Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen

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Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Die Alpen: Quelle
erneuerbarer Energie
Publikation zur Tagung «Wege zur Energiestadt»
vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Herausgeber: Kanton St.Gallen
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Inhaltsverzeichnis

      4   Vorwort

 5 Arge Alp-Tagung in St. Gallen Erfolgreiche Strategien aufzeigen und
		weitergeben

  8 European Energy Award Zielgerichtete Energie- und Klimapolitik in Städten
		 und Gemeinden

    10    Bayern Aufbruch in ein neues Energiezeitalter

    12    Wildpoldsried Ein Dorf geht seinen Weg

    16    St. Gallen 15 Prozent weniger fossile Brennstoffe bis im Jahr 2020

    18    Buchs Naturstrom gezielt fördern

    22    Graubünden sorgt für mehr Naturstrom

    24    Landquart und die Wunderlampen

    28    Salzburg Energieautonomie bis 2050

    30    Weißbach bei Lofer Ölkessel sollen Biomasse-Energieträgern weichen

    34    Südtirol Umweltbelastung reduzieren − heimische Wertschöpfung steigern

    36    Toblach Größtmögliche Unabhängigkeit dank erneuerbarer Energie

    40    Tirol Mit frischer Energie in die Zukunft

    42    Virgen Das Sonnendorf setzt auf Sonnenenergie

    46    Vorarlberg ist auf dem Weg in die Energieautonomie

    48    Wolfurt Mit gutem Beispiel vorangehen

    52    Trentino Saubere Energie dank grüner Technologie

    54    Trient Von verantwortungsvollem Handeln profitieren alle

    58    Tessin Neue Technologien und innovative Projekte fördern

    60    Mendrisio Am Anfang waren die Elektrofahrzeuge

                                                                                   3
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Vorwort
                            Sehr geehrte Damen und Herren
                            Ein abwechslungsreiches, lehrreiches und
                            spannendes Präsidialjahr geht zu Ende.
                            Unter dem Thema «Die Alpen: Quelle er-
                            neuerbarer Energie» durfte der Kanton          meinden haben sich in den Räumen des
                            St. Gallen während eines Jahres der Ar-        Bundesverwaltungsgerichts St. Gallen vor-
                            beitsgemeinschaft Alpenländer (Arge Alp)       gestellt und ihre Erfolgsrezepte weiterge-
                            vorstehen und interessante länderüber-         ben. Grenzübergreifende Themen und so-
                            greifende Fachkontakte knüpfen.                mit gemeinsame Probleme und Anliegen
                              Die Thematik rund um erneuerbare             wurden diskutiert. Das gegenseitige Ver-
                            Energien ist aktueller denn je. Die Arge Alp   ständnis der Völker im Alpenraum wurde
                            beschäftigt sich mit den daraus verbunde-      gefördert und das Bewusstsein der ge-
                            nen Fragen schon seit einigen Jahren. Un-      meinsamen Verantwortung für den alpi-
                            ter dem Vorsitz Salzburgs wurde im ver-        nen Lebensraum gestärkt. Das Resultat der
                            gangenen Jahr der Arge Alp-Preis für die       Tagung halten Sie mit dieser Broschüre in
                            Erzeugung erneuerbarer Energien verlie-        den Händen. Ich bin mir sicher, dass Sie da-
                            hen. Der Kanton St. Gallen knüpfte in sei-     raus Erkenntnisse oder Ideen für Ihre Re­
                            nem Vorsitzjahr daran an und wollte erfah-     gion gewinnen können.
                            ren, wie die unterschiedlichen Regionen          Mir bleibt nur noch, das präsidiale Zep-
                            im Arge Alp-Einzugsgebiet die Themen           ter an das Land Tirol zu übergeben. Ich
                            Energieeffizienz und Nutzung erneuerba-        sage: Danke, grazie und grazia fitg für die-
                            rer Energien in Angriff nehmen.                ses spannende Jahr. Auf ein baldiges Wie-
                              An zwei schönen Frühlingstagen im Mai        dersehen im Kanton St. Gallen!
                            2012 trafen sich die Arge Alp-Mitglieds­
                            länder an der Tagung «Wege zur Energie-        Willi Haag, Präsident der Arge Alp 2011/12
                            stadt». Neun energetisch vorbildliche Ge-      Mitglied der Regierung des Kantons St. Gallen

  Die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer

  Anliegen der Arge Alp ist es, das Bewusstsein um die Verantwortung für den alpinen Lebensraum zu vertie-
  fen und zum Wohle der Einwohner nachhaltig zu entwickeln. Der 1972 in Tirol gegründeten Arbeitsgemein-
  schaft gehören neun Länder/Regionen/Kantone in vier Staaten an. Mitglieder sind die Kantone St. Gallen,
  Graubünden und Tessin, die österreichischen Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg, der Freistaat
  Bayern sowie die italienischen Regionen Südtirol und Trient. Der Vorsitzende der Arge Alp wird jeweils für
  ein Jahr von einem Mitgliedsland gestellt. Sitz der Geschäftsstelle ist Innsbruck. Die Arge Alp-Region um-
  fasst eine Fläche von 118 504 Quadratkilometern und wird von 16 Millionen Menschen bewohnt.

  www.argealp.org

4 | Wege zur Energiestadt
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
Arge Alp-Tagung in St. Gallen
         Erfolgreiche Strategien aufzeigen
         und weitergeben

Wie wird eine Gemeinde Vorreiterin in Sachen Energie? Neun Gemeinden aus
Bayern, Graubünden, Salzburg, St. Gallen, Südtirol, Tessin, Tirol, Trentino und Vor-
arlberg stellten an der Arge Alp-Tagung «Wege zur Energiestadt» in St.Gallen ihre
erfolgreichen Projekte vor und zeigten ihren individuellen Weg auf.

Der Kanton St. Gallen, der momentan der        vom 3. und 4. Mai in St. Gallen wurden
Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (Arge          neun Gemeinden aus dem Arge Alp-Ge-
Alp) vorsteht, stellt sein Vorsitzjahr unter   biet in Deutschland, Italien, Österreich und
das Thema «Die Alpen: Quelle erneuerba-        der Schweiz eingeladen, damit diese ihren
rer Energie». Insbesondere die Rolle der       individuellen Weg zur Energiestadt vor-
Gemeinden sowie deren Anstrengungen            stellen. Rund 90 Personen, darunter auch
und Leistungen sollen gewürdigt werden.        Vertreterinnen und Vertreter von St. Galler
An die Tagung «Wege zur Energiestadt»          Gemeinden sowie von den Energiefach-

                                                                                         5
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
stellen der Arge Alp-Länder, -Regio­
                                                               nen          bach bei Lofer mit 420 Einwohnerinnen und
                            und -Kantone, tauschten sich an der Ta-         Einwohnern – haben alle etwas gemein-
                            gung aus. Der St. Galler Regierungsrat und      sam: Sie haben im Bereich der erneuerba-
                            Vorsitzende der Arge Alp, Willi Haag, sagte     ren Energien Herausragendes geleistet und
                            einleitend: «Wir wollen die vielfältigen, ge-   gelten in ihren Ländern, Regionen und Kan-
                            meindespezifischen Themen im Energie-           tonen als Vorbilder.
                            bereich aufzeigen, Netzwerke bilden und           Alle teilnehmenden Gemeinden und
                            Handlungsspielräume ausloten. Wir wol-          Energiefachstellen betonten an der Tagung,
                            len erfahren, wie andere Regionen die The-      wie wichtig die Vorbildfunktion der Gemein-
                            men Energieeffizienz und Nutzung erneu-         den ist. Vertrauen und Glaubwürdigkeit
                            erbarer Energien in Angriff nehmen und          entstehen nur durch gelebte Praxis. Wenn
                            inwiefern solche Maßnahmen – vielleicht         zusätzlich die Bürgerinnen und Bürger in
                            sogar regional übergreifend – realisierbar      die Projekte und Maßnahmen einbezogen
                            sind.» Er wünsche sich, dass an dieser Zu-      werden, ist es möglich, den eingeschlage-
                            sammenkunft viel Neues, Uner­
                                                        wartetes            nen Weg weiter zu beschreiten und sich
                            und Hilfreiches erfahren werde, das dann        neue, auch ehrgeizige Ziele zu stecken.
                            in den einzelnen Gemeinden umgesetzt              Die Tagungsteilnehmerinnen und -teil-
                            werden könne.                                   nehmer waren sich einig, dass sich der Auf-
                              Obwohl die teilnehmenden neun Ge-             wand lohnt: Die erneuerbaren Energien
                            meinden unterschiedlicher nicht sein könn­      eröffnen dem Alpenraum vielfältige Chan-
                            ten – von der italienischen Großstadt Trento    cen im technischen, ökonomischen, tou-
                            mit 117 200 Einwohnerinnen und Einwoh-          ristischen, ökologischen und kulturellen
                            nern bis zum österreichischen Dorf Weiß-        Bereich.

6 | Wege zur Energiestadt
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
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Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
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                                     European Energy Award
                                     Zielgerichtete Energie- und Klimapolitik
                                     in Städten und Gemeinden

                            Der European Energy Award (eea) ist ein Gütezertifikat für eine nachhaltige Ener-
                            gie- und Klimaschutzpolitik von Gemeinden. Das Zertifizierungsverfahren basiert
                            auf einem Qualitätsmanagementsystem, mit dem die Aktivitäten der Kommune er-
                            fasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden. So können
                            Potenziale des nachhaltigen Klimaschutzes identifiziert und genutzt werden.

1 Das Zertifizie-           Energie greift in praktisch alle Bereiche un-     Durch den European Energy Award wird
rungsverfahren des          seres Lebens – auch auf kommunaler Ebe-         garantiert, dass in der Energiepolitik keine
European Energy
                            ne. Viele Gemeinden der Arge Alp-Länder,        wichtigen Bereiche vergessen gehen. Die
Award (eea) wird
zurzeit von Deutsch-        -Regionen und -Kantone belegen bereits          Kommunen werden in den Punkten
land, Österreich, der       Spitzenplätze im Benchmarking des Euro-         • Entwicklungsplanung/Raumordnung
Schweiz, Frankreich,        pean Energy Award (eea). Sie stellen ein        • Kommunale Gebäude und Anlagen
Italien, Liechtenstein,
Luxemburg, Monaco
                            Viertel der mit dem eea-Gold-Award aus-         • Versorgung/Entsorgung
und Ungarn ange-            gezeichneten Gemeinden in Europa.               • Mobilität
wendet.                                                                     • Interne Organisation
                                                                            • Kommunikation/Kooperation
                                                                            bewertet. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wo
                                                                            weitere Maßnahmen möglich und nötig
                                                                            sind. Dies erlaubt es, ein umfassendes Bild
                                                                            über den Stand und die Entwicklung der
                                                                            Gemeinden und Städte in energiepoliti-
                                                                            schen Belangen abzugeben.

8 | Wege zur Energiestadt
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Vergleichbarkeit auf allen Ebenen
Gemeinden und Städte, die sich für das
eea-Zertifizierungsverfahren oder für ein
                                            In Kürze
nationales, dem Forum angeschlossenes       Der European Energy Award
Programm entscheiden, arbeiten alle mit
                                            Städte und Gemeinden sind entschei-
demselbem Qualitätsmanagement. In der
                                            dend für den Erfolg einer nationalen
Bewertung werden die jeweiligen Hand-
                                            Energiepolitik. Mit ihren Aktivitäten
lungsspielräume und die vorhandenen
                                            und Maßnahmen sind sie Vorbild für
Kompetenzen berücksichtigt. Dank die-
                                            die Bevölkerung und Wirtschaft. In
sem System können große Städte mit
                                            der Schweiz, in Vorarlberg (A) und
Kleinstgemeinden aus verschiedenen Län-
                                            Nordrhein-Westfalen (D) wurden
dern miteinander verglichen werden. Zer-
                                            unabhängig voneinander Programme
tifiziert werden Kommunen, die mehr als
                                            für energieeffiziente und nachhaltige
50 Prozent der möglichen Maßnahmen
                                            Gemeinden entwickelt: Energiestadt,
umgesetzt haben. Die höchste Auszeich-
                                            e5 und das Aktionsprogramm 2000
nung im eea-Verfahren ist der European
                                            plus. Seit 2003 ist die Zusammenar-
Energy Award Gold (mehr als 75 Prozent
                                            beit dieser drei Länder und Program-
Umsetzung). Bisher erreichten nur Ge-
                                            me institutionalisiert – im Verein
meinden und Städte aus Deutschland, der
                                            Forum European Energy Award e. V.
Schweiz und Österreich diese Auszeich-
                                            Daraus ist das gemeinsame Qualitäts-
nung. Langenegg (A) führt die Tabelle mit
                                            management und Zertifizierungs-
86 Prozent an.
                                            verfahren European Energy Award
                                            (eea) entstanden, das zurzeit neben
                                            Deutschland, Österreich und der
                                            Schweiz von sechs weiteren Ländern
                                            angewendet wird (Frankreich, Italien,
                                            Liechtenstein, Luxemburg, Monaco
                                            und Ungarn). Das Forum ist zuständig
                                            für die Weiterentwicklung des Ma-
                                            nagementsystems, die Koordination
                                            der Aktivitäten zwischen den Ländern
                                            sowie die Verbreitung in andere
                                            Länder.

                                            European Energy Award in Zahlen
                                            (Stand Ende 2011)

                                            Teilnehmende Länder                     9
                                            Länder in Pilotphase                    6
                                            Teilnehmende Kommunen                954
                                            Mit European Energy Award
                                            zertifizierte Kommunen               501
                                            Mit European Energy Award
                                            Gold zertifizierte Kommunen           49

                                            www.european-energy-award.org

                                                                                        9
Die Alpen: Quelle erneuerbarer Energie - Publikation zur Tagung "Wege zur Energiestadt" vom 3./4. Mai 2012 in St. Gallen
1

                                   Bayern
                                   Aufbruch in ein neues Energiezeitalter

                         Eine sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energieversorgung ist wichtig
                         für den Erhalt der wirtschaftlichen Vitalität und den hohen Lebensstandard in
                         Bayern.

                         Das schwere Reaktorunglück in Fukushima      cher bezahlbare Stromversorgung zu ge-
                         hat in Deutschland zu einer Neubewertung     währleisten, ist gleichzeitig eine optimierte
                         der mit der Kernenergie verbundenen Risi-    Markt- und Systemintegration von erneu-
                         ken und im Juni 2011 zum Beschluss des       erbaren Energien unabdingbar. Es gilt, den
                         Ausstiegsfahrplans durch die Bundesre-       Netzausbau auf allen Spannungsebenen
                         gierung geführt. Die Bayerische Staats­      voranzutreiben und innovative Speicher-
                         regierung hat am 24. Mai 2011 mit dem        konzepte zu erforschen. Zukunftsgerechte
                         neuen Energiekonzept «Energie innovativ»     Energiepolitik fordert zudem konsequen-
                         den Aufbruch Bayerns in ein neues Ener-      tes Energieeinsparen und Steigerung der
                         giezeitalter beschlossen.                    Energieeffizienz.
                             Eine Schlüsselrolle für den Umbau der      Dabei ist es von elementarer Bedeutung,
                         Energieversorgung spielt der Ausbau der      die Bürgerinnen und Bürger vor Ort mit­
                         Nutzungspotenziale erneuerbarer Ener­        zunehmen. Bayern setzt dabei auf Trans­
                         gien. Wasserkraft, Windkraft, Fotovoltaik,   parenz, Information und Dialog. Wirt-
                         Biomasse und Geothermie sollen bis 2021      schaftsminister Martin Zeil betont: «Die
                         einen Anteil von 50 Prozent des bayeri-      Energiewende kann nur gelingen, wenn
                         schen Stromverbrauchs decken. Bereits        alle Beteiligten intensiv eingebunden wer-
                         jetzt ist Bayern mit einem Anteil von mehr   den. Das ist eine zentrale Aufgabe der neu-
                         als 25 Prozent erneuerbarer Energien an      en bayerischen Energieagentur ‹ Energie
                         der Stromerzeugung in Deutschland füh-       Innovativ› ».
                         rend. Um eine sichere und für die Verbrau-

10 | Wege zur Energiestadt
Bayern ist ein vielseitiges Land, es ver-
                        eint unberührte Natur und pulsieren-        In Kürze
                        des Leben. Das eindrucksvolle Alpenpa-
                        norama mit Deutschlands höchstem            Freistaat Bayern
                        Berg, der Zugspitze, und die romanti-       Landeskennzahlen
                        sche    Felskulisse   der   Fränkischen     Einwohner                   12 500 000
                        Schweiz prägen das Gesicht Bayerns          Fläche                      70 549 km2
                        ebenso wie die ausgedehnten Fluss-
                                                                    Wirtschaftssektoren
                        landschaften um Main und Donau und
                                                                    Land- und Forstwirtschaft        0,9 %
                        die oberbayerische Seenplatte mit
                                                                    Industrie und Gewerbe           29,5 %
                        Chiemsee, Tegernsee, Königssee, Am-
                                                                    Dienstleistungen                69,6 %
                        mersee und Starnberger See. Bayern
                        gehört daher zu den beliebtesten Rei-       Primärenergieverbrauch
                        sezielen in Europa.                         pro Jahr                561 282 GWh

                        Bayerns   innovationsstarke    Industrie    Erneuerbare Eigenproduktion
                        und ein vielfältiger Dienstleistungsbe-     pro Jahr
                        reich machen den Freistaat zu einer der     erneuerbare Wärme     16 086,34 GWh
                        dynamischsten Wirtschaftsregionen in        erneuerb. Elektrizität 23 810,62 GWh
                        Europa. Eine gesunde Mischung aus           CO2-Ausstoß pro Kopf        6,4 Tonnen
                        marktstarken Global Players und vielen
                        mittelständischen Unternehmen sorgt         www.bayern.de
1 Wasserkraft,          für eine robuste Wirtschaftsstruktur
Windkraft, Fotovol-
                        und sichert wirtschaftliche Stabilität.
taik, Biomasse und
Geothermie sollen       Die Menschen in Bayern leben in einer
bis 2021 einen Anteil   der ältesten europäischen Kulturland-
von 50 Prozent des      schaften und zugleich in einem der mo-
bayerischen Stromver-
                        dernsten Staaten Europas. Tradition
brauchs decken.
                        und Zukunft gehen in Bayern Hand in
2 Wasserkraftwerk
Mühltal.                Hand.                                                                                © by Rolf Sturm / D-84034 Landshut Germany

                        2

                                                                                                                11
Wildpoldsried                                                      BY

                                   Ein Dorf geht seinen Weg                            SG
                                                                                            V        T     S

                                                                                        GR           BZ
                                                                                  TI
                                                                                                TN

                         «WIR – Wildpoldsried innovativ richtungsweisend – Ein Dorf geht seinen Weg»: Un-
                         ter diesem Motto wird in der kleinen Oberallgäuer Gemeinde seit 1999 ein ökologi-
                         sches Profil mit Einbindung der Einwohnerinnen und Einwohner erarbeitet. Schritt
                         für Schritt konnte dabei das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger für erneuerbare
                         Energien gewonnen, Anreize geschaffen und die örtliche Wertschöpfung ausge-
                         baut werden.

                         Wer in Richtung Wildpoldsried schaut,          Dafür erhielt die Gemeinde ein Jahr später
                         sieht die Windräder schon von Weitem. Be-      den Umweltpreis der Bayerischen Landes-
                         reits im Jahr 2000 wurde die erste «Bürger-    stiftung für die gröβte Bandbreite an rege-
                         windkraftanlage» erbaut: Die Bevölkerung       nerativer Energieerzeugung (Wind, Wasser,
                         erhielt die Möglichkeit, sich mit Eigenkapi-   Sonne, Biogas) in Bayern. Ansporn genug
                         tal an der eigens für das Projekt gegründe-    für die 2500 Einwohnerinnen und Einwoh-
                         ten Gesellschaft zu beteiligen. 30 Bürgerin-   ner, den eingeschlagenen Weg weiterzu-
                         nen und Bürger waren damals bereit zu          gehen.
                         investieren. Mittlerweile stehen fünf Wind-
                         kraftanlagen mit 180 Beteiligungen auf
                         Wildpoldsrieder Flur. Zwei weitere – mit                « Wir haben im Ort
                         110 Beteiligungen – sind zurzeit im Bau.         einige Idealisten, denen wir
                         Geplant wurden die Anlagen von einem               es zu verdanken haben,
                         Wildpoldsrieder Landwirt und Agraringe-
                                                                             dass in Wildpoldsried
                         nieur, der auch Geschäftsführer dieser Bür-
                         gergesellschaften ist.                              regenerative Energien
                             Einzelne kleine Wasserkraftanlagen, Bio-     in einer solchen Bandbreite
                         gasanlagen und Fotovoltaikanlagen waren
                         im Jahr 2000 ebenfalls schon in Betrieb.
                                                                               erzeugt werden.             »

                                            2                                                                    3

12 | Wege zur Energiestadt
1

                           Der Ausbau von thermischen Solaran­       210 Pumpen ausgetauscht – eine weitere
                         lagen und Fotovoltaikanlagen wurde          Einsparung von 88 Tonnen CO2 pro Jahr.
                         durch drei Sammeleinkaufsaktionen vor-
                         angetrieben. Organisiert wurden diese
                         von der Gemeinde zusammen mit ört­
                                                                     « Klimaschutz kann nur zusam-
                                                                     men mit den Bürgerinnen und
                         lichen Handwerkern und Planern. Alle ge-
                         eigneten Dächer der kommunalen Gebäu-
                                                                      Bürgern umgesetzt werden
                         de wurden mit Fotovoltaikanlagen belegt.     und funktioniert nur mit Be-
                         Mittlerweile sind 3985 kWp verlegt, dazu    geisterung und Überzeugung
                         kommen 1900 m² thermische Anlagen.
                         Über 230 Hausbesitzerinnen und -besitzer
                                                                       – und nicht mit Zwang.              »
                         in Wildpoldsried freuen sich deshalb ganz           Bürgermeister Arno Zengerle
                         besonders, wenn die Sonne scheint.
                           Im Jahr 2008 wurde eine Pumpenaus-        Rund 180 Bürgerinnen und Bürger beteilig-
1 Die Windräder von
                         tauschaktion gestartet. Ziel war es, mög-   ten sich daran und sparen seitdem jährlich
Wildpoldsried sind von
Weitem sichtbar.         lichst viele alte Heizungspumpen gegen      ca. 100 Euro Stromkosten pro Pumpe ein.
2 Energiewoche im        Hocheffizienzpumpen auszutauschen. So         Seit 2005 ist in Wildpoldsried ein Nahwär-
Kindergarten.            konnten pro Pumpe 80 Prozent Strom ge-      menetz in Betrieb. Zunächst wurden alle
3 Die größte Biogas-     spart werden. Wiederum mit Einbindung       kommunalen, kirchlichen und öffentlichen
anlage im Ort.
                         der örtlichen Handwerker und einer inten-   Gebäude sowie acht private Anwesen am
4 Heizzentrale der
Biogaszentrale mit       siven Beratung durch einen Gemeinderat      800 m langen Netz angeschlossen. Auf Ini-
400-kW-Pelletskessel.    wurden innerhalb eines halben Jahres über   tiative von Bürgerinnen und Bürgern wur-
                                                                     de die Leitung zwischenzeitlich dreimal
                                                                     ausgebaut und auf 2,5 km verlängert. Nun
                                                                     sind 42 Gebäude (mit mehr als 100 Woh-
                                                                     nungen) am Netz. Beheizt wurde die Anla-
                                                                     ge zunächst nur mit einem 400-kW-Pellets-
                                                                     kessel (und 385-kW-Heizölkessel für reine
                                                                     Spitzenlast). Seit 2009 wird zusätzliche Ab-
                                                                     wärme aus Biogas-Blockheizkraftwerken
                                                                     (BHKW) eingespeist. Der Pelletskessel
                                                                     steht im Sommer still. Große Abnahme ga-
                                                                     rantiert ein Hersteller von Lehmbauplat-
                                                                     ten, der auch im Sommer Wärme für seine
                                                                4
                                                                     Trocknung benötigt.

                                                                                                               13
Auch Information und Bildung sind zen-
                          tral. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten
                                                                            « Nur durch erneuerbare
                                                                         Energien können wir Frieden
                          seit über zehn Jahren im Rathaus kosten­
                          lose Energieberatung. Über Energiethe-          sichern, unseren Wohlstand
                          men und -projekte wird im Gemeindeblatt           und Komfort halten und
                          «Wildpoldsrieder Duranand» informiert.           gegenüber der Schöpfung
                          Be­
                            deutend ist zudem die «Energiebil-
                          dung» für die Kleinsten. Im Jahr 2009 wur-
                                                                         und den kommenden Gene-
                          de erstmals eine Energiewoche für die            rationen verantworten.             »
                          ­Kindergartenkinder durchgeführt. Im Jahr
                          2011 machten alle 110 Wildpoldsrieder                      Wendelin Einsiedler

                          Schulkinder von der 1. bis zur 4. Klasse den
                          Energieführerschein. Sie wissen somit die      nennenswerte Widerstände umgesetzt
                          Vorteile ihrer energetisch sanierten Schule    werden konnten. Die frühe Information und
                          voll und ganz zu schätzen.                     Einbindung der Einwohnerinnen und Ein-
                             Wichtig ist der Gemeinde auch, die          wohner schaffte Akzeptanz und Verständ-
                          ­vielen Erfahrungen, die durch erfolgreich     nis. Die Wertschöpfung (über 4 Mio. Euro
                          umgesetzte Projekte gesammelt werden           pro Jahr in Wildpoldsried) bleibt vor Ort
                          konnten, an andere Gemeinden und Kom-          und fließt nicht an auswärtige Investoren
                          munen weiterzugeben. Über 200 Besucher­        ab. Wichtig ist auch die Vorbildfunktion der
                          gruppen waren bereits in Wildpoldsried.        Gemeinde. Diese treibt Projekte nicht nur
                          Um der enormen Anfrage nachzukom-              voran, sondern macht als Vorreiterin mit.
                          men, wurde das Ökologische Bildungszen-
                          trum mit breitem Exkursionsangebot ins         Der Weg geht weiter
                          Leben gerufen.                                 Derzeit produziert die Gemeinde ca. 400
1 Etwa 100 internati-
onale Besuchergrup-                                                      Prozent ihres Stromverbrauches regenera-
pen, meist Entschei-      Learnings                                      tiv. Im Klimaschutzleitbild wurde das Ziel
dungsträgerinnen und      Es war die starke Einbindung lokaler Akteu-    definiert, bis im Jahr 2020 100 Prozent des
-träger aus anderen
Kommunen, besuchen
                          re, die dazu beigetragen hat, dass Projekte    gesamten Energiebedarfs (Strom, Wärme,
jährlich Wildpoldsried.   wie Bürgerwindkraftanlagen, Solar-Sam-         Mobiliät) rechnerisch regenerativ zu er-
2 Auf den Dächern         meleinkäufe, Nahwärmenetz, Pumpenaus-          zeugen. Dafür gibt es noch einiges zu tun:
der öffentlichen Ge-      tauschaktion, kostenlose Energieberatung       • Bis 2013 läuft das vom Bundeswirt-
bäude wurden Foto-
voltaikanlagen ins-       und Thermografieaktion mit einer breiten         schaftsministerium geförderte Projekt
talliert.                 Beteiligung der Bürgerschaft und ohne            «Irene» (Integration regenerativer Ener-

                                            1                                                                        2

14 | Wege zur Energiestadt
gien und Elektromobilität). Siemens und
  das Allgäuer Überlandwerk sowie die
  Partner Rheinisch-Westfälische Techni-
                                                 In Kürze
  sche Hochschule (RWTH) Aachen und              Wildpoldsried
  die Hochschule Kempten starteten das           Landeskennzahlen
  Gemeinschaftsprojekt, um ein intelli-          Einwohner                        2570
  gentes Stromnetz (Smart Grid) in der           Fläche                       21,3 km2
  Praxis zu testen. Neben dem Einsatz von        eea-Rating                       65 %
  über 30 Elektroautos wird mit einer 300-
  kW-Batterie die Speicherung von über-          Energieverbrauch
  schüssigem Strom getestet.                     Elektrizität                 6,4 GWh
• Im ersten Halbjahr 2012 wurden in Wild-        Eigenproduktion
  poldsried alle Straßenlampen mit LED-          erneuerbare Wärme            2,2 GWh
  Leuchtmitteln bestückt. Die Kosten für         erneuerbare Elektrizität    20,5 GWh
  den Wechsel der 200 Lampen liegen bei
                                                 – 400 % Selbstversorgung mit erneu-

    « Auf den Umweltpreis                         erbarer Elektrizität
                                                 – Ziel: 100 % erneuerbar (rechnerisch)
  der Bayerischen Landes-                         in allen Bereichen
  stiftung waren die 2500                        – Intelligentes Stromnetz – Speiche-
Wildpoldsrieder schon etwas                       rung – Projekt «Irene»

 stolz und – machten ener-                       www.wildpoldsried.de
       gisch weiter.           »
       Bürgermeister Arno Zengerle

  ca. 15 000 Euro. Bei einer jährlichen Strom­
  ersparnis von 8000 Euro hat sich diese
  Investition in zwei Jahren amortisiert.
• Das Nahwärmenetz wird in den kom-
  menden Jahren um weitere Straßenzü-
  ge erweitert.
• Die Verarbeitung von überschüssigem
  Windstrom in Kombination mit CO2 zu
  reinem Methan ist ein weiteres – hoch-
  gestecktes – Ziel.
• Energiebildung: Im Ökologischen Bil-
  dungszentrum werden Energiesemina-
  re, Exkursionen und Tagungen rund um
  den Klimaschutz für Entscheidungsträ-
  gerinnen und -träger, Bürgermeisterin-
  nen und Bürgermeister sowie Gemein-
  derätinnen und -räte angeboten.

                                                                                           15
1

                                    St. Gallen
                                    15 Prozent weniger fossile Brennstoffe
                                    bis im Jahr 2020

                         Das Energiekonzept des Kantons St.Gallen bewährt sich seit 2008 als Grundlage der
                         Energiepolitik. Es orientiert sich an der Vision der 2000-Watt-Gesellschaft, die um
                         das Jahr 2100 erreicht werden soll. Der Kanton St. Gallen strebt mit dem Energie-
                         konzept einen deutlich effizienteren Umgang mit Energie und eine Energieversor-
                         gung an, die vermehrt regionale Ressourcen verwendet und die Auslandabhängig-
                         keit verringert.

                         In einer ersten Umsetzungsetappe bis zum        werden acht Massnahmen unterstützt:
                         Jahr 2020 konzentriert sich der Kanton auf      ­Wärmeerzeugung mit Sonnenkollektoren,
                         folgende Hauptziele (Basis jeweils 2005):       Wärmenetze, Biogasproduktionsanlagen,
                         • Die Energieeffizienz im Gebäudebereich        Vorgehensberatung, automatische Holzfeu-
                             soll gesteigert werden. Ziel sind 15 Pro-   erungen, Ersatz von Elektroboilern, Ersatz
                             zent weniger fossile Brennstoffe und in     von Beleuchtungsanlagen in Nicht-Wohn-
                             der Elektrizitätsanwendung höchstens        bauten sowie Information und Beratung.
                             fünf Prozent mehr Stromverbrauch.             Das Energiekonzept zeigt bereits die ge-
                         • Die Produktion neuer erneuerbarer             wünschte Wirkung, seine Umsetzung ist
                             Energien aus Holz/Biomasse, Biogas,         grundsätzlich auf Kurs. Es ist jedoch abseh-
                             Sonne, Wind und Geothermie soll bis ins     bar, dass in den meisten Bereichen zusätz-
                             Jahr 2020 verdoppelt werden.                liche Anstrengungen nötig sein werden,
                                                                         um die Ziele zu erreichen.
                         Ein Mix aus Eigenverantwortung, Anreizen          Im Frühjahr 2011 haben der Bundesrat
                         und Vorschriften unterstützt den optima-        und das eidgenössische Parlament infolge
                         len Einsatz der Mittel zur Zielerreichung.      der Reaktorkatastrophe in Fukushima ei-
                         Bei der Förderung geht der Kanton sorgfäl-      nen schrittweisen Ausstieg aus der Atom-
                         tig mit den Steuergeldern um. Im Jahr 2012      energie beschlossen. Die St. Galler Regie-

16 | Wege zur Energiestadt
Im Vier-Länder-Eck Schweiz-Deutschland-Österreich-Fürsten-
 tum Liechtenstein gelegen, ist der Kanton St. Gallen eine                  In Kürze
 «Schweiz im Kleinen» und gilt als Wirtschaftszentrum der
                                                                            Kanton St. Gallen
 Ostschweiz. Er setzt sich aus geografisch und kulturell unter-
 schiedlichsten Regionen rund um den 2501 Meter hohen                       Landeskennzahlen
 Säntis zusammen, die sich sehr gut ergänzen. Die Ringform                  Einwohner                     478 907
 und die regionale historische Entwicklung machen den Kan-                  Fläche                       2026 km2
 ton, seine Bewohnerinnen und Bewohner, seine Wirtschaft und                Wirtschaftssektoren
 Kultur außerordentlich vielfältig. Der Kanton St. Gallen ist der           Land- und Forstwirtschaft        3,9 %
 sechstgrößte Wirtschaftsraum in der Schweiz und zählt zu den               Industrie und Gewerbe           38,8 %
 produktivsten Standorten Europas. In den letzten Jahren etab-              Dienstleistungen                57,3 %
 lierten sich hier zahlreiche internationale Unternehmen der
 Metall-, Elektro-, Maschinen- und Hightechindustrie. Die St. Gal-          Primärenergieverbrauch
 ler Bildungs- und Forschungsinstitutionen, allen voran die Uni-            pro Jahr                   16 600 GWh
 versität mit ihrem hervorragenden nationalen und internatio-               fossil                           70 %
 nalen Ruf, tragen ebenfalls zur Attraktivität dieses vielfältigen          nuklear                          18 %
 Wirtschafts- und Lebensraums bei.                                          erneuerbar                       12 %

                                                                            Erneuerbare Eigenproduktion
                                                                            pro Jahr
                             rung unterstützt diesen Entscheid im
                                                                            erneuerbare Wärme           1100 GWh
                             Grundsatz. Der Kantonsrat hat die Regie-
                                                                            erneuerbare Elektrizität     810 GWh
                             rung mit der Ergänzung des kantonalen
                             Energiekonzeptes für den Teilbereich           CO2-Ausstoß pro Kopf        6,5 Tonnen
1 Stiftsbezirk St. Gallen.   Strom beauftragt. Der Bericht soll die Pers-
2 Diese Produktions-         pektiven für die Stromzukunft im Kanton        www.sg.ch
und Montagewerkstatt
der Firma Heizplan AG        St. Gallen aufzeigen. Zur Umsetzung dieser
in Gams hat eine Ei­gen­-    Politik sollen konkrete Maßnahmen erar-
energieversorgung            beitet werden, so dass Strom in Zukunft
von 448 Prozent.
                             sparsamer und effizienter verwendet und
3 «Zündholz» – Nach-
haltige Strom- und           im Kanton St. Gallen vermehrt Strom aus
Wärmeproduktion.             erneuerbaren Quellen produziert wird.

                                                          2                                                               3

                                                                                                                     17
Buchs                                                                       BY

                                  Naturstrom gezielt fördern                            SG    V              T          S

                                                                                             GR              BZ
                                                                                   TI
                                                                                                        TN

                         Die Stadt Buchs im St. Galler Rheintal ist der Hauptort der Region Werdenberg.
                         Sie ist mit 11 500 Einwohnerinnen und Einwohnern eines der größten städtischen
                         Zentren zwischen Bodensee und Chur. Die Gemeinde legt Wert auf die Qualität des
                         Lebensraumes: Der nachhaltige Umgang mit der natürlichen Umwelt ist im Ge-
                         meindeleitbild verankert.

                         Dass dieses Bekenntnis für Behörden und         einem Solarpreis und einem Recycling-
                         Bevölkerung nicht nur eine Floskel ist, ver-    preis ausgezeichnet.
                         deutlicht eine Vielzahl vorbildlicher Projek-     Seit Dezember 2001 ist Buchs Energie-
                         te, die Buchs letztlich das Qualitätslabel      stadt. Die Gemeinde belegte damals Rang
                         «Energiestadt» eingetragen haben. Die           20 von 67 zertifizierten Schweizer Energie-
                         Stadt fördert mit ihrem gemeindeeigenen         städten. Dank Anstrengungen in verschie-
                         Wasser- und Elektrizitätswerk (EWB) ge-         densten Bereichen konnte Buchs das Ni-
                         zielt den Absatz von Naturstrom. Gewon-         veau weiter anheben und sich laufend
                         nen wird dieser aus Sonnenkraft und aus         steigern. Ende 2011 war Buchs im vorde-
                         Turbinen, durch die das von den Quellen         ren Fünftel der nationalen Rangliste klas-
                         im Berggebiet gefasste Trinkwasser ins Tal      siert, 2013 will die Stadt das Energiestadt-
                         schießt. Große Fotovoltaikanlagen befin-        Label Gold erreichen und damit die
                         den sich auf den Dächern der Interstaat­        höchste Auszeichnung erhalten, die Ener-
                         lichen Hochschule für Technik und des Al-       giestädte anstreben können.
                         tersheims. Eine dritte Großanlage schwebt
                         auf Stützen über dem Ausgleichsbecken           Auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft
                         des EWB auf 1000 m ü. M. Die Gemeinde           Buchs verbraucht einen Drittel weniger
                         Buchs wurde für ihren nachhaltigen Ein-         Primärenergie            als   der        schweizerische
                         satz zum Schutz der Umwelt bereits mit          Durchschnitt. Dieses Resultat wird erreicht

                                                        2                                                                           3

18 | Wege zur Energiestadt
1

                         durch die Wärmeversorgung aus der Keh-        eines Windkraftwerkes geprüft. Leider
                         richtverbrennungsanlage (KVA) und dem         musste aufgrund der wenig idealen Wind-
                         hohen Anteil an erneuerbaren Energien im      bedingungen von diesem Vorhaben vor-
                         atomfreien Strommix. Seit April 2009 wird     erst wieder Abstand genommen werden.
                         die öffentliche Beleuchtung in Buchs          Gegenwärtig wird in die Erneuerung der
                         nachts ausgeschaltet. Damit leistet die Ge-   Wasserversorgungs- und Stromproduk­
                         meinde einerseits einen kleinen Beitrag       tionsanlagen investiert, damit die jährliche
                                                                       mittlere Energieproduktion um drei Pro-

                                 « Wir handeln und
                                                                       zent gesteigert werden kann. Neben För-
                                                                       derbeiträgen von Bund und Kanton betei-

1 Der Werdenberger-
                             machen uns gemeinsam                      ligt sich die Gemeinde an energiesparen-
                                                                       den Maßnahmen aus dem Energiefonds.
see bei Buchs.                  auf den Weg zur
                                                               »
2 Dank der Wärmever-                                                     Mit dem Energiekonzept «Buchs 2020»
sorgung aus der Keh-        2000-Watt-Gesellschaft.                    haben die Gemeindebehörden die Wei-
richtverbrennungsan-
                                                                       chen in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft
lage verbraucht Buchs       Daniel Gut, Gemeindepräsident Buchs
weniger Primärenergie.                                                 gestellt. Buchs hat schon heute eindrückli-
3 Fotovoltaikanlage                                                    che Leistungen vorzuweisen: Pro Einwoh-
auf Stützen über den     gegen den zunehmenden Lichtsmog, an-          nerin und Einwohner sind sechsmal mehr
Ausgleichsbecken des
EWB auf 1000 m ü. M.
                         dererseits wird der Energieverbrauch um       Solarstromzellen installiert als im schwei-
4 Kraftwerk EWB          einen Viertel (235 689 Kilowattstunden)       zerischen Durchschnitt. Die Ökostrompro-
Buchs.                   reduziert. Im Herbst 2010 wurde der Bau       duktion ist dreimal höher als der Durch-

                                                                        « Es ist für mich sehr schön,
                                                                       in einer Gemeinde leben und
                                                                          arbeiten zu dürfen, in der
                                                                         mit den Energieressourcen
                                                                        sparsam umgegangen wird.
                                                                       Das Ziel der 2000-Watt-Gesell-
                                                                        schaft finde ich sehr gut und
                                                                          ich stehe voll dahinter.          »
                                                                             Angelina von Siebenthal, Buchs
                                                                   4

                                                                                                                19
schnitt − vor allem wegen der Strom-          • Mehr Fernwärme: Die Kehrichtverbren-
                          ­erzeugung aus Trinkwasser. Über ein Drit-      nungsanlage KVA Buchs investiert jähr-
                          tel des Endenergieverbrauchs der gesam-         lich mehrere Millionen Franken in das
                          ten Gemeinde wird aus erneuerbaren              Fernwärmenetz Buchs. Ziel ist es, den
                          Quellen und Abwärme gedeckt. Mehr als           Anteil der angeschlossenen Gebäude im
                          zwei Drittel des Wärmebedarfs aller öffent-     aktuellen Fernwärmeperimeter von heu-
                          lichen Bauten liefert die Fernwärme aus         te 60 Prozent bis 2020 auf 90 Prozent zu
                          der KVA Buchs. Von den Energiestädten           erhöhen. Der Verein für Abfallentsor-
                          der Schweiz wurden 2011 sechs als Pio-          gung (VfA) Buchs erstellte 2011 eine
                          nierstädte ausgewählt, um sich am 2000-         Heisswasser-Speicheranlage mit einem
                          Watt-Benchmark zu messen. Dabei hat es          Volumen von 800 m3 und einer Spei-
                                                                          cherkapazität von 80 MWh Wärme. Da-

                                   « Den Weg in die
                                                                          mit kann, je nach Bedarf, die Nutzung
                                                                          der überschüssigen beziehungsweise
                           2000-Watt-Gesellschaft kann                    schlecht vergüteten Energie von der
                               ich nur unterstützen.                      Nacht auf den Tag verschoben werden.
                                                                          Mit dem Bau dieses Großboilers ist die
                          Früher haben wir den Kehricht                   KVA Buchs für die zukünftigen Anforde-
                            ohne Zusatznutzen einfach                     rungen des Energiemarktes gerüstet.
                            verbrannt, heute gewinnen                   • Mehr Solarwärme: Durch finanzielle
                                                                          Anreize soll die Kollektorenfläche von
                           wir Energie daraus. Gewinner
                                                                          heute 0,02 m2 pro Einwohnerin/Einwoh-
                            sind wir alle, die Gemeinde                   ner langfristig auf 0,5 m2 pro Kopf erhöht
                              und die Bevölkerung.           »            werden.
                                                                        • Mehr Umweltwärme: Mit einem Wär-
                                     Silvio Freund, Buchs                 mepumpentarif fördert das Wasser- und
                                                                          Elektrizitätswerk Buchs (EWB) die Nut-
                          Buchs auf den zweiten Platz geschafft und       zung von Umweltwärme.
                          liegt mit 4200 Watt über 2000 Watt unter      • Mehr Beratung: Ergänzend zum nationa-
                          dem aktuellen schweizerischen Durch-            len Gebäudesanierungsprogramm baut
                          schnittswert. Es sind aber noch weitere An-     die Gemeinde die Energieberatung und
                          strengungen nötig:                              das Energiecoaching für Hauseigentü-
                                                                          mer aus.

1 Die Sonnenkollekto-
renfläche soll in Buchs
weiter erhöht werden.

                                                                                                                  1

20 | Wege zur Energiestadt
Buchs liegt in einem ländlichen Raum
inmitten einer einzigartigen Naturkulis-    In Kürze
se. Das 15,96 km2 große Gemeindege-
                                            Buchs
biet erstreckt sich von den Landwirt-
schaftszonen im Talgrund (441 m ü. M.)      Landeskennzahlen
über Industrie- und Wohngebiete,            Einwohner                      11 388
Bergwälder und Alpen bis auf den Gip-       Fläche                      15,96 km2
fel des Glannachopfs (2232 m ü. M.).        eea-Rating                     66,3 %
Eingebettet zwischen dem Rhein und          Wirtschaftssektoren
der Alvier-Gebirgskette wird die kont-      Land- und Forstwirtschaft        4,6 %
rastreiche Landschaft weiträumig um-        produzierendes Gewerbe         16,6 %
rahmt von den bizarren Formationen          Dienstleistungsbereich         78,8 %
des Alpsteins. Bei Föhnwetter scheinen
die Berge zum Greifen nah.                  Energieverbrauch             171 GWh

Buchs bietet auf engem Raum sehr viel:      Eigenproduktion
Mit knapp 6000 Arbeitsplätzen in allen      elektrizität aus KVA         109 GWh
Sektoren und Branchen ist die Stadt zu-     erneuerbare Elektrizität    11,12 GWh
nächst ein wirtschaftlich starker Werk-
platz. Buchs ist zudem ein beliebter Ein-   – Erneuerung der Wasserversorgungs-
kaufsort und − dank der Interstaatlichen     und Stromproduktionsanlagen
Hochschule für Technik, der Internatio-      des Wasser- und Elektrizitätswerks
nal School Rheintal und des Berufs- und      der Gemeinde Buchs, 2012 – 2016,
Weiterbildungszentrums − ein regiona-        geschätzter Finanzbedarf 6,77 Mio
les Bildungszentrum. Buchs ist aber          Franken.
auch eine Wohngemeinde mit weit über        – Das eea-Gold-Label wird angestrebt
dem Durchschnitt liegender Lebens-          – Pilotanlage für hydrothermale Car-
qualität und einem vielfältigen Lebens-      bonisierung (HTC) ist geplant
raum − sozusagen vor der Haustür.           www.buchs-sg.ch
Weil der Ort verkehrsgünstig liegt und
gut erschlossen ist, sind die Städte
St. Gallen, Chur und Zürich sowie Feld-
kirch (A) und Bregenz (A) innerhalb ei-
ner Fahrzeit von rund einer Stunde
erreichbar. Bis zum Flughafen St. Gal-
len-Altenrhein sind es nur 40 Kilometer.

                                                                                     21
1

                                      Graubünden
                                      Graubünden sorgt für mehr Naturstrom

                             Graubünden – der einzige dreisprachige Kanton der Schweiz – bildet zusammen
                             mit anderen Gebirgskantonen und -ländern das Wasserschloss Europas. Die Bünd-
                             ner Stromproduktion aus der Wasserkraft ist viermal größer als der eigene Strom-
                             bedarf. In Zukunft will Graubünden einen noch stärkeren Beitrag an die ökologi-
                             sche Stromversorgung leisten.

                                                                           So beliebt der Kanton bei seinen Gästen
Der Kanton Graubünden ist wirtschaftlich, kulturell und politisch
                                                                           ist, so bekannt ist er auch für seinen Bei-
vielfältig. Die romanische Sprache und Kultur sind ein wesentlicher
                                                                           trag an eine nachhaltige Stromversorgung:
Teil der Bündner Eigenart. Graubünden ist aber auch ein Kanton der
                                                                           Heute erzeugen über 200 Anlagen im Ge-
landschaftlichen Schönheiten: 615 Seen, über 900 Berggipfel und
                                                                           birgskanton erneuerbare Energie aus ein-
150 Täler darf der Gebirgskanton sein Eigen nennen. Graubünden ist
flächenmäßig zwar der größte, mit rund 192 600 Einwohnerinnen
und Einwohner zugleich aber auch der am dünnsten besiedelte Kan-
ton der Schweiz. Die Mehrheit der Beschäftigten arbeitet im Dienst-
leistungssektor. Die kulturelle Vielfalt, die landschaftlichen Schönhei-
ten und eine leistungsfähige Infrastruktur mit gastfreundlichen
Hotels, Bergbahnen, Bädern, Wellness- und Sportanlagen machen
Graubünden sowohl im Winter als auch im Sommer zu einer Top­
feriendestination.

                                                                                                                         2

    22 | Wege zur Energiestadt
heimischer Wasserkraft. Die Stromproduk-
                          tion beträgt rund 8000 GWh pro Jahr. Zum
                          Vergleich: Der eigene Strombedarf der
                                                                            In Kürze
                          Bündnerinnen und Bündner liegt bei jähr-          Kanton Graubünden
                                                                            Landeskennzahlen

                               « Der Stromverbrauch                         Einwohner
                                                                            Fläche
                                                                                                          192 621
                                                                                                         7106 km2
                           im Kanton Graubünden soll
                                                                            Wirtschaftssektoren
                            auch in Zukunft die Marke                       Land- und Forstwirtschaft         8%
                           von 2000 Gigawattstunden                         Industrie und Gewerbe            24 %
                          pro Jahr nicht übersteigen.              »        Dienstleistungen                 68 %

                                                                            Primärenergieverbrauch
                                   Regierungsrat Mario Cavigelli
                                                                            pro Jahr                    8834 GWh
                                                                            Wärme                           35,2 %
                          lich 2000 GWh. Bündner Naturstrom ist             Mobilität                       42,4 %
                          quasi ein erfolgreiches und nachhaltiges          Elektrizität                    22,4 %
                          Exportprodukt.
                            Für die Zukunft hat sich der Kanton ehr-        Erneuerbare Eigenproduktion
1 Bestehende Wasser-                                                        pro Jahr
                          geizige Ziele gesteckt. Bei gleichzeitig sta-
kraftwerke in Graubün-                                                      erneuerbare Elektrizität    8000 GWh
                          bil bleibendem Stromverbrauch soll die
den – wie etwa in der
Val Russein – werden      Stromproduktion aus der Großwasserkraft           CO2-Ausstoß pro Kopf        8,8 Tonnen
je nach Möglichkeit       bis zum Jahr 2035 um rund zehn Prozent
ausgebaut, um die
                          gesteigert werden. Auch die Energieeffizi-        www.gr.ch
Stromproduktion zu
erhöhen.                  enz wird verbessert: Der Verbrauch fossiler
2 Bündner Bergbäche       Energien für die Beheizung von Gebäuden
liefern reichhaltig die   und für die Warmwassererzeugung wird            Bündner Regierungsrat und Energiedirek-
wichtige Ressource
Wasser.
                          bis 2035 für alle Wohnbauten im Kanton          tor Mario Cavigelli ist klar, dass dieses
3 Graubünden steht        um 25 Prozent reduziert und zusätzlich um       An­sinnen nur gelingen kann, wenn sich
für eine imposante        40 Prozent durch erneuerbare Energien er-       Gesellschaft, Wirtschaft, Vertreter der
Bergwelt mit einer        setzt.                                          Raumplanung und des Natur- und Um-
gesellschaftlichen,
kulturellen und wirt-       Mit diesen Zielen will Graubünden einen       weltschutzes einem breiten Konsens ver-
schaftlichen Vielfalt.    Beitrag zur Energiewende leisten. Für den       pflichten.

                                                                     3

                                                                                                                     23
Landquart                                                          BY

                                  Landquart und die Wunder-                           SG
                                                                                           V        T         S

                                  lampen                                         TI
                                                                                       GR           BZ

                                                                                               TN

                         Landquart ist die erste Gemeinde der Schweiz mit flächendeckender LED-Straßen-
                         beleuchtung. Doch nicht nur dieses Leuchtturmprojekt zeichnet die Bündner Ge-
                         meinde aus: Landquart setzt auch auf die lokalen Energiepotenziale.

                         Das Thema Energieeffizienz wurde ur-
                         sprünglich an einer strategischen Tagung
                                                                              « Unsere Aktivitäten
                                                                          helfen mit, das Energie-
                         des Gemeindevorstandes aufgenommen
                         – mit dem Ziel, Geld zu sparen. Bei genau-          bewusstsein in der
                         erer Betrachtung wurde später festgestellt,      Bevölkerung zu fördern.
                         dass das Label Energiestadt die Gemeinde        Zudem können damit neue
                         – zumindest mittelfristig – vor allem Geld
                         kostet. Dennoch wurde der Prozess be-
                                                                          Arbeitsplätze geschaffen
                         gonnen. Nicht zuletzt aus der Verantwor-                werden.                  »
                         tung heraus, mit Energie haushälterisch
                                                                              Ernst Nigg, Gemeindepräsident
                         umzugehen und auf erneuerbare Energien
                         zu setzen. Landquart wurde also «von
                         oben herab» zur Energiestadt.                 fläche von anfänglich 600 m² in vier Jahren
                             Zwei Hauptinstrumente wurden dabei        verdoppelt werden – was auch erreicht
                         ins Zentrum gestellt: Die ökologischen Be-    wurde. Die Bevölkerung wurde neben jähr-
                         schaffungsrichtlinien für Verwaltung und      lichen Aktionen kontinuierlich mit Artikeln
                         Schulen sowie ein Förderprogramm für          in der Gemeindezeitschrift über die Aktivi-
                         Umbauten und Solaranlagen Privater, do-       täten der Verwaltung informiert und zum
                         tiert mit 250 000 Franken über vier Jahre.    Mitmachen motiviert. Auch Wirtschaft und
                         Außerdem sollte die Sonnenkollektoren-        Gewerbe wurden mehrmals an Anlässen

                                                                                                                  2

24 | Wege zur Energiestadt
1

                          informiert. Diese gemächliche Vorgehens-
                          weise gab vor allem den kritischen Mit-
                                                                             « In der Energiepolitik
                                                                          reicht bescheidenes Mittel-
                          menschen Zeit. Das hat sich bewährt. Mit
                          53 Prozent der möglichen Punkte wurde               maß nicht mehr aus.
1 Zielgerichtete LED-
                          2008 das Label «Energiestadt» erlangt.            Wir brauchen ambitiöse
                          Dieses ist heute breit akzeptiert und hat
Straßenbeleuchtung
                                                                           Ziele und kompromisslose
                                                                                                 »
auf die Fahrbahn und      viele positive Reaktionen ausgelöst. Eine
nicht an die Hausfassa-
                          Euphorie wurde bis dato aber nicht ausge-                Schritte.
den: Lichtverschmut-
zung existiert nicht      löst.
                                                                                     Andreas Thöny,
mehr in Landquart.
                                                                             Gemeindevorstand Ressort Energie
2 Blick vom alten Bau-    Learnings
erndorf Igis Richtung
Bündner Herrschaft,
                          • Zentral ist der glaubwürde Umgang mit
dem bekannten Wein-         dem Label Energiestadt. Wer Energie-          gen. Ein geeignetes Instrument sind
anbaugebiet.                stadt werden möchte, muss bereit sein,        ökologische Beschaffungsrichtlinien. Da-
3 680 Straßenlampen         Maßnahmen zu ergreifen und sich kon­          mit können Lehrpersonen und Verwal-
mit Leuchtdioden:
Gemeinderat Andreas         tinuierlich weiterzuentwickeln. Energie-      tungsangestellte von Anfang an sensibi-
Thöny (links) sowie der     stadt sein ist nicht das Ziel, sondern der    lisiert werden. Kritische bis ablehnende
Bündner Energiedi-          Weg. Neben einer Energiekommission            Haltungen werden früh aufgenommen.
rektor Mario Cavigelli
montieren in Land-          mit engagierten Personen ist es uner-         Die Themen Energieeffizienz und Res-
quart eine LED-Lampe.       lässlich, die Mitarbeitenden zu überzeu-      sourcenschonung können so fassbar ge-
                                                                          macht werden und begleiten durchs
                                                                          ganze Jahr.
                                                                         • Die   Finanzierung   muss    gesichert
                                                                          werden. Viele Energiestadtmaßnahmen
                                                                          kosten Geld und binden personelle
                                                                          Ressourcen. Ohne gesicherte Finanzie-
                                                                          rung ist der Handlungsspielraum einge-
                                                                          schränkt, der Status Energiestadt bleibt
                                                                          lediglich ein Lippenbekenntnis. Land-
                                                                          quart kennt deshalb ein Energiegesetz.
                                                                          Darin ist festgehalten, dass auf den
                                                                          Stromverbrauch eine Abgabe von maxi-
                                                                          mal zwei Rappen pro kWh erhoben wird.
                                                                          Private Unternehmen, die nachweislich
                                                                    3
                                                                          Energieeffizienzmaßnahmen umsetzen,

                                                                                                                25
erhalten einen Rabatt von 0,7 Rappen           Prozent Strom gespart werden, und
                             pro kWh. Im Gesetz wird auch aufge-            auch Lichtverschmutzung existiert nicht
                             führt, wofür die Mittel verwendet wer-         mehr. Die Umrüstung der 680 Lampen
                             den (etwa öffentlicher Verkehr, Bauten         kostete rund 620 000 Franken. Die ein-
                             und Anlagen für erneuerbare Energie            gesparten Kosten von jährlich 80 000
                             oder für Energiestadtmaßnahmen). Die           Franken werden die Investitionen in
                             Bevölkerung hat das Gesetz mit knapp           acht Jahren amortisieren.
                             70 Prozent angenommen.
                         • Leuchtturmprojekte helfen, in der Be­          Blick in die Zukunft
                             völkerung die Akzeptanz gegenüber            Auf das Jahr 2014 wird das eea-Gold-Label
                             dem Label Energiestadt zu erhöhen und        angestrebt. Eine zentrale Aufgabe wird in
                                                                          den nächsten Jahren sein, den kommuna-

                                   « Der Unterschied
                                                                          len Energierichtplan umzusetzen. Dieser
                                                                          soll die Nutzung der lokalen Energiepoten-
                          mit der neuen LED-Straßen-                      ziale verbessern. Energieangebot und
                         beleuchtung ist phänomenal.                      -nachfragen sollen räumlich koordiniert
                                                                          und erneuerbare Energien und Abwärme
                        Ich sehe zwei- bis dreimal mehr                   vermehrt genutzt werden. Weitere Ziele
                               Sterne als zuvor.           »              sind: Den gemeindeeigenen Wärmever-
                                                                          brauch pro Quadratmeter beheizter Fläche
                                          Theo Hess,
                                                                          um 20 Prozent zu reduzieren und den
                                Einwohner und Hobby-Astronom
                                                                          gemeindeeigenen Stromverbrauch um 10
                                                                          Prozent zu verringern. Gleichzeitig soll das
                             stolz auf das Erreichte zu sein. Landquart   Förderprogramm für Private weitergeführt
                             hat deshalb im Jahr 2011 die gesamte         werden und die bestehenden Nahwärme-
                             Straßenbeleuchtung saniert und ist die       netze von Öl auf erneuerbare Energien
                             erste Gemeinde der Schweiz mit flächen-      umgestellt werden. Auch sollen Wärme-
                             deckender Straßenbeleuchtung durch           kraft-Koppelungsanlagen des Gasnetzes
                             Leuchtdioden (LED). Damit können 60          gefördert werden.

1 Die Rhätische Bahn
am Bahnhof Landquart,
ihrem Gründungsort
und dem Sitz der
Hauptwerkstätte.
2 Das ehemalige Was-
serschloss Marschlins
aus dem 13. Jahrhun-
dert.

                                                                                                                    1

26 | Wege zur Energiestadt
Landquart ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Als «Tor zu
Graubünden» verdankt es seine Existenz der Rhätischen Bahn,       In Kürze
welche im Jahr 1889 die erste Strecke Landquart-Klosters eröff-
                                                                  Landquart
nete. In Landquart wird von den normalspurigen Schweizeri-
schen Bundesbahnen (SBB) auf die Rhätische Bahn umgestie-         Landeskennzahlen
gen, um die Tourismusregionen Klosters, Davos oder Engadin        Einwohner                      8488
zu erreichen. Pro Jahr steigen mehr als 1,6 Mio. Gäste in Land-   Fläche                      18,9 km2
quart um.                                                         eea-Rating                     53 %

Die drittgrößte Gemeinde des Kantons Graubünden besteht           Energieverbrauch            67 GWh
aus den drei Ortsteilen Igis, Landquart und Mastrils. Während
in Landquart Industrie und Gewerbe beheimatet sind, verfü-        – Flächendeckende LED-Straßenbe-
gen Igis und Mastrils vor allem über Wohnmöglichkeiten sowie       leuchtung.
Landwirtschaft und Kleingewerbe. Landquart ist ein wichtiger      – Das eea-Gold-Label wird angestrebt
Einkaufs- und Arbeitsort für die ganze Region: In der Gemeinde    – Verdoppelung der Sonnenkollek-
gibt es rund 4000 Arbeitsplätze, vor allem im Sekundär- und        torenfläche von 600 auf 1200 m2 in
Tertiärsektor. Landquart ist auch Bildungs- und Forschungs­        vier Jahren
standort für das landwirtschaftliche Beratungs- und Bildungs-     www.landquart.ch
zentrum Plantahof, die Hochschule für Physiotherapie sowie
das Centre Suisse d‘Electronique et Microtechnique. Neben der
Forschungstätigkeit werden hier innovative Jungunternehmer
über «Start-Ups» begleitet.

                                                                                 2

                                                                                                          27
1

                                  Salzburg
                                  Energieautonomie bis 2050

                         Damit Salzburg auch weiterhin von seinen Vorzügen profitieren kann, setzt das
                         Land in seiner Energiepolitik vor allem auf umweltfreundliche und erneuerbare
                         Ressourcen.

                         Die Regierung verfolgt das ehrgeizige Ziel,   der Energieerzeugung aus erneuerbaren
                         den Anteil der erneuerbaren Energie am        Quellen in der Region erreicht werden.
                         Gesamtenergieverbrauch bis ins Jahr 2020        Zur Unterstützung des angestrebten
                         auf 50 Prozent zu steigern. Bis 2050 will     Ziels baut Salzburg sein «e5-Programm für
                         Salzburg energieautonom sein, also unab-      energieeffiziente Gemeinden» weiter aus.
                         hängig vom Import fossiler Energieträger.     Aktuell sind 24 Gemeinden in dem Pro-
                         Dies soll einerseits durch Energiesparen      gramm aktiv und zeigen Wege zu einer
                         und andererseits durch eine Steigerung        fossilfreien Energieversorgung auf. Die

                                                                                                                2

28 | Wege zur Energiestadt
Salzburg ist vor allem als Kulturland weltbekannt. Die Schön-
 heiten der Natur, die vielen Sehenswürdigkeiten, das breite                 In Kürze
 Angebot an Freizeitaktivitäten, die jahrhundertelange Ge-
                                                                             Land Salzburg
 schichte sowie die reiche volkskulturelle Tradition bilden die
 Basis für den Erfolg als Tourismusland mit jährlich 24 Millionen            Landeskennzahlen
 Übernachtungen. Salzburg ist auch ein ökonomisch starkes                    Einwohner                     533 000
 Bundesland und zählt europaweit zu den dynamischsten Regi-                  Fläche                       7156 km2
 onen und besten Investitionsstandorten. Klein- und Mittelbe-                Wirtschaftssektoren
 triebe bilden das Rückgrat der Wirtschaft. Viele ausgezeichnete             Land- und Forstwirtschaft        0,9 %
 Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen und vier Universi-                 Industrie und Gewerbe           24,0 %
 täten haben hier ihren Sitz.                                                Dienstleistungen                75,0 %

                                                                             Primärenergieverbrauch
                          Projekte reichen von Effizienzkriterien bei        pro Jahr                  22 068 GWh
                          Baulandverträgen über energieoptimierte            fossil                          57,5 %
                          Gemeindegebäude und Straßenbeleuch-                erneuerbar                      42,5 %
                          tungen bis zu Trinkwasserkraftwerken.
                            Zurzeit werden 42,5 Prozent des Gesam-           Erneuerbare Eigenproduktion
                                                                             pro Jahr
                          tenergieverbrauchs (Österreich: 30,6 Pro-
                                                                             erneuerbare Wärme        4387,5 GWh
1, 4 Damit Salzburg       zent), in den auch der Heizenergiever-
auch künftig für
                                                                             erneuerbare Elektrizität 4503,7 GWh
                          brauch sowie der Verkehr eingerechnet
Einheimische und Tou-
                          sind, aus erneuerbaren Quellen bezogen.            CO2-Ausstoß pro Kopf        7,7 Tonnen
risten lebenswert ist,
setzt das Land unter      Die Hälfte davon entfällt auf Wasserkraft.
anderem auf erneuer-         Betrachtet man den Stromverbrauch               www.salzburg.gv.at
bare Energie.
                          isoliert, schaut die Bilanz noch günstiger
2 Bereits 92 Prozent
des in Salzburg erzeug-
                          aus: In Salzburg werden bereits 92 Prozent
ten Stroms werden aus     des elektrischen Stroms aus erneuerbaren         1984 entstanden 122 Biomasseheizwerke
erneuerbaren Quellen      Quellen (fast 500 Wasserkraftwerken) ge-         sowie Anlagen zur Nutzung der Abwärme
erzeugt, vorwiegend
in knapp 500 kleinen,
                          wonnen. Zudem erzeugen zehn Biomasse-            großer Firmen, die über insgesamt 480 Kilo­
mittleren und großen      Heizkraftwerke Ökostrom, der in das              meter Fernwärmeleistungen 6500 Objekte
Wasserkraftwerken.        Stromnetz eingespeist wird und mit dem           mit Wärme versorgen. Dadurch werden
3 122 Biomasseheiz-       rund 35 000 Haushalte versorgt werden.           pro Jahr 65 Millionen Liter Heizöl bzw.
werke versorgen in
Salzburg 6500 Gebäu-        In der Wärmeerzeugung hat Salzburg             173 000 Tonnen CO2 eingespart.
de mit Wärme.             bereits früh auf Biomasse gesetzt. Seit

                                                                       3                                              4

                                                                                                                      29
Weißbach bei Lofer                                              BY

                                   Ölkessel sollen Biomasse-                        SG
                                                                                         V        T        S

                                   Energieträgern weichen                      TI
                                                                                        GR        BZ

                                                                                             TN

                         Seit Jahrzehnten werden in Weißbach verschiedene Impulse gesetzt, die das
                         Wohnen im Ort lebenswert machen. So ist die Gemeinde seit 1998 im e5-Programm
                         aktiv und hat sich Energieautarkie zum Ziel gesetzt. In den vergangenen Jahren ist
                         Weißbach diesem Vorhaben deutlich näher gekommen und lebt heute einen ganz-
                         heitlichen Ansatz für eine nachhaltige Entwicklung als e5-Gemeinde, Bergsteiger-
                         dorf des Österreichischen Alpenvereins und Naturpark.

                         Begonnen haben die Bestrebungen für
                         Energiebewusstsein und Energieeffizienz
                                                                               « In Weißbach
                                                                         steht ganz klar Qualität
                         eher punktuell, etwa durch die Positionie-
                         rung als fahrradfreundliche Gemeinde.                vor Quantität.
                         Seit den 1990er-Jahren wurden Gemeinde-           Wichtig ist, dass die
                         gebäude wie Feuerwehrhaus, Volksschule
                                                                        Bevölkerung aktiv bei der
                         und Kindergarten saniert (beziehungs­weise
                         neu errichtet), und auf dem Schul­hausdach
                                                                          Gemeindegestaltung
                         wurde eine 30-kWp-Fotovol­taikanlage ins-             mitwirkt.               »
                         talliert. Vor allem unter Bürgermeister
                         Egon Fröschl wurde das B
                                                ­ ewusstsein für            Josef Michael Hohenwarter,
                                                                                   Bürgermeister
                         Energieeffizienz gefördert, etwa durch den
                         Einbau von Wärmepumpen in öffentlichen
                         Gebäuden.                                    de im Jahr 2006. Dadurch kam der Prozess
                             Ein großer Einschnitt war das unerwar-   der aktiven e5-Arbeit fast zum Erliegen,
                         tete Ableben des Amtsleiters der Gemein-     auch wenn die grundlegenden Ideen im-

                                                                                    2                            3

30 | Wege zur Energiestadt
1

                          mer präsent waren. Mit der anstehenden
                          Auditierung sowie einigen geplanten gro-
                                                                            « Ein großer Schritt war
                          ßen Projekten (etwa der Biomasse-Nah­
                                                                          die Energieversorgung mit
                          wärmeversorgung) wurde das Energie-             dem Nahwärmeheizwerk,
                          team neu aufgestellt und die e5-Arbeit         das mit der neuen Thermo-
1 Landschaftsschutz in
                          wiederbelebt. Die Leitung des Energie-
Weißbach: «Pinzgauer                                                    holzproduktion einer örtlichen
Zaun» auf der Litzlalm.   teams wurde auf zwei Personen aufgeteilt,
2 Weißbach ist seit       die Vizebürgermeisterin und die Natur-         Tischlerei kombiniert wurde
1998 im e5-Programm       parkbetreuerin. Die Aktivitäten des im Jahr    und nun fast den gesamten
                                                                                                                »
aktiv und hat sich
                          2007 eröffneten Naturparks passen näm-          Ort mit Wärme versorgt.
Energieautarkie zum
Ziel gesetzt.             lich perfekt zur e5-Philosophie. Die Ge-
3 Das Naturdenkmal        meinde versucht bei jeder Gelegenheit,                Josef Michael Hohenwarter,
Seisenbergklamm ist       Synergien zu nutzen, etwa bei der Organi-                    Bürgermeister
ein Anziehungspunkt
für Familien.
                          sation von Veranstaltungen.
4 Almerlebnisbus:                                                       tung und Modernisierung von Ökostrom-
grenzüberschreitend       Auch zwischenmenschliche Energie              anlagen fördert. Der Beitritt half mit, das
und sanft den Natur-      wichtig                                       Projekt «Biomasse-Nahwärmeversorgung»
park Weißbach und den
Nationalpark Berchtes-    Weißbach ist auch der «Ökostrombörse»         erfolgreich umzusetzen. Mittlerweile wer-
gaden kennenlernen.       beigetreten, die unter anderem die Errich-    den 90 Prozent des Wärmebedarfs durch
                                                                        Biomasse gedeckt. In diesem Bereich soll
                                                                        möglichst rasch Energieautarkie erreicht
                                                                        werden, so dass auch die letzten Ölkessel
                                                                        durch Biomasse-Energieträger ausgetauscht
                                                                        werden können. Weißbach ist auf dem
                                                                        besten Weg in eine nachhaltige Zukunft
                                                                        und integriert den eingeschlagenen Weg
                                                                        in Richtung Energieeffizienz und erneuer-
                                                                        bare Energie in ein ganzheitliches Gemein-
                                                                        deentwicklungskonzept. Das Energieleit-
                                                                        bild, das zurzeit erstellt wird, berücksichtigt
                                                                        darum nicht nur die wichtigen Aspekte
                                                                        von Energieeffizienz und erneuerbaren
                                                                        Energien. Denn Energie wird in Weißbach
                                                                        nicht nur als Wärme- und Stromspender
                                                                   4
                                                                        gesehen. Besonders wichtig sind auch die

                                                                                                                    31
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