TOpological representation of Synthetic and Analytical sys-
tem Relations) zur Abbildung und Recherche der syntaktischen Begriffszusammenhänge
im Dokument. Basis dafür waren Arbeiten von Ernst Meyer (BASF) zur topologischen Co-
dierung chemischer Strukturen. Chemisches Fachwissen, Kenntnis dokumentarischer
Methoden der Inhaltserschließung und die Anwendung der elektronischen Datenverar-
beitung mussten dafür unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und
den Informationsbedürfnissen der in Industrie und akademischer Forschung Tätigen
gleichrangig zusammenkommen. Aus heutiger Sicht kann daher mit Fug und Recht von
informationswissenschaftlicher Forschung und Entwicklung gesprochen werden.
     Seit dem Sommersemester 1958 hatte Erich Pietsch, Direktor des Gmelin-Instituts,
im Fachbereich Chemie der Frankfurter Universität einen Lehrauftrag zur Dokumentati-
on in der anorganischen Chemie und hielt informationswissenschaftliche Vorlesungen
mit Übungen und Exkursionen. Vom Wintersemester 1975/76 an fasst das Vorlesungs-
verzeichnis die Lehrangebote unter der Überschrift „Informationswissenschaft in der
Chemie“ zusammen. Werner Kunz erhält zu dieser Zeit eine Honorarprofessur Informati-
onswissenschaft in der Chemie. 1972/73 wird eine erste Diplomarbeit zum Informations-
verhalten von Chemikern und Chemiestudenten im Fachbereich durchgeführt (Ocken-
feld 1975); 1976 erfolgt dort die erste Promotion (Rami 1976).

1.2 Die Rolle der DGD

Eine wichtige Rolle zur Etablierung einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit In-
formationsermittlung, -verarbeitung und -vermittlung spielte in den 1950er bis 1980er
Jahren die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD). In dieser Fachgesellschaft
waren Praktiker und Führungskräfte aus allen erdenklichen Anwendungsbereichen der
Dokumentation, aus Forschungseinrichtungen, zentralen Dokumentationseinrichtun-
gen, Behörden, der Industrie und Hochschulen vertreten. In Fachgruppen und Komitees
tauschten sie sich aus und erarbeiteten methodische und theoretische Grundlagen. Bei-
spiele sind ab 1956 der Arbeitsausschuss Terminologie und Sprachfragen, der mit der
Definition von Fachausdrücken die Fachsprache der Information und Dokumentation
entwickelte und prägte, oder das Komitee Thesaurusforschung (ab 1965), später die
Kommission Wirtschaftlichkeit der Information und Dokumentation (ab 1973).
     Da viele der in der Dokumentation Tätigen keine systematisch erworbenen Kennt-
nisse der aktuellen Entwicklungen, Methoden und Grundlagen ihrer Berufspraxis hatten,
machte die DGD Ausbildung und Fortbildung früh zu einem zentralen Anliegen. Bei ih-
rer 5. Jahrestagung 1953 in Goslar stand das Thema Ausbildung im Mittelpunkt. 1955
wurde ein Kuratorium für Nachwuchsbildung gegründet, 1957/58 fand der erste berufs-
begleitende Lehrgang der DGD statt, der mit einer Prüfung abschloss. Im März 1967 grün-
dete die DGD das Lehrinstitut für Dokumentation (LID) in Frankfurt am Main, finanziell
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gefördert vom Institut für Dokumentationswesen (IDW). Für die Lehre wurden neben
hauptamtlichen Kräften erfahrene Mitglieder der DGD eingesetzt. Von 1957 bis 1967 nah-
men 282 Personen an den acht Kursen für Dokumentation mit einem Abschlusszertifikat
teil. Wer ein abgeschlossenes Studium und praktische Erfahrung in der Dokumentation
hatte, konnte in einem berufsbegleitenden postuniversitären Lehrgang zum Wissen-
schaftlichen Dokumentar bzw. zur Wissenschaftlichen Dokumentarin (Wiss. Dok.) wei-
tergebildet werden. Eine Vollzeitausbildung für diplomierte Dokumentarinnen und Do-
kumentare gab es ab 1972, ebenso Kurse für Informationsassistentinnen und -assistenten
sowie Fortbildungskurse. Von 1968 bis Ende 1991 haben insgesamt 1301 Wissenschaftli-
che und diplomierte Dokumentarinnen und Dokumentare sowie Dokumentationsassis-
tent*innen die Ausbildung am LID erfolgreich durchlaufen (Samulowitz, 1993). Das LID
wurde zum Jahresende 1991 aufgelöst.
      Die Diplom-Ausbildung wurde ab Herbst 1985 von der Fachhochschule Darmstadt
übernommen (Gründungsdekan Thomas Seeger). Die berufsbegleitende Weiterbildung
zum staatlich anerkannten Abschluss „Wissenschaftliche/r Dokumentar/in / Informati-
on Specialist“ erfolgte von 1992 bis 2014 am Institut für Information und Dokumentation
(IID) an der Fachhochschule Potsdam und seither am Fachbereich Media der Hochschule
Darmstadt.

1.3 Die Konsequenzen des Sputnik-Schocks für die Professionalisie-
    rung der Informationsarbeit

Einschneidendes Ereignis war im Oktober 1957 der Start des ersten künstlichen Erdsatel-
liten durch die Sowjetunion, der die Verantwortlichen in der westlichen Welt überrasch-
te und zum sog. Sputnik-Schock führte. Recherchen ergaben, dass sämtliche Informatio-
nen über das Projekt in russischen Fachpublikationen veröffentlicht worden waren,
ohne dass man in den USA davon Kenntnis genommen hatte. Das Weiße Haus setzt ei-
nen Beraterstab ein, der Vorschläge für die Verbesserung der Kommunikation zwischen
Wissenschaft und Politik erarbeiten soll. Der 1963 vorgelegte sog. Weinberg-Report „Sci-
ence, Government and Information“ (Weinberg 1964) wird auf Initiative von Erich
Pietsch 1964 in deutscher Übersetzung in der Bundesrepublik mit finanzieller Unterstüt-
zung des IDW bei maßgeblichen Stellen der öffentlichen Hand, der Verwaltung, der In-
dustrie und der Wirtschaft breit gestreut. Die Vorschläge zielen auf eine Aufwertung der
Informationsvermittlung als Chefsache und weisen der Wissenschaft eine Verantwor-
tung für die Aufbereitung ihrer Forschungsergebnisse in qualitativ hochwertigen Veröf-
fentlichungen zu.
     In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde bereits 1937 eine Vorgängerinstituti-
on der heutigen American Society for Information Science & Technology (ASIS&T) ge-
gründet, das American Documentation Institute (ADI), 1968 umbenannt in American So-
ciety for Information Science und Herausgeberin der Annual Review of Information Sci-
ence und Technologie (ARIST), einer Review-Zeitschrift, die von 1966 bis 2011 die
Entwicklung der Informationswissenschaft in der westlichen Welt ausführlich nach-
zeichnete und begleitete. In ihrer von 1950 bis 1969 herausgegebenen Fachzeitschrift
American Documentation erschien 1968 der Artikel „Information Science: What Is It?“
(Borko 1968). Die amerikanische Fachgesellschaft hat 1998, 2002 und 2012 Tagungen zur
Geschichte der Informationswissenschaft durchgeführt, deren Beiträge in Tagungsbän-
den dokumentiert sind (Bowden, Hahn & Williams 1999; Rayward & Bowden 2004; Car-
bo& Bellardo Hahn 2012).
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1.4 Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland

1959 veranstaltete der Arbeitsausschuss Automation der Dokumentation der DGD auf In-
itiative von Erich Pietsch in Frankfurt am Main gemeinsam mit FID, Gemeinschaftsaus-
schuss der Technik (GdT) und dem Gmelin-Institut eine internationale Tagung zum The-
ma „Automatic Documentation in Action (ADIA)“. Auf Empfehlung des Arbeitsausschus-
ses „Dokumentation“ im GdT wurde am 1. Oktober 1961 das von Martin Cremer geleitete
Institut für Dokumentationswesen (IDW) in der Max-Planck-Gesellschaft gegründet. Im
Februar 1962 veröffentlichte der Bundesrechnungshof die Denkschrift Die wissenschaftli-
che Dokumentation in der Bundesrepublik Deutschland. Das IDW wird von Bund und Län-
dern finanziert, seine Aufgabe ist die Förderung von Dokumentationsvorhaben. Dazu
gründete es 1964 die Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZMD), ein von Klaus
Schneider geleitetes Institut, das unter Einsatz der nichtnumerischen elektronischen Da-
tenverarbeitung Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchführen und Informations-
datenbanken aufbauen sollte. Die ZMD entwickelte u. a. das weltweit erste elektronische
System zur (dann sehr zeitnahen) Publikation der Deutschen Nationalbibliographie. Die
ZMD führte ab 1971 unter der Leitung von Gerhard Lustig eine zweijährige postgraduale
Ausbildung mit dem Schwerpunkt Information Retrieval und Indexing durch, an der
u. a. Rainer Kuhlen teilnahm. Gerhard Lustig verantwortete von 1960 bis 1969 im Eura-
tom-Forschungszentrum der Europäischen Gemeinschaften in Ispra Forschungsvorha-
ben auf den Gebieten automatisches Indexieren und maschinelle Sprachübersetzung. Ab
1969 leitete er die Hauptabteilung Forschung und Nachuniversitäre Ausbildung bei der
ZMD.
      1964 wurde im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (BMWF) ein
Grundsatzreferat für Dokumentation eingerichtet. Es war die Zeit, in der in der Bundesre-
publik verschiedene Großforschungseinrichtungen gegründet wurden. Auf der 16. Jah-
restagung der DGD in Bad Dürkheim erklärte der Referatsleiter, Regierungsdirektor Dr.
Heinz Lechmann, die „Dokumentation und Information als Anliegen der Bundesrepublik
Deutschland“ (Lechmann 1964, S. 157). Er forderte, dass die Dokumentation „nicht nur
universitätsmündig gesprochen wird, sondern als selbständiges Universitätsfach selb-
ständig studiert und mit Diplom und Promotion abgeschlossen werden kann“. Zwei Jah-
re später verkündete Lechmann „Leitsätze für eine nationale Dokumentations- und In-
formationspolitik im Bereich der Wissenschaft und Technik“ (Lechmann 1967, S. 16–19).
In den zwanzig „Lechmann-Thesen“ wird neben der Forschungsförderung im Informati-
ons- und Dokumentationsbereich u. a. die berufsbegleitende postuniversitäre wie auch
eine universitäre Ausbildung in Wissenschaftlicher Dokumentation als notwendig erach-
tet.
      Zeitgleich verabschiedete das Bundeskabinett 1967 ein Fünfjahres-Programm für die
staatliche Förderung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbei-
tung und führte darin auch eine Reihe von Dokumentationsprojekten auf. Der Wettbe-
werb zwischen Informationswissenschaft und Informatik begann.
      Die 20. Jahrestagung der DGD behandelte 1968 das Thema „Die Begriffe Dokumen-
tation und Information und der Weg zur Informationswissenschaft, das Wesen der Infor-
mationssysteme“. Werner Kunz und Horst Rittel von der Studiengruppe für System-
forschung in Heidelberg erarbeiteten zu dieser Zeit ein Gutachten im Auftrag des
Forschungsministers, das 1969 vorgelegt und 1972 unter dem Titel Die Informationswis-
senschaften. Ihre Ansätze, Probleme, Methoden und ihr Ausbau in der Bundesrepublik
Deutschland veröffentlicht wurde (Kunz & Rittel 1972).
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      Beim 23. Deutscher Dokumentartag ging es 1971 um Inhaltserschließung und Infor-
mationswiedergewinnung als Formen linguistischer Datenverarbeitung sowie um zwei
Regierungsprogramme: Das Bundesförderungsprogramm des BMBW und das Allgemeine
arbeitsteilige Informationsbankensystem des BMI. Im Wintersemester 1969/70 bot die
Universität Karlsruhe als erste bundesdeutsche Hochschule ein Informatikstudium an,
das mit dem Grad „Diplom-Informatiker“ abschloss.
      Am 17.12.1974 beschloss das Bundeskabinett das „Programm der Bundesregierung
zur Förderung der Information und Dokumentation (IuD-Programm) 1974–1977“ (BMFT,
1975). Es sah u. a. die Gründung einer außeruniversitären Forschungs- und Dienstleis-
tungseinrichtung, die spätere Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID),
vor und plädierte nachdrücklich für die Etablierung der Informationswissenschaft als or-
dentliches Hochschulfach.
      1977 konstituierte sich in der DGD auf Initiative von Werner Kunz die „Sektion Infor-
mationswissenschaft (SIW)“. Ihre vier Arbeitsgruppen waren „Grundlagen der Informati-
onswissenschaft“, „Ausbildung“, „Angewandte Informationswissenschaften“ und „Bi-
bliometrie-Scientometrie“. Die Sektion wurde 1982 aufgelöst. Zwar konnten 1980 zwei in-
formationswissenschaftliche universitäre Lehrstühle in Konstanz (Rainer Kuhlen) und
Saarbrücken (Harald Zimmermann) eingerichtet werden. Weitere gut ausgestattete infor-
mationswissenschaftliche Lehrstühle an anderen Universitäten in Deutschland erschie-
nen aber nicht mehr realisierbar (sehr viel später dann allerdings doch: in Berlin, Düs-
seldorf, Hildesheim und Regensburg sowie an vielen Fachhochschulen/Universities of
Applied Sciences, s. unten 1.2.6). Wegen der Zuständigkeit der Länder im Bildungsbe-
reich konnte das Forschungsministerium lediglich Projekte fördern, dies auch mit zum
Teil großzügiger finanzieller Ausstattung und langen Laufzeiten, nicht aber die Hoch-
schulen und die Länder dazu bewegen, dauerhaft Lehrstühle einzurichten und zu finan-
zieren. Ganz offensichtlich hatte die Informatik den Wettbewerb um die Priorität der po-
litischen Förderung gewonnen. Seitdem war an so gut wie allen Hochschulen Informatik
in Ausbildung und Forschung präsent.
      Nach dem Scheitern der Koalition aus SPD und FDP unter Bundeskanzler Helmut
Schmidt übernahm Heinz Riesenhuber (CDU) für die nächsten knapp zehn Jahre bis Ja-
nuar 1993 das Forschungsministerium. In diese Phase fiel einerseits ein wirtschaftlicher
Abschwung, der die Realisierung der Planungsergebnisse aus finanziellen Gründen be-
schränkte, andererseits aber auch ein Paradigmenwechsel. Statt der staatlichen Verant-
wortung für die Informationsversorgung aller Bürgerinnen und Bürger wurde Informati-
on zum Wirtschaftsgut erklärt, das den an den Ergebnissen der Informatik interessierten
Marktkräften überlassen werden sollte. Heinz Lechmann trat 1985 in den Ruhestand.
      Anlässlich des ersten internationalen Symposiums für Informationswissenschaft an
der Universität Konstanz wurde im Oktober 1990 der Hochschulverband für Informati-
onswissenschaft (HI) gegründet.

1.5 Entwicklung in der DDR

In der DDR etablierte sich in den 1950er und 1960er Jahren die „Informatik/Informations-
und Dokumentationswissenschaft“. Das in der Bundesrepublik als Informatik bezeichne-
te Fach hieß in der DDR Maschinelle Rechentechnik bzw. Informationsverarbeitung. „In-
formationswissenschaft“ ist bei Koblitz (1979, 41) ähnlich wie die Naturwissenschaft die
Bezeichnung einer Klasse von Disziplinen, zu der Archivwissenschaft, Bibliothekswis-
senschaft und auch die Informations- und Dokumentationswissenschaft gehören.
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    Für Informationsfachkräfte gab es in der DDR drei Studienrichtungen: der postgra-
duale Studiengang Informations- und Dokumentationswissenschaft mit dem Abschluss
Fachinformator, Information und Dokumentation mit dem Abschuss Informator sowie
Wissenschaftlich-technische Information mit dem Abschluss Informationsingenieur.
    Bedeutende Einrichtungen waren das 1963 gegründete Zentralinstitut für Informati-
on und Dokumentation der DDR (ZIID), das 1980 etablierte Wissenschaftlich-Methodi-
sche Zentrum der gesellschaftswissenschaftlichen Information und Dokumentation, ver-
schiedene Institute der Ost-Berliner Humboldt-Universität und das Institut für Informati-
onswissenschaft, Erfindungswesen und Recht (INER) an der Technischen Hochschule in
Ilmenau. An der Technischen Universität Dresden hielt Manfred Bonitz, Leiter der Infor-
mationsabteilung des Zentralinstituts für Kernforschung Rossendorf, in verschiedenen
Fachbereichen informationswissenschaftliche Vorlesungen (Bonitz 1974).
    Stock (1986) folgert aus einer umfassenden Literaturanalyse, dass sich die Informati-
onswissenschaft in der DDR zu Beginn der 1980er Jahre zu einer „selbständigen empiri-
schen Einzelwissenschaft“ (S. VII) entwickelt hat.

2 Informationswissenschaft an Hochschulen der
  Bundesrepublik
Als die Forderungen nach einer universitären informationswissenschaftlichen Ausbil-
dung in den 1960er Jahren entstanden, ging man von Lehrstühlen an Universitäten aus.
Zur selben Zeit wurde jedoch in Deutschland das Fachhochschulgesetze verabschiedet,
das zwischen 1969 und 1972 zur Errichtung der heute meist als Hochschule für ange-
wandte Wissenschaften bezeichneten Einrichtungen führte. Informationswissenschaftli-
che Studiengänge wurden im Laufe der folgenden Dekaden sowohl an Universitäten wie
an Fachhochschulen eingerichtet, an den Universitäten meist eingebettet in ein be-
stehendes Fachgebiet, an den Fachhochschulen häufig in Verbindung mit zuvor be-
stehenden bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen oder informatischen Curricula.
Ihre Anzahl ist jedoch bis heute klein geblieben, etliche Lehrstühle an den Universitäten
wurden nach der Pensionierung ihrer Inhaber nicht neu besetzt. An den Hochschulen
für angewandte Wissenschaften in Darmstadt, Hamburg, Hannover, Köln, Potsdam und
Stuttgart haben sich inzwischen anerkannte informationswissenschaftliche Studiengän-
ge etabliert.
     Einige wichtige Standorte der Informationswissenschaft in Deutschland mit ihren
prägenden Persönlichkeiten seien im Folgenden aufgeführt.

2.1 Berlin

Hans-Werner Schober führte 1957 als Honorarprofessor erste Lehrveranstaltungen über
Dokumentationswissenschaft an der Freien Universität Berlin (FU Berlin) durch. 1969
wurde das Fach Dokumentation an der FU Berlin eigenständige Lehreinheit (ab 1970 als
Informations- und Dokumentationswissenschaft). 1971 wurde Gernot Wersig mit der ers-
ten Dissertation in diesem Fach promoviert. 1972 folgte seine Habilitation im Fach Infor-
mations- und Dokumentationswissenschaft und 1977 wurde er zum Professor für Infor-
mationswissenschaft an der FU Berlin berufen. Ab 1995 war die Informationswissen-
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schaft Arbeitsbereich des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der
FU Berlin. 1997 lief das Grundstudium aus, die Informationswissenschaft an der FU Ber-
lin wurde eingestellt.
     Seit 1982 gab es an der FU Berlin auch ein Institut für Bibliothekarausbildung, spä-
ter Institut für Bibliothekswissenschaft und Bibliothekarausbildung (IfBB). Auch an der
Humboldt-Universität (HU) existierte seit 1955 ein Institut für Bibliothekswissenschaft,
1966 umbenannt in „Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Informa-
tion“, seit 1969 mit den Fachbereichen Informations-/Dokumentationswissenschaft so-
wie Bibliothekswissenschaft und einer Abteilung für die postgraduale Weiterbildung
und das Fernstudium.
     Die Neustrukturierung von Forschung und Lehre in Berlin nach dem Fall der Mauer
sah vor, die Informationswissenschaft an der FU weiterzuführen, die Bibliothekswissen-
schaft hingegen an der HU. 1994 wurden deshalb das Institut für Bibliothekswissen-
schaft und Bibliothekarausbildung der FU und das Institut für Bibliothekswissenschaft
der HU fusioniert zum „Institut für Bibliothekswissenschaft“. Anfang der 2000er Jahre
erwog die Humboldt-Universität zunächst die Schließung des Instituts, doch dann wur-
den Mittel für eine Neuausrichtung bereitgestellt und es entstand etwa ab 2006 das jet-
zige „Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI)“ als ischool, mit fünf
Lehrstühlen inzwischen das größte informationswissenschaftliche Zentrum in Deutsch-
land.

2.2 Darmstadt

Das 1975 an der Technischen Hochschule Darmstadt mit der Berufung von Gerhard Lus-
tig eingerichtete Fachgebiet Datenverwaltungssysteme II gehörte zum Institut für Infor-
mationsverwaltung und interaktive Systeme im Fachbereich Informatik. Schwerpunkte
in Forschung und Lehre waren Information Retrieval, automatische Indexierung und In-
formationslinguistik.
     Einer der Studenten und später wissenschaftlicher Mitarbeiter war Gerhard Knorz,
der im Juli 1983 eine Professur an der Fachhochschule Darmstadt erhielt. Nach der Grün-
dung des Fachbereichs Information und Dokumentation (IuD) im WS 1985/86 wurde er
dort auf eine Professur für das Fach Dokumentationssprachen berufen und beteiligte
sich maßgeblich an der Entwicklung der informationswissenschaftlichen Studiengänge.
Nach etlichen Reformen werden inzwischen im Fachbereich Media der Hochschule die
Studiengänge Bachelor und Master of Information Science sowie die berufsbegleitende
Weiterbildung zum Wiss. Dok. angeboten.

2.3 Düsseldorf

Alwin Diemer, Professor für Philosophie, führten seine wissenschaftstheoretischen bzw.
wissenschaftswissenschaftlichen Arbeiten zum Komitee Klassifikation und Thesaurus-
forschung der DGD, das er bis 1974 leitete, nachdem er im April 1967 die Tagung „System
und Klassifikation in Wissenschaft und Dokumentation“ an der Universität Düsseldorf
durchgeführt hatte.
     Die erste Planprofessur für Informationswissenschaft an einer Universität der Bun-
desrepublik Deutschland wurde 1974 mit der Ernennung seines Schülers Norbert Hen-
34  A 2: Marlies Ockenfeld

richs als Leiter der Forschungsabteilung für philosophische Information und Dokumen-
tation des Philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf zum Professor (H 3) für
Philosophie und Informationswissenschaften geschaffen. 1967 hatte Henrichs an der Ab-
teilung für Dokumentation des Philosophischen Instituts das Projekt GOLEM zur EDV-ge-
stützten Erfassung von Aufsätzen aus philosophischen Zeitschriften mit Hilfe der von
Siemens bereitgestellten gleichnamigen Software begonnen, das 1970 die Forschungsab-
teilung begründete. 1974 zunächst Nebenfach, wurde die Informationswissenschaft ab
1989 Hauptfach. Wolfgang G. Stock war einer der Doktoranden der Abteilung für Infor-
mationswissenschaft, der nach einigen Zwischenstationen 2003 als Nachfolger von Nor-
bert Henrichs den Lehrstuhl Informationswissenschaft übernahm. Er leitete die Abtei-
lung für Informationswissenschaft im Institut für Sprache und Information der Heinrich-
Heine-Universität Düsseldorf bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2019. Danach wur-
de die Stelle nicht wiederbesetzt; die informationswissenschaftlichen Bachelor- und
Masterstudiengänge „Informationswissenschaft und Sprachtechnologie“ sowie „Infor-
mationswissenschaft als Ergänzungsfach“ werden nicht mehr angeboten.

2.4 Hildesheim

Die Anfänge der Informationswissenschaft in Hildesheim liegen im Studiengang „Inter-
nationales Informationsmanagement“ (IIM), den Christa Hauenschild zusammen mit
anderen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre vorangetrieben hatte. Das damalige Insti-
tut für Angewandte Sprachwissenschaft bot Computerlinguistik, technisches Fachüber-
setzen und Interkulturelle Kommunikation an. 1997 wurde eine Professur „Informations-
wissenschaft“ ausgeschrieben, die Christa Womser-Hacker im Fach Informationswissen-
schaft im Oktober 1998 antrat. Auch im Nachfolgestudiengang der Informatik
„Informationsmanagement und Informationstechnologie“ wurde ein großer Anteil infor-
mationswissenschaftlicher Themen integriert. Das Institut für Informationswissenschaft
und Sprachtechnologie umfasst Anfang 2022 vier Professuren und ca. 20 Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter, die z. T. auch auf Drittmittelstellen für Projekte eingestellt sind.

2.5 Konstanz

Zum 1. Oktober 1980 wurde mit der Berufung von Rainer Kuhlen an der Universität Kon-
stanz innerhalb der Fachgruppe Politikwissenschaft der erste Lehrstuhl für Informati-
onswissenschaft in Deutschland eingerichtet. Kuhlen baute in Konstanz den einzigen
deutschsprachigen Aufbaustudiengang Informationswissenschaft auf. Viele der über
400 Absolventinnen und Absolventen haben später führende Positionen oder Professu-
ren an anderen Universitäten oder Hochschulen erhalten. Im Februar 2010 hielt Kuhlen
nach fast dreißig Jahren seine Abschiedsvorlesung. Eine Wiederbesetzung der Stelle er-
folgte nicht. Die Bezeichnung lebt in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion
als Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft und im englischsprachigen
Studiengang Master of Science in Computer and Information Science weiter; doch sind
die Studieninhalte Data Science, Visualisierung und andere informatikorientierte The-
men dominierend; wenn auch weiterhin Abschlüsse im Masterstudium und bei Promo-
tionen mit informationswissenschaftlichen Themen möglich sind und gewählt werden.
A 2: Institutionalisierung der Informationswissenschaft und der IuD-Infrastruktur              35

2.6 Regensburg/Saarbrücken

Harald Zimmermann gründete als einer der Pioniere der Sprachdatenverarbeitung 1974
den ersten computerlinguistischen Lehrstuhl Deutschlands an der Universität Regens-
burg und führte im Rahmen der Allgemeinen Sprachwissenschaft die „Linguistische In-
formationswissenschaft“ ein. 1980 folgte Zimmermann dem Ruf an die Universität des
Saarlandes auf einen Lehrstuhl für Informationswissenschaft, den er bis zu seiner Emeri-
tierung 2006 innehatte. In Regensburg folgte ihm von 1981 bis 1994 Jürgen Krause nach,
der die linguistische Informationswissenschaft weiter ausbaute. Während der Lehrstuhl
Informationswissenschaft in Regensburg weiter besteht (Rainer Hammwöhner – 1996–
2013; derzeit: Udo Kruschwitz und Bernd Ludwig) und 2021 etwa 600 Studierende hat,
wurde der Studiengang Informationswissenschaft in Saarbrücken 2014 eingestellt. Die
letzten Vorlesungen fanden im Wintersemester 2013/14 statt, die letzte Abschlussprü-
fung im April 2016.
     Zu den informationswissenschaftlichen Angeboten auch in den Fachhochschulen s.
Kap. 5 Ausbildung, Studium und Weiterbildung in der Informationswissenschaft.

3 Fachinformationszentren und Zentrale Fachbibliotheken
Das erwähnte IuD-Programm 1974–1977 sah neben der Förderung der Infrastruktur der
Information und Dokumentation durch anwendungsorientierte Forschung und Entwick-
lung, Ausbildung, Standardisierung sowie dem Forschungsprogramm Informationswis-
senschaft an den Hochschulen insbesondere vor, die sehr verstreuten Informations- und
Dokumentationsaktivitäten in Deutschland schrittweise in ein Strukturkonzept zu über-
führen, die Grundlagen für den systematischen Ausbau und Betrieb umfassender,
leistungsfähiger Informationssysteme der Wissenschaft und Technik zu legen sowie die
Voraussetzungen für die Erfüllung internationaler Dokumentations- und Informations-
aufgaben zu schaffen. Dabei sollten die zentralen Fachbibliotheken mit überregionalen
Aufgaben einbezogen werden.
     Die nachstehenden Ziele sollten durch ein breites Angebot von – jeweils schwer-
punktmäßig auf sie bezogenen – Informationsleistungen verwirklicht werden:

Ziele:                                                             Informationsleistungen:
– Erhöhung der Effizienz von Forschung, Entwicklung und            – Nachweis der gesamten relevanten
Ausbildung; Beschleunigung der Innovation als eine der             Fachliteratur; rasche Literaturversorgung
Grundvoraussetzungen für die Verbesserung der Lebens-              einschließlich Übersetzungen
qualität                                                           – rasche und konzentrierte Vermittlung
– Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirt-       von Erkenntnissen und Fakten, insbeson-
schaft und Technik, besonders auch der Mittel- und Kleinbe-        dere in Form von Fortschrittsberichten und
triebe; Hilfen für die Berufs- und Arbeitswelt, auch als Beitrag   Datensammlungen, sowie praxisorientier-
zur Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz                   te Informationsvermittlung und -beratung;
– Unterstützung der Planungs- und Entscheidungstätigkeit           aufgabenbezogene Auswahl und Aufberei-
von Parlament, Regierung, Verwaltung und Rechtsprechung            tung relevanter Information
– verbesserte Informationsmöglichkeiten für den Bürger und         – Bereitstellung fachlicher Information in
die gesellschaftlichen Gruppen, vor allem zur Stärkung ihrer       allgemeinverständlicher und leicht zu-
Mitwirkungsmöglichkeiten in den verschiedenen Bereichen            gänglicher Form für die Medien als Infor-
des gesellschaftlichen Lebens.                                     mationsmittler und auch unmittelbar für
                                                                   Bürger und gesellschaftliche Gruppen.
36  A 2: Marlies Ockenfeld

3.1 Fachinformationssysteme/-zentren

Ausgangspunkt der Planungen und Verhandlungen mit den Trägern der einzubeziehen-
den Informations- und Dokumentationseinrichtungen, zentralen Fachbibliotheken und
dergleichen war die Gliederung in folgende 16 Fachinformationsbereiche (FIB), für die
jeweils ein Fachinformationssystem (FIS) als Informationsverbund mit einem koordinie-
renden Fachinformationszentrum (FIZ) entstehen sollte:
1 Gesundheitswesen, Medizin, Biologie, Sport
2 Ernährung, Land- und Forstwirtschaft
3 Chemie
4 Energie, Physik, Mathematik
5 Hüttenkunde, Werkstoffe, Metallbe- und -verarbeitung
6 Rohstoffgewinnung und Geowissenschaften
7 Verkehr
8 Raumordnung, Bauwesen, Städtebau
9 Verbrauchsgüter
10 Wirtschaft
11 Recht
12 Bildung
13 Sozialwissenschaften
14 Geisteswissenschaften
15 Auslandskunde
16 Elektrotechnik, Feinwerktechnik, Kraftfahrwesen, Maschinenbau.

Einige Informationsaufgaben lassen sich nicht einem bestimmten Fachbereich zuord-
nen. Es sollte daher neben den Fachinformationssystemen vier Informationseinrichtun-
gen mit besonderer Zweckbestimmung geben, namentlich Informationseinrichtungen
für Umwelt, Patente, technische Regelwerke und Forschungsvorhaben.
     Zur Organisation der Fachinformationssysteme führte das Programm aus, dass die
den einzelnen Fachinformationssystemen übertragene Gesamtverantwortung für die In-
formationsdienstleistungen ihres Fachbereichs nicht von einer losen Arbeitsgemein-
schaft der zu beteiligenden Institutionen getragen werden könne. Sie setze vielmehr vor-
aus, dass möglichst organisatorisch selbstständige, mit ausreichenden Mitteln und Voll-
machten ausgestattete Fachinformationszentren als Kern der Fachinformationssysteme
gebildet werden.
     Zu den Aufgaben der Fachinformationszentren sollten insbesondere auch folgende
Managementfunktionen gehören:
– Planung und Kontrolle der Informationsdienstleistungen, Analyse ihrer Inanspruch-
    nahme und Effizienz,
– Vergabe der Aufträge für solche Aufgaben, die dezentral durchgeführt werden,
– Regelung der Zusammenarbeit mit anderen Fachinformationssystemen und mit aus-
    ländischen Stellen (insbesondere Clearingfunktion),
– Verwaltung der dem Fachinformationssystem im Rahmen dieses Förderungspro-
    gramms zufließenden Mittel.

Dabei wäre nicht zu erwarten, dass die bestehenden und für den Aufbau der Fachinfor-
mationssysteme wichtigen Informations- und Dokumentationseinrichtungen sich voll-
zählig oder überwiegend aus den Bindungen an ihre bisherigen Träger – oder aus den
Forschungseinrichtungen, deren Teil sie sind, – herauslösen würden und sich in die
A 2: Institutionalisierung der Informationswissenschaft und der IuD-Infrastruktur    37

Fachinformationszentren eingliedern ließen. Eine solche Loslösung erschiene auch nicht
immer zweckmäßig, weil bestimmte Aufgaben auch dezentral auf vertraglicher Basis
durchgeführt werden könnten und sollten. Dies treffe vor allem zu für die Erfassung und
inhaltliche Erschließung von Dokumenten, also sogenannte Input-Arbeiten, sowie für
Formen der Informationsanalyse, wie zum Beispiel die Erstellung von Übersichts- und
Fortschrittsberichten und von Datensammlungen, für die die besondere Fachkunde der
Forschungseinrichtungen und fachlichen Vereinigungen benötigt würde. Die dezentra-
len Einrichtungen sollten bei der Erstellung der fachlichen Grundsätze für die Arbeiten
der Fachinformationszentren mitwirken können.

3.2 Stand der Realisierung der FIS und FIZ

In einem dreijährigen Planungsprozess wurden 16 plus vier umfangreiche Berichte erar-
beitet, die Vorschläge zur Realisierung enthielten und damit zusammenhängende Pro-
bleme beschrieben. Zwar hat der Planungsprozess in vielen Fachinformationsbereichen
zu nachhaltigen Kooperationen geführt, aber das Strukturkonzept, jeweils ein FIZ zu in-
stallieren, konnte nur in einigen Fällen und oft nur auf Zeit verwirklicht werden. Auch
haben sich im Laufe der Zeit angesichts der technologischen Entwicklungen und der da-
mit einhergehenden Veränderungen in den Arbeitsweisen in Wissenschaft, Wirtschaft
und Verwaltung die an eine Informationsinfrastruktur gestellten Anforderungen verän-
dert. Ein kurzer Überblick mag dies veranschaulichen:
     FIS 1: Für den FIB Gesundheitswesen, Medizin, Biologie, Sport nahm das Deutsche
Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) als nachgeordnete
Behörde des Bundesgesundheitsministeriums zunächst die Aufgabe eines FIZ wahr, ent-
wickelte eine leistungsfähige Retrievalsprache (GRIPS) und verfügte über ein umfassen-
des Angebot an medizinischen, lebenswissenschaftlichen und biologischen Datenban-
ken. Ab der Jahrtausendwende konzentrierte sie sich aber zunehmend auf Arbeiten für
das Gesundheitswesen und ging 2020 schließlich im Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte auf. Seine Aufgaben als FIZ wurden inzwischen zum Teil von der ZB
MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften übernommen. Das Leibniz-Institut
fungiert als Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Informa-
tionen und Daten.
     Für den Teilbereich Psychologie hat sich an der Universität Trier die Zentralstelle für
Psychologische Information und Dokumentation, inzwischen Leibniz-Institut für Psy-
chologie (ZPID), als zentrale, überregionale Infrastruktureinrichtung für die Psychologie
in den deutschsprachigen Ländern etabliert. Es unterstützt den gesamten wissenschaftli-
chen Arbeitsprozess von der Literaturrecherche und Studienplanung über die Datenerhe-
bung und -auswertung bis hin zur Dokumentation, Archivierung und Publikation von
Ergebnissen.
     FIS 2: Für das Fachinformationssystem Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
(FIS-ELF) kam es nie zur Gründung eines FIZ; doch bildete die Zentralstelle für Agrardo-
kumentation und -information (ZADI) zusammen mit den ca. 20 Fachdokumentations-
stellen an Hochschulen und Bundesanstalten einen leistungsfähigen Verbund zur Infor-
mationsversorgung. Die Datenbanken wurden über den Host von DIMDI bereitgestellt.
Zum 1. Juni 2007 wurde die ZADI als eigenständige Behörde aufgelöst.
     FIS 3: Im Februar 1977 wurde in Berlin als erstes FIZ das FIZ Chemie gegründet, das
nach einer Erprobungsphase Ende 1979 jedoch seinen Betrieb einstellte. Ende 1981 kam
es zu einer Neugründung der FIZ Chemie GmbH als Einrichtung der „Blauen Liste“, die
38  A 2: Marlies Ockenfeld

im Juni 2013 ihren Betrieb einstellte, nachdem ein Gutachten des Wissenschaftsrats die
Einstellung der öffentlichen Förderung empfohlen hatte.
     FIS 4: Das FIS Energie, Physik, Mathematik erhielt 1977 mit der aus einem Zusam-
menschluss der Zentralstelle für Atomkernenergiedokumentation und vier anderen Do-
kumentationsstellen entstandenen, später FIZ Karlsruhe benannten Einrichtung das ein-
zige FIZ, das auch unter diesem Namen bis heute Bestand hat. Zusammen mit dem japa-
nischen JICST und dem US-amerikanischen CAS betrieb es bis 2022 den Host STN
International mit einem umfassenden Angebot an technisch-naturwissenschaftlichen
Datenbanken, die es zum Teil auch selbst produzierte. Inzwischen ist FIZ Karlsruhe –
Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur eine der großen Infrastruktureinrichtun-
gen in Deutschland für wissenschaftliche Information. Seine Kernaufgaben sind die pro-
fessionelle Versorgung von Wissenschaft und Wirtschaft mit Forschungs- und Patentin-
formation sowie die Entwicklung von innovativen Informationsinfrastrukturen, z. B. mit
den Schwerpunkten Forschungsdatenmanagement, Wissensgraphen und digitale Platt-
formen. Es beteiligte sich maßgeblich am Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfra-
struktur (NFDI), einer digitalen, verteilten Infrastruktur, die der Wissenschaft in
Deutschland Dienste und Beratungsangebote rund um das Management von For-
schungsdaten bereitstellen soll.
     FIS 5: Im FIB Hüttenkunde, Werkstoffe, Metallbe- und -verarbeitung spielten zwar
sowohl die Deutsche Gesellschaft für Metallkunde als auch die Bundesanstalt für Materi-
alprüfung neben einer Reihe kleinerer Fachdokumentationsstellen eine wichtige Rolle
bei Dokumentation und Informationsversorgung. Es konnte jedoch keine dauerhafte
tragfähige Finanzierung zur Einrichtung eines FIZ gefunden werden, wenngleich die
BAM zunächst – und mit ihrem Datenbankangebot teilweise bis heute – als solches fun-
gierte und das Land Berlin sich dafür engagierte.
     FIS 6: Auch für den FIB Rohstoffgewinnung und Geowissenschaften kam es nicht
zur Gründung eines FIZ, obgleich es mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe (BGR) eine Kandidatin gab. Heute bildet die BGR zusammen mit dem Landes-
amt für Bergbau, Energie und Geologie und dem Leibniz-Institut für Angewandte Geo-
physik das Geozentrum Hannover und stellt vor allem Geofachdaten zur Verfügung.
     FIS 7: Im FIB Verkehr spielte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), eine tech-
nisch-wissenschaftliche Einrichtung des Bundes, eine herausragende Rolle bei Doku-
mentation, Auskunftserteilung und Informationsversorgung; der Aufbau eines FIS oder
gar die Gründung eines FIZ scheiterte jedoch ebenfalls an Zuständigkeiten und Finanzie-
rung.
     FIS 8: Für den FIB Raumordnung, Bauwesen, Städtebau kam es ebenfalls nicht zur
formellen Vereinbarung für ein FIS oder die Gründung eines FIZ. Eine Reihe kleinerer
Dokumentationseinrichtungen bieten jedoch Informationsdienste an, und das Stuttgar-
ter Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) fungiert de facto als ein FIZ
für diesen Bereich. Es erschließt Informationen, bietet Datenbanken und Auskunftsleis-
tungen an und betreibt für die Fraunhofer-Gesellschaft eine Publikations- und For-
schungsdateninfrastruktur.
     FIS 9: Ein FIS oder FIZ Verbrauchsgüter ließ sich ebenfalls nicht realisieren. Funk-
tionen, wie sie vom IuD-Programm gefordert wurden, nehmen heute teilweise die Bun-
des- und Länderverbraucherministerien oder die Stiftung Warentest wahr.
     FIS 10: Für den FIB Wirtschaft ist das durch den Zusammenschluss von HWWA
Hamburg und der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften an der Universität
Kiel entstandene ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft die zentrale öffentlich
finanzierte Einrichtung zur Informationsversorgung vor allem der Wissenschaft. Wie FIZ
A 2: Institutionalisierung der Informationswissenschaft und der IuD-Infrastruktur      39

Karlsruhe stellt sie Infrastrukturleistungen für die Forschung bereit. Zur Informations-
versorgung im Bereich Wirtschaft tragen jedoch auch privatwirtschaftliche Anbieter
maßgeblich bei, etwa GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH oder Lexis-
Nexis.
     FIS 11: Für den Bereich Recht war bereits 1973 ein Gründungsauftrag der Bundesre-
gierung erfolgt, zusammen mit dem Bundesverfassungsgericht und den obersten Gerich-
ten des Bundes arbeitsteilig ein computergestütztes Rechtsinformationssystem aufzu-
bauen. Dieses war 1984 fertiggestellt und bis 1985 beim Bundesministerium der Justiz
angesiedelt; es wurde 1985 aus der Bundesverwaltung in eine Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung mit Sitz in Saarbrücken ausgegliedert und nimmt unter dem Namen
juris Funktionen eines FIZ für die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung wahr.
Privatwirtschaftliche Anbieter wie Beck-Online oder LexisNexis ergänzen das Angebot
unabhängig davon.
     FIS 12: Im Bereich Bildung übt das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung
und Bildungsinformation (bis 2018: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische
Forschung) mit seinen beiden Abteilungen Informationszentrum Bildung (IZB) und Bi-
bliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) als nationales Zentrum der For-
schungs- und Informationsinfrastrukturen für die Erziehungswissenschaft und Bildungs-
forschung in Deutschland die Funktionen eines FIZ Bildung de facto aus. Es betreibt den
deutschen Bildungsserver und das Fachportal Pädagogik und hat koordinierende Funk-
tionen.
     FIS 13: Für den Bereich Sozialwissenschaften hat die Arbeitsgemeinschaft Sozialwis-
senschaftlicher Institute e. V. 1986 die „Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruk-
tureinrichtungen“ (GESIS) gegründet. GESIS bestand damals aus drei rechtlich selbst-
ständigen Instituten, dem InformationsZentrum Sozialwissenschaften (IZ) in Bonn, dem
Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (ZA) in Köln und dem Zentrum für Umfra-
gen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim. 2007 wurden diese drei Institute zu
einer Infrastruktureinrichtung fusioniert und in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenom-
men. Dies führte 2008 zur Namensänderung in GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissen-
schaften. Das IZ produzierte Datenbanken, die über andere Hosts wie DIMDI, GBI oder
STN angeboten wurden. Inzwischen wurden diese klassischen IuD-Arbeiten durch mo-
derne Infrastruktur- und Unterstützungsleistungen für wissenschaftliche Arbeitsprozes-
se, etwa Datenbeschaffung und -analysen, abgelöst.
     FIS 14: Der Fachinformationsbereich Geisteswissenschaften umfasste ein derartig
großes und vielfältiges Gebiet, von der Archäologie über die Sprachwissenschaft bis zur
Religionswissenschaft, dass es von vornherein aussichtslos war, ein gemeinsames Pro-
gramm für ein FIS oder gar die Einrichtung eines FIZ zu realisieren. Zwar gab es einzelne
Versuche, wenigstens für kleinere Teilbereiche, etwa die Linguistik, ein FIZ zu etablie-
ren; es fehlte jedoch auch dafür an einer über einzelne Projekte hinausgehenden dauer-
haften Finanzierungszusage. Lediglich für den Bereich der Museumsdokumentation
konnte sich durch das Institut für Museumsforschung der Stiftung Preußischer Kulturbe-
sitz in Berlin, 1979 als Institut für Museumskunde gegründet, ein Kristallisationspunkt
bilden, der bis heute als anerkannte zentrale Einrichtung für den Museumsbereich zahl-
reiche Koordinierungsaufgaben wahrnimmt, übergreifende Projekte leitet und an Stan-
dardisierungen mitwirkt.
     FIS 15: Für den FIB Auslandskunde gab es außer der 1951 in Köln errichteten Bun-
desstelle für Außenhandelsinformation (BfAi), seit 2009 eingegliedert in die Germany
Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH, keine
40  A 2: Marlies Ockenfeld

Kandidatin, die die Aufgaben eines FIZ hätte wahrnehmen können, und es fehlte auch
an politischem Interesse, eine Lösung zu finden, sowie an der Finanzierung.
     FIS 16: Das FIZ Elektrotechnik, Feinwerktechnik, Maschinenbau wurde 1979 zur In-
formationsversorgung der deutschen Industrie und mit der Unterstützung ihrer Verbän-
de ins Leben gerufen. Dabei wurden die Zentralstelle der Dokumentation für Elektrotech-
nik (ZDE) und die Dokumentation Maschinenbau (DOMA) in das neue FIZ eingegliedert.
Die produzierten Datenbanken wurden über fremde Hosts angeboten. Unter dem Namen
FIZ Technik bestand die Einrichtung bis 2010, dann geriet sie wegen Wegfall der öffentli-
chen Förderung in finanzielle Schwierigkeiten und wurde als Genossenschaft von den
Beschäftigten unter dem Namen WTI Frankfurt weitergeführt. Im Januar 2019 fand eine
erneute Übernahme und Umfirmierung zur WTI-Frankfurt-digital GmbH statt. 2021 hat
diese ihre Geschäftstätigkeit in Frankfurt am Main eingestellt. Die Datenbanken werden
seither von der WTI AG in Zürich (Schweiz) angeboten.
     Die vier Informationseinrichtungen mit besonderer Zweckbestimmung wurden vor-
wiegend durch Projektförderung an bestehenden Einrichtungen realisiert.
     IZ 17: Für Umweltinformation wurde am Umweltbundesamt in Berlin ein umfassen-
des föderatives Umweltplanungsinformationssystem (UMPLIS) entwickelt, das aber in-
zwischen auf einen online zugänglichen Katalog von Umweltprojekten reduziert wurde.
     IZ 18: Für den Bereich Patente nimmt das Deutsches Patent- und Markenamt
(DPMA) die Informationsversorgung zu deutschen Patentschriften, Marken und Ge-
brauchsmustern wahr und hat seine Aktenführung und Anmeldeverfahren inzwischen
weitgehend digitalisiert. Die Online-Nutzung erfolgt heute über ein Webportal. Patentin-
formationen und -analysen zu anderen Anmeldeländern stellen das FIZ Karlsruhe und
verschiedene kommerzielle Anbieter bereit.
     IZ 19: Für den Bereich Technische Regelwerke wurde 1979 das Deutsche Informati-
onszentrum für technische Regelwerke (DITR) im DIN, Berlin, gegründet. Es beschränkte
sich zunächst auf Informationsdienste zu den in Deutschland geltenden Vorschriften, ab
Mitte der 1980er Jahre aber auch zu anderen nationalen Normenwerken. 2003 ging DITR
mit seiner Datenbank in der DIN Software GmbH auf.
     IZ 20: Als Informationszentrum für Forschungsinformation war zunächst die in Han-
nover ansässige Hochschul-Informations-Systeme eG vorgesehen. Sie entwickelte sich
aber zunehmend zu einem Softwarehaus für die Hochschulen, und es erwies sich als
zweckmäßiger, die Forschungsinformation bei den einzelnen Fachgebieten oder den
Förderern anzusiedeln. So produzierte etwa das IZ Sozialwissenschaften die Datenbank
FORIS mit Beschreibungen sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte im deutschspra-
chigen Raum. Die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als große Förderinstitution
betreibt die im WWW zugängliche Datenbank GEPRIS mit zweisprachigen Informationen
(deutsch und englisch) über ihre Fördermaßnahmen.
     Der Überblick macht deutlich, dass die sehr ambitionierten Planungen des IuD-Pro-
gramms trotz zahlreicher wertvoller Impulse infolge von Finanzierungsschwierigkeiten
und den sehr unterschiedlichen Trägerstrukturen der IuD-Einrichtungen nur zu einem
kleinen Teil verwirklicht wurden. Die seinerzeit vier, heute drei Zentralen Fachbibliothe-
ken (TIB, ZBW und ZB MED) wurden inzwischen wie auch die existierenden öffentlich
geförderten (Fach)Informationszentren zu Leibniz-Instituten und nehmen Forschungs-
und Entwicklungs- sowie Infrastrukturaufgaben für die Wissenschaft wahr. Dazu gehö-
ren neben der Dokumentation von Literatur und Forschungsdaten sowie der Informati-
onsbereitstellung auch die Publikationsunterstützung bis hin zu verlegerischen Aktivitä-
ten. Ihre leitenden Persönlichkeiten werden in der Regel in einer Doppelberufung mit
A 2: Institutionalisierung der Informationswissenschaft und der IuD-Infrastruktur    41

einer Hochschule gleichzeitig Professorinnen oder Professoren und sind in der informati-
onswissenschaftlich-informatischen Lehre tätig.

4 Informationspolitik

4.1 Paradigmenwechsel der Informationspolitik

Wurde bei den Überlegungen zum IuD-Programm davon ausgegangen, dass es Aufgabe
des Staates ist, Vorsorge für eine optimale Informationsversorgung zu treffen, die am
besten über eine flächendeckende Infrastruktur in Gestalt von Informationszentren für
möglichst alle Bereiche in Wissenschaft und Technik zu erreichen sei, so wurden als Fol-
ge eines Gutachtens des Bundesrechnungshofs im Jahre 1983 diese Prämisse verlassen
und stattdessen Schwerpunkte gebildet, die in einzelnen Programmen entsprechend der
Entwicklung des Marktes und den Wirkungen der staatlichen Förderung flexibel ange-
passt werden konnten. Es blieb künftig ein wichtiges Ziel staatlicher Politik, den priva-
ten Anteil an den Etats der Fachinformationszentren schrittweise zu erhöhen. In ihrer
Stellungnahme (BMBF 1983) zum Gutachten des Bundesrechnungshofs aus dem glei-
chen Jahr deutete die Bundesregierung damit bereits die Richtung eines künftigen Pro-
gramms an, das im Zeitraum 1985–1988 durchgeführt wurde (BMFT 1985).
     Die Entwicklung der Informationstechnik, nahezu unbegrenzte Speichermöglichkei-
ten, die Digitalisierung von Volltexten, vor allem aber auch die globale Wirkung des In-
ternets sowie von multimedialen und interaktiven Präsentationstechniken hatten ihren
Einfluss auf die Schwerpunktsetzung von Fördermaßnahmen. Insbesondere das Fachin-
formationsprogramm „Information als Rohstoff für Innovation“ (BMBF 1996), aber auch
das Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Information
vernetzen – Wissen aktivieren“ (BMBF 2002) trugen diesen Entwicklungen Rechnung.
     Während das IuD-Programm ein Programm aller Ressorts der Bundesregierung un-
ter Federführung des Forschungsministeriums gewesen war, das Zugang zu Informatio-
nen für alle sicherstellen sollte, wurden die Informationspolitik und ihre Budgetierung
in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr Sache der einzelnen Ressorts sowie der
Länder, immer unter dem Primat der Schaffung eines einheitlichen europäischen Bin-
nenmarkts für Produkte und Dienstleistungen. Das Bundeswirtschaftsministerium über-
nahm bei der Förderung zur Entwicklung der Internetwirtschaft eine immer wichtigere
Rolle. Eine Zeitlang sah es so aus, als ob Fachinformation nur noch als Wirtschaftsgut,
nicht mehr als Allmende angesehen würde. Die Frage nach staatlicher Unterstützung
der Versorgung mit wissenschaftlich-technischer Information wurde kontrovers disku-
tiert, anstelle der ursprünglich vorgesehenen institutionellen Förderung traten zeitlich
befristete Projektförderungen.
     Im Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ ging es u. a. um
die Förderung der Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in
Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, d. h. Initiativen zur Breitbandförderung und zur Digi-
talisierung der Medien, einem Netzwerk für elektronischen Geschäftsverkehr, eine neue
E-Government-Strategie 2.0 für flächendeckende elektronische Verwaltungsdienste und
eine bessere Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung, die Einführung des
elektronischen Personalausweises, die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte,
die Stärkung der IKT-Sicherheit.
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