Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek

Die Seite wird erstellt Felix-Stefan Schuster
 
WEITER LESEN
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Akzeptanz für LSBTI*
            weiter gestalten
          Ergebnisse des zweiten Regenbogen-
            Parlaments in Köln am 22.09.2018

                               I N DI ES EM HEFT

Grußworte zur Eröffnung                    Fachforum 3: Regenbogen-           S. 16
                                   S. 3
des Regenbogenparlaments                   kompetenz in Rundfunk- und
                                           Medienräten

                                           Fachforum 4: Regenbogen-           S. 19
Keynote: Rechtspopulistische
                                   S. 5    kompetenz in der internationalen
Agitation gegen LSBTI*
                                           Menschenrechtsarbeit

Fachforum 1: Regenbogen-                   Fachforum 5: Out im Office         S. 21
                                   S. 7    – Regenbogenkompetenz in der
kompetenz in Pflege und Alter
                                           Arbeitswelt

Fachforum 2: Regenbogen-                   Podiumsdiskussion: Queer School    S. 23
kompetenz in Kirchen und           S. 10   – Regenbogenkompetenz in
Religionsgemeinschaften                    Schule und Unterricht
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Seite 2                                                                                                                  Vo r wo rt

         Vorwort: Dokumentation des Regenbogenparlaments
         Diese Broschüre dokumentiert die Ergebnisse des zweiten bundesweiten Regenbogenparlaments „Akzeptanz für
         LSBTI* weiter gestalten“ am 22. September 2018 in Köln. Im Rahmen dieses bundesweit einmaligen Forums
         wird dem intensiven fachlichen Austausch zum Thema „Regenbogenkompetenz“1 in wichtigen Gesellschafts- und
         Politikbereichen Raum gegeben. Gleichzeitig will dieses Format Impulsgeber sein, um neue Allianzen und Bünd-
         nisse zwischen LSBTI*-Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen anzustoßen (zum Beispiel mit
         Gewerkschaften und Unternehmen, Medien, Wissenschaft, Kultur und Sport, Religions- und Weltanschauungs-
         gemeinschaften, migrantischen und antirassistischen Initiativen sowie mit Fachkräften aus der Bildungs-, Familien-
         und Jugendarbeit).

         Das Regenbogenparlament ist Teil des         Das LSVD-Projekt „Miteinander stär-          Das Regenbogenparlament in Köln
         LSVD-Projekts „Miteinander stärken.          ken. Rechtspopulismus entgegenwir-           war eine Veranstaltung des Lesben-
         Rechtspopulismus entgegenwirken“. Der        ken“ fördert die Akzeptanz von Les-          und Schwulenverbandes (LSVD) in Ko-
         Familien- und Sozialverein des LSVD          ben, Schwulen, bisexuellen, trans* und       operation mit der Stadt Köln, Amt für
         als Projektträger wird gefördert in der      intergeschlechtliche Menschen (LSBTI*).      Weiterbildung – Volkshochschule /
         Strukturentwicklung zum bundeszentra-        Die Stärkung von LSBTI*, ihren Verbün-       Bereich Politische Bildung. Die Veran-
         len Träger im Themen- und Strukturfeld       deten und Fachkräften steht dabei            staltung wurde unterstützt von: Arbei-
         „Akzeptanzförderung und Empower-             ebenso im Vordergrund wie die Ent-           ter-Samariter-Bund (ASB) Nordrhein-
         ment für lesbische, schwule, bi- und         wicklung nachhaltiger Strategien und         Westfalen, Heinrich Böll Stiftung Tunis,
         intersexuelle bzw. -geschlechtliche          der Aufbau zivilgesellschaftlicher Alli-     a & o Hostels (Köln), Restaurant Consi-
         Menschen und ihre Angehörigen” vom           anzen gegen Homosexuellen- und               lium (Köln). Moderiert wurde das
         Bundesministerium für Familie, Senio-        Trans*Feindlichkeit, Rassismus, Antise-      Regenbogenparlament von Berena
         ren, Frauen und Jugend im Rahmen des         mitismus, sowie gegen jede weitere           Yogarajah, Referent*in des Autono-
         Bundesprogramms „Demokratie le-              Form gruppenbezogener Menschen-              men Frauen*Lesben*Referats der Uni
         ben!“.                                       feindlichkeit.                               Köln.

                                                             „Das Regenbogen-Parlament ist neben zahlreichen anderen
                                                             Projekten, welche der LSVD mit Erfolg und Anerkennung
Homaira Mansury © LSVD/Caro Kadatz

                                                             durchführt, in meinen Augen großartig. Die Menschen, die sich
                                                             im FORUM Volkshochschule immer wieder versammeln, um sich
                                                             politisch für Grundrechte und die Gleichstellung aller Men-
                                                             schen in jeder Hinsicht und ohne falsche Kompromisse einzuset-
                                                             zen, wollen wir als öffentliche Bildungseinrichtung weiterhin
                                                             tatkräftig unterstützen. Als Leiterin der Politischen Bildung bei
                                                             der VHS Köln freue ich mich, in einigen Projekten Teil dessen
                                                             sein zu können. Die Vernetzung von Bildung und NGO-Arbeit
                                                             ist so wichtig, denn gemeinsam können wir jedes Mal ein biss-
                                                             chen mehr bewegen – und damit auch die Aufmerksamkeit
                                                             der breiten Öffentlichkeit. Denn LSBTI*-Themen sind keine
                                                             Nischenthemen. Sie gehen die ganze Gesellschaft an.“
                                                             – Homaira Mansury

         1 Regenbogenkompetenz meint die Fähigkeit von Fachkräften, mit den Themen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität
         professionell und möglichst diskriminierungsfrei umzugehen.
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Grußworte zur Eröffnung | Dennis Fischer                                                                               Seite 3

Auszug aus dem ersten Grußwort
Dennis Fischer, Vorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Nordrhein-Westfalen
(LSVD NRW)
Dennis Fischer © LSVD/Caro Kadatz

                                                            „Natürlich wird es auch weiterhin CSD‘s geben
                                                            und das ist auch nötig, nicht nur weil wir seit ei-
                                                            nem Jahr in unserem Parlament nun eine politi-
                                                            sche Kraft haben, die uns unsere Rechte wieder
                                                            nehmen will.“
                                                            – Dennis Fischer

Liebes Regenbogenparlament,                Gleichstellung im Recht ist auch nicht     en bestellt ist. Auf Letzteres freue ich
                                           alles, zumal da auch noch nicht alles      mich als gelernter Journalist beson-
als ich zum ersten Mal den Begriff         erreicht ist, man denke nur an die Um-     ders. Ich bin gespannt auf die Vorträ-
„Regenbogenparlament“ hörte, wusste        setzung dessen, was das Bundesverfas-      ge und Debatten, denn das Recht auf
ich zunächst nicht genau, was sich hin-    sungsgericht zum dritten Geschlechts-      ein angstfreies und offenes Leben muss
ter diesem Begriff verbirgt. Aber ich      eintrag der Regierung als Arbeitsauf-      in allen Lebensphasen Wirklichkeit
finde ihn sehr schön und gelungen,         trag mitgegeben hat.                       werden.
denn er bündelt doch Vieles, was ge-
rade in diesen Tagen so wichtig

                                                                                                                              Foto © LSVD/Caro Kadatz
scheint: Respekt vor unterschiedlichen
Lebensweisen, sich friedvoll und ohne
Vorurteile auszutauschen, auch Meinun-
gen, die nicht immer dem Gegenüber
gefallen müssen, aber in dem Bewusst-
sein, dies im richtigen Ton zu tun, denn
das verlangt eine starke Demokratie,
die sich unterscheidet von Schreihälsen
und Populist*innen.
Vor gut einem Jahr trat die Eheöffnung
in Kraft. Was durften wir uns da anhö-
ren, natürlich wieder aus bestimmten
Kreisen, nun seien zum Beispiel keine
Christopher Street Days mehr nötig.
Und wie war dieser Sommer? Nicht nur
heiß, nein, hier in Köln wurden die Be-
sucher*innenzahlen deutlich gesteigert     Was mir und auch dem neuen Vor-            Wir können stolz darauf sein,
und es gab auch deutlich mehr Grup-        stand in NRW wichtig ist, wie wir Ho-      was wir erreicht haben. Und ich per-
pen, die an der Demo teilnahmen. In        mosexuellen- und Trans*Feindlichkeit       sönlich bin nicht bereit, über jedes
anderen Städten ein ähnliches Bild.        im Alltag besser bekämpfen. Denn das       Stöckchen zu springen, das man uns
Natürlich wird es auch weiter CSD‘s        Gesetz ist das eine, aber viel Zeit ver-   hinhält. Ich wünsche uns einen bunten
geben und das ist auch nötig, nicht nur    bringen wir auch auf der Arbeit. Aber      und interessanten Tag!
weil wir seit einem Jahr in unserem        nicht nur dort. Und dafür ist das Re-
                                                                                      Dennis Fischer
Parlament nun eine politische Kraft        genbogenparlament eine gute Bühne.
                                                                                      Vorstand LSVD NRW
haben, die uns unsere Rechte wieder        Dabei diskutieren wir heute etwa, wie
nehmen will. Wobei ich betonen will,       es mit der Regenbogenkompetenz in
dass es im Bundestag nicht erst jetzt      der Altenpflege, in der Bildung, in den    (Es gilt das gesprochene Wort)
schwierig geworden ist. Und die            Religionsgemeinschaften, in den Medi-
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Seite 4                                                                        Grußworte zur Eröffnung | Elfi Scho-Antwerpes

       Auszug aus dem zweiten Grußwort
       Elfi Scho-Antwerpes, Bürgermeisterin der Stadt Köln
Elfi Scho-Antwerpes © LSVD/Caro Kadatz

                                                          „Die Kompetenz, mit Themen der sexuellen Orien-
                                                          tierung und geschlechtlichen Identität professionell
                                                          und diskriminierungsfrei umzugehen, ist ein großes
                                                          Anliegen und muss sich auch in allen Regelleistun-
                                                          gen wiederfinden.“
                                                          – Elfi Scho-Antwerpes

     Es freut mich außerordentlich, dass das      ralen und demokratischen Gesellschaft.     wenn in den Partnerländern LSBTI*
     zweite bundesweite Regenbogenpar-            Werte, deren Selbstverständnis es zu       verfolgt, inhaftiert oder gar gefoltert
     lament in Köln stattfindet. Als Bürger-      bewahren gilt. Das erste Regenbogen-       werden?
     meisterin von Köln bin ich nicht nur stolz   parlament in Berlin Anfang dieses Jah-
                                                                                             Welche Möglichkeiten bieten die Lan-
     darauf, dass viele Lesben, Schwule,          res hat ein besonderes Augenmerk auf
                                                                                             desaktionspläne und was können zum
     Bisexuelle, trans* und intergeschlechtli-    die Vermittlung und Etablierung von
                                                                                             Beispiel die Gewerkschaften tun, damit
     che Menschen hier leben oder Köln            sogenannten „Regenbogenkompeten-
                                                                                             Menschen über ihre sexuelle und ge-
     besuchen, um hier eine weltoffene At-        zen“ gesetzt. Die Kompetenz, mit The-
                                                                                             schlechtliche Identität am Arbeitsplatz
     mosphäre der Akzeptanz zu genießen.          men der sexuellen Orientierung und
                                                                                             sprechen können?
     Ich bin ebenso stolz darauf, dass Köln       geschlechtlichen Identität professionell
     eine engagierte LSBTI*-Community hat,        und diskriminierungsfrei umzugehen, ist    Und – und hier geht auch die VHS Köln
     dass die Bundesgeschäftsstelle des           ein großes Anliegen und muss sich auch     mit positivem Beispiel voran –: Wie
     LSVD und die Geschäftsstelle des             in allen Regelleistungen wiederfinden.     kann es gelingen, dass Schulen und
     NRW-Landesverbandes ihren Sitz in                                                       Bildungseinrichtungen Orte des Res-
                                                  Heute geht es um weitere Schwerpunk-
     Köln haben und dass Köln auch Ta-                                                       pekts und der Vielfalt werden?
                                                  te: Über die Vereinbarkeit von Religio-
     gungsort für bundesweite Veranstal-                                                     Es gibt noch viel zu tun. Ich wünsche
                                                  sität und Akzeptanz unterschiedlicher
     tungen wie diese ist: eine Veranstal-                                                   Ihnen einen intensiven Austausch, eine
                                                  Lebensweisen und Identitäten wird oft
     tung, bei der Menschen aus ganz                                                         gelungene Tagung und ein schönes
                                                  gestritten. Es gibt in allen Gemein-
     Deutschland zusammenkommen, um sich                                                     Wochenende in Köln!
                                                  schaften fortschrittliche Kräfte. Welche
     für die entsprechenden Rechte einzu-
                                                  Beispiele guter Lehre und Praxis gibt      Elfi Scho-Antwerpes
     setzen. Und das am richtigen Ort: hier
                                                  es hierzu?                                 Bürgermeisterin der Stadt Köln
     im FORUM Volkshochschule, einem Ort
     der Begegnung, geprägt von Diversi-          In Berlin wurde über die „Lebenswelten
     tät, Einsatz für Menschenrechte, von         von LSBTI* in Medien - Wunsch und
     konstruktivem Austausch und respekt-         Wirklichkeit“ diskutiert. Heute fragen     (Es gilt das gesprochene Wort)
     voller Diskussion auf Augenhöhe.             wir, was sich bisher durch die LSBTI*-
                                                  Interessenvertretung in einigen Rund-
     Das LSVD-Projekt „Miteinander stär-
                                                  funk- und Medienräten verbessert hat
     ken“ ruft dazu auf, sich aktiv rechtspo-
                                                  und welche Herausforderungen noch
     pulistischen Parolen entgegen zu stel-
                                                  bestehen.
     len. Eine Tradition, die es in Köln seit
     langem gibt. LSBTI*, sexuelle, ge-           Wie sollten sich Kommunen und Orga-
     schlechtliche und auch familiäre Viel-       nisationen im Rahmen ihrer internatio-
     falt gehören zu unserer offenen, libe-       nalen Menschenrechtsarbeit verhalten,
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Keynote | Hans-Peter Killguss und Carolin Hesidenz                                                                                                  Seite 5

             Keynote: „Rechtspopulistische Agitation gegen LSBTI*“
             Vortrag von Hans-Peter Killguss und Carolin Hesidenz, Informations - und Bildungsstelle
             gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Hans-Peter Killguss © LSVD/Caro Kadatz

                                                                                                 „Die autoritären Vorstellungen des
                                                                                                 Rechtspopulismus zeigen sich in einer repressiven
                                                                                                 Law-and-Order-Politik. Rechtspopulismus
                                                                                                 bedeutet auch eine spezifische Form der
                                                                                                 emotionalisierten und polarisierten
                                                                                                 Kommunikation.“
                                                                                                 – Hans-Peter Killguss & Carolin Hesidenz

             Carolin Hesidenz und Hans-Peter Kill-                                  ge zum Rechtskonservatismus und zum         Carolin Hesidenz und Hans-Peter Kill-
             guss beleuchteten in ihrem Einführungs-                                Rechtsextremismus fließend sind, stell-     guss zeigten die rechtspopulistische
             vortrag die rechtspopulistische Agitati-                               ten die Referierenden die Frage, wel-       Agitation gegen LSBTI* anhand von
             on gegen LSBTI* am Beispiel verschie-                                  che Begriffe zur inhaltlichen Auseinan-     neonazistischen Organisationen, par-
             dener Erscheinungsformen und stellten                                  dersetzung zielführend seien.               teipolitischen Strömungen, der „Identi-
             einige Gedanken zu Gegenstrategien                                                                                 tären Bewegung“ und öffentlich sicht-
                                                                                    Von rechter Seite wird immer wieder
             im Sinne der Akzeptanzförderung an.                                                                                baren Kundgebungen wie beispiels-
                                                                                    das Thema „Migration“ als Dreh- und
                                                                                    Angelpunkt gesellschaftspolitischer         weise der „Demo für alle“ auf. Dabei
             Ausgehend von der Feststellung, dass
                                                                                    Debatten aufgegriffen. In diesem Sin-       gebe es Schnittmengen zum Beispiel in
             bestimmte Rollenbilder und Homosexu-
                                                                                    ne wird die Einteilung von „Wir“ („Wir      der Ablehnung der „Ehe für alle“ oder
             ellen- und Trans*feindlichkeit auch
                                                                                    Einheimische“) und „Die“ („Die Frem-        auch von Gender Mainstreaming, was
             historisch in der Ideologie der
                                                                                    den“) gesetzt. Carolin Hesidenz und         von den verschiedenen rechten Spek-
             (extremen) Rechten zu verorten sind,
                                                                                    Hans-Peter Killguss rieten dazu, diese      tren als Angriff auf vermeintlich natür-
             widmeten sich Carolin Hesidenz und
                                                                                    binären Denkmuster nicht unbewusst zu       lich vorgegebene Geschlechterrollen
             Hans-Peter Killguss zunächst der Fra-
                                                                                    übernehmen und auch die eigene              interpretiert wird. Es stellt sich die Fra-
             ge, was unter Rechtspopulismus zu ver-
                                                                                    Wortwahl zu hinterfragen. Zudem ver-        ge, inwieweit rechtspopulistische Ak-
             stehen sei. Zu dessen Merkmalen zähl-
                                                                                    wiesen sie als Diskussionsanregung auf      teure auf Zustimmung aus „der Mitte
             ten neben dem Bezug auf das „Volk“
                                                                                    die Thesen der Sozialwissenschaftlerin      der Gesellschaft“ hoffen können. Die
             und die Abgrenzung zu „denen da
                                                                                    Naika Foroutan, die davon ausgeht,          allgemeine Haltung in der Bevölkerung
             oben“ auch die Abgrenzung von „den
                                                                                    dass die eigentlichen gesellschaftlichen    gegenüber LSBTI* lässt auf der Ober-
             Anderen“. Dabei werden soziale Prob-
                                                                                    Bruchlinien nicht entlang der Kategorie     fläche eine weit verbreitete Akzeptanz
             lemlagen kulturalisiert und ethnisiert,
                                                                                    „Migration“ verlaufen, sondern zwi-         erkennen. Die Einstellungsforschung
             sie also einer Gruppe aufgrund ihrer
                                                                                    schen Pluralitätsaffinen und Pluralitäts-   kann jedoch zeigen, dass die Zustim-
             „Herkunft“, „Kultur“ oder „Religion“
                                                                                    gegner*innen. Migration ist nach            mung abnimmt, je konkreter gefragt
             zugeschrieben. Auch gegen LSBTI*
                                                                                    Foroutan nur eine Chiffre für Pluralität,   wird. Das gilt zum Beispiel auch in der
             wird Stimmung gemacht. Die autoritä-
                                                                                    hinter der sich vieles versteckt:           Frage nach dem vollen Adoptionsrecht.
             ren Vorstellungen des Rechtspopulismus
                                                                                    „Umgang mit Gender-Fragen, Religi-          Eine gewisse Ablehnung besteht auch
             zeigen sich in einer repressiven „Law-
                                                                                    on, sexueller Selbstbestimmung, Rassis-     bezüglich der Sichtbarkeit von Homo-
             And-Order-Politik“. Rechtspopulismus
                                                                                    mus, Schicht und Klasse, zunehmende         sexualität in der Öffentlichkeit. Unter
             bedeutet aber auch eine spezifische
                                                                                    Ambiguität und Unübersichtlichkeit          dem Hashtag #mequeer werden Er-
             Form der Kommunikation: emotionali-
                                                                                    usw.“3                                      fahrungen benannt, welche Formen von
             siert und polarisiert. Da die Übergän-

              3                          Naika Foroutan, in: Günter Piening: Die Macht der Migration, Münster 2018
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Seite 6                                                                                          Keynote | Hans-Peter Killguss und Carolin Hesidenz

Diskriminierung in der Gegenwart er-                             noch viel zu tun: In den Diskussionen um    nenministeriums lediglich ein Minimal-
lebt werden. So sei in der Gesellschaft                          die Umsetzung des Urteils zum Ge-           konsens zu erwarten sei.
noch keine volle Akzeptanz erreicht.                             schlechtseintrag zeigt sich, dass mit
Und auch im Feld der Politik gibt es                             dem aktuellen Entwurf des Bundesin-
            Foto © LSVD/Caro Kadatz

                                      Vortrag von Hans-Peter Killguss im FORUM Volkshochschule

Zur weiteren Diskussion über die Förderung von Akzeptanz gaben Carolin Hesidenz und Hans-Peter Killguss
noch folgende Fragen für die Fachforen mit auf den Weg:

   Wann ist es notwendig, öffentliche Signale zu setzen (z.B. Demonstrationen für LSBTI*-Rechte)?
   Wie können wir vermeiden , über jedes Stöckchen der extremen und populistischen Rechten zu springen?
   Wann muss oder sollte Differenz sichtbar gemacht werden? Wann ist Differenz nicht relevant?
   Wie können/müssen wir verschiedene Diskriminierungsformen zusammendenken, um miteinander
   Gegenstrategien zu entwickeln? Wie ist Solidarität (bspw. mit LSBTI*-Geflüchteten) zu organisieren?
   Wie können wir der Etablierung von Begrifflichkeiten (sogenannte „Homo-Lobby“) entgegenwirken und
   positive Formulierungen für die Pluralität finden und verbreiten?
   Wie können wir so etwas wie „Herzensbildung“ als Teil der politischen Bildung (von der Kita bis zur
   Erwachsenenbildung) begreifen?
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Fachforum 1                                                                                                             Seite 7

Fachforum 1: „Regenbogenkompetenz in Pflege und
Alter“
Leitung: Sina Vogt, Supervisor*in
Expert*innen: Vera Ruhrus, Dachverband Lesben und Alter; Lucie Veith, Intersexuelle
Menschen e.V.; Frank Kutscha, Schwulenberatung Berlin

Das Recht auf ein angstfreies und offe-     der Pflege wie auch im alltäglichen         privatwirtschaftliche Einrichtungsträger.
nes Leben muss in allen Lebensphasen        Leben der Einrichtung.
                                                                                        Das Qualitätssiegel wurde in Zusam-
verwirklicht werden. Sowohl die Ange-       Der sogenannte „Diversity-Check“, das       menarbeit mit der LSBTI*-Community
bote der offenen Altenhilfe als auch        Herzstück des Qualitätssiegels, ist ein     entwickelt und wird unter Berücksichti-
die ambulanten/stationären Angebote         120 Punkte umfassender Kriterienka-         gung der Erfahrungen der Beratungs-
der Altenpflege sind oftmals nicht für      talog, mit dessen Hilfe die LSBTI*-         praxis weiterentwickelt.
die besonderen Bedürfnisse und Le-
benslagen von LSBTI* ausgerichtet. Aus

                                                                                                                                  Foto © LSVD/Caro Kadatz
Angst vor Vorbehalten und Diskriminie-
rung durch die Mitarbeitenden oder
Mitbewohner*innen werden wichtige
Aspekte der eigenen Biografie ver-
schwiegen oder verleugnet. Einschrän-
kungen von Mobilität und Gesundheit
führen zum Verlust von Autonomie und
von sozialen Kontakten. Das hat auch
für LSBTI* massive Auswirkungen.
 Welche Rahmenbedingungen sind
 notwendig, um ein selbstbestimmtes
 Leben im Alter zu gewährleisten?
 Wie kann der professionelle und
 diskriminierungsfreie Umgang mit
 Themen der sexuellen und ge-
 schlechtlichen Vielfalt in Pflege und      Freundlichkeit einer Pflegeeinrichtung      Kutscha betonte, dass von dem Siegel
 Alter erhöht werden?                       festgestellt werden kann und der zu-        alle Bewohner*innen einer Einrichtung
 Welche Bedürfnisse haben Inter* und        gleich als Basis für die deutschlandwei-    profitieren würden, nicht nur LSBTI*.
 auch ältere alleinlebende Lesben?          te kostenlose Beratungstätigkeit dient.     Fortbildungen der Mitarbeitenden sind
                                            Die Kriterien des Diversity-Checks be-      ein wesentlicher Bestandteil des Krite-
Diesen und weiteren Fragen ging das         ziehen sich auf fünf zentrale Bereiche      rienkatalogs. Unter Berücksichtigung
Fachforum nach.                             einer Pflegeeinrichtung: Unternehmens-      von hohen Fortbildungsanforderungen
Frank Kutscha von der Schwulenbera-         politik und Kommunikation, Personal-        und Fachkräftemangel in den Pflege-
tung Berlin stellte zum Einstieg die Pro-   management, Transparenz und Sicher-         einrichtungen ist ein Fortbildungskata-
jekte des Netzwerks „Anders Altern“         heit, Pflege und Gesundheit sowie die       log entstanden, der es Einrichtungen
der Schwulenberatung Berlin, insbeson-      Wohn- und Lebenswelten der Bewoh-           ermöglicht, das Personal umfassend in
dere das vom Bundesministerium für          ner*innen. Sie erfassen die Ebenen der      verschiedenen, für pflegebedürftige
Familie, Senioren, Frauen und Jugend        Struktur-, Prozess- und Ergebnisquali-      LSBTI* relevanten Bereichen zu schulen.
geförderte „Qualitätssiegel Lebensort       tät. Die erste Einrichtung, das Pilotpro-   Zugleich wird die Vernetzung mit der
Vielfalt“ vor. Einrichtungen erhalten       jekt des „Qualitätssiegels Lebensort        regionalen LSBTI*-Community geför-
diese Auszeichnung, wenn sie sich nach-     Vielfalt“, wird voraussichtlich noch die-   dert. Neben einer LSBTI*-Basisschulung
weislich bemühen, die sexuelle und          ses Jahr ausgezeichnet, eine zweite         sind Fortbildungen im Bereich von In-
geschlechtliche Vielfalt ihrer Bewoh-       Einrichtung folgt Anfang nächsten Jah-      ter* und Trans* in der Pflege sowie
ner*innen als wesentlichen Aspekt ihrer     res. Interesse am Qualitätssiegel be-       Schulungen im Bereich HIV/AIDS ver-
Persönlichkeit zu berücksichtigen – in      kunden kommunale, konfessionelle und        pflichtender Bestandteil des Qualitäts-
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
S e it e 8                                                                                                    Fac hfo r u m 1

siegels. Derzeit spiele die LSBTI* kul-    wohnt. Gleichzeitig unterstrich Vera      denen Ressourcen in der Pflege der-
tursensible Pflege in den Ausbildungen     Ruhrus, dass es in den Einrichtungen      zeit und zukünftig, gerade auch unter
der Pflegekräfte, wenn überhaupt, nur      der Altenhilfe oft auch an zeitge-        der Berücksichtigung des demografi-
eine sehr geringe Rolle. Deutschland       schichtlichem Wissen um die Lebensum-     schen Wandels, eine umfassende Be-
unterscheidet sich in diesem Bereich       stände der Klient*innen fehle (zum        treuung und Hilfe gewährleisten könne.
nicht von anderen Ländern. Auch die        Beispiel Wissen um den § 175 StGB).
hohe Anzahl von Quereinsteiger*innen       Klient*innen haben oft Jahrzehnte im      Sina Vogt berichtete, dass die mobilen
ohne Grundausbildung profitieren von       Verborgenen gelebt, ohne dass ein         Pflegekräfte oft unter einem immensen
den Fortbildungen, die sexuelle Orien-     Coming Out möglich oder denkbar           Zeitstress stehen. In nahezu 20 Minuten
tierung und geschlechtliche Identität im   gewesen wäre. Auch wenn Lesben            müsse eine komplette Pflege erfolgen.
Kontext der Pflege thematisieren.

                                                                                                                            Foto © LSVD/Caro Kadatz
Insgesamt ist festzustellen, dass der
Forschungsbedarf in den unterschiedli-
chen Bereichen der LSBTI* kultursensib-
len Pflege hoch ist. Eine weitere Pro-
fessionalisierung der Pflege- und Ge-
sundheitsberufe im Sinne einer fort-
schreitenden Akademisierung wäre für
die Generierung von Forschungsergeb-
nissen hilfreich.
Lucie Veith wies darauf hin, dass be-
sonders beim Thema Demenz oder
beim Verlust der Sprachfähigkeit die
Folgen für Inter* und Trans* gravie-
rend seien. Fachkräfte in der Alten-
pflege seien beispielweise auf die
Versorgung einer Neovagina gar nicht
vorbereitet. Wenn Klient*innen Infor-
mationen über zurückliegende Opera-
tionen und über das verwendete Ma-
terial nicht weitergeben können, kom-
me es zur „Verrottung“ von innen. Auch
beim Thema „Hormongabe“ fehle es
an Fachwissen, das habe gravierende
Folgen für Pflegende und Klient*innen.
Besondere Pflegebedürfnisse von In-
ter* sind weitgehend unbekannt. Inter-
geschlechtliche Menschen fürchten Aus-     durch den § 175 StGB nur indirekt         Daher sei es nicht verwunderlich, dass
grenzungen und Unterbringungen in          betroffen waren, wurden sie nicht sel-    Fachkräfte abblocken beim Thema
Mehrbettzimmern. Auch sind die Be-         ten Opfer von Sorgerechtsentzug und       „kultursensible Pflege“: „Das sollen wir
dürfnisse von intergeschlechtlichen        anderen Repressionen. Lucie Veith         jetzt auch noch machen?“
Menschen im Alter in keiner Studie         ergänzte, dass es besonders auch
                                                                                     Eine Lösung könne eine Kooperation
erfasst.                                   beim Thema Trans* und Inter* konkrete
                                                                                     von professionellen Pflegedienstleis-
                                           Studien brauche. Wir müssen wissen,
Vera Ruhrus merkte in der Diskussion                                                 tern und nachbarschaftlichen Netzwer-
                                           was LSBTI* im Alter wichtig ist, so
um LSBTI*-inklusive Alteneinrichtungen                                               ken sein, merkte Vera Ruhrus an. Er-
                                           Veith. Gleichzeitig unterstrich Ruhrus,
an, dass der Autonomiebedarf bei                                                     schwerend komme allerdings hinzu,
                                           dass es eine deutliche Diskrepanz gä-
älteren, alleinlebenden Lesben sehr                                                  dass Pflegekräfte den Nutzen einer
                                           be zwischen dem, was sich LSBTI* wün-
hoch sei. Lesbische Frauen* seien oft                                                LSBTI*-kultursensiblen Pflege oft nicht
                                           schen und dem, was in der Pflege
auch gut vernetzt. Hinzu komme, dass                                                 wahrnehmen.
                                           überhaupt noch möglich sei.
nicht alle Menschen in entsprechenden
Einrichtungen der Altenhilfe/-pflege       Frank Hoyer vom ASB NRW fügte
leben wollen. Es gebe den starken          hinzu, dass man auch darüber spre-
Wunsch, dort alt zu werden, wo man         chen müsse, wie man mit den vorhan-
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
Fac hfo r u m 1                                                                                                 S e it e 9

Was ist nötig, um Regenbogenkompetenz in der Altenhilfe und -pflege zu erhöhen?

+ LSBTI*-kultursensible Pflege           + Schulungen und Workshops in allen        + Das Thema Non-Binärität sollte
                                           Bereichen: „Pflege & Beratung“,            verpflichtend in die Curricula der
+ Diversity bzw. Regenbogen-Siegel
                                           „Geschlechtergerechter Umgang“,            Aus- und Weiterbildung aufgenom-
  mit verbindlicher Umsetzung
                                           „Geschlechtergerechte Sprache“,            men werden, zum Beispiel: „Wie
+ Regenbogenkompetenz muss als             LSBTI*-inklusive Biographiearbeit          spreche ich non-binäre Menschen
  Mainstream-Thema in allen Einrich-                                                  an?“
                                         + Aktionspläne zum Thema Regenbo-
  tungen umgesetzt werden
                                           genkompetenz in Pflege und Alter

Wie können Träger einen diskriminierungsfreien Alltag von LSBTI* Senior*innen ermöglichen?

+ Einrichtungen müssen das Thema         + Maßnahmen müssen operationali-           + Träger sollten sich stärker über
  Diversität mit in ihre Prozesse und      sierbar sein („handpraktische Um-          „best-practice“-Beispiele unterei-
  Organisation aufnehmen                   setzung“)                                  nander austauschen

Welche Forderungen leiten sich daraus für die Politik ab?

+ Studienlage verbessern: Was wün-          sind keine Ausnahme. Wenn Leis-            im ländlichen Raum aufwerten
  schen und brauchen LSBTI* im Al-          tungen nicht erfolgen, muss es Kon-
                                                                                    + Leistungen im Gesundheits-/und
  ter? Wie leben LSBTI* im Alter            sequenzen haben. Der Staat muss
                                                                                      Pflegesystem müssen unabhängig
  derzeit?                                  hier seine Kontrollpflicht durch sei-
                                                                                      von Einkommen / Rente finanziert
                                            ne Aufsichtsbehörden oder den
+ Wissenschaft zum Thema „Pflege“                                                     werden
                                            Medizinischen Dienst der Kranken-
  fördern: Professionalisierung, For-
                                            kassen wahrnehmen.                      + Aufwertung des Pflegeberufs: fi-
  schungsgelder erhöhen, Professuren
                                                                                      nanziell, Akademisierung (Bsp.
  schaffen                               + staatliche Förderung von entspre-
                                                                                      Niederlande), niedergelassene
                                           chenden Zertifizierungen und von
+ Rechtsanspruch auf eine gerechte                                                    Krankenschwestern / Gemeinde-
                                           Modellprojekten
  Pflege absichern: Es geht hier nicht                                                schwestern (Bsp. Rheinland-Pfalz)
  um eine bloße Dienstleistung, son-     + Quartiersförderung: Menschen müs-
                                                                                    + Die Haltung von Pflegenden muss
  dern um ein Grundrecht. Leistungen       sen so lang wie möglich dort leben
                                                                                      verbessert werden.
  stehen allen Menschen zu, LSBTI*         können, wo sie wohnen. Strukturen

An welchen Strategien sollten Verbände hier arbeiten?

+ interkulturelle Öffnung / generati-    + Dialog mit den Wohlfahrtsverbän-            Sozialgesetzbuch (SGB X I) defi-
  onale Öffnung: Verbände hängen           den: Fachtagungen, Entwicklung              niert Angehörige weiter, pflegende
  Menschen ab, weil sie sie nicht mit-     von Empfehlungen, bundesweites              Angehörige werden damit entlas-
  denken                                   Bildungsprojekt zum Thema                   tet. Das SGB muss stärker auch auf
                                           „Pflege“, bundesweite Fachtage              Zugehörige ausweitet werden
+ Träger sollten stärker Synergie-
                                           (Förderung der Gesundheit)
  Effekte zwischen nachbarschaftli-                                                 + Dialoge und Fachgespräche zwi-
  cher Unterstützung und Pflege nut-     + LSVD soll Senior*innen-Verbände            schen LSBTI*-Verbänden und Kran-
  zen                                      wie BAGSO                                  kenkassen / Kammern / Medizini-
                                           (Bundesarbeitsgemeinschaft Senio-          schen Diensten der Krankenkassen
+ innerverbandliche Studien zur The-
                                           renorganisationen) ansprechen, um          muss angestoßen und unterstützt
  matik „Bedarfe in Pflege und Al-
                                           einen großen gesellschaftsfähigen          werden
  ter“ müssen angestoßen werden
                                           Polylog anzustoßen: Was macht ihr
                                                                                    + Krankenkassen, Kammern und Ver-
+ vielfältige Gesellschaft muss über-      für LSBTI*? Wie können wir ge-
                                                                                      bände müssen intersektional den-
  all durchdekliniert werden (Land /       meinsam arbeiten?
                                                                                      ken und arbeiten. Beispiel: LSBTI*
  Kommune)
                                         + Stärkung der Zugehörigen: Das              mit Behinderung
Akzeptanz für LSBTI* weiter gestalten - Ergebnisse des zweiten Regenbogen-Parlaments in Köln am 22.09.2018 - Vielfalt Mediathek
S e it e 1 0                                                                                                 Fac hfo r u m 2

          Fachforum 2: „Regenbogenkompetenz in Kirchen und
          Religionsgemeinschaften“
         Leitung: Henny Engels, LSVD-Bundesvorstand
         Expert*innen: Dr. Michael Brinkschröder, Regenbogenforum, röm.-kathol. Kirche; Eva
         Burgdorf, Regenbogenforum, protest. Kirche; Günter B. Ginzel, liberales Juden-
         tum; Miyesser Ildem, Liberal-Islamischer Bund
Foto © LSVD/Caro Kadatz

                                                                                                 Das Fachforum war eine
                                                                                                 Fortführung aus dem ersten
                                                                                                 Regenbogenparlament in
                                                                                                 Berlin. Ergebnisse hierzu fin-
                                                                                                 den Sie in einer Broschüre,
                                                                                                 die zum Download bereit-
                                                                                                 steht unter:
                                                                                                 www.miteinander-
                                                                                                 staerken.de/wp-content/
                                                                                                 uploads/2018/09/lsvd-
                                                                                                 dokumentation-berlin-
                                                                                                 regenbogenparlament-
                                                                                                 2018.pdf

         Über die Vereinbarkeit von Religiosität und Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen und Identitäten wird oft
         gestritten. Sowohl in den christlichen Kirchen als auch in muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaften
         gibt es ausgeprägte Strömungen von Homosexuellen- und Trans*Feindlichkeit. Es gibt in allen Gemeinschaften
         auch fortschrittliche Kräfte, die für die Vereinbarkeit von Glauben und Homosexualität und Transgeschlechtlich-
         keit eintreten. Im Fachforum wurde unter anderem der Frage nachgegangen, wie sowohl die Situation von
         LSBTI* innerhalb der Religionen als auch der öffentliche Umgang der Glaubensgemeinschaft mit LSBTI* und ih-
         ren Interessen verbessert werden können.

         1. Inputs der Expert*innen

         Günter B. Ginzel, Jüdische Perspektive,   auch mit anderen Vorurteilen und          In der Orthodoxie bewegt sich zumin-
         Köln:                                     Traumata verknüpft. Das spielte z.B. in   dest in Teilen einiges: Kann man
                                                   der NS-Propaganda eine Rolle. Die         Schwule und Lesben akzeptieren, weil
         Auch in einer säkularen Gesellschaft
                                                   Liberalisierung in der Gesamtgesell-      sie „krank“ sind? Denn in diesem Fall
         leben religiöse Vorstellungen weiter,
                                                   schaft hat auch die Liberalisierung in    müsste man nett zu ihnen sein, doch
         als Nischen und als anonyme Formen;
                                                   Religionsgemeinschaften vorangetrie-      wäre es keine Krankheit, sind sie dann
         das wird oft unterschätzt. In der Ver-
                                                   ben. In der liberalen jüdischen Ge-       „gefährlich“? Das wird gerade in Isra-
         gangenheit (nach Auschwitz) fehlte die
                                                   meinde in Köln ist Homosexualität kein    el intensiv diskutiert. Weltweit sind or-
         Solidarität der Minderheiten unterei-
                                                   großes Thema. Das hat sich – ebenso       thodoxe Juden/Jüdinnen aber in der
         nander: SLesben und Schwule, Roma
                                                   wie das Denken über die Stellung der      Minderheit.
         und Sinti waren nicht anerkannt. Die
                                                   Frau – inzwischen sehr stark gewandelt
         Einladung von Sinti und Roma zu Ge-                                                 Miyesser Ildem, Liberal-islamischer
                                                   aufgrund der Idee einer Solidarität
         denkfeiern ist Ignaz Bubis zu verdan-                                               Bund (LiB):
                                                   der Minderheiten untereinander. So
         ken.
                                                   gibt es mittlerweile einen speziellen     Als Muslima ist es in diesen Zeiten nicht
         Das Thema Homosexualität ist immer        Schabbat-Gottesdienst vor dem CSD.        so einfach, über Homosexualität zu
Fac hfo r u m 2                                                                                                    S e it e 1 1

sprechen. In der Öffentlichkeit besteht    Überlagert wird das Thema Jugend           in einigen evangelischen Landeskirchen
der Eindruck, dass Homosexuellen-          allerdings durch den weltweit debat-       der Fall. Ein Überblick findet sich unter:
feindlichkeit ein zentrales Kennzeichen    tierten, sehr häufigen und häufig ver-     https://www.huk.org/images/
vornehmlich des Islam sei. Die meisten     tuschten sexuellen Missbrauch durch        pictures/inhalte/karte-
muslimischen Länder haben sehr rigide      kath. Kleriker. Der ultrarechte Flügel     partnerschaftssegnung.pdf
Vorstellungen gegenüber Homosexua-         der Kirche versucht, homosexuelle
                                                                                      Der Workshop „Mit der Bibel gegen
lität. Auch in Deutschland sind die Ver-   Priester dafür verantwortlich zu ma-
                                                                                      Homofeindlichkeit“ von Eva Burgdorf
bände sehr konservativ orientiert. Der     chen.
                                                                                      und Nils Christiansen wird zum 3. Mal
Liberal-Islamische Bund (LiB) hat ein      Wir halten dagegen, dass es unter
                                                                                      beim Deutschen Evangelischen Kirchen-
Positionspapier zu Homosexualität ver-     den homosexuell orientierten Priestern
                                                                                      tag (DEKT) 2019 im Kontext des Re-
öffentlicht, das eine neue Theologie zu    reife und unreife Persön-
entwickeln versucht. Das hat dem Ver-      lichkeiten gibt. Das Verbot
band viel Kritik eingebracht.              der Homosexualität im Zu-
                                           sammenspiel mit dem Ver-
Der LiB arbeitet eng mit internationa-
                                           bot der zwischenmenschli-
len Netzwerken zusammen, z.B. mit The
                                           chen Sexualität allgemein
Inner Circle, Südafrika (Muhsin Hend-
                                           (Zölibat) zieht zu viele un-
ricks), der Safe Spaces bildet und
                                           reife Charaktere an. Daher
LSBTI*-Imame ausbildet. Ein vielver-
                                           müssen beide Regulierun-
sprechender Ansatz scheint zu sein, das
                                           gen außer Kraft gesetzt
Thema zu enttheologisieren. Ziel ist es,
                                           werden. Im Erzbistum Mün-
LSBTI* eine Heimat zu geben, um ihnen
                                           chen-Freising gibt es eine
zu ermöglichen, ihre Religion und ihre
                                           AG Regenbogenpastoral,
geschlechtliche Identität und sexuelle
                                           die die Strategie für die
Orientierung zusammen leben zu kön-
                                           zukünftige Arbeit in diesem
nen.
                                           Feld entwickelt. Ein erster
Michael Brinkschröder, Regenbogenfo-       Schritt ist ein Workshop
rum, röm.-katholische Kirche               „Screening Regenbogen-
                                           kompetenz“ mit Frau Prof.
Die Ausstellung „Verschaff mir Recht“,
                                           Schmauch.
die die Kriminalisierung von LSBTI* und
die Verantwortung der röm.-kath. Kir-      Eva Burgdorf, Regenbogenforum, pro-        genbogenzentrums angeboten.
che thematisiert, wird derzeit in kath.    testantische Kirche:
                                                                                      Lesben und Kirche (LuK) textet 17 Kir-
Erwachsenenbildungsstätten, Akade-
                                           Zu der Frage, in welchen Landeskir-        chenlieder in gendergerechter Spra-
mien oder Einrichtungen der City-
                                           chen Trauungen und Segnungsfeiern          che um, die in das Liederbuch des
Pastoral gezeigt.
                                           möglich sind, findet sich der beste        DEKT aufgenommen werden und von
Zur diesjährigen weltweiten Jugendsy-      Überblick auf der Web-Plattform            da aus weiterwirken. Das führte zu Be-
node wurde das Thema Annahme al-           „Homosexuelle und Kirche“ (HuK)            schimpfungen in Zeitungen im Zusam-
ler, unabhängig von der sexuellen Ori-     www.huk.org. Die evangelische Nord-        menhang mit der Verunglimpfung der
entierung und Geschlechtsidentität, im     kirche trägt gleichgeschlechtliche Trau-   Diskussion um Geschlechterrollen, hat
Vorbereitungsdokument aufgenommen.         ungen in die Kirchenbücher ein. Damit      aber auch viel Publicity beschert.
Die Vorsynode hat hier widersprüchli-      ist völlige Gleichstellung bei der Trau-
che Haltungen deutlich werden lassen.      ung erreicht. Desgleichen ist inzwischen

Folgende Anknüpfungspunkte für die Vernetzung ergaben sich aus der Diskussion:

   Es gibt das European Queer Muslim          seit sieben Jahren eine queere Ju-         die Keshet-Bewegung in Deutsch-
   Network (der LiB ist beteiligt durch       gendgruppe. Außerdem gibt es               land gründen möchte. Damit sollen
   Leyla Jagiella). Aber das globale          die Junge Islam-Konferenz                  Jüd*innen, die gleichgeschlechtlich
   muslimische Netzwerk funktioniert          (bundesweites Netzwerk).                   lieben und/oder sich als transge-
   besser als das europäische Netz-                                                      schlechtlich identifizieren, eine ei-
                                              Eine Teilnehmerin weist darauf hin,
   werk.                                                                                 gene Stimme bekommen und sich
                                              dass sich aus der Jüdischen Studie-        gegenseitig stärken.
   In der alevitischen Jugend gibt es         rendenunion Deutschland (JSUD)
S e it e 1 2                                                                                                    Fac hfo r u m 2

Folgende Fragen und Anregungen für die strategische Ausrichtung ergaben sich aus der Diskussion:

   Wie geht der LSVD mit rassisti-          bieten und gemeinsam Rituale zu le-         In dem Maße, wie eine Religion sich
   schen Äußerungen in den eigenen          ben, z.B. bei Eheschließungen oder am       der Frauenfrage stellen muss, brechen
   Reihen um?                               Lebensende. Dabei ist die geschlechtli-     alte Strukturen auf: Emanzipatorische
                                            che Identität und sexuelle Orientierung     Kämpfe von verschiedenen Gruppen
Der LSVD wendet sich gegen Islam-           unerheblich.                                sollten nicht gegeneinander ausge-
feindlichkeit auch in den eigenen Rei-                                                  spielt werden, indem Kämpfe, die in
hen. Zum Umgang mit dem Spannungs-          Konservativ im Kontext „Islam“ ist ein
                                                                                        den Vordergrund gestellt werden, von
feld „Islamfeindlichkeit – Homosexuel-      nur scheinbar korrekter Begriff, weil
                                                                                        anderen kritisiert werden. Und es kön-
lenfeindlichkeit“ wurden zahlreiche         das, was darunter verteidigt wird, gar
                                                                                        nen nicht alle Probleme gleichzeitig
Gespräche mit muslimischen Organisa-        nicht der Vergangenheit muslimischer
                                                                                        gelöst werden.
tionen und anderen, die mit dem The-        Lebensweise entspricht. Stattdessen
menfeld befasst sind, geführt. Zudem        geht es um ein viktorianisches Familien-    Im Dialog mit der Pastoralkommission
gab es mit Unterstützung der Mobilen        bild, das islamisiert worden ist. Sich      der kath. Bischofskonferenz ist das
Beratung Berlin zwei Workshops mit          auf das Alte zu berufen, ist im Islam       nächste Thema die Situation von lesbi-
Argumentationstrainings. Das Angebot        furchtbar wirkmächtig. Daher ist es         schen Mitarbeiterinnen der Kirche. In
wird fortgesetzt.                           wichtig, das Label zu entziehen.            der Vergangenheit standen andere
                                                                                        Themen im Vordergrund, die gemein-
                                            Mit Blick auf die römisch-katholische
   National, kulturell, religiös: Wer ist                                               sam ausgewählt wurden (z.B. Partner-
                                            Kirche ist es gut, dass sich der LSVD für
   eigentlich angesprochen als Bünd-                                                    schaftssegnung, Homosexuellenseelsor-
                                            die Gleichberechtigung von LSBTI* ein-
   nispartner*in?                                                                       ge, Seelsorge mit/für Trans*).
                                            setzt. Aber was ist mit der Gleichbe-
Der Liberal-islamische Bund versucht        rechtigung von Frauen? Hat sich dieses      Es ist ein strategischer Mangel, dass
weniger eine politische Organisation        Thema für den LSVD schon erledigt?          das Regenbogenforum und auch die
als vielmehr eine religiös-rituelle Ge-     Ggf. wäre dies auch ein gutes Ein-          HuK bisher kaum Kontakt zu katholi-
meinschaft zu sein, Beheimatung zu          stiegsthema mit Blick auf LSBTI*.           schen Frauenverbänden hat.

2. Was können wir im Bereich Bildung gemeinsam unternehmen?

+ Miteinander Eintreten für eine De-           Problem, eine Balance zu finden             funktioniert vermutlich, aber nicht
  mokratisierung der Religionsge-              zwischen berechtigter Kritik und            überall und nicht ausreichend.
  meinschaften (vor allem röm.-kath.           einer islamfeindlichen Haltung. Hier
                                                                                        + Im muslimischen Kontext sollte das
  Hintergrund). Hierzu brauchen wir            gibt es wenige Leute, die die
                                                                                          Thema theologisch angegangen
  aber einen differenzierten Blick.            Spannung gut aushalten können.
                                                                                          werden. Aber das muss nicht unbe-
                                               Um dies zu überwinden, braucht es
+ Liberale Themen und Menschen-                                                           dingt in der Moscheegemeinde
                                               Trainings.
  rechte haben sich ab einem Zeit-                                                        passieren. Denn hier können unter
  punkt nicht gegen, sondern auch in        + Ansatzpunkt: Materialien für religi-        Umständen nicht alle offen sagen,
  Religionsgemeinschaften entwickelt.         öse Gemeinden / Synagogen- und              was sie denken. Toleranz gesell-
  Das gilt auch für LSBTI*-Themen.            Moscheevereine, um informiert und           schaftlicher Verhältnisse ist leichter
  Menschenrechte und Demokratie               zivilisiert über LSBTI*-Fragen und          als eine religiöse Stellungnahme.
  sind per se nicht identisch und kön-        mit LSBTI*-Personen zu sprechen
                                                                                        + Es braucht eine Unterstützungsstruk-
  nen auch gegeneinander ausge-
                                            + Wie erreiche ich diejenigen, die            tur für diejenigen, die sich in quee-
  spielt werden. Wir müssen klarma-
                                              nicht erreicht werden wollen? Bei-          ren Glaubensgemeinschaften en-
  chen, dass beides nicht auseinan-
                                              spielsweise repräsentieren diejeni-         gagieren.
  dergerissen werden darf, um eine
                                              gen, die wir in der muslimischen
  menschenrechtsbasierte Demokratie                                                     + In interreligiöse Foren sollten
                                              Community erreichen, nur eine Min-
  zu erreichen.                                                                           LSBTI*-Personen vertreten sein;
                                              derheit. Was sind verbindende Ele-
                                                                                          bislang sind sie es nicht. D.h. man
+ Die Religionsgemeinschaften haben           mente und Gemeinsamkeiten, z.B.
                                                                                          müsste bei der Fördermittelverga-
  sehr unterschiedliche Strukturen. In        gegen Rechtspopulismus? Ein ge-
                                                                                          be diese Verknüpfung einfordern.
  islamischen LSBTI*-Gruppen ist das          meinsames Thema Rechtspopulismus
Fac hfo r u m 2                                                                                               S e it e 1 3

Wie sollte die Kommunikation im Bereich Bildung gestaltet werden?

+ Essentiell ist eine Sprache und Me-        den unterschiedlich ausgelegt, z.B.   + Jugendverbände haben sechs Milli-
  thodik, die Religiöses wertschätzt.        Religionsfreiheit.                      onen Mitglieder in Deutschland.
  Es gibt berechtigte Skepsis bei                                                    Wir müssen junge, religiöse LSBTI*
                                          + Wir brauchen Sprachkurse für Re-
  LSBTI* gegenüber Religionsgemein-                                                  empowern, damit sie in ihren Ju-
                                            genbogenkompetenz in religiösen
  schaften – hier gilt es, gegenseitig                                               gendverbänden offen sprechen,
                                            Kontexten und für unterschiedliche
  um Empathie zu werben.                                                             z.B. auch in der Feuerwehrjugend.
                                            Religionsgemeinschaften. Darüber
                                                                                     Viele Jugendverbände sind bei
+ Es braucht eine bestimmte Sprache,        hinaus müssen wir im interreligiösen
                                                                                     dem Thema schon unterwegs und
  damit in religiösen Kontexten             Dialog miteinander ins Gespräch
                                                                                     es ist wichtig zu identifizieren, wer
  LSBTI*-Positionen angenommen              kommen.
                                                                                     etwas macht.
  werden. Auch Menschenrechte wer-

Vorschläge zum Bereich Schule

+ Vorschläge zum Bereich Schule              rungen eine Stellungnahme verlan-        Schulsozialarbeit ist eine wichtige
                                             gen, wie das Thema LSBTI* im Re-         Partnerin, da sie Projekte in Schu-
+ Curricula für den Religionsunterricht      ligionsunterricht verankert ist.         len macht. Die Schü-
  für alle Schulformen durchgehen                                                     ler*innenvertretung sollte als Bünd-
                                          + In Baden-Württemberg gibt es
+ Man muss sich auch die Schulbücher                                                  nispartnerin mitberücksichtigt wer-
                                            Vorschläge für einen kultursensib-
  anschauen, denn das ist die Wirk-                                                   den. Eine mögliche Zielgruppe kön-
                                            len Umgang mit LSBTI* (Netzwerk
  lichkeit dessen, was unterrichtet                                                   nen religiöse Frauenverbände sein.
                                            LSBTTIQ und türkische Gemeinde),
  wird und hinkt den Curricula oft um       was bei türkischen Schüler*innen       + Der LSVD könnte auf die Kultusmi-
  Jahre hinterher.                          sehr wirksam ist.                        nister*innenkonferenz zugehen, da
+ Der LSVD könnte von Landesregie-                                                   dies eine passende Ebene ist.
                                          + Vorschläge zur Kooperation: Die

3. Erwartungen an den LSVD

+ Der LSVD sollte stärker bei der Er-

                                                                                                                         Foto © LSVD/Caro Kadatz
  innerungsarbeit Unterstützung leis-
  ten. Lesbischen Frauen wurde von
  den 1950er bis in die 1990er Jah-
  re das Sorgerecht für ihre Kinder
  entzogen. Die damit verbundenen
  Traumatisierungen müssen dringend
  aufgearbeitet werden.
+ Auch auf der Landesebene sollte
  der LSVD Sprach- und Argumenta-
  tionstrainings anbieten: Islamfeind-
  lichkeit & Homosexuellenfeindlich-
  keit.
+ ein Modul entwickeln, das bei
  Schulungen eingesetzt werden
  kann, insbesondere für Jugendlei-
  ter*nnen-Card (JuLeiCa) – Ausbil-          kurse bzw. Unterrichtsmaterialien     + Kritische Überprüfung der eigenen
  dung, Freiwilligendienste, Bufdis,         für diese Zielgruppe erstellen          Medienarbeit: Wie kann der LSVD
  Soldaten etc.                                                                      mit Pressearbeit neue Zielgruppen
                                          + Materialien für Kirchengemeinden
                                                                                     erreichen?
+ Bildungsberater*innen-Ausbildung          (menschliche Sexualität und
  für Geflüchtete und Integrations-         Lebensübergänge)
S e it e 1 4                               Ei n drü c ke

               Fotos: Caro Kadatz / LSVD
Ei n drü c ke   S e it e 1 5
S e it e 1 6                                                                                            Fac hfo r u m 3

        Fachforum 3: „Regenbogenkompetenz in Rundfunk-
        und Medienräten“
         Leitung: Tina Adomako, Neue Deutsche Medienmacher
         Expert*innen: Benjamin Rottmann, Vertretung des LSVD Niedersachsen-Bremen in der
         Niedersächsischen Landesmedienanstalt; Jenny Renner, ZDF-Fernsehrätin; Caro Frank,
         Mitglied der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW
Tina Adomako © privat

                                                            „Wenn wir unseren eigenen Zielhorizont erweitern und Bündnisse
                                                            mit anderen Gruppen eingehen, ermöglichen wir einen erweiterten
                                                            Zugang zu Ressourcen, die zum Erreichen der eigenen Ziele beitra-
                                                            gen. (…) Letztendlich kann das, was wir in unseren unterschiedli-
                                                            chen Organisationen alle anstreben – ob wir jetzt beim LSVD, den
                                                            NdM, NDO oder einer anderen Organisation aktiv sind – unter
                                                            „soziale Gerechtigkeit“ zusammengefasst werden. Am Ende des
                                                            Tages haben wir dann ein gemeinsames Ziel. Wir sollten, da wo es
                                                            Sinn macht, viel häufiger common cause coalitions bilden.“
                                                            – Tina Adomako

       In der Medienberichterstattung über LSBTI* hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Während einige Medien
       seriös und angemessen berichten, behandeln andere LSBTI*-Themen überwiegend in reißerischer oder voyeuris-
       tischer Aufmachung mit provokativ herabsetzenden Aussagen. Beim letzten Regenbogenparlament in Berlin wur-
       de über die „Lebenswelten von LSBTI* in Medien-Wunsch und Wirklichkeit“ diskutiert. In Köln ging es darum,
       was sich bisher durch die Interessenvertretung von LSBTI* in einigen Rundfunk- und Medienräten verbessert hat
       und welche Herausforderungen noch bevorstehen.

        Seit 2015 vertritt Caro Frank die Inte-      umfassend wider. Hier besteht
        ressen der Allgemeinbevölkerung für          weiterhin Verbesserungspo-                                                 Foto © LSVD/Caro Kadatz
        die LAG Lesben und das Schwule               tential. Analog zur Situation in
        Netzwerk in der Medienkommission             Nordrhein-Westfalen findet
        NRW. Damit gehören die beiden Lan-           die ehrenamtliche Arbeit so-
        desverbände zum ersten Mal zu den            wohl in den großen Sitzungen
        gesellschaftlich relevanten Gruppen,         aller Mitglieder als auch in
        die in dieses Gremium berufen und            einzelnen Ausschüssen statt.
        dort kollegial aufgenommen wurden.           Und auch hier findet mehrheit-
        Der Medienkommission obliegen die            lich eine vertrauensvolle Zu-
        Vergabe und Kontrolle von Frequen-           sammenarbeit statt. Die wich-
        zen, die Aufsicht über bestimmte pri-        tigste Personalentscheidung
        vate Fernsehprogramme, über die              betrifft die Wahl des*der
        privaten Radioprogramme sowie die            Direktors*in der Landesmedi-
        Förderung von Bürgermedien und Me-           enanstalt, denn die Direktion
        dienkompetenz der Bevölkerung.               bestimmt in jeder Anstalt
                                                     maßgeblich die inhaltliche
        Gleiches gilt für die Niedersächsische
                                                     Arbeit.
        Landesmedienanstalt. Benjamin Rott-
        mann übernimmt hier die Vertretung           Jenny Renner ist seit 2016
        des LSVD Niedersachsen-Bremen seit           ZDF-Fernsehrät*in. Ihre Entsen-
        2016. Auch in Niedersachsen spiegelt         dung in den Fernsehrat er-
        sich die gesellschaftliche Vielfalt in der   folgte über den Sitz des Lan-
        Zusammensetzung der Räte noch nicht          des Thüringen. Seit diesem
Fac hfo r u m 3                                                                                                         S e it e 1 7

    Zeitpunkt sind nicht mehr einzelne Par-     tischem Vokabular in der Poli-

                                                                                                                                       Marie Hübner © LSVD
    teien, sondern lediglich die Vertretung     tik, in der Berichterstattung und
    der Bundesregierung dabei, wodurch          in den Medien allgemein mehr
    die Zusammensetzung des Rates weni-         und mehr notwendig. Die An-
    ger politiklastig ist. Die dadurch her-     griffe (z.B. auf die Pressefrei-
    vorgerufene Mehrheit von kirchlichen        heit) nötigen zu direkter Ausei-
    Vertretungen wird allerdings kritisch       nandersetzung, bieten jedoch
    gesehen. Bei diesem Gremium des             gleichzeitig die Chance sich
    Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks kommt      selbst zu positionieren.
    der direkten Programmbeobachtung
                                                Die Sensibilisierung für LSBTI*-
    eine größere Bedeutung als beim pri-
                                                Themen unter dem Gesichts-
    vaten Rundfunk zu. Auch können bei
                                                punkt von gesellschaftlicher
    Beschwerden der Zuschauer*innen di-
                                                Vielfalt ist in allen Gremien notwendig.      eigener Berichterstattung möglich.
    rekte Nachfragen gestellt und Verbes-
                                                In allen Bundesländern ist weiterhin
    serungsvorschläge gemacht werden.                                                         Weitere LSBTI*-Vertretungen bestehen
                                                gute Lobbyarbeit nötig. Die Vertretun-
    Außerdem wählt der Fernsehrat die                                                         bereits beim WDR, beim SR, bei Radio
                                                gen der anderen Organisationen in
    Intendanz und den Verwaltungsrat.                                                         Bremen und zukünftig auch beim
                                                den Medien- und Rundfunkräten haben
    Eine Stärkung des Öffentlich-                                                             Deutschlandfunk. In allen Bundeslän-
                                                sich schon mehrfach als sehr gute Multi-
    Rechtlichen Rundfunks scheint sinnvoll                                                    dern ist weiterhin gute Lobbyarbeit
                                                plikator*innen herausgestellt. Auch hier
    zu sein, da nur dort Vielfalt ausdrück-                                                   nötig, um die Entsendung von LSBTI*-
                                                ist im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk
    lich gesetzlich vorgeschrieben ist.4                                                      Vertretungen in die Gremien zu ge-
                                                (von ZDF über 3sat und KiKa bis zu
                                                                                              währleisten.
    In allen Gremien wird die Auseinan-         Phoenix und arte) eine direkte Sensibi-
    dersetzung mit vermehrt rechtspopulis-      lisierung der Redaktionen zu deren
Benjamin Rottmann© LSVD / Caro Kadatz

                                                „Insbesondere in Zeiten eines wachsenden Populismus müssen
                                                LSBTI* als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft Sitz und
                                                Stimme in Fernseh- und Medienräten haben. Auch die Deu-
                                                tungshoheit von Begriffen sollten wir zurückgewinnen, durch
                                                vereinfachte sprachliche Mittel können wir mehr Menschen mit
                                                unseren Themen und Positionen erreichen.
                                                – Benjamin Rottmann

   4 Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem am 25.3.2014 veröffentlichten Urteil zum ZDF-Staatsvertrag deutlich gemacht, dass die
   bisherige Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates dem Grundsatz der Vielfaltsicherung nicht genügt. In dem Urteil heißt es u.a.: „Die
   Zusammensetzung der Kollegialorgane muss darauf ausgerichtet sein, Personen mit möglichst vielfältigen Perspektiven und Erfahrungsho-
   rizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens zusammenführen“ (BVerfG, 1 BvF 1/11 Rz. 39). Siehe: http://www.der-appell.de.
   Vgl. dazu auch: Vielfaltsfinder der Neuen Deutschen Medienmacher, https://www.neuemedienmacher.de/projektevielfaltfinder
S e it e 1 8                                                                                               Fac hfo r u m 3

Zentrale Ansatzpunkte für die Medien aus Sicht der Teilnehmenden im Fachforum 3

      Forderungen                                    Strategien                              Maßnahmen

                                                                                 Waldschlösschen-Appell überarbeiten
 Bewusstsein schaffen für LSBTI*in                                               und verbreiten: www.der-appell.de
                                         Sensibilisierung für Lebenswelten
 Redaktionen und Medienhäusern                                                   Angebote der Medienanstalten zur
                                         von LSBTI*
 („Normalisierung des Besonderen“)                                               Diversitätssensibilisierung für Redaktio-
                                                                                 nen

                                                                                 Qualitätsstandards (Recherche, The-
                                         Guter Journalismus zu LSBTI*-           menvielfalt, Repräsentation etc.) for-
 Professionalisierung von Medien-                                                mulieren
                                         Themen braucht Aufklärung und
 schaffenden / Redaktionen zu LSBTI*
                                         Sensibilisierung der Redaktionen /      Standards für „No-Gos“ (bezgl. der
 -Themen
                                         Medienhäuser                            Verwendung von Begriffen und der
                                                                                 Bebilderung) festlegen

                                                                                Pool von Sprechenden von Interessens-
 Repräsentation von vielfältigen Stim-                                          vertretungen anlegen und zur Verfügung
                                         Vernetzung und vielfältige Aufstel-
 men in den Medien („nicht immer nur                                            stellen (vgl. Vielfaltsfinder der Neuen
                                         lung in den eigenen Verbänden
 der weiße schwule cis-Mann, „keine                                             Deutschen Medienmacher:
                                         („Diversität leben“)
 single story“)                                                                 https://www.neuemedienmacher.de/
                                                                                projekte/vielfaltfinder

                                         Vernetzung der Community-
                                                                                aktive Pressearbeit durch gemeinsame
 mehr Präsenz von selbstgesetzten        Strukturen für gemeinsame PR-
                                                                                Pressemitteilungen und öffentlichkeits-
 queeren Themen in den Medien            Arbeit und Professionalisierung der
                                                                                wirksame Aktionen
                                         Pressearbeit

 Redaktionen / Medienhäusern signa-
                                         Redaktionen nicht nur tadeln, son-     Beispiele für gute Berichterstattung
 lisieren, was gute Medienarbeit zu
                                         dern auch loben                        teilen, liken, verbreiten
 LSBTI*-Themen ist

                                         Bündnisse mit anderen Vereinen,
 größere mediale Kraft, Sichtbarkeit,    Organisationen, Interessensvertre-     Austausch, Wissenstransfer und
 Solidarität                             tungen (Bündnispolitik statt Identi-   gegenseitige Unterstützung
                                         tätspolitik)

                                         Sichtbarkeit der LSBTI*-Community
 LSBTI*-Medien unterstützen                                                     Zeitungen kaufen, Abos abschließen
                                         stärken

 Vertretung von LSBTI* in allen                                                 Sensibilisieren und Gespräche mit
                                         Lobbyarbeit
 Rundfunk- und Medienräten                                                      Landtagsabgeordneten führen

                                         (An)Sprache finden, die außerhalb       Leitfaden zu LSBTI*-Themen in einfa-
                                         der „queer bubble“ funktioniert.        cher Sprache (geplant von SCHLAU
 für alle verständlich werden            Wir müssen auch außerhalb der           NRW)
                                         LSBTI*-Community verstanden wer-        Workshop-Angebot von ANDERS &
                                         den.                                    GLEICH
Fac hfo r u m 4                                                                                                       S e it e 1 9

Fachforum 4: „Regenbogenkompetenz in der
internationalen Menschenrechtsarbeit“
Leitung: Berena Yogarajah, Referent*in des Autonomen Frauen*Lesben*Referats der
Universität Köln
Expert*innen: Bochra Triki, Chouf, Tunis; Dr. Sebastian Bartsch, Amnesty International,
Bezirk Köln; Susanne Bonnemann, Fachstelle für Lesben, Schwule und Transgender der
Stadt Köln

Städtepartnerschaften und staatliche Austauschprogramme sind effektive Maßnahmen, um Menschen aus unter-
schiedlichen Regionen und Ländern zusammenzubringen. Sie sind Teil des internationalen Kulturaustauschs und
auch der Menschenrechtsarbeit. Aber wie sollten sich Kommunen und Organisationen verhalten, wenn in den
Partnerländern beispielsweise LSBTI* verfolgt, inhaftiert oder gar gefoltert werden? Hierzu sollte im Fachforum
geklärt werden, wie Initiativen und kommunale Behörden sich für die Menschenrechte von LSBTI* in den Partner-
städten und Partnerländern einsetzen können.

Zunächst stellte Susanne Bonnemann das

                                                                                                                                 Foto © LSVD/Caro Kadatz
Austauschprogramm „Sister Cities stand
together“ vor. Anfang Juli 2018 hatte
die Stadt Köln zum zweiten Mal haupt-
sächlich lesbische Aktivistinnen aus fünf
Kölner Partnerstädten zum Christopher
Street Day (CSD) eingeladen. Im Fokus
standen internationale Solidarität, Ver-
netzung, Sichtbarkeit von Lesben und ge-
genseitiges „Empowerment“. Mit dieser
Ausrichtung folgt die Verwaltung einem
Auftrag des Rates der Stadt Köln, das
Thema Menschenrechte stärker in den
Fokus der Städtepartnerschaftsarbeit zu
rücken. Für das Austauschprogramm wa-
ren lesbische, schwule oder queere
Aktivist*innen aus den Kölner Partner-
städten Istanbul (Türkei), Cluj/Klausen-
burg (Rumänien), Kattowitz (Polen), Tunis
(Tunesien) und Rio de Janeiro (Brasilien)
                                             Städtepartnerschaften stärker für Men-      Fälle von Diskriminierung und Verfolgung
angereist.
                                             schenrechtsarbeit zu nutzen, sowie über     von LSBTI*. Allerdings ist gerade mit
Ein weiteres starkes Mittel zur Unterstüt-
                                             eine Städtebefragung, die er kürzlich im    Partnerstädten, in denen die Menschen-
zung der Aktivist*innen vor Ort ist der
                                             Auftrag der Stadt Köln durchgeführt hat.    rechtslage besonders problematisch ist,
offizielle Besuch von Pride Events in den
                                             Menschenrechte spielen in den Partner-      ein Dialog über Menschenrechte sehr
Partnerstädten. In Vertretung für die Köl-
                                             schaften bislang keine zentrale Rolle.      schwierig. Die Offiziellen auf der Part-
ner Oberbürgermeisterin reiste in diesem
                                             Gründe hierfür sind unter anderem, dass     nerseite sind in der Regel wenig daran
Jahr Bürgermeister Andreas Wolterzu
                                             die Partnerschaften aus anderen Motiven     interessiert und auf deutscher Seite
den Pride Veranstaltungen in Kattowitz
                                             entstanden sind (z.B. Völkerverständi-      fürchtet man, dass das Insistieren auf
und Cluj. Bemerkenswert war, dass der
                                             gung oder wirtschaftliche Interessen) und   Menschenrechten die Partnerschaft be-
Bürgermeister von Cluj nicht für ein Tref-
                                             dass Menschenrechtsorganisationen eher      lasten oder gar gefährden könnte. Dar-
fen mit der Delegation der Stadt Köln
                                             nicht zum städtepartnerschaftlichen         über hinaus ist immer darauf zu achten,
zur Verfügung stand. Die Berichterstat-
                                             Akteursnetzwerk gehören.                    dass der Einsatz für Personen in der
tung in den lokalen Medien war hinge-
                                             Menschenrechte kommen vereinzelt aber       Partnerstadt diesen nützt und sie nicht
gen sehr groß.
                                             auf die Agenda, wenn es in der Part-        gefährdet. Dennoch haben alle Partner-
Dr. Sebastian Bartsch berichtete über        nerstadt zu besorgniserregenden Ent-        schaften ein beträchtliches Potenzial für
Bestrebungen bei Amnesty International,      wicklungen kommt. Dies betrifft u.a. auch   menschenrechtliches Engagement.
Sie können auch lesen