Akustische Ski-Wahrnehmung erforschen

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Akustische Ski-Wahrnehmung erforschen
Akustische Ski-Wahrnehmung erforschen
By nicola – 9. Januar 2011Veröffentlicht in: Allgemein, Kurven-Schule, Meetups &
Workshops, Wohlbefinden & Spürsinn

Man hätte den Schnee fallen hören können, so leise war es … Doch wenn der Ski-Berg ruft,
ist es meistens zu laut zum Flocken hören. Auf den Hängen gibt es eine ziemlich
vielschichtige Geräuschkulisse, in die Skifahrer mit ihren Instrumenten einstimmen. Im
Workshop NeuschneeTreiben geht es einen ganzen Tag lang um unterschiedliche Hör-
Eindrücke beim Skifahren.

Die akustische Wahrnehmung beim Skifahren ist ein relativ unerforschtes Feld. Während viel
Fokus auf visuelle Eindrücke und zunehmend auch mehr auf kinästhetische und andere
Faktoren gerichtet ist, spielen die gehörten Informationen noch eine untergeordnete Rolle. Der
Hör-Sinn hat aber für den Menschen eine besondere Bedeutung. Er ist immer “auf Draht”.
Das menschliche Gehör ist Schallreizen permanent ausgesetzt. Anders als die Augen, kann
man die Ohren nicht einfach zu machen. Um eine Reizüberflutung zu vermeiden, werden
deshalb Informationen, die für den Moment nicht besonders relevant sind, einfach
ausgeblendet. Trotzdem werden diese Informationen registriert und gelangen ins Bewusstsein
wenn sie gebraucht werden.

Im Workshop “Schnee hören” werden unterschiedliche Vorgänge des Hörens beim Skifahren
näher betrachtet. In drei unterschiedlichen Modulen werden akustische Wahrnehmungs-
Experimente durchgeführt.

Ski-Stethoskop
Das Hören, nach innen.

Wie klingt meine Kurve? Wie schallt Geschwindigkeit? Wie hört sich heute der Schnee an?
Skifahrer nehmen die Vibrationen und Schwingungen, die während der Fahrt an den Skis
entstehen unbewusst durchaus wahr, eine Reflexion dieser Sinnes-Reize ist jedoch schwierig.
Die Geräusche sind komplex, die Ablenkung durch visuelle und andere vordergründigere
Eindrücke groß.

Durch das Ski-Stethoskop wird das Zusammenspiel von Ski, Schnee und Bewegung hörbar
gemacht. Mit Körperschall-Mikrofonen werden die Klänge, die direkt am und im Ski
entstehen aufgenommen. Alle anderen, durch die Luft transportierten Geräusche werden
ignoriert. Verstärker und Kopfhörer transportieren die Ski-Geräusche gefiltert ins Ohr. Das
Ski-Stethoskop ermöglicht dem Skifahrer ganz präzise zu hören, was an der primären
Schnittstelle zwischen Mensch und Schnee passiert.
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Die Geräusche, die während der Fahrt entstehen, werden parallel zum unmittelbaren Hören
aufgezeichnet. Das spätere ‘Wieder-Hören’ ermöglicht eine neutralere Position zum Gehörten
und Vergleiche. Wie klingt ein langer Schwung auf der Kante, wie ein kurzer gedriftet? Wie
unterschiedlich klingen unterschiedliche Geschwindigkeiten? Mit den so gewonnenen
Eindrücken kann bei der nächsten Fahrt bewusst experimentiert und gespielt werden.

Pisten-Mikrofonie – Field-Recording
Das Hören, nach außen.

Während einer konzentrierten Fahrt, blendet der Skifahrer weniger relevante Informationen
aus. Dazu gehören auch Geräusch-Wahrnehmungen, die nicht unmittelbar mit der Fahrt zu
tun haben. Dieses Ausblenden bedeutet aber nicht, dass die Geräusche nicht wahrgenommen
werden, sie werden so lange “überhört” so lange sie keine wichtigen Informationen liefern.
Bei Gefahr etwa. Zum Beispiel wenn sich ein Skifahrer außerhalb des Blickfelds rasch nähert.
Dann treten die heran nahenden Kantengeräusche schlagartig ins Bewusstsein und
ermöglichen Aktionen um einen Zusammenstoss zu vermeiden.

Für dieses Modul werden zwei Mikrofone in der Position der Ohren angebracht. Ein Recorder
zeichnet die Schallkulisse während der Abfahrt auf. So entsteht ein persönliches ‘Field-
Recording’ der Fahrt. Man kann “nach hören” welche Geräusche bewusst und unbewusst
beeinflussen und verblüfft feststellen, wie viel man überhört hat, wie vielschichtig sich unsere
hörbare Welt gestaltet und was sich verändert, wenn man diesen ‘Kleinigkeiten’
Aufmerksamkeit schenkt.

Schwung-Synthesizer – Sonifikation
Das Hören gestalten.

Beim Skifahren wird oft von rhythmischen Schwüngen oder einer harmonischen Fahrweise
gesprochen. Umgangssprachlich wird sogar die Lautstärke bemerkt. Jemand der sehr schnell
fährt, fährt in Österreich oft “laut”. Ein gefühlvoller Fahrer schleicht “leise” über den Schnee.
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Offensichtlich haben Musik und Skifahren also einiges gemeinsam. Beide nützen die
physikalische Eigenschaften der Natur und von Instrumenten um zu spielen.

Für das Skifahren sind neben den Eigenschaften des Schnees und der Skis besonders die
Umgebungskräfte wichtig. Es geht um ein Wechsel-Spiel zwischen den Wirkungsfeldern von
Gravitation und Fliehkraft. Dabei treten Kurvengeschwindigkeiten auf, die man körperlich
spürt und mittlerer weile auch recht einfach messen kann. Beschleunigungssensoren oder
Accelerometer befinden sich bereits in jedem modernen Smart-Phone. Sie zeichnen
Beschleunigungskräfte auf und wandeln sie in elektronische Signale um.

Für das Modul Schwung-Synthesizer wird ein Mini-Synthesizer mit den Daten eines
Acceleromters gespeist. Die Klänge, die dabei entstehen, werden durch die auftretenden
Beschleunigungskräfte bestimmt. Beschleunigen und Bremsen; die sanfte Fliehkraft eines
langsamen Schwungs oder das komplexe Muster von Be- und Entlastungen bei einer
schnellen Kurve über eine Kuppe bestimmen, gemäß ihrer Intensität, den Klang des
Synthesizers. Das Skifahren an sich wird zur “Klaviatur” des Instruments, der persönliche
Fahrstil Ausdrucksmittel auf einer vollständig anderen Ebene. Wir sind gespannt, wie sich der
Umgang mit dem Gelände verändert, wenn sich der Fokus beim Fahren plötzlich auf das
Spielen einer Melodie verschiebt.

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Alfred Effenberg, Leibniz Universität Hannover, ist ein
Pionier in der Erforschung der Sonifikation im Zusammenhang mit Bewegung und Sport.
Bereits 1996 erschien sein erstes Buch zu diesem Thema: Sonification – Ein akustisches
Informationskonzept zur menschlichen Bewegung. Schorndorf: Hofmann.

Einen Einblick dazu bietet die Arte Sendung „Archimedes” vom 28.01.2003
Video, 8 Min.

Die Akkustik Module des Workshops “Neuschnee” sind Entwicklungen des Teams Praxistest.
Der Workshop “Schnee hören” findet am Donnerstag den 10.2.2011 im Rahmen des Projekts
“Neuschnee” statt.

NeuSchneeTreiben. 11.&12.2 2011 Workshop im Kühtai
Die Wahrnehmung spielt beim Skifahren eine bedeutende Rolle. Wie empfindet man sich
selbst und die eigene Bewegung im Kontext mit Skis und Gleiten am Schnee? Diese Frage ist
auch das zentrale Thema des Workshops im Rahmen des Projekts Neuschnee, im Kühtai.

Es werden unterschiedliche Erfahrungsräume angeboten, die nicht alltäglich sind. Auditive,
visuelle und kinästhetische Eindrücke beim Skifahren werden durch experimentelle
Bewegungs- und Wahrnehmungsspiele erforscht und verdeutlicht. Dazu stehen neben eigenen
Pisten- und Schneeinstallationen auch künstlerische und technische Hilfsmittel zur
Verfügung.

Ski-Stethoskope, Schwung-Synthesizer, Kurven-Schreiber und einiges mehr, wurden eigens
für das Neuschnee-Labor vom Team Praxistest, der Universität für angewandte Kunst in Wien
entwickelt. Die Synthese von spielerischen Auseinandersetzung mit Klang-, Video- und
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Medienkunst und der Bewegung im Schnee verdeutlicht die “Ski-Motorik” als
Funktionseinheit von Fühlen, Wahrnehmen, Erleben, Denken, Ausdrücken und Handeln.

Voraussetzung zur Teilnahme am Workshop ist in erster Linie die Lust sich auf neue Ski-
Erfahrungen einzulassen und zu experimentieren. Um das Angebot in vollem Umfang
auskosten zu können, ist skifahrerisches Basiskönnen von Vorteil. Für Ski-Pädagogen und
Coaches ist eine zusätzliche, weiterführende Workshop-Einheit (im Preis inbegriffen)
vorgesehen.

Vorläufiges Programm

Freitag 11.2.2011
9:00 Hotel Alpenrose Kühtai – Get together und Einführung in das Programm

11.2. & 12.2. jeweils
10:00 – 15:00 Ski-Workshop
16:00 – 18:00 Erfahrungs-Kreationen und Feedback

Samstag 12.2.
19:30 Präsentation der Ergebnisse

Im Fokus - Wahrnehmung und Sinne beim Skifahren
Skifahren lernen bedeutet Wahrnehmungsimpulse, die dem Körper zuteil werden, aktiv
aufzunehmen, ihnen Sinn zu geben und sie auf dem Hintergrund bereits vorhandener
BewegungsErfahrungen zu integrieren.

Die Wahrnehmung der Umgebung und die Fähigkeit, sich in dieser zu orientieren steht in
engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Möglichkeit sich
den Bedingungen entsprechend zu Bewegen. Beim Skifahren fällt der Wahrnehmungs-
Fähigkeit eine entscheidende Rolle zu, die oft von technischen Anleitungen überdeckt wird.
Dabei ist die Wahrnehmungs-Entwicklung ein Prozess, der wesentlich zur Entwicklung von
ausgereifter Bewegungsqualität beiträgt.
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„Erst wenn wir wissen was wir tun, können wir tun was wir wollen!“ hat Moshe Feldenkrais
einmal treffend formuliert. Erweitert aufs Skifahren könnte man anfügen, dass wir auch
wissen sollten was Schwerkraft und Fliehkraft mit uns tun, wie sich Schneezustand,
Sichtverhältnisse, Höhenlage und andere Einflüsse aus der Umgebung auf unsere Empfindung
auswirken und last not least, was unsere Ski für uns tun, wenn wir sie denn tun lassen. Eines
steht fest: das Resultat von umfassender Wahrnehmung führt zum bewussten Bewegen, das
weitgehend ohne Anleitungen von außen funktioniert.

In den Beiträgen des Themenschwerpunkts “Skifahren mit Feingefühl”, geht es um eine
tiefere Betrachtung der Wahrnehmung und anderer wichtiger Grundlagen beim Skifahren. Ich
möchte damit einen kleinen Einblick in die Philosophie meiner Kurven-Schule geben.

Kinästhetik - sehr wichtig für Skifahrer
Bewegungsempfindungen beim Skifahren sind ein zentraler Qualitätsfaktor, der oft
hinter Anleitungen zu verschiedenen Techniken verschwindet.

Beim Skifahren ist es wegen der Vielschichtigkeit von Bewegungen und der Geschwindigkeit
ihres Ablaufs nicht möglich, diesen nur mit den Augen zu steuern. Man ist stark auf sein
Bewegungs-empfinden angewiesen. Bewegungsempfindung, man nennt sie auch
kinästhetische Wahrnehmung, ist die die Fähigkeit, die Lage und Bewegungsrichtung von
Körperteilen zueinander und in Bezug zur Umwelt wahrzunehmen, zu kontrollieren und zu
steuern. Sogenannte Propriorezeptoren in den Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken
liefern Informationen über Lage und Spannungszustand der Körperteile. Diese werden mit
den Informationen des Gleichgewichts und Tastsinnes zu Wahrnehmungen von Bewegung
verflochten.

Meistens arbeiten die Propriozeptoren mit visuellen und auditiven Reizen eng zusammen. Bei
Ausschaltung der Hinweisreize, wie der visuellen Information, interagieren sie hauptsächlich
mit Informationen aus dem Vestibularapparat und den Druckrezeptoren der Haut.

Jeder der schon einmal ohne Sicht, z.B. bei dichtem Nebel Ski gefahren ist, hat wohl
empfunden, dass die gesamte Bewegungsorganisation völlig anders ist, als bei strahlendem
Sonnenschein. Manche Skifahrer werden bei Nebel sogar seekrank. Der Grund dafür liegt
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darin, dass wir den Augen beim Skifahren sehr viel Feedback Funktion überlassen und mit
den anderen Sinnen zu wenig bewusst wahrnehmen.

Fehlt die visuelle Information, kann man bemerken welch bedeutende Rolle die statico-
dynamische Wahrnehmung spielt.

Informationsquellen für kinästhetische Bewegungswahrnehmungen

          •   kinästhetisch (Bänder Sehnen, Gelenke, Muskulatur)
          •   taktil (Rezeptoren wie Haut, Druck, Spannungen)
          •   statico-dynamisch (Gleichgewichtsorgan im Innenohr/ Lage im Raum,
              Richtungs- und Beschleunigungsänderungen)

Wenn ich weiß, was ich tue, kann ich tun was ich will
“Die Zeit, die man auf Selbstbeobachtung beim Handeln wendet – und jedes Handeln ist
Bewegung – ist geringfügig, gemessen an der Verfügbarkeit und Gewandtheit des
Könnens, die dadurch entstehen.”
Moshe Feldenkrais

Wahrnehmung richtet sich auf das Finden und Erfassen von Eindrücken, die für die
Aufrechterhaltung des (inneren) Gleichgewichts und für das eigene Handeln
zweckdienlich sind.

Klar kann man (beim) Skifahren lernen, indem man sich an äußere Vorgaben oder
Anweisungen hält. Tiefer, besser, feiner und auch unabhängiger kann man Lernprozesse aber
durch Verfeinerung der Wahrnehmung für das eigene Handeln erleben. Diese
Wahrnehmungsentwicklung ist ein Prozess, in dessen Verlauf Skifahrer lernen, Ereignisse
und Gegebenheiten als für sie bedeutsam zu erkennen.

Art und Qualität von Wahrnehmung beruhen auf dem Gesamtzusammenhang, in dem
Situationen erlebt werden. Wahrnehmung zielt deshalb nicht nur auf funktionierende
Sinnes-Tätigkeit ab. Das Ergebnis von Wahrnehmung ist mehr als die Summe von
Informationen aus der Umwelt.

Im Wahrnehmungsprozess werden äußere Gegebenheiten nicht nur über den isolierten
Zugang einer Wahrnehmungsmodalität erfasst, sondern mit allen Sinnen und handelnd
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begriffen. Dieses Begreifen und Behandeln von Situationen und Gegebenheiten kann man
beim Skifahren sogar sprichwörtlich Erfahrung nennen. Dieses Erfahren von Gegebenheiten
ist demnach auch eine Ich-Erfahrung. Wahrnehmung begreift sich als kontinuierliche
Aktivität zwischen drei gleichberechtigten Dimensionen: objektive Fakten in der Umwelt
(Hangneigung, Schneezustand etc.); Motivation (Neugier, Freude etc.), sich der Sache
zuzuwenden; Erkundung und individuelle Sinngebung.

Die Wahrnehmung der Umgebung und die Fähigkeit, sich in dieser zu orientieren steht
in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers und der
Möglichkeit sich den Bedingungen entsprechend zu Bewegen.

Beim Skifahren spielt auch die Art der Wahrnehmung des Materials eine ganz entscheidende
Rolle; die Funktionseinheit Ski und Schuhe kann entweder als Werkzeug, das bedient werden
muss, wahrgenommen werden oder als mit dem Körpergefühl verschmolzene Vertrautheit
empfunden werden.

Biomechanik - das Wesentliche betrachten
                              Immer wieder taucht die Ansicht auf, dass Bewegungsabläufe
                              beim Skifahren sehr komplex seien und deshalb das Lernen,
                              zumindest für manche Erwachsene, kein Kinderspiel wäre.
                              Besonders Menschen, die in ihren Berufen oder
                              Lebensgewohnheiten mehr zum Analysieren, als zum Erfahren
                              neigen, tun sich oft schwer. Die Biomechanik könnte aber
                              paradoxerweise gerade den Ski-Ingenieuren helfen ein wenig
                              analoger an die Sache heranzugehen.

Callout Title
Ski-Kernbewegungen

Drehen
Beugen
Strecken
Kippen
Federn
Halten

                              Betrachten wir die Basics eines Bewegungsablaufs, man nennt
                              sie Kernbewegungen. Das sind ganz normale Bewegungen, die
                              jeder mehr oder weniger dauernd macht. Der guten Ordnung
                              halber könnte man noch anführen, dass diese Bewegungen im
                              Umfang (Raum), im Rhythmus (Zeit) und in der Energie (Kraft)
                              mit den Gegebenheiten (beim Skifahren im Speziellen der
                              Geschwindigkeit, Hangneigung, Schneebeschaffenheit, dem
                              Kurven-Radius und Material) in Wechselwirkung stehen. Das
besprechen wir aber später.

Bleiben wir vorerst bei den simplen Bewegungen, die für niemanden neu oder kompliziert
sind. Man könnte über sie zum Schluss gelangen – Ski Analogie, dass es fürs Skifahren gut
tun könnte, wenn man die Komplexität der gesamten Bewegungs-Zusammenänge
ausklammert und sich immer wieder auf die Qualität der einzelnen Kernbewegungen
konzentriert. Und damit es noch einfacher wird, immer auf den Beginn einer einzelnen
Bewegung.

Wenn man den Beginn einer Bewegung nicht als einfach und leicht empfindet, kann die
Bewegung im weiteren Verlauf nur schwieriger werden. Es wird dann wirklich komplex, sich
einen runden Schwung auch nur vorzustellen. Gewissensfrage für Ski-Ingenieure: “Wie wollt
ihr etwas am Reißbrett entwerfen, das ihr euch an der Basis nicht einmal präzise vorstellen
könnt?” Eine kleine Trocken-Trainings-Anregung. Etwas weniger Mucki-Buden-Power und
etwas mehr Leichtigkeit. Kann fürs Feingefühl nicht schaden!

Stil und Technik - der feine Unterschied
Rennläufer, die besonders erfolgreich sind, lösen mit ihrem Stil oft gravierende
Entwicklungsschritte des Skifahrens aus. So beispielsweise Toni Seelos. Er beeinflusste in
den 1930er Jahren nicht nur die Renn-Elite. Der Seelos Stil war in seinen Grundzügen
mehrere Jahrzehnte Basis des Skilehrwesens. Seelos war aussergewöhnlich erfolgreich und er
bewegte sich in voller Ausprägung seines persönlichen Bewegungs-Stils. Dieser Stil ist nun
das auf den ersten Blick, das für andere sichtbare Besondere. Weil aber ein Stil ungleich
schwerer kopierbar als seine technischen Merkmale ist, wird er in Lehrplänen auf die Technik
reduziert und soll so auch für andere erlernbar werden.

Es ist also nahe liegend, dass man beim Erlernen einer vorgegebenen Technik Dinge
wahrnimmt, die oft mit dem eigenen, vorab erworbenen Bewegungsstil nicht viel zu tun
haben. Eine leichtgewichtige Tänzerin hat andere Möglichkeiten das Skifahren zu empfinden
als ein athletischer Kraftsportler. Und genau um das Empfinden der eigenen
Bewegungsmöglichkeiten geht es bei qualitativ wertvollem Lernen.

Alle Lehrpläne, die meisten Skilehrer und sogar viele Top-Trainer sind überfordert, wenn es
darum geht, ganz feine individuelle Möglichkeiten mit in das Lernen einzubeziehen. Am
besten kann das der Lernende oder Trainierende selbst. Er kann die nötigen Kernbewegungen
des Skifahrens mit seinem eigenen, bereits gemachten Bewegungserfahrungen kombinieren
und nach und nach wird sich dadurch auch die Technik verfeinern. Vom eigenen Stil
ausgehend eine effektive Technik zu entwickeln, ist auf allen Könnenstufen einfacher als sich
an vorgegebenen Technik-Bildern zu orientieren.
Im Flow. Leichter Schwingen
Ein Wintermorgen wie aus dem Bilderbuch. Die Sonne scheint. Über Nacht hat der eiskalte
Himmel ein paar Zentimeter staubtrockenen Pulverschnee über den weiten Hang verstreut,
der mir unberührt zu Füssen liegt. Ich bin ganz alleine, kein Mensch weit und breit, nur ein
Adler spielt hoch oben mit dem Wind. Ich lasse mich in den Steilhang gleiten, alle Gedanken
bleiben hinter mir. Ich bin eins mit jeder Bewegung und der ganzen Welt. Raum und Zeit
existieren nicht, alles fliesst…

Was mir jetzt (nicht nur) auf einem unberührten Hang unbeschreibliche Glücksgefühle
bereitet, war als Rennläuferin einer meiner wichtigsten Schlüssel zum Erfolg. Schon als
Teenager lernte ich durch mentale Praktiken – vorwiegend Imagination und Konzentration –
den Flowzustand herzustellen. Als Rennläufer ist man dadurch so intensiv konzentriert, dass
man völlig mit seiner Fahrt eins wird – ein Zustand, der keinen Platz für Zweifel, Unruhe und
Angst übrig lässt: Ist man einmal “in the zone”, hat man einmal den “Flow-Zustand” erreicht,
so reagiert man nicht mehr auf Ablenkungen und kann Spitzenleistungen erbringen. Der
“Flow” ist ein Bewusstseinszustand, der durch Selbstvertrauen, Lebensfreude und
konzentrierte Entspannung, ja geradezu durch das Gefühl der Schwerelosigkeit charakterisiert
werden kann.

Was für Menschen, die ihren Flow oft nur zufällig erleben, frustrierend sein kann ist, dass der
“Flow-Zustand” so schwer fassbar ist. Der “Flow” kann ganz plötzlich eintreten und dann
genauso schnell und ohne Vorwarnung wieder verschwinden. Und doch beruht er keineswegs
nur auf dem Zufall. Das “Flow-Erlebnis” lässt sich zwar kaum auf Knopfdruck herbeizaubern,
doch ein Topathlet weiß, dass er viel dazu tun kann, um den “Flow” heraufzubeschwören.
Aber nicht nur Rennläufer können den Zugang dazu finden. In einem “Skikurs” der auf
optimale Nutzung individueller körperlicher, mentaler und emotionaler Vorzüge und Stärken
basiert und gleichzeitig angeborene oder durch Konditionierung erworbene Schwachstellen
erkennt, können selbst Newbies das Lernen im Flow erleben.

Flow
Mihaly Csikszentmihalyi, hat den Begriff Flow geprägt und will damit das Gefühl des
völligen Aufgehens in einer Tätigkeit beschreiben. Wenn wir im Flow sind, sind unser
Fühlen, unser Wollen und unser Denken in diesen Augenblicken in Übereinstimmung.
Während wir der Tätigkeit nachgehen, spielen für uns weder die Zeit, noch wir selbst eine
Rolle und das Handeln geht mühelos vonstatten.

Schlüssel zum Flowerlebnis

           •   Konzentration auf die eigene Bewegung, nicht auf den Stil der anderen, nicht
               auf die Technikanleitung des Skilehrers.
           •   Motivation von “Innen” durch Spüren und Empfinden, nicht durch das “Lob”
               für die richtige Ausführung.
           •   Imagination der Bewegung, die so realistisch und detailgetreu
               heraufbeschworen wird, dass man sie geradezu greifen, riechen und schmecken
               kann. Ein Sehen und Fühlen durch das geistige Auge: jedes einzelnen Aspekts,
               jeder Bewegung, jedes Moments im Tun der im individuellen Stadium des
               Könnens möglichst perfekt ausgeführten Fahrt.
           •   Lernen dort beginnen wo es leicht ist. Bei früher angelernten
               Bewegungsmustern wie Gehen, Gleichgewicht halten, Bücken, Greifen,
               Fahrrad fahren etc.

Sein oder Haben? Der Ski-Körper und seine Grenzen.
Der Körper ist der zentrale Zugang des Menschen zur Außenwelt. Zugleich bildet er aber
auch eine Grenze dorthin. Wo die Grenze zur Außenwelt beim Skifahren verläuft ist
unterschiedlich. Wenn man mit seinen Skis sehr vertraut ist, können sie durchaus als
Körperteil empfunden werden. Je mehr es einem gelingt mit seinen Skis zu verwachsen, desto
feinere und weiter draußen liegende Impulse kann man aktiv aufnehmen und auf sie
reagieren, indem sie in den Bewegungsfluss integriert werden. Dazu sollte man allerdings die
Perspektive wechseln – vom Haben zum Sein.

Verliebtheit in feste Formen, allgemeingültiger “Stil”, präzise Messungen und genaue
“Bedienungsanleitungen” für Bewegungen auf Skis, haben unsere Betrachtungsweise der
äußeren Dinge zum Gesetz werden lassen. Wir haben einen Körper. Wir haben Ski, die wir
mit dem Körper wie ein Werkzeug bedienen. Noch schlimmer, viele meinen gar, dass sie ihre
Skis mit dem Kopf steuern könnten. Das führt unweigerlich in Sackgassen, in denen viele ihre
Ski-Karriere beenden. Ohne Erfolg hat auch die Lust am Tun ihre Grenzen.
Spätestens dann, früher wäre entschieden besser, könnte man sich neu organisieren. Sein. „Ich
bin ein Körper.“ Das bringt mich in engere Fühlung mit meiner unmittelbaren Wahrnehmung
als jedes Objekt, dem ich mich zuwende. Kein noch so toller Ski und auch nicht die beste
Anleitung kann mich jemals näher an eine Bewegung und ihren Entwicklungsprozess bringen
als die direkte Wahrnehmung meines eigenen Körpers. Und wie von selbst verschwindet
zuerst die Grenze zwischen dem Körper und den Skis, danach zum Schnee und mit der Zeit
kann man auch eins mit den Umgebungskräften werden. Sich grenzenlos frei fühlen.

Zum Thema
Skischuh 3.0.
Als Medium zwischen Körper und Ski fällt dem Skischuh eine sehr wichtige Rolle zu, die
leider noch immer viel zu wenig beachtet wird.
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