Aktive Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen - Diversity Management Schritt für Schritt

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Aktive Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen
                                                       Diversity Management Schritt für Schritt

Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung IQ“

                                                                          www.netzwerk-iq.de
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                              Förderprogramm IQ

                                                                                                                   Inhalt
                                                                                                                   		   Einleitung                                                                                                                  5
                                                                                                                   		   Vielfalt und wertschätzende Kultur lohnen sich!                                                                             6
                                                                                                                   		   Diversity Management – ein Konzept zur aktiven Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen                                       8
Impressum                                                                                                          		   Wie zukunftsfähig ist Ihr Unternehmen?                                                                                      9

                                                                                                                                        1. Vielfalt!? Worüber reden wir?             Praxis
                                                                                                                   		                        Und wie reden wir darüber?
                                                                                                                   12            Diversity Dimensionen und Merkmale                 Diversity Puzzle                                             13
                                                                                                                   14                 Die Kerndimension von Diversity               Gesetzlicher Schutz von Vielfalt                             15
                                                                                                                   16          Ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit              Maßnahmen                                                    17
                                                                                                                   18       Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe               Maßnahmen                                                    19
                                                                                                                   20                        Geschlecht und Gender (1)              Maßnahmen                                                    21
                                                                                                                   22                        Geschlecht und Gender (2)              Maßnahmen                                                    23
                                                                                                                   24                    Religion oder Weltanschauung               Maßnahmen                                                    25
                                                                                                                   26       Physische und psychische Fähigkeiten, oder              Maßnahmen                                                    27
                                                                                                                                         im engeren Sinne Behinderung
                                                                                                                   28                                             Alter             Maßnahmen                                                    29
Herausgeber:                                                                                                       30               Sexuelle Orientierung und Identität             Maßnahmen                                                    31
IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung
VIA Bayern e.V. – Verband für Interkulturelle Arbeit                                                                                       2. Vielfalt gestalten!? Aber wie?
Landwehrstraße 22                                                                                                  34                           Diversity-Daten sammeln             Wieviel Vielfalt steckt in Ihrem Unternehmen?                35
80336 München                                                                                                      36             Umsetzung von Diversity Management                In sechs Schritten zum Vorteil Vielfalt                      37
                                                                                                                   38             Schritt 1: Business-Kontext klären und            Kraftfeld-Analyse                                            39
Tel.: +49 (0)89/52 03 32 33                                                                                                       Diversity an das Kerngeschäft anbinden
www.netzwerk-iq.de/vielfalt-gestalten/fachstelle-interkulturelle-kompetenzentwicklung-und-antidiskriminierung      40            Schritt 2: Den aktuellen Stand ermitteln           Methoden der Ist-Analyse                                     41
                                                                                                                   42                         Schritt 3: Ziele formulieren          SMARTe Ziele                                                 43
Autorin:                                                                                                           44                  Schritt 4: Maßnahmen entwickeln              Maßnahmenplan                                                45
Dr. Kinga Bogyó-Löffler                                                                                            46               Schritt 5: Maßnahmen umsetzen (1)               Promotorinnen und Promotoren der Veränderung                 47
                                                                                                                   48               Schritt 5: Maßnahmen umsetzen (2)               Breite Beteiligung sicherstellen                             49
Layout:                                                                                                            50               Schritt 6: Zielerreichung überprüfen            Diversity Controlling                                        51
Bertram Sturm, www.bertramsturm.de
                                                                                                                                                  3. Ebenen der Gestaltung
                                                                                                                   54                              Unternehmensführung              Der persönliche Wirkungskreis                                55
© 2018                                                                                                             56     Vielfaltsorientiertes Personalmanagement (1)              Stellenausschreibungen                                       57
IQ Fachstelle „Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung“, VIA Bayern e.V.                      58     Vielfaltsorientiertes Personalmanagement (2)              Unbewusste Vorurteile                                        59
                                                                                                                   60                     Unternehmenskommunikation                 Vielfalt in Bildern                                          61
Alle in dieser Publikation enthaltenen Textbeiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das Urhe-     62                     Vielfaltsorientiertes Marketing
ber- bzw. Nutzungsrecht liegt beim Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ oder den jeweils
gekennzeichneten Autorinnen oder Autoren, Agenturen, Unternehmen, Fotografinnen oder Fotografen sowie
Künstlerinnen und Künstlern. Jede Veröffentlichung, Übernahme, Nutzung oder Vervielfältigung von Texten, Bildern   		 Ein Blick über den Tellerrand…                                                                                              64
oder anderen Daten bedarf der schriftlichen Zustimmung durch das Förderprogramm „Integration durch Qualifi-        		 Quellen                                                                                                                     65
zierung (IQ)“ oder des jeweiligen Rechteinhabers.
                                                                                                                                                    Die Broschüre ist strukturiert in Infoseiten (weiße Seiten) und Praxisseiten (grün hinterlegte Seiten). Stellen, die
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarkt-                                      Angaben zu den für die Gestaltung von Diversity relevanten gesetzlichen Regelungen (§), für die Praxis wichtige
integration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministe-                                          Hinweise (!) oder Selbstreflexionsfragen (?) beinhalten, sind gesondert gekennzeichnet:
riums für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung
                                                                                                                                                            Für Diversity relevante Gesetze
und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).

                                                                                                                                                            Für die Praxis wichtige Hinweise

                                                                                                                                                            Selbstreflexionsfragen

                                                                                                                                                                                                                                                     3
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                         Förderprogramm IQ

                                                                                        Einleitung

                                                                                        Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Gesundheit,      forschung (IAB 2017) – werden dem deutschen Ar-
                                                                                        ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit, Weltanschau-      beitsmarkt im Jahr 2030 um die 3,6 Millionen Arbeits-
                                                                                        ung, Aussehen oder soziökonomischer Status sind nur        kräfte weniger zur Verfügung stehen als heute. Der
                                                                                        ein Ausschnitt der Merkmale, die für die Identität von     Wettbewerb um die Talente hat längst begonnen. Das
                                                                                        Menschen wichtig sind. Durch diese Merkmale gehören        wissen große, international agierende Unternehmen
                                                                                        Menschen zugleich immer unterschiedlichen Gruppen          schon lange und haben bereits entsprechende Maß-
                                                                                        an und haben unterschiedliche Teilnahmechancen und         nahmen eingeleitet. Doch auch kleine und mittlere
                                                                                        Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in der Gesellschaft,      Unternehmen können diese Änderungen nicht länger
                                                                                        als auch auf dem Arbeitsmarkt.                             ausblenden, denn sie sind am meisten davon betroffen.

                                                                                        Dabei ist Vielfalt schon immer Normalität und der ge-      Diese Broschüre richtet sich an Führungskräfte, Per-
                                                                                        nauere Blick auf die damit verbundenen Chancen lohnt       sonalverantwortliche sowie Beraterinnen und Berater,
                                                                                        sich auch aus unternehmerischer Sicht!                     die Unternehmen begleiten, die noch keine Diversity-
                                                                                                                                                   Maßnahmen ergriffen haben. Diversity Management
                                                                                        So lebten in Deutschland im Jahr 2016, um einen As-        wird als Konzept zur aktiven Gestaltung der Vielfalt
                                                                                        pekt der Vielfalt exemplarisch aufzuzeigen, rund 18,5      vorgestellt und es werden Einblicke in die damit ver-
                                                                                        Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das          bundenen Möglichkeiten gegeben. Es geht also vor
                                                                                        entspricht in etwa 22,5 Prozent der Gesamtbevölke-         allem darum,
                                                                                        rung. Diese Zahl stellt eine Momentaufnahme nach
                                                                                        jahrzehntelangen Migrationsbewegungen und Integ-           ƒƒ den Einstieg in die Thematik zu erleichtern,
                                                                                        rationsprozessen dar. Es ist die Momentaufnahme ei-        ƒƒ eine große Bandbreite an Diversity-Instrumenten
                                                                                        ner Gesellschaft, geprägt u. a. durch die Erfahrungen         und -Maßnahmen vorzustellen und
                                                                                        mit den sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastar-          ƒƒ viele praktische Tipps für die Einführung und Etab-
                                                                                        beitern und ihren Nachkommen, die schon in den                lierung von Diversity Management zu geben.
                                                                                        1950er bis 1970er Jahren einen entscheidenden Bei-
                                                                                        trag zum „Wirtschaftswunder“ und zu der positiven
                                                                                        wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands geleistet        In der vorliegenden Broschüre wird also ein Manage-
                                                                                        haben. Trotzdem ist die Wahrnehmung von Menschen           ment-Ansatz vorgestellt, der zeigt, dass ein Umdenken
                                                                                        mit Migrations- oder Fluchthintergrund bis heute häu-      nicht nur notwendig ist, sondern sich durchaus auch
                                                                                        fig defizitär geprägt und oft von einseitigen Integrati-   lohnen kann. Denn ein Perspektivwechsel, weg von den
                                                                                        onsaufforderungen begleitet.                               vermeintlichen Defiziten der einzelnen Gruppen hin
                                                                                                                                                   zu den Potenzialen der jeweiligen Individuen, bringt
                                                                                        Doch die Globalisierung, die wachsende internationale      neue Möglichkeiten. Die Akzeptanz und die bewusste
                                                                                        und digitale Vernetzung und der inzwischen nicht mehr      Gestaltung der Vielfalt kann neben den positiven ge-
                                                                                        zu leugnende demografische Wandel bringen allmäh-          sellschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen As-
                                                                                        lich die Einsicht, dass ein Umdenken notwendig ist.        pekten auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, für das
                                                                                                                                                   eigene Unternehmen, fruchtbar gemacht werden. Und
                                                                                        Lange weiß man schon, dass die Bevölkerung Deutsch-        das trotz, oder beziehungsweise gerade wegen der un-
                                                                                        lands am Schrumpfen ist und immer älter wird. Sollte       terschiedlichen Lebenserfahrungen, Lebensentwürfen
                                                                                        diese Tendenz nicht unterbrochen werden – so die           und Mehrfachzugehörigkeiten jedes einzelnen Men-
                                                                                        Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs-       schen!

                                                                                                                                                     Aus förderrechtlichen Gründen wird der Genderaspekt in Publikationen des
                                                                                                                                                     Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ sprachlich berück-
                                                                                                                                                     sichtigt, indem die weibliche und männliche Sprachform verwendet werden.
                                                                                                                                                     Wo möglich, werden neutrale Begriffe eingesetzt.
                                                                                                                                                     Trotz des Verzichts auf Gender-Gap oder * möchten wir jedoch ausdrücklich
                                                                                                                                                     auch jene Personen einschließen, die sich sozial und/oder biologisch jenseits
                                                                                                                                                     der binären Geschlechterkategorien positionieren.

4                                                                                                                                                                                                               5
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                                           Förderprogramm IQ

Vielfalt und wertschätzende Kultur lohnen sich!

Wussten Sie, dass…                                                       Verbesserung der organisatorischen Flexibilität und Agi-   Verbesserte Kundinnen- und Kundenorientierung, An-         Aufwertung des Außen‐Images von Unternehmen
inzwischen zahlreiche deutsche und internationale                        lität durch vielfältige Teams                              gebote und Dienstleistungen                                Das Interesse am ökologischen, sozialen, ethischen und
Studien belegen, dass die aktiv gestaltete Vielfalt posi-                Vielfältig zusammengesetzte Belegschaften reagieren        Eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft wird          wirtschaftlichen Gesamtverhalten von Unternehmen
tive und langfristig auch monetär messbare Auswir-                       auf neue Herausforderungen in einem von stetem Wan-        angesichts einer zunehmend vielfältigen Kundschaft         und Organisationen ist sowohl bei vielen Mitarbeiten-
kungen hat?                                                              del geprägten Umfeld meist flexibler als homogene          durch passgenauere Angebote und Dienstleistungen           den als auch bei vielen Kundinnen und Kunden deut-
                                                                         Belegschaften. Dies kann in Zeiten der Globalisierung      eine höhere Kundinnen- und Kundenzufriedenheit er-         lich gewachsen. Durch eine gezielte Förderung von
Einen guten Überblick über solche Studien und deren                      und eines grundlegenden Strukturwandels ein ent-           reichen können. Unternehmen und Organisationen             Vielfalt können Unternehmen proaktiv zeigen, dass sie
Ergebnisse bietet die Publikation der IQ Fachstelle In-                  scheidender Wettbewerbsvorteil sein.                       können so ihre Publikumsorientierung noch zielgerich-      bemüht sind, gegen Diskriminierungen vorzugehen
terkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskri-                                                                                  teter und effektiver gestalten.                            und eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung
minierung mit dem Titel „Mehrwert Vielfalt – Zahlen,                     Erhöhung von Kreativität und Innovationsfähigkeit bei                                                                 zu unterstützen.
Daten, Fakten“ (2015).                                                   Problemlösungen                                            Verbesserter Umgang mit der zunehmenden Internati-
                                                                         Durch die erhöhte Vielfalt der Erfahrungen, Sichtwei-      onalisierung                                               Sicherung und Steigerung vom Unternehmenserfolg
Darin werden die wirtschaftlichen Vorteile der Vielfalt                  sen und Arbeitsstile kommen gemischte Gruppen oft          Insbesondere für international oder in einem interkul-     Durch das Zusammenspiel der dargestellten Vorteile
wie folgt zusammengefasst:                                               zu innovativeren und kreativeren Problemlösungen als       turellen Umfeld agierende Unternehmen und Organi-          bewirkt die nachhaltige Verankerung von Diversity
                                                                         einheitliche Gruppen.                                      sationen, die in zunehmendem Maße von einer Vielfalt       eine positive Veränderung der Unternehmenskultur.
Verbesserung des Personalmanagements und größere                                                                                    an Sprachen, Kulturen, Werteinstellungen, Arbeits- und     Die interne und externe Erschließung vorhandener
Auswahl an Bewerbenden                                                   Kostensenkung durch gute Motivation und weniger Dis-       Lebensstilen umgeben sind, ist ein positiver Umgang        Potenziale und die erarbeitete Qualitätsentwicklung
Unternehmen und Organisationen, deren gutes Image                        kriminierungen                                             mit Vielfalt unumgänglich. Dies gilt sowohl für ihr Han-   tragen letztendlich auch zur Sicherung und Steigerung
auch darauf gründet, dass sie personelle Vielfalt gezielt                Durch die individuelle Wertschätzung und die gelun-        deln nach innen wie nach außen. Aus einer ausgepräg-       vom Unternehmenserfolg bei.
fördern, haben bessere Wettbewerbsbedingungen bei                        gene Einarbeitung der Mitarbeitenden können Moti-          ten Diversity-Kompetenz und einer diversity-bewuss-
der Rekrutierung zunehmend bedeutender Gruppen                           vation und Zufriedenheit erhöht werden. Konflikte und      ten Unternehmenskultur können deutliche Vorteile
auf dem Arbeitsmarkt. Bei diesen Gruppen handelt es                      Diskriminierungen werden seltener. Direkte Kosten          beim Zugang zu neuen Märkten und Zielgruppen ent-
sich etwa um Frauen, Menschen mit Migrationshinter-                      durch etwaige Klagen wegen Diskriminierungen sowie         stehen.
grund oder ältere Arbeitnehmende. Angesichts der                         indirekte Kosten durch Unzufriedenheit, Demotivation,
gesellschaftlichen Veränderungen durch den demogra-                      Krankheit oder Folgekonflikte nach Diskriminierungs-
fischen Wandel und den wachsenden Fachkräftebedarf                       fällen können reduziert werden.
können diversity-orientierte Personalprozesse ein                                                                                                                                                      Beispiel
wertvolles Instrument sein, die Personalstruktur und                                                                                                                                             Ein Mensch hat ein bestimmtes Problem zu lösen und kommt auf
die Personalprozesse zukunftsfähig zu gestalten.                                                                                                                                                 drei mögliche Lösungswege.
                                                                                                                                                                                                 Wie viele verschiedene Ansätze würden wohl zehn Menschen fin-
                                                                                                                                                                                                 den, die genauso denken wie dieser eine Mensch?
                                                                                                                                                                                                 Und wie viele Lösungsansätze würden demgegenüber zehn Men-
                                                                                                                                                                                                 schen finden, die völlig unterschiedlich denken und unterschiedli-
                                                                                                                                                                                                 che Perspektiven einbringen?
                                                                                                                                                                                                 Quelle: Ana-Cristina Grohnert in Charta der Vielfalt (2016)

6                                                                                                                                                                                                                                                              7
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                                 Förderprogramm IQ

Diversity Management – ein Konzept zur aktiven Gestaltung                                                                           Praxis – Wie zukunftsfähig ist Ihr Unternehmen?
der Vielfalt in Unternehmen
Diversity Management ist ein Managementansatz und                        die klare strategische Entscheidung, Vielfalt ist Poten-          Haben Sie sich schon mal gefragt,
ein Organisationsentwicklungskonzept, das Vielfalt als                   zial und jedes Talent zählt.                               ƒƒ woher Sie mittel- und langfristig Ihre Fachkräfte
Normalität akzeptiert und als Ausgangspunkt unter-                                                                                     oder evtl. sogar Ihre Unternehmensnachfolge akqui-
nehmerischen Denkens betrachtet.                                         Dabei gibt es kein Patentrezept für den wirtschaftlich        rieren werden?
                                                                         gewinnbringenden Umgang mit Vielfalt, denn jedes           ƒƒ wie angepasst Ihr Unternehmen an die veränderten
Der Ansatz wurde in den späten 1990er Jahren aus den                     Unternehmen und jede Belegschaft ist einzigartig. Es          gesellschaftlichen Bedingungen ist?
USA nach Deutschland übernommen und an die ar-                           gibt jedoch                                                ƒƒ wieviel Vielfalt in Ihrem Unternehmen steckt?
beitsmarktlichen sowie sozialpolitischen Gegebenhei-                                                                                ƒƒ ob Sie das ganze Potenzial Ihrer personellen Vielfalt
ten in Deutschland angepasst. Seitdem gewinnt er                         ƒƒ Modelle zur Analyse und Darstellung von Vielfalt,          nutzen?
zunehmend an Bedeutung.                                                  ƒƒ Methoden, die die Zielfindung und Umsetzung von         ƒƒ welche Herausforderungen es bei der Gestaltung
                                                                            Diversity Management unterstützen,                         personeller Vielfalt gibt?
Die deutsche Übersetzung des englischen Wortes „di-                      ƒƒ eine breite Palette an Instrumenten und Maßnahmen       ƒƒ welche Strategien und Lösungen es für diese Her-
versity“ (mit kleinem „d“) lautet „Vielfalt“ und bezieht                    sowie                                                      ausforderungen gibt?
sich auf die menschliche Vielfalt in all ihren Facetten,                 ƒƒ Erfahrungswerte bei der Entwicklung funktionie-
also auf all die identitätsrelevanten Eigenschaften, in                     render Diversity-Strategien,                                                                                       Aktuelle Umfragen zeigen:
denen sich Menschen ähneln oder voneinander unter-
scheiden, z. B. durch ihr Aussehen, ihr biologisches uns                 die Unternehmen bei ihrem Vorhaben unterstützen,                                                                      DIHK-Ausbildungsumfrage 2017 – Online-Umfrage mit
soziales Geschlecht, ihre physischen und psychischen                     Vielfalt in ihren Strukturen zu etablieren und zukunfts-                                                              10.561 Unternehmen:
Fähigkeiten, ihre sexuelle Orientierung, ihre Herkunft                   fähig zu gestalten. Einige davon werden im Folgenden                                                                  ƒƒ In fast jedem dritten Betrieb (31 Prozent) bleiben
und Sprache, ihre kulturelle, ethnische oder religiöse                   dargestellt.                                                                                                             Ausbildungsplätze unbesetzt.
Prägung, ihre Weltanschauung, ihre Bildung oder ihr                                                                                                                                            ƒƒ Jedes vierte Unternehmen mit unbesetzten Ausbil-
soziales Umfeld.                                                                                                                                                                                  dungsstellen bekam überhaupt keine Bewerbung.
                                                                                                                                                                                               ƒƒ Gut zwei Drittel der Betriebe, die Plätze nicht beset-
Der Begriff „Diversity“ (mit großem „D“) oder „Diver-                                                                                                                                             zen konnten (68 Prozent), erhielten keine geeigne-
sity Management“ bezeichnet wiederum den Manage-                                                                                                                                                  ten Bewerbungen.
ment-Ansatz, der anstrebt, diese menschliche Vielfalt
gezielt zu nutzen, um den Erfolg eines Unternehmens                                                                                                                                            IAB 2017 – Befragung von 11.600 Betrieben:
zu sichern und zu steigern. Dieser basiert auf einer                                                                                                                                           ƒƒ Kleinere und mittlere Unternehmen haben fast dop-
Haltung der Anerkennung und Wertschätzung von                                                                                                                                                     pelt so häufig Probleme, freie Stellen zu besetzen,
Vielfalt („valuing diversity“). Diversity Management                                                                                                                                              wie große Firmen.
bündelt alle Maßnahmen um das Vorhaben, die Unter-                                                                                                                                             ƒƒ Etwa vier von zehn Unternehmen mit weniger als
nehmenskultur so zu verändern, dass Führungskräfte                                                                                                                                                250 Beschäftigten haben Schwierigkeiten, freie Stel-
und Beschäftigte die Vielfalt als selbstverständlich be-                                                                                                                                          len zu besetzen.
trachten, ihren Wert für das Arbeitsklima und den                                                                                                                                              ƒƒ Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten brechen
wirtschaftlichen Erfolg erkennen und ein produktives                                                                                                                                              fast jede dritte Personalsuche erfolglos ab.
Arbeitsumfeld realisieren können.

Menschen werden so mit ihren unterschiedlichen Zu-
gehörigkeiten, Bedürfnissen und Potenzialen in den
Vordergrund gestellt und die bestehenden Strukturen
und Prozesse (z. B. in der Personalarbeit) eines Unter-
nehmens vor dem Hintergrund der Vielfalt auf ihre
Durchlässigkeit analysiert. Diversity Management trägt
somit dazu bei, Chancengleichheit zu verbessern und
Diskriminierungen aufgrund von bestimmten identi-
tätsrelevanten Eigenschaften und Gruppenzugehörig-
keiten in einem Unternehmen zu reduzieren. In dieser
Hinsicht bringt Diversity Management immer eine
Verbindung von wirtschaftlich orientierten und nicht
wirtschaftlichen Aspekten mit sich, stellt jedoch den
ökonomischen Nutzen in den Vordergrund. Denn, so

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IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht   Förderprogramm IQ

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Vielfalt?! Worüber reden wir?
Und wie reden wir darüber?

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IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                                           Förderprogramm IQ

Diversity Dimensionen und Merkmale                                                                                                 Praxis – Diversity Puzzle

Eine übersichtliche Darstellung von Vielfalt im Diver-                   Jeder Mensch stellt eine einmalige Kombination dieser     Wussten Sie, dass…
sity Management bietet der Diversity-Kreis von Lee                       Merkmale dar und fühlt sich aufgrund einiger dieser       das, was einem auf dem ersten Blick als etwas sehr
Gardenswartz und Anita Rowe (2003), hier vorgestellt                     Merkmale bestimmten Gruppen zugehörig. Diese sind         Persönliches vorkommt, wie die eigenen iden-
in der leicht angepassten Version der IQ Fachstelle In-                  für die Selbstwahrnehmung wichtig, z. B. kann sich eine   titätsprägenden Merkmale und Zugehörig-
terkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskri-                       Person zur Gruppe der Mütter und der der Führungs-        keiten, sehr eng mit beruflichen Mög-
minierung (2018).                                                        kräfte zugehörig fühlen. Andere Merkmale oder Zuge-       lichkeiten verbunden ist?
                                                                         hörigkeiten werden von außen wahrgenommen oder
Im Zentrum des Modells von Gardenswartz und Rowe                         zugeschrieben – oft ohne zu wissen, ob sie stimmen.       Dabei geht es bei der Personalaus-
steht die Persönlichkeit, die bei jedem Menschen ein-                    Diese prägen die Fremdwahrnehmung. Ein Anzug bei-         wahl oft nicht um das Merkmal
malig und individuell ist. Um diese schichten sich drei                  spielsweise, also das Aussehen, kann dazu führen, dass    oder die Eigenschaft selbst,
Dimensionen von Merkmalen und Eigenschaften.                             eine Person für eine Führungskraft gehalten wird oder     sondern um die damit verbun-
                                                                         ein Akzent kann zur Schlussfolgerung führen, dass die     denen Zuschreibungen. Das
Die innere Dimension oder Kerndimension beschreibt                       Person keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.        bedeutet, dass bestimmte
identitätsprägende Merkmale, auf die man wenig oder                                                                                Merkmale (bewusst oder un-
keinen Einfluss hat, wie zum Beispiel Alter, sexuelle                    Je nach Situation erfahren Menschen Anerkennung           bewusst) mit Kompetenzen
Orientierung oder ethnische Herkunft. Manche sind                        oder Ablehnung aufgrund einer oder mehrerer dieser        oder eben dem Fehlen von
angeboren, innerlich und/oder nicht sichtbar. Andere                     Merkmale, wobei sich die Merkmale gegenseitig beein-      Kompetenzen assoziiert
prägen das äußere Erscheinungsbild.                                      flussen und sich auch potenzieren können. Manche          werden. Dies kann zu Präfe-
                                                                         Merkmale und Zugehörigkeiten „öffnen Türen“. Ande-        renzen bei der Auswahl füh-
Die äußere Dimension beinhaltet Eigenschaften, die                       re dagegen bewirken Ausgrenzungen oder Benachtei-         ren – und das ohne die tatsäch-
aktiv erworben werden oder sich im Laufe des Lebens                      ligungen.                                                 lichen Potenziale der Personen
ändern können, wie Ausbildung, Einkommen oder Fa-                                                                                  zu berücksichtigen. So z. B., wenn
milienstand. Diese Merkmale sind leichter veränderbar                                                                              beim Bewerbungsgespräch die
als diejenigen in der inneren Dimension.                                                                                           Entscheidung für eine jüngere, we-
                                                                                                                                   niger erfahrene Bewerberin ausfällt, da
In der organisationalen Dimension finden sich schließ-                                                                             der älteren Bewerberin mangelnde Moti-
lich die Eigenschaften, die mit dem Unternehmen oder                                                                               vation oder fehlende digitale Fähigkeiten
der Organisation in Verbindung stehen, in dem die                                                                                  zugeschrieben werden.
Person arbeitet, wie beispielsweise Funktion, Manage-
ment Status, Arbeitsort oder Dauer der Betriebszuge-                                                                               Merkmale können sich auch wechselseitig verstärken.                                                   Diversity-Dimensionen
hörigkeit.                                                                                                                         In positivem wie in negativem Sinne. So kann man auf-
                                                                                                                                                                                                     Quelle: FS IKA (2018) in Anlehnung an Gardenswartz & Rowe (2003)
                                                                                                                                   grund der Daten des Statistischen Bundesamtes fest-
                                                                                                                                   stellen, dass Männer ohne Migrationshintergrund mit
                                                                                                                                   Kindern (wahrscheinlich weiß und heterosexuell) und
                                                                                                                                   ohne Schwerbehinderung die größte Chance haben,
                                                                                                                                   erwerbstätig zu sein. Frauen mit Migrationshinter-
                                                                                                                                   grund und Kindern haben dagegen die geringsten
                                                                                                                                   Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

                                                                                                                                   Quelle: Charta der Vielfalt (2013)

                                                                                                                                                                               Selbsttest
                                                                                                                                                                        ƒƒ Welche Facetten von Vielfalt sind in Ihrem Unternehmen vorhanden?
                                                                                                                                                                        ƒƒ Welche Facetten von Vielfalt sind in Ihrem Unternehmen auf der Ebene der Mitarbeiterschaft
                                                                                                                                                                           vorhanden?
                                                                                                                                                                        ƒƒ Welche auf der Führungsebene? Haben Sie beispielsweise Frauen als Führungskräfte oder
                                                                                                                                                                           Menschen mit Migrationserfahrung?
                                                                                                                                                                        ƒƒ Erfahren Personen mit bestimmten Merkmalen – oder ohne bestimmte Merkmale – eine bes-
                                                                                                                                                                           sere Einschätzung und genießen sie dadurch Vorteile bei der Personalauswahl und -förderung?

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IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                            Förderprogramm IQ

Die Kerndimension von Diversity                                                                                                  Praxis – Gesetzlicher Schutz von Vielfalt

Im Rahmen von Diversity Management setzt man oft                         Zunehmend werden aber auch soziale Herkunft, Bil-              Wussten Sie, dass…                                       Neben dem Grundgesetz (GG) und dem Allgemei-
bei der Kerndimension des Diversity-Kreises an. Zu                       dung und sozio-ökonomischer Status als zentrale         entlang der Merkmale der Kerndimension die meisten        nen Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) gibt es weitere
dieser zählen:                                                           Merkmale betrachtet. Mit welchen Dimensionen und        Diskriminierungserfahrungen gemacht werden? Ge-           rechtliche Regelungen, die auf die Gleichstellung und
                                                                         Merkmalen ein Unternehmen letztendlich arbeitet,        setzlichen Schutz dagegen bietet neben dem Artikel 3      Antidiskriminierung von unterschiedlichen Gruppen
ƒƒ ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit                               hängt von den Bedarfen, bereits vorhandener Vielfalt,   des deutschen Grundgesetzes (GG), der ein umfassen-       abzielen:
ƒƒ Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe                             Zielsetzungen und von der Kreativität des jeweiligen    des Gleichheitsprinzip vorschreibt, das 2006 in Kraft
ƒƒ Geschlecht und Gender                                                 Unternehmens ab.                                        getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).       ƒƒ Die Gleichstellungsgesetze von Bund und Ländern
ƒƒ Religion oder Weltanschauung                                                                                                                                                               schreiben die Gleichstellung der Geschlechter und
ƒƒ physische und psychische Fähigkeiten, oder im en-                                                                             Ziel des AGG ist, Benachteiligungen aus rassistischen        von Menschen mit Behinderungen in Wirtschaft und
   geren Sinne Behinderung                                                                                                       Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des              Gesellschaft vor.
ƒƒ Alter sowie                                                                                                                   Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer      ƒƒ Das Sozialgesetzbuch SGB IX legt Quoten für die Be-
ƒƒ sexuelle Orientierung und Identität.                                                                                          Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität         schäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung
                                                                                                                                 zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG).                  fest.
Auf diese soll im nächsten Schritt näher eingegangen                                                                                                                                       ƒƒ Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) for-
werden.                                                                                                                          Das Benachteiligungsverbot gilt für „Beschäftigte“           dert große Unternehmen zur regelmäßigen Bericht-
                                                                                                                                 (§ 7 AGG), wobei der Begriff sehr weit gefasst ist und       erstattung über Diversität sowie andere nicht-finan-
                                                                                                                                 folgende Gruppen umfassen kann: Arbeitnehmerinnen            zielle Belange auf, z. B. über Themen wie
                                                                                                                                 und Arbeitnehmer, Auszubildende, arbeitnehmerähn-            Nachhaltigkeit, Menschenrechte oder Korruption.
                                                                                                                                 liche Personen (z. B. in Heimarbeit Beschäftigte), Be-
                                                                                                                                 werberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsver-       Durch diese Gesetze und Richtlinien hat Diversity Ma-
                                                                                                                                 hältnis sowie ehemalige Beschäftigte. Das                 nagement eine rechtliche Dimension erhalten. Deren
                                                                                                                                 Benachteiligungsverbot betrifft demzufolge insbeson-      Außerachtlassen ist somit nicht nur ein indirekter
                                                                                                                                 dere die Personalprozesse, aber auch die Organisati-      Nachteil im Wettbewerb um die besten Talente. Er
                                                                                                                                 onskultur und den Kundinnen- und Kundenverkehr            kann auch erhebliche Kosten in Form von Prozesskos-
                                                                                                                                 der Unternehmen. Um die Anforderungen des AGG zu          ten nach sich ziehen. Umgekehrt betrachtet zeugt ein
                                                                                                                                 erfüllen, müssen Unternehmen Maßnahmen zum                bewusster Umgang mit Vielfalt von Fortschrittlichkeit,
                                                                                                                                 Schutz vor Benachteiligungen treffen und ihre betrieb-    Offenheit und einer positiven Unternehmenskultur
                                                                                                                                 lichen Strukturen und Prozesse diesbezüglich über-        und kann als Talentmagnet wirken.
                                                                                                                                 prüfen.

                                                                                                                                 Um bereits entstandene „Schieflagen“ auszugleichen
                                                                                                                                 und Benachteiligungen zu reduzieren und zu verhin-
                                                                                                                                 dern, sind im Sinne des AGG so genannte Positive Maß-
                                                                                                                                 nahmen möglich. Diese erlauben bei gleicher Eignung
                                                                                                                                 eine bevorzugte Behandlung, wenn aus den oben ge-
                                                                                                                                 nannten Gründen entstandene Nachteile durch diese
                                                                                                                                 ausgeglichen werden können. Solche positive Maßnah-
                                                                                                                                 men sind z. B. die gezielte positive Ansprache von Men-
                                                                                                                                 schen mit Migrationshintergrund, Mentoring-Program-
                                                                                                                                 me oder flexible Quotenregelungen für Frauen. Diese
                                                                                                                                 können sehr gut in vorhandene oder geplante Diversi-
                                                                                                                                 ty Strategien integriert werden.

14                                                                                                                                                                                                                                             15
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                              Förderprogramm IQ

              Ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit                                                                                           Praxis – Maßnahmen

              Ein zentrales Merkmal im Diversity Management ist                        Bei den Maßnahmen bezüglich des Diversity-Merkmals       Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal eth-          ƒƒ Mentoring- oder Lotsenprogramme für neue Kolle-
              die ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit. Denn Men-                   ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit geht es also     nische oder kulturelle Zugehörigkeit auseinandersetzen,        ginnen und Kollegen mit Migrations- oder Flucht-
              schen unterschiedlicher Herkunft, sowohl Neuzuwan-                       darum, die bestehenden Strukturen eines Unterneh-        sind zum Beispiel:                                             erfahrung.
              derer als auch Menschen, die seit Langem in Deutsch-                     mens daraufhin kritisch zu untersuchen, ob sie Aus-                                                                  ƒƒ Spezielle Einarbeitungsmappen und Einarbeitungs-
              land leben, stellen für Unternehmen ein erhebliches                      grenzungsmechanismen gegenüber Menschen mit              ƒƒ Interkulturelle Trainings für Fach- und Führungs-           programme für neue Kolleginnen und Kollegen mit
              Potenzial an Arbeitskräften dar. Diese Tatsache ist seit                 Migrationshintergrund aufweisen. Ausgrenzungsme-            kräfte, in denen über die eigene Haltung, die eigenen       Migrations- oder Fluchterfahrung.
              dem Bekanntwerden der Ausmaße des demografi-                             chanismen sind oft unbewusst und Teil der täglichen         Werte und Normen, den eigenen Kommunikations-            ƒƒ Unterstützung bei Behördengängen und im Prozess
              schen Wandels auch verstärkt in das kollektive Be-                       Routinen. Diese gilt es aufzudecken und im Sinne eines      stil, die eigenen Prägungen und deren (Außen-)Wir-          der Anerkennung ausländischer Qualifikationen.
              wusstsein gerückt und zum Thema gesellschaftspoli-                       produktiven Miteinanders durch durchlässigere und           kung sowie über inklusive Strukturen und Antidis-        ƒƒ Etablierung oder Inanspruchnahme von Relocation-
              tischer und wirtschaftspolitischer Überlegungen                          einbeziehende Praktiken oder Strukturen zu ersetzen.        kriminierung reflektiert wird.                              Service-Angeboten, die internationale Fachkräfte
              geworden. Deutschland ist faktisch jedoch schon seit                                                                              ƒƒ Strategieworkshops für Führungskräfte und Perso-            und deren Familie bei der Verlegung ihres Lebens-
              langer Zeit Einwanderungsland und bietet ein Zuhau-                                                                                  nalverantwortliche zur Konzeption und Umsetzung             mittelpunktes unterstützen.
              se für mehrere Generationen von Menschen, die sich                                                                                   eines interkulturellen Öffnungsprozesses im Unter-       ƒƒ Innerbetriebliche Sprachförderprogramme für Kol-
              aus beruflichen oder persönlichen Gründen entschie-                                                                                  nehmen.                                                     leginnen und Kollegen, deren Erstsprache nicht
              den haben, in Deutschland zu leben. Versucht man,                                                                                 ƒƒ Weiterbildung von Führungskräften zum Thema                 Deutsch ist.
              diese Vielfalt und die damit verbundenen Herausfor-                                                                                  „Führung und Konfliktbearbeitung in interkulturel-       ƒƒ Gründung interkultureller Netzwerke.
              derungen und Chancen zu thematisieren, redet man                                                                                     len Teams“.
              über die kulturelle oder ethnische Vielfalt in der Ein-                                                                           ƒƒ Stärkung der Präsenz von Menschen mit Migrations-
              wanderungsgesellschaft.                                                                                                              hintergrund oder Migrationserfahrung auf allen
                                                                                                                                                   Hierarchieebenen, so auch in Führungspositionen.
              Trotz der langjährigen Erfahrungen des Landes mit
              Einwanderung werden ein Migrationshintergrund
              oder Migrationserfahrung – und alles, was damit in
              Verbindung gebracht wird, z. B. ein Akzent, eine nicht-                                                                                                                   Hinweis:
              weiße Hautfarbe, ein nicht-deutscher Bildungsab-                                                                                                                   Unter „ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit“ werden oft pauschalisierend ganz verschiede-
              schluss etc. – auf dem Arbeitsmarkt häufig immer noch                                                                                                              ne Aspekte zusammengefasst und diskutiert, z. B. Kultur, Ethnie, Migrationshintergrund, Staats-
              als Defizit wahrgenommen. So bleibt das Potenzial                                                                                                                  angehörigkeit, Aufenthaltsstatus oder Deutschkenntnisse. Es gibt zum Beispiel (Stellvertreter-)
              dieser Menschen oft ungenutzt.                                                                                                                                     Debatten über die Integrationsfähigkeit der Menschen unterschiedlicher Herkunft. Unausgespro-
                                                                                                                                                                                 chen bleiben dabei jedoch für die Integration sehr relevante Faktoren wie Staatsangehörigkeit
                                                                                                                                                                                 oder Aufenthaltsstatus, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erlauben oder beschränken; die pass-
                                                                                                                                                                                 genaue Einarbeitung, die das fehlende System-Wissen ausgleicht; ein anerkanntes Diplom, das
       Hinweis:                                                                                                                                                                  eine qualifikationsadäquate Tätigkeit, die berufliche Weiterentwicklung und die Entfaltung der
Laut Definition des Statistischen Bundesamtes (2016) hat ein Mensch einen Migrationshinter-                                                                                      Potenziale ermöglicht.
grund, wenn er selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch
Geburt besitzt. Im Fall von Personen, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik,                                                                                      Die Auseinandersetzung mit solchen „Vermischungen“ und Vereinfachungen und die Reflexion
sondern im Ausland geboren wurden und nach Deutschland gezogen sind, spricht man über                                                                                            über die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung gehören zu den Inhalten inter-
Menschen mit Migrationserfahrung. War die Entscheidung, das eigene Land oder den Lebensort                                                                                       kultureller Trainings mit dem Ziel der Reduktion stereotyper Zuschreibungen. Interkulturelle
zu verlassen und anderswo hinzuziehen, nicht freiwillig sondern erzwungen (z. B. durch Natur-                                                                                    Trainings richten darüber hinaus die Aufmerksamkeit gezielt auf die strukturellen Bedingungen
katastrophen, Krieg oder Verfolgung), redet man über Geflüchtete.                                                                                                                im Unternehmen und helfen unbewusste Ausgrenzungsmechanismen zu entdecken.

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IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                       Förderprogramm IQ

              Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe                                                                                           Praxis – Maßnahmen

              Das Diversity-Merkmal Aussehen bietet unterschiedli-                     Diesen Unterschied zwischen der nicht-existierenden        Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Aus-
              che Herangehensweisen an die Thematik: Es kann                           biologischen „Rasse“ einerseits und den trotzdem vor-      sehen auseinandersetzen, sind zum Beispiel:
              breiter verstanden werden, bezogen auf das äußere                        handenen und wirkenden Denkstrukturen und sozia-
              Erscheinungsbild eines Menschen (einerseits auf kör-                     len Praktiken des Rassismus andererseits bringt der        ƒƒ Stärkung der Präsenz von PoC auf allen Hierarchie-
              perliche Merkmale andererseits auf Kleidungsstil)                        vielzitierte Satz der französischen Soziologin Colette        ebenen, so auch in Führungspositionen.
              oder enger, bezogen auf Hautfarbe.                                       Guillaumin (1995) auf den Punkt: „Race doesn´t exist,      ƒƒ Stärkung der Vorbildfunktion von PoC; Schaffen und
                                                                                       but it does kill people.“                                     Zeigen von Best-Practice-Beispielen.
              Aussehen, bezogen auf Hautfarbe wird oft fokussiert,                                                                                ƒƒ Einführung einer diversity-bewussten, vorurteils-
              weil dieses Merkmal in den zwischenmenschlichen                          Um deutlich zu machen, dass es in der Diversity-De-           kritischen bildlichen Darstellung des Unternehmens
              Beziehungen und geschichtlich gesehen mit mehr Pri-                      batte nicht um die Hautfarbe geht, sondern um gesell-         auf der Webseite, auf Flyern und in Publikationen.
              vilegien und Diskriminierungen verbunden war als                         schaftliche Konstruktionen und Praktiken, welche           ƒƒ Erschaffung einer diversity-bewussten, vorurteils-
              jedes andere körperliche Merkmal (wie etwa Augen-                        Menschen aufgrund von Hautfarbe kategorisieren und            kritischen Bilderwelt auf der Ebene von Marketing
              farbe, Haarfarbe, Körpergröße oder Körperbau) und                        ungleich behandeln, werden die Begriffe Schwarz und           und bezogen auf Produkte.
              weil es ein „Einfallstor“ für rassistisches Denken und                   Weiß oft großgeschrieben verwendet.                        ƒƒ Einführung einer diskriminierungskritischen Spra-
              Handeln ist.                                                                                                                           che und Beachtung von Selbstbezeichnungen.
                                                                                       Ein anderer zentraler Begriff aus diesem Bereich ist       ƒƒ Diversity- und Antidiskriminierungs-Trainings für
                                                                                       People of Color oder kurz PoC. Dieser ist eine selbstbe-      Führungskräfte und Belegschaft.
                                                                                       stimmte Bezeichnung von und für Menschen, die in
       Hinweis:                                                                        einer mehrheitlich weißen Gesellschaft wegen ethni-
Die Vorstellung von „Rasse“ ist ein ideologisch begründetes Kons-                      scher oder rassistischer Zuschreibungen alltäglichen
trukt aus den Kolonialzeiten, das der Unterdrückung und Ausbeu-                        und anderen Formen des Rassismus ausgesetzt sind.
tung von Menschen diente und den Grundstein des Rassismus                              Im Gegensatz zum Begriff „Farbig“ oder „Coloured“, die
bildet. In der rassistischen Argumentation wird behauptet, dass                        von Weißen gewählte, koloniale Zuschreibung sind, ist
Menschen unterschiedlicher Hautfarbe (manchmal auch Physiog-                           der Begriff „People of Color“ eine politische Selbstbe-
nomie, Herkunft, Religion, Sprache oder Kultur) ihrem Wesen nach                       zeichnung.
unterschiedlich seien, was eine Auf-/Abwertung und demzufolge
auch Behandlung bzw. Ungleichbehandlung rechtfertigt. Es ist wis-                      In einem diversity-bewussten Unternehmen geht es
senschaftlich bewiesen, dass es keine menschlichen Rassen gibt.                        darum, rassistisch diskriminierendes Verhalten auf der
Die biologisch-genetische Vielfalt der Menschen bildet vielmehr                        Ebene von Sprache, Verhalten und Struktur zu unter-
insgesamt eine große Bandbreite an Variationen. Dennoch reicht                         binden und die menschliche Vielfalt an körperlichen
dieses Wissen nicht aus, rassistisch motiviertes Denken und Handeln                    Merkmalen als Normalität zu akzeptieren, so, dass
zu beseitigen.                                                                         niemand befürchten muss, wegen des Aussehens aus-
                                                                                       geschlossen oder benachteiligt zu werden.

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IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                               Förderprogramm IQ

                  Geschlecht und Gender 1                                                                                                            Praxis – Maßnahmen

                  Den Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Idee                      strukturellen Gegebenheiten ist das abhängig? Der nä-     Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Ge-          ƒƒ Analyse und Neuorientierung von Beurteilungssyste-
                  einer vielfältigen Organisation bietet bei vielen Unter-                 here Blick zeigt auch, dass weder Frauen noch Männer      schlecht bzw. Gender auseinandersetzen, sind zum              men und von Auswahl- und Beförderungskriterien.
                  nehmen die Analyse der Gleichstellung von Frauen und                     in sich homogene Gruppen sind!                            Beispiel:                                                     Bestehende traditionelle Vorstellungen über die
                  Männern im Beruf. In der Praxis geht das oft mit einer                                                                                                                                           geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung führen
                  Personalstrukturanalyse einher, aus der Zielsetzungen                    Dennoch finden Frauen und Männer aufgrund histo-          ƒƒ Erhöhung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf           nämlich – oft auch unbewusst – zu männlich struk-
                  und Maßnahmen abgeleitet werden. Das kann zum                            risch bedingter, sozial und kulturell konstruierter Ge-      durch die Einrichtung von                                  turierten Karrierenormen.
                  Beispiel bedeuten, dass man sich vornimmt mehr Frau-                     schlechterrollen unterschiedliche Handlungsmöglich-          ƒƒ flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Teilzeitarbeit,       ƒƒ Wie hoch ist der Anteil von Frauen und Männern
                  en einzustellen, dass man qualifizierte und kompeten-                    keiten und Chancen in der Gesellschaft vor und sind             Lebensarbeitszeiten, Arbeitszeitkonten oder Sab-           in Führungspositionen bzw. auf den unterschied-
                  te Frauen stärker in Führungspositionen einsetzt oder                    von deren Auswirkungen unterschiedlich betrof-                  baticals                                                   lichen Hierarchieebenen?
                  dass man sich vornimmt, die unterschiedliche Entloh-                     fen. Dies gilt auch für die Arbeitswelt und rückt die        ƒƒ flexiblen Arbeitsorten, wie Home Office, Tele-          ƒƒ Wer nimmt prozentual mehr an Fortbildungs- und
                  nung der Frauen und Männern auszugleichen.                               Auseinandersetzung mit den betrieblichen Strukturen             arbeit oder Co-Working                                     Fördermaßnahmen teil?
                                                                                           und Machtverhältnissen in den Fokus.                         ƒƒ einer betriebseigenen Kita.                             ƒƒ Wann finden Fortbildungen, Teamsitzungen etc.
                  Diversity Management geht jedoch über die Forderung                                                                                                                                                 statt?
                  nach der statistisch-juristischen Gleichstellung von                     Gleichstellungsaspekte sollten gemäß der Gender-                                                                        ƒƒ Wer hat Zugang zu welchen Ressourcen, Arbeits-
                  Mann und Frau hinaus und fordert eine Auseinander-                       Perspektive von vornherein in unternehmensinternen        Die Flexibilisierung der Arbeitsorte und -zeiten bedeu-          gremien, Netzwerken?
                  setzung mit der Gender-Perspektive. Damit werden                         Planungs- und Entscheidungsprozessen mitgedacht           tet auch, jene nicht zu benachteiligen, die davon Ge-      ƒƒ Ausgleich der Lohnunterschiede zwischen Männern
                  gesellschaftlich-kulturell konstruierte und geprägte                     werden. Ziel dabei ist, Geschlechterstereotype zu hin-    brauch machen. Das reduziert den Stress für die Be-           und Frauen (Gender Pay Gap).
                  Geschlechterrollen und -bilder angesprochen und kri-                     terfragen, Rollenmuster und darauf basierende Struk-      schäftigten und führt zu einer höheren Produktivität.
                  tisch hinterfragt: Wie sind Frauen? Wie sind Männer?                     turen aktiv zu verändern sowie Chancengleichheit und      Die Kosten für die Unterstützung dürften in der über-
                  Was ist weiblich? Was ist männlich? Wie sind weibliche                   Gleichbehandlung anzustreben.                             wiegenden Zahl der Fälle die Kosten unterschreiten,
                  Führungskräfte? Wie sind männliche Führungskräfte?                                                                                 die dem Unternehmen durch krankheitsbedingte Ab-
                  Was gilt als kompetent? Wer kann zur Führungskraft                                                                                 wesenheit, suboptimale Mitarbeit oder frühzeitige
                  werden? Von welchen persönlichen Eigenschaften und                                                                                 Kündigung entstehen.

       Beispiel:                                                                                                                                                                            Hinweis:
Das sogenannte „Normalarbeitsverhältnis“ war lange Zeit (und ist teilweise noch immer) an                                                                                            Achten Sie bei der Konzeption der Maßnahmen darauf, Stereotypisierungen entgegenzuwirken.
einer männlichen Norm orientiert. Dieses richtete sich an der Arbeitsweise eines Mannes aus,                                                                                         Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist z. B. kein ausschließliches Frauenthema. Sie bezieht
der in der Regel und spätestens ab der Übernahme von Führungsverantwortung verheiratet war.                                                                                          sich auch nicht nur auf die Vereinbarkeit von traditioneller Familie und Beruf, also Mann, Frau
Seine Frau war häufig nicht erwerbstätig, kümmerte sich um Haushalt und Kinder und hielt dem                                                                                         und Kind. Es gibt auch alleinerziehende Männer und Männer, die Angehörige pflegen; Frauen,
Mann „den Rücken frei“. Mit zunehmendem Arbeitstempo und Erfolgsdruck kam noch eine so-                                                                                              die keine Familie gründen; Patchwork-Familien, Regenbogenfamilien u.v.m. Stellen Sie sicher,
genannte „Anwesenheitskultur“ dazu, in der alleine die physische Präsenz der Mitarbeitenden                                                                                          dass Ihre Maßnahmen verschiedene Wertesysteme und Lebensentwürfe berücksichtigen.
einen Wert darstellte, besonders die lange Anwesenheit in den Abendstunden.

Solche Arbeitsverhältnisse sind für Menschen, die in ihrem Privatleben Unterstützung erhalten,
leichter zu handhaben. Alleinerziehende oder Menschen, deren Partnerin bzw. Partner selbst
einer Beschäftigung nachgeht, erfahren durch derartige Arbeitszeitanforderungen eine zusätz-
liche Belastung. Denn sie müssen mit einem System zurechtkommen, das in wesentlichen As-
pekten ihre spezifischen Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Unternehmen verzichten durch solche
Strukturen auf die Talente evtl. sehr begabter, leistungsfähiger, motivierter Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die wegen der starren Anforderungen nicht ins System gelangen, vorzeitig ausschei-
den oder nicht befähigt werden, ihre Potenziale zu verwirklichen.

Im beruflichen Alltag impliziert ein solches Denken auch, dass Mann-Sein fast immer ein Faktor
für die Teilhabe an Macht, Ressourcen und Netzwerken und damit eine wichtige Bedingung für
die berufliche Weiterentwicklung ist. Wogegen Frauen als die Abweichung von der Norm und als
Abweichung von der Idealbesetzung gelten.

Quelle: Stuber (2009)

                  20                                                                                                                                                                                                                                                21
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                                Förderprogramm IQ

              Geschlecht und Gender 2                                                                                                              Praxis – Maßnahmen

              Zu dieser Diversity-Dimension gehört auch die Ausei-                     Transgender sind Menschen, deren biologisches Ge-           Weitere Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merk-
              nandersetzung mit der Tatsache, dass es Menschen                         schlecht eindeutig männlich oder weiblich ist, die sich     mal Geschlecht bzw. Gender auseinandersetzen sind:                 Hinweis:
              gibt, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem                    jedoch mit diesem Geschlecht nicht (vollständig) iden-                                                                  Für die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter gibt es un-
              Mann-Frau einordnen lassen, sondern sich jenseits                        tifizieren können oder wollen. Der Begriff steht auch       ƒƒ Relativierung festgefahrener Geschlechterrollen, um      terschiedliche Strategien. Lesen Sie mehr darüber z. B. in dem Leit-
              verorten oder die eine Kombination männlicher und                        für Menschen, die das binäre Geschlechtersystem an             stattdessen den Schwerpunkt auf die Kompetenzen          faden zu gendergerechter Sprache der Ludwig-Maximilians-Uni-
              weiblicher Merkmale aufweisen. Das kann sowohl auf                       sich in Frage stellen, sich jenseits der Geschlechter          und die Motivation der Menschen zu setzen, z. B.         versität München unter
              das biologische Geschlecht als auch auf die Geschlecht-                  „Mann“ und „Frau“ definieren, oder sich als zwischen           durch                                                    www.frauenbeauftragte.uni-muenchen.de/genderkompetenz/
              sidentität bezogen sein. Dabei geht es vor allem um                      den Geschlechtern wechselnd bzw. als männlich und              ƒƒ Stärkung der Stellung von Frauen in Führungspo-       sprache/
              Intersexuelle, Transgender und Transsexuelle.                            weiblich gleichzeitig verorten.                                   sitionen und in männlich dominierten Arbeitsfel-
                                                                                                                                                         dern (z. B. mehr Frauen in den technischen Beru-
              Intersexuelle Menschen weisen von Geburt an sowohl                       Diese Begrifflichkeiten betreffen nicht die sexuelle Ori-         fen)
              männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale                         entierung sondern die Identität.                               ƒƒ Stärkung der Männer in weiblich dominierten
              auf (genetisch, anatomisch, hormonell), beziehungs-                                                                                        Arbeitsfeldern (z. B. mehr Männer in den Pflege-
              weise können bei der Geburt keinem eindeutigen bio-                      Die soziale Kategorie für Menschen, die sich nicht in             berufen)
              logischen Geschlecht zugeordnet werden. Weil inter-                      das binäre Geschlechtersystem Mann-Frau einordnen              ƒƒ Stärkung der Präsenz der Menschen dritten Ge-
              sexuelle Menschen in der auf binären Vorstellungen                       lassen, wird oft als das dritte Geschlecht bezeichnet.            schlechts auf allen Hierarchieebenen
              von Männlichkeit und Weiblichkeit basierenden medi-                      Dabei handelt es sich nicht um ein drittes Geschlecht       ƒƒ Einführung einer geschlechterbewussten Sprache mit
              zinischen, rechtlichen sowie sozialen Ordnung nicht                      im biologischen Sinne. Eher möchte der Begriff die             der sich alle Mitarbeitenden angesprochen fühlen,
              vorgesehen sind, werden sie vielfach stigmatisiert und                   Bandbreite an Geschlechtern benennen, die es zwi-              z. B. in Ansprachen und Grußworten, bei Konferen-
              diskriminiert. Häufig werden sie bereits im Kindesalter                  schen und jenseits von Mann und Frau existieren.               zen, Meetings oder Moderationen (mündliche Spra-
              Operationen unterzogen, damit sie körperlich der me-                                                                                    che).
              dizinischen Normvorstellung von „Eindeutigkeit“ ent-                     In einer diversity-bewussten Unternehmenskultur             ƒƒ Überarbeitung der betriebsinternen Formulare,
              sprechen.                                                                geht es also auch darum, die Vielfalt der Geschlechter         Schriftstücke, Einladungen usw., sodass sich alle Mit-
                                                                                       und Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen, die mit         arbeitenden angesprochen fühlen (schriftliche Spra-
              Transsexuelle Menschen werden dagegen mit biolo-                         den Geschlechterrollen verbundenen Erwartungen                 che).
              gisch eindeutigem Geschlecht geboren. Sie fühlen sich                    kritisch zu hinterfragen und weder auf der Ebene der
              jedoch dem anderen Geschlecht zugehörig, sodass sie                      Sprache noch in der Routine des beruflichen Alltags
              mitunter mit Hilfe von Hormonbehandlungen und chi-                       Menschen auszuschließen oder zu benachteiligen.
              rurgischen Eingriffen körperliche Veränderungen vor-
              nehmen lassen, um den ihrer Geschlechtsidentität
              entsprechenden Körper zu erlangen.

       Hinweis:
Der Gender Gap (_) oder das Sternchen (*) bieten eine Möglichkeit
in der schriftlichen Sprache, die über die männlich und weiblich
hinausgehenden geschlechtlichen Identitäten zu erfassen.

      Wussten Sie, dass …
es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 möglich ist, das dritte Geschlecht auch in das
Geburtenregister einzutragen? Dieser Beschluss stellt mit verfassungsrechtlicher Kraft fest, dass es nicht nur Männer und
Frauen, sondern auch ein drittes, unbestimmtes Geschlecht gibt, und dass dieses dritte Geschlecht von der gesamten Rechts-
ordnung anerkannt und respektiert werden muss. Damit verbunden ist das Recht, dass Menschen zu keinem Zeitpunkt ihres
Lebens zu der Entscheidung gezwungen werden können, sich eindeutig zu einem Geschlecht zu bekennen. Das Bundesverfas-
sungsgericht erkennt das dritte Geschlecht ausdrücklich an – und das im positiven Sinne, also nicht als Fehlen einer der zwei
anderen Geschlechter.

              22                                                                                                                                                                                                                                                  23
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht                                                                                                                                                       Förderprogramm IQ

              Religion oder Weltanschauung                                                                                                            Praxis – Maßnahmen

              Bei dem Diversity-Merkmal Religion oder Weltanschau-                     Während die Zugehörigkeit zu einer Religion oder die           Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Re-            ƒƒ Die Ermöglichung von Gebetszeiten, z. B. in Form von
              ung könnte der Eindruck entstehen, dieses sei Teil des                   Religiosität in vielen Fällen nicht sichtbar ist, ist sie in   ligion oder Weltanschauung auseinandersetzen, sind              flexiblen, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
              Privatlebens und damit irrelevant für Unternehmen.                       anderen Fällen, durch das Tragen einer Kippa, eines            zum Beispiel:                                                   transparenten Pausenregelungen. Muslimische Ge-
              Systeme, so auch Unternehmen, leben jedoch von den                       Kreuz-Anhängers, eines Kopftuchs oder wegen anderer                                                                            betszeiten dauern in der Praxis oft nur ein paar Mi-
              in ihnen wirkenden Menschen. Und Menschen kom-                           religiöser Symbole erkennbar. Sichtbare religiöse Sym-         ƒƒ Die Berücksichtigung religiöser Feiertage bei der Ur-        nuten und sind damit kaum länger als eine Raucher-
              men mit all ihren identitätsrelevanten Eigenschaften                     bole (oder Merkmale die für religiöse Symbole gehal-              laubsplanung. Diversity- und interkulturelle Kalen-          pause.
              (so auch mit ihrer Religiosität, ihrem Glauben, ihrer                    ten werden, z. B. ein nicht-gestutzter Bart) werden               der informieren darüber, wann welche religiösen           ƒƒ Einrichtung von Gebetsräumen oder Kennzeichnung
              Spiritualität oder eben mit einer atheistischen oder                     nicht selten vorschnell mit religiösem Konservativis-             Feiertage sind. Vielfältige Teams bringen auch unter         von anderen Räumlichkeiten, die für diesen Zweck
              laizistischen Haltung) als ganze Persönlichkeiten in die                 mus, gar religiösem Extremismus assoziiert und führen             diesem Aspekt Vorteile, z. B. bei der Arbeits- und           genutzt werden dürfen, z. B. den überkonfessionel-
              Arbeit und möchten als solche akzeptiert, respektiert                    dann zu Ablehnung und Diskriminierung. Bei diesem                 Urlaubsplanung: Während die meisten christlichen             len Raum der Stille. Achten Sie dabei auf die Gewähr-
              und in ihren jeweiligen Teams und Abteilungen ange-                      Diversity-Merkmal bereiten die Unterschiede zwischen              Beschäftigten zu Ostern oder Weihnachten frei neh-           leistung der Privatsphäre und vermeiden Sie den
              nommen werden. Daher gilt es auch bei diesem Diver-                      Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung beson-                     men möchten, übernehmen muslimische Beschäf-                 Vorführeffekt – ein Besprechungsraum mit Glaswän-
              sity-Merkmal dafür zu sorgen, dass niemand in der                        dere Herausforderungen – mit weitreichenden Folgen                tigte vielleicht gerne die Vertretung für diese Zeit,        den eignet sich nicht für diesen Zweck.
              Belegschaft diesen Teil der Identität aus Scham oder                     für die betroffenen Personen.                                     um dann beispielsweise zum Zuckerfest frei zu ha-         ƒƒ Das Aufgreifen der Thematik sowohl in den Füh-
              sogar aus Furcht vor Ablehnung und Ausgrenzung ver-                                                                                        ben.                                                         rungskräfte- als auch in Diversity- Trainings.
              leugnen oder verstecken muss.                                            Auch im beruflichen Kontext können religiöse Symbo-            ƒƒ Die Beachtung der religiösen Bräuche und Traditionen
                                                                                       le (oder Merkmale, die dafür gehalten werden) die                 für Speisekarten und Kantinen. Eine vielfältige Aus-
              Religion ist ein sehr emotional und kontrovers disku-                    Aufmerksamkeit von den Kompetenzen, der Motivati-                 wahl an Lebensmitteln (so auch von Gerichten ohne
              tiertes Thema, das durch die Flucht und die Einwan-                      on, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der potenziel-           Schweinefleisch und ganz ohne Fleisch) und die ein-                 Hinweis:
              derung nach Deutschland sehr politisiert wurde, ins-                     len Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ablenken. Ar-               deutige Kennzeichnung der verwendeten Lebens-               Religionsfreiheit bedeutet auch, dass es möglich ist, keiner Religion
              besondere bezogen auf muslimische Menschen. Sie ist                      beitgebende stehen jedoch in der Pflicht, die gesetzliche         mittel freut nicht nur Beschäftigte, die aus religiösen     anzugehören. Im Gegensatz zur medialen Wahrnehmung ist die
              auch belegbar ein häufiger Anlass für Diskriminie-                       Vorgabe der Nicht-Diskriminierung zu gewährleisten.               Gründen auf bestimmte Lebensmitteln verzichten,             Zahl religiöser Strenggläubiger – unabhängig der jeweiligen Reli-
              rungserfahrungen. Umso wichtiger ist es, als Arbeitge-                                                                                     sondern auch Vegetarierinnen und Vegetarier, Vega-          gion – eher gering. Religiöse Identität kann des Weiteren komplex
              ber oder Arbeitgeberin eine klare Position zum Thema                     Beschäftigte, die offen mit ihrer Religion oder Weltan-           ne, Menschen mit Allergien oder eben sich bewusst           zusammengesetzt, dynamisch und individuell sein. Auch bei Chris-
              zu beziehen und Transparenz über die auch in dieser                      schauung umgehen dürfen, fühlen sich am Arbeitsplatz              gesund ernährende Menschen.                                 ten ist z. B. nicht jede getaufte Person aktiv religiös oder im Laufe
              Hinsicht wertschätzende, anerkennende und einbezie-                      willkommen. Das sorgt für Loyalität und Motivations-           ƒƒ Die Einbeziehung religiöser Kleidungsstücke bei der         des Lebens konstant religiös. Das ist bei anderen Religionszugehö-
              hende Unternehmenskultur herzustellen.                                   steigerung und demzufolge oft für Leistungssteigerung             Gestaltung der einheitlichen Berufsbekleidung, der so       rigen nicht anders. Legen Sie Ihren Schwerpunkt dementsprechend
                                                                                       und eine längerfristige Verpflichtung und Bindung an              genannten Corporate Fashion. Warum sollte z. B. kein        auf die tatsächlichen Bedarfe der Belegschaft und der Kundschaft
                                                                                       das Unternehmen.                                                  Tuch oder Kopftuch im Corporate Design möglich              und nicht auf die mit Religiosität verbundenen Bilder und Vorstel-
                                                                                                                                                         sein? Zusätzlich zur Wiedererkennbarkeit schafft            lungen.
       Wussten Sie, dass …                                                                                                                               einheitliche Berufsbekleidung auch ein Gefühl der
Religionsfreiheit ein im Grundgesetz (GG) geschützter Wert und ein                                                                                       Teamzugehörigkeit und die Vielfalt der Stücke im
Grundrecht ist? Artikel 4 des Grundgesetzes bezieht sich auf die                                                                                         Corporate Design ist ein Zeichen gelebter Diversity.
Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und besagt:

(1)	Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des
     religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unver-
     letzlich.

(2)	Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3)	Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der
     Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Diese Regelungen werden durch zwei Fußnoten zu den Artikeln
136 und 137 ergänzt, in denen es unter anderem um die Gewähr-
leistung der Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften
oder das Recht auf die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhän-
gig von dem religiösen Bekenntnis geht.

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