A Detailed Analysis of the Association between Urate Deposition and Erosions and Osteophytes in Gout - OPUS 4
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A Detailed Analysis of the Association between Urate Deposition and Erosions and Osteophytes in Gout Medizinische Klinik 3 Abteilung für Rheumatologie und Immunologie Universitätsklinikum Erlangen Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Zur Erlangung des Doktorgrades doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt von Caroline Eichler-Pecherstorfer
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Markus F. Neurath Gutachter: PD Dr. Hans Jürgen Rech Gutachter: Prof. Dr. Georg Schett Tag der mündlichen Prüfung: 26. Oktober 2021
INHALTSVERZEICHNIS 1. ZUSAMMENFASSUNG 1 1.1 HINTERGRUND UND ZIELE 1 1.2 METHODEN 2 1.3 ERGEBNISSE UND BEOBACHTUNGEN 2 1.4 SCHLUSSFOLGERUNGEN 2 EINORDNUNG IN DEN WISSENSCHAFTLICHEN KONTEXT: 2. EINLEITUNG 3 2.1 DEFINITION UND ÄTIOLOGIE DER GICHT 3 2.2 KLINIK UND PATHOPHYSIOLOGIE DER GICHT 4 2.3 DIAGNOSTIK 6 2.3.1 ACR (AMERICAN COLLEGE OF RHEUMATOLOGY) KRITERIEN 1977 / 2015 6 2.3.2 ENTWICKLUNG DER RADIOLOGISCHEN BASISDIAGNOSTIK 7 2.3.3 WEITERFÜHRENDE DIAGNOSTIK 7 2.3.4 DUAL-ENERGY COMPUTERTOMOGRAPHY (DECT) 8 2.3.5 HIGH RESOLUTION PERIPHERAL QUANTITATIVE COMPUTERTOMOGRAPHY (HR-PQCT) 8 2.4 KNOCHENVERÄNDERUNGEN IM RAHMEN DER CHRONISCHEN TOPHÖSEN GICHT 10 3. DAS STUDIENDESIGN 13 3.1 REKRUTIERUNG DER PATIENTEN 13 3.2. BILDGEBUNGEN UND MESSUNGEN 14 3.2.1 DECT MESSUNGEN 14 3.2.2 HR-PQCT MESSUNGEN 15 3.2.3 GRUNDLAGEN DER DATENERHEBUNG 16 4. AUSWERTUNGEN DER MESSUNGEN 20 4.1 DEMOGRAPHISCHE DATEN 20 4.2 TOPHI UND DIE AUTOMATISCHE DECT - VOLUMENANALYSE 20 4.3 HR-PQCT ANALYSEN DER PROBANDEN 21 4.3.1 EROSIONEN: ANZAHL UND VOLUMEN IN DER ANALYSE 21 4.3.2 OSTEOPHYTEN: ANZAHL UND VOLUMEN IN DER ANALYSE 22 4.4 TOPHI, EROSIONEN UND OSTEOPHYTEN IN DISTRIBUTION UND KORRELATION 22 5. EIN KLEINER MEILENSTEIN MITHILFE DES HR-PQCT 25 6. ORIGINALPUBLIKATION 28 7. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 29 8. QUELLENVERZEICHNIS 30 9. DANKSAGUNG 34
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Darstellung eines HR-pQCT. 10 Abbildung 2: Anatomie des rechten Fußes. 12 Abbildung 3: DECT Aufnahmen eines Fußpaares (dreidimensional rekonstruiert). 15 Abbildung 4: HR-pQCT und Proband. 16 Abbildung 5: HR-pQCT Aufnahme, MTP1 rechts. 17 Abbildung 6: Darstellung von Erosionen und Osteophyten, HR-pQCT, MTP1 rechts. 18 Abbildung 7: Erosionserfassung über OsiriX und SCANCO (MTP1 rechts). 19 Abbildung 8: Darstellung von Erosionen und Osteophyten, HR-pQCT, MTP1 rechts. 23 Abbildung 9: MTP1 eines Gichtpatienten links (DECT/HR-pQCT). 24
Eine HR-pQCT Analyse von Erosionen und Osteophyten im Rahmen der tophösen Gichterkrankung 1. Zusammenfassung 1.1 Hintergrund und Ziele Die hochauflösende periphere quantitative Computertomographie (HR-pQCT) wurde ursprünglich im Rahmen von Knochendichtemessungen entwickelt und gehört zu den fortschrittlichsten Bildgebungen der Gegenwart. Mithilfe des HR-pQCT wurde es möglich, humane Röhrenknochen mit einem Auflösungsvermögen von 82μm isotroper Voxelgröße zu analysieren und in vivo Knochendichteberechnungen durchzuführen (1). Die hochauflösende Darstellung, die erstmals getrennten Analysen der Knochenbausubstanzen von Kortex (=harter Knochenmantel) und Spongiosa (=schwammartiges Knochengewebe) sowie die geringe Strahlenbelastung führten in den letzten Jahren zu einem vermehrten Gebrauch des HR-pQCT in der Wissenschaft der Osteologie und Rheumatologie (2, 3). Hinsichtlich der Rheumatoiden– und Psoriasis Arthritis waren Analysen von Gelenks- und Knochenveränderungen mit hoher Sensitivität im Vergleich zu konventionellen Bildgebungen erstmals möglich (4). Es konnten bis dato keine Anwendungen des HR-pQCT bei Gichterkrankten in der Fachliteratur gefunden werden. Die Gicht gehört epidemiologisch zu den häufigsten Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises weltweit und betrifft hauptsächlich Männer mittleren Alters (5). Eine Dysfunktion des Harnsäuremetabolismus bildet den pathophysiologischen Schwerpunkt der Gichterkrankung (6). Im Rahmen pathologisch erhöhter Serumkonzentrationen neigt Harnsäure zur Ausfällung in kristalline Formationen (=Uratkristalle) und Ablagerung in Bereichen des Bindegewebes und der Gelenke (6). Prädestinierte Lokalisationen dafür sind die Großzehengrundgelenke (=MTPI: erstes Metatarsophalangealgelenk) (6). Lokale Gelenksentzündungen bis hin zu ausgeprägten Gelenksdeformationen und Knochendestruktionen im Bereich von Harnsäurekristallablagerungen können Gichtpatienten prägen (6). Seit Jahrzehnten wird vermehrt Augenmerk auf die pathophysiologische Beziehung zwischen Harnsäurekristallablagerungen und Gelenken gelegt (7-9). Untersuchungen und Darstellungen resorptiver Knochenveränderungen rückten non-invasive Bildgebungen wie Röntgenverfahren, Sonographien und die Magnetresonanztomographie in den wissenschaftlichen Mittelpunkt (9-11). Trotz umfassender radiologischer Studien blieb der 1
Wissenschaft ein Einblick in die Mikroarchitektur des Knochens verwehrt. Ziel dieser Arbeit war es, mithilfe des HR-pQCT im Bereich des Großzehengrundgelenkes (i) das Ausmaß destruktiver und osteoproliferativer Veränderungen bei chronisch erkrankten Gichtpatienten mit Tophi-Befall zu erheben, (ii) das Verhältnis von Erosionen und Osteophyten mit der Knochenstruktur von gesunden Probanden zu vergleichen und (iii) erstmalig diese Bildgebung im Bereich des Vorfußes einzusetzen. 1.2 Methoden 40 Patienten (20 Gichtpatienten und 20 gesunde Probanden) wurden einer HR-pQCT Messung im Bereich der ersten Großzehengrundgelenke unterzogen. Die Bildgebungen der 20 Gichtpatienten erfolgte nach positiver Bestätigung von Tophi Manifestationen am ersten Metatarsophalangealgelenk durch Dual-Energy Computertomographie (DECT) Aufnahmen. Erosionen und Osteophyten wurden mithilfe des HR-pQCT visualisiert, analysiert und eine mögliche Korrelation zu den durch DECT ermittelten Tophi evaluiert. Als Vergleichsgruppe dienten 20 gesunde Probanden ohne bekannte auto-immunologische oder osteologische Grunderkrankungen. Hier wurde jeweils eine HR-pQCT Aufnahme eines Großzehengrundgelenkes durchgeführt. Mittels manueller und automatischer Analysen wurden die resorptiven Knochenveränderungen anhand von Anzahl, Volumen, Lokalisation und Form verglichen. Darüberhinaus wurden demographische und klinische Daten erhoben. 1.3 Ergebnisse und Beobachtungen Gichtpatienten präsentierten eine erhöhte Ausprägung im Median an resorptiven und osteoproliferativen Eigenschaften sowohl in Anzahl als auch Größe im Vergleich zu den gesunden Probanden (Erosionen: 5 (0–17) vs. 1 (1–2); 45,32 mm³ (7,26–550,32) vs. 0,82 mm³ (0,15– 21,8); Osteophyten: 10,5 (0-26) vs. 1 (0-10), 4,93 mm (0,77-7,19 mm) vs. 0,93 mm (0,05-7,61 mm), alle p
Uratablagerungen und katabolen Knochenstrukturveränderungen. Nach eingehender Datenanalyse ist dies die erste Studie, die Untersuchungsmethoden des DECT und HR-pQCT vereint, um eine Korrelation zwischen dem Auftreten von Tophi und Knochenresorptionsstörungen zu untersuchen. Nach aktuellem Wissensstand wurde das HR- pQCT noch nie zuvor für Analysen des Großzehengrundgelenkes oder der Gichtarthropathie eingesetzt. EINORDNUNG IN DEN WISSENSCHAFTLICHEN KONTEXT 2. Einleitung 2.1 Definition und Ätiologie der Gicht Im Folgenden werden die wichtigsten Begriffe der Gichterkrankung erklärt: Gicht: Pathophysiologische Erkrankung des Purinstoffwechsels (12). Arthritis urica: Entzündliche Gelenksbeschwerden hervorgerufen durch Gicht (12). Hyperurikämie: Erhöhung der Harnsäurewerte über die Löslichkeitsgrenze im Plasma (12). Die Normgrenzen der plasmatischen Harnsäurewerte wurden geschlechterspezifisch eingeteilt: 1.5 mg/dl bis 6.0 mg/dl wurde für Frauen und 2.5 mg/dl bis 7.0 mg/dl für Männer geltend gemacht (13). Grob wird eine Erhöhung der Harnsäure > 6.5 mg/dl als Hyperurikämie bezeichnet (13). Harnsäure ist physiologisch und biochemisch das Endprodukt des Purinstoffwechsels. Durch enzymatischen Abbau der Nukleinbasen Adenin und Guanin entsteht Harnsäure als schwer lösliche Säure, die unter physiologischen Bedingungen (pH 7.4; Temperatur 37 Grad Celsius) in Form von anionischem Urat (de-protoniertem Salz) im Plasma zirkuliert (14). Zwei Drittel der Harnsäure werden durch internen Katabolismus produziert, das restliche Drittel entspringt der Gewinnung aus purinreicher Kost (Fleisch, Meeresfrüchte, Alkohol, Fructose) (6). Die Ausscheidung der Harnsäure erfolgt zu 70% über die Niere, die restlichen 30% verteilen sich auf den intestinalen Weg, Speichel- und Schweißabsonderung (6). Harnsäureerhöhungen stellen zu 90% die Konsequenz einer pathologischen Ausscheidung dar, der Rest ergibt sich aus einer unverhältnismäßigen Nahrungszufuhr (6). Die Exkretionsproblematik wird 3
heutzutage vor allem einer irregulären renalen Ausscheidung im Rahmen der sich häufenden chronischen Niereninsuffizienz zugeschrieben (13). Erfolgt eine Veränderung der physiologischen Bedingungen des Serums oder steigt die Harnsäure über deren Löslichkeitsgrenze, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Kristallisierung (13). In weiterer Folge liegt Harnsäure biochemisch vollständig protoniert (beispielsweise als Nierenstein) oder in Verbindung mit anderen Mineralien vor (14): Mononatriumurat (= engl. Monosodiumurat, Abk.: MSU), eine Assoziation zwischen Urat, Wasser und Natrium, stellt die häufigste Form der Kristallisierung von Harnsäure in humanen Lebewesen dar (14). 2.2 Klinik und Pathophysiologie der Gicht Die Verlaufsform der Gichterkrankung und ihre Stadien sind in folgendem klassischen Lehrbuchmodell dargestellt (6): Die asymptomatische Gicht Der akute Gichtanfall Interkritische Phasen Der chronische Verlauf Die asymptomatische Gicht Die asymptomatische Phase bezeichnet eine bestehende Hyperurikämie, die keine Symptomatik auslöst (6). Meistens wird in diesem Stadium durch Zufall eine erhöhte Harnsäure in laborchemischen Serumkontrollen festgestellt (6). Der akute Gichtanfall Der akute Gichtanfall definiert sich als selbstlimitierender, meist monoartikulärer (=auf ein Gelenk beschränkter) Entzündungsschub, der unbehandelt seinen Höhepunkt nach sechs bis 72 Stunden erreicht (6). Der Gichtanfall betrifft vor allem die Gelenke der unteren Extremitäten, im Schwerpunkt jedoch die Großzehengrundgelenke. Anfälle im fortgeschrittenen Verlauf der Erkrankung verteilen sich in Richtung der oberen Extremitäten, hauptsächlich in die Region der Finger- und Handgelenke und sind in Dauer und Ausprägung deutlich intensiviert (15). Ausgelöst wird der Gichtanfall primär durch die lokale Ablagerung von Harnsäurekristallen an Gelenksinnenhäuten (=Synovialmembran) und weitergehend in Gelenksflüssigkeiten (16). Im Rahmen einer reaktiven Aufnahme der Uratkristalle durch Zellen der angeborenen Immunabwehr werden Zytokinen produziert, welche wiederum akute Inflammationsreaktionen der betroffenen Gelenke hervorrufen (17). 4
Die interkritische Phase der Gicht Die interkritischen Phasen sind asymptomatische Perioden zwischen akuten Gichtanfällen (6). Zwar treten in diesen Phasen keine inflammatorischen Reaktionen auf, doch schreitet die Gichterkrankung voran. So kommt es zur weiteren Ausfällung von Harnsäure in Uratkristallablagerungen, die vermehrt juxta-artikulär akkumulieren und Konglomerate, sogenannte Tophi, bilden (6). Der chronische Verlauf 30% Gichtpatienten entwickeln unbehandelt eine chronisch tophöse Gicht innerhalb von fünf Jahren (15). Diese charakterisiert sich zu einem großen Teil durch forcierte Uratablagerungen, Ausbildung von Tophi, chronisch lokale Gelenksentzündungen bis hin zu irreversiblen Gelenksveränderungen und -deformationen (6, 15). Patienten leiden an ausgeprägten Gelenksschmerzen und Limitationen in Bewegung und Lebensqualität. Die chronische Gicht kann für lange Zeit symptomlos verlaufen, bevor akute Gichtanfälle periodenweise einsetzen (17). Tophi, bestehend aus Konglomeraten sedimentierter Harnsäurekristalle, sind hauptsächlich in subkutanen und peri-artikulären Bereichen zu finden (15). Zu den häufigsten Lokalisationen der Ablagerungen zählen die Umgebungen der Fuß- und Kniegelenke, Handgelenke, die knorpeligen Ränder der Ohrmuscheln (=Ohrhelices), sowie die Achillessehnen (15). Histopathologisch besteht der Tophus aus einem azellulären kristallinen Nucleus mit einer umgebenden zellulären Mantelzone und einer externen fibro-vaskulären Umgebung (16). Die zelluläre Mantelzone, auch Corona genannt, und die fibro-vaskuläre Ummantelung werden sowohl durch Zellen des angeborenen (Makrophagen, Mastzellen, Neutrophile Granulozyten, etc.) als auch des erworbenen Immunsystems bevölkert, die wiederum für den Aufbau und die Organisation der granulomatösen Struktur eines Tophus verantwortlich sind (16). Interleukin 1-β produzierende Zellen machen den größten Anteil der Bevölkerung aus und sind vermehrt in der Mantelzone, nahe dem Nucleus zu orten (16). Es gilt die Vermutung, dass die in der Tophusstruktur enthaltenen Zellgruppierungen durch die Produktion von pro- und antiinflammatorischen Faktoren zu einem stetigen Zyklus an lokalen Entzündungen, Gewebeumbau, Angiogenese und Osteoklastendifferenzierungen führen (17). Lokale Enzyme werden durch Zytokine aktiviert und triggern so Gelenksschädigungen oder Knochenresorptionsstörungen (16). Hinsichtlich der Osteoklastendifferenzierung wurde bereits 5
der Einfluss auf den RANK (rezeptor-activator of NF-kappa) – RANKL (Rank Ligand) Mechanismus als beeinflussende Rolle erwähnt (7). Bei Patienten, die an langjähriger tophöser Gicht litten, gelang es, erhöhte Serum- und lokale Konzentrationen von RANKL und M-CSF (Macrophage- colony stimulating factor) zu messen (7). Das durch Osteoblasten exprimierte Protein RANKL heftet sich im Rahmen eines Regulationsprozesses (im Sinne eines physiologischen Gleichgewichtes zwischen Knochenauf und -abbau) an den Rezeptor RANK, der von Makrophagen exprimiert wird (7). Dieser Kontaktaufbau führt zu einer Differenzierung der Makrophagen in reife Osteoklasten, die wiederum den Knochenabbau als Aufgabe innehaben (7). Der forcierte Prozess einer Osteoklastenaktivierung durch erhöhte RANK- RANKL Konzentrationen gilt als eine mögliche Erklärung für Knochenresorptionsstörungen in der chronisch tophösen Gicht (7). Ein gesicherter pathophysiologischer Zusammenhang zwischen Uratkristallen selbst und der direkten Aktivierung des RANK-RANKL Systems konnten bislang noch nicht festgestellt werden (7). 2.3 Diagnostik 2.3.1 ACR (American College of Rheumatology) Kriterien 1977 / 2015 Die Diagnostik der Gicht reicht historisch bis in das Jahr 1977 zurück. In diesem Jahr wurden durch die American Rheumatism Association (später American College of Rheumatology) Kriterien zur Evaluierung eines akuten Gichtanfalles veröffentlicht (18). 700 Patienten mit diagnostizierter Gicht, Pseudogicht, rheumatoider und septischer Arthritis wurden damals in Kollektiven erfasst und retrospektiv miteinander verglichen: Von den Gichtpatienten, die einer Gelenkspunktion unterzogen wurden, zeigten 84% den Nachweis negativ doppelbrechender Kristalle (=Uratkristalle), während Patienten der anderen Subgruppen keinen Hinweis auf Uratablagerungen hatten (18). Mit dem Nachweis von Uratkristallen entwickelten sich Gelenksflüssigkeitsaspirationen zum diagnostischen Goldstandard in der Gicht. Aufgrund fehlender Expertise beziehungsweise insuffizienter Durchführungen der Aspirationen wurden zusätzlich klinische und radiologische Kriterien erstellt, um eine diagnostische Alternative zu der invasiven Methodik zu schaffen (18). Mindestens sechs dieser Kriterien mussten nachweisbar sein, um die Diagnose der akuten Gicht zu stellen (18). In Zusammenarbeit mit der European League Against Rheumatism (EULAR) veröffentlichte die ACR im Jahr 2015 neu adaptierte Leitlinien zur Diagnosestellung der Gicht (19). Nach wie vor stellt der invasive und positive Nachweis von Uratkristallen den Goldstandard in der Gichtdiagnostik (19). Kann jedoch keine suffiziente Aspiration gewonnen werden, erfolgt die 6
Diagnose der Gicht über ein Modell aus aktualisierten klinischen, radiologischen und laborchemischen Kriterien (19). 2.3.2 Entwicklung der radiologischen Basisdiagnostik Das Röntgen ist eines der wichtigsten Bestandteile der Basisdiagnostik der Gicht. Bloch et al. veröffentlichten im Jahr 1980 eine retrospektive Studie, in der in einem Zeitraum von 1950 bis 1979 konventionelle Röntgenaufnahmen von 466 Gichtpatienten untersucht wurden (20). Schon damals wurden Tophi mit Gelenksveränderungen und ossären Destruktionen in Verbindung gebracht: Wurde in frühen Erkrankungsstadien im Bereich eines Tophus von milden entzündlichen Bindegewebsschwellungen berichtet, konnten bei fortschreitendem Tophus-Wachstum Bindegewebs-Kalzifikationen, lokale kortikale Knochenschäden und Gelenksspaltannäherungen beobachtet werden (20). Kortikale Destruktionen wurden als Erosionen mit „überhängenden Ecken“ bezeichnet und hauptsächlich im medialen Bereich der ersten Metatarsophalangealgelenke beobachtet (20). Die überhängenden Ecken wurden mit der zunehmenden Resorption und Verdrängung des Knochens durch das Wachstum der Tophi und einer gleichzeitigen reaktiven kortikalen Verdichtung an den Erosions-Enden erklärt (20). Radiologisch fielen parallel ossäre Proliferationen (Osteophyten) überwiegend im Dorsum- Bereich der Füße auf (20). Neben dem konventionellen Röntgen stellt die Sonographie die zweite wichtige Bildgebung in der Grunddiagnostik dar. Es können mithilfe der Sonographie Schleimbeutelentzündungen, Uratablagerungen in Sehnen und Bändern sowie in Knorpelbereichen dargestellt werden (11, 21). 2.3.3 Weiterführende Diagnostik Einen diagnostischen Gewinn in der Detektion von Knochenläsionen erbrachte die Magnetresonanztomographie. Diese Bildgebung wird aufgrund hoher Kosten und Untersuchungsdauer hauptsächlich im Bereich der Differentialdiagnostik und der Darstellung von spinaler Gichtbeteiligung eingesetzt (11, 22). Die Computertomographie konnte im Vergleich zu konventionellen Röntgenaufnahmen keinen Vorteil in der Untersuchung von Gicht-Erosionen darstellen (23). Im Gegensatz dazu stehen die Analysen von Tophi durch die Dual-Energy Computertomographie; mittlerweile ein weiteres bevorzugtes Verfahren in der Gichtdiagnostik bei insuffizienten / unausführbaren Gelenksflüssigkeitsaspirationen. Die DECT Bildgebung wurde 2015 in die ACR Kriterien der Gicht aufgenommen (19). 7
2.3.4 Dual-Energy Computertomography (DECT) Die Dual-Energy Computertomographie wurde ursprünglich im Rahmen der kardialen Prävention entwickelt. Verkalkungen von Herzkranzgefäßen konnten farblich dargestellt und somit frühzeitig koronare Herzerkrankungen untersucht werden (24). Rezente Studien befassten sich im Zuge dieser Bildgebung mit der Diagnostik von Nierensteinen (24). Es konnte erstmals die chemische Zusammensetzung und Lokalisation von Nephrolithen radiologisch dargestellt werden und Uratsteine spektral von Non-Uratsteinen und Verkalkungen differenziert werden (25). Das Prinzip dieser Darstellung wurde schließlich auf die Gichtdiagnostik ausgeweitet und das Vorkommen von kristallinen Harnsäureablagerungen in Gelenken und Weichteilen untersucht (26). Die Dual-Energy Computertomographie gehört zu der Gruppe der Dual Source Computertomographien und stellt eine technische Weiterentwicklung der konventionellen Computertomographien dar: Das Dual Source System besteht aus zwei normal (90 Grad) zueinanderstehenden Röntgenröhren, die jeweils einen eigenen Röntgenstrahler mit unterschiedlichen Spannungsniveaus betreiben (27). Im Rahmen einer Untersuchung werden dadurch Wellenlängen mit unterschiedlichen Energiespektren produziert (27). Dieser Umstand erlaubt es, Körperbestandteile präziser darzustellen und besser voneinander differenzieren zu können, da Gewebe je nach Zusammensetzung Röntgenstrahlen unterschiedlich absorbieren und abschwächen (27). Die Reproduktion der Aufnahmen erfolgt über dreidimensionale Rekonstruktionen (27). Aufgrund der hohen Sensibilität in der Darstellung von Uratablagerungen wurde das DECT mit kurzer Arbeitszeit und reduzierter Strahlenbelastung im Laufe des letzten Jahrzehntes eine der wichtigsten Bildgebungsmethoden in der symptomatischen Hyperurikämie (28). Im Jahr 2015 erfolgte der DECT Einschluss in die ACR Kriterien der Gicht-Diagnostik (19). 2.3.5 High Resolution peripheral quantitative computertomography (HR-pQCT) Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Bildgebungen, spielt das HR-pQCT bisher keine Rolle in der Gicht-Diagnostik. Es wurde in den letzten Jahren vielmehr in Forschungsfragen der Osteoporose und rheumatoider Erkrankungen angewandt und ist wissenschaftlicher Goldstandard im Bereich der Knochendichtemessungen (1). Konzipiert wurde das HR-pQCT in der Schweiz als Produkt der SCANCO Medical AG (29). Als hochauflösende Methode dient 8
es vor allem der in vivo-Beurteilung von Knochenmikroarchitektur im Bereich langer Röhrenknochen, primär im Tibia- und Radius Bereich (29). Es können Aussagen über Knochenaufbau, Knochendichte bis hin zu Fraktur-Risiken getroffen werden und osteologisches Therapieansprechen mit geringer Strahlenbelastung langfristig observiert werden (29). Vorteile gegenüber der gängigeren und kostengünstigeren Osteodensitometrie DXA (Dual Energy X –Ray Absorptiometry) stellen die vergleichsweise niedrige Strahlenbelastung (HR-pQCT: 1-3μSv vs. DXA: < 10μSv vs. Konventionelles Röntgen: 0.03mSV), die dreidimensionale Darstellung und singulär möglichen volumetrischen Dichteberechnungen von Kompakta und Spongiosa, sowie eine Reduktion von diagnostischen Verzerrungen durch Verkalkungen nahe liegender Gefäße oder Sklerosierungen im abgebildeten Untersuchungsbereich dar (29, 30). Die Messungen werden unter Wahl eines ROI (region of interest) durchgeführt (29). Es werden automatisch kortikale und trabekuläre Anteile des untersuchten Knochens in verschiedenen Grautönen nach der Röntgenaufnahme extrahiert, um folgende Messungen zu ermöglichen: volumetrische Knochendichtemessungen des gesamten Knochens, des trabekulären Anteils, sowie des kortikalen Anteils (29). Es kann zusätzlich der Knochenvolumenanteil (Bone volume/ Trabecular volume) analysiert werden (29). Trabekelanzahl, - dicke und - abstand werden durch Algorithmen unter Bezug des Knochenvolumenanteils erfasst (29). Da das Bildgebungsportal eng ist, können nur lange Röhrenknochen eingeführt und untersucht werden (Abbildung 1). Messungen dauern zwischen fünf und acht Minuten (4, 29). Die Anzahl der Aufnahmen obliegt der Schichtdicke, die vom jeweiligen Untersucher eingestellt werden kann. Als Standardprotokoll wird ein Röntgenpotential von 60kVp, ein Röntgenröhrenstrom von 95 mA, eine Matrixgröße von 1536 × 1536 und eine Voxelgröße mit 82x82x82 μm (Auflösung der Rekonstruktion) gewählt (29). 9
Abbildung 1: Darstellung eines HR-pQCT. Quelle: Zeitschrift für Rheumatologie, 2013, Volume 72: Hochauflösende periphere quantitative CT (HR-pQCT) (31) In der Rheumatologie wurde das HR-pQCT bis dato vor allem in der Forschung der rheumatoiden – und Psoriasis Arthritis eingesetzt. Knochenveränderungen, wie das Monitoring von Knochenerosionen und Osteophyten zählen zu den derzeitigen Forschungsschwerpunkten (4, 32, 33). Mithilfe des HR-pQCT wurden Methoden zu Analyse von Knochenresorptionsstörungen entwickelt, die Aussagen zu Auftreten, Form, Lokalisation, Anzahl und Volumen treffen können. Knochenerosionen und Osteophyten unter 0.5 mm in Durchmesser und Tiefe konnten erstmals detektiert werden und zeigten im Vergleich zu konventionellen Röntgenaufnahmen, Magnetresonanztomographien und Computertomographien eine höhere Sensitivität in der Diagnostik (4, 33). 2.4 Knochenveränderungen in der chronischen tophösen Gicht In einer der ersten radiologischen Publikationen zu Analysen von Knochenläsionen im Jahr 1896 wurden Röntgenaufnahmen von Händen mit ausgeprägtem Gichttophusbefall und Gelenksdeformationen veröffentlicht (34). Eine Studie im Jahr 1905 verglich erstmals Gelenksveränderungen von Patienten, die an Gicht und Rheumatoider Arthritis erkrankten (35). Zwei amerikanische Ärzte analysierten hierbei 200 Röntgenaufnahmen und charakterisierten ossäre Proliferationen an Gelenken, Knoten in Phalanxschaftebenen, Knochen- und Knorpelverlust, sowie Gelenksdeformationen bis hin zu Luxationen als radiologische Auffälligkeiten der Arthritis urica (35). Als typische Merkmale wurden ovale, unregelmäßig 10
verteilte Knochenerosionen im Bereich der betroffenen Gelenken beschrieben (35). Diese präsentierten sich als kortikale Destruktionen mit ausladenden, proliferativen Ecken in der Nähe von Uratkristallablagerungen (36). Im Jahr 1979 beschrieb Bloch et al eine Zeitdifferenz von fünf bis 10 Jahren zwischen dem Auftreten von Gichtattacken und den ersten beobachtbaren radiologischen Veränderungen (20, 35). Milde Anfangsstadien wurden durch Bindegewebsschwellungen und Unregelmäßigkeiten der harten Knochenhaut charakterisiert (20). Mit fortschreitenden Uratablagerungen und Tophiwachstum wurden zunehmend Erosionen mit überhängenden Ecken analysiert (20). Es galt die Vermutung, dass Erosionsgröße und Ausprägung von der Tophilast abhängig war; die Ecken wurden durch einen sekundär proliferativen Prozess im Rahmen des intra-ossären Tophi Wachstums und einer Knochenverdrängung erklärt (20). In späteren Stadien der Gicht waren Verkalkungen der umliegenden Bindegewebe, Gelenksspaltenannäherungen, Frakturen oder Gelenksluxationen durch Größenprogredienz von juxta-artikulären und intra-ossären Tophi charakterisierend (35). Gelenks- und Knochenveränderungen wurden überwiegend den ersten Großzehengrundgelenken zugeschrieben (Abbildung 2). Proliferative Veränderungen des Knochens wurden vor allem am Dorsum der Füße beschrieben (20). Im Laufe der Jahrzehnte weiteten sich die Untersuchungsmöglichkeiten aus, die Forschung konzentrierte sich auf den pathophysiologischen Zusammenhang zwischen Uratkristallen und Knochenveränderungen. Durch den Einsatz von Computer- und Magnetresonanztomographien wurde die Sensitivität in der Diagnostik erhöht (37). Knochenerosionen von betroffenen Patienten mit chronisch tophöser Gicht wurden in rund 80% der Fälle an den ersten Großzehengrundgelenken untersucht (38). Die Theorie von knochenverdrängenden Tophi und der dadurch resultierenden Erosionen mit akzentuierten Ecken wurde obsolet. Vielmehr wird aktuell von einer lokalen Entzündungsreaktion und mediierten Enzymproduktion des Tophus ausgegangen, die zu Knochenresorptionsstörungen führen (9, 39). Auch eine granulomatöse Entzündung der Gelenksinnenhäute (=Synovitis) wird als Trigger von Knochenläsionen vermutet (39). Osteoproliferative Veränderungen, wie Osteophyten und Sklerosierungen des umliegenden Bindegewebes, sowie Osteoarthritis und Gelenksspaltenannäherungen wurden mit einem Vorkommen von rund 40% bis 70% an den ersten MTP Gelenken angegeben (38). Osteoproliferative Formationen zeigten höhere Korrelationen mit umgebenden ossären Destruktionen, als mit der Tophusgröße selbst (40). Jedoch konnte ein vermehrtes Auftreten von Osteophyten im Rahmen umliegender intra-ossärer Tophi festgestellt werden, als bei Gelenken ohne Tophilast (40). Die Dauer einer Gichterkrankung konnte in rezenten Studien 11
nicht mit der Last von Gelenksveränderungen in Zusammenhang gestellt werden (9). Der Zusammenhang zwischen Harnsäurekristallablagerungen und Knochenveränderungen beruht derzeit auf Annahmen und kann bis dato pathophysiologisch nicht bewiesen werden. Mit der hochauflösenden Computertomographie von SCANCO entwickelte sich ein neues Zeitalter der Knochendiagnostik. Im Jahr 2011 wurde die Studiengruppe „X-treme Computertomographie in der Rheumatoiden Arthritis“ (SPECTRA) für die Erforschung und Optimierung der Diagnostik im Rahmen peri-artikulärer Knochenveränderungen gegründet (41) . In Hinblick auf den vermehrten Gebrauch des HR-pQCT wurde 2016 eine Definition von ossären Destruktionen veröffentlicht, die einen kortikalen Bruch in mindestens zwei Schichtbildern und zwei Ebenen offiziell als Erosion anerkennt (41). Diese Definition spiegelt sich in Hinblick verschiedener manueller, semi-automatischer und automatischer Untersuchungstechniken wider, die für die Detektion von Erosionen über die Jahre mit dem Fig. 1 HR-pQCT entwickelt wurden und noch keiner offiziellen Validierung unterliegen (41, 42). Es existieren bis dato keine Daten über die Verwendung des HR-pQCT in der Gicht. Abbildung 2: Anatomie des rechten Fußes. (A): dorsale Ansicht, (B): plantare Ansicht Quelle: Mayo Clinic Proceedings, 1994, Volume 69: Foot Biomechanics During Walking and Running (43) e den. 12 e i er en s der und Mayo Clinic Proceedings 1994 69448-461DOI: (10.1016/S0025-6196(12)61642-5) gt. Copyright © 1994 Mayo Foundation for Medical Education and Research Terms and Conditions
3. Das Studiendesign 3.1 Rekrutierung der Patienten Insgesamt wurden 40 Probanden über die Rheumatologische Studienambulanz der Universitätsklinik Erlangen – Nürnberg rekrutiert: 20 Patienten, die basierend der EULAR/ACR Kriterien von 2015 unter chronisch tophöser Gicht litten (15 Männer und fünf Frauen im Durchschnittsalter von 58.7±10.3 Jahren) formierten die Testgruppe, 20 Probanden (12 männlich, acht weiblich, Durchschnittsalter 54.2±9.6 Jahre) ohne rheumatologischen, osteologischen oder autoimmunologischen Hintergrund bildeten die Vergleichsgruppe. Patienten der Vergleichsgruppe wurden durch Flyer, Werbung oder über Patienten der Testgruppe rekrutiert. Die Teilnahme erfolgte auf freiwilliger Basis ohne finanzielle Entschädigung. Eine schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme an der Studie und Durchführung einer HR-pQCT Messung wurde von allen teilnehmenden Patienten eingeholt. Ein Aufklärungsbogen mit Informationen zur Durchführung, der Risiken und Nebenwirkungen der Messungen wurden ausgehändigt und nach Aufklärung von jedem Patienten unterzeichnet. Patienten der Testgruppe unterlagen den EULAR/ACR Kriterien von 2015 und mussten einen Tophi Befall an einem der beiden ersten Metatarsophalangealgelenke aufweisen. Die Seite der betroffenen Fußgelenke war nicht relevant. Frakturen, Bisphosphonat-Einnahmen, sowie aktive rheumatologische oder Krebserkrankungen führten zum Ausschluss aus der Testgruppe. Die Kontrollgruppe durfte weder rheumatologische noch immunologische Erkrankungen aufweisen. Frakturen der unteren Extremitäten, Osteoporose, jegliche Formen der Zuckererkrankung oder maligne Erkrankungen waren strenge Ausschlusskriterien. Demographische Daten wie Geschlecht, Alter, BMI und klinische Daten wurden erhoben. Es erfolgte die Erfassung des körperlichen Zustands durch das TIQ Assessment Questionare, Health Assessment Questionnaire (HAQ), den Disease Activity Score 28 (DAS 28) und die Short Form Health Survey (SF 36). Das C- reaktive Protein, die Blutsenkungsgeschwindigkeit und der Harnsäurespiegel der Testgruppe wurden zur Zeit der HR-pQCT Messung erfasst. Die Studie wurde durch die Ethik-Kommission der Medizinischen Universität Erlangen – Nürnberg geprüft und zugelassen. Die Studie wurde gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt. 13
3.2. Bildgebungen und Messungen Die Teilnehmer der Testgruppe erhielten insgesamt drei Bildgebungen eines ausgewählten Großzehengrundgelenkes. In den ersten zwei Durchgängen erfolgten DECT Analysen, im dritten Schritt die Durchführung einer HR-pQCT. Die Aufnahmen beider DECT Untersuchungen wurden aus den klinischen Patientenregistern retrospektiv erhoben, erneut analysiert und ausgewertet. Es handelte sich hierbei um DECT Aufnahmen aus einem Zeitraum der Jahre 2012 bis 2015. Die Kontrollgruppe wurde von den Tophi-Messungen der DECT Bildgebungen ausgeschlossen und erhielt ausschließlich eine HR-pQCT Messung eines beliebigen Großzehengrundgelenkes. 3.2.1 DECT Messungen Insgesamt wurden zwei DECT Messungen mit einem Abstand von mindestens sechs Monaten durchgeführt. Die erste DECT Bildgebung fand zum Zeitpunkt der größten Tophi Last im Bereich eines Großzehengrundgelenkes statt; die zweite Messung nach Einleitung einer harnsäuresenkenden Therapie im Bereich derselben Testregion. Im Rahmen der Messungen stand ein Dual X-ray tube 128-detector row scanner (Somatom Definition Flash) der Marke Siemens (Medical) zu Verfügung (44). Alle Scans wurden mit einer Kollimation von 128 × 0,6 mm und einem Pitchfaktor von 0,7 durchgeführt (44). Die Röntgenröhre 1 wurde mit einer Stärke 80 kV / 260 mA und die Röhre 2 mit einer Stärke von 140 kV / 130 mA betrieben (44). Die Patienten wurden auf dem Rücken gelagert und mit den Füßen in Plantarflexion vorwärts im DECT platziert (44): Der Scan arbeitete in kraniokaudaler Richtung, beginnend 5 cm proximal des oberen Sprunggelenkes ziehend zu den Zehenspitzen. Die Aufnahme erfolgte in axialer Ebene (44). Zwei Mediziner (Syn.: Reader), trainiert und erfahren in der Analyse von DECT Bildern, evaluierten die DECT Aufnahmen der zwanzig Gichtpatienten und beurteilten Tophi des ersten Metatarsophalangealgelenkes mithilfe einer speziellen Volumenkalkulationssoftware von Syngo (Siemens Medical, Erlangen) über eine Arbeitsstation von MultiModality (Siemens Medical, Erlangen). Bei den Bewertungen wurden alle drei Aufnahmeebenen (koronale, axiale und sagittale Ebene) berücksichtigt. Für die Volumenanalyse wurden die Tophi manuell konturiert und das Volumen automatisch berechnet. Beide Reader waren zueinander und den klinischen Daten der zwanzig Gichtpatienten verblindet. Um die intra-Reader Reliabilität zu gewährleisten, wurden die Auswertungen nach sechs Monaten wiederholt (Abbildung 3). 14
Abbildung 3: DECT Aufnahmen eines Fußpaares (dreidimensional rekonstruiert). Violette Sedimente stellen Kalkablagerungen dar, grüne Sedimente präsentieren Uratkristallablagerungen. Hier werden Uratablagerungen an der medialen Seite des ersten MTP links dargestellt. Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen 3.2.2 HR-pQCT Messungen Die Anwendung des HR-pQCT wurde erstmalig an den Metatarsophalangealgelenken durchgeführt. Untersuchungseinstellungen wurden mithilfe von humanen Kadaver Füßen in Zusammenarbeit mit dem Anatomischen Institut der Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg durchgeführt. Es konnten dadurch die genaue Lokalisation des Probandenfußes im Gerät, die Schichtdicke und Schichtanzahl der Aufnahmen, die benötigte Auflösung und Dauer der Messungen bestimmt werden. Zur Durchführung der Großzehengrundgelenksmessungen fanden die Positionierungen der Patienten in Bauchlagerung statt. In Dorsalflexion wurde der ausgewählte Fuß in einer Plastikschiene bis zum oberen Sprunggelenk befestigt und in das enge Portal des HR-pQCT platziert (Abbildung 4). Die andere untere Extremität wurde dorsal abgewinkelt am Gerät aufgestützt. In dieser Position erfolgten die Messungen von proximal (Basis des ersten Metatarsophalangealgelenkes) nach distal (Zehenspitzen). 296 Schichtbilder wurden pro Bildgebung angelegt. Eine Messung dauerte insgesamt acht Minuten. Die nominale Auflösung wurde mit 123 μm3 errechnet. 15
Abbildung 4: HR-pQCT und Proband. Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen Nach Erhebungen der vierzig HR-pQCT Aufnahmen, wurden die Bilder im DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) Format gesichert und anonymisiert. Die Auswertungen erfolgten über den Open Source Digital Imaging and Communication in Medicine viewer der OsiriX software (Version 5.8.2; 32-bit). Alle 296 Schichtbilder wurden einzeln gesichtet und Erosionen sowie Osteophyten ausgemessen. Die HR-pQCT Bildgebungen der Gichtpatienten wurden nach der zweiten Sequenz der DECT Bildgebungen durchgeführt. Zwei Mediziner evaluierten die Aufnahmen hinsichtlich der Existenz von Erosionen und Osteophyten. Sie waren zueinander, zu den Ergebnissen der DECT Aufnahmen und zu den Patientendaten verblindet. Die Aufnahmen wurden mittels einer manuellen und einer automatischen Volumensberechnung evaluiert. Die Auswertungen wurden in einem Abstand von sechs Monaten wiederholt. 3.2.3 Grundlagen der Datenerhebung Für die Analysen von Osteophyten und Erosionen wurde das erste MTP im Rahmen der zweidimensionalen DECT und HR-pQCT Aufnahmen in folgende Bereiche eingeteilt: 1. Proximaler Bereich: Metatarsales Köpfchen (Q1/Q2/Q3/Q4) 2. Distaler Bereich: Basis des ersten Phalanx (Q1/Q2/Q3/Q4) 3. Mediales Sesambeinchen (Q5) 4. Laterales Sesambeinchen (Q6) Der proximale und distale Anteil des MTP wurde in insgesamt acht Quadranten unterteilt: (Q1) frontale, (Q2) mediale, (Q3) dorsale und (Q4) laterale Bereiche (Abbildung 5). Jede Aufnahme 16
wurde unter Durchsicht der koronalen (Frontalansicht), sagittalen (Seitenansicht) und axiale Ebenen (transversale Ansicht) analysiert. Abbildung 5: HR-pQCT Aufnahme, 1 MTP rechts. Metatarsales Köpfchen unterteilt in 6 Quadranten. Koronale Ansicht Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen Manuelle Berechnungen Nach Sammlung der 40 HR-pQCT Messungen wurden die Aufnahmen in DICOM Dateien umgewandelt, anonymisiert und der Software OsiriX für die manuelle Auswertung von Erosionen und Osteophyten zugespielt. Erosionen wurden ausgemessen, sobald diese in mindestens zwei Körperebenen waren und in der koronalen Ebene einen kortikalen Bruch aufwiesen (33). An der Stelle des größten Durchmessers wurde Länge und Tiefe der Erosion bemessen und berechnet (33). Alle aufzufindenden Erosionen wurden summiert, für die manuellen Volumensberechnungen jedoch die größte Erosion pro Quadrant verwendet. Folgende Formel kam zur Verwendung: • Verosion=π*widthtransversal*widthsagittal*diameter/6 (Erosionen in Q1 und Q3) (33). • Verosion=π*widthcoronal*widthtransversal*diameter/6 (Erosionen in Q2 und Q4) (33). Zur Detektion von juxta-artikulären Knochenproliferationen (Osteophyten) mussten diese ebenfalls in der koronalen Ebene sowie in mindestens einer der beiden anderen Ebenen ersichtlich sein (32). Gemessen wurde die Länge von der kortikalen Basis bis zum Ende des Osteophyten-Dorns (32). Alle aufzufindenden Osteophyten wurden ausgemessen, für die endgültigen Volumensberechnungen jedoch die Länge des größten Osteophyten pro Quadrant verwendet (Abbildung 6). 17
Abbildung 6: Darstellung von Erosionen und Osteophyten, HR-pQCT, MTP1 rechts. (A-C): Erosionen Darstellung durch grüne Fokusmarkierung. (D-F): Osteophyten Darstellung durch grüne Fokusmarkierung. (Von links nach rechts: Koronale, axiale und sagittale Ebene.) (MTH: Metatarsales Köpfchen; PH: Basis des ersten Phalanx; MS/LS: Mediales und Laterales Sesambeinchen). Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen (45) 18
a" a" b" b" A" B" C" D" E" F" Abbildung 7: Erosionserfassung über OsiriX und SCANCO (MTP1 rechts). (A-C): OsiriX Software: a) Markierung der Tiefe mit b) Markierung der Länge einer Erosion in mindestens zwei Ebenen. (D-F): SCANCO Software: Auszug einer manuellen Erosions-Konturierung über jedes Schichtbild. (Weiße Pfeile dienen als Lokalisationshilfe). (Von links nach rechts: Koronale, axiale und sagittale Ebenen) Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen (45) Mithilfe der SCANCO medical Xtreme CT software wurden Erosionen, die bereits über das Programm OsiriX ermittelt wurden, ein zweites Mal analysiert. Alle über OsiriX erhobenen Erosionen wurden mit der SCANCO Software von Beginn bis zu ihrem Verschwinden Schichtbild über Schichtbild in ihrem Ausmaß konturiert (Abbildung 7). Es fand hier keine Unterteilung in Quadranten statt. Nach Beendigung der Konturierung aller Erosionen eines Großzehengrundgelenkes wurde die bearbeitete Graphik in eine GOBJ-Datei umgewandelt und über ein Standardprotokoll das Gesamtvolumen der konturierten Regionen erhoben. 19
3.3 Statistische Auswertungen Statistische Resultate erfolgten über SPSS (IBM SPSS statistics, version 23.0.0, Chicago). Für den Vergleich der Gichtpatienten und der gesunden Probanden wurde der Mann-Whitney U Test, sowie c2-Tests hinzugezogen. Die Dynamik der Tophi von den ersten zu den zweiten DECT Messungen wurde durch Wilcoxon beschrieben. Die Spearman Korrelation wurde verwendet, um den Zusammenhang von Tophi und Knochendestruktionen zu beschreiben. Die Werte wurden in Mittelwert +/- Standardabweichung, sowie Median (minimum- maximum) beschrieben. Die Inter-Reader Reliabilität wurde mittels Crohnbachs alpha und die Intra-Reader Reliabilität mittels Intraklassenkorrelation Koeffizient (ICC) ermittelt. 4. Auswertungen der Messungen 4.1 Demographische Daten 20 Gichtpatienten (15 Männer und fünf Frauen im Durchschnittsalter von 58.7 +/- 10.3 Jahre) und 20 gesunde Kontrollen (12 Männer und acht Frauen im Durchschnittsalter von 54.2 +/- 9.6 Jahre) nahmen an dieser Studie teil. Es konnten keine signifikanten Unterschiede in Alter (p=0.16), Geschlechtsverteilung (p=0.31), BMI (p=0.30), Alkoholzufuhr (p=0.74) und Nikotinabusus (p=0.52) beobachtet werden. Die mittlere Erkrankungsdauer der Gicht betrug 12.1 +/- 8.3 Jahre. Gichtpatienten präsentierten eine Harnsäure von 5.8+/- 2.7 mg/l im Serum, sowie ein C-reaktives Protein von 7.2+/- 11.8 mg/l. Die demographischen Charakteristika (Geschlecht, Alter, sowie BMI), Krankheitsspezifische Charakteristika (Krankheitsdauer, HAQ-DI, DAS28 sowie SF36) und Gichtspezifische Therapien sind in der folgenden Tabelle 1 aufgelistet. 4.2 Tophi und die automatische DECT - Volumenanalyse Das mediane Tophus Volumen der ersten Metatarsophalangealgelenke der zwanzig Testpatienten betrug 0.12 mm3 (0.01 – 2.53 mm3) in der ersten DECT Messung; in der zweiten Messung schrumpfte das mediane Volumen der Tophi auf 0.01 mm3 (0,01 – 0.21 mm3) und zeigte somit im Wilcoxon Test einen p Wert von
Gicht Kontrollen p-Wert Probandenanzahl 20 20 Geschlecht (m / w) 15/5 12/8 0.31 Alter (Jahre) 58.7±10.3 54.2±9.6 0.16 Größe (cm) 174.9±9.1 172.6±8.3 0.24 Gewicht (kg) 87.3±23.4 80.3±19.4 0.31 BMI 28.2±6.3 26.7±4.4 0.30 Alkoholgenuß; N (%) 13 (65.0) 12 (60.0) 0.74 Nikotinabusus, N (%) 9 (45.0) 7 (35.0) 0.52 Krankheitscharakteristika Dauer der Gichterkrankung (in Jahren) 12.1±8.3 - - Muskuloskelettale Symptomatik Tender joint count 68 (N) 2.5±3.6 - - Swollen joint count 66 (N) 0.6±1.4 - - VAS Skala (mm) 4.1±5.4 - - HAQ-DI score (Einheiten) 0.6±0.7 - - Laborchemische Parameter Harnsäure (mg/L) 5.8±2.7 - - C-reaktives Protein (mg/L)§ 7.2±11.8 - - Therapien* Allopurinol N (%) 6 (30.0) - - Febuxostat N (%) 10 (50.0) - - Pegloticase N (%) 1 (5.0) - - Urikosurische Therapien N (%) 1 (5.0) - - Keine Medikation 4 (20.0) Alle Parameter werden in Mittelwert mit Standardabweichung angeführt. (BMI: body mass index; VAS: Visuelle Analogskala; HAQ-DI: health assessment questionnaire-disability index) Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen (45) 4.3 HR-pQCT Analysen der Probanden 4.3.1 Erosionen: Anzahl und Volumen in der Analyse Die mediane Anzahl von Knochendestruktionen der ersten Metatarsophalangealgelenke betrug 5 (0 – 17) in Gichtpatienten und 1 (1 – 2) in den gesunden Probanden (p
Interreader (Crohnbach`s Alpha) Reliabilität stellte sich mit 0.909 für die Anzahl der Knochendestruktionen und 0.905 für deren Volumina dar. Der Intraklassenkoeffizient der Anzahl von Knochenläsionen betrug 0.887, während er für die Volumina 0.898 darstellte. 4.3.2 Osteophyten: Anzahl und Volumen in der Analyse Die mediane Anzahl von Knochenproliferationen betrug 10,5 (0-26) in Gichtpatienten, 1 (0-10) in der gesunden Kontrollgruppe. Die mediane Länge präsentierte sich mit 4.93 mm (1.91-7.19 mm) in Gichtpatienten, mit 0.93 mm (0.7-7.61mm) in gesunden Kontrollgruppen. 4.4 Tophi, Erosionen und Osteophyten in Distribution und Korrelation Alle 20 Patienten präsentierten Tophi im medialen metatarsalen Bereich des ersten MTP Gelenkes. Hier fanden auch Erosionen ihr prädominantes Vorkommen: 85% der Testgruppe zeigte osteodestruktive Läsionen im ersten MTP, wiederum 88% davon Läsionen im medialen Bereich des Metatarsalköpfchens (Abbildung 8/9). Als zweithäufigste Lokalisation war das mediale Sesambeinchen von Destruktionen betroffen. Ähnliches zeigte sich in der Kontrollgruppe, wo nur fünf der insgesamt zwanzig Probanden kortikale Erosionen aufwiesen. Mit Ausnahme eines Probanden, der zusätzlich eine dritte Erosion im distalen Sesambeinchen präsentierte, waren alle auffindbaren Erosionen der fünf Probanden ausschließlich auf den medialen Anteil des metatarsalen Köpfchens und den Bereich des medialen Sesambeinchens konzentriert. In Form und Ausprägung waren die Erosionen der gesunden Probanden im Durchmesser kleiner und flacher als die der Gichtpatienten. Es zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen dem Gesamtvolumen der Tophi der ersten DECT Messung mit den manuell berechneten OsiriX Evaluationen der Erosionsvolumina (r=0,471, p=0,036), sowie der Anzahl der Erosionen (r=0.454, p=0.044). Es konnten hingegen keine Korrelationen zwischen den zweiten DECT Messungen und der Gesamtanzahl bzw. dem Gesamtvolumen der Erosionen beobachtet werden (r=-.263, p=0.307; r=-.126, p=0.629). In den automatisierten SCANCO Auswertungen präsentierten sich wesentlich stärkere Korrelationen zwischen den Gesamtvolumina der Erosionen mit dem Tophi Volumen der ersten DECT Messung (r=0.599, p=0.005). Ähnlich den primären OsiriX Berechnungen, konnte auch mit der SCANCO Software keine Korrelation zwischen Erosionen und der zweiten DECT Messung nachvollzogen werden (r=-.146, p=0.575). Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Volumen der Erosionen und der Dauer der Gichterkrankung (Spearman rank test: r=0.404, p=0.107) nachvollzogen werden. 22
Es konnten keine Zusammenhänge zwischen Osteophyten in Anzahl und Länge mit den Volumina der Tophi gefunden werden. Jedoch konnte in beiden Gruppen eine Nähe von Osteophyten zu Erosionen festgestellt werden (r=0.713, p
MS LS" MTH PH MTH LS" MS" PH MS MTH MTH! LS MS Abbildung 9: Erstes Metatarsophalangealgelenk eines Gichtpatienten links (DECT/HR-pQCT). (A-B): Dreidimensionale DECT Aufnahme; Violette Sedimente stellen Kalkablagerungen dar, grüne Sedimente präsentieren Uratkristallablagerungen. (C/D): HR-pQCT Aufnahme, koronale Ansicht: mittig und seitlich zwei Erosionen am metatarsalen Köpfchen, sowie einzelne Erosionen an beiden Sesambeinchen. ( (E/F): dreidimensionale Darstellung des MTP; (E): zwei Erosionen am metatarsalen Köpfchen, sowie eine am medialen Sesambeinchen; (F): Schnitt durch das MTP, zwei Erosionen im Bereich des metatarsalen Köpfchen. (MTH: Metatarsales Köpfchen; PH: proximaler Anteil des ersten Phalanx; MS: Mediales Sesambeinchen; LS: Laterales Sesambeinchen). Quelle: Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen 24
5. Ein kleiner Meilenstein mithilfe des HR-pQCT Das Verhältnis zwischen osteodestruktiven Erscheinungen und der chronischen tophösen Gicht ist ein diskutiertes Thema in der Rheumatologie. Die vorliegende Studie soll sowohl einen zusätzlichen Mehrwert in der Klärung dieser komplexen Fragestellung als auch eine Gelegenheit bieten, die Diagnostik in rheumatologischen Fragestellungen zu ergänzen. Das HR-pQCT wurde erstmalig im Bereich des Großzehengrundgelenkes eingesetzt. Mit einer kleinen Untersuchungsfläche und damit einhergehenden Reduktion der Schichtbilder in Anzahl und Dicke war die Verminderung der Auflösung (von 86 μm3 auf 123 μm3) notwendig. Dies löste keinen diagnostischen Nachteil für die Analysen aus: Erosionen unter 0.5mm konnten problemlos extrahiert werden. Dieser Umstand reflektiert die hohe diagnostische Sensibilität des HR-pQCT im Vergleich zu anderen Bildgebungen (4). Insbesondere im Bereich der Gicht, wo bereits vermehrt über das Auftreten von Knochen – und Gelenksläsionen unter Uratablagerungen berichtet wurde, war die erstmalige Anwendung des HR-pQCT ein wichtiger Schritt. Ob Uratablagerungen oder Tophusformationen selbst Erosionen induzieren beziehungsweise beeinflussen ist einer der interessantesten Fragestellungen (8, 16). Die hier mit dem HR-pQCT durchgeführten Aufnahmen zeigten eine unverhältnismäßige Häufung von Erosionen und Osteophyten im Bereich der Großzehengrundgelenke bei Gichtpatienten im Vergleich zu gesunden Probanden. 17 der 20 Gichtpatienten wiesen osteodestruktive Läsionen auf, die sich in Anzahl und Größe deutlich zu denen der nur fünf betroffenen Vergleichsprobanden unterschieden. Während die Testgruppe teilweise ausgeprägte in die Tiefe reichende Erosionen präsentierte, waren die Knochenläsionen der gesunden Probanden klein und flach, allesamt vereinzelt im medialen Bereich der Großgrundzehengelenke vertreten. Eine Gemeinsamkeit der 40 Probanden war dennoch die Lokalisation der resorptiven Ereignisse: vorwiegend der mediale Bereich der ersten metatarsalen Köpfchen war in beiden Gruppen durch Erosionen geprägt. Eine Erklärung für diese Kumulation könnte eine erhöhte Abnutzungs- und dadurch Läsionstendenz in diesem Bereich im Laufe eines Menschenlebens sein (9). Befinden sich zusätzlich Uratablagerungen oder Tophi an diesen Lokalisationen, wie es bei 19 von 20 Testpatienten in dieser Studie der Fall war, könnte von einem forcierten pathophysiologischen Effekt der Uratablagerungen auf den Knochenstoffwechsel ausgegangen werden. Die erfasste Korrelation zwischen dem Volumen des größten Tophus pro Gelenk und der Gesamtanzahl und -volumina der auffindbaren Erosionen unterstützt die Theorie der Stimulation von Osteoklasten (7, 17). Ob Uratkristalle selbst oder der gesamte Tophuskomplex 25
für die Resorptionsstörungen verantwortlich sind, kann mit dieser Studie nicht beantwortet werden. Zu beachten ist jedenfalls, dass ein direkter Vergleich zwischen dem Volumen eines einzelnen Tophus und dem Volumen von Erosionen in direkter Nähe keine signifikanten Korrelationen ergab (8). Für diese Fragestellung und Klärung des lokalen Pathomechanismus sind Langzeitstudien mit einem größeren Patientenkollektiv notwendig. Neben der erstmaligen Anwendung des HR-pQCT für Analysen des Großzehengrundgelenkes bei Gichtpatienten, der Untersuchung von kleinsten osteodestruktiven Veränderungen unter hoher Auflösung und dem Nachweis eines erhöhten Erosionsbefalles im Rahmen einer tophösen Gicht, konnte eine weitere Beobachtung gemacht werden: Es wurden keine Veränderungen der Erosionen in Hinblick auf die Volumensreduktion der Tophi im Verlauf der Erkrankung beobachtet. Die signifikanten Korrelationen zwischen Tophi und Erosionen waren in den ersten DECT Messungen, also zum Zeitpunkt der höchsten Tophilast zu verzeichnen. Patienten erhielten im Rahmen der Befunde die Einleitung oder Umstellung einer harnsäuresenkenden Therapie, mindestens 6 Monate (im Median 374 Tage) später wurde eine zweite DECT Messung durchgeführt. Es zeigte sich eine deutliche Reduktion der Gesamt-Urat Last von 0.12 mm3 (0.01 – 2.53 mm3) auf 0.01 mm3 (0,01 – 0.21 mm3) pro MTP, jedoch keine Korrelation zwischen Erosionen und Tophi in der zweiten DECT Messung (r=-.146, p=0.575). Selbstverständlich kann von einem zu geringen Therapiezeitfenster zwischen den zwei DECT Messungen für die benötigte Rekonvaleszenz des Knochen ausgegangen werden, die Beobachtung ist jedoch kongruent zu rezenten Untersuchungen, die eine Urat-Regression nicht mit einer Verbesserung von Knochendestruktionen gleichsetzen (46). Hinsichtlich der Osteophyten ergab sich das Bild einer diffusen Verteilung bei der Test- und Vergleichsgruppe. Osteophyten waren in Anzahl und Größe in der Testgruppe (im Vergleich zu den gesunden Probanden) überrepräsentiert. Es konnte keine Korrelation zu Tophi in der ersten und zweiten DECT Phase gefunden werden, jedoch eine signifikante Korrelation zur Erosionslast (r=0.713, p
Durchmesser einer Erosion schien im Vergleich den gesamten kortikalen Knochenverlust deutlich zu unterschätzen. Die Studie wies Limitationen auf: Zum einen sollte die Kausalität der Daten im Zuge der niedrigen Patientenzahl mit Vorsicht interpretiert werden. Dahingehend ist eine Langzeitstudie mit größerem Patientenkollektiv wünschenswert. Es wurde eine mögliche Beziehung zwischen Tophi und resorptiven Knochenläsionen beschrieben; inwieweit Uratablagerungen oder ein Tophus in seiner Gesamtheit die resorptiven Prozesse induzieren beziehungsweise beeinflussen, kann durch diese Studie nicht erklärt werden. In den HR-pQCT Anwendungen waren sowohl die lange Liegedauer als auch die Plantarflexion eine große Schwierigkeit. Ab einem gewissen Frequenzgrad von Bildartefakten, die durch Patientenbewegungen während der Aufnahme zustande kamen, mussten Probanden aus der Studie ausgeschlossen werden. Ein bereits etabliertes Wertungssystem für Handaufnahmen im Rahmen des HR-pQCT wurde verwendet und für das erste Großzehengrundgelenk adaptiert (2). Dieses System gilt es jedoch für Fußaufnahmen zu optimieren und wäre ein Thema für zukünftige Studien. Das langfristige Ziel zur Klärung der Beziehung zwischen Uratablagerungen und dem humanen Knochenstoffwechsel verlangt eine Langzeitstudie, die ebenfalls im Rahmen von Therapiemöglichkeiten akkurate Analysen zu Knochenresorptionsstörungen und gleichzeitig den Blick auf mögliche Reparaturmöglichkeiten bietet. Ein einheitliches Wertungssystem sollte mit Hinblick auf bessere Vergleichsarbeiten konzipiert und validiert werden. 27
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