Abteilung Naturförderung Bericht 2020 - Wirtschafts-, Energie ...
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Abteilung Naturförderung Bericht 2020 LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern Abteilung Naturförderung April 2021
Impressum Herausgeberin Amt für Landwirtschaft und Natur Abteilung Naturförderung info.anf@be.ch, www.be.ch/natur Lektorat klartext umwelt GmbH Layout co.dex production ltd. ISSN 2235-2392 (Print) ISSN 2235-2716 (Internet) Druck Haller + Jenzer AG, Burgdorf www.haller-jenzer.ch Gedruckt auf «Everprint Premium», 100 % Recycling März 2021 Titelbild: Zahneidechse ♂, Urs Känzig-Schoch Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 2/48
Vorwort «Systemrelevant» ist das Wort des Jahres 2020 für die Deutsch- Doch es gibt auch viel Erfreuliches zu berichten. Die nachfol- schweiz. Intuitiv erahnen wir, was damit wohl gemeint ist. Doch genden Beiträge im Tätigkeitsbericht sind eine kleine Auswahl zur Sicherheit werfen wir doch noch einen Blick in Wikipedia: «Als davon. Besonders hervorzuheben sind jedoch diverse Personal- systemrelevant (… englisches Schlagwort dazu too big to fail …) entscheide unseres Direktors. So bekommt die ANF ab Anfang werden Unternehmen, kritische Infrastrukturen oder Berufe be- 2021 einen zusätzlichen Schutzgebietsbetreuer. Nun verteilt sich zeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder die Betreuung der 240 kantonalen Naturschutzgebiete neu auf infrastrukturelle Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz drei und nicht wie bisher auf zwei Personen. Zusätzlich konnten oder Systemrisiken nicht hingenommen werden können oder ihre ebenfalls auf Anfang 2021 befristete Stellen im Fachbereich Stel- Dienstleistung besonders geschützt werden muss.» lungnahmen und Beratung in unbefristete umgewandelt werden. Dass dies dringend nötig ist, hat ein externes Gutachten gezeigt. Hier liegt der Hund begraben: Der Blick auf das System ist wie Ein Entscheid, der auch für Leitbehörden und Gesuchstellende so oft ein ausschliesslich ökonomischer. Dabei erbringt die Bio- positiv ist. So kann die positive Entwicklung bei der Termintreue diversität eine breite Palette an Ökosystemleistungen, die für den der Amts- und Fachberichte fortgeführt werden und die Be- Menschen wichtig sind. So hat der Lockdown im Frühjahr 2020 ratung etwas intensiviert werden. Für die Betreuung der Wyss einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig Natur und Landschaft Academy-Projekte der ANF konnten zudem befristet 1,4 Stellen für die Erholung des Menschen sind1. Es wurde auch sichtbar, besetzt werden. Und auch von den drei zusätzlichen Wildhüter- wie wenig Gebiete für die Bevölkerung tatsächlich attraktiv sind stellen profitiert die ANF bzw. die Natur. Die Wildhut bekommt so - besonders häufig sind es Naturschutzgebiete und revitalisierte etwas mehr «Luft» für die Naturschutzaufsicht. Wir sind Chris- Gewässerabschnitte. Zumindest im Mittelland erbringt die «Nor- toph Ammann für diese nicht selbstverständlichen Entscheide mallandschaft» diese Ökosystemleistung grossflächig nur noch sehr dankbar. sehr beschränkt. Dies trifft wohl auch auf andere Leistungen zu, wie zum Beispiel der Trinkwasserproduktion. Deshalb sei daran Dankbar bin aber auch ich. Denn ich darf eine spannende und erinnert, was Max Frisch und Lucius Burkhardt bereits 1955 fest- herausfordernde Aufgabe mit einem tollen und engagierten Team gestellt haben: «… das Schweizer Mittelland hat aufgehört, eine wahrnehmen. Wenn man als Abteilungsleiter die Mitarbeitenden Landschaft zu sein; es ist nicht Stadt, auch nicht Dorf. Es ist ein selbst dieses Jahr eher etwas bremsen als antreiben muss, ist Jammer …»2. man privilegiert. Dafür allen ein ganz herzliches Dankeschön! Die Feststellungen aus dem Lockdown sind erfreulich und be- Urs Känzig-Schoch, Leiter Abteilung Naturförderung denklich zugleich. Erfreulich ist, dass die Bevölkerung die Qualität von natürlichen und naturnahen Lebensräumen wahrnimmt und schätzt. Dies bietet die Chance, dass Massnahmen zum Erhalt und zur Förderung dieser Gebiete breit akzeptiert werden oder sogar erwünscht sind. Bedenklich sind jedoch die Erfahrungen P. S. das Wort «systemrelevant» hat bereits 2013 einmal gewon- aus dem letzten Frühjahr. Der Besucherdruck auf diese natur- nen – damals allerdings als Unwort des Jahres. Gemäss Jury sei nahen Restflächen hat nochmals zugenommen. Beispiele sind das Wort ein Hohn. «Tanze ein Geldinstitut dem Rechtssystem Littering im grossen und häufig auch unappetitlichem Stil, 4WD- lange genug auf der Nase herum, etwa indem es von der UBS Übungen in Gewässern, wildes Campieren und Feuern, miss- amerikanische Steuersünder als Kunden übernehme, werde es achten von Betretverboten usw. Das Bewusstsein für die Folgen für systemrelevant erklärt.» (Quelle: Website des Tagesanzeigers). dieser Störungen sind offenbar noch zu wenig bekannt oder – schlimmer – werden in Kauf genommen. Die Arbeit geht der ANF nicht aus und bleibt weiter eine Herausforderung. 1 Der ökonomische Wert von wertvollen Natur- und Kulturlandschaften beträgt für die kommerzielle Nutzung im Tourismus 19,3 Milliarden Franken pro Jahr (Quelle: economiesuisse, Dossierpolitik #2 / 20) 2 Aus: Achtung die Schweiz - Basler Politische Schriften 2 / Verlag F. Handschin, Basel (1955) Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 3/48
Inhaltsverzeichnis Impressum 2 Vorwort 3 Inhaltsverzeichnis 4 Schwerpunktthemen 5 Mehr Schub dank Wyss Foundation 5 Oltigenmatt – Sieben neue Weiher für den Laubfrosch 8 Aufwertung Feuchtgebiet Ziegelmoos 10 Heidenweg - Rückeroberung durch die Natur 12 Gelbbauchunken im Naturschutzgebiet Laupenau 14 Künstliche Totholzverklausungen an der Sense 15 Mehr Platz für die Emme 16 Neue Chancen im Naturschutzgebiet 18 Mumenthalerweiher-Brunnmatte 18 Die Stadt Burgdorf kümmert sich um ihre Naturwerte 20 Erfolgskontrolle der Hochmoorregeneration in Wissenbach West 22 Tourbière des Pontins – Bilan de dix ans de pâture 24 Auf der Pirsch nach trittempfindlicher Vegetation 26 Lässt sich das Risiko einer Verbuschung vorhersagen? 28 Pilotprojekt «Regionale landwirtschaftliche Strategie Oberaargau» 30 Platz, Geld, Zeit und ein grüner Daumen - das sind einige der Schlüsselwerte für die erfolgreiche Vermehrung seltener Wildpflanzen 32 Landschaftsqualitätsbeiträge für Krokusse und Narzissen in Wiesen und Weiden 34 Pflege von Trockenwiesen und soziale Integration – ein Erfolgsrezept 36 Wirkungskontrolle 1999 bis 2019 36 Heckenrichtlinie ab Sommer 2021 38 Zahlen und Fakten 40 Ressourcen 40 Aufgaben 42 Fachkommission Biodiversität 46 Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 4/48
Schwerpunktthemen Mehr Schub dank Wyss Foundation Mit der Wyss Academy for Nature entsteht an der Universität Bern der 106 bisher inventarisierten Berner Hochmoore von nationaler ein weltweit führendes Forschungs- und Umsetzungszentrum an Bedeutung ist der Wasserhaushalt aufgrund von Eingriffen gestört der Schnittstelle Natur und Mensch. Ermöglicht wird dies durch (v. a. Torfabbau, Entwässerungsgräben). Sie trocknen immer stär- den Berner Unternehmer und Mäzen Hansjörg Wyss. Die Wyss ker aus und die hochmoortypischen Lebensräume und Arten ver- Foundation stiftet im Rahmen der Wyss Campaign for Nature einen schwinden. Bei vielen Objekten besteht Handlungsbedarf. Beitrag von 100 Millionen Franken. Kanton und Universität Bern tragen je 50 Millionen Franken bei. Über die nächsten zehn Jahre Um den gesetzlichen Auftrag effizienter und effektiver voranzutrei- können so 200 Millionen Franken in die nachhaltige Entwicklung ben, braucht es bessere Grundlagen. Aktuell sind zwei Teilprojekte an der Schnittstelle von Landnutzung, Biodiversität und Klima in- am Laufen. Im ersten Teilprojekt werden Experten ausgeführte Re- vestiert werden. Davon kann auch die Abteilung Naturförderung generationen beurteilen und daraus Handlungsempfehlungen für profitieren. Die Wyss Academy for Nature unterstützt die vier fol- zukünftige Projekte ableiten. Für allfällige Wissenslücken werden genden Projekte mit namhaften Beiträgen, dank denen wiederum konkrete Forschungsfragen formuliert. Die Ergebnisse werden in zusätzliche Bundesmittel fliessen. einem Workshop mit Akteuren aus Verwaltung und Praxis disku- tiert und validiert. Die Ergebnisse sollen – so Corona will – 2022 LANAT-4 Hochmoorregeneration effizienter und effekti- vorliegen. Um den Ressourceneinsatz zu optimieren, wird im zwei- ver vorantreiben ten Teilprojekt der Handlungsbedarf für die sanierungsbedürftigen Gemäss Hochmoorverordnung des Bundes haben die Kantone Hochmoore anhand klarer Kriterien priorisiert. Erste Zwischen- für die ungeschmälerte Erhaltung dieser Biotope zu sorgen und ergebnisse liegen bereits vor. Der Projektabschluss für dieses Teil- nötigenfalls Regenerationsmassnahmen anzuordnen. Bei vielen projekt ist für Ende 2022 geplant. Die Ergebnisse beider Teilpro- Feuchtgebiet (gelb), wie es nach Hoch- und Flachmoorverordnung durch den Kanton zu schützen ist sowie der (hydrologische) Vorsorgeperime- ter. Die verschiedenen Farben der Liefergebiete zeigen, woher das Wasser ins Moor fliesst. Der sensitive Saum schützt das Moor vor natürlicher und künstlicher Entwässerung. Die mit «Bachwasser Erosion» bezeichnete Fläche gehört zum Einzugsgebiet des Bachs, trägt aber nichts zum Wasserhaushalt des Feuchtgebiets bei und gehört nicht zum Vorsorgeperimeter. Veränderungen im Einzugsgebiet (z. B. Beschleunigen der Was- serabflüsse durch Drainagen, Versiegelung, Gewässerbegradigung) können jedoch zu einer physischen Erosion des Moorbodens führen. Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 5/48
jekte werden Interessierten nach Projektabschluss zur Verfügung Der Geoportal-Layer mit dem hydrologischen Puffer aller inventa- gestellt. risierten Hoch- und Flachmoore wird aktualisiert. Das Modell lie- fert zudem Hinweise, welche Perimeter gutachterlich oder im Feld Parallel dazu wird aktuell geprüft, für welche Objekte bereits überprüft werden müssen. Mitte 2021 wird dieser zweite Projekt- Grundlagen erhoben werden können, um Regenerationsprojekte schritt angegangen. aufzugleisen. Diese Arbeiten werden ab 2021 intensiviert, denn der grösste Teil der finanziellen Mittel wird in die Verbesserung der Hy- LANAT-6 Pilotprojekt «Ökologische Infrastruktur imple- drologie beeinträchtigter Hochmoore fliessen. mentieren» Der Bundesrat hat sich 2012 in seiner Biodiversitätsstrategie den LANAT-5 Hydrologischer Puffer der Berner Flachmoore Aufbau einer ökologischen Infrastruktur für die Schweiz zum Ziel modellieren gesetzt. Bei der Umsetzung sind vor allem die Kantone gefordert. Ein intakter Wasserhaushalt ist eine der zentralen Voraussetzungen In der NFA-Programmvereinbarung 2020-2024 haben Bund und für den langfristigen Erhalt der Moore. Gemäss Hoch- und Flach- Kanton Bern deshalb die Ausarbeitung einer Fachplanung Öko- moorverordnung des Bundes müssen deshalb ökologisch ausrei- logische Infrastruktur vereinbart. Mit dem Projekt wird gleichzeitig chende Pufferzonen ausgeschieden werden. Mit dem Sachplan eine Massnahme des kantonalen Sachplans Biodiversität umge- Biodiversität wurden in einem ersten Schritt die Nährstoffpuffer für setzt. beide Moortypen bestimmt und behördenverbindlich festgelegt. Im Innovationsprojekt «Ökologische Infrastruktur Mittelland ÖIM» Im Pilotprojekt Espace marais, welches der Bund mitfinanziert, haben die Kantone Aargau, Bern und Zürich seit 2016 gemeinsam wurde die Methode für die Modellierung der hydrologischen Puffer methodische Entwicklungsarbeit geleistet. Das Projekt steht kurz von Hochmooren entwickelt und als Test für die Berner Hochmoo- vor Abschluss und wurde vom Bund unterstützt. Anhand von Me- re von nationaler Bedeutung angewandt. Auf dem Geoportal des thodentests konnten Lücken insbesondere in den Bereichen Sied- Kantons Bern steht dieser «Vorsorgeperimeter» allen Akteuren als lung und Wald erkannt werden. Diese sollen 2021 geschlossen Grundlage für eine moorverträgliche Planung und Realisierung von werden. Parallel dazu startet nächstes Jahr die kantonale Fach- Bauvorhaben zur Verfügung. Bei Eingriffen innerhalb dieses Peri- planung Ökologische Infrastruktur Kanton Bern ÖIBE. Diese muss meters ist mit geeigneten Massnahmen sicherzustellen, dass der gemäss Vorgaben des Bundes bereits Ende 2022 vorliegen. Die Wasserhaushalt des Moores nicht oder nur wenig beeinflusst wird. Akteure werden einbezogen, soweit dies der straffe Zeitplan zu- lässt. Seit Frühjahr 2020 wird nun der Vorsorgeperimeter auch für al- le Berner Flachmoore von nationaler und regionaler Bedeutung Mit der ÖIBE wird eine raumplanerische Grundlage für Gemein- modelliert. Die Methode wurde laufend weiterentwickelt und wird den, Regionen und Kanton, aber auch für private Akteure geschaf- nun anhand konkreter Fallbeispiele validiert. Methodenentwicklung fen, die fachlich gut abgestützt ist. Die räumliche Darstellung der und Modellierung sollen 2021 abgeschlossen werden. Anschlies- ökologischen Infrastruktur schafft für alle Akteure mehr Transpa- send wird die Methode allen Interessierten zur Verfügung gestellt. renz und Planungssicherheit. Sie zeigt auf, wo besondere Natur- Graue und grüne Infrastruktur im Ungleichgewicht Vorhandene Potentiale für die Stärkung der ökologischen Infrastruktur (Foto: Urs Känzig-Schoch) konsequent nutzen. (Foto: Urs Känzig-Schoch) Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 6/48
werte vorliegen, wo wichtige Vernetzungskorridore verlaufen und wo Systemlücken geschlossen werden müssen. LANAT-7 Masterplan invasive gebietsfremde Arten Die Zunahme der Mobilität und der weltweiten Warenströme, aber auch der Klimawandel fördern die Ausbreitung von invasiven ge- bietsfremden Arten (igA). Diese können für die einheimische Bio- diversität, aber auch für den Menschen zum Problem werden. Zum Beispiel verdrängen Kanadische und Spätblühende Goldrute sowie das einjährige Berufskraut seltene einheimische Arten. Am- brosia und Riesenbärenklau lösen allergische Reaktionen aus und der Japanische Knöterich destabilisiert Ufer. Der Bundesrat hat deshalb bereits 2016 eine Bundesstrategie zum Umgang mit igA verabschiedet. Es gibt jedoch keine gesetzliche Grundlage für die Bekämpfung. Mit der Revision des Umwelt- schutzgesetzes (USG) soll diese geschaffen werden. Parallel dazu hat der Grosse Rat des Kantons Bern 2020 die Motion Gerber an- genommen. Darin wird der Regierungsrat beauftragt, eine kanto- nale gesetzliche Grundlage für die Bekämpfung von igA zu schaf- fen. Mit dem Masterplan wird die fachliche und organisatorische Grundlage für die Umsetzung der Motion und der Bundesstrategie geschaffen. Die Arbeiten wurden im 2020 aufgenommen und sol- len 2022 abgeschlossen werden. Beispiel einer invasiven gebietsfremden Art: Das einjährige Berufs- kraut stammt ursprünglich aus Nordamerika. Die Art breitet sich in Urs Känzig-Schoch, Leiter Abteilung Naturförderung den letzten Jahren stark aus und bedroht vor allem die Artenvielfalt in Magerwiesen. (Foto: Urs Känzig-Schoch) Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 7/48
Oltigenmatt – Sieben neue Weiher für den Laubfrosch Das Naturschutzgebiet «Niederried-Oltigenmatt» am Zusammen- Anhand der relativ engmaschig übers Gebiet verteilten Wasser- fluss von Aare und Saane ist Bestandteil mehrerer Biotopinven- standsmessungen konnte aufgezeigt werden, dass an allen Mess- tare von nationaler Bedeutung (Auen, Amphibienlaichgebiete und stellen die Wasserstände grundsätzlich mit den Pegelschwankun- Flachmoore). Weiter beherbergt es eine kleinere Population des gen des Niederriedstausees korrelieren und die bestehenden Laubfroschs (Hyla arborea). Aufgrund seiner Lage, Grösse und Weiher jeweils nicht austrocknen. So konnte festgestellt werden, den hydrologischen Bedingungen stellt die Oltigenmatt für die För- dass das aktuelle Angebot an geeigneten Laichgewässern zur Be- derung dieser Art und die Vernetzung bestehender Populationen herbergung einer grösseren Laubfrosch-Population in der Oltigen- zwischen dem Schiffenensee und dem Bielersee ein prioritäres matt nicht ausreichend ist. Bestehende Weiher enthalten aufgrund Fördergebiet dar. früherer Überschwemmungsereignisse Fische oder sind stark be- schattet. Ehemalige Weiher weisen Verlandungstendenz auf und Vor Beginn der Grundlagenerhebungen ging die ANF davon aus, führen nicht ausreichend lange Wasser für eine erfolgreiche Ent- dass in der Oltigenmatt grundsätzlich eine ausreichende Anzahl an wicklung der Kaulquappen. Der Laubfrosch bevorzugt jedoch re- geeigneten Laichgewässern vorhanden ist, um das Vorkommen gelmässig trockenfallende, besonnte, fischfreie Stehgewässer. einer grösseren Laubfrosch-Population zu ermöglichen. Unter Weiter zeigten die Untersuchungen auf, dass die Stauabsenkun- suchungen der Rufaktivität der Laubfrösche im Gebiet zeigten gen des Niederriedwehrs mit den Wasserstandsschwankungen aber über mehrere Jahre ein anderes Bild. Die Populationsgrös- in der Oltigenmatt korrelieren. Pegelunterschiede von 50 bis 70 se stagnierte auf tiefem Niveau. Aus diesem Grund wurde die Er- Zentimetern in den Bereichen ausserhalb der Riedflächen wurden arbeitung der nötigen Grundlagen für ein Aufwertungsprojekt zur dabei als optimal für die Anlage von jährlich austrocknenden Flach- Verbesserung der Verfügbarkeit geeigneter Laichgewässer für den weihern erachtet. Laubfrosch in Auftrag gegeben. Sieben neue Weiher Dabei stellte sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Die Gesamtbaubewilligung für das eingereichte Projekt traf gerade dem Wasserhaushalt der Oltigenmatt und den Wasserpegel- noch rechtzeitig ein. So konnten die geplanten Massnahmen im schwankungen des Niederried-Stausees. Alljährlich zwischen Mit- August und September 2020 während des Wassertiefstands der te August und Ende September wird der Stauspiegel beim Wehr jährlichen Stauspiegelabsenkung des Niederriedwehrs erfolgreich jeweils um rund 70 Zentimeter abgesenkt. umgesetzt werden. Resultate der Grundlagenerhebungen Insgesamt wurden sieben neue Weiher geschaffen. Drei davon In den Jahren 2017 und 2018 wurden die Rufaktivität der Laubfrö- wurden in bestehenden, teilweise verlandeten Altläufen im süd- sche erfasst und regelmässige Wasserstandsmessungen durch- westlichen Teil der Oltigenmatt angelegt. Vier weitere Weiher wur- geführt. Die Rufaktivität konzentrierte sich in beiden Jahren auf die den weiter östlich gänzlich neu geschaffen. überfluteten Riedflächen und nicht auf die bestehenden Weiher. Neu erstellter Weiher und Baupiste am 2. September 2020 Situationsplan der neu geschaffenen Weiher in der Oltigenmatt (Foto: Dominique Hindermann, ANF). (Foto: Dominique Hindermann, ANF). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 8/48
Neu erstellter Weiher in einem verlandeten Altlauf am 8. Oktober 2020 (Foto: Dominique Hindermann, ANF). Da die Weiher aufgrund der Ansprüche des Laubfroschs möglichst wird die ANF in den Jahren 2021 und 2022 die Wasserführung jedes Jahr austrocknen sollen, wurden diese nur so tief ausge- genau überprüfen lassen. Sollten Weiher zu früh oder gar nicht bildet, dass sie während der jährlichen Stauabsenkung des Nie- trockenfallen, kann die Sohlentiefe mittels baulicher Massnah- derriedwehrs noch trockenfallen können. Gleichzeitig mussten sie men (Abtiefen oder Auffüllen) korrigiert werden. Weiter soll mittels aber tief genug sein, um ein Austrocknen während der Entwick- systematischer Beobachtungen in den nächsten Jahren unter- lungszeit der Larven zu vermeiden. sucht werden, wie der Laubfrosch auf die neuen Weiher in der Oltigenmatt reagiert und ob diese einen wesentlichen Beitrag zur Wirkungskontrolle Stärkung der Population leisten können. Ende September wurde der Stauspiegel beim Wehr wieder auf den Höchststand eingestellt. Die Wasserstände sind daraufhin Dominique Hindermann, Abteilung Naturförderung auch in allen neu geschaffenen Weihern wesentlich angestie- gen. Ob bei der Ausführung für jeden Weiher bereits die optimale Sohlentiefe getroffen wurde, kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht abschliessend gesagt werden. Aus diesem Grund Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 9/48
Aufwertung Feuchtgebiet Ziegelmoos Inmitten der landwirtschaftlich intensiv genutzten Moosebene be- sig hohem Aufwand realisierbar und für die schon bestehenden findet sich das Naturschutzgebiet Ziegelmoos-Islerendüne auf Feuchtgebietsflächen kaum förderlich wäre. Um die gewünschte dem Gemeindegebiet von Gampelen. Im feuchten, nördlichen Teil Vernässung zusätzlicher Flächen dennoch zu erreichen, wurde auf des Naturschutzgebietes trifft man auf ein Mosaik aus Heckenzü- zwei Teilflächen von insgesamt rund anderthalb Hektaren 20 bis gen, alten Entwässerungsgräben und vom einstmaligen Torfabbau 30 Zentimeter Boden abgetragen. übriggebliebenen Senken. Dazwischen erstrecken sich über einen Grossteil der Fläche Feuchtgebiete von regionaler Bedeutung. Auf Aufgrund des stark schwankenden Grundwasserspiegels im Jah- Teilflächen, welche nur geringfügig höher liegen, ist der Flurab- resverlauf (bis zu 80 Zentimeter) werden grosse Teile der Bodenab- stand des Grundwassers so gross, dass sich auf den nährstoffrei- tragsfläche – und teilweise auch die bestehenden Feuchtgebiets- chen Moor- bzw. Halbmoorböden artenarme Fettwiesen etabliert flächen – während dem Winterhalbjahr längere Zeit geflutet sein. In haben. drei gezielt ausgebildeten flachen Senken soll das Wasser bis in die Einige der parallel von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Sommermonate stehen bleiben und so potenzielle Laichgewässer Gräben sind mit Weiden und anderen Gehölzarten stark ein- für den Laubfrosch bieten. gewachsen. Zudem sind die Gräben abschnittsweise nur noch schwach ausgeprägt und kaum mehr wasserführend. Der abgetragene organische Boden konnte angrenzend an das Naturschutzgebiet auf einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Die ANF hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Feuchtgebietsfläche Fläche zur Bodenaufwertung verwendet werden. Diese Fläche war im Ziegelmoos zu vergrössern und insbesondere den Lebensraum aufgrund von Torfsackung und früherer Bodenschüttung mit Sand von stark gefährdeten resp. vom Aussterben bedrohten Pflanzen- degradiert. arten zu fördern. Dazu gehören unter anderen das Moor-Veilchen (Viola persicifolia, EN), das Hohe Veilchen (Viola elatior, EN) und der Aufwertung und Neuschaffung halboffener Gräben Igelschlauch (Baldellia ranunculoides, CR). Gleichzeitig sollten mit An vier der stark eingewachsenen Gräben wurden insgesamt sie- flächigen Vernässungen geeignete Laichhabitate für den stark ge- ben Abschnitte von je 15 bis 30 Metern Länge von Gehölz befreit. fährdeten Laubfrosch (Hyla arborea) und mit halboffenen Gräben Damit diese Bereiche künftig möglichst gehölzfrei und mähbar solche für den ebenfalls stark gefährdeten Kammmolch (Triturus bleiben, wurde der durchwurzelte Boden gefräst. Auf vier Teil- cristatus) gefördert werden. abschnitten wurden die Gräben zudem neu profiliert, damit sie leichter ausgemäht werden können. Ausdehnung der Feuchtgebietsflächen Die hydrologischen Voruntersuchungen zeigten, dass das lokale Am Rand der Bodenabtragsfläche wurde entlang des westlich Anheben des Grundwasserspiegels nur mit unverhältnismäs- angrenzenden Waldes ein kaum mehr erkennbarer Graben auf Bodenabtragsfläche mit flachen Senken unmittelbar nach Abschluss der Erdarbeiten am 19. August 2020 (Foto: Jonas Keller). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 10/48
drei Teilabschnitten von insgesamt 120 Metern Länge neu aus- Aufkommen von Problempflanzen (v.a. Weiden, Ackerunkräuter) gehoben. Die Grabentiefen wurden so gewählt, dass sie jeweils frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Andererseits sollen im bis Ende Mai genügend Wasser führen, um so den Kammmolch- Hinblick auf künftige Aufwertungsprojekte wichtige Erkenntnisse Larven eine erfolgreiche Entwicklung zu ermöglichen. zur Vegetationsentwicklung nach Bodenabtrag und Schnittgutü- bertrag gewonnen werden. Nicht zuletzt wird es auch darum ge- Anpassung der Wasserzufuhr hen, gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Pächtern, welche Der Gürlegraben führt von Norden her Oberflächenwasser ins die Flächen weiterhin bewirtschaften, die richtigen Bewirtschaf- Gebiet. Eine ehemalige Drainageleitung stellte eine Verbindung tungs- und Pflegemassnahmen festzulegen. zwischen der Hauptdrainageleitung im angrenzenden Kulturland und dem Gürlegraben her. So gelangte einerseits mit Nährstof- Jonas Keller, Alnus AG fen und Pflanzenschutzmitteln belastetes Drainagewasser ins Schutzgebiet und andererseits wurde insbesondere bei Stark- niederschlag sauberes Meteorwasser in die Drainage abgeleitet. Mit der Ergänzung dieser Drainageleitung durch ein Standrohr konnte die Überlaufkote angehoben und der unerwünschte Was- seraustausch mit dem Drainagesystem unterbunden werden. Schnittgutübertrag Die Begrünung der Bodenabtragsfläche erfolgte ausschliesslich mit Schnittgutübertrag aus artenreichen Feuchtgebietsflächen. Das Schnittgut stammt von Spenderflächen aus sieben verschie- denen Naturschutzgebieten im Berner Seeland sowie von einer benachbarten Teilfläche im Ziegelmoos. Kleine Teilflächen, ins- besondere Senken und Gräben, blieben ohne Ansaat und sollen eine spontane Vegetationsentwicklung ermöglichen. Erstentwicklung und Ausblick In den kommenden zwei bis drei Vegetationsperioden stehen nun wichtige Aufgaben hinsichtlich Beobachtung und Lenkung der Direktbegrünung mit Schnittgut aus regionalen artenreichen Feucht- Erstentwicklung an. Einerseits wird es von Bedeutung sein, das gebieten am 25. August 2020 (Foto: Jonas Keller). Entbuschter und neu profilierter Graben am 16. Oktober 2020 (Foto: Jonas Keller). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 11/48
Heidenweg - Rückeroberung durch die Natur Der Kanton Bern hat 2016 auf dem Heidenweg (Naturschutzge- Raubäume und Wurzelstöcke eingebaut. Ein kleiner Teil der Mauer biet St. Petersinsel-Heidenweg) im Bereich der Ferienhäuser fünf musste stehen gelassen werden, um die bestehenden Infrastruk- weitgehend unbebaute Parzellen gekauft. An den Erwerb dieser turen der Nachbarparzellen zu schützen. Auf dem gesamten Ufer- Parzellen war die Verpflichtung zum Rückbau der Uferverbauung abschnitt sind dynamische Prozesse wie Ufererosion und die Eta- und Bootsanlegestelle geknüpft, welche vom Vorbesitzer wider- blierung einer natürlichen Uferzonierung jetzt möglich. rechtlich saniert wurden. Zeitgleich mit dem Rückbau beabsichtigte die ANF, auf den er- In der Nähe des Wegs wurde ein Tümpel ausgehoben, der in den worbenen Grundstücken ökologische Aufwertungsmassnahmen Sommermonaten periodisch austrocknen kann. Beim Tümpel und gemäss den Schutzzielen der nationalen und regionalen Inventare im Bereich des renaturierten Seeufers bieten zwei neue Asthaufen und Schutzgebiete zu realisieren. Unterschlupf für Kleintiere. Folgende drei Zielsetzungen standen im Vordergrund: − Die flächige Lebensraumaufwertung durch Schaffung neuer Massnahmen nördlich des Heidenweges Feuchtgebietsflächen. Auf einer Fläche von rund zwölf Aren wurde ein Bodenabtrag (rund − Die Förderung der Pflanzenarten der Gross- und Kleinseg- 20 bis 40 Zentimeter) vorgenommen, um die seeseitig vorgelager- genriede, der Pfeifengraswiese und der Arten von feuchten ten Feuchtgebietsflächen auszudehnen und die seltenen standort- Pionierstandorten. typischen Pflanzenarten zu fördern. − Die Förderung verschiedener auf Feuchtgebiete und kleine Stillgewässer angewiesenen Tierarten (Gelbbauchunke, Eine weitere Aufwertungsmassnahme stellt die Umgestaltung ei- Fadenmolch, Sumpf-Heidelibelle). nes temporär wasserführenden Grabens zur Förderung der Gelb- bauchunke und des Fadenmolchs dar. Für eine bessere Wasser Basierend auf einer Vorstudie wurde ein Bauprojekt ausgearbeitet. führung wurde der Graben geringfügig vertieft, südwestseitig Die Baubewilligung wurde im Sommer 2019 erteilt. Im Spätsom- abgeflacht und mähbar gemacht. Die dort störenden Weidenbe- mer 2019 starteten die Erdarbeiten und nach einem wetterbeding- stände wurden ausgestockt. Die im Graben vorkommende Sumpf- ten Unterbruch wurden die Gestaltungsarbeiten Anfang 2020 fertig Wolfsmilch (Euphorbia palustris, VU) wurde speziell geschont bzw. gestellt. es wurden mehrere Soden verpflanzt. Massnahmen südlich des Weges Begrünung Die Bootsanlegestelle und die Uferverbauung wurden zurück- Nach Abschluss der Erdarbeiten galt es, im Frühjahr 2020 die gebaut, das Ufer teilweise abgeflacht und Strukturelemente wie brachliegenden Flächen zu begrünen. Mehrere Heckenstrukturen Ufer im Bereich der entfernten Verbauung am 8. Mai 2020 (Foto: Jonas Keller). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 12/48
beim neuen Tümpel und im Bereich des abgeflachten Ufers sowie einzelne Schwarz-Pappeln (Populus nigra s.str.) wurden gepflanzt. Sie ergänzen die bestehenden Gehölze und schaffen so mehr Struktur- und Artenvielfalt. Mittels Schnittgutübertrag auf rund 15 Aren wurde der Versuch unternommen, die bereits lokal vorhandenen, wertvollen Pflanzen- arten (Spenderflächen in Flachmoorobjekten in der Nähe) auf den neuen Flächen zu etablieren. Auf weiteren rund 40 Aren wurde im Mai eine Spezial-Saatmischung ausgebracht. Hier soll sich in den nächsten Jahren eine artenreiche, standorttypische Wildblumen- wiese entwickeln. Weiter wurden einige Stellen bewusst offen be- lassen, um der Spontanansiedlung bereits vorhandener Arten ge- nügend Raum zu geben. Erstentwicklung und Ausblick Bereits im Sommer 2020 zeigten sich erste Erfolge der Mass- nahmen: Auf der Bodenabtragsfläche konnte grossflächig das Kleine Tausendgüldenkraut (Centaurium pulchellum, VU) und im Uferbereich an einer Stelle der Lanzettblättrige Froschlöffel (Alis- ma lanceolatum, EN) festgestellt werden. Diese Arten haben sich mit grosser Wahrscheinlichkeit spontan entwickelt und zeigen ein- drücklich das vorhandene Potential solcher Aufwertungen. Um die Wirkung der Massnahmen genauer zu überprüfen, werden ab 2021 auf den neu gestalteten Flächen weitere Kontrollen durch- geführt. Kleines Tausendgüldenkraut (Centaurium pulchellum) im neu angeleg- Dania Genini, Alnus AG ten Uferbereich, aufgenommen am 12. August 2020 (Foto: Markus Krähenbühl). Bereich des Oberbodenabtrags am 1. April 2020 (Foto: Jonas Keller). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 13/48
Gelbbauchunken im Naturschutzgebiet Laupenau Dank einem Hinweis einer Privatperson konnte 2015 eine bisher besucht. Von den erstellten Tümpeln führte rund die Hälfte Wasser. unbekannte kleine Population der Gelbbauchunke in der Nähe des Sehr erfreulich war, dass bis zu sechs adulte Gelbbauchunken und Naturschutzgebietes Laupenau entdeckt werden. Die Gelbbauch- zwei Laichballen beobachtet werden konnten! Neben der eigent- unke ist eine stark gefährdete Amphibienart und wurde in den ver- lichen Zielart konnten fünf weitere Amphibienarten nachgewiesen gangenen Jahren in der Laupenau nur selten beobachtet. werden: Feuersalamander, Fadenmolch, Bergmolch, Grasfrosch und Wasserfrosch (Pelophylax sp.). Fortpflanzungsnachweise Förderung mit dynamischen Tümpeln konnten bei Feuersalamander und Grasfrosch erbracht werden. Die Gelbbauchunke lässt sich in der Regel durch die Anlage von Tümpelgruppen fördern. Die Tümpelgruppen sollten einer gewis- Im Herbst 2019 wurde wiederum ein Halbtageseinsatz mit der Pfa- sen Dynamik unterworfen sein um langfristig als Laichgewässer di Lindenburg durchgeführt, bei dem die funktionierenden Tümpel angenommen zu werden. Es sollten immer wieder neue Tümpel unterhalten und neue ergänzt wurden. So waren für die kommen- entstehen, bestehende ausgeputzt werden oder trocken fallen. de Saison erneut 30 bis 40 Tümpel entweder unterhalten oder Heute, wo vielerorts die natürliche Dynamik nicht mehr gegeben neu erstellt worden. Im Jahr 2020 wurden auf einer nächtlichen ist, muss die Dynamik künstlich durch Unterhaltseingriffe nachge- Kontrolle Vorkommen von Gelbbauchunke, Feuersalamander, ahmt werden. Grasfrosch, Fadenmolch und Wasserfrosch bestätigt. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit führte nur rund ein Drittel der Tüm- Im Naturschutzgebiet Laupenau wurden mehrere Stellen gefunden, pel Wasser, aber dank der Anlage der vielen Tümpel konnte so welche sich für die Anlage von Tümpelgruppen eignen. Es sind dies doch ein ausreichendes Angebot für die Unke geboten werden. vernässte Zonen, welche am Rand der Au durch Hangwasser ge- Wegen der Corona-bedingten Einschränkungen konnte im Herbst spiesen werden. Die Distanz zu den bisherigen Nachweisen der 2020 kein Einsatz mit der Pfadi geplant werden. So kam es 2020 Gelbbauchunke betrug zwischen 800 und 1000 Metern. Norma- zu einem spontanen Einsatznachmittag im bisherigen Umfang mit lerweise ist dies eine zu weite Besiedlungsdistanz für diese Art. Kollegen im Rahmen der erlaubten Gruppengrösse. Möglicherweise waren aber in dem unwegsamen Gelände nicht al- le Vorkommen bekannt und ein Versuch schien lohnenswert. Man Fortsetzung folgt entschied sich zu einer Umsetzung in Handarbeit im Rahmen eines Da sich die Tümpel bewähren, soll der Unterhalt bis auf Weiteres Gruppeneinsatzes. Für die Umsetzung im Herbst 2018 konnte fortgeführt werden. Ab 2021 ist vorgesehen mit der Schule Lau- die Pfadi Lindenburg (Laupen, Neuenegg, Mühleberg) gewonnen pen (Zyklus 3) die Unterhaltseinsätze durchzuführen und so die werden. Nach einer Einführung zur Gelbbauchunke wurden unter Schülerinnen und Schüler auf die seltenen Amphibienarten in der Anleitung der 10 bis 15 Leitenden der Pfadi eifrig Tümpel geschau- Region und ihre Lebensraumansprüche aufmerksam zu machen. felt. Am Ende des Einsatznachmittages waren zwischen 30 und Mit einfachem Aufwand kann so hoffentlich weiterhin ein Beitrag 40 Tümpel von 25 bis 100 Zentimetern Tiefe ausgehoben worden! zur Förderung der Gelbbauchunke in der Region geleistet werden. Ein voller Erfolg Sarah Althaus, Koordinationsstelle für Im Frühjahr 2019 wurden im Rahmen einer kleinen Erfolgskontrolle Amphibien- und Reptilienschutz die Tümpel zweimal in der Nacht während der Amphibiensaison Spontaner Einsatz für die Gelbauchunke (Foto: Sarah Althaus). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 14/48
Künstliche Totholzverklausungen an der Sense Die Sense gilt als eine der Naturperlen der Schweizer Fliessge- Anfänglich künstlich – später natürlich wässer, da sie im Mittel- und Oberlauf noch über ausgedehnte Für die Totholzverklausungen wurden Wurzelstämme und Rund- sehr natürliche Streckenabschnitte verfügt. Trotzdem leidet sie holzpfähle verwendet. Mit einem Bagger wurde Kies aus der - wie fast alle europäischen Fliessgewässer – an Totholzmangel. Sense ausgehoben und ein vorübergehender Wasserhaltungs- Die Gerinne-Einhänge und Ufer werden auch an der Sense regel- damm geschüttet, damit die Arbeiten nicht im fliessenden Wasser mässig «gesäubert», Alt- und Totholz wird entfernt. Dies hat zur erfolgen mussten. Die ELJ-Struktur wurde im stehenden Wasser Folge, dass sich im und am Gerinne keine stabilen Totholzstruk- schwimmend erstellt. Danach wurde die Struktur verankert, in- turen bilden bzw. halten und erneuern können. Solche Totholz- dem Holzpfähle in der Gerinnesohle einvibriert wurden. Die Verbin- inseln wären aber aus der Sicht der Biodiversität äusserst wert- dungen zwischen den Wurzelstämmen und den Rundholzpfählen volle Lebensraumelemente. Durch den Einbau von künstlichen erfolgten ausschliesslich mit Vierkant-Akazienpfosten und Holz- Totholzverklausungen (Engineered Log Jams, ELJ) ist es möglich, keilen. Dadurch konnte vollständig auf künstliche Materialien wie diese Strukturen und selbsterneuernden Prozesse nachzuahmen. Eisennägel verzichtet werden und es verbleibt nach dem Verfall Dadurch werden die Flussstrecken morphologisch und ökologisch der Holzstrukturen kein Fremdmaterial im Gerinne. Die erstellten deutlich aufgewertet. Strukturen wurden zum Schluss im Strömungsschatten wieder mit dem Aushub überschüttet. Aufwertung Winkelbach als Chance Bei der Brücke Ruchmühle in der Gemeinde Schwarzenburg Die erstellten Holzstrukturen benötigen keinen Unterhalt. Die Idee wurde im Winter 2019/2020 die Mündung des Winkelbaches re- ist, dass die Strukturen mittels Naturverjüngung bewachsen wer- naturiert und der Winkelbach wieder mit der Sense vernetzt. Der den (Zeithorizont rund drei Jahre). Nach ihrer Zersetzung überneh- kühlere Bach ist in den heissen Sommermonaten ein wichtiges men die natürliche Akkumulation von angeschwemmtem Totholz Rückzugsgebiet für Fische. Dabei bot sich die Gelegenheit, auch und die nachgewachsenen Bäume die Funktion der künstlich er- im Flussbett der Sense Aufwertungsmassnahmen – die ELJ – um- stellten Strukturen. zusetzen. Das Projekt verfolgte grundsätzlich zwei Ziele: Erstens konnte die Sense vor Ort ökologisch aufgewertet werden und Auszug (angepasst) aus Bauleiterbericht Emch + Berger AG, zweitens konnten Erfahrungen mit den ELJ in der Sense gesam- Dominik Kisling und Andreas Widmer melt werden. Dies an einer Strecke, die kein Gefahrenpotential auf- Franziska von Lerber, Abteilung Naturförderung weist. Initiiert wurde das ELJ-Projekt vom Fischereiinspektorat des Kantons Bern. Einbau einer künstlichen Totholzverklausung (Engineered Log Jam) Der erstellten Holzstrukturen werden im Laufe der Zeit überwachsen innerhalb eines Wasserhaltungsdammes und verlieren nach drei Jahren ihre Künstlichkeit (Foto: Emch+Berger AG). (Foto: Emch+Berger AG). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 15/48
Mehr Platz für die Emme Die Broschüre Befreite Emme, lebendiger Fluss, herausgegeben vom Oberingenieurkreis IV des Kantons Bern (2005), beschreibt verschiedene Flussbauprojekte an der Emme. Darunter auch die sogenannte «Ämmebire», die 1991 vom Schwellenverband Em- me, 1. Sektion, als pionierhafte Aufweitung gebaut wurde. Wei- tere vergleichbare Projekte folgten. Das Renaturierungsprojekt im Naturschutzgebiet «Aemmeschache-Urtenesumpf» reiht sich hier ein und verspricht mit seiner grosszügig geplanten Aufweitung zu einem Kernstück für die Biodiversität an der Emme im Kanton Bern zu werden. Die Emme wird als Fluss mit zwei Gesichtern beschrieben: Als klägliches Rinnsal in trockenen Sommermonaten (Abb. 1), aber auch als reissender Fluss mit enormer Wucht bei Hochwasser (Abb. 2). Das Zitat von Jeremias Gotthelf (Wassernot, 1837) scheint bis heute zutreffend: «Grau und grausig aufgeschwollen durch hundert abgeleckte Bergwände, stürzt sie aus den Bergesklüf- ten unter dem schwarzen Leichentuche hervor, und in grimmigem Spiele tanzten auf ihrer Stirne hundertjährige Tannenbäume und hundertzentnerige Felsenstücke, moosicht und ergraut.» Die Emme floss im Abschnitt Aemmeschache-Urtenesumpf bis vor kurzem in einem Korsett aus Holzstämmen, die mit Eisen- bahnschienen fixiert oder mit Blocksatz gesichert waren (Abb. 3). Das Auengebiet von nationaler Bedeutung wies entsprechend hohe ökologische Defizite auf, dynamische Prozesse fanden kaum mehr statt. Zudem befand sich der gesamte Abschnitt in Abb. 2 Die Emme, ein «Wildbach» mit enormer Wucht. einer Restwasserstrecke, die beim Kanton mit hoher Priorität sa- (Foto: unbekannt) niert werden sollte. Abb. 1 Die Emme kann über gewisse (Restwasser-)Strecken komplett Abb. 3 Streckenabschnitt Aemmeschache-Urtenesumpf - die Emme trockenfallen (Sommer 2019). (Foto: unbekannt) in ihrem Korsett (Foto: Petra Graf, 2019). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 16/48
Ziele und Projektmassnahmen Spatenstich und Bauzeit Die Renaturierungsziele wurden vom Schwellenverband Emme Zum Spatenstich 2019 beehrten uns Regierungsrat Christoph 1. Sektion als Bauherrn gemäss den Schutzzielen des Natur- Neuhaus und Hans Romang (Abteilungsleiter Arten, Ökosysteme, schutzbeschlusses formuliert: Landschaften des BAFU) mit ihrem Besuch. Bis Mitte 2020 konn- − Auentypische Tier- und Pflanzenarten sollen gefördert te wie geplant und ohne grössere Zwischenfälle gebaut werden. werden. Im Sommer 2020 musste aufgrund der hohen Besucherströme − Dynamische Prozesse im Sinne eines natürlichen Gewässer- – trotz des Betretungsverbots der Baustelle – ein vorübergehen- und Geschiebehaushaltes sollen möglich sein. der Baustopp verordnet werden. Aufgrund der Covid-19 Situation − Dies führte vereinfacht zu folgenden Projektmassnahmen: besuchten viel mehr Besucherinnen und Besucher die Schutz- − Neubau eines 1,3 Kilometer langen Hochwasserdamms auf gebiete, der Aufenthalt an Seen und Flüssen war besonders be- der äussersten Grenze liebt. Im Herbst konnten die Bauarbeiten wiederaufgenommen − Rückbau der bestehen Ufersicherungen inkl. Schaffung von werden. Mittlerweile ist das Projektende absehbar. Anrissstellen und wo sinnvoll und nötig zusätzlichen öko- logisch-baulichen Massnahmen, wie z.B. der Einbau von Dank «Engineered Log Jams», also künstlichen Stammverklausun- Ein grosses Plus in diesem Projekt ist die grossartige Unterstüt- gen im Gerinne zung von den Gemeinden Utzenstorf und Bätterkinden. Die Zu- − Neuschaffung von Stillgewässern sammenarbeit mit dem Bauherrn, dem Planer, den Ausführenden − Anlegen von zusätzlichen terrestrischen Strukturelementen und zwischen den Amtsstellen läuft reibungslos und ist motivie- wie Holz- und Steinhaufen rend. Für dieses breite Engagement zu Gunsten der Natur dankt die ANF allen Beteiligten herzlich. Mit dem Verschieben des Hochwasserschutzdammes auf Utzenstorfer Seite wird der Emme ein breites Flussbett zur Ver- Petra Graf, Abteilung Naturförderung fügung gestellt: ein Raum, in dem dynamische Prozesse zugelas- sen und erwünscht sind. Kaum aus ihrem Korsett befreit, begann die Emme bei Hochwasser die sandigen Uferböschungen abzu- tragen. Nach jedem Hochwasser zeigte sich die Flusslandschaft in einem neuen Kleid. Begonnen hat diese Verwandlung bereits im Spätsommer 2020 (Abb. 4). Abb.4 Erodierte Uferabschnitte im Aemmeschache-Urtenesumpf, im Hintergrund das Schalunenwehr (Foto: Petra Graf). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 17/48
Neue Chancen im Naturschutzgebiet Mumenthalerweiher-Brunnmatte Der dramatische Rückgang an Feuchtgebieten ist wissenschaft- der Siedlungs- und Industriegebiete, Bodenverdichtung, be- lich dokumentiert und unbestritten, sei dies auf lokaler, natio- gradigte und stark verbaute Fliessgewässer, drainierte landwirt- naler oder auch globaler Ebene. Die «Sümpfe trocken zu legen schaftliche Nutzflächen, Entnahme von Wasser als Trinkwasser (drain the swamp)» war bereits 1903 in den USA ein deklarier- und für die landwirtschaftliche Bewässerung. tes Ziel. Bis heute ist der Verlust an Feuchtgebieten auch in der Schweiz aktuell. Unsere Böden werden für die Intensivierung Brunnenkressebecken der Landwirtschaft nach wie vor oberflächlich entwässert oder Im Naturschutzgebiet Mumenthalerweiher-Brunnmatte liegt drainiert. Dies hat nicht nur Konsequenzen für die Biodiversität, schweizweit und bis über die Landesgrenze hinaus die einzige es beeinflusst auch das Klima und den Kohlenstoffkreislauf. Ein Produktionsstätte für Brunnenkresse. Sie ist als Kulturgut über- Thema, welches uns in Zukunft immer mehr beschäftigen wird. aus wertvoll. Früher konnte die Langenthaler Jugend auf dem vom Grund- Für diese Kultur im ehemaligen Motzetpark, der heutigem wasser gespiesenen Mumenthalerweiher Schlittschuh laufen. BrunnBachKresse GmbH der Stiftung Wasserland Oberaargau Heute ist der Weiher verlandet. Seit 1920 ist eine mittlere Ab- (SWLO), ist der enorme Rückgang des Grundwasserspiegels senkung des Grundwasserspiegels von zweieinhalb bis drei Me- schmerzhaft spürbar und hat entsprechende Produktionsein- tern messbar. Als Ursache für das massive Absinken des Grund- bussen zur Folge. wasserspiegels und für das Austrocknen der Umgebung können verschiedene Faktoren genannt werden: so z.B. der Rückgang Von den insgesamt rund 60 Kressebecken mussten einige der der Wässermatten, der 1991 gebaute Entlastungsstollen der Becken schon vor längerer Zeit aufgrund ungenügender Durch- Langete, zunehmende Bodenversiegelung aufgrund wachsen- flussmengen aufgegeben werden. Was soll mit diesen trockenen Abb. 1 Ehemaliges Kressebecken (Foto: Petra Graf). Abb. 2 Rückbau der Betonelemente (Foto: Petra Graf). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 18/48
«Beton-Gerippen» in der natürlichen Landschaft nun gesche- Gut vorstellbar, dass sich aus dem Neophyten belasteten Stand- hen? Pflegen kann man diese Flächen kaum. Leider sind sie oft ort (Seidiger Hornstrauch, Cornus sericea) nun eine kleine Natur- überwuchert von invasiven Neophyten und drohen als Fläche zu perle entwickeln wird. Dies nicht zuletzt dank den Grundeigen- verganden. Die Lösung liegt nahe: aus den stillgelegten Becken tümern: der Stiftung Wasserland Oberaargau und Pro Natura. könnte Neues geschaffen und der Standort für einheimische Ar- An dieser Stelle möchte sich die ANF bei beiden Organisationen ten aufgewertet werden. Diese Vision wurde bereits im Rahmen recht herzlich für die erfreuliche und konstruktive Zusammen- der ökologischen Baubegleitung für das Projekt Bahn 2000 zu arbeit bedanken. Papier gebracht: «…Weiter können undichte und trockengefal- lene Becken zu Riedwiesen oder zu neuen Teichen umgebaut Ausblick werden». Die heutige Arten- und Naturschutzphilosophie versucht in tra- ditionellen Kulturlandschaften mit wenig technischen Massnah- Rückbau men auszukommen und sich an der althergebrachten Nutzung Im 2020 erhielt die ANF die Baubewilligung für den Rückbau und den dadurch entstandenen Strukturen und Landschafts- eines dieser trocken gefallenen Betonbeckens. Die Bauarbeiten elementen zu orientieren. Dabei spielen der Standort und die wurden zwischen Juli 2020 und Oktober 2020 ausgeführt. Die dort herrschenden Bedingungen eine zentrale Rolle. Aus diesem Betonelemente westlich des bestehenden SBB-Damms wurden Grund konzentrieren sich dieses Projekt sowie die Folgeprojekte abgebaut und wie ein kleines Denkmal liess man den Becken- auf die Neuschaffung von Feuchtwiesen (Riedwiesen) und Wei- abschluss - mit dem damaligen Regulierwerk - als Zeitzeuge her, die dem traditionellen Landschaftsbild entsprechen (Wäs- stehen. Das Aushubmaterial wurde einerseits seitlich an den sermatten, Karpfenweiher). SBB-Damm angelegt und die restlichen, eher nährstoffarmen Kubaturen wurden für die Bildung einer Magerwiese südwestlich Das zwischenzeitlich rückgebaute Brunnenkressebecken ist innerhalb der neuen Anlage wiederverwendet. eines von mehreren Becken im Naturschutzgebiet «Mumentha- lerweiher-Brunnmatte», das sich für die Kresseproduktion leider Und Neuschaffung nicht mehr eignet. Gut möglich, dass sich in Zukunft weitere Auf- Im Frühling 2021 wird nun auf der Fläche lokales Saatgut ausge- wertungen und visionäre Projektideen, wie z.B. lokale «Wasser- bracht, das explizit für dieses Projekt sorgfältig gesammelt und anreicherungen» umsetzen lassen. Die Chancen für klassische gelagert wurde. Nebst lokalem Saatgut wird auch eine Wieder- Win-win-Projekte sind im Naturschutzgebiet «Mumenthalerwei- ansiedlung seltener und bedrohter Pflanzenarten in Erwägung her-Brunnmatte» durchaus gegeben und wären nicht nur für die gezogen, sowie die Pflanzung einer niedrig wachsenden Hecke Natur und die Landwirtschaft von Nutzen. entlang des Besucherweges. In Zukunft wird die Fläche von einem lokalen Landwirt gepflegt und kann so – jedenfalls zu ge- Petra Graf, Abteilung Naturförderung wissen Teilen – als landwirtschaftliche Nutzfläche angerechnet werden. Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 19/48
Die Stadt Burgdorf kümmert sich um ihre Naturwerte Im Südosten Burgdorfs auf dem Gelände der ehemaligen Ziege- Die gezielte Förderung der Kreuzkröte nehmen sich die ANF und lei befindet sich heute der Recyclingbetrieb der Firma Krähen- die Stadt Burgdorf voraussichtlich im 2021 vor. An dieser Stelle bühl GmbH und das Gemeinde-Naturschutzgebiet «Ziegelgut». bedankt sich die ANF bei der Stadt Burgdorf für die jahrelange, Das Gebiet ist überdies ein Amphibienlaichgebiet von nationaler konstruktive Zusammenarbeit und freut sich auf gemeinsame zu- Bedeutung und weist sieben verschiedenen Amphibienarten auf. künftige Projekte. Unter anderem kommen ausgesprochene Spezialisten wie Gelb- bauchunken, Geburtshelferkröten und Kreuzkröten vor, die un- Petra Graf, Abteilung Naturförderung terschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Es profi- tieren jedoch alle von gewissen dynamischen Prozessen, so wie sie in der Grube vorkommen. Doch mit der Zeit finden die Gru- benabläufe nicht mehr statt, die Auffüllungen sind abgeschlos- sen und das Gelände droht, trotz geplanter Pflegearbeiten, sta- tisch zu werden. Zu geregelt, zu geordnet, zu verplant. Ein in Naturschutzkreisen oft thematisiertes und bekanntes Problem – wie kann man eine geplante Unordnung schaffen? Die Stadt Burgdorf bemüht sich sehr, genau dieses Ziel der geplanten Un- ordnung zu erreichen. Aus diesem Grund organisiert sie jährlich eine Begehung. Auf dieser Runde durch das Gebiet wird beur- teilt, wie es um die Lebensräume der seltenen Amphibien steht. Die umgesetzten Pflegemassnahmen werden besprochen, kon- trolliert und Verbesserungen werden in Angriff genommen. Sanierungen und Aufwertungen zu Gunsten der Geburts- helferkröte Durch die mangelnden dynamischen Prozesse sind immer mal wieder grössere Sanierungen nötig, welche die Stadt Burg- dorf als Grundeigentümerin mitträgt. Zum Beispiel hielt sich der Weiher in Abbildung 1 insbesondere für die Geburtshelferkröte jahrelang sehr gut, führte immer genügend Wasser und auch die Landlebensräume schienen zu passen. Doch die trockenen Sommermonate der letzten Jahre setzten auch diesem Weiher zu, sodass die Fläche austrocknete und von da an nie mehr ge- nügend Wasser führte. Eine Sanierung drängte sich auf (Abb. 2). Abb.1 Ausgetrockneter Weiher (Foto: Petra Graf, 2019). Ähnlich verhielt es sich mit dem folgenden Beispiel, einem Wei- her, der zu starken Wasserstandschwankungen unterworfen war, sodass er zur Amphibienfalle hätte werden können. Also ent- schied man sich auch an diesem Standort zu einer Sanierung des Gewässers (Abb. 3 und 4). Sanierungen und Aufwertungen zu Gunsten der Gelb- bauchunke Gelbbauchunken besiedeln Kleinstgewässer, die sich im Sommer rasch erwärmen und nach der Larvenentwicklung austrocknen dürfen oder sogar sollen. Eine gängige Methode zur Förderung dieser Art ist das Vergraben von ablassbaren Kunststoffwannen (Abb. 5 und Abb. 7). Zugegeben, aus landschaftsästhetischer Sicht ist diese Methode unglücklich. Doch solange der Natur- und Artenschutz mit solchen «Krücken» die Arten vom Ausster- ben bewahrt, wird um Verständnis gebeten und grosszügig über Abb. 2 Sanierter Weiher mit zusätzlichen Landlebensraumstrukturen: die Ästhetik hinweggeschaut. Sandsteinblöcke aus der Region, Stein- und Sandstrukturen (Foto: Petra Graf, 2020). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 20/48
Abb. 3 Weiher mit stark schwankendem Wasserspiegel und starker Abb. 4 Weihersanierung im Jahr 2020. Die Arbeiten sind auf dem Bild Verbuschungstendenz (Foto: Petra Graf, 2016). noch nicht ganz fertig (Foto: Petra Graf, 2020). Abb. 5 Innerhalb des Gebietes vergrabene Wannen Abb. 6 Hier wurden Lehmpfützen angelegt. Sie drohen jedoch im (Foto: Petra Graf, 2020). Sommer zu früh auszutrocknen (Foto: Petra Graf, 2020). Abb. 7 In rund 300 Metern Luftlinie zum Gebiet konnte eine Amphi- bienförderung der ANF auf privatem Gelände umgesetzt werden (Foto: Petra Graf, 2020). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 21/48
Erfolgskontrolle der Hochmoorregeneration in Wissenbach West Im Herbst 2014 wurden im Hochmoor des Naturschutzgebietes sich schliessen, dass sämtliche gemessenen Wasserspiegel Wissenbach West (Gemeinde Rüschegg) im Auftrag der Abtei- nebst dem direkten Niederschlag massgeblich von Hang- lung Naturförderung Regenerationsmassnahmen durchgeführt. wasser beeinflusst werden. Ziel der Massnahmen war es, die Entwässerungsgräben im − Ebenfalls lässt sich bei allen Messstellen feststellen, dass die Hochmoor zu unterbrechen und das Moorwasser flächig über die Wasserspiegel während der Wintermonate nur wenige Zen- Moorfläche abzuleiten. Dazu wurden die Entwässerungsgräben timeter unter die Überlaufhöhe der jeweiligen Messstellen an 35 Standorten punktuell mit 43 Spundwänden aus Hartvinyl fallen. Der Niederschlag ist in dieser Höhenlage in den Win- verschlossen (s. Plan). termonaten hauptsächlich in Schnee gebunden, gleichzeitig Im Anschluss an die Fertigstellung der baulichen Massnahmen ist die Verdunstung sehr gering. Diese Tatsache ist ein deutli- wurde das Büro Naturplan mit der Durchführung einer hydrologi- cher Hinweis darauf, dass die Spundwände ihre Stauwirkung schen Erfolgskontrolle beauftragt. erfüllen und die Wasserverluste durch Versickerung nur sehr gering sind. Ergebnisse der hydrologischen Erfolgskontrolle Erfreulicher Ausblick Mittels regelmässiger Begehungen wurde die Funktion der er- Wie die dokumentierten Abflusswege und die stabilen Wasser- stellten Staumassnahmen überprüft. Folgende Beobachtungen spiegel zeigen, konnten die Spundwände die die entwässernde konnten dabei gemacht werden: Funktion des Grabensystems aufheben. Das durch die Stau- − Alle Spundwände erwiesen sich, mit einer Ausnahme, als massnahmen in die Mooroberfläche abgelenkte Wasser fliesst dicht. Als Grund für die Undichtigkeit der einen Spundwand diffus über die Mooroberfläche ab, was sich insbesondere im wird ein seitlich angrenzender Wurzelstock vermutet, der stark vernässten Moorzentrum zeigt. Die Wasserspiegel im Stau- durch Ableitung des zuströmenden Wassers einen Einstau bereich der sechs untersuchten Spundwände sind sehr stabil. verhindert bzw. reduziert. Mit Ausnahme von sommerlichen Trockenperioden konnte je- − Die Spundwände bewirken, wie geplant, eine Ablenkung des derzeit ein Abfluss aus den jeweiligen Stauräumen festgestellt zuströmenden Wassers aus den Grabeneinschnitten in die werden. Auch wenn die Ergebnisse der punktuellen Wasserspie- offene Moorfläche. Der Abfluss erfolgt dabei nicht mehr ge- gelaufzeichnungen nur bedingt auf die übrige Moorfläche über- bündelt, sondern flächig über die Mooroberfläche. Im stark tragbar sind, lässt der Gesamteindruck der Erfolgskontrolle auf vernässten Zentrum des Moores konnten nach Starknieder- eine ausreichende Wasserversorgung des Moores und ein hohes schlägen oberflächliche Abflüsse festgestellt werden. Diese Regenerationspotential schliessen. müssen periodisch auf Erosionserscheinungen hin geprüft werden. Thomas Leu, Abteilung Naturförderung Im Staubereich von sechs Spundwänden wurden zur Überprü- fung der Massnahmen Datenlogger installiert (s. Foto), welche den Wasserspiegel ein Jahr lang aufzeichneten. Aufgrund der Er- gebnisse dieser Messungen können folgende Schlüsse gezogen werden: − Die Wasserspiegel an den sechs Messstellen w1-w6 sanken im Messjahr nur während 17 Tagen tiefer als 20 Zentimeter unter den Überlaufpunkt der Staumassnahmen ab. Unter Be- rücksichtigung der ausserordentlich trockenen Witterung im Messjahr sind damit die Wasserspiegel als sehr stabil einzu- stufen. − Bei den sechs überprüften Staumassnahmen konnte im Messjahr an 305 bis 320 Tagen Abfluss verzeichnet werden. Dieser langanhaltende Abfluss deutet auf Wasserüberschüs- se im Moor hin, die nahezu ganzjährig vorliegen, mit Ausnah- me von sommerlichen Trockenperioden. − Bei allen Messstellen lässt sich insbesondere in den Som- mermonaten ein unterschiedlich stark ausgeprägter Tages- gang feststellten (Schwankung des Wasserspiegels im Ta- gesrhythmus, Abfall am Tag, Anstieg in der Nacht). Dieser ist Datenlogger zur Wasserspiegelaufzeichnung im Stauraum einer auch bei längeren Trockenperioden erkennbar. Daraus lässt Spundwand (Foto: Markus Camastral, Naturplan AG). Abteilung Naturförderung Tätigkeitsbericht 2020 22/48
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