Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten-Bakom

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Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und
                  Radionachrichten –
        Erfüllen die Nachrichtensendungen den Service Public?

Projektbericht

Eine Untersuchung durchgeführt mit Unterstützung des Bundesamtes für Kommunikation
(BAKOM) von

Sabine Einwiller, Dominik Lehmann und Norbert Winistörfer
Fachhochschule Nordwestschweiz
Hochschule für Wirtschaft
Institute for Communication and Competitiveness
Riggenbachstrasse 16
4600 Olten

und

Diana Ingenhoff und Katharina Sommer
Universität Fribourg
Medien- und Kommunikationswissenschaft
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Boulevard de Pérolles 90
1700 Fribourg

Olten und Fribourg im Juni 2008
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"                                                    I

Inhalt

1      Ausgangsproblematik und Untersuchungsanlage ....................................................1
2      Berichterstattung über Wirtschaft - Stand der Forschung ........................................3
3      Definition des Untersuchungsgegenstandes .............................................................6
3.1    Nachrichten .....................................................................................................................6
      3.1.1      Nachrichtenkriterien und Hauptnachrichten..........................................................6
      3.1.2      Wirtschaftsnachrichten .........................................................................................7
3.2    Medienökonomische Kontextfaktoren im öffentlichen und privaten Radio und TV .........7
3.3    Service Public..................................................................................................................9
      3.3.1      Konzeptverständnis ..............................................................................................9
      3.3.2      Erfüllung des Service Public in der Wirtschaftsberichterstattung .......................10
        3.3.2.1         Quantität .....................................................................................................11
        3.3.2.2         Relevanz .....................................................................................................11
        3.3.2.3         Verständlichkeit...........................................................................................13
        3.3.2.4         Objektivität ..................................................................................................14
4      Forschungsfragen und methodisches Vorgehen.....................................................15
4.1    Forschungsfragen..........................................................................................................15
4.2    Methodisches Vorgehen bei der Rezipientenbefragung................................................16
4.3    Methodisches Vorgehen bei der Medieninhaltsanalyse ................................................17
      4.3.1      Stichprobe der Medieninhaltsanalyse.................................................................17
      4.3.2      Analyseeinheit und Kodierschema .....................................................................18
      4.3.3      Kodierung und Reliabilität...................................................................................19
4.4    Methodisches Vorgehen bei der Journalistenbefragung ...............................................20
5      Ergebnisse der empirischen Untersuchungen.........................................................21
5.1    Bedeutung und Quantität der Wirtschaftsnachrichten ...................................................21
      5.1.1      Bedeutung und Beurteilung der Aufwändigkeit aus Journalistensicht ................21
      5.1.2      Ergebnisse der Inhaltsanalyse zur Quantität der Wirtschaftsnachrichten ..........22
5.2    Relevanz der Wirtschaftsnachrichten ............................................................................24
      5.2.1      Relevanzeinschätzung aus Rezipientensicht .....................................................24
      5.2.2      Relevanzeinschätzung aus Journalistensicht .....................................................26
      5.2.3      Ergebnisse der Inhaltsanalyse zur Relevanz der Wirtschaftsnachrichten ..........28
5.3    Verständlichkeit der Wirtschaftsnachrichten..................................................................34
      5.3.1      Verständlichkeitskriterien aus Rezipientensicht..................................................34
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"                                                     II

      5.3.2      Verständlichkeitskriterien aus Journalistensicht .................................................35
      5.3.3      Ergebnisse der Inhaltsanalyse zur Verständlichkeit der Wirtschaftsnachrichten 36
5.4    Objektivität der Wirtschaftsnachrichten .........................................................................38
      5.4.1      Objektivität aus Rezipientensicht........................................................................38
      5.4.2      Objektivität aus Journalistensicht - Recherchetätigkeit und Beziehung zu
                 Unternehmen und PR-Agenturen .......................................................................38
      5.4.3      Ergebnisse der Inhaltsanalyse zur Objektivität der Wirtschaftsnachrichten .......43
6      Schlussfolgerungen ....................................................................................................45
6.1    Zusammenfassende Diskussion der empirischen Ergebnisse ......................................45
6.2    Fazit der Untersuchung .................................................................................................47
7      Finanzieller Schlussbericht ........................................................................................49
8      Literatur ........................................................................................................................50
9      Anhang .......................................................................................................................... V
9.1    Leitfaden der Fokusgruppen........................................................................................... V
9.2    Leitfaden der Journalisteninterviews ............................................................................ VII
9.3    Reliabilitäten der Einzelvariablen der Medieninhaltsanalyse.......................................... X
9.4    Kodierschema der Medieninhaltsanalyse...................................................................... XI
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"                                           III

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Zusammensetzung der Fokusgruppen ....................................................................17
Tab. 2: Stichprobe der Medieninhaltsanalyse......................................................................18
Tab. 3: Gewichtung der Relevanzebenen durch Journalisten .............................................26
Tab. 4: Bewertung der Wichtigkeit der Nachrichtenfaktoren durch die Journalisten ...........27
Tab. 5: Anteil der Wirtschaftsthemen im TV an den Relevanzebenen, nach Sprach-
        regionen Sendertyp (in Prozent).............................................................................30
Tab. 6: Anteil der Wirtschaftsthemen im Radio an den Relevanzebenen, nach
        Sprachregionen Sendertyp (in Prozent) ..................................................................30
Tab. 7: Kriterien zur Förderung der Verständlichkeit - Rezipientennennungen ...................34
Tab. 7 (Fortsetzung): Kriterien zur Förderung der Verständlichkeit -Rezipientennennungen 35
Tab. 8: Kriterien zur Förderung der Verständlichkeit - Journalistennennungen...................36
Tab. 9: Recherchequellen der Journalisten .........................................................................39
Tab. 10: Negatives Verhalten von Unternehmen und PR-Agenturen aus Journalistensicht .41
Tab. 11: Positives und wünschbares Verhalten von Unternehmen und PR-Agenturen aus
         Journalistensicht......................................................................................................42
Tab.1 Anhang: Reliabilitäten der Einzelvariablen.................................................................... X
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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Anteilige Dauer der Wirtschaftsnachrichten an der Gesamtlänge der Nachrichten.22
Abb. 2: Anteilige Dauer der Wirtschaftsnachrichten an der Gesamtlänge der Nachrichten,
        nach Medium und Sendertyp...................................................................................23
Abb. 3: Anteilige Dauer der Wirtschaftsnachrichten an der Gesamtlänge der Nachrichten,
        nach Sprachregionen und Sendertyp ......................................................................24
Abb. 4: Anteil der Wirtschaftsthemen an den Relevanzebenen, nach Sprachregionen.......28
Abb. 5: Anteil der Wirtschaftsthemen an den Relevanzebenen, OHNE Berichte über
        Jahresergebnisse, nach Sprachregionen ................................................................29
Abb. 6: Anteil der Reichweitenausprägungen, nach Sprachregionen..................................32
Abb. 7: Anteil Berichte mit Hauptereignisort Schweiz, nach Sprachregionen und
        Sendertyp ................................................................................................................32
Abb. 8: Anzahl der Einzelakteure pro Bericht, nach Sprachregionen ..................................33
Abb. 9: Funktionen der Einzelakteure aus der Wirtschaft, nach Sprachregionen................34
Abb. 10: Anteile der Berichte mit Fremdwörtern, nach Sprachregion ....................................36
Abb. 11: Anteile der Berichte mit Hintergrundinformationen, W-Fragen, Fallbeispiel, nach
         Sendertyp ................................................................................................................37
Abb. 12: Anteile der Berichte mit Quellentransparenz, nach Sprachregionen .......................43
Abb. 13: Anteile der Berichte mit O-Ton, nach Medium und Sendertyp ................................44
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"                     1

1       Ausgangsproblematik und Untersuchungsanlage

Die Wirtschaft übt einen starken Einfluss auf die Gesellschaft aus. Sie trägt massgeblich zum
Wohlstand eines Landes bei und wirkt somit direkt auf die Lebensqualität der Bürgerinnen
und Bürger. Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund der zunehmenden Notwendigkeit einer
privaten Altersvorsorge – unter anderem durch Investitionen in Aktien und Fonds – nimmt die
Berichterstattung über Wirtschaftsthemen eine immer bedeutendere Rolle im Rahmen des
Service Public ein. Das WEMF spricht davon, dass in der Schweiz 1.9 Millionen Personen in
einem erweiterten Sinne Wirtschaftsnachrichten lesen, und es soll 1.5 Millionen Schweizer
Haushalte geben, die Aktien oder Fonds besitzen1. Der daraus erwachsende Bedarf an
Informationen zu Wirtschaftsthemen spiegelt sich in einer seit den 1990er Jahren quantitativ
deutlich gestiegenen Menge an Wirtschaftsberichterstattung wider2. Genügt diese Berichter-
stattung aber auch den journalistischen Qualitätsansprüchen, die zu einer aufgeklärten öf-
fentlichen Meinung über Wirtschaftsthemen führen kann?
Die elektronischen Medien sind als Informationsquelle zu Wirtschaftsthemen für die Schwei-
zerische Öffentlichkeit von herausragender Bedeutung. Wie eine im April 2008 veröffentliche
Studie von Mediapulse zeigt, sieht die Bevölkerung der Schweiz pro Tag durchschnittlich
zwei Stunden und 19 Minuten fern und hört eine Stunde und 45 Minuten pro Tag Radio3. Das
Potenzial, die Menschen über Radio und TV über Wirtschaft zu informieren ist also gross.
Werden Wirtschaftsthemen in diesen beiden Medien jedoch auch genügend behandelt? Im
benachbarten Deutschland wird beklagt, dass Fernseh- und Hörfunksendungen den Bürge-
rinnen und Bürgern keine ausreichende Orientierung in wirtschaftlichen Fragen böten4. In der
Schweiz ist dies möglicherweise ähnlich, auch wenn die Wirtschaft im Schweizerischen
Fernsehen mehr Gewicht bekommen soll beziehungsweise bereits bekommen hat.5 So wird
seit August 2007 im Schweizer Fernsehen (SF) jeden Montag um 22:20 das Wirtschafts- und
Börsenmagazin Eco ausgestrahlt. Im Oktober 2007 lancierte auch TeleZüri ein wöchentli-
ches Magazin "BörsenTrend", in dem freitags um 20:20 über das aktuelle Marktgeschehen
informiert wird.
Neben speziellen Wirtschaftsmagazinen erwarten Rezipienten aber auch im Rahmen der
Fernseh- und Radionachrichten schnell und effizient über die wichtigsten Themen und Er-
eignisse des Tages informiert zu werden. Nachrichten definieren sich als Genre der Mas-
senmedien durch den Anspruch, über aktuelles Geschehen von allgemeiner Relevanz wahr-
heitsgetreu zu orientieren6. Nachrichten sind jedoch auch ein sehr selektives Format, sowohl
was die Auswahl der Themen als auch was die Auswahl der Information zu den einzelnen
Themen anbelangt. Nachrichtenfaktoren gelten hier als wichtige Relevanzindikatoren7. Es
fragt sich dabei, ob bei der Nachrichtenselektion die Bedürfnisse der Rezipienten nach rele-
vanten und verständlichen Informationen ausreichend berücksichtigt werden.

1
  Aussage von Thomas Trüb, Konzernleitungsmitglied bei Ringier, in einem Interview gegenüber persönlich.com,
http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=58529 [22.03.2006]
2
  Eisenegger und Vonwil (2004), Carlson (1999)
3
    http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/schweizer_im_schnitt_139_minuten_taeglich_vor_dem_fernseher_1.
70 7781.html [20.06.2008]
4
  http://www.ernst-schneider-preis.de/programmkritik/stellungnahme2004-2.pdf [22.03.2006]
5
  Benini (2006) über Äusserungen von Ueli Haldimann (Chefredaktor SF)
6
  Von La Roche (2001)
7
  Ruhrmann et al. (2003)
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"      2

Welche Wirtschaftsthemen selektiert werden und wie über diese berichtet wird, kann ausser-
dem von der Interdependenz zwischen Wirtschafts- und Medienunternehmen beeinflusst
werden. Die teilweise Abhängigkeit privater Anbieter von Werbeeinnahmen legt die Vermu-
tung eines Interessenkonflikts nahe, der die Objektivität der Berichterstattung gefährdet.
Ausserdem steigt die Professionalität auf Seiten der Unternehmen, ihre Inhalte effektiv an
die Medien zu vermitteln.
Das Forschungsprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Wirtschaftsberichterstattung in ausge-
wählten Fernseh- und Radionachrichtensendungen in öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendeanstalten der Deutschschweiz, Romandie und dem Tessin auf ihren Beitrag zum
Service Public zu untersuchen. Als übergeordnete Fragestellung galt es zu beantworten,
inwieweit die elektronischen Medien TV und Radio im Rahmen ihrer Wirtschaftsberichterstat-
tung in Hauptnachrichtensendungen den Service Public erfüllen und wie die Leistung gege-
benenfalls verbessert werden kann. Ein Hauptfokus lag auf den für die Erfüllung des Service
Public wichtigen Aspekten Quantität, Relevanz, Verständlichkeit und Objektivität. Um einen
umfassenden Einblick in die Fragestellung zu erhalten, wurden neben einer Medieninhalts-
analyse der Nachrichtensendungen auch Fokusgruppen mit Rezipienten und Interviews mit
Journalisten durchgeführt.
Der Bericht gliedert sich in fünf inhaltliche Teile, die nacheinander dargestellt werden. Im
folgenden Kapitel 2 wird zunächst ein kurzer Überblick über den Forschungsstand zum
Thema Wirtschaftsberichterstattung gegeben. Kapitel 3 geht im Detail auf die verschiedenen
Untersuchungsgegenstände der Arbeit ein, was die Grundlage bildet für die Entwicklung der
konkreten Teilfragestellungen und Erhebungsinstrumente, welche in Kapitel 4 dargelegt
werden. Kapitel 5, das Kernstück des Berichts, stellt die Ergebnisse der drei Untersuchungs-
phasen - der Rezipientenanalyse, der Medieninhaltsanalyse und der Journalistenbefragung -
im Detail dar. Im Abschlusskapitel 6 werden die empirischen Ergebnisse diskutiert und
Schlussfolgerungen daraus gezogen.
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"       3

2       Berichterstattung über Wirtschaft - Stand der Forschung

„Zu den sträflich vernachlässigten Forschungsfeldern der Kommunikationswissenschaft zählt
weiterhin der Wirtschaftsjournalismus“ bemerkte Stephan Russ-Mohl in der Neuen Zürcher
Zeitung8. Vor dem Hintergrund einer seit den 1990er Jahren sprunghaften Expansion und
Ausdifferenzierung des Angebots in Wirtschaftspublizistik9 ist dies ein beklagenswerter Zu-
stand. Auch Eisenegger und Vonwil10 bemerken auf Basis empirischer Untersuchungen eine
seit den 1990er Jahren intensivierte Aufmerksamkeit der Medien auf die Wirtschaft und eine
stark vergrösserte öffentliche Exponiertheit ökonomischer Institutionen.
Eisenegger11 beobachtet neben dem quantitativen Anstieg des Angebots an Wirtschaftspub-
lizistik auch einen grundlegenden qualitativen Wandel: „Während die traditionelle, wirt-
schaftsfreundliche Verlautbarungsberichterstattung schwindet, ist eine Politisierung, Morali-
sierung und Skandalisierung der Wirtschaftsberichterstattung zu verzeichnen“12. Die Unter-
suchungen von Eisenegger haben gezeigt, dass die ökonomischen Akteure immer mehr
unter Skandalisierungsdruck geraten, in dessen Rahmen auch eine zunehmende Personali-
sierung der Akteure stattfindet. Während nachrichtenbezogene Formen der Berichterstattung
zurückgedrängt würden, gewinne der Thesen- und Magazinjournalismus an Bedeutung.
Insgesamt erhöhen diese Entwicklungen die Reputationsrisiken von Unternehmen.
Dem Einfluss der Wirtschaftsberichterstattung auf die Stimmung in der deutschen Bevölke-
rung und auf die Konjunktur in Deutschland ging Hagen nach13. Er konnte zeigen, dass die
Medien die Urteile, die in der Bevölkerung über die Wirtschaftslage herrschen, stark prägen.
Der Autor findet, dass sich die Medienberichterstattung direkt auf die Konjunktur und sogar
auch auf die Prognose der eigenen finanziellen Situation in den Privathaushalten auswirkt.
Des Weiteren ergibt die Untersuchung, dass sich die TV-Berichterstattung durch einen star-
ken Negativismus auszeichnet, der dazu führt, dass die Bevölkerung die gesamtwirtschaftli-
che Situation im Vergleich zur persönlichen Lage stets verzerrt wahrnimmt. Hagens Aussa-
gen basieren auf Analysen einer Medienstichprobe bestehend aus der Hauptabendausgabe
der Nachrichtensendungen Tagesschau (ARD), der Bild Zeitung, der Frankfurter Allgemei-
nen Zeitung, dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sowie dem Basisdienst der Deutschen
Presse Agentur (dpa). Die analysierten Daten umfassen den Zeitraum zwischen 1992 und
1997.
Kalt14 untersuchte die Wirtschaftsberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Fernsehpro-
gramme ARD und ZDF in Deutschland: Die Untersuchungsbasis umfasste 126 Nachrichten-
sendungen mit 1949 Beiträgen, davon enthielten 316 Beiträge (16.2 Prozent) ein Wirt-
schaftsthema. Die Kernergebnisse aus Kalts Untersuchung sind wie folgt:
•   Zwischen ARD und ZDF lässt sich kein Unterschied in der politischen Tendenz der Wirt-
    schaftberichterstattung feststellen.
•   Selten wurden in der Berichterstattung Hintergründe oder Zusammenhänge verdeutlicht.

8
  Russ-Mohl (2006)
9
  Mast (2003), S. 269
10
   Eisenegger und Vonwil (2004)
11
   Eisenegger (2005)
12
   Ebenda, S. 91
13
   Hagen (2005)
14
   Kalt (1985)
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"        4

•    Die Darstellung von Konflikten bzw. Kontroversen folgte immer dem gleichen Schema:
     Einer Position wurden alle anderen Positionen gegenübergestellt, von den Akteuren wur-
     de dabei aber nichts Konkretes geäussert und keine nützlichen Erläuterungen zur Sache
     geliefert.
•    Die in der Sprechermeldung oder Moderation erwähnten Fakten wurden in den nachfol-
     genden Filmberichten meistens nur wiederholt, aber nicht in ihren Bedeutungen erklärt.
Zur Verbesserung der Wirtschaftsberichterstattung empfiehlt Kalt, Wirtschaftsthemen näher
mit den Menschen zu verbinden, längere Sendezeiten zu schaffen, den Wirtschaftsredakteu-
ren mehr Gewicht zu geben, häufiger Kommentare zu einem Wirtschaftsthema anzubieten
und dabei auch externe Wirtschaftsexperten mit einzubeziehen.
Heinrichs15 Kritik an der Wirtschaftsberichterstattung bezieht sich auf die einseitige Partei-
nahme für Unternehmer und die journalistisch einfallslose und unverständliche Darstellung
sowie fehlende Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge. Als Ursachen für die anhalten-
de Kritik am Wirtschaftsjournalismus werden drei Mängel benannt: (1) Geringschätzung des
komparativen Vorteils, das heisst Verarbeitung von Informationen anstelle von Aktualität und
Unterhaltsamkeit, (2) unangemessene journalistische Standards, das heisst Forderung nach
geeigneter Berichtsform und (3) geringe Ausrichtung auf die Rezipienten. Eine entsprechend
veränderte Wirtschaftsberichterstattung benötigt auch eine bessere Position im Marketing
der Verlage und Rundfunkanstalten.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2003, im Rahmen derer 54 Nachrichtenausgaben von acht
privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern auf Sendungsablauf und Wirtschaftsbezug unter-
sucht wurden, stammt ebenfalls aus Deutschland16. Zielsetzung der Studie war es, ein Bild
von der gegenwärtigen Situation der Wirtschaftsberichterstattung im dualen Fernsehsystem
zu erarbeiten. Die durchführende Organisation, das Institut für empirische Medienforschung
in Köln (IFEM), zieht folgendes Fazit aus der Untersuchung:
       „Die Annahme, Nachrichten bei den Privaten entsprächen weitgehend den öffent-
       lich-rechtlichen, sie seien nur flotter und moderner gemacht, ist falsch. Anhand
       der Wirtschaftsberichterstattung lässt sich belegen, dass ein Teil der privaten
       Vollprogramme (RTL, SAT.1, ProSieben, Kabel 1 und RTL 2 und Vox) in seinen
       Hauptnachrichten nicht ausreichend über relevante wirtschaftliche Themen in-
       formiert. Die im Rundfunkstaatsvertrag genannten Verpflichtungen, im Programm
       ‚zu wesentlichen Teilen’ neben Bildung, Beratung und Unterhaltung auch Infor-
       mation anzubieten, wird bezüglich der gesellschaftspolitisch besonders relevan-
       ten Wirtschaftsinformationen nicht hinreichend erfüllt."17
Die Autoren des IFEM Berichts beklagen, dass den Zuschauern dadurch Fakten fehlten und
sie kein Verständnis für Zusammenhänge entwickeln könnten. Zusätzlich erwachse ein
gesellschaftspolitisches Problem, weil gerade Sender wie RTL2 eine treue und sehr junge
Zuschauerschaft hätten. Zwar leisteten auch die Privatsender viel für die Verständlichkeit
wirtschaftlicher Themen, dabei dünnten sie den Informationsgehalt komplexer Sachverhalte
aber oft so weit aus, dass die Zuschauer wirtschaftliche Zusammenhänge nicht immer her-
stellen könnten.

15
   Heinrich (1991)
16
   IFEM (2003)
17
   ebenda, S. 47
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"      5

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld befasst sich mit der Interdependenz von Medienun-
ternehmen und Wirtschaftsunternehmen. Die Problematik der Interdependenz von Medien-
unternehmen und Wirtschaftsunternehmen stellt Russ-Mohl18 in seinem Marktmodell zur
Aufmerksamkeitsökonomie dar und integriert dabei alle bisher entwickelten Konzepte (De-
termination, Intereffikation, Symbiose, Parasitismus) in einen Theoriekontext. Der Einfluss
von Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus, betont Russ-Mohl, sei insbesondere für die
Berichterstattungsfelder Polit-PR und Unternehmenskommunikation besonders ausgeprägt.
Er bemerkt an anderer Stelle19, dass der Wirtschaftsjournalismus stark von den PR-
Zulieferungen abhängig sei und dass die Hochrüstung der PR-Abteilungen während der
letzten 20 Jahre wahrscheinlich sogar die Abrüstung journalistischer Recherche-Kapazität
bewirkt hat.
Höhne und Russ-Mohl20 sehen auf beiden Seiten, Public Relations und Journalismus, eine
Wettbewerbssituation: Die PR konkurriert mit ihren Botschaften um die Aufmerksamkeit der
Journalisten und das Rampenlicht der Medien und die Journalisten konkurrieren auf der
anderen Seite um vermarktbare, möglichst exklusive Informationen. Zwischen den Institutio-
nen PR und Journalismus besteht im günstigsten Fall eine Tauschbeziehung von Nachrich-
ten versus Aufmerksamkeit, die zu einer Win-Win Situation führt. Russ-Mohl stellt die Akteu-
re auf beiden Seiten als im Sinne eines homo oeconomicus maturus agierende Menschen
dar. Für die Wirtschaftsjournalisten bedeutet dies, dass sie sich bei der Nachrichtenwahl an
Nachrichtenfaktoren orientieren, sich aus ökonomischen Gründen vor allem bei Routinemel-
dungen auf die PR-Quelle stützen und aufwändige Recherchen unterlassen, wenn kein
quotensteigernder Scoop als Recherche-Ertrag in Aussicht steht.
Im Rahmen einer empirischen Untersuchung analysierten Höhne und Russ-Mohl21 das
Marktmodell von PR und Journalismus unter anderem am Beispiel der Finanzberichterstat-
tung. Die Autoren bemerken, dass sich vor allem im TV die Wirtschaftsberichterstattung stark
auf das Börsengeschehen reduziert hat, welches hinsichtlich Inszenierung an die Ziehung
der Lottozahlen erinnere. Sie bemängeln den fahrlässigen Umgang der Wirtschaftsjournalis-
ten mit den Empfehlungen von Finanzanalysten, wobei die Nennung der Quelle meist unter-
bleibt. Sie interpretieren, dass der Finanzjournalismus „auf eine Nachfrage nach Börsentipps
[reagiert], indem er gratis angeliefertes PR-Material nutzt“22. Des Weiteren bemerken die
Autoren - wie unter anderem auch Eisenegger23 - eine übersteigerte Personalisierung in der
Wirtschaftsberichterstattung, deren Ursache sie in einer erhöhten Auflage und Quote sowie
einer erleichterten Recherche sehen.
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die Forschung eine Zunahme an Quantität und
Bedeutung von Wirtschaftsberichterstattung verzeichnet. Untersuchungen zur Qualität der
Wirtschaftsberichterstattung, vor allem für die Schweiz, sind jedoch selten. Die wenigen
Untersuchungen, die vorwiegend in Deutschland durchgeführt wurden, kommen zu ähnli-
chen Ergebnissen: der Berichterstattung über Wirtschaftsthemen mangelt es an Verständ-
lichkeit, Unabhängigkeit und Rezipientenorientierung. Wie sich die Situation im Schweizeri-
schen Radio und TV gestaltet wird im Folgenden berichtet.

18
   Russ-Mohl (2004)
19
   Höhne und Russ-Mohl (2004), S. 92
20
   ebenda
21
   ebenda
22
   ebenda, S. 91
23
   Eisenegger (2005)
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"         6

3        Definition des Untersuchungsgegenstandes
Der Fokus der Untersuchung liegt auf der Erfüllung des Service Public bezüglich Wirtschafts-
themen durch die Schweizerischen Radio- und Fernsehnachrichten. Für die eingehende
Untersuchung der Thematik bedarf es zunächst einer Definition der zentralen Untersu-
chungsgegenstände. In den folgenden Abschnitten wird definiert, was unter Nachrichten und
insbesondere unter Wirtschaftsnachrichten verstanden wird, welche medienökonomischen
Kontextfaktoren in TV und Radio vorliegen und welche Aspekte des Service Public für die
Wirtschaftsberichterstattung bedeutsam sind und im Projekt näher betrachtet werden.

3.1      Nachrichten

3.1.1 Nachrichtenkriterien und Hauptnachrichten
Nachrichten stellen eine spezielle Programmgattung dar24. Das zentrale Kriterium von Nach-
richtensendungen ist die Aktualität der Berichterstattung. Sie wird als "das Wesensmerkmal
von Nachrichten (englisch: 'news')"25 bezeichnet. Daneben wird die Ankündigung der Sen-
dung beziehungsweise deren Erwartbarkeit als ein zentrales Kriterium angeführt, das die
Zuordnung einer Sendung zur Gattung der Nachrichten rechtfertigt26. Maurer27 führt drei
weitere Kriterien zur Systematisierung von Nachrichten an, wobei er bemerkt, dass verschie-
dene Möglichkeiten der Systematisierung möglich sind: die thematische Universalität, die
Dauer und die Ausrichtung auf die Allgemeinheit.
Im Rahmen des vorliegenden Projekts wurde im Rahmen der Medieninhaltsanalyse jeweils
die Hauptnachrichtensendung eines Radio- beziehungsweise TV-Anbieters analysiert. Der
Fokus auf diese Nachrichtenkategorie begründet sich insbesondere durch ihre herausgeho-
bene Stellung als zuschauer- beziehungsweise zuhörerstärkste Nachrichtensendung. Zudem
erfüllen die Hauptnachrichtensendungen, die als Standardnachrichten zu klassifizieren sind,
alle von Maurer28 angeführten Kriterien:
•     Das Kriterium der Aktualität steht im Zentrum,
•     sie werden zu festen Zeitpunkten ausgestrahlt, sind somit erwartbar,
•     sie umfassen sämtliche aktuellen Aspekte (inklusive Wirtschaft) und sind somit universell
•     sie sprechen die Allgemeinheit und keine spezifische Zielgruppe an und
•     sie haben je nach Sender eine Länge von 5 bis 30 Minuten.
Bezug nehmend auf eine Studie von Weiss und Trebbe29 bemerkt Maurer30, dass die Haupt-
nachrichten nicht stellvertretend für das gesamte Nachrichtenangebot eines Senders stehen,
sondern eine Sonderstellung einnehmen. Die angeführte in Deutschland durchgeführte
Studie hatte ergeben, dass in den TV-Hauptnachrichten verglichen mit dem gesamten Nach-
richtenangebot unterschiedliche Themenbereiche besonders hervorgehoben werden. Wäh-
rend die öffentlichen Sender den politischen Informationen in den Hauptnachrichtensendun-

24
   Gehrau (2001), S. 18
25
   Hagen (1995), S. 128
26
   Maurer (2005), S. 71
27
   ebenda, S.71ff.
28
   ebenda
29
   Weiss und Trebbe (2000), S. 138
30
   Maurer (2005), S. 66
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"        7

gen eine vergleichsweise grössere Stellung einräumten, war bei den Privatsendern der Anteil
über Kriminalität, Unfälle, Prominenz und auch Sport in den Hauptnachrichtensendungen
höher als im gesamten Nachrichtenangebot.
Da eine Untersuchung zu den Anteilen von Wirtschaftsnachrichten in Hauptnachrichtensen-
dungen im Vergleich zum gesamten Nachrichtenangebot in Schweizerischen TV- und Ra-
dioprogrammen unserem Wissen nach nicht vorliegt, kann eine Sonderstellung der Haupt-
nachrichtensendungen im Schweizerischen TV und Radio nur angenommen werden.

3.1.2 Wirtschaftsnachrichten
Eine Analyse der Wirtschaftsberichterstattung in den Hauptnachrichten bedarf einer trenn-
scharfen Abgrenzung der Beiträge mit Wirtschaftsbezug von anderen Beiträgen. Der Wirt-
schaftsbegriff ist jedoch dehnbar und führt zu Überschneidungen mit anderen Themenfel-
dern. Eine exakte begriffliche Bestimmung dessen, was als Wirtschaftsthema und somit als
Wirtschaftsnachricht zu begreifen ist, ist daher schwer, für die Untersuchung jedoch dringend
nötig. Neben einer Definition, die den Themenbereich festlegt bedarf es daher einer operati-
onalen Definition, die die Klassifizierung von Themen als Wirtschaftsthemen ermöglicht.
Zur Eingrenzung des Themenbereichs wird der vorliegenden Arbeit die vom Institut für empi-
rische Medienforschung (IFEM) erarbeitete Definition einer Wirtschaftsnachricht zugrunde
gelegt31:
•     Als Wirtschaftsnachricht gilt jede Nachricht über ein Ereignis, eine Verpflichtung oder
      eine Forderung mit unmittelbarer oder mittelbarer finanzieller Auswirkung sowie jede In-
      formation über Märkte (inklusive Arbeits- und Ausbildungsmärkte), jede Nachricht über
      Unternehmen oder ihr direktes Umfeld sowie Informationen über Unternehmer. Indikato-
      ren sind Akteure aus Unternehmen, Gewerkschaften oder Verbänden sowie Politiker.
Die Operationalisierung erfolgt durch die Zuordnung von Nachrichten zu Themenbereichen.
Hierbei werden die folgenden drei Ebenen von Wirtschaftsthemen unterschieden:
•     Makroebene: Gesellschaftlich relevante, wirtschaftspolitische Themen (z. B. Konjunktur
      und Wachstum; Steuern; Absatzmarkt; Arbeitsmarkt)
•     Mesoebene: Unternehmens- und Branchenthemen (z. B.Produkte und Dienstleistungen;
      Wirtschaftliche Performance; Unternehmensstrategie; Arbeitsplatzumfeld)
•     Mikroebene: Verbraucher-/Ratgeber-/Anwenderthemen für die private Lebenswelt (z. B.
      Finanzen; Versicherungen; privater Konsum)

3.2      Medienökonomische Kontextfaktoren im öffentlichen und privaten Radio
         und TV
Zunehmender Wettbewerb und fortschreitende Digitalisierung verursachen einen grundle-
genden Wandel im Mediensektor. Durch den globalisierten und daher verstärkten Wettbe-
werb gewinnen ökonomische Zielsetzungen gegenüber publizistischen Anforderungen an
Bedeutung32. Wirtschaftliche Ziele wie Effizienz und Rentabilität dominieren journalistische
Ziele wie Aufklärung und demokratische Kontrolle33. Publizistische Ziele sind oft qualitativer

31
   IFEM (2003), S. 9
32
   Heinrich (2001), S. 198ff.
33
   Blöhbaum (1994), S. 294
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"      8

Art und nicht genau messbar. Sie sind daher im Vergleich zu betriebswirtschaftlichen Krite-
rien nicht einfach durchsetzbar, die an ausgeprägt ökonomischen Kategorien wie Gewinn
oder Aktienkurs orientiert sind34.
Neben diesen Entwicklungen wirken sich auch strukturelle Zwänge auf die Bedingungen der
Medienproduktion aus. Insbesondere Kostenstruktur und Produktionsbedingungen im Fern-
sehmarkt begünstigen eine Konzentration auf einige wenige Anbieter. Dies sind hohe Fixkos-
ten, Skaleneffekte, Verbundvorteile sowie die Interdependenz zwischen Werbe- und Rezi-
pientenmarkt.
Der grösste Teil der Kosten in der Medienproduktion sind Fixkosten, die zur Produktion der
„First Copy“ anfallen. Die Personalkosten machen dabei einen erheblichen Anteil aus. Eine
Statistik aus Deutschland, in der Erträge und Aufwendungen des öffentlichen Rundfunks
gegenübergestellt werden, zeigt, dass aufwandsseitig 41 Prozent auf Personalkosten entfal-
len35. Im Falle des Fernsehens sind, geprägt durch die Immaterialität des ökonomischen
Gutes, die variablen Vertriebs- und Distributionskosten verschwindend gering und ein zu-
sätzlicher Nutzer verursacht nur vernachlässigbare zusätzliche Kosten. Eine Erhöhung der
Zuschauerzahl führt folglich zu einer Degression der Fixkosten, was bedeutet, dass die
Leistungen des Fernsehens aus betriebswirtschaftlicher Perspektive im Monopol am effizien-
testen bereitgestellt werden können36.
Grössenvorteile in der Fernsehproduktion ergeben sich auch aus der Interdependenz zwi-
schen Werbe- und Publikumsmarkt. Der Werbemarkt begünstigt Erzeugnisse, die bereits
eine hohe Reichweite aufweisen, was die Wachstumschancen dieser Produkte wiederum
erhöht37 und birgt die Gefahr eines sogenannten Werbeumfeldjournalismus38. Die durch die
eingangs erwähnte Digitalisierung bewirkte Verbilligung des Vertriebs macht es zunehmend
lohnenswerter, bereits erstellte Produktionen über weitere Vertriebskanäle zu verbreiten39.
Alle diese Faktoren machen es für Medienunternehmen fast unumgänglich, ein möglichst
grosses Publikum zu erreichen. Dabei wird die Ausnutzung von Skaleneffekten immer wich-
tiger – auf Kosten der Rücksichtnahme auf Rezipientenpräferenzen hinsichtlich eines vielsei-
tigen Medienangebotes40.
Öffentlich-rechtliche Anbieter brauchen im Gegensatz zu den privaten Fernsehanstalten
„Geld, um Programme zu machen, nicht Programme um Geld zu machen“41. Sie finanzieren
ihr Programm zum Grossteil aus Rundfunkgebühren. Diese werden unabhängig von der
tatsächlichen Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebotes erhoben und sind an
den Besitz des Empfangsgerätes gekoppelt42. Im Rahmen des Programmauftrags muss eine
Grundversorgung im Sinne des Service Public der Rezipienten gewährleistet werden (siehe
3.3). Die SRG finanziert ihr Budget von rund 1.5 Milliarden Franken zu 70 Prozent aus Ge-
bühren und zu 30 Prozent aus kommerziellen Erträgen wie Werbung und dem Handel mit
Verwertungsrechten43. Vor dem Hintergrund der gesicherten Finanzierung durch Rundfunk-

34
   Heinrich (2001), S. 190; Altmeppen (2003) S. 120f.
35
   Heinrich (1999), S. 432
36
   Kiefer (2005), S. 172ff.
37
   Wirtz (2005), S. 20
38
   Heinrich (2001), S. 192
39
   Heinrich (2001), S. 199
40
   Kiefer (2005), S. 170ff.
41
   Meier (2004), S. 599
42
   Wirtz (2005), S. 359
43
   SRG SSR idée suisse (2008), S. 16
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"          9

gebühren ist die Idee der öffentlichen Fernsehanstalten, dass sie auch Programme für Be-
völkerungsgruppen anbieten, die für die Werbewirtschaft nicht relevant sind44. Die privaten
Programmanbieter dagegen müssen sich an den Erwartungen der Werbewirtschaft ausrich-
ten und ein möglichst grosses Publikum erreichen, um ihr Programm zu finanzieren. Dabei
sind sie konjunkturellen Schwankungen des Werbevolumens ausgeliefert, was es unter
Umständen schwierig macht, eine ständige Wirtschaftsredaktion zu unterhalten. Inwiefern
unter diesen Bedingungen auch die publizistischen Ziele wie Vielfalt, Pluralismus, Qualität
und Objektivität erfüllt werden, ist unter anderem Gegenstand der vorliegenden Untersu-
chung.
Um der Kleinstaatlichkeit und den (sprach)regionalen Minderheiten gerecht zu werden, ist
das Schweizer Mediensystem in drei Ebenen gegliedert: die lokale und regionale, sowie die
internationale Ebene ist privaten Anbietern vorbehalten; die sprachregionale sowie die natio-
nale Ebene wird hauptsächlich vom öffentlichen Rundfunk bedient45. Die regionalen, privaten
Sender sind mehrheitlich im Besitz der in den betreffenden Regionen führenden Verlagshäu-
ser46. Der öffentliche Rundfunk hat einen Leistungsauftrag, der sogenannte Service Public,
der die publizistischen Ziele auch unter den schweizerischen Bedingungen der Mehrspra-
chigkeit und Kleinstaatlichkeit sicherstellen soll.

3.3      Service Public

3.3.1 Konzeptverständnis
Den elektronischen Medien in der Schweiz wird vom Staat teilweise die Erfüllung einer öf-
fentlichen Aufgabe zugeschrieben47. Dieser „Service Public" wird in Artikel 24 (insbesondere
Absatz 4 a-d) des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG vom 24. März 2006) festgehalten.
Durch das mit Leistungsaufträgen verknüpfte Konzessionssystem sollen so Möglichkeiten
geschaffen werden, „die Ordnungsstrukturen in die Richtung anerkannter gesellschaftspoliti-
scher Ziele wie die möglichst freie demokratische Meinungsbildung, die breite kulturelle
Entfaltung und pluralistische Veranstalterstrukturen zu lenken“48. Aus medienwissenschaftli-
cher Perspektive stehen nach Weber49 beim Service Public somit folgende Aspekte im Vor-
dergrund:
•     „Der Service Public zeichnet sich durch eine – wenn zwar staatlich nur schwer steuerba-
      re – Vielfalt an Programmangeboten aus: Neben der Meinungsbildung als zentraler As-
      pekt haben die Medien eine Funktion mit Bezug auf Beratung und Dienstleistungen, auf
      Vermittlung von Kulturprogrammen, auf Transponierung von Bildungsinhalten, auf Unter-
      haltung und auf internationale Präsenz.
•     Der Service Public hat einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration zu leisten: Um die
      Ausdifferenzierung von Gruppeninteressen und subkulturellen Orientierungen mit indivi-
      duellen Wissensbeständen und Werthaltungen zu überwinden, ist es angebracht, eine
      Dialogkultur zu entwickeln.

44
   Wirtz (2005), S. 360
45
   Künzler (2005), S. 13
46
   Meier (2004), S. 600
47
   Weber (2000), S. 37
48
   ebenda, S. 35
49
   ebenda, S. 40
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"       10

•      Der Service Public soll sich durch eine besondere Qualitätsorientierung auszeichnen,
       welche sich in der inhaltlichen Relevanz der Programme, der publizistischen Haltung so-
       wie insbesondere den journalistischen Standards (Berufsethik) ausdrückt.
•      Der Service Public wird sich nur durchsetzen, wenn das entsprechende Programm eine
       hohe Publikumsakzeptanz erreicht.“
Auf der Jubiläums-Medienkonferenz beschrieb Jean-Bernard Münch, Präsident der Delegier-
tenversammlung der SRG SSG idée suisse, den Service Public als die Aufgabe der Medien-
unternehmen „der Gesellschaft als Ganzes zu dienen und jene Aspekte auszubauen und zur
Geltung zu bringen, welche die Bürgerinnen und Bürger ihren gesellschaftlichen, politischen
und kulturellen Zielen näher bringen“50. In diesem Zusammenhang spricht Münch von be-
stimmten Werten, die dem Service Public zugrunde liegen sollen. Diese sind insbesondere:
•      Universeller Zugang
•      universelle Inhalte,
•      publizistische Unabhängigkeit,
•      Glaubwürdigkeit und Verantwortlichkeit,
•      Diskussionsforum für gesellschaftlich und politisch relevante Themen,
•      Qualitätsanforderungen, welche die Qualität auf dem Markt generell anheben,
•      Kulturförderung, Förderung der kulturellen Vielfalt und der Minderheiten und
•      Bildungsbeitrag.
Wie eingangs diskutiert ist Wirtschaft ein wichtiges Thema für die Bürgerinnen und Bürger
der Schweiz. Ein Beitrag zur Meinungsbildung sowie Bildung der Öffentlichkeit hinsichtlich
Wirtschaftsthemen ist daher eine wichtige Leistung, die durch die Medien im Rahmen des
Service Public Auftrags erfüllt werden müssen.

3.3.2 Erfüllung des Service Public in der Wirtschaftsberichterstattung
Bezogen auf die Erfüllung des Service Public im Themengebiet Wirtschaft gilt es zunächst
festzustellen, in welchem Ausmass die elektronischen Medien über Wirtschaftsthemen in-
formieren und somit einen potenziellen Beitrag zu Meinungsbildung leisten. Der Forderung
nach einer Universalität der Inhalte ist Folge zu leisten, indem in den Nachrichten über viel-
fältige wirtschaftliche Inhalte berichtet wird. Des Weiteren ist nicht nur der Zugang zu den
Inhalten sondern auch deren Qualität ein wichtiger Aspekt für die Erfüllung des Service
Public. Nach Weber51 drückt sich die Qualität der Informationsleistung in Bezug auf den
Service Public insbesondere in der inhaltlichen Relevanz und der Einhaltung journalistischer
Standards (Berufsethik) aus (siehe 3.3.1). Auch ist ein Bildungsbeitrag nur dann zu errei-
chen, wenn die Inhalte vom Publikum verstanden werden. Da es sich bei Wirtschaftsthemati-
ken oftmals um komplexe Sachverhalte handelt, spielt der Aspekt der Verständlichkeit für die
Erfüllung des Service Public eine wichtige Rolle.
Zusammenfassend werden aus der Service Public Diskussion die folgenden Fragen für die
Analyse der Wirtschaftsberichterstattung abgeleitet, denen im Rahmen des Forschungspro-
jekts nachgegangen wird:

50
     Münch (2006), S. 2
51
     Weber (2000), S. 40
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"       11

•    Welchen Anteil hat die Wirtschaftsberichterstattung an der Gesamtberichterstattung in
     den TV- und Radionachrichten?
•    Welche Themen werden in den Wirtschaftsnachrichten behandelt und sind die Inhalte,
     über die berichtet wird, relevant?
•    Ist die Wirtschaftsberichterstattung objektiv?
•    Werden die Wirtschaftsberichte in verständlicher Weise vermittelt?
Die hinter diesen Fragen stehenden Kriterien - die Quantität, Relevanz, Verständlichkeit und
Objektivität der Nachrichten - korrespondieren weitgehend mit denjenigen, die in den Unter-
suchungen von Hagen52 und Maurer53 für die Bewertung der Qualität von Nachrichten be-
stimmt wurden. Die Kriterien werden im Folgenden im Detail betrachtet.

3.3.2.1 Quantität
Ein wichtiger Aspekt bezüglich der Erfüllung des Service Public ist der Beitrag zur Mei-
nungsbildung und Bildung. Um dies zu erfüllen muss zunächst in nennenswertem Umfang
über Wirtschaftsthemen in den Nachrichten berichtet werden. In der bereits zitierten Unter-
suchung des IFEM54 hatten 21 Prozent der Beiträge in den untersuchten Fernsehnachrichten
einen Wirtschaftsbezug. Gemessen an der Sendedauer zeigte sich, dass der Nachrichtenan-
teil mit Wirtschaftsbezug ein Viertel der Gesamtsendedauer ausmachte. Die öffentlich-
rechtlichen Sender ARD und ZDF wiesen einen höheren Anteil an Wirtschaftsnachrichten auf
als die Privaten (26 Prozent versus 19 Prozent).
In seiner Längsschnitt Untersuchung zu Nachrichten im deutschen Fernsehen findet Mau-
rer55, dass das Schwergewicht der Berichterstattung in den Hauptnachrichtensendungen der
öffentlich-rechtlichen sowie privaten Sender auf der Rubrik "Politische Publizistik im weiteren
Sinne" liegt (öffentliche rund 70 Prozent, private rund 40 Prozent). Maurer, der die Wirt-
schaftsthemen unter diese Rubrik subsumiert, bemerkt, dass die Themen "Wirtschaft" und
"Gesellschaft" zwischen 1992 und 2001 einen Bedeutungszuwachs erfahren haben. Der
genaue Anteil der Wirtschaftsberichterstattung an der Gesamtnachrichtenberichterstattung
kann aus der Darstellung leider nicht abgeleitet werden.
Wie viel Wirtschaftsberichterstattung "nennenswert" und ausreichend für die Meinungsbil-
dung ist, ist schwer zu bestimmen. Da der Politik sicher der grösste Anteil zufällt und über
Kultur und Sport ebenfalls berichtet werden muss, scheint die Forderung angemessen, dass
sich ein Viertel der Berichterstattung auf Wirtschaftsthemen beziehen sollte.

3.3.2.2 Relevanz
Relevanz wird als Schlüsselkriterium für die Qualität der Entscheidung, welche Themen
selektiert werden sollen, bezeichnet56. Zentral ist dabei jedoch die Frage, für wen oder in
Bezug auf was die Themen relevant sein sollen. Schatz und Schulz57 bezeichnen Relevanz
als relationalen Begriff, da ein Sachverhalt nie aus sich heraus sondern immer nur in Bezug
auf etwas anderes relevant sei. Die Autoren differenzieren drei Aspekte der Relevanz: die
Relevanzebenen, die Relevanzattributoren sowie das Relevanzniveau.

52
   Hagen (1995) untersuchte die Dienste von Nachrichtenagenturen in Deutschland
53
   Maurer (2005) untersuchte die Qualität von deutschen Fernsehnachrichten
54
   IFEM (2003), S. 19
55
   Maurer (2005), S. 188
56
   McQuail (1992), S. 198
57
   Schatz und Schulz (1992), S. 696
Abschlussbericht "Wirtschaftsberichterstattung in den Fernseh- und Radionachrichten"       12

Die drei zu unterscheidenden Relevanzebenen sind die Mikro-, Meso- und Makroebene
(siehe auch 3.1.2 zur Unterscheidung von Wirtschaftsthemen). Die Relevanz wird somit
differenziert in eine individuelle, institutionelle und gesamtgesellschaftliche Relevanz58. Aus
einer Sicht des Service Public erscheint es angebracht zu fordern, dass die Bürgerinnen und
Bürger in den Hauptnachrichtensendungen über jene Themen in ausreichendem Masse
informiert werden, die für die Meinungsbildung und die gesellschaftliche Integration am wich-
tigsten sind. Darunter sind in erster Line die gesamtgesellschaftlich relevanten Themen der
Makroebene zu fassen, die die wirtschaftspolitischen Entwicklungen betreffen. Mesothemen,
die über Entwicklungen in Unternehmen und Branchen informieren, sind an zweite Stelle zu
setzen, da die Wirtschaftsunternehmen die zentralen Akteure der Wirtschaftsarena darstel-
len, Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und somit von allgemeinem Interesse sind. Die
Mikroebene schliesslich spielt für die Meinungsbildung durch die Hauptnachrichten eine eher
untergeordnete Rolle, da sie sich eher auf Einzelinteressen und weniger auf Anliegen der
Allgemeinheit bezieht. Mikrothemen sollten jedoch keineswegs vernachlässigt werden; hier-
für sind andere Sendegefässe als die Hauptnachrichtensendungen jedoch geeigneter.
Der zweite Aspekt der Relevanz bezieht sich auf die Relevanzattributoren. Hierunter fassen
Schatz und Schulz59 unter anderem die Einschätzung der Relevanz durch die Rezipienten.
Die Relevanz eines Programms könnte beispielsweise durch Umfragen beim Publikum ermit-
telt werden. Auch wenn die Autoren die Relevanzeinschätzung durch die Rezipienten sehr
kritisch beurteilen, da "die Normen, Werte und Interessen von Rezipienten sehr unterschied-
lich sind und sich im Zuge des gesellschaftlichen Wertewandels weiter differenzieren", stellt
sie eine nicht zu vernachlässigende Dimension dar. Aufgrund des selektiven Informations-
verarbeitungsprozesses auf Seiten der Rezipienten besteht die Gefahr, dass nicht als rele-
vant erachtete Inhalte keine Aufmerksamkeit erfahren und somit nicht verarbeitet und gelernt
werden. Ist dies der Fall, so kann auch der Bildungsbeitrag im Sinne des Service Public nicht
geleistet werden. Ein Hinweis darauf, welche Themen und welche Relevanzebenen vom
Publikum als mehr oder weniger wichtig angesehen werden, soll daher im Rahmen dieser
Untersuchung als zusätzliches Relevanzkriterium herangezogen werden. Daneben wird eine
Relevanzeinschätzung durch die Medienschaffenden eingeholt.
Unter dem Relevanzniveau, dem dritten Aspekt der Relevanz, ist die Wirkungsstärke eines
Sachverhaltes zu verstehen. Als Grundlage, auf der das Relevanzniveau von Programmele-
menten näher bestimmt werden kann, verweisen Schatz und Schulz60 auf die Ansätze der
Nachrichtenwert-Theorie. In seinem klassischen Beitrag aus dem Jahr 1976 argumentierte
Schulz61, dass Journalisten bestimmten Ereignissen einen Nachrichtenwert zuweisen, da
diese bestimmte Nachrichtenfaktoren beinhalten, die mit ihren Selektionskriterien überein-
stimmten. In neueren Ansätzen der Nachrichtenwert-Theorie werden die Nachrichtenfaktoren
als Selektionskriterien betrachtet, welche nicht nur auf Seiten der Journalisten sondern auch
auf Seiten des Publikums Verwendung finden. Eilders62 zeigte, dass Nachrichtenfaktoren die
Mediennutzung und die selektive Erinnerung an die Nachrichten beeinflussen. Bezug neh-
mend auf weitere Untersuchungen bemerkt Eilders63, dass vor allem die Faktoren Reichwei-
te/Tragweite, prominente Personen, Kontroverse/Konflikt, Überraschung und Kontinuität im

58
   ebenda, S. 697
59
   ebenda, S. 698f.
60
   ebenda, S. 697f.
61
   Schulz (1976)
62
   Eilders (1997)
63
   Eilders (2006), S. 11
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Selektionsprozess der Rezipienten eine wichtige Rolle spielen. In der vorliegenden Untersu-
chung wird auf die Faktoren Reichweite/Tragweite, prominente Personen und hieran ange-
knüpft auch auf den Faktor Personalisierung fokussiert. Aufgrund seiner für Nachrichtensen-
dungen hohen Bedeutung als zentrales Kriterium (siehe 3.1.1) wird zudem der Nachrichten-
faktor Aktualität für die Relevanzbestimmung herangezogen. Schliesslich ist für die Frage-
stellung der Untersuchung der Nachrichtenfaktor Nähe von Interesse.

3.3.2.3 Verständlichkeit
Damit die Wirtschaftsnachrichten vom Publikum verstanden werden können, müssen diese
auf verständliche Art und Weise vermittelt werden. Schatz und Schulz64 bemerken:
       "Es gehört zu den 'anerkannten journalistischen Grundsätzen', die Informationen
       so aufzubereiten und zu präsentieren, dass sie von den Rezipienten gut verstan-
       den und verarbeitet werden können."
Formal umfasst Verständlichkeit zunächst die sprachliche Präsentation (verbale Ebene).
Weischenberg65 fordert bezüglich der Sprache von Journalisten Direktheit, Kürze, Prägnanz,
Einfachheit und Klarheit. Daneben spielt die Sprechgeschwindigkeit eine wichtige Rolle für
die Verständlichkeit. Eine nunmehr allerdings fast dreissig Jahre zurückliegende Analyse der
Nachrichten im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen ergab, dass die durchschnittliche
Satzdauer und die Sprechgeschwindigkeit bei den Sprechermeldungen für ein optimales
Verständnis zu hoch waren66. Im Bereich der Wirtschaftsberichterstattung kann die Verständ-
lichkeit zudem durch den übermässigen Gebrauch von Fachjargon behindert werden. Wäh-
rend gewisse Fachbegriffe in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind und von
den meisten Rezipienten verstanden werden (z. B. Aktie), sind andere Begriffe wenig geläu-
fig (z. B. Stagflation). Für solche unverständlichen Fachbegriffe ist eine Umschreibung oder
Erklärung nötig.
Ein weiterer Aspekt, welcher für die formale Verständlichkeit der TV-Berichterstattung be-
deutsam ist, betrifft die Bebilderung (visuelle Ebene). Dass grafische Elemente die Verständ-
lichkeit von Fernsehnachrichten fördern können, wurde in verschiedenen Studien gezeigt67.
Durch die Verwendung von Bildern kann die Aufmerksamkeit der Rezipienten erhöht und das
Behalten der Nachrichteninhalte positiv beeinflusst werden68. Bild und Text müssen jedoch
zusammenpassen, das heisst die Bilder sollten die Textinformation unterstützen, um dadurch
die Informationsvermittlung zu fördern. Ist dies nicht der Fall, so spricht man von einer Text-
Bild-Schere.
Neben der formalen Ebene kann Verständlichkeit ebenfalls auf einer inhaltlichen Ebene
betrachtet werden69. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, dass alle relevanten Informa-
tionen bereitgestellt werden und die Nachricht somit "vollständig" ist. Dieser Aspekt ist jedoch
nur schwer zu bestimmen, da man, um die Vollständigkeit der Information einer Nachricht
bestimmen zu können, eine Gesamtliste aller verfügbaren Informationen zum Thema erstel-
len müsste70. Behelfsweise kann analysiert werden, ob die journalistischen W-Fragen (wer,
was, wann, wo, wie, warum) beantwortet sind und ob in der Nachricht Hintergrundinformatio-

64
   Schatz und Schulz (1992), S. 702
65
   Weischenberg (1990), S. 144
66
   Strassner (1982), S. 234
67
   z.B. Brosius (1989)
68
   Renckstorf (1980) zitiert in Maurer (2005), S. 38
69
   Maurer (2005), S. 89f.
70
   Vehlow (2006), S. 36
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