Aktive Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen - Diversity Management Schritt für Schritt
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Aktive Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen Diversity Management Schritt für Schritt Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung IQ“ www.netzwerk-iq.de
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Inhalt Einleitung 5 Vielfalt und wertschätzende Kultur lohnen sich! 6 Diversity Management – ein Konzept zur aktiven Gestaltung der Vielfalt in Unternehmen 8 Impressum Wie zukunftsfähig ist Ihr Unternehmen? 9 1. Vielfalt!? Worüber reden wir? Praxis Und wie reden wir darüber? 12 Diversity Dimensionen und Merkmale Diversity Puzzle 13 14 Die Kerndimension von Diversity Gesetzlicher Schutz von Vielfalt 15 16 Ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit Maßnahmen 17 18 Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe Maßnahmen 19 20 Geschlecht und Gender (1) Maßnahmen 21 22 Geschlecht und Gender (2) Maßnahmen 23 24 Religion oder Weltanschauung Maßnahmen 25 26 Physische und psychische Fähigkeiten, oder Maßnahmen 27 im engeren Sinne Behinderung 28 Alter Maßnahmen 29 Herausgeber: 30 Sexuelle Orientierung und Identität Maßnahmen 31 IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung VIA Bayern e.V. – Verband für Interkulturelle Arbeit 2. Vielfalt gestalten!? Aber wie? Landwehrstraße 22 34 Diversity-Daten sammeln Wieviel Vielfalt steckt in Ihrem Unternehmen? 35 80336 München 36 Umsetzung von Diversity Management In sechs Schritten zum Vorteil Vielfalt 37 38 Schritt 1: Business-Kontext klären und Kraftfeld-Analyse 39 Tel.: +49 (0)89/52 03 32 33 Diversity an das Kerngeschäft anbinden www.netzwerk-iq.de/vielfalt-gestalten/fachstelle-interkulturelle-kompetenzentwicklung-und-antidiskriminierung 40 Schritt 2: Den aktuellen Stand ermitteln Methoden der Ist-Analyse 41 42 Schritt 3: Ziele formulieren SMARTe Ziele 43 Autorin: 44 Schritt 4: Maßnahmen entwickeln Maßnahmenplan 45 Dr. Kinga Bogyó-Löffler 46 Schritt 5: Maßnahmen umsetzen (1) Promotorinnen und Promotoren der Veränderung 47 48 Schritt 5: Maßnahmen umsetzen (2) Breite Beteiligung sicherstellen 49 Layout: 50 Schritt 6: Zielerreichung überprüfen Diversity Controlling 51 Bertram Sturm, www.bertramsturm.de 3. Ebenen der Gestaltung 54 Unternehmensführung Der persönliche Wirkungskreis 55 © 2018 56 Vielfaltsorientiertes Personalmanagement (1) Stellenausschreibungen 57 IQ Fachstelle „Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung“, VIA Bayern e.V. 58 Vielfaltsorientiertes Personalmanagement (2) Unbewusste Vorurteile 59 60 Unternehmenskommunikation Vielfalt in Bildern 61 Alle in dieser Publikation enthaltenen Textbeiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das Urhe- 62 Vielfaltsorientiertes Marketing ber- bzw. Nutzungsrecht liegt beim Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ oder den jeweils gekennzeichneten Autorinnen oder Autoren, Agenturen, Unternehmen, Fotografinnen oder Fotografen sowie Künstlerinnen und Künstlern. Jede Veröffentlichung, Übernahme, Nutzung oder Vervielfältigung von Texten, Bildern Ein Blick über den Tellerrand… 64 oder anderen Daten bedarf der schriftlichen Zustimmung durch das Förderprogramm „Integration durch Qualifi- Quellen 65 zierung (IQ)“ oder des jeweiligen Rechteinhabers. Die Broschüre ist strukturiert in Infoseiten (weiße Seiten) und Praxisseiten (grün hinterlegte Seiten). Stellen, die Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarkt- Angaben zu den für die Gestaltung von Diversity relevanten gesetzlichen Regelungen (§), für die Praxis wichtige integration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministe- Hinweise (!) oder Selbstreflexionsfragen (?) beinhalten, sind gesondert gekennzeichnet: riums für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung Für Diversity relevante Gesetze und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA). Für die Praxis wichtige Hinweise Selbstreflexionsfragen 3
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Einleitung Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Gesundheit, forschung (IAB 2017) – werden dem deutschen Ar- ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit, Weltanschau- beitsmarkt im Jahr 2030 um die 3,6 Millionen Arbeits- ung, Aussehen oder soziökonomischer Status sind nur kräfte weniger zur Verfügung stehen als heute. Der ein Ausschnitt der Merkmale, die für die Identität von Wettbewerb um die Talente hat längst begonnen. Das Menschen wichtig sind. Durch diese Merkmale gehören wissen große, international agierende Unternehmen Menschen zugleich immer unterschiedlichen Gruppen schon lange und haben bereits entsprechende Maß- an und haben unterschiedliche Teilnahmechancen und nahmen eingeleitet. Doch auch kleine und mittlere Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in der Gesellschaft, Unternehmen können diese Änderungen nicht länger als auch auf dem Arbeitsmarkt. ausblenden, denn sie sind am meisten davon betroffen. Dabei ist Vielfalt schon immer Normalität und der ge- Diese Broschüre richtet sich an Führungskräfte, Per- nauere Blick auf die damit verbundenen Chancen lohnt sonalverantwortliche sowie Beraterinnen und Berater, sich auch aus unternehmerischer Sicht! die Unternehmen begleiten, die noch keine Diversity- Maßnahmen ergriffen haben. Diversity Management So lebten in Deutschland im Jahr 2016, um einen As- wird als Konzept zur aktiven Gestaltung der Vielfalt pekt der Vielfalt exemplarisch aufzuzeigen, rund 18,5 vorgestellt und es werden Einblicke in die damit ver- Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das bundenen Möglichkeiten gegeben. Es geht also vor entspricht in etwa 22,5 Prozent der Gesamtbevölke- allem darum, rung. Diese Zahl stellt eine Momentaufnahme nach jahrzehntelangen Migrationsbewegungen und Integ- den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, rationsprozessen dar. Es ist die Momentaufnahme ei- eine große Bandbreite an Diversity-Instrumenten ner Gesellschaft, geprägt u. a. durch die Erfahrungen und -Maßnahmen vorzustellen und mit den sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastar- viele praktische Tipps für die Einführung und Etab- beitern und ihren Nachkommen, die schon in den lierung von Diversity Management zu geben. 1950er bis 1970er Jahren einen entscheidenden Bei- trag zum „Wirtschaftswunder“ und zu der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands geleistet In der vorliegenden Broschüre wird also ein Manage- haben. Trotzdem ist die Wahrnehmung von Menschen ment-Ansatz vorgestellt, der zeigt, dass ein Umdenken mit Migrations- oder Fluchthintergrund bis heute häu- nicht nur notwendig ist, sondern sich durchaus auch fig defizitär geprägt und oft von einseitigen Integrati- lohnen kann. Denn ein Perspektivwechsel, weg von den onsaufforderungen begleitet. vermeintlichen Defiziten der einzelnen Gruppen hin zu den Potenzialen der jeweiligen Individuen, bringt Doch die Globalisierung, die wachsende internationale neue Möglichkeiten. Die Akzeptanz und die bewusste und digitale Vernetzung und der inzwischen nicht mehr Gestaltung der Vielfalt kann neben den positiven ge- zu leugnende demografische Wandel bringen allmäh- sellschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen As- lich die Einsicht, dass ein Umdenken notwendig ist. pekten auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, für das eigene Unternehmen, fruchtbar gemacht werden. Und Lange weiß man schon, dass die Bevölkerung Deutsch- das trotz, oder beziehungsweise gerade wegen der un- lands am Schrumpfen ist und immer älter wird. Sollte terschiedlichen Lebenserfahrungen, Lebensentwürfen diese Tendenz nicht unterbrochen werden – so die und Mehrfachzugehörigkeiten jedes einzelnen Men- Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs- schen! Aus förderrechtlichen Gründen wird der Genderaspekt in Publikationen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ sprachlich berück- sichtigt, indem die weibliche und männliche Sprachform verwendet werden. Wo möglich, werden neutrale Begriffe eingesetzt. Trotz des Verzichts auf Gender-Gap oder * möchten wir jedoch ausdrücklich auch jene Personen einschließen, die sich sozial und/oder biologisch jenseits der binären Geschlechterkategorien positionieren. 4 5
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Vielfalt und wertschätzende Kultur lohnen sich! Wussten Sie, dass… Verbesserung der organisatorischen Flexibilität und Agi- Verbesserte Kundinnen- und Kundenorientierung, An- Aufwertung des Außen‐Images von Unternehmen inzwischen zahlreiche deutsche und internationale lität durch vielfältige Teams gebote und Dienstleistungen Das Interesse am ökologischen, sozialen, ethischen und Studien belegen, dass die aktiv gestaltete Vielfalt posi- Vielfältig zusammengesetzte Belegschaften reagieren Eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft wird wirtschaftlichen Gesamtverhalten von Unternehmen tive und langfristig auch monetär messbare Auswir- auf neue Herausforderungen in einem von stetem Wan- angesichts einer zunehmend vielfältigen Kundschaft und Organisationen ist sowohl bei vielen Mitarbeiten- kungen hat? del geprägten Umfeld meist flexibler als homogene durch passgenauere Angebote und Dienstleistungen den als auch bei vielen Kundinnen und Kunden deut- Belegschaften. Dies kann in Zeiten der Globalisierung eine höhere Kundinnen- und Kundenzufriedenheit er- lich gewachsen. Durch eine gezielte Förderung von Einen guten Überblick über solche Studien und deren und eines grundlegenden Strukturwandels ein ent- reichen können. Unternehmen und Organisationen Vielfalt können Unternehmen proaktiv zeigen, dass sie Ergebnisse bietet die Publikation der IQ Fachstelle In- scheidender Wettbewerbsvorteil sein. können so ihre Publikumsorientierung noch zielgerich- bemüht sind, gegen Diskriminierungen vorzugehen terkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskri- teter und effektiver gestalten. und eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung minierung mit dem Titel „Mehrwert Vielfalt – Zahlen, Erhöhung von Kreativität und Innovationsfähigkeit bei zu unterstützen. Daten, Fakten“ (2015). Problemlösungen Verbesserter Umgang mit der zunehmenden Internati- Durch die erhöhte Vielfalt der Erfahrungen, Sichtwei- onalisierung Sicherung und Steigerung vom Unternehmenserfolg Darin werden die wirtschaftlichen Vorteile der Vielfalt sen und Arbeitsstile kommen gemischte Gruppen oft Insbesondere für international oder in einem interkul- Durch das Zusammenspiel der dargestellten Vorteile wie folgt zusammengefasst: zu innovativeren und kreativeren Problemlösungen als turellen Umfeld agierende Unternehmen und Organi- bewirkt die nachhaltige Verankerung von Diversity einheitliche Gruppen. sationen, die in zunehmendem Maße von einer Vielfalt eine positive Veränderung der Unternehmenskultur. Verbesserung des Personalmanagements und größere an Sprachen, Kulturen, Werteinstellungen, Arbeits- und Die interne und externe Erschließung vorhandener Auswahl an Bewerbenden Kostensenkung durch gute Motivation und weniger Dis- Lebensstilen umgeben sind, ist ein positiver Umgang Potenziale und die erarbeitete Qualitätsentwicklung Unternehmen und Organisationen, deren gutes Image kriminierungen mit Vielfalt unumgänglich. Dies gilt sowohl für ihr Han- tragen letztendlich auch zur Sicherung und Steigerung auch darauf gründet, dass sie personelle Vielfalt gezielt Durch die individuelle Wertschätzung und die gelun- deln nach innen wie nach außen. Aus einer ausgepräg- vom Unternehmenserfolg bei. fördern, haben bessere Wettbewerbsbedingungen bei gene Einarbeitung der Mitarbeitenden können Moti- ten Diversity-Kompetenz und einer diversity-bewuss- der Rekrutierung zunehmend bedeutender Gruppen vation und Zufriedenheit erhöht werden. Konflikte und ten Unternehmenskultur können deutliche Vorteile auf dem Arbeitsmarkt. Bei diesen Gruppen handelt es Diskriminierungen werden seltener. Direkte Kosten beim Zugang zu neuen Märkten und Zielgruppen ent- sich etwa um Frauen, Menschen mit Migrationshinter- durch etwaige Klagen wegen Diskriminierungen sowie stehen. grund oder ältere Arbeitnehmende. Angesichts der indirekte Kosten durch Unzufriedenheit, Demotivation, gesellschaftlichen Veränderungen durch den demogra- Krankheit oder Folgekonflikte nach Diskriminierungs- fischen Wandel und den wachsenden Fachkräftebedarf fällen können reduziert werden. können diversity-orientierte Personalprozesse ein Beispiel wertvolles Instrument sein, die Personalstruktur und Ein Mensch hat ein bestimmtes Problem zu lösen und kommt auf die Personalprozesse zukunftsfähig zu gestalten. drei mögliche Lösungswege. Wie viele verschiedene Ansätze würden wohl zehn Menschen fin- den, die genauso denken wie dieser eine Mensch? Und wie viele Lösungsansätze würden demgegenüber zehn Men- schen finden, die völlig unterschiedlich denken und unterschiedli- che Perspektiven einbringen? Quelle: Ana-Cristina Grohnert in Charta der Vielfalt (2016) 6 7
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Diversity Management – ein Konzept zur aktiven Gestaltung Praxis – Wie zukunftsfähig ist Ihr Unternehmen? der Vielfalt in Unternehmen Diversity Management ist ein Managementansatz und die klare strategische Entscheidung, Vielfalt ist Poten- Haben Sie sich schon mal gefragt, ein Organisationsentwicklungskonzept, das Vielfalt als zial und jedes Talent zählt. woher Sie mittel- und langfristig Ihre Fachkräfte Normalität akzeptiert und als Ausgangspunkt unter- oder evtl. sogar Ihre Unternehmensnachfolge akqui- nehmerischen Denkens betrachtet. Dabei gibt es kein Patentrezept für den wirtschaftlich rieren werden? gewinnbringenden Umgang mit Vielfalt, denn jedes wie angepasst Ihr Unternehmen an die veränderten Der Ansatz wurde in den späten 1990er Jahren aus den Unternehmen und jede Belegschaft ist einzigartig. Es gesellschaftlichen Bedingungen ist? USA nach Deutschland übernommen und an die ar- gibt jedoch wieviel Vielfalt in Ihrem Unternehmen steckt? beitsmarktlichen sowie sozialpolitischen Gegebenhei- ob Sie das ganze Potenzial Ihrer personellen Vielfalt ten in Deutschland angepasst. Seitdem gewinnt er Modelle zur Analyse und Darstellung von Vielfalt, nutzen? zunehmend an Bedeutung. Methoden, die die Zielfindung und Umsetzung von welche Herausforderungen es bei der Gestaltung Diversity Management unterstützen, personeller Vielfalt gibt? Die deutsche Übersetzung des englischen Wortes „di- eine breite Palette an Instrumenten und Maßnahmen welche Strategien und Lösungen es für diese Her- versity“ (mit kleinem „d“) lautet „Vielfalt“ und bezieht sowie ausforderungen gibt? sich auf die menschliche Vielfalt in all ihren Facetten, Erfahrungswerte bei der Entwicklung funktionie- also auf all die identitätsrelevanten Eigenschaften, in render Diversity-Strategien, Aktuelle Umfragen zeigen: denen sich Menschen ähneln oder voneinander unter- scheiden, z. B. durch ihr Aussehen, ihr biologisches uns die Unternehmen bei ihrem Vorhaben unterstützen, DIHK-Ausbildungsumfrage 2017 – Online-Umfrage mit soziales Geschlecht, ihre physischen und psychischen Vielfalt in ihren Strukturen zu etablieren und zukunfts- 10.561 Unternehmen: Fähigkeiten, ihre sexuelle Orientierung, ihre Herkunft fähig zu gestalten. Einige davon werden im Folgenden In fast jedem dritten Betrieb (31 Prozent) bleiben und Sprache, ihre kulturelle, ethnische oder religiöse dargestellt. Ausbildungsplätze unbesetzt. Prägung, ihre Weltanschauung, ihre Bildung oder ihr Jedes vierte Unternehmen mit unbesetzten Ausbil- soziales Umfeld. dungsstellen bekam überhaupt keine Bewerbung. Gut zwei Drittel der Betriebe, die Plätze nicht beset- Der Begriff „Diversity“ (mit großem „D“) oder „Diver- zen konnten (68 Prozent), erhielten keine geeigne- sity Management“ bezeichnet wiederum den Manage- ten Bewerbungen. ment-Ansatz, der anstrebt, diese menschliche Vielfalt gezielt zu nutzen, um den Erfolg eines Unternehmens IAB 2017 – Befragung von 11.600 Betrieben: zu sichern und zu steigern. Dieser basiert auf einer Kleinere und mittlere Unternehmen haben fast dop- Haltung der Anerkennung und Wertschätzung von pelt so häufig Probleme, freie Stellen zu besetzen, Vielfalt („valuing diversity“). Diversity Management wie große Firmen. bündelt alle Maßnahmen um das Vorhaben, die Unter- Etwa vier von zehn Unternehmen mit weniger als nehmenskultur so zu verändern, dass Führungskräfte 250 Beschäftigten haben Schwierigkeiten, freie Stel- und Beschäftigte die Vielfalt als selbstverständlich be- len zu besetzen. trachten, ihren Wert für das Arbeitsklima und den Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten brechen wirtschaftlichen Erfolg erkennen und ein produktives fast jede dritte Personalsuche erfolglos ab. Arbeitsumfeld realisieren können. Menschen werden so mit ihren unterschiedlichen Zu- gehörigkeiten, Bedürfnissen und Potenzialen in den Vordergrund gestellt und die bestehenden Strukturen und Prozesse (z. B. in der Personalarbeit) eines Unter- nehmens vor dem Hintergrund der Vielfalt auf ihre Durchlässigkeit analysiert. Diversity Management trägt somit dazu bei, Chancengleichheit zu verbessern und Diskriminierungen aufgrund von bestimmten identi- tätsrelevanten Eigenschaften und Gruppenzugehörig- keiten in einem Unternehmen zu reduzieren. In dieser Hinsicht bringt Diversity Management immer eine Verbindung von wirtschaftlich orientierten und nicht wirtschaftlichen Aspekten mit sich, stellt jedoch den ökonomischen Nutzen in den Vordergrund. Denn, so 8 9
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ 1 Vielfalt?! Worüber reden wir? Und wie reden wir darüber? 10 11
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Diversity Dimensionen und Merkmale Praxis – Diversity Puzzle Eine übersichtliche Darstellung von Vielfalt im Diver- Jeder Mensch stellt eine einmalige Kombination dieser Wussten Sie, dass… sity Management bietet der Diversity-Kreis von Lee Merkmale dar und fühlt sich aufgrund einiger dieser das, was einem auf dem ersten Blick als etwas sehr Gardenswartz und Anita Rowe (2003), hier vorgestellt Merkmale bestimmten Gruppen zugehörig. Diese sind Persönliches vorkommt, wie die eigenen iden- in der leicht angepassten Version der IQ Fachstelle In- für die Selbstwahrnehmung wichtig, z. B. kann sich eine titätsprägenden Merkmale und Zugehörig- terkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskri- Person zur Gruppe der Mütter und der der Führungs- keiten, sehr eng mit beruflichen Mög- minierung (2018). kräfte zugehörig fühlen. Andere Merkmale oder Zuge- lichkeiten verbunden ist? hörigkeiten werden von außen wahrgenommen oder Im Zentrum des Modells von Gardenswartz und Rowe zugeschrieben – oft ohne zu wissen, ob sie stimmen. Dabei geht es bei der Personalaus- steht die Persönlichkeit, die bei jedem Menschen ein- Diese prägen die Fremdwahrnehmung. Ein Anzug bei- wahl oft nicht um das Merkmal malig und individuell ist. Um diese schichten sich drei spielsweise, also das Aussehen, kann dazu führen, dass oder die Eigenschaft selbst, Dimensionen von Merkmalen und Eigenschaften. eine Person für eine Führungskraft gehalten wird oder sondern um die damit verbun- ein Akzent kann zur Schlussfolgerung führen, dass die denen Zuschreibungen. Das Die innere Dimension oder Kerndimension beschreibt Person keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. bedeutet, dass bestimmte identitätsprägende Merkmale, auf die man wenig oder Merkmale (bewusst oder un- keinen Einfluss hat, wie zum Beispiel Alter, sexuelle Je nach Situation erfahren Menschen Anerkennung bewusst) mit Kompetenzen Orientierung oder ethnische Herkunft. Manche sind oder Ablehnung aufgrund einer oder mehrerer dieser oder eben dem Fehlen von angeboren, innerlich und/oder nicht sichtbar. Andere Merkmale, wobei sich die Merkmale gegenseitig beein- Kompetenzen assoziiert prägen das äußere Erscheinungsbild. flussen und sich auch potenzieren können. Manche werden. Dies kann zu Präfe- Merkmale und Zugehörigkeiten „öffnen Türen“. Ande- renzen bei der Auswahl füh- Die äußere Dimension beinhaltet Eigenschaften, die re dagegen bewirken Ausgrenzungen oder Benachtei- ren – und das ohne die tatsäch- aktiv erworben werden oder sich im Laufe des Lebens ligungen. lichen Potenziale der Personen ändern können, wie Ausbildung, Einkommen oder Fa- zu berücksichtigen. So z. B., wenn milienstand. Diese Merkmale sind leichter veränderbar beim Bewerbungsgespräch die als diejenigen in der inneren Dimension. Entscheidung für eine jüngere, we- niger erfahrene Bewerberin ausfällt, da In der organisationalen Dimension finden sich schließ- der älteren Bewerberin mangelnde Moti- lich die Eigenschaften, die mit dem Unternehmen oder vation oder fehlende digitale Fähigkeiten der Organisation in Verbindung stehen, in dem die zugeschrieben werden. Person arbeitet, wie beispielsweise Funktion, Manage- ment Status, Arbeitsort oder Dauer der Betriebszuge- Merkmale können sich auch wechselseitig verstärken. Diversity-Dimensionen hörigkeit. In positivem wie in negativem Sinne. So kann man auf- Quelle: FS IKA (2018) in Anlehnung an Gardenswartz & Rowe (2003) grund der Daten des Statistischen Bundesamtes fest- stellen, dass Männer ohne Migrationshintergrund mit Kindern (wahrscheinlich weiß und heterosexuell) und ohne Schwerbehinderung die größte Chance haben, erwerbstätig zu sein. Frauen mit Migrationshinter- grund und Kindern haben dagegen die geringsten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Quelle: Charta der Vielfalt (2013) Selbsttest Welche Facetten von Vielfalt sind in Ihrem Unternehmen vorhanden? Welche Facetten von Vielfalt sind in Ihrem Unternehmen auf der Ebene der Mitarbeiterschaft vorhanden? Welche auf der Führungsebene? Haben Sie beispielsweise Frauen als Führungskräfte oder Menschen mit Migrationserfahrung? Erfahren Personen mit bestimmten Merkmalen – oder ohne bestimmte Merkmale – eine bes- sere Einschätzung und genießen sie dadurch Vorteile bei der Personalauswahl und -förderung? 12 13
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Die Kerndimension von Diversity Praxis – Gesetzlicher Schutz von Vielfalt Im Rahmen von Diversity Management setzt man oft Zunehmend werden aber auch soziale Herkunft, Bil- Wussten Sie, dass… Neben dem Grundgesetz (GG) und dem Allgemei- bei der Kerndimension des Diversity-Kreises an. Zu dung und sozio-ökonomischer Status als zentrale entlang der Merkmale der Kerndimension die meisten nen Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) gibt es weitere dieser zählen: Merkmale betrachtet. Mit welchen Dimensionen und Diskriminierungserfahrungen gemacht werden? Ge- rechtliche Regelungen, die auf die Gleichstellung und Merkmalen ein Unternehmen letztendlich arbeitet, setzlichen Schutz dagegen bietet neben dem Artikel 3 Antidiskriminierung von unterschiedlichen Gruppen ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit hängt von den Bedarfen, bereits vorhandener Vielfalt, des deutschen Grundgesetzes (GG), der ein umfassen- abzielen: Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe Zielsetzungen und von der Kreativität des jeweiligen des Gleichheitsprinzip vorschreibt, das 2006 in Kraft Geschlecht und Gender Unternehmens ab. getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Gleichstellungsgesetze von Bund und Ländern Religion oder Weltanschauung schreiben die Gleichstellung der Geschlechter und physische und psychische Fähigkeiten, oder im en- Ziel des AGG ist, Benachteiligungen aus rassistischen von Menschen mit Behinderungen in Wirtschaft und geren Sinne Behinderung Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Gesellschaft vor. Alter sowie Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Das Sozialgesetzbuch SGB IX legt Quoten für die Be- sexuelle Orientierung und Identität. Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität schäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). fest. Auf diese soll im nächsten Schritt näher eingegangen Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) for- werden. Das Benachteiligungsverbot gilt für „Beschäftigte“ dert große Unternehmen zur regelmäßigen Bericht- (§ 7 AGG), wobei der Begriff sehr weit gefasst ist und erstattung über Diversität sowie andere nicht-finan- folgende Gruppen umfassen kann: Arbeitnehmerinnen zielle Belange auf, z. B. über Themen wie und Arbeitnehmer, Auszubildende, arbeitnehmerähn- Nachhaltigkeit, Menschenrechte oder Korruption. liche Personen (z. B. in Heimarbeit Beschäftigte), Be- werberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsver- Durch diese Gesetze und Richtlinien hat Diversity Ma- hältnis sowie ehemalige Beschäftigte. Das nagement eine rechtliche Dimension erhalten. Deren Benachteiligungsverbot betrifft demzufolge insbeson- Außerachtlassen ist somit nicht nur ein indirekter dere die Personalprozesse, aber auch die Organisati- Nachteil im Wettbewerb um die besten Talente. Er onskultur und den Kundinnen- und Kundenverkehr kann auch erhebliche Kosten in Form von Prozesskos- der Unternehmen. Um die Anforderungen des AGG zu ten nach sich ziehen. Umgekehrt betrachtet zeugt ein erfüllen, müssen Unternehmen Maßnahmen zum bewusster Umgang mit Vielfalt von Fortschrittlichkeit, Schutz vor Benachteiligungen treffen und ihre betrieb- Offenheit und einer positiven Unternehmenskultur lichen Strukturen und Prozesse diesbezüglich über- und kann als Talentmagnet wirken. prüfen. Um bereits entstandene „Schieflagen“ auszugleichen und Benachteiligungen zu reduzieren und zu verhin- dern, sind im Sinne des AGG so genannte Positive Maß- nahmen möglich. Diese erlauben bei gleicher Eignung eine bevorzugte Behandlung, wenn aus den oben ge- nannten Gründen entstandene Nachteile durch diese ausgeglichen werden können. Solche positive Maßnah- men sind z. B. die gezielte positive Ansprache von Men- schen mit Migrationshintergrund, Mentoring-Program- me oder flexible Quotenregelungen für Frauen. Diese können sehr gut in vorhandene oder geplante Diversi- ty Strategien integriert werden. 14 15
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit Praxis – Maßnahmen Ein zentrales Merkmal im Diversity Management ist Bei den Maßnahmen bezüglich des Diversity-Merkmals Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal eth- Mentoring- oder Lotsenprogramme für neue Kolle- die ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit. Denn Men- ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit geht es also nische oder kulturelle Zugehörigkeit auseinandersetzen, ginnen und Kollegen mit Migrations- oder Flucht- schen unterschiedlicher Herkunft, sowohl Neuzuwan- darum, die bestehenden Strukturen eines Unterneh- sind zum Beispiel: erfahrung. derer als auch Menschen, die seit Langem in Deutsch- mens daraufhin kritisch zu untersuchen, ob sie Aus- Spezielle Einarbeitungsmappen und Einarbeitungs- land leben, stellen für Unternehmen ein erhebliches grenzungsmechanismen gegenüber Menschen mit Interkulturelle Trainings für Fach- und Führungs- programme für neue Kolleginnen und Kollegen mit Potenzial an Arbeitskräften dar. Diese Tatsache ist seit Migrationshintergrund aufweisen. Ausgrenzungsme- kräfte, in denen über die eigene Haltung, die eigenen Migrations- oder Fluchterfahrung. dem Bekanntwerden der Ausmaße des demografi- chanismen sind oft unbewusst und Teil der täglichen Werte und Normen, den eigenen Kommunikations- Unterstützung bei Behördengängen und im Prozess schen Wandels auch verstärkt in das kollektive Be- Routinen. Diese gilt es aufzudecken und im Sinne eines stil, die eigenen Prägungen und deren (Außen-)Wir- der Anerkennung ausländischer Qualifikationen. wusstsein gerückt und zum Thema gesellschaftspoli- produktiven Miteinanders durch durchlässigere und kung sowie über inklusive Strukturen und Antidis- Etablierung oder Inanspruchnahme von Relocation- tischer und wirtschaftspolitischer Überlegungen einbeziehende Praktiken oder Strukturen zu ersetzen. kriminierung reflektiert wird. Service-Angeboten, die internationale Fachkräfte geworden. Deutschland ist faktisch jedoch schon seit Strategieworkshops für Führungskräfte und Perso- und deren Familie bei der Verlegung ihres Lebens- langer Zeit Einwanderungsland und bietet ein Zuhau- nalverantwortliche zur Konzeption und Umsetzung mittelpunktes unterstützen. se für mehrere Generationen von Menschen, die sich eines interkulturellen Öffnungsprozesses im Unter- Innerbetriebliche Sprachförderprogramme für Kol- aus beruflichen oder persönlichen Gründen entschie- nehmen. leginnen und Kollegen, deren Erstsprache nicht den haben, in Deutschland zu leben. Versucht man, Weiterbildung von Führungskräften zum Thema Deutsch ist. diese Vielfalt und die damit verbundenen Herausfor- „Führung und Konfliktbearbeitung in interkulturel- Gründung interkultureller Netzwerke. derungen und Chancen zu thematisieren, redet man len Teams“. über die kulturelle oder ethnische Vielfalt in der Ein- Stärkung der Präsenz von Menschen mit Migrations- wanderungsgesellschaft. hintergrund oder Migrationserfahrung auf allen Hierarchieebenen, so auch in Führungspositionen. Trotz der langjährigen Erfahrungen des Landes mit Einwanderung werden ein Migrationshintergrund oder Migrationserfahrung – und alles, was damit in Verbindung gebracht wird, z. B. ein Akzent, eine nicht- Hinweis: weiße Hautfarbe, ein nicht-deutscher Bildungsab- Unter „ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit“ werden oft pauschalisierend ganz verschiede- schluss etc. – auf dem Arbeitsmarkt häufig immer noch ne Aspekte zusammengefasst und diskutiert, z. B. Kultur, Ethnie, Migrationshintergrund, Staats- als Defizit wahrgenommen. So bleibt das Potenzial angehörigkeit, Aufenthaltsstatus oder Deutschkenntnisse. Es gibt zum Beispiel (Stellvertreter-) dieser Menschen oft ungenutzt. Debatten über die Integrationsfähigkeit der Menschen unterschiedlicher Herkunft. Unausgespro- chen bleiben dabei jedoch für die Integration sehr relevante Faktoren wie Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erlauben oder beschränken; die pass- genaue Einarbeitung, die das fehlende System-Wissen ausgleicht; ein anerkanntes Diplom, das Hinweis: eine qualifikationsadäquate Tätigkeit, die berufliche Weiterentwicklung und die Entfaltung der Laut Definition des Statistischen Bundesamtes (2016) hat ein Mensch einen Migrationshinter- Potenziale ermöglicht. grund, wenn er selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. Im Fall von Personen, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik, Die Auseinandersetzung mit solchen „Vermischungen“ und Vereinfachungen und die Reflexion sondern im Ausland geboren wurden und nach Deutschland gezogen sind, spricht man über über die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung gehören zu den Inhalten inter- Menschen mit Migrationserfahrung. War die Entscheidung, das eigene Land oder den Lebensort kultureller Trainings mit dem Ziel der Reduktion stereotyper Zuschreibungen. Interkulturelle zu verlassen und anderswo hinzuziehen, nicht freiwillig sondern erzwungen (z. B. durch Natur- Trainings richten darüber hinaus die Aufmerksamkeit gezielt auf die strukturellen Bedingungen katastrophen, Krieg oder Verfolgung), redet man über Geflüchtete. im Unternehmen und helfen unbewusste Ausgrenzungsmechanismen zu entdecken. 16 17
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Aussehen, oder im engeren Sinne Hautfarbe Praxis – Maßnahmen Das Diversity-Merkmal Aussehen bietet unterschiedli- Diesen Unterschied zwischen der nicht-existierenden Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Aus- che Herangehensweisen an die Thematik: Es kann biologischen „Rasse“ einerseits und den trotzdem vor- sehen auseinandersetzen, sind zum Beispiel: breiter verstanden werden, bezogen auf das äußere handenen und wirkenden Denkstrukturen und sozia- Erscheinungsbild eines Menschen (einerseits auf kör- len Praktiken des Rassismus andererseits bringt der Stärkung der Präsenz von PoC auf allen Hierarchie- perliche Merkmale andererseits auf Kleidungsstil) vielzitierte Satz der französischen Soziologin Colette ebenen, so auch in Führungspositionen. oder enger, bezogen auf Hautfarbe. Guillaumin (1995) auf den Punkt: „Race doesn´t exist, Stärkung der Vorbildfunktion von PoC; Schaffen und but it does kill people.“ Zeigen von Best-Practice-Beispielen. Aussehen, bezogen auf Hautfarbe wird oft fokussiert, Einführung einer diversity-bewussten, vorurteils- weil dieses Merkmal in den zwischenmenschlichen Um deutlich zu machen, dass es in der Diversity-De- kritischen bildlichen Darstellung des Unternehmens Beziehungen und geschichtlich gesehen mit mehr Pri- batte nicht um die Hautfarbe geht, sondern um gesell- auf der Webseite, auf Flyern und in Publikationen. vilegien und Diskriminierungen verbunden war als schaftliche Konstruktionen und Praktiken, welche Erschaffung einer diversity-bewussten, vorurteils- jedes andere körperliche Merkmal (wie etwa Augen- Menschen aufgrund von Hautfarbe kategorisieren und kritischen Bilderwelt auf der Ebene von Marketing farbe, Haarfarbe, Körpergröße oder Körperbau) und ungleich behandeln, werden die Begriffe Schwarz und und bezogen auf Produkte. weil es ein „Einfallstor“ für rassistisches Denken und Weiß oft großgeschrieben verwendet. Einführung einer diskriminierungskritischen Spra- Handeln ist. che und Beachtung von Selbstbezeichnungen. Ein anderer zentraler Begriff aus diesem Bereich ist Diversity- und Antidiskriminierungs-Trainings für People of Color oder kurz PoC. Dieser ist eine selbstbe- Führungskräfte und Belegschaft. stimmte Bezeichnung von und für Menschen, die in Hinweis: einer mehrheitlich weißen Gesellschaft wegen ethni- Die Vorstellung von „Rasse“ ist ein ideologisch begründetes Kons- scher oder rassistischer Zuschreibungen alltäglichen trukt aus den Kolonialzeiten, das der Unterdrückung und Ausbeu- und anderen Formen des Rassismus ausgesetzt sind. tung von Menschen diente und den Grundstein des Rassismus Im Gegensatz zum Begriff „Farbig“ oder „Coloured“, die bildet. In der rassistischen Argumentation wird behauptet, dass von Weißen gewählte, koloniale Zuschreibung sind, ist Menschen unterschiedlicher Hautfarbe (manchmal auch Physiog- der Begriff „People of Color“ eine politische Selbstbe- nomie, Herkunft, Religion, Sprache oder Kultur) ihrem Wesen nach zeichnung. unterschiedlich seien, was eine Auf-/Abwertung und demzufolge auch Behandlung bzw. Ungleichbehandlung rechtfertigt. Es ist wis- In einem diversity-bewussten Unternehmen geht es senschaftlich bewiesen, dass es keine menschlichen Rassen gibt. darum, rassistisch diskriminierendes Verhalten auf der Die biologisch-genetische Vielfalt der Menschen bildet vielmehr Ebene von Sprache, Verhalten und Struktur zu unter- insgesamt eine große Bandbreite an Variationen. Dennoch reicht binden und die menschliche Vielfalt an körperlichen dieses Wissen nicht aus, rassistisch motiviertes Denken und Handeln Merkmalen als Normalität zu akzeptieren, so, dass zu beseitigen. niemand befürchten muss, wegen des Aussehens aus- geschlossen oder benachteiligt zu werden. 18 19
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Geschlecht und Gender 1 Praxis – Maßnahmen Den Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Idee strukturellen Gegebenheiten ist das abhängig? Der nä- Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Ge- Analyse und Neuorientierung von Beurteilungssyste- einer vielfältigen Organisation bietet bei vielen Unter- here Blick zeigt auch, dass weder Frauen noch Männer schlecht bzw. Gender auseinandersetzen, sind zum men und von Auswahl- und Beförderungskriterien. nehmen die Analyse der Gleichstellung von Frauen und in sich homogene Gruppen sind! Beispiel: Bestehende traditionelle Vorstellungen über die Männern im Beruf. In der Praxis geht das oft mit einer geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung führen Personalstrukturanalyse einher, aus der Zielsetzungen Dennoch finden Frauen und Männer aufgrund histo- Erhöhung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nämlich – oft auch unbewusst – zu männlich struk- und Maßnahmen abgeleitet werden. Das kann zum risch bedingter, sozial und kulturell konstruierter Ge- durch die Einrichtung von turierten Karrierenormen. Beispiel bedeuten, dass man sich vornimmt mehr Frau- schlechterrollen unterschiedliche Handlungsmöglich- flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Teilzeitarbeit, Wie hoch ist der Anteil von Frauen und Männern en einzustellen, dass man qualifizierte und kompeten- keiten und Chancen in der Gesellschaft vor und sind Lebensarbeitszeiten, Arbeitszeitkonten oder Sab- in Führungspositionen bzw. auf den unterschied- te Frauen stärker in Führungspositionen einsetzt oder von deren Auswirkungen unterschiedlich betrof- baticals lichen Hierarchieebenen? dass man sich vornimmt, die unterschiedliche Entloh- fen. Dies gilt auch für die Arbeitswelt und rückt die flexiblen Arbeitsorten, wie Home Office, Tele- Wer nimmt prozentual mehr an Fortbildungs- und nung der Frauen und Männern auszugleichen. Auseinandersetzung mit den betrieblichen Strukturen arbeit oder Co-Working Fördermaßnahmen teil? und Machtverhältnissen in den Fokus. einer betriebseigenen Kita. Wann finden Fortbildungen, Teamsitzungen etc. Diversity Management geht jedoch über die Forderung statt? nach der statistisch-juristischen Gleichstellung von Gleichstellungsaspekte sollten gemäß der Gender- Wer hat Zugang zu welchen Ressourcen, Arbeits- Mann und Frau hinaus und fordert eine Auseinander- Perspektive von vornherein in unternehmensinternen Die Flexibilisierung der Arbeitsorte und -zeiten bedeu- gremien, Netzwerken? setzung mit der Gender-Perspektive. Damit werden Planungs- und Entscheidungsprozessen mitgedacht tet auch, jene nicht zu benachteiligen, die davon Ge- Ausgleich der Lohnunterschiede zwischen Männern gesellschaftlich-kulturell konstruierte und geprägte werden. Ziel dabei ist, Geschlechterstereotype zu hin- brauch machen. Das reduziert den Stress für die Be- und Frauen (Gender Pay Gap). Geschlechterrollen und -bilder angesprochen und kri- terfragen, Rollenmuster und darauf basierende Struk- schäftigten und führt zu einer höheren Produktivität. tisch hinterfragt: Wie sind Frauen? Wie sind Männer? turen aktiv zu verändern sowie Chancengleichheit und Die Kosten für die Unterstützung dürften in der über- Was ist weiblich? Was ist männlich? Wie sind weibliche Gleichbehandlung anzustreben. wiegenden Zahl der Fälle die Kosten unterschreiten, Führungskräfte? Wie sind männliche Führungskräfte? die dem Unternehmen durch krankheitsbedingte Ab- Was gilt als kompetent? Wer kann zur Führungskraft wesenheit, suboptimale Mitarbeit oder frühzeitige werden? Von welchen persönlichen Eigenschaften und Kündigung entstehen. Beispiel: Hinweis: Das sogenannte „Normalarbeitsverhältnis“ war lange Zeit (und ist teilweise noch immer) an Achten Sie bei der Konzeption der Maßnahmen darauf, Stereotypisierungen entgegenzuwirken. einer männlichen Norm orientiert. Dieses richtete sich an der Arbeitsweise eines Mannes aus, Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist z. B. kein ausschließliches Frauenthema. Sie bezieht der in der Regel und spätestens ab der Übernahme von Führungsverantwortung verheiratet war. sich auch nicht nur auf die Vereinbarkeit von traditioneller Familie und Beruf, also Mann, Frau Seine Frau war häufig nicht erwerbstätig, kümmerte sich um Haushalt und Kinder und hielt dem und Kind. Es gibt auch alleinerziehende Männer und Männer, die Angehörige pflegen; Frauen, Mann „den Rücken frei“. Mit zunehmendem Arbeitstempo und Erfolgsdruck kam noch eine so- die keine Familie gründen; Patchwork-Familien, Regenbogenfamilien u.v.m. Stellen Sie sicher, genannte „Anwesenheitskultur“ dazu, in der alleine die physische Präsenz der Mitarbeitenden dass Ihre Maßnahmen verschiedene Wertesysteme und Lebensentwürfe berücksichtigen. einen Wert darstellte, besonders die lange Anwesenheit in den Abendstunden. Solche Arbeitsverhältnisse sind für Menschen, die in ihrem Privatleben Unterstützung erhalten, leichter zu handhaben. Alleinerziehende oder Menschen, deren Partnerin bzw. Partner selbst einer Beschäftigung nachgeht, erfahren durch derartige Arbeitszeitanforderungen eine zusätz- liche Belastung. Denn sie müssen mit einem System zurechtkommen, das in wesentlichen As- pekten ihre spezifischen Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Unternehmen verzichten durch solche Strukturen auf die Talente evtl. sehr begabter, leistungsfähiger, motivierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wegen der starren Anforderungen nicht ins System gelangen, vorzeitig ausschei- den oder nicht befähigt werden, ihre Potenziale zu verwirklichen. Im beruflichen Alltag impliziert ein solches Denken auch, dass Mann-Sein fast immer ein Faktor für die Teilhabe an Macht, Ressourcen und Netzwerken und damit eine wichtige Bedingung für die berufliche Weiterentwicklung ist. Wogegen Frauen als die Abweichung von der Norm und als Abweichung von der Idealbesetzung gelten. Quelle: Stuber (2009) 20 21
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Geschlecht und Gender 2 Praxis – Maßnahmen Zu dieser Diversity-Dimension gehört auch die Ausei- Transgender sind Menschen, deren biologisches Ge- Weitere Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merk- nandersetzung mit der Tatsache, dass es Menschen schlecht eindeutig männlich oder weiblich ist, die sich mal Geschlecht bzw. Gender auseinandersetzen sind: Hinweis: gibt, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem jedoch mit diesem Geschlecht nicht (vollständig) iden- Für die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter gibt es un- Mann-Frau einordnen lassen, sondern sich jenseits tifizieren können oder wollen. Der Begriff steht auch Relativierung festgefahrener Geschlechterrollen, um terschiedliche Strategien. Lesen Sie mehr darüber z. B. in dem Leit- verorten oder die eine Kombination männlicher und für Menschen, die das binäre Geschlechtersystem an stattdessen den Schwerpunkt auf die Kompetenzen faden zu gendergerechter Sprache der Ludwig-Maximilians-Uni- weiblicher Merkmale aufweisen. Das kann sowohl auf sich in Frage stellen, sich jenseits der Geschlechter und die Motivation der Menschen zu setzen, z. B. versität München unter das biologische Geschlecht als auch auf die Geschlecht- „Mann“ und „Frau“ definieren, oder sich als zwischen durch www.frauenbeauftragte.uni-muenchen.de/genderkompetenz/ sidentität bezogen sein. Dabei geht es vor allem um den Geschlechtern wechselnd bzw. als männlich und Stärkung der Stellung von Frauen in Führungspo- sprache/ Intersexuelle, Transgender und Transsexuelle. weiblich gleichzeitig verorten. sitionen und in männlich dominierten Arbeitsfel- dern (z. B. mehr Frauen in den technischen Beru- Intersexuelle Menschen weisen von Geburt an sowohl Diese Begrifflichkeiten betreffen nicht die sexuelle Ori- fen) männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale entierung sondern die Identität. Stärkung der Männer in weiblich dominierten auf (genetisch, anatomisch, hormonell), beziehungs- Arbeitsfeldern (z. B. mehr Männer in den Pflege- weise können bei der Geburt keinem eindeutigen bio- Die soziale Kategorie für Menschen, die sich nicht in berufen) logischen Geschlecht zugeordnet werden. Weil inter- das binäre Geschlechtersystem Mann-Frau einordnen Stärkung der Präsenz der Menschen dritten Ge- sexuelle Menschen in der auf binären Vorstellungen lassen, wird oft als das dritte Geschlecht bezeichnet. schlechts auf allen Hierarchieebenen von Männlichkeit und Weiblichkeit basierenden medi- Dabei handelt es sich nicht um ein drittes Geschlecht Einführung einer geschlechterbewussten Sprache mit zinischen, rechtlichen sowie sozialen Ordnung nicht im biologischen Sinne. Eher möchte der Begriff die der sich alle Mitarbeitenden angesprochen fühlen, vorgesehen sind, werden sie vielfach stigmatisiert und Bandbreite an Geschlechtern benennen, die es zwi- z. B. in Ansprachen und Grußworten, bei Konferen- diskriminiert. Häufig werden sie bereits im Kindesalter schen und jenseits von Mann und Frau existieren. zen, Meetings oder Moderationen (mündliche Spra- Operationen unterzogen, damit sie körperlich der me- che). dizinischen Normvorstellung von „Eindeutigkeit“ ent- In einer diversity-bewussten Unternehmenskultur Überarbeitung der betriebsinternen Formulare, sprechen. geht es also auch darum, die Vielfalt der Geschlechter Schriftstücke, Einladungen usw., sodass sich alle Mit- und Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen, die mit arbeitenden angesprochen fühlen (schriftliche Spra- Transsexuelle Menschen werden dagegen mit biolo- den Geschlechterrollen verbundenen Erwartungen che). gisch eindeutigem Geschlecht geboren. Sie fühlen sich kritisch zu hinterfragen und weder auf der Ebene der jedoch dem anderen Geschlecht zugehörig, sodass sie Sprache noch in der Routine des beruflichen Alltags mitunter mit Hilfe von Hormonbehandlungen und chi- Menschen auszuschließen oder zu benachteiligen. rurgischen Eingriffen körperliche Veränderungen vor- nehmen lassen, um den ihrer Geschlechtsidentität entsprechenden Körper zu erlangen. Hinweis: Der Gender Gap (_) oder das Sternchen (*) bieten eine Möglichkeit in der schriftlichen Sprache, die über die männlich und weiblich hinausgehenden geschlechtlichen Identitäten zu erfassen. Wussten Sie, dass … es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 möglich ist, das dritte Geschlecht auch in das Geburtenregister einzutragen? Dieser Beschluss stellt mit verfassungsrechtlicher Kraft fest, dass es nicht nur Männer und Frauen, sondern auch ein drittes, unbestimmtes Geschlecht gibt, und dass dieses dritte Geschlecht von der gesamten Rechts- ordnung anerkannt und respektiert werden muss. Damit verbunden ist das Recht, dass Menschen zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens zu der Entscheidung gezwungen werden können, sich eindeutig zu einem Geschlecht zu bekennen. Das Bundesverfas- sungsgericht erkennt das dritte Geschlecht ausdrücklich an – und das im positiven Sinne, also nicht als Fehlen einer der zwei anderen Geschlechter. 22 23
IQ Fachstelle IKA/Interkulturelle Grundsensibilisierung mit Schwerpunkt Asyl & Flucht Förderprogramm IQ Religion oder Weltanschauung Praxis – Maßnahmen Bei dem Diversity-Merkmal Religion oder Weltanschau- Während die Zugehörigkeit zu einer Religion oder die Maßnahmen, die sich mit dem Diversity-Merkmal Re- Die Ermöglichung von Gebetszeiten, z. B. in Form von ung könnte der Eindruck entstehen, dieses sei Teil des Religiosität in vielen Fällen nicht sichtbar ist, ist sie in ligion oder Weltanschauung auseinandersetzen, sind flexiblen, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Privatlebens und damit irrelevant für Unternehmen. anderen Fällen, durch das Tragen einer Kippa, eines zum Beispiel: transparenten Pausenregelungen. Muslimische Ge- Systeme, so auch Unternehmen, leben jedoch von den Kreuz-Anhängers, eines Kopftuchs oder wegen anderer betszeiten dauern in der Praxis oft nur ein paar Mi- in ihnen wirkenden Menschen. Und Menschen kom- religiöser Symbole erkennbar. Sichtbare religiöse Sym- Die Berücksichtigung religiöser Feiertage bei der Ur- nuten und sind damit kaum länger als eine Raucher- men mit all ihren identitätsrelevanten Eigenschaften bole (oder Merkmale die für religiöse Symbole gehal- laubsplanung. Diversity- und interkulturelle Kalen- pause. (so auch mit ihrer Religiosität, ihrem Glauben, ihrer ten werden, z. B. ein nicht-gestutzter Bart) werden der informieren darüber, wann welche religiösen Einrichtung von Gebetsräumen oder Kennzeichnung Spiritualität oder eben mit einer atheistischen oder nicht selten vorschnell mit religiösem Konservativis- Feiertage sind. Vielfältige Teams bringen auch unter von anderen Räumlichkeiten, die für diesen Zweck laizistischen Haltung) als ganze Persönlichkeiten in die mus, gar religiösem Extremismus assoziiert und führen diesem Aspekt Vorteile, z. B. bei der Arbeits- und genutzt werden dürfen, z. B. den überkonfessionel- Arbeit und möchten als solche akzeptiert, respektiert dann zu Ablehnung und Diskriminierung. Bei diesem Urlaubsplanung: Während die meisten christlichen len Raum der Stille. Achten Sie dabei auf die Gewähr- und in ihren jeweiligen Teams und Abteilungen ange- Diversity-Merkmal bereiten die Unterschiede zwischen Beschäftigten zu Ostern oder Weihnachten frei neh- leistung der Privatsphäre und vermeiden Sie den nommen werden. Daher gilt es auch bei diesem Diver- Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung beson- men möchten, übernehmen muslimische Beschäf- Vorführeffekt – ein Besprechungsraum mit Glaswän- sity-Merkmal dafür zu sorgen, dass niemand in der dere Herausforderungen – mit weitreichenden Folgen tigte vielleicht gerne die Vertretung für diese Zeit, den eignet sich nicht für diesen Zweck. Belegschaft diesen Teil der Identität aus Scham oder für die betroffenen Personen. um dann beispielsweise zum Zuckerfest frei zu ha- Das Aufgreifen der Thematik sowohl in den Füh- sogar aus Furcht vor Ablehnung und Ausgrenzung ver- ben. rungskräfte- als auch in Diversity- Trainings. leugnen oder verstecken muss. Auch im beruflichen Kontext können religiöse Symbo- Die Beachtung der religiösen Bräuche und Traditionen le (oder Merkmale, die dafür gehalten werden) die für Speisekarten und Kantinen. Eine vielfältige Aus- Religion ist ein sehr emotional und kontrovers disku- Aufmerksamkeit von den Kompetenzen, der Motivati- wahl an Lebensmitteln (so auch von Gerichten ohne tiertes Thema, das durch die Flucht und die Einwan- on, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der potenziel- Schweinefleisch und ganz ohne Fleisch) und die ein- Hinweis: derung nach Deutschland sehr politisiert wurde, ins- len Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ablenken. Ar- deutige Kennzeichnung der verwendeten Lebens- Religionsfreiheit bedeutet auch, dass es möglich ist, keiner Religion besondere bezogen auf muslimische Menschen. Sie ist beitgebende stehen jedoch in der Pflicht, die gesetzliche mittel freut nicht nur Beschäftigte, die aus religiösen anzugehören. Im Gegensatz zur medialen Wahrnehmung ist die auch belegbar ein häufiger Anlass für Diskriminie- Vorgabe der Nicht-Diskriminierung zu gewährleisten. Gründen auf bestimmte Lebensmitteln verzichten, Zahl religiöser Strenggläubiger – unabhängig der jeweiligen Reli- rungserfahrungen. Umso wichtiger ist es, als Arbeitge- sondern auch Vegetarierinnen und Vegetarier, Vega- gion – eher gering. Religiöse Identität kann des Weiteren komplex ber oder Arbeitgeberin eine klare Position zum Thema Beschäftigte, die offen mit ihrer Religion oder Weltan- ne, Menschen mit Allergien oder eben sich bewusst zusammengesetzt, dynamisch und individuell sein. Auch bei Chris- zu beziehen und Transparenz über die auch in dieser schauung umgehen dürfen, fühlen sich am Arbeitsplatz gesund ernährende Menschen. ten ist z. B. nicht jede getaufte Person aktiv religiös oder im Laufe Hinsicht wertschätzende, anerkennende und einbezie- willkommen. Das sorgt für Loyalität und Motivations- Die Einbeziehung religiöser Kleidungsstücke bei der des Lebens konstant religiös. Das ist bei anderen Religionszugehö- hende Unternehmenskultur herzustellen. steigerung und demzufolge oft für Leistungssteigerung Gestaltung der einheitlichen Berufsbekleidung, der so rigen nicht anders. Legen Sie Ihren Schwerpunkt dementsprechend und eine längerfristige Verpflichtung und Bindung an genannten Corporate Fashion. Warum sollte z. B. kein auf die tatsächlichen Bedarfe der Belegschaft und der Kundschaft das Unternehmen. Tuch oder Kopftuch im Corporate Design möglich und nicht auf die mit Religiosität verbundenen Bilder und Vorstel- sein? Zusätzlich zur Wiedererkennbarkeit schafft lungen. Wussten Sie, dass … einheitliche Berufsbekleidung auch ein Gefühl der Religionsfreiheit ein im Grundgesetz (GG) geschützter Wert und ein Teamzugehörigkeit und die Vielfalt der Stücke im Grundrecht ist? Artikel 4 des Grundgesetzes bezieht sich auf die Corporate Design ist ein Zeichen gelebter Diversity. Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und besagt: (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unver- letzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Diese Regelungen werden durch zwei Fußnoten zu den Artikeln 136 und 137 ergänzt, in denen es unter anderem um die Gewähr- leistung der Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften oder das Recht auf die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhän- gig von dem religiösen Bekenntnis geht. 24 25
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