Adieu, Fließbandarbeit! - Arbeitsplatz Betriebsgastronomie: großer Wandel, neue Chancen - Essenszeit

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Adieu, Fließbandarbeit! - Arbeitsplatz Betriebsgastronomie: großer Wandel, neue Chancen - Essenszeit
KARRIERE & RATGEBER

Adieu,
Fließbandarbeit!
                                                   Fotos: OTTO GmbH & Co.KG

Arbeitsplatz Betriebsgastronomie: großer Wandel,
neue Chancen

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Adieu, Fließbandarbeit! - Arbeitsplatz Betriebsgastronomie: großer Wandel, neue Chancen - Essenszeit
Kantinenjobs waren lange Zeit als eintöni-
ge Fließbandarbeit für mäßig Ambitionierte
verschrien. Und heute? Der Wandel der
Betriebsgastronomie weg von der lieblosen
Abfertigungshalle mit Schnell-und-günstig-
Kost hin zum Wohlfühl- und Genuss-Treff-
punkt der Belegschaft und externer Gäste
hat zu einer erheblichen Aufwertung der
Tätigkeiten der Leute, die dort arbeiten,
geführt. Für wen und wo hier welche
neuen Job-Chancen warten – hier sind
die Antworten.              Text: Petra Sodtke               pus in Wien diniert: Das Essen ein Magenschmaus (frisch,
                                                             regional, saisonal, nachhaltig dominiert), das Interieur ein
                                                             Augenschmaus, das Kantinenpersonal adrett gekleidet und
                                                             offensichtlich bestens geschult, in der Küche werkeln top-

K
        antine oder Spitzenlokal? Das ist kaum mehr zu un-   ausgebildete, erfahrene Köche.
        terscheiden, wenn man in modernen Betriebskan-
        tinen wie jenen des Küchengeräteherstellers Ratio-   Im einladend-kommunikativen Ambiente genießen Chefs,
nal in Landsberg am Lech, bei Bahlsen in Hannover, in der    Azubis und (meist auch) externe Gäste Seite an Seite ab-
»Elbe«, der Kantine des Handels- und Dienstleistungskon-     wechslungsreiche Kost wie getrüffelte Pasta mit Rucola und
zerns Otto in Hamburg, oder im »Iki« am Erste-Bank-Cam-      Pecorino, Holunderblütenparfait, gesunde Bowls, hebräi-

                                                                                                 HOGAPAGE 1/2019      83
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sche Shakshuka mit Hummus und             Vieles mehr wird geboten – und             »auf Durchzug schalten« kann, geht
heimische Klassiker in bester Qualität.   verlangt                                   hier nicht. Eher gleicht die Arbeit
Vorpanierte Schnitzel aus Massentier-     Der derzeitige Boom der Gourmet-           heute einer Kreativagentur mit viel-
haltung, wie in herkömmlichen Kan-        Kantinen hat den Arbeitsplatz Kan-         fältigen Aufgaben und abwechslungs-
tinen gang und gäbe, sind verpönt.        tine heftig umgekrempelt. Denn je          reichen Einsätzen.
                                          mehr dem Gast geboten wird, desto
Nicht mal ein Hauch von Fritteusen-       mehr ist auch das Küchen- und              Dietmar Hagen, Gründer von »Essens-
fett-Geruch reizt die Nase. Fakt ist:     Servicepersonal gefordert, was seine       zeit« (www.essenszeit.com) in Han-
Immer mehr Unternehmen im In- wie         Kreativität, Organisationsfähigkeit        nover und eine federführende Kraft,
Ausland rüsten ihre Kantinen zum          und sein (spezialisiertes) Fachwissen      die in den 1990er-Jahren den Wandel
formschönen Ort der Begegnung und         betrifft. So kommen                                              zur gesunden,
Aushängeschild auf, um ihr Image          et wa Conven ience-                        Kantinen              genussreichen
nach außen als innovativer Betrieb zu     Produkte, die man nur                      mutieren              Kant inen-Kost
schärfen. Und um gute Mitarbeiter, die    auf heizen muss, in                                              in Deutschland
in Zeiten von »Feel-Good-Manage-          Gourmet-Kantinen nur             Dietmar
                                                                                     zunehmend au sgelöst hat
ment« und »Work-Life-Balance« auf         mehr sehr spärlich –              Hagen,   zu Wohlfühl- (die vom Han-
                                                                       Gründer von
Arbeitgeber-Benefits wie die Möglich-     wenn überhaupt – zum        »Essenszeit«   Orten                 delsblatt verbrei-
keit der gesunden Mittagspause genau      Einsatz. Arbeiten wie                                            tete Beschreibung
achten, gewinnen und langfristig hal-     am Fließband, wo man auch mal lo-          Hagens als »Küchen-Revoluzzer« trifft
ten zu können.                            cker zwischendurch ein bisschen            seinen Beitrag sehr gut), sagt: »In mei-
                                                                                     nen Kantinen gibt es z.B. kein einziges
                                                                                     Menü zweimal, wir entwickeln unsere
                                                                                     Rezepte ständig weiter. Für die Ausar-
                                                                                     beitung sind wechselnde Dreier-Teams

Kantine ist nicht gleich Kantine:                                                    zuständig. Das Gesamtkonzept in
                                                                                     der Kantine muss jederzeit stimmen:

der Arbeitgeber-Check                                                                die Gerichte, Konzeption, Akustik, das

Wer feststellt, dass er gut in die Arbeitswelt Kantine passen könnte, sollte einen intensiven Arbeitgeber-
Check durchführen, um sich beim Richtigen zu bewerben. Denn es gibt sie natürlich auch noch, die
herkömmlichen Kantinen, in denen es Kreative und Ambitionierte schwer haben dürften.

Wichtige Fragen – teils zur Vorab-Recherche, teils fürs        ken: Marco Simonis, Kim Sohyi mit ihrer Kantine der KPMG
Bewerbungsgespräch:                                            Wirtschaftsprüfungsanstalt, Andreas Wojtas »Minori-
• Wie innovativ ist der Kantinenbetreiber bzw. das Unter-      tenstüberl« im Unterrichtsministerium in Wien, das »Iki«
  nehmen tatsächlich?                                          der EB-Restaurantsbetriebe Ges.m.b.H. am Campus der
• Welcher Tarif ist Grundlage für den Arbeitsvertrag?          Erste Bank.
• Welche Möglichkeiten der Weiterbildung und -entwick-
  lung gibt es?                                                Auch Weltenbummler müssen übrigens die Arbeitswelt
• Wie wird Führung verstanden, welche Werte werden             Kantine nicht ausklammern. Ganz im Gegenteil, hier war-
  gelebt, wird Kreativität auf allen Ebenen geschätzt?         ten attraktive Stellen, denn der Trend zur gehobenen Kan-
                                                                                                                                Fotos: OTTO GmbH & Co.KG; LUMIPLAN

                                                               tine ist auch in anderen Ländern stark präsent: In London
Tipp: Potenzielle Arbeitgeber mit herausragenden Kanti-        beispielsweise lohnt ein Blick auf das Medienunternehmen
nen-Konzepten in Deutschland findet man etwa in Form           Bloomberg, denn so ein außergewöhnliches Arbeitsumfeld
der Auflistung der 50 besten Betriebsrestaurants des Lan-      bekommt man nur selten zu sehen: Hier sorgt ein lebender,
des, die der Verein Food & Health e.V. zusammen mit dem        vertikaler Garten, von Architektenhand entworfen, im Be-
Magazin FOCUS mit einer Fachjury Ende 2018 ermittelt und       triebsrestaurant für ein Betriebsklima der besonderen Art.
ausgezeichnet hat (www.focus.de).
                                                               Im Headquarter des Technik-Unternehmens Dropbox in
Gute Adressen für Bewerber: Zu den Preisträgern des o.g.       San Francisco lässt es sich auch edel arbeiten: Hier lädt eine
Wettbewerbs gehören in Deutschland z.B. Otto, Rational         hypermoderne Kantine im Industrial-Stil mit unterteilten
und Bahlsen (unter der Kantinen-Ägide von Dietmar Ha-          Arealen und Leder-Lounges gleichzeitig zum Essen, Arbei-
gen). In Österreich sollte man sich u.a. diese Namen mer-      ten, Brainstormen, Abhalten von Gruppenmeetings ein.

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Interieur, das bargeldlose Bezahlen,          Mütter und Väter: die geregelte Leit-    sehr niedrige Fluktuation.« Auch bei
die Strukturen und Abläufe, die wir           planke von Arbeitszeit, meist im Zeit-   Rational und Otto soll der Mitarbei-
laufend verbessern, und vieles mehr.          raum von 6 Uhr bis 15 Uhr, mit freien    terstamm dieses Jahr weiter mit neu-
Kantinen mutieren zunehmend zu                Wochenenden, die ja in der Gastro-       en Talenten ergänzt werden (Extra-
Wohlfühl-Orten. «                             nomie absolute Ausnahme sind, und        Tipp für Köche!).
                                              genau planbare Urlaube.
Für engagierte, ideenreiche Leute gibt es                                              Was man sich allerdings klar machen
also viel zu tun und kreativ auszutüfteln.    Was das Gehalt betrifft, halten sich     sollte: Wer als oberstes Ziel hat, schnell
Und zwar nicht nur »an der Front« durch       Dietmar Hagen und Andreas Deyerler,      die Karriereleiter zu erklimmen und
die Köche und Servicekräfte, sondern          Leiter Restaurant- und Veranstal-        zum Direktor aufzusteigen, sollte sich
auch durch die Fachkräfte im organisa-        tungsservice bei der Firma Rational      mangels Möglichkeit besser einen an-
torischen Bereich, wo neue, für (Fach-)       (www.rational-online.com), zwar et-      deren Arbeitsplatz suchen. »Unsere
Hochschulabsolventen überaus attrak-          was bedeckt, verraten im Interview       Hierarchien sind f lach. Nicht ver-
tive Jobs rund um Konzeption, Optimie-        aber zumindest so viel: Man darf sich    gleichbar mit der klassischen Hierar-
rung und Entwicklung entstanden sind.         auf ordentliche Arbeitsverträge und      chie im Hotel- und Restaurantbe-
                                              übertarifliche, attraktive Vergütung     reich«, sagt Andreas Deyerler.
Nicht nur die Arbeitszeit ist ein             einstellen. Diese Vorteile kommen an.
Zuckerl                                       Hagen: »Wir bekommen Bewerbungen         Glücklich werden dafür jene, bei denen
Die Zeiten, in denen ambitionierte            von den besten Leuten aus À-la-carte-    Weiterbildung und -entwicklung einen
Top-Fachkräfte einen hohen Bogen um           Restaurants. Außerdem haben wir eine     hohen Stellenwert hat und die sich
den Arbeitsplatz Kantine gemacht ha-
ben, dürften bei den verlockenden,
kreativen Job-Inhalten endgültig vor-
bei sein. Dazu arbeitet man in einem
schönen, modernen Arbeitsumfeld
und kommt in den Genuss eines der
unschlagbarsten Vorteile, gerade für

1) Kantinen-Mitarbeiter haben oft gut lachen:
   Die Fluktuation ist gering, die Zufriedenheit
   mit dem Arbeitsplatz in der Regel hoch.
2) Modern eingerichtete Kantinen, wie etwa
   das »Iki« in Wien, haben ihren Gästen
   nicht nur kulinarisch, sondern auch optisch
   etwas zu bieten.
                                                                                                                              n

                                                                                                                              o

                                                                                                                              85
Adieu, Fließbandarbeit! - Arbeitsplatz Betriebsgastronomie: großer Wandel, neue Chancen - Essenszeit
»Ein typischer Tag beginnt um 6 Uhr
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                                                                                      beiter-Besprechung. Da werden die
                                                                                      wichtigsten Dinge geklärt und aktuell
                                                                                      Wissenswertes zu Themen wie Rezep-
                                                                                      te, Hygiene, Einkauf, Lagerhaltung,
                                                                                      Qualität kurz wiederholt, Teilverant-
                                                                                      wortungen eingeteilt, Rezeptentwick-
     In einer angenehmen Umgebung wie hier bei Rational lässt es sich                 lungsteams bestimmt, Fehler bespro-
     auch entspannter arbeiten.                                                       chen. Danach bereiten die Mitarbeiter
                                                                                      ihre Arbeitsplätze vor. Zwischen-
                                                                                      durch gibt es Service-Meetings und
                                                                                      jeden Freitag den Ausblick für die
später vielleicht sogar einmal selbst-       von Vollwert-Ernährung, frischer Kü-     kommende Woche. Um 15 Uhr ist Fei-
ständig machen wollen. Denn was              che, Getreidekunde, werterhaltender      erabend.«
man hier lernt, ist so vielfältig, wie man   Zubereitung, Nachhaltigkeit, Führung,
es fast nirgends serviert bekommt: Von       BWL u.v.m.                               Teamarbeit wird großgeschrieben.
Planung über Ausführung, Zuberei-                                                     »Wir arbeiten übergreifend: Vom Chef-
tung, Präsentation bis Werbungs- und         Kantinen-Alltag: So viel Kreativität     koch bis zum Tellerwäscher, jeder
Verkaufsförderung, überall erhält man        braucht Struktur                         packt mit an, wo er gebraucht wird.
wertvolle Einblicke und kann Erfah-          Aber auch mit dem Arbeitsalltag sollte   Vorgesetzte leiten nach dem Prinzip
rungen sammeln. Zudem bieten fast            man sich identifizieren können. Dieser   ›unterstützende Führung‹«, erklärt Ha-
alle innovativen Kantinenbetreiber           ist nämlich geprägt von genau festge-    gen. Fazit: Für Einzelgänger, die lieber
wie die Firmen Otto (www.otto.de) und        legten Strukturen und Abläufen, »aber    ihr eigenes Süppchen kochen und
Rational interne und externe Schulun-        nicht wie ein Korsett, sondern um die    Routine statt kreativer Abwechslung
gen. In Dietmar Hagens »Essenszeit«          Kreativität des Teams möglich zu ma-     bevorzugen, sind Kantinen, die nach
gibt es sogar eine eigene Akademie mit       chen«, sagt Hagen. Ohne Disziplin kei-   modernen Konzepten arbeiten, sicher
einem umfangreichen Lehrangebot              ne Freiheit.                             nicht das geeignete Arbeitsumfeld.

»Man sollte gerne Gastgeber sein«
Interview mit Dietmar Hagen, Gründer von ESSENSZEIT (www.essenszeit.com),
professioneller Gastgeber in Betriebsrestaurants und der Gemeinschafts-
verpflegung sowie Berater von Unternehmen im Bereich der Betriebsgastro-
nomie.                                                   Interview: Petra Sodtke

Wer sind Ihre idealen Bewerber?                                   Karriere in der Kantine
Sie sollten mindestens drei bis vier Jahre Erfahrung haben        – wie schafft das ein
und in möglichst vielen Bereichen der Gastronomie gear-           junges Talent?
beitet haben. Gern gesehen sind Kräfte aus À-la-carte-            Ich empfehle eine Lehre und/oder ein
Restaurants. Eine fundierte Ausbildung wie Hotelfach-             Bachelor-Studium zum Thema Ernährung, Ökotropho-
schule, abgeschlossene Lehre etc. ist eine wichtige Basis.        logie oder adäquate Kurse und Seminare wie z.B. Diäte-
Zur Persönlichkeit: Man sollte ein Teamplayer, kreativ,           tik, Glutenunverträglichkeit, vegane Küche. Daneben
kommunikativ, offen sein, Weiterbildungswillen mitbrin-           sollte man seine Gastgeber-Qualitäten weiterentwickeln,
                                                                                                                                 Fotos: Hilke Opelt; Hagen

gen und Einsatz zeigen. Unbedingt braucht man das »Gas-           vielfältige Praxis-Erfahrung sammeln, Fremdsprachen
tro-Feeling«, man sollte also gern Gastgeber sein. Bei uns        lernen. Aus meinem Werdegang kann ich mitgeben: Eine
ist auch die Leidenschaft fürs Thema Voraussetzung: Mit           solide Basis-Ausbildung ist immer gut, viel Wertvolles
unserem untrennbaren Dreiergespann Genuss, Ernäh-                 lernt man vor allem in der Praxis, durch Anpacken und
rung/Diätetik (vegane Küche, Fachwissen, Glutenunver-             Offen-durchs-Leben-Gehen, durch Learning by Doing,
träglichkeit etc.) und toller Geschmack sollte man sich           vor allem wenn man so wie ich vom Koch zum Unter-
identifizieren können.                                            nehmer wird.

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