Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven

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Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Bremerhaven               Juli / August 2019

                          Alte Schätze,
                         frischer Wind
                                    Visionen für Bremerhaven

Alleinerziehende in Bremen          Das Bremer Baugewerbe                 Das Vorstellungsgespräch
Informationen zu Finanzen, Arbeit   Wie kann die Branche Fachkräfte für   Gut vorbereitet – Tipps für einen
und Steuern                         die Zukunft finden?                   besten ersten Eindruck
Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019                                                                    Inhalt

      Galerie der Arbeitswelt                       Tipps für die Sicherheit auf dem Rad       Ausbildung
      Seite 16                                      Seite 10                                   Seite 18

      Inhalt                                                                SERVICE & BERATUNG

                                                                            10
                                                                                Arbeit & Gesundheit
                                                                            			 Mit dem Fahrrad zur Arbeit
                                                                            			 – Tipps für die Sicherheit

      THEMEN                                                                11			 Fragen & Antworten
                                                                            			 Finanzen, Arbeit, Steuer
      			 Schwerpunkt                                                       			 – Tipps für Allein­erziehende
      6			Alte Schätze – frischer Wind
      			 Visionen für Bremerhaven                                          22			    Alles, was Recht ist
                                                                                     Rechtstipp / Rechtsirrtum: Fahrradfahrer
      14			 Die Bauwirtschaft muss attraktiver werden                                müssen auf dem Radweg fahren, wenn es
      						                                                                         einen gibt
      18		  Kein Ausbildungplatz? Keine Panik!
      			                                                                   23
                                                                              Drei Fragen
      19		  Schlauer geht immer
                                                                              zum Arbeits­zeugnis
      			 Interview mit der Weiterbildungsberaterin

      20			 Im Vorstellungs­gespräch überzeugen                             IN JEDEM HEFT
      			 Tipps für den besten ersten Eindruck
                                                                            3			Editorial

                                                                            4			Die Bremer Arbeitswelt in Zahlen
                                                                            			 Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie

                                                                            5			Kurz gemeldet
                                      Aktuelle politische Inhalte
        BAM                          und Service-Informationen              12			 Tipps & Termine
       im Abo?                      von uns finden Sie auf T
                                                           ­ witter
                                        (@ANK_HB), facebook                 13			 Veranstaltungskalender
                                e    (Arbeitnehmerkammer Bremen),
                 er.d
  bam@ ehmerkamm                          ­YouTube und Xing.                16			 Galerie der Arbeitswelt
         n
  arbeit
                                                                              Der Jugendherbergsleiter

                                                                            22			    Impressum

                                                                            23			    Cartoon

                                                                            24			    Beratungsangebote & Öffnungszeiten

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Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
Editorial                                                           BAM — Juli / August 2019

                                                EDITORIAL

#first7jobs
                                                Vereinbarkeit
Unter dem Twitter-Hashtag
#first7jobs erfährt man endlich,
wie Karrieren gestartet wurden.
                                                von Anfang an
Kellner? Babysitter? Oder doch
eher Marketing-Hase in der Fuß-
gängerzone? Wir wollten ­wissen,
wie prominente Bremerinnen
und Bremer ihre Berufslaufbahn
begonnen haben.

Ihre Nähe zum Grünzeug ist fami-
liär bedingt (Vater: Gemüsehänd-
ler), die Nähe zu Frauenpolitik ihr
ureigenstes Ding: Bettina Wilhelm                                           Peter Kruse
setzte sich in ihren verschiede-                                         Präsident der
nen Funktionen schon immer und                                    Arbeitnehmerkammer
seit inzwischen eineinhalb Jah-                                               Bremen
ren als Bremens Landesfrauenbe-
auftragte für Frauen- und Gleich-
stellungspolitik ein. Ihre Behörde,
die Bremische Zentralstelle für die
Verwirklichung der Gleichberech-                Liebe Leserin, lieber Leser,
tigung der Frau, gibt Impulse an
Politik und Verwaltung, wo und wie              die Bremer Stadtgesellschaft wächst. Auch weil es mehr Familien gibt und diese
Gleichstellung besser gehen kann.               auch wieder mehr Kinder bekommen. Die meisten Mütter und Väter wollen oder
Wilhelm, 54, hatte vor Bremen ihr               müssen Familien- und Erwerbsarbeit von Anfang an vereinbaren. Dazu hat sie
Epizentrum im Schwäbischen. Das                 die Politik schon 2013 ermutigt – und zwar mit dem Rechtsanspruch auf einen
ist deutlich zu hören und inzwi-                Kita-Platz für unter Dreijährige. Seitdem sind in der Stadt Bremen einige Tau-
schen eines ihrer Markenzeichen.                send zusätzliche Krippenplätze entstanden, wie unsere Infografik auf Seite 4
                                                zeigt.
   Blumenverkäuferin
   Kürbis-Züchterin und -verkäu-                Weil auch die Zahl der Kinder steigt, werden weiterhin einige Tausend Betreu-
   ferin                                        ungsplätze gebraucht: für die unter Dreijährigen und auch für drei- bis sechsjäh-
   Obst- und Gemüseverkäuferin                  rigen Kinder. Und der Rechtsanspruch für ganztägiges Lernen in Bremer Grund-
   Bürokraft im Bananengroß­                    schulen ab 2025 duldet ebenfalls keinen Aufschub. All das kostet mindestens
   handel                                       zwei Milliarden Euro, allein in Bremen. Woher nehmen, wenn gleichzeitig die
   Erzieherin                                   Bremer Landesfinanzen weiter konsolidiert werden müssen?
   Wissenschaftliche Hilfskraft
   bei der Frauenbeauftragten der               Doch die frühe Bildung „kostet“ nicht nur, sie ist eine zentrale Zukunftsinves-
   Hochschule Esslingen                         tition und ein beachtlicher Job-Motor. Viel Geld fließt wieder „zurück“ – vor
   Frauenbeauftragte der Stadt                  allem in die Sozialversicherungen des Bundes. Es ist also folgerichtig, wenn sich
   Ludwigsburg                                  die Bundesregierung in größerem Umfang als bisher an diesen Zukunftsinvesti-
                                                tionen beteiligt. Der erste Schritt in diese Richtung ist mit dem „Gute-KiTa-Ge-
                                                setz“ bereits erfolgt. Weitere müssen folgen.

                                                Ihr Peter Kruse

                                                ­Kontakt:     bam@arbeitnehmerkammer.de
                        Foto: ZGF

   Bettina Wilhelm

                                                                                                                                    — 3
Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019

      DIE BREMER ARBEITSWELT IN ZAHLEN

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      Bessere Vereinbarkeit                                                                            unter 3 Jahren einen
                                                                                                        Rechtsanspruch auf
                                                                                                      einen Betreuungsplatz.

      von Beruf und Familie
      von Anfang an
                                                                                                                                          Kita Kunterbu

      Die Bremer Politik will in der Stadt Bremen bis
      zum Jahr 2020 Betreuungsplätze für 50 Prozent
      der unter Dreijährigen anbieten. Dafür müssen
      noch rund 2.500 Plätze geschaffen werden

      Trotz massivem Ausbau gibt es weiterhin zu
                                                                        Betreuungsquoten 2018
      wenig Plätze, da es mehr Kinder gibt als
      vorausberechnet und sie sich anders auf die                                              34 %                                              44 %
      Stadtteile verteilen als angenommen.                                Deutschland                                        Berlin
                                                                                                      Politisches
                                                                                           28 %        Ziel für                                  44 %
                                                                         Land Bremen                     2020              Hamburg
      Stadt Bremen 2018
                                                                                               35 % 50 %                                  27 %
                                                                         Stadt Bremen                                Niedersachsen
              1
                                                                                         22 %                                             29 %
                      2
                                                                         Bremerhaven                                       Saarland

                                                                                                                                                        Quelle: Senatorin für Kinder und Bildung, Status III, Oktober 2018
                              3

                                    4
                                        5 6 19                          Kinder unter 3 Jahren (2018)
                                          7       18
                                     9 8 13 15                                                                 16.752
                                  10  12           17
                                         14    16                                     13.427
      Betreuungsquoten
                                                                                                + 3.325
           25–30%              31 –36%             40–72%                                         Kinder                       Jedes
      1    Blumenthal       2 Vegesack           7 Schwachhausen           Jedes                                             3. Kind in
      3    Burglesum        5 Walle              8 Mitte                 4. Kind in                                          Betreuung
      4    Gröpelingen      6 Findorff           12 Neustadt             Betreuung
      15   Vahr             9 Woltmershausen     13 Östliche Vorstadt
                            10 Huchting          18 Oberneuland                                                     35%
                            14 Obervieland       19 Horn-Lehe           Betreuungs-     25%                                 Betreuungs-
                            16 Hemelingen                                     quote                                         quote
                            17 Osterholz                                                2013                        2018

              986                 1.297                 257                               +2.443 Plätze
                  So viele Plätze fehlen noch, um das Ziel
                        von 50 Prozent zu erreichen.

                                                                                                C
                                                                                               A B

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Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019

Kurz
gemeldet

Dem Hass keine Chance                                                  Berufsbegleitendes
Für ihr Engagement gegen
                                                                       Studium: Sozial-
Ausgrenzung und für Tole-                                              wissenschaftliche
ranz hat die Arbeitnehmer-
kammer Bremer Schüle-
                                                                       Grundbildung
rinnen und Schüler beim
                                                                       Der Zwei-Jahres-Kurs vermittelt Wissen und
Senats-Wettbewerb „Dem
                                                                       Arbeitstechniken, um gesellschaftliche Zu­­
Hass keine Chance“ mit
                                                                       sammenhänge besser zu verstehen, zu be­­ur­
einem Sonderpreis über
                                                                       teilen und mitzugestalten. Er ermöglicht den
500 Euro ausgezeichnet.
                                                                       Zugang zu vielen Studiengängen der Universität
Der Preis geht an eine neunte Klasse der Oberschule Ohlenhof in
                                                                       Bremen und der Hochschule Bremen.
Bremen-Gröpelingen. Die 20 Schülerinnen und Schüler haben sich
                                                                               Der Kurs umfasst wöchentliche Abend-
im Rahmen eines Projekts mehrere Wochen mit den Themen Men-
                                                                       veranstaltungen, einige Samstagsveranstaltun-
schenwürde und Menschenrechte auseinandergesetzt und als Ergeb-
                                                                       gen und drei einwöchige Bildungsurlaube.
nis Songs geschrieben, Interviews geführt, Plakate gestaltet und das
                                                                               Die Kosten für die gesamte Kursdauer
Projekt präsentiert.
                                                                       von zwei Jahren betragen maximal 700 Euro
       Mit der Vergabe des Sonderpreises will die Arbeitnehmer-
                                                                       plus ­Kosten für die drei Bildungsurlaube. Es
kammer junge Menschen ermutigen, sich gegen Ausgrenzung, Frem-
                                                                       gibt verschiedene Förderungen und Ermäßi­
denfeindlichkeit und Gewalt einzusetzen.
                                                                       gungen.

­                                                                      Informations­
                                                                       veranstaltungen
Schöner geht immer – unser                                             2. Juli, 22. August und
                                                                       5. September,
neues Online-Magazin ist da                                            jeweils 18 bis 20 Uhr
                                                                       Universität Bremen / Zentrum für Arbeit und
                              Ab sofort hat das BAM im Netz einen
                                                                       Politik (zap), Celsiusstraße 2, 28359 Bremen,
                              neuen Look. Wir w  ­ erden aktueller
                                                                          0421 . 218 56 702     www.uni-bremen.de/zap
                              und öfter aus der B ­ remer Arbeits-
                              welt berichten als wir das alle zwei
                              Monate im Heft können, außerdem
                              gibt es Fotostrecken und Videos.         Für ein Recht auf
                              Und die Ausgaben können nach
                              ­Themen durchsucht ­werden. Selbst-
                                                                       Weiterbildung
                               verständlich ist die BAM online auch
                                                                       Der digitale Wandel verändert die Arbeitswelt.
                               für das Smartphone optimiert.
                                                                       Beschäftigte brauchen Zugänge zu Fortbildung
                                                                       und Qualifizierung. Deshalb setzen sich die
                                  www.arbeitnehmerkammer.de/bam
                                                                       Arbeitnehmerkammern aus Österreich, Luxem-
                                                                       burg, dem Saarland und Bremen für ein Recht
                                                                       auf berufliche Weiterbildung ein. Sie trafen sich
                                                                       im Juni zum internationalen Kammertag, um
                                                                       gemeinsam an Zukunftsthemen in Europa wie
                                                                       der Gestaltung des digitalen Wandels und der
                                                                       Stärkung der Arbeitnehmerrechte zu arbeiten.

                                                                                                                           — 5
Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
SCHWERPUNKT

      Alte Schätze –
      frischer Wind
      — Visionen für Bremerhaven

                                                                          Marion Salot ist in
                                                                         ­Bremerhaven auf­­­ge­
                                                                       wachsen. Die R
                                                                                    ­ eferentin
                                                                        für Wirtschaftspolitik
                                                                        bei der Arbeitnehmer-
                                                                       kammer beschäftigt sich
                                                                      schwerpunktmäßig mit der
                                                                               ­Seestadt.

                                                                           Foto: Meike Lorenzen

      Es gibt wohl nur wenige Städte in Deutschland, die sich mit
      ­Strukturwandel so gut auskennen wie Bremerhaven. In ihrer
      ­Vergangenheit musste sich die Seestadt immer wieder neuen
      Herausforderungen stellen – für die sie immer wieder Lösungen
      gefunden hat. Nicht zuletzt diese Wandlungsfähigkeit ist es,
      die ihr für die Zukunft vielfältige Potenziale eröffnet

      Text: Anne-Katrin Wehrmann

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Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
Schwerpunkt                                                                BAM — Juli / August 2019

                                             hat, gibt es auch ganz andere Seiten       wiedererstarkte Hafen sowie der Tou-
                                             zu entdecken. Ob Vielfalt der Kulturen,    rismus, und auch im Sozialwesen
                                             Lage am Meer, bezahl­barer Wohnraum,       und im Wissenschaftssektor kamen
                                             kluge Köpfe oder eine kleine, aber feine   viele zusätzliche Arbeitsplätze hinzu.
                                             Kulturszene: Bremer­haven verfügt über     ­Zwischen 2007 und 2013 sorgte dar-
                                             viele Schätze, die schon gehoben sind –     über hinaus die von der Landes­
                                             und über solche, die künftig noch ge­­      regierung gezielt geförderte Offshore-­
                                             hoben werden können. Oder mit den           Windindustrie für einen Boom. Zwar
                                             Worten von Hendrikje Kozlowski, die         ist die anfängliche Goldgräberstim-
                                             an der Hochschule Bremerhaven Bio-          mung nach diversen Insolvenzen in
                                             technologie der Marine studiert: „Ich       der Branche einer gewissen Ernüch-

„W
                                             finde, dass die Stadt etwas zu bieten       terung ge­­wichen. „Aus den Erfahrun-
                 er einmal hier ist, lernt   hat, wenn man danach sucht.“                gen der vergangenen Jahre lassen sich
                 diese Stadt lieben.“ Das                                                aber einige Schlüsse ziehen, an die man
                 sagt Martin ­  Lukassen,    Arbeitsmarkt mit Aufs und Abs               anknüpfen kann“, sagt Marion Salot,
                 Betriebsratsvorsitzen-      In den 1970er-Jahren war Vollbeschäf-       Referentin für Wirtschaftspolitik bei
der der AMEOS-Klinik Bremer­      haven-     tigung in der Seestadt keine Vision,        der Arbeitnehmerkammer. So habe die
Mitte, über seine Wahlheimat. Er weiß,       sondern nahezu Realität. In Zeiten          Seestadt einmal mehr ihre Wandlungs-
wovon er spricht: Seit 1974 lebt der         von Wirtschaftswachstum und guter           und Anpassungsfähigkeit be­­wiesen:
gebürtige Cloppenburger, der hier            Konjunktur freuten sich nicht nur die       „Die Erfahrung mit Rückschlägen und
damals seine Ausbildung zum Kranken-         Werften über volle Auftragsbücher:
                                             ­                                           Struktur­brüchen hat dazu geführt,
pfleger begann und später bis zu seiner      Auch im Hafen, in der Fischerei und         dass hier nicht lange gefackelt wird,
Wahl in den Betriebsrat als Anästhesie­      in der Fischverarbeitung gab es viel        wenn sich Chancen bieten.“ Das poli-
pflegeleiter tätig war, nun schon in                                                     tische Flankieren der Offshore-Wind­
der Seestadt. Und so ist ihm natürlich                                                   energiebranche lasse sich als Blaupause
bewusst, dass Bremerhavens Image                                                         auch für andere Branchen heranziehen,
in der Öffentlichkeit alles andere als                                                   ist Salot überzeugt. „Dabei wird es die
gut ist. Doch Lukassen hat sich in all            „Die Entwicklung                       besondere Herausforderung sein, auf
den Jahren sein eigenes Bild machen                                                      die eigenen Stärken und das regionale
­können. „Wenn die Leute einige Zeit
                                                ­Bremerhavens steht                      Profil zu setzen und dabei zu starke
 hier sind, sind sie meist überrascht,        und fällt damit, ­welche                   Abhängig­keiten von bestimmten Wirt-
 dass die Stadt kein Vorort von ­Bremen                                                  schaftsbereichen zu vermeiden.“
 ist und mehr Kultur zu bieten hat,
                                                   ­Perspektiven die
 als sie dachten“, hat er festgestellt.        ­Menschen haben, die                     Kultur als Bindeglied
 Ihm selbst fiel bei seiner Ankunft vor                                                 Welche konkreten Chancen bieten sich
 45 Jahren als Erstes das offene Klima
                                               hier geboren werden.“                    Bremerhaven also nach den langen
 auf – Herkunft, Religion oder andere                     Marion Salot                  Jahren des Strukturwandels? Wer mit
 Kriterien spielten keine Rolle. Und
 ­                                                                                      den Menschen spricht, merkt schnell,
 daran hat sich bis heute nichts ge­­                                                   dass sie sich in ihrer Stadt wohl­fühlen
 ändert. Hätte er die Möglichkeit, als                                                  und viel Positives zu berichten haben.
 Botschafter für die Seestadt ­Werbung       zu tun. Zudem sorgten die hier statio-     Da ist zum Beispiel die Künstlerin Sofia
 zu machen, würde er sie mit drei            nierten US-Amerikaner für einen ganz       Schneider, die zusammen mit vielen
 Worten beschreiben: „Ehrlich, welt­
 ­                                           eigenen Arbeitsmarkt. Die Abhängig-
                                             ­                                          anderen Kreativen im Goethequartier
 offen und tolerant.“                        keit von maritimen Branchen war es
                                             letztlich, die dazu führte, dass eine
Bremerhaven, der Osten des Westens:          jahrzehntelange Strukturkrise die Stadt
Ganz anders klingt da die Beschrei-          komplett veränderte. Fischereikrise,        Nachdem in Bremerhaven jahre­lang
bung, die manche Medien ver­breiteten,       Weltwirtschaftskrise, Werftenkrise und      weniger als 1.000 Kinder pro Jahr zur
als die Arbeitslosigkeit 2005 infolge        1992 / 1993 dann auch noch der Abzug        Welt kamen, steigt die Zahl der Ge­­
von Schiffbaukrise und Abzug der             der Amerikaner: Bis 2005 ging jeder         burten seit 2013 an und liegt mittler-
US-amerikanischen Streitkräfte mit           fünfte Arbeitsplatz verloren. Immer         weile bei mehr als 1.160 pro Jahr. Im
einer Quote von mehr als 25 Prozent          mehr Wohnungen standen nun leer,            Alter bis zu ­sieben Jahren gibt es heute
ihren Höchststand erreichte. Bis heute       die Kaufkraft ließ nach und so geriet       gut 1.000 Kinder mehr als noch vor
hat die Stadt gegen die weitverbrei-         auch der Einzelhandel in ­    schweres      sechs Jahren. Während auch in deut-
tete Annahme zu kämpfen, dass sie im         ­Fahr­wasser.                               schen ­Familien ­wieder mehr ­Kinder
Wesentlichen durch Armut, vermeint-                                                     ­ge­­boren ­werden, wird der Anstieg vor
liche Trostlosigkeit und abgehängte          Seit 2006 geht es auf dem Arbeits-          allem durch mehr zuge­zogene aus­
Stadtteile gekennzeichnet sei. Doch das      markt wieder aufwärts, rund 10.000          ländische Kinder ge­­tragen. Ihr Anteil in
ist nur ein Teil der Wahrheit. Neben den     sozialversicherungspflichtige Jobs sind     dieser Altersgruppe hat sich fast ver­
unbestreitbar vorhandenen Problemen,         seither entstanden. Zu wichtigen Säu-       doppelt.
die der Strukturwandel hinterlassen          len im Strukturwandel wurden der

                                                                                                                                   — 7
Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019                                                                    Schwerpunkt

                       aktiv ist und große Lust hat, etwas          den hier stationierten Amerikanern
                       zu bewegen. „Für mich ist Bremer­            längst be­­wiesen.
                       haven eigentlich ein Stadtteil von Ber-
                       lin“, sagt sie. In den ­Straßen sehe es      Zu den großen Vorteilen, mit
                       ganz ähnlich aus – nur dass man in           denen        Bremerhaven      punk-
                       Bremer­haven innerhalb von 20 Minu-          ten kann, gehören die günsti-
                       ten jeden Ort erreichen könne. Oder          gen Mieten. Davon profitieren
                       der ­ Schweizer Schauspieler Roberto         nicht nur die Ein­­wohner, son-
                       ­Widmer, der 2002 durch ein Engage-          dern auch die Kreativen und
                        ment des Stadt­   theaters in die See-      Existenzgründer. „Für Start-
                        stadt kam und ursprünglich nur ein          ups ist es optimal hier, weil
                        paar Jahre b ­leiben wollte – dem es        die Räume so günstig sind“,
                        dann aber so gut gefiel, dass er 2011       macht ­     Studentin Hendrikje
                        mit dem „­  piccolo ­ teatro“ sein eige-    Kozlowski deutlich. „Für einen
                        nes Zimmertheater gründete und eta-         Onlineshop zum Beispiel ist es
                        blierte. „Es gibt vielleicht einige nicht   ja egal, ob man in Berlin sitzt oder
                        so schöne sozial­politische ­Situationen    hier.“ Noch gezielter als bisher junge
                        hier“, meint ­Widmer. „Aber an­­sonsten     und inno­vative Unternehmen von der
                        finde ich, dass die Stadt eine ext-         Stadt zu begeistern, wäre ein weite-
                                                                                                                        „Für mich ist
                        reme Attraktivität hat.“ Es sind Men-       rer Ansatz zur positiven Gestaltung des
                        schen wie sie, die sich dafür engagie-      Arbeitsmarkts. Da passt die aktuelle               Bremerhaven
                        ren, die für eine eher kleine Großstadt     Idee, auf der Luneplate ein Gewerbege-
                                                                                                                   eigentlich ein Stadtteil
                        schon recht lebendige Kulturszene wei-      biet für die Green Economy ent­stehen
                        ter auszubauen. Und gerade die Kultur       zu ­lassen, gut ins Bild. Mit Projekten              von Berlin.“
                        bietet hervor­ ragende Möglichkeiten,       wie diesem ließe sich zudem das Label
                                                                                                                             Sofia Schneider
                        neue Einwohner in die Stadtgesell-          „Klima­stadt“, das sich Bremer­haven vor
                        schaft zu integrieren und sie so als        einigen Jahren ­gegeben hat, mit wei-
                        Bereicherung wahrzunehmen. Dass             terem Leben ­füllen. Und warum nicht
                        die Seestadt „Multikulti“ kann, hat sie     auch das Thema M       ­ obili­
                                                                                                  tät gewinn-
                        schließlich mit ihrer ­langen Aus- und      bringend nutzen, um die Stadt noch
                        Einwanderer-­Tradition, den stets welt­     ­attrakti­ver und umwelt­­freund­licher
                        offen empfangenen Seeleuten und dem          zu ge­­stalten? Warum nicht neben
                        freundschaftlichen Miteinander mit           kurzfristig realisier­baren Car-
                                                                     und Bike-­Sharing-Konzepten
                                                                     auch die immer wieder einmal
                                                                      diskutierte Vision vorantrei-
                                                                          ben, die 1982 stillgelegte
                                                                              Straßen­bahn wieder­
                                                                                 einzuführen?

                                                                                  Jünger und bun-
                                                                                   ter
                                                                                    Dass Bremerhaven
                                                                                    seit einigen ­    Jahren
                                                                                    kinderreicher und noch
                                                                                    inter­nationaler (s. Kasten
                                                                                    Seite 7) wird, ­bietet eben-      „Es gibt vielleicht
                                                                                  falls neue Perspektiven
                                                                                 für die Zukunft. Die Stadt-       einige nicht so schöne
                                                                               politik hat diesen Aspekt               ­sozial­politische
                                                                               längst in den Fokus genom-
                                                                               men: 2012 stellte der Magis-        Situationen hier. Aber
                                                                               trat die Weichen in Richtung               ­ansonsten
                                                                               einer       kinderfreundlichen
                                   „Wer einmal hier                            Stadt, seit dem Beschluss             finde ich, dass die
                                                                               des Rahmen­konzepts „Frühe            Stadt eine ­extreme
                                    ist, lernt diese                           Hilfen           Bremer­haven“
 Fotos: Kay Michalak

                                     Stadt lieben.“                            werden vernetzte Ange-
                                                                               ­                                      ­Attraktivität hat.“
                                                                               bote für ­Familien und ihre
                                         Martin Lukassen                                                                    Roberto Widmer
                                                                               Kinder systematisch aufge-
                                                                               baut. Ziel ist eine kommunal

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Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019

                                                                                             KOMMENTAR
                                            keine Lehr­  stellen anbiete, kriti-
                                             siert Marion Salot. „Die Entwick-
                                                lung Bremerhavens steht und
                                                  fällt damit, welche Perspek-
                                                   tiven die Menschen haben,

                                                                                                                                          Foto: Stefan Schmidbauer
                                                     die hier geboren werden“,
                                                      macht sie deutlich. „Es darf
                                                      kein Jugendlicher verloren                Marion Salot,
                                                      gehen, der eine Ausbildung              Referentin für
                                                      machen möchte.“                           Wirtschafts­
                                                                                                      politik

   „Ich finde, dass
                                                                                                Perspektiven
   die Stadt etwas                                                                                für alle!
 zu bieten hat, wenn
 man danach sucht.“
                                                           Alte S
      Hendrikje Kozlowski                                        c
                                                           frische hät ze –
                                                                  r Wind
                                                         Vision
                                                               en für
                                                                            Bremerh
                                                                                      aven
                                                                                             In der Seestadt gibt es viele Schätze, die
                                                        www.a
                                                                                             zu heben sind. Aber diese Ansätze stoßen
                                                                                             nur dann auf fruchtbaren Boden, wenn es
                                                                rbeitn
                                                                         ehmerk
                                                                               amme
                                                                                      r.de

breit aufgestellte und vernetzte Infra-                                                      gelingt, die Beschäftigungsperspektiven
struktur für Erziehung, Bildung und            www.arbeitnehmerkammer.de/                    für die Menschen in der Stadt zu verbes-
Gesundheit, die sich an den Bedarfen        publikationen                                    sern.
der ­jungen ­Familien orientiert. Das be­                                                            Das fängt bei den Jugendlichen
deutet zugleich, dass die Bedeutung der     Ab Ende August finden meh-                       an, die bei der Suche nach einem Aus­
frühkindlichen Bildung als Job-Motor        rere Veranstaltungen in                          bildungsplatz leer ausgehen. Auch die
künftig noch weiter zunehmen wird.          Bremer­haven statt, etwa zur                     Langzeitarbeitslosigkeit ist immer noch
Garantierte Kita-Plätze, gute S ­ chulen,   Stadt der klugen Köpfe, zur                      viel zu hoch und es fehlt an Arbeitsplätzen.
Mehrgenera­tionenhäuser, ­Spiel­straßen,    Stadt der Vielfalt und zur Kli-
dazu attraktiver und bezahlbarer            mastadt.                                         Die Erfahrungen, die Bremerhaven mit
Wohn­raum – es gibt viel zu tun, um die         www.arbeitnehmerkammer.de/                    den zahlreichen Strukturbrüchen gemacht
Familienfreundlichkeit weiter zu er­hö-     veranstaltungen                                   hat, zeigen, dass die Stadt ungewöhnliche
hen. „In einem besonders kinderreichen                                                       Wege gehen kann, um Herausforderungen
Quartier könnte zum Beispiel modell-            Warum Bremerhaven                             zu meistern. Ein wichtiger Beitrag kann
haft ein familiengerechter Stadtteil ent-       so liebenswert ist,                           ein dauerhaft eingerichteter öffentlich
wickelt werden“, schlägt Marion Salot           zeigt Marion Salot im                        geförderter Beschäftigungssektor sein. So
von der Arbeitnehmerkammer vor.                 Video.                                        können auch Menschen, denen es schwer-
        Unter anderem das Alfred-­          			                                              fällt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu
Wegener-Institut, die Thünen-­Institute     			YouTube:                                      fassen, am gesellschaftlichen Leben teil-
für Seefischerei und Fischereiöko­logie         Arbeitnehmerkammer                            nehmen.
und das Fraunhofer-Institut für Wind­          ­Bremen                                                Die Spielräume, die von der
energiesysteme haben in den vergan-                                                          Bundes­politik hier eröffnet werden, sollten
genen Jahren schon viele kluge Köpfe                                                         in Bremerhaven konsequent genutzt
in die Stadt geholt. Gleiches gilt für                                                       werden. Denn eine Stadt ist nur dann
                                                                                             ­
die Hochschule, die kontinuierlich                                                           wirklich lebenswert, wenn sie allen Bür-
wächst und die Zahl ihrer Studieren-                                                         gerinnen und Bürgern eine Perspektive
den von derzeit gut 3.000 auf 5.000                                                          ­bietet.
im Jahr 2035 aufstocken will. Bei all-
dem darf allerdings das Themenfeld
Ausbildung nicht aus dem Blick gera-
ten. Es sei inakzeptabel, dass aktuell
jeder dritte Großbetrieb in der Stadt

                                                                                                                                    — 9
Alte Schätze, frischer Wind - Visionen für Bremerhaven
BAM — Juli / August 2019                                                               Arbeit & Gesundheit

       Mit dem Fahrrad                                                                    Sichtbarkeit
                                                                                          In der Dunkelheit ist das Tragen von

       zur Arbeit
                                                                                          ­Kleidung mit Reflektoren sinnvoll. Am Rad
                                                                                          angebracht, werden sie oft von anderen
                                                                                          Fahrzeugen verdeckt, daher sind höher

       — Tipps für die                                                                    an der ­Kleidung befestigte Reflektoren
                                                                                          besser.

       Sicherheit
       Text: Frauke Janßen

   R
                und ein Viertel der Bevölkerung fährt in Bremen
                mit dem Fahrrad zur Arbeit – Tendenz steigend.
                Schmale Radwege, zunehmende E-Bike-Mobilität,
                falsches Verhalten von Autofahrern und anderen
       Verkehrsteilnehmern, Unaufmerksamkeit, aber auch tech-
       nische Unzulänglichkeiten am Fahrrad können zu Unfällen
       führen.

       Vorausschauend fahren                                          Wie komme ich sicher zur Arbeit?
       „Um mit kritischen Situationen souverän umgehen zu kön-           In Ruhe: „Morgens fünf Minuten früher aufbrechen,
       nen, ist vorausschauendes Fahren besonders wichtig“, sagt         damit keine Hektik aufkommt, die wiederum Fahrver-
       Albrecht Genzel, Verkehrsreferent beim Bremer Landesver-          halten und Aufmerksamkeit beeinträchtigt“, rät Albrecht
       band des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).              Genzel.
       Jeder Radfahrer sollte sich mit seinem Gefährt genauestens        Sichtbar: Im morgendlichen Verkehrsgewirr sind Reflek-
       vertraut machen. Wie reagiert es beim Bremsen, in Kurven          torstreifen oder -bänder sinnvoll. Weil die am Rad an­­
       oder beim Manövrieren? „Das gilt gerade dann, wenn man            gebrachten Reflektoren von anderen Fahrzeugen ver-
       sich ein neues Fahrrad anschafft“, sagt Genzel. Insbeson-         deckt werden, Reflektoren und Strahler weiter oben an
       dere die Nutzer sogenannter Pedelecs, die bis zu 25 Kilo-         der Kleidung befestigen.
       meter pro Stunde fahren können, sollten ihre Räder sicher         Auf der richtigen Seite: Geisterfahrer leben gefähr-
       und aufmerksam durch den Verkehr lenken können – auch,            lich: Sie werden von abbiegenden Autofahrern leicht
       um nicht langsamere Menschen mit dem Fahrrad zu gefähr-           über­sehen. Zur eigenen Sicherheit und um den Radver-
       den. „Früher wurde die Geschwindigkeit durch Muskelkraft          kehrsfluss nicht zu beeinträchtigen, auf der richtigen
       begrenzt. Gerade ältere Menschen sind deshalb meist lang-         Seite fahren.
       samer gefahren. Dieser natürliche Schutz fällt durch die          Eindeutig fahren: Abbiegen, Anhalten, Spurwechsel
       E-­Mobi­lität weg“, gibt Genzel zu bedenken. „Hier heißt es,      und andere Fahrmanöver sollten für andere berechenbar
       Vernunft einschalten und die Geschwindigkeit im Stadtver-         sein. Plötzliche, unangekündigte Richtungswechsel ver-
       kehr drosseln“, meint der Verkehrsexperte. Grundsätzlich          meiden.
       gelten für E-Bike-Fahrer die gleichen Rechte und Pflichten        Mit Fehlern anderer rechnen: „Das Vorderrad des neben
       wie für alle anderen Radfahrer.                                   sich Fahrenden beobachten“, rät Albrecht Genzel. „So
                                                                         lässt sich dessen Rechtsabbiegen schneller erkennen.“
                                                 Gehwege sind            Weil die meisten Fahrradunfälle durch Autofahrer verur-
                                                 tabu                    sacht werden, ist defensives Fahren überlebenswichtig.
                                                 Fahren Sie grund-       Sicher fahren: Insbesondere folgende Teile sollten
                                                 sätzlich nicht auf      regelmäßig überprüft werden: Bremsen und Bowdenzüge
                                                 Gehwegen. Sie           sowie Rahmen, Gabel, Lenker und Sattelrohr auf Risse
                                                 gefährden damit         oder lose Schrauben. Vor allem die Beleuchtung muss
                                                 sich selbst und         immer funktionieren.
                                                 ­Fußgänger

                                                                                 Unser Infoblatt „Zur Arbeit – gesund, fit
                                                                                 und sicher“ finden Sie unter
                                                                                     www.arbeitnehmerkammer.de/downloads
                                                                                 (Infoblätter Arbeit und Gesundheit)

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Fragen & Antworten                                                             BAM — Juli / August 2019

Finanzen, Arbeit,
Steuer — Tipps für
Allein­erziehende

In Bremen leben immer mehr Alleiner­ziehende.
Oft gehen sie arbeiten, doch bei vielen
reicht das Einkommen nicht zum Leben.
Welche Unterstützungs­möglichkeiten gibt es?

                                           Kinder ab zwölf bis 18 Jahren ­können       oder Pflege des erkrankten Kindes
Text: Aberra Chatto                        auch Unterhaltsvorschuss bekommen,          von der Arbeit fernbleiben müssen**.
Foto: Jonas Ginter                         vorausgesetzt, entweder sie selbst          Oft verhindert aber eine Bestimmung
                                           beziehen keine Leistungen nach dem          im Arbeitsvertrag oder auch eine Vor-
                                           SGB II oder der alleiner­ziehende Eltern-   schrift im einschlägigen Tarifvertrag
 1.     Bin ich nach der Geburt
        des Kindes finanziell              teil verdient im SGB-II-Bezug mindes-       diese bezahlte Freistellung ganz oder
        abgesichert?                       tens 600 Euro brutto.                       teilweise. Dann kann Kinderkranken-
Neben dem Elterngeld, dass berufs-                                                     geld unter Freistellung von der Arbeit
tätige Alleinerziehende bis zum                                                        bis zu 20 Arbeitstagen für jedes Kind
14. Lebensmonat des Kindes erhalten        3.       Welche Möglichkeiten
                                                    entlasten mich steuerlich?         in jedem Kalenderjahr bei der Kranken-
können, gibt es Kindergeld in Höhe         Für das erste Kind erhalten Sie einen       kasse beantragt werden (bei Erkran-
von 204 Euro pro Monat pro Kind.           Entlastungsbetrag in Höhe von 1.908         kung mehrerer Kinder für nicht mehr
Und wenn Sie keine Arbeit aufnehmen        Euro pro Jahr. Für jedes weitere Kind       als 50 Arbeitstage). Sowohl der allein-
können, können sie Arbeitslosengeld
­                                          erhöht sich der Betrag um jeweils 240       erziehende Elternteil als auch das Kind
II, Sozialgeld oder Sozialhilfe bean­      Euro. Dazu muss das Kind, für das Kin-      müssen gesetzlich krankenversichert
tragen, unter Umständen auch Wohn-         dergeld beansprucht wird, bei dem           sein, das kranke Kind muss im Haus-
geld und eine Haushaltshilfe. Wenn         oder der Alleinerziehenden leben und        halt leben und eine andere im Haushalt
Berufstätige nicht über genug Einkom-      gemeldet sein und es darf keine Haus-       lebende Person kann das Kind nicht
men verfügen, um den Lebensunterhalt       haltsgemeinschaft mit einer ande-           betreuen beziehungsweise pflegen
von unver­heirateten Kindern unter 25      ren erwachsenen Person be­­    stehen.      und das kranke Kind darf das zwölfte
­Jahren zu finanzieren, besteht zusätz-    Der Entlastungsbetrag kann ent­             Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
 lich zum Kindergeld Anspruch auf Kin-     weder durch Antrag beim Finanzamt           Bei behinderten Kindern entfällt die
 derzuschlag, vorausgesetzt, die oder      in die Lohnsteuerklasse II oder mit         Altersgrenze.
 der Alleinerziehende verdient mindes-     der Steuerklärung beantragt ­ werden.
 tens 600 Euro brutto.                     Außerdem können zwei Drittel der
                                           Kinder­betreuungskosten steuerlich ab­­­    * § 616 BGB
                                           ge­­setzt ­werden.                          ** BAG-Urteil vom 19.4.1978 – 5 AZR
2.      Welche Ansprüche habe ich
        gegenüber der Kindesmutter                                                        834/76
        oder dem Kindesvater?
Sollte kein oder nicht regelmäßig aus-     4.     Was ist, wenn mein Kind
                                                  krank ist und ich nicht
reichender Mindestunterhalt für das               arbeiten gehen kann?
Kind gezahlt werden, können Sie­           Grundsätzlich besteht Anspruch auf          Kammermitglieder können sich in
diesen bei der Unterhaltsvorschuss-        Entgeltfortzahlung. Nach der Recht-         ­Fragen des Arbeits- und Steuerrechts
stelle ­
       Bremen beantragen. Anspruch         sprechung müsste der Arbeitgeber das         kostenlos beraten lassen. Weitere
haben Kinder bis zu zwölf Jahren. Hier-    Gehalt für bis zu fünf Arbeitstage* fort-    Infos – auch zur öffentlichen Rechts-
bei spielt es keine Rolle, wie viel der    zahlen, wenn Sie nach ärztlichem Attest      beratung – auf der Rückseite dieses
alleinerziehende Elternteil verdient.      für die Betreuung, Beaufsichtigung           Magazins.

                                                                                                                                 — 11
BAM — Juli / August 2019                                                                                      Tipps & Termine

       Tipps & Termine
                                                                                                                  VERANSTALTUNGS-TIPPS

       VERANSTALTUNGS-TIPP

       GartenKultur-­
       Musikfestival                                                                                              Eine Woche
       Im August lockt das GartenKultur-
                                                                                                                  Sause für die
       Musik­festival mit etwa 40 Veran-                                                                          Vier

                                                                                         Foto: ©WFB Ingo Wagner
       staltungen in Bremen und Umzu. Ob
                                                                                                                  Während der Geburtstagwoche gibt es
       romantische Privatgärten, stimmungs-
                                                                                                                  ein ‚Fensterkonzert‘ mit den ­Bremer
       volle Parks oder Streuobstwiese,
                                                                                                                  Philharmonikern auf dem Domshof
       Schlossgarten oder Burghof – seit 16
                                                                                                                  (3. Juli), das Straßenmusikfestival
       Jahren finden hier Musikerlebnisse
                                                                                                                  ‚Stadtmusik‘ in der Bremer Innenstadt
       statt – ob Klassik, Jazz-, Folk-, Tango-,
                                                                                                                  (3.– 6. Juli), den ‚Musikantenflash­
       Blues-, Salon­musik und viele andere
                                                                                                                  mob‘ von der Bremer Innenstadt zur
       Musikstile.
                                                                                                                  Breminale (6. Juli) und eine Überra-
               Die Arbeitnehmerkammer ist mit zwei Veranstaltungen dabei: am
                                                                                                                  schungsveranstaltung am 7. Juli.
       10. August empfängt Thea Soti mit NaNaya im Garten der Lesumer Kirche
                                                                                                                      www.bremen.de/kultur/
       und am 17. August lädt Come, Sable Night ins Schloss Schönebeck (S. 13).
                                                                                                                      stadtmusikantensommer

          www.arbeitnehmerkammer.de/veranstaltungen
          www.gartenkultur-musikfestival.de                                                                       9 für Kultur –
                                                                                                                  Fest der Bremer
       BUCH-TIPP                                                                                                  Bürgerhäuser
                                    So geht                                                                       24. August 2019, 11–18 Uhr
                                                                                                                  Die Bremer Bürgerhäuser veranstalten
                                    Büro heute!                                                                   ein musikalisches Spektakel – auch
                                                                                                                  zum Mitsingen – mit dem Kaffeehaus­
                                    Kurz, Jürgen; Miller, Macel                                                   orchester.
                                    So geht Büro heute!                                                           In der Bremer Innenstadt und in
                                    Erfolgreich arbeiten im digitalen Zeitalter,                                  den Wallanlagen.
                                    GABAL, 2019, 190 Seiten                                                           www.bremer-buergerhaeuser.de

                                   Die Welt wird immer schnelllebiger, wir verbrin-
                                   gen sehr viel Zeit an unseren Computern und die
                                                                                                                  Tier gewinnt –
                                   E-Mails im Postfach werden mehr. Viele Beschäf-                                die Fototour
                                   tigte fühlen sich oft gehetzt und wissen gar nicht,
                                                                                                                  30. August 2019, 18.30 Uhr
       wo sie anfangen sollen. Der Effizienz-Trainer ­Jürgen Kurz beschreibt in sei-
                                                                                                                  Bremen hat Geschichte – und diese
       nem Buch Prinzipien des Arbeitens, um im digitalen Zeitalter erfolgreich zu
                                                                                                                  wird weiter geschrieben, von Men-
       sein und den Büroalltag effizienter zu gestalten – es geht unter anderem um
                                                                                                                  schen mit Träumen und Visionen, die
       E-Mail-Verarbeitung, Terminplanung, Aufgaben­management und die Datei­
                                                                                                                  mindestens genauso wichtig sind wie
       ablage. Eine gute Grundlage, egal ob komplett papierlos oder einfach nur ein
                                                                                                                  Esel, Hund, Katze und Hahn. Der Klub
       bisschen digitaler gearbeitet wird.
                                                                                                                  Dialog lädt 40 Bremerinnen und Bre-
                                                                                                                  mer zur Klubreise – mit dem Fahrrad.
       Dieses Buch können Sie
                                                                                                                  Um das Besondere, das Gemeinsame,
       in Ihrer Stadtbibliothek ausleihen.
                                                                                                                  das Bremische bei diesem Feierabend-
                                                                                                                  walk festzuhalten, sind Handyka-
                                                                                                                  meras und der ein oder andere Ins-
                                                                                                                  tagram-Account willkommen.
       Beschäftigte mit KammerCard erhalten auf die ­BIBCARD der                                                  Treffpunkt: Vor der Kunsthalle
       ­Stadt­bibliothek zehn Prozent Ermäßigung!                                                                    Anmeldung: www.klub-dialog.de/reise
           www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard

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Veranstaltungskalender                                                                BAM — Juli / August 2019

Veranstaltungen
    BREMEN & BREMEN-NORD

1. Juli                  Lasst uns reden – über Verhandlungsführung                                             Foto: Rüdiger Lubricht,
                                                                                                                Bushaltestelle Teufelsmoor
14 – 17 Uhr              Für Interessenvertretungen aus Pflege, Betreuung, Labore und Therapie-
                         einrichtungen
                                                                                                                Ausstellung: „Sieben
                         DGB-Haus, Sitzungssaal 1. Stock, Bahnhofsplatz 22, 28195 Bremen
                                                                                                                auf einen Streich“,
                         Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“                                            bis 30. August
2. Juli                     Flexirente – so geht’s                                                              Galerie im Foyer der
                         Lindenstraße 8, Bremen-Nord                                                            Arbeitnehmerkammer,
20. August                  Das Arbeitszeugnis – „Er hat sich stets bemüht“                                     Bremen
                         Bürgerstraße 1, Bremen
27. August                  Flexirente – so geht’s
je 18 – 19.30 Uhr        Bürgerstraße 1, Bremen

2. Juli                  Aus der Reihe „Der digitale Salon“ – Meine Daten, deine Daten
18 Uhr                   Vom Umgang mit digitalen Daten privat und bei der Arbeit
                         Kultursaal, Bürgerstraße 1, Bremen

                         Im Rahmen des GartenKultur-Musikfestivals
10. August                  NaNaya – Weltmusik & Das WERTEmobil
19 Uhr                   Garten der Kirchengemeinde St. Martini zu Bremen-Lesum,
                         Hindenburgstr. 30, 28717 Bremen

17. August                   Come, Sable Night / Komm, dunkle Nacht
20 Uhr                   Englische Renaissance-Madrigale, romantische Klaviermusik und
                                                                                                                Barbara Meyer, Im Fokus (2014)
                         aktueller Vokal-Jazz
                         Schlossbesichtigung ab 19 Uhr / Konzertbeginn 20 Uhr                                   Ausstellung: „Ich erlaube
                         Gartenanlage Heimatmuseum Schloss Schönebeck, Im Dorfe 3-5, 28757 Bremen               mir“ – Abstrakte Arbeiten
                         (bei Regen im Schloss)                                                                 auf Leinwand und Papier
                                                                                                                von ­Barbara Meyer,
31. August                  „Denn wie man sich bettet, so liegt man“
                                                                                                                4. Juli – 28. August
20 Uhr                   Lieder und Geschichten von Bert Brecht,
                                                                                                                Galerie der Arbeitnehmer-
                         Anmeldung erbeten:         0421 . 30092-00
                                                                                                                kammer, Bremerhaven
                         Obstwiese des Bürger- und Sozialzentrums Huchting,
                         Amersfoorter Str. 8, 28259 Bremen (bei Regen im neuen Saal)

bis 30. August           Ausstellung: Sieben auf einen Streich – Fotografien von
                         Toma Babovic, Fritz Haase, Christine Henke, Rüdiger Lubricht,
                         Jürgen D. Schmidt, Jochen Stoss und Helmut Wieben
                         Zusammengestellt von Andreas Bohnhoff
                         Galerie im Foyer der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstr. 1, 28195 Bremen

    BREMERHAVEN

                         Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“
2. Juli                     Das Arbeitszeugnis – „Er hat sich stets bemüht“
                         Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven
20. August                  Flexirente – so geht’s
                                                                                                                Thea Soti, pressphoto 1,
je 17 – 18.30 Uhr        Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven                                   by Taya Chernyshova

4. Juli bis              Ausstellung: Ich erlaube mir – Malerei von Barbara Meyer
                                                                                                                NaNaya – Weltmusik &
28. August               Abstrakte Arbeiten auf Leinwand und Papier
                                                                                                                Das WERTEmobil
                         Eröffnung am Donnerstag, 4. Juli 2019, 18.30 Uhr
                                                                                                                10. August, 19 Uhr
                         Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, 27568 Bremerhaven
                                                                                                                Garten der Kirchengemeinde
4. September             Jobmotor Gesundheitswirtschaft – Perspektiven für Bremerhaven                          St. Martini zu Bremen-Lesum,
17 Uhr                   Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven                                   Hindenburgstraße 30,
                                                                                                                28717 Bremen
Weitere Veranstaltun­gen und ­Informationen unter             www.arbeit­nehmer­kammer.de/veranstaltungen

                        = für alle      = für Politikinteressierte     = für Betriebs- und Personalräte
                                                                                                                                             — 13
BAM — Juli
             September
                  / August/ Oktober
                            2019    2016

                Die Bauwirtschaft muss
                  attraktiver werden
          Eine neue Studie des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft zeigt die Baubranche als
       ­vielschichtiges Gefüge aus verschiedensten Gewerken und Betriebsformen mit abwechslungs-
        reichen Tätigkeiten. Es ist trotzdem ein Umdenken erforderlich, um die dringend benötigten
                                       Fachkräfte für die Zukunft sichern zu können

                                               untersucht der Professor für Sozio­logie   Holtrup vom iaw. „Es gibt gute Arbeits-
       Text: Frauke Janßen                     am Forschungsinstitut für Beschäfti-       bedingungen, aber nicht durchgehend
       Foto: Jonas Ginter                      gung Arbeit Qualifikation (BAQ) die        und nicht überall“, fasst Gerhard Syben
                                               vielen Facetten der Bauwirtschaft. Er      zusammen.
       „DIE Baubranche gibt es nicht“, räumt   hat an der aktuellen Baubranchenstu-
       Gerhard Syben mit dem Mythos auf,       die für das Land Bremen mitgewirkt,        Damit ist die „dunkle Seite der Bau-
       dass sich die verschiedenen Arbeits-    die die Arbeitnehmerkammer beim Ins-       wirtschaft“ gemeint, die sich seit
       welten in der Bauwirtschaft auf einen   titut für Arbeit und Wirtschaft (iaw)      Beginn der 1990er-Jahre massiv auf
       gemeinsamen Nenner bringen ließen.      der Universität Bremen in Auftrag          deutschen Baustellen ausgebreitet
       „Zwischen der Beschäftigung bei einem   gegeben hat. „Die Situation ist auch       hat und sich seitdem hartnäckig hält:
       großen Bauunternehmen über mittlere     in den einzelnen Bereichen wie etwa        Schwarz­arbeiter oder prekär beschäf-
       Handwerksbetriebe und kleine ­Firmen    Hochbau, Tiefbau und sämtlichen Aus-       tigte Selbstständige und Subunterneh-
       mit zehn Angestellten bis hin zu Sub-   baugewerken sehr unterschiedlich und       mer, die ihre Dienste häufig gegen
       unternehmerketten aus dem Aus-          abhängig von der jeweiligen Marktsi-       vergleichsweise geringe Bezahlung
       land liegen Welten.“ Seit Jahrzehnten   tuation“, erläutert Projektleiter André    anbieten. Das heißt: „Die halbseidene

— 14
Die Baubranche                                                              BAM — Juli / August 2019

Konkurrenz, die ­anderen Unternehmen         Das Bremer Baugewerbe                    eindämmen, da sie dort auf den Lohn-
den Markt streitig macht und dabei die                        2017                    zetteln nicht auftauchen“, hat Gerhard
Preise drückt“, sagt André Holtrup. Um                                                Syben beobachtet. „Eine höhere Kon-
                                                      Bauinvestitionen
die verzerrte Marktsituation regulieren                                               trolldichte hilft dennoch“, ist André

                                                                           €
zu können, gibt es beispielsweise Be­­                                                Holtrup überzeugt, „zum Beispiel um
strebungen, die Meisterpflicht für alle                                               das Risiko, durch Schwarzarbeit ­illegal
Gewerke wieder einzuführen. Das kolli-        1,9 Mrd.                                aufzufallen, zu erhöhen oder um die
diere aber insofern mit dem EU-Recht,               Euro                              Einhaltung der Nachunternehmer­­­­­haf­
als dass Fachkräfte aus anderen EU-­                                                  tung besser kontrollieren und Vergehen
Ländern nicht über Meisterbriefe ver-                                                 entsprechend bestrafen zu ­können.“
fügten, so Holtrup. Eine andere Maß-
nahme zur Regulierung, die bereits auf        Anteil am Bruttoinlandsprodukt          Fest steht: Die Unternehmen benöti-
den Weg gebracht wurde, ist die so­­
genannte Nachunternehmerhaftung:
                                                             6%                       gen Fachkräfte, um Probleme selbst
                                                                                      entschärfen zu können. Aber woher
„Der Generalunternehmer, der Auf-                                                     nehmen? Es braucht mehr Anreize für
träge an Nachunternehmer vergibt,                                                     junge Menschen, damit sie eine Aus-
muss, um illegale Beschäftigung zu                           BIP                      bildung absolvieren und auf dem Bau
vermeiden, genau kontrollieren, wen                                                   arbeiten möchten. Flexible Arbeitszeit-
er auf seiner Baustelle für sich arbeiten                                             modelle für eine bessere Vereinbarkeit
lässt“, er­­läutert Gerhard Syben.              Sozialversicherungspflichtig          von Beruf und Familie sind in diesem
                                                        Beschäftigte
                                                                                      Bereich schwierig zu organisieren. Die
                                               14.100                                 Bauwirtschaft muss sich dieser Aufgabe
                                                                                      dennoch stellen, sind sich die Forscher
                                                                                      einig. Auch die Digitalisierung gehört
     „Es gibt gute                                                                    zu den Innovationen, die das Image
 ­Arbeitsbedingungen,                                     14 %                        des Baugewerbes verbessern dürften.
                                                          Frauen                      Gerhard Syben hat sich intensiv mit
                                                                                      ­
aber nicht durchgehend                                                                Digitalisierungsprozessen auseinander-
   und nicht überall.“                               Durchschnittliches               gesetzt wie dem sogenannten Building
                                                   Bruttoeinkommen / Jahr             Information Modeling (BIM). Gemeint
             Gerhard Syben
                                                                                      ist die digitale und dreidimensionale
                                                                                      Darstellung von Gebäudemodellen mit
                                                  € €                                 sämtlichen Informationen rund um
                                                             36.000 Euro
Für die Studie wurden in den vergange-                                                die Bauplanung. Langfristiges Ziel des
nen 18 Monaten Zahlen zusammenge­                                                     BIM wäre, dass alle Akteure Zugriff
tragen, mit den Vorjahren verglichen                Neu abgeschlossene                zum jeweils aktuellen Planungsstand
sowie Interviews mit Betriebsin­habern,             Ausbildungsverträge               ­hätten, um Bauprozesse kontrollieren
Verbandsvertretern und Betriebsräten           in Bau- und baunahen Berufen            und verbessern zu können. Weil das
geführt. Trotz aller Unterschiede, die                                                 aber noch Zukunftsmusik ist, könnte
es hinsichtlich der Qualifikationen und                                                beispielsweise die Nutzung von Tablets
Arbeitsbedingungen gibt, ziehen die              447                                   auf Baustellen, wie sie manche Unter-
Forscher dennoch Bilanz: „Das Bau­                                                     nehmen bereits praktizieren, nicht nur
gewerbe bietet interessante Tätigkeiten                                                die ein oder andere Arbeit erleichtern,
mit unterschiedlichsten Gestaltungs-                           Quellen:                sondern auch dem potenziellem Nach-
                                              BIBB, Statistisches Landesamt Bremen,
möglichkeiten. Dennoch müssten die              eigene Berechnungen (iaw und BAQ)      wuchs gefallen.
Arbeitsbedingungen insgesamt attrak-               © Arbeitnehmerkammer Bremen
tiver für die Beschäftigten werden, um
die Fachkräftesituation zu entspannen.      Geld, sondern auch eine soziale Bezie-    Berufe im Baugewerbe
Das betrifft zum Beispiel die Be­zahlung.   hung zwischen Arbeit­geber und Arbeit-    (Auswahl)
Nicht selten werden Facharbeiter in         nehmer“, sagt Syben. Zur Lösung
eine unter der tariflich für ihre Quali­    könnten Allgemeinverbindlichkeitser-         Baugeräteführer
fikation festgelegten Lohngruppe ein-       klärungen von Lohntarifen durch das          Dachdecker
gruppiert und bezahlt“, sagt Holtrup.       Bundesarbeitsministerium beitragen,          Gerüstbauer
Als Argument für ihre Bezahlung füh-        halten die Forscher fest. Ein ­anderes       Glaser
ren Arbeitgeber zum Beispiel Konjunk-       Problem sind die Arbeits­  zeiten, die       Maler
turschwankungen an. „Die Beschäftig-        nicht immer eingehalten werden: Es           Elektroinstallateur
ten nehmen das umgekehrt oftmals in         werden zu viele Überstunden gemacht.         Fliesenleger
Kauf, weil sie auf Weiter­beschäftigung     „Insbesondere im Bereich der dunklen         Zimmerer
beim nächsten Konjunkturknick ­hoffen       Seite der Bauwirtschaft können Kon-          Betonbauer
– die Arbeit auf dem Bau ist nie nur der    trollen auf Baustellen die Probleme          Maurer
kühle Austausch von Leistung gegen          mit massenhaften Überstunden nicht           Straßenbauer

                                                                                                                                 — 15
BAM — Juli / August 2019     Galerie der Arbeitswelt

                                    Seit 14 Jahren leitet
                                   ­Jürgen Koopmann die
                                  Jugendherberge an der
                                   Schlachte. Sein Team
                                  betreut bis zu 250 Gäste
                                          pro Tag

— 16
BAM — Juli / August 2019

                                               GALERIE DER ARBEITSWELT

       Latte Macchiato
     statt Hagebuttentee
                            Jürgen Koopmann arbeitet als Jugendherbergsleiter.
                                 Sein Ziel: volle Betten und zufriedene Gäste

                                        Text: Melanie Öhlenbach – Foto: Jonas Ginter

J
           ugendherberge Bremen, kurz vor neun Uhr: Im           hatte auch einen persönlichen Hintergrund: „Ich bin neben
           Foyer diskutieren Jugendliche darüber, was sie        einer Jugendherberge groß geworden und wusste, worauf
           heute unternehmen. Frauen und Männer im Jackett       ich mich einlasse.“
           huschen über die Treppe zu den Seminarräumen.                  Doch die Gästehäuser haben sich verändert. Zwar
Als Jürgen Koopmann wenige Minuten später das Gebäude            ist ein Herbergsausweis noch immer Voraussetzung für eine
betritt, ist alles ruhig: Seine Gäste sind versorgt und unter-   Übernachtung und auch Stockbetten gibt es weiterhin. Doch
wegs.                                                            die Zeiten von Gemeinschaftsduschen, abgezählten Brot-
                                                                 scheiben und Hagebuttentee in Thermoskannen sind vorbei –
Seit 14 Jahren leitet Koopmann die Einrichtung des Deut-         zumindest in Bremen. Dort gibt es in jedem Zimmer ein Bad,
schen Jugendherbergswerks (DJH) an der Schlachte. Bis zu         Bio-Essen als Büfett, Latte Macchiato und seit Kurzem auch
250 Gäste betreut sein Team pro Tag: Schulklassen, Sport-        einen Mittagstisch für Externe.
und Behindertenverbände auf Ausflügen, Familien, Radwan-                  Dass solche Ideen aufgehen, die Qualität und die
derer, Singles und Pärchen im Stadturlaub. Dazu kommen           ­Zahlen letztlich stimmen – dafür ist Koopmann verantwort-
Einrichtungen und Unternehmen, die das Haus für Veranstal-        lich. „Ein Haus funktioniert nur, wenn man gute Mitar­beiter
tungen nutzen. „Als Jugendherberge in der Stadt haben wir         hat“, sagt er. Und die gilt es ebenso zufriedenzustellen wie
ein anderes Klientel als auf dem Land“, sagt er.                  die Gäste. Fällt jemand aus, springt der Leiter ein. Kein Tag
         Der 63-Jährige muss es wissen: Vor 22 Jahren begann      sei wie der andere, sagt er, aber er liebe seinen Job: „Ich
er als ‚Herbergsvater‘ in Oldenburg, bis vor drei Jahren          habe noch nie etwas gemacht, was mir keinen Spaß gemacht
­leitete er zudem das Haus in Sandhatten. Dort verfügte er bei    hat.“
 Weitem nicht über das Personal, das ihn in Bremen unter-
 stützt. „In einer kleinen Jugendherberge ist man für alles
 verantwortlich: Notfalls putzt man Zimmer, kümmert sich
 um das Essen oder repariert auch mal den Siphon.“               Herbergsleitung

Dass Koopmann sich das zutraut, hängt nicht nur mit s­ einem     Eine Ausbildung als Herbergsleitung gibt es nicht. Jugend-
handwerklichen Geschick zusammen. Seine berufliche Lauf-         herbergen setzen mindestens eine abgeschlossene Aus­
bahn bereitete ihn ideal auf seinen jetzigen Job vor: Der        bildung im Bereich Hotel, Gastronomie oder Tourismus vor-
gelernte Konditor arbeitete als Schiffskoch und leitete ein      aus. Zudem sollte man Kenntnisse in Betriebswirtschaft
eigenes Restaurant. Als ihm der Rücken zu schaffen machte,       und Mitarbeiterführung, Flexibilität und Freude am Umgang
studierte er Hotel- und Betriebswirtschaft. Dass er sich         mit Gästen mitbringen.
danach beim DJH-Landesverband Unterweser-Ems bewarb,

                                                                                                                                  — 17
BAM — Juli / August 2019                                                                 Ausbildung

                                                                        Er empfiehlt, Jobbörsen im Internet gezielt zu durchsuchen
                                                                        und sich dann ans Telefon zu hängen: „Zum jetzigen Zeit-
                                                                        punkt würde ich immer zunächst anrufen, ob die Plätze noch
                                                                        frei sind.“ Wer eine Lehrstelle im Handwerk sucht, kann sich
                                                                        auch an ihn wenden.
                                                                                Für kaufmännische und gewerblich-technische Aus-
                                                                        bildungsberufe sind die Ausbildungsbüros in der Handels-
                                                                        kammer in Bremen und Bremerhaven ansprechbar. Die
                                                                        Kammern kooperieren mit der Jugendberufsagentur, die
                                                                        außerdem zusammen mit weiteren Partnern im September
                                                                        Nachvermittlungsaktionen für alle durchführt, die bei der
                                                                        Agentur für Arbeit gemeldet sind.
                                                                                Allzu viel Zeit sollte man sich bei der Suche nach
                                                                        einer Lehrstelle aber nicht mehr lassen. Ausbildungsplätze
                                                                        sind im Land Bremen heiß begehrt. „Zuletzt kamen auf 100
                                                                        Bewerberinnen und Bewerber nur 87 Ausbildungsplätze
                                                                        – die jungen Menschen aus dem Umland nicht eingerech-
                                                                        net“, sagt Regine Geraedts, Referentin für Arbeitsmarkt- und
                                                                        Beschäftigungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer. Derzeit
                                                                        bildet nur noch jeder fünfte Betrieb im Land aus. „Auf 100

       Kein                                                             Beschäftigte kommen nur noch fünf Auszubildende.“

       Ausbildungplatz?                                                 Flexibel sein
                                                                        Ein weiterer Knackpunkt: Nicht jede freie Stelle entspricht
                                                                        unbedingt den eigenen Vorlieben. „Je näher der Ausbil-

       Keine Panik!                                                     dungsbeginn rückt, desto mehr sinkt die Wahrscheinlich-
                                                                        keit, den Traumberuf zu bekommen“, sagt Reichenbach. Sein
                                                                        Tipp: flexibel sein und notfalls auch einen längeren Fahrtweg
       Im Herbst beginnt für Auszubildende in                           in Kauf nehmen. Roes empfiehlt einen Plan B, also neben
                                                                        dem Erstberufswunsch nach Alternativen zu schauen.
       ­Bremen und Bremerhaven tradi­tionell die
                                                                                Und wenn es am Ende doch nicht klappt? Für manche
       Lehrzeit. Wer jetzt noch keinen Ausbildungs-                     Berufe gibt es die „Bremer Berufsqualifizierung“. Die ermög-
                                                                        licht das erste Ausbildungsjahr in der Berufsschule zu absol-
       platz hat, sollte nicht verzweifeln. Es gibt
                                                                        vieren und im zweiten in einen passenden Betrieb zu wech-
       noch Möglichkeiten, damit sich im Lebens-                        seln. Auch eine betriebliche Einstiegsqualifizierung kann
                                                                        weiterhelfen. Die Kombination aus Langzeitpraktikum und
       lauf keine Lücke auftut
                                                                        Berufsschule kann sich als ein Türöffner entpuppen. Infor-
                                                                        mationen dazu gibt es bei den Kammern und der Jugendbe-
                                                                        rufsagentur.
       Text: Melanie Öhlenbach – Foto: Jonas Ginter

   D
                 ie gute Nachricht vorweg: Auch kurz vor Beginn         Lehrstellenbörsen für das Land Bremen
                 des Ausbildungsjahres gibt es im Lande Bremen             es-ist-deine-staerke.de
                 erfahrungsgemäß noch Lehrstellen. „Die Suche              ihk-lehrstellenboerse.de
                 nach interessierten Auszubildenden läuft in den           job4u-ev.de
       Firmen bis in den August noch auf Hochtouren“, sagt Carola          jugendberufsagentur-bremen.de
       Brunotte von der Jugendberufsagentur.                               nordstarter.online
              Dass der Ausbildungsmarkt den Sommer über noch
       in Bewegung ist, beobachten auch die Kammern. „Bei vielen        Jugendberufsagentur
       Firmen kann sich kurzfristig noch etwas ändern“, sagt Björn      www.jugendberufsagentur-bremen.de
       Reichenbach, bei der Handelskammer zuständig für Aus-
       und Weiterbildung. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.        Ausbildungsbüro in der Handelskammer
       Einerseits sagen Bewerberinnen oder Bewerber ihre Stelle         Bremen:    0421 . 36 37–459 oder -425
       ab, andererseits entscheiden sich manche Betriebe erst spät      Bremerhaven:     0471 . 9 24 60-522 oder -521
       dafür auszubilden.
                                                                        Handwerkskammer
       Wie offene Lehrstellen finden                                    Bremen:   0421 . 3 05 00-136 oder -137
       Günter Roes arbeitet als Berater im Projekt ‚Passgenaue Beset-   Bremerhaven:    0471 . 9 72 49-12
       zung von Ausbildungsplätzen‘ bei der Handwerkskammer.

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Weiterbildung                                                            BAM — Juli / August 2019

 Schlauer
geht immer
 Hella Grapenthin hilft Menschen, die
sich weiterbilden wollen. Im Interview
erzählt sie, wie eine Beratung abläuft
   und worauf Beschäftigte a­ chten
                ­sollten

                                                                                                                   Hella Grapenthin

Fragen: Hanna Mollenhauer
Foto: Jonas Ginter                                               Wie kann ich schlechte Angebote erkennen?
                                                                         Ein Mangel an Informationen zu Kursinhalten, Unter-
Warum sollte ich mich beraten lassen?                            richtsformen, zeitlichem Umfang und Kosten wäre schon
        Es gibt viele Möglichkeiten und Wege, sich weiter-       einmal ein Indiz. Oder ein weit gefächertes Angebot, wel-
zubilden. Und auch sehr viele Anbieter. Mit einer Beratung       ches kaum bis gar keine Fachrichtung aufweist. Wenn die
kann ich eine passgenaue Fort- oder Weiterbildung für mich       Fortbildung einen größeren zeitlichen Umfang besitzt, sollte
finden.                                                          am Ende auch ein anerkannter Abschluss herauskommen.
                                                                 Schlechtes Zeichen: Es werden nur hauseigene Zertifikate
Welche Fragen sollte ich mir vorab stellen?                      des Bildungsanbieters vergeben.
       Sie sollen sich fragen, ob Sie ein konkretes Ziel vor
Augen haben. Und ob Sie sich fortbilden wollen, weil Sie         Gibt es Anbieter, die Sie empfehlen?
sich beruflich verändern, neu orientieren oder in Ihrem                 Das hängt natürlich von der Branche oder dem
Beruf aufsteigen wollen. Oder wollen Sie sich später selbst-     Bereich ab. Ein IHK-Abschluss etwa ist in Wirtschaft und
ständig machen oder nach längerer Elternzeit wieder einstei-     Industrie angesehen. Auch das Handwerk bietet einiges an
gen?                                                             branchenspezifischen Weiterbildungen an. Außerdem gibt es
                                                                 an Hochschulen und Universitäten immer mehr berufsbeglei-
Wie läuft eine Beratung ab?                                      tende Weiterbildungen für Berufstätige.
       Vorab brauche ich Lebenslauf und Zielvorstellung                 Für speziellere Bereiche ist es immer wichtig, dass
der Ratsuchenden. Mit Hilfe des Lebenslaufs erfolgt eine         man sich vorab bei den Berufsverbänden informiert, welche
kurze Qualifikationsanalyse: Was für Abschlüsse, Kenntnisse,     Weiterbildungsanbieter anerkannte Fortbildungen anbieten.
Fähigkeiten, berufliche Vorerfahrungen, Weiterbildungen          Träger, die nicht anerkannt sind, sollte man meiden.
sind vorhanden. Dann gucke ich, worum es dem oder der
Ratsuchenden bei der Weiterbildung geht und welche Anfor-
derungen er oder sie hat. Ich gleiche die vorhandenen und
die späteren Qualifikationen ab. Dann suchen wir gemein-
sam ein passendes Angebot. Dabei berücksichtigen wir die         Als Mitglied der Arbeitnehmerkammer ­können Sie
aktuelle Lebenssituation und die zeitlichen und die finanziel-   die kostenfreie, vertrauliche und ­unabhängige Weiter­
len Möglichkeiten. Im Anschluss besprechen wir die von mir       bildungsberatung in Anspruch nehmen. ­Verein­baren
zusammengestellten Weiterbildungsangebote und ich stelle         Sie dafür telefonisch oder per E-Mail einen Termin.
mögliche finanzielle Fördermöglichkeiten vor.                    Vor dem Termin schicken Sie bitte Ihren ­Lebenslauf
                                                                 und Ihre konkreten Fragen per E-Mail.
Aus welchem Grund kommen Menschen am häufigsten
in Ihre Beratung?                                                Weiterbildungsberatung
Wegen des Überangebots an Weiterbildungen. Viele wissen          Bürgerstraße 1, 28195 Bremen, 0421 . 3 63 01 - 432,
nicht, wie sie einen guten von einem schlechten Weiterbil-         grapenthin@arbeitnehmerkammer.de
dungsanbieter unterscheiden sollen.

                                                                                                                                — 19
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