Sinnesgarten BWS-MAGAZIN 01I13 - BESTÄNDIGKEIT. WERTSCHÄTZUNG .SOZIALEKOMPETENZ - "Die Augen sind unser Fenster zur Welt"
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Sinnesgarten BWS-MAGAZIN 01I13 BESTÄNDIGKEIT . WERTSCHÄTZUNG . SOZIALE KOMPETENZ „Die Augen sind unser Fenster zur Welt“
2 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 Inhalt 3 Editorial Inhalt in Brandenburg und Sachsen Entwickeln THEMEN: 03 Editorial 04 (K)ein neues Gesicht in der Wohnstätte „Wilhelmsthal“ Liebe Leserinnen und Leser, Neuer Haustarifvertrag abgschlossen in der Hoffnung, Sie hatten alle einen erholsamen Urlaub, 05 Danke – eine E-Mail an Herrn Lickefett möchte ich Ihnen gern mit dieser Ausgabe wie immer einen Spiegel unseres Alltages in den beiden Einrichtungen über- Ein neuer Bewohnerschaftsrat ist aktiv geben. Nehmen Sie sich etwas Zeit bei der Lektüre. 06 Festveranstaltung – 20 Jahre Frühförderung 20 Jahre Frühförderung im und mit dem BWS war uns eine sinnesbeeinträchtigter Kinder Festveranstaltung mit Fachtagung wert. Ein Stück der in- tensiven und erfolgreichen Arbeit des Teams der Frühförde- 07 Kinder- und Familienfest in der rung versuchen wir Ihnen in diesem Heft schwerpunktmä- Kutzeburger Mühle ßig darzustellen. Fachlich kompetent stellen wir aber auch die Arbeit in den 08 Herr Heinicke, wollen Sie denn alle anderen Fachbereichen und Abteilungen dar. Kinder fördern? Kinder, die mit einer Seh- oder/und einer Hörbeein- Ein toller Erfolg war wieder die Veranstaltung zum „Tag 10 Die Eltern und wir – ein starkes Team trächtigung geboren werden, erhalten schnelle und der Sehbehinderten“, die wir traditionsgemäß gemeinsam mit der Augenoptikerin Frau Heike Woucznack am Bullwin- umfassende Hilfe durch die BWS-Frühförderung. 13 Die Geschichte vom Zauberstab kel in Spremberg durchgeführt haben. Unsere Teams haben sich seit 1992 auf die Förderung Vielfältige Aktivitäten werden auch von den MitarbeiterIn- 14 Von A wie aufregender Start bis nen der Wohnstätten realisiert, die wesentlich zum Wohl- Z wie Zuckertüte von sehbehinderten, hörgestörten, taubblinden und befinden der Bewohner, die auch teilweise in der Werkstatt mehrfachbehinderten Kindern spezialisiert. Kinder mit für behinderte Menschen arbeiten, beitragen. 17 Ersetzt die Zunge die Augen? Problemen in der Wahrnehmung und Wahrnehmungs- „Pflege ist Vertrauenssache“ - unter diesem Motto arbeiten unsere KollegInnen in der Stationären Pflege. Die verge- 18 Wie fühlt es sich an, blind zu sein... verarbeitung erhalten ebenso Hilfe in ihren Familien. bene Note von 1,3 durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen zu Beginn des Jahres macht uns stolz, ver- 20 „Tag der Sehbehinderten“ in Spremberg pflichtet aber gleichzeitig und ist Ansporn für eine kontinu- 21 Elterntreff im Förder- und ierliche Arbeit auf diesem Niveau. Beschäftigungsbereich (FBB) Auch unser neues „Kind“, unser Inklusiver Betriebskinder- garten, ist begonnen und soll noch in diesem Jahr in Be- 22 100 Jahre Ostdeutscher Rosengarten trieb gehen. Forst (Lausitz) Und nicht zuletzt muss sich gute Arbeit auch lohnen. Wir konnten vor kurzem einen neuen Haustarifvertrag gemein- 23 Kunstprojekt „Grenzenlos kreativ“ veran- sam mit ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft un- staltet 2-tägiges Pleinair im Rosengarten terzeichnen, der den Veränderungen der letzten Jahre Überregionale Frühförder- und Beratungsstellen Rechnung trägt und die gute Arbeit der MitarbeiterInnen 24 Kohle, Sand und Bergmannshand für sinnesbehinderte Kinder würdigt. 26 ARGE-Tagung 2013 ▸ Spremberg / Bautzen 27 „Sexualität – auch ein Teil meines Lebens“ ▸ Frankfurt (Oder) / Königs Wusterhausen Ihr 28 Exkursionsbericht zum deutsch-polnischen Begegnungszentrum 30 Flugtag 2013 Behindertenwerk Spremberg e.V.-BWS Olaf Taubenek www.bws-spremberg.de Geschäftsführer 31 Dienstjubiläen im BWS
4 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 5 (K)ein neues Gesicht in der Wohnstätte „Wilhelmsthal“ DANKE – eine E-MAIL Interview mit Linda Kraink an Herrn Lickefett „Fiedermannhof“ Sehr geehrte Frau Kraink, Sie sind Welche Erwartungen oder Befürchtungen haben Sehr geehrter Herr Lickefett, seit dem 1. Juli in der Wohnstätte Sie, wenn Sie an die nächsten Wochen oder Mo- „Wilhelmsthal“ tätig. Was machen nate denken? Was gibt es Schöneres, als DANKE zu sagen: Jeder hatte ein Lob auf den Lippen und war vom „Fiedermann- Sie da genau? Zu den Erwartungen kann ich nur sagen, dass ich Ich möchte mich hiermit ganz herzlich bei Ihnen für hof“ beeindruckt. das schöne Wochenende, das wir im „Fiedermann- Besonders loben möchte ich Ihr Personal, das sich rührend um Ich bin als Einzelfallhelferin für hoffe, Anerkennung und Unterstützung zu erhal- hof“ erfahren durften, bedanken. uns gekümmert hat, so das unser Treffen sehr angenehm war. einen Bewohner eingesetzt, der ten, um meine Leistung abrufen zu können und Die „Stiftung Marburger Medien“ hat uns dieses Wo- Im Tagungsraum war alles liebevoll angerichtet und auch das auf Grund seiner schweren Behin- diese zu verbessern. Und ich erwarte eine freundli- chenende, als Dankeschön für die bisher geleistete Bufett war sehr einladend. Das Essen hat jedem geschmeckt und derung einen hohen Hilfebedarf che Arbeitsatmosphäre im Wohnbereich. Arbeit, geschenkt. auch der gemütliche Rahmen war gegeben. hat. Ihm ist es noch nicht möglich, Ein bisschen Sorgen mache ich mir natürlich schon, Unser Marketingleiter und Chef, Michael Stöckmann, Die Kahnfahrt war das „Sahnehäubchen“ für uns und mit Kaffee sich in Gruppensituationen zu dass die Erwartungen so nicht erfüllt werden oder sowie seine Marketingassistentin, Petra Saalborn, rei- und Kuchen genossen wir die schöne Gegend. Recht zu finden. Viele Menschen dass ich auf nicht vorhersehbare Probleme stoße. sten aus Marburg an. Als Gebietsleiterin für die Re- Herr Lickefett und sein Team vermittelten uns Wertschätzung um ihn herum machen ihm Angst, so dass es vorrangig Ganz schlimm wäre für mich, wenn die Bewohner gion Ost durfte ich im Vorfeld den Ort wählen und ich durch das gelungene Wochenende. darum geht, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, meine Person ablehnen und mit heftigen Aggres- entschied mich für den „Fiedermannhof“. Ein besonderes Lob gebührt auch Conny für die besonders dass der junge Mann sich sicher fühlt und Begegnungen und sionen reagieren. Nicht ohne Grund, denn schon 7 Jahre leite ich in Ko- freundliche Bewirtung. Sie hatte immer ein offenes Ohr für uns operation mit der Volkshochschule Weißwasser die trotz vieler Aufgaben und hat sich nicht stressen lassen. neue Eindrücke zulässt. Zu allererst muss ich aber erstmal „Nordic-Walking“ Kurse im Frühjahr bzw. Herbst. Ich sage hiermit, auch im Namen meiner Teilnehmer, nochmals sein Vertrauen gewinnen. Ich bin gespannt, wie mir das ge- Würden Sie anderen jungen Menschen zuraten, Insgesamt sind wir stets um die 40 Teilnehmer, die DANKE. lingt. ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren oder sehr begeistert sind und oft wieder kommen . Wir werden gern den „Fiedermannhof“ weiterempfehlen. in das Berufsfeld „Heilerziehungspflege“ einzu- Wir waren am vergangenen Wochenende insgesamt Schön, dass es Euch gibt! Wie kommt es, dass Sie uns so bekannt vorkommen? steigen? 18 Teilnehmer und alle kamen von unterschiedlichen Ich habe von 2009 bis 2010 ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ja, ich würde jedem jungen Menschen zuraten, ein Orten: Marburg, Dessau, Altenburg, Schwarzheide, Mit freundlichen Grüssen der Wohnstätte „Wilhelmsthal“ absolviert. Zusätzlich habe Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Praktikum zu ab- Spremberg, Hoyerswerda, Forst, Halbendorf, Bok- ich während meiner Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin solvieren. Da man in dieser Zeit viele Erfahrungen kau/Erzgebirge und Cottbus. Carmen Schirrmacher noch zwei Praktika hier gemacht. sammeln kann, erfährt man mehr über sich selbst und ob man für den Beruf geeignet ist. Das Berufs- Was heißt es für Sie, als Fachkraft zu arbeiten? feld „Heilerziehungspflege“ ist sehr interessant, Als Fachkraft zu arbeiten bedeutet für mich, endlich mein er- abwechslungsreich und vor allem macht dieser worbenes theoretisches und praktisches Wissen gezielt an- wenden zu können. Außerdem möchte ich eine Bereiche- Beruf sehr viel Spaß. Ich habe es nicht bereut, die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin gemacht Ein neuer Bewohnerschaftsrat ist aktiv rung und Stärkung für das Team sein. Ebenfalls heißt es für zu haben und kann dies nur weiter empfehlen. Am 06.02.2012 trat die neue Einrichtungsmitwir- Da die Amtszeit des alten Bewohnerschaftsrates im Mai 2013 mich, Hilfskräfte und Praktikanten anzuleiten. Das finde ich kungsverordnung (EMitwV) im Land Brandenburg in nach 4 Jahren endete, wurde also zunächst ein Wahlausschuss besonders spannend und hoffe, das gelingt mir genauso gut, Vielen Dank für das Interview. Das BWS wünscht Kraft. In ihr sind vielfältige Regelungen zur Mitwir- gebildet. Dann wurden in allen Einrichtungen Wahlvorschläge wie mir damals im Praktikum Fachwissen vermittelt wurde. Ihnen eine gute und erfolgreiche Zukunft bei uns. kung der BewohnerInnen in Einrichtungen getroffen gesammelt und letztlich in einer Kandidatenliste zusammenge- worden. So heißt der ehemalige „Heimbeirat“ nun fasst. Es stellten sich 14 BewohnerInnen der Wohnstätten und „Bewohnerschaftsrat“ und hat verschiedenste Aufga- Stationär Betreuten Wohngruppen zur Wahl. ben. Der Bewohnerschaftsrat vertritt die Rechte aller Die Wahl selbst fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt. BewohnerInnen beispielsweise bei der Alltags- und Dazu wurde die Wahlurne in jeder Einrichtung aufgestellt und Freizeitgestaltung, in Fragen der Verpflegung und die Bewohner erhielten die nötige Unterstützung beim Benen- bei der Gestaltung der gemeinschaftlich genutzten nen oder beim Ankreuzen ihrer Kandidaten. Neuer Haustarifvertrag abgeschlossen Räume. Er nimmt Anregungen und Beschwerden von 85 BewohnerInnen nutzten ihr Recht zur Wahl. Nach der Stim- BewohnerInnen entgegen, hilft neuen BewohnerIn- menauszählung stand fest, welche sieben BewohnerInnen es ge- nen, sich in der Einrichtung einzuleben und hat Mit- schafft hatten. Schon am nächsten Tag gab es in jeder Einrich- spracherecht bei baulichen Veränderungen, bei der tung einen Aushang mit dem Wahlergebnis. Das erste Treffen Am 09.08.2013 wurde in Spremberg im hauswirtschaftlichen Versorgung und vielem mehr. des neuen Bewohnerschaftsrates, welches gleichzeitig als konsti- Beisein des Verhandlungsführers von tuierende Sitzung galt, fand am 29. Mai statt. ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerk- Wir wünschen dem neuen Bewohnerschaftsrat viel Freude und schaft, Ralf Franke und des Geschäfts- Erfolg bei der Arbeit! führers der BWS Behindertenwerk GmbH, Olaf Taubenek, der neue Hausta- Simone Seliger rifvertrag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BWS Behindertenwerk GmbH unterzeichnet. v.l. Tobias Matschke Mitarbeiter in WSH, unterstützt den Bewohnerschaftsrat Ingo Altenburger Wohnstätte „Wiesenweg“ Yvonne Baumann Wohnstätte „Wiesenweg“ (Vorsitzende) Andrea Schmidt „Wohngehöft“ Klein Loitz Torsten Hoffmann Wohnstätte „Stadthaus“ Helga Müller Wohnstätte „Wiesenweg“ Elfriede Najork für Wohnstätte „Wilhelmsthal“
6 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 7 FESTVERANSTALTUNG Kinder- und Familienfest 20 Jahre Frühförderung für sinnesbeeinträchtigte Kinder in der „Kutzeburger Mühle“ Am 14. Juni 2013 fand im Behindertenwerk Spremberg e.V. Das Familienfest am 15. Juni stand ganz im Zeichen von - BWS am Wiesenweg eine Festveranstaltung anlässlich des Spiel und Spaß. Auf dem Gelände der „Kutzeburger 20. Jubiläums der Gründung der BWS-Frühförderung statt. Mühle“ hatten Eltern und Kinder Gelegenheit, selbst Zahlreiche Gäste, so z.B. Fachkollegen der BWS-Frühförde- den Hof zu entdecken. Die freilaufenden Schafe und das rung, Freunde aus der Gründerzeit und Partner aus der geführte Reiten luden dazu ein, Kontakt zu den Tieren Wirtschaft, waren der Einladung gefolgt. aufzunehmen, ruhig zu werden, zu genießen. Dem ge- genüber standen viele Möglichkeiten sich auf der Hüpf- Dabei wurde die Entwicklung der BWS-Frühförderung als burg und Rutsche auszutoben, zu tanzen, zu singen und Bestandteil der gesamten Palette der Leistungen des BWS zu basteln. im Land Brandenburg und im Freistaat Sachsen als überre- An diesem Tag bekamen wir keine Geschenke, sondern gionaler Leistungsträger für die Rehabilitation sehbeein- bedachten die Kinder der sinnesspezifischen Frühförde- trächtigter und mehrfachbehinderter Menschen nochmals rung mit kleinen Präsenten als Andenken an diesen Tag. deutlich hervorgehoben. Mit dieser kleinen Auswahl an Fotos möchten wir Ihnen Im Zentrum der Festveranstaltung standen Grußworte und die Möglichkeit geben, Vorträge, die mit einer Präsentation der Leistungen des das Jubiläum sowohl aus BWS in der Frühförderung und weiteren Leistungsberei- Gratulation zu 20 Jahren erfolgreicher Arbeit der Perspektive der Er- chen verknüpft waren. v.l. Olaf Taubenek – Geschäftsführer BWS, Dr. Gert Heinicke – Leiter wachsenen und der Kin- Frühförderung, Hartmut Höhna – Vorstandsvorsitzender der noch einmal zu erle- ben. Madlen Kanzler Am Samstag, den 15. Juni 2013 waren die „Klei- nen“ zu einem Kinder- und Familienfest nach Cottbus in die „Kutzeburger Mühle“ eingeladen. Das Team um Dr. Heinicke und Frank Neumann organisierte ein zünftiges Kinderfest mit Ponny- reiten und Spielen. Für alle Gäste war etwas dabei (siehe nächster Artikel). Wir wünschen unserer Frühförderung für die nächsten Jahre weiterhin eine erfolgreiche Arbeit Prof. em. Dr. Michael Brambring Dr. Gert Heinicke zum Wohle der in unserer Obhut befindlichen Kinder. Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer, Olaf Tau- Wolfgang Looke benek, und der Begrüßung durch den Schirmherrn und Bür- germeister der Stadt Spremberg, Dr. Klaus Peter Schulze, er- folgte ein Fachvortrag von Prof. em. Dr. Michael Brambring (Bielefeld) zur Thematik der Arbeit mit blinden Kindern in der Frühförderung. Zu 20 Jahren Frühförderung durch den Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, ihre Entwicklung und ihre Chancen sprach dann sehr emotional der Leiter der Frühförderung, Dr. Gert Heinicke, bevor Jürgen Dusel, Beauftragter der Landesregierung Brandenburg für Menschen mit Behinde- rungen und Hartmut Höhna, Vorstandsvorsitzender des Be- hindertenwerk Spremberg e.V. – BWS zum Abschluss einen Ausblick zu aktuellen Fragen gaben.
8 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 9 Herr Heinicke, wollen Sie denn alle Kinder fördern? Auf Grund aller dieser Bedingungen entwickelte sich un- sere Frühförderung, insbesondere Ende der 90-er Jahre bis Seit 1992 gibt es die BWS-Frühförderung. Angesichts der heute, sehr stürmisch. Etappen dabei waren u.a.: heutigen Dimension der Überregionalen Frühförder- und 1999: Eröffnung der Regionalstelle Ostsachsen in Beratungsstelle für sinnesbehinderte Kinder fällt es schwer Bautzen mit Ulrike Theeß, zu verstehen, wie schwer der Anfang war. 2000: Erweiterung der fachlichen Aufgaben mit Nicht nur, dass niemand so richtig glauben konnte oder der Förderung hörgeschädigter Kinder, wollte, dass die Frühförderung sehbehinderter und blinder 2002: Eröffnung der Regionalstelle Ostbranden- Kinder „etwas bringt“, sondern auch, dass man diesen Auf- burg in Frankfurt / Oder mit Sabine Finster, wand für eine spezifische Hausfrühförderung bezahlen 2006: erstmals werden mehr als einhundert kann. sinnesbehinderte Kinder durch Über den Weg von Denis Präsang als erstes Kind der BWS- die BWS-Frühförderung gefördert, Frühförderung wurde schon oft geschrieben und gespro- 2011: mehr als zweihundert sinnesbehinderte chen. Weniger davon, warum wir immer nur und bis heute Kinder werden gefördert. eine spezifische Frühförderung wollten. Und das war nicht immer klar. Angesichts dieser Entwicklung erinnere ich mich an den Be- 1994 und 1995 war einfach die Finanzierung nicht hinrei- such unserer damaligen Ministerin Regine Hildebrand in chend gesichert. Der ehemalige Geschäftsführer des BWS Spremberg. Nachdem wir ihr zeigten, wie sinnvoll und gut zweifelte und nicht nur er allein. Der Vorstand, voran Hart- ihre Unterstützung für die Hausfrühförderung sehbehinder- mut Höhna und Pfarrer Johann Jacob Werdin als seine Mit- ter Kinder eingesetzt war, wurde sie plötzlich misstrauisch glieder, unterstützten uns besonders. Schon bis 1998 war und stellte zwei Fragen: alles mit den Landkreisen und der Stadt Cottbus abge- Treff im Tierpark - zum Fühlen, Tasten und Hören „Herr Heinicke, wollen Sie allen Kinder durch Ihre Frühför- stimmt. Es folgten die ostsächsischen Landkreise und bis derung helfen?“ und 2003 auch Ostbrandenburg. Frau Dr. von Grünhagen hat uns als Augenärztin „Das geht doch nicht immer zu Hause - zu teuer! Wollen Sie Wir brauchten aber auch Freunde und Unterstützer. Sehr geholfen. Wir konnten fachlich enorm viel ler- nicht lieber in die Kindergärten gehen?“ große Hilfe bekamen wir von Ärzten. Ich will hier Frau Dr. nen. Sie hat aber auch in den 90-er Jahren viele Ich machte ihr mit allen meinen Argumenten deutlich, dass Vera Jacob, Frau Dr. Ulrike von Grünhagen und Frau Dr. „unserer“ Kinder behandelt und in ihren Praxis- jedes sehbehinderte Kind spezielle Förderung und nach Hannegret Herrberger besonders hervorheben. räumen trafen wir uns zum Elterntreff. Möglichkeit mit seinen Eltern, in seinem Elternhaus braucht. Frau Dr. Jacob als Kinderärztin und Chefin des SPZ Cottbus Frau Dr. Herrberger hatte als Kinder- und Jugend- Sie hat mich bestimmt nicht verstanden und schaute skep- hat uns (Frau Natusch und ich begannen) Anfang der 90-er ärztin im Altkreis Guben sehr engen beruflichen tisch. Jahre, Vertrauen geschenkt. Über sie und Frau Richter und persönlichen Kontakt. Wir führten schon in Dennoch ist es immer so, dass wir jederzeit große Unterstüt- (Dipl.-Pädagogin im SPZ) wurde der erste Kontakt zu Eltern Zeiten, wo der Begriff „Team“ noch nicht so be- zung durch die Landesregierung Brandenburg mit Frau Lam- hergestellt und im Team die Förderplanung besprochen kannt war, Beratungen durch, an denen Pädago- mel und Herrn Dusel erfahren konnten. und ausgewertet. Über Frau Dr. Jacob wurde auch der Kon- gen, Therapeuten und Ärzte gemeinsam mit den Das ist auch in Sachsen so. Dort verbindet uns überdies eine takt zu ihrem (kürzlich verstorbenen) Ehemann, hergestellt, Eltern teilnahmen und sich über die Förderung enge Zusammenarbeit mit der Fachklinik für Rehabilitation der als Tierparkdirektor in Cottbus einen besonderen des Kindes abstimmten. in Kreischa-Zscheckwitz und den beiden Dresdner Sozialpäd- Namen hatte und immer haben wird. Seit dieser Zeit gibt es Ohne Ärztinnen wie Frau Dr. Jacob, Frau Dr. von iatrischen Zentren. den jährlichen Treff im Tierpark zum Fühlen, Tasten und Grünhagen und Frau Dr. Herrberger würde es die Weil wir auch in Cottbus und Frankfurt einen engen Kontakt Hören. BWS-Frühförderung nicht geben. mit den besten Kinderärzten in unseren Regionen, wie Herrn Ohne die Blindeninstitutsstiftung Würzburg hät- Dr. Erler, Frau Dr. Herpolsheimer, Dipl.-Med. Bernt, Frau Dr. ten wir es kaum geschafft, den fachlichen An- Wetzel und Frau Dr. Ast pflegen, sind wir optimistisch auch sprüchen gerecht zu werden. Solche Männer wie für die Zukunft der Überregionalen Frühförder- und Bera- Dr. Hans Neugebauer, Jürgen Fuchs und Matthias tungsstelle für sinnesbehinderte Kinder. Zeschitz halfen uns uneigennützig wo immer sie Wir können viel mehr als früher und wir leisten mehr als frü- konnten. Bis vor wenigen Jahren bestand über her! Wir müssen noch mehr, selbst für Frühprävention und die berufliche Kooperation eine enge Freund- Nachsorge tun! schaft mit dem „Blindi“. Aber auch das EJF Pots- Wir bleiben an den zentralen Themen wie u. a. zu Wahrneh- dam (Ulrike Ehlert und zuvor Frank Müntzner) mungsstörungen oder ICF (International Classification of und der Frau Pastorin Ruth Zacharias (Taubblin- Functioning) dran und wir werden noch näher an die betrof- dendienst e.V. Radeberg) waren und sind enge fenen Vereine wie insbesondere an die Blindenselbsthilfe Begleiter. Das „Storchennest“ in Radeberg ist bis (BSVB) rücken und sie in unsere Arbeit einbeziehen! heute noch mehr als eine Herberge für unsere El- Treff im Tierpark tern-Kind-Seminare. Dr. Gert Heinicke
10 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 11 Die Eltern und wir – ein starkes Team Interviewpartner: Frau Joseph, Mama von Ina. Ina erhielt Wie würden Sie Ina während der Förderung be- von 2004 bis 2009 sinnesspezifische Frühförderung durch schreiben. Was hat ihr Spaß gemacht? Was ist ihr den Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS schwer gefallen? Interview: am 15.08.2013, gekürzt wiedergegeben von Sa- Eigentlich war ich überrascht, wie sie die Frühför- bine Finster. derung angenommen hat und wie das dann mit dem Licht auf einmal interessant für sie war. Das Wie fing das damals eigentlich alles an mit der Frühförde- hätte ich gar nicht so gedacht. Im Nachhinein bin rung durch den Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS? ich sehr dankbar, dass diese Frühförderung in Es fing damit an, dass ich ins SPZ nach Cottbus gekommen unser Haus gekommen ist. Dieser Frühförderung bin zu Frau Dr. Traue. Sie hat bei meiner Tochter Ina eine habe ich viel zu verdanken, dass mein Kind so ist, Ina 6 Monate alt mit Mama Ina 10 Jahre alt Mehrfachschwerstbehinderung mit starker Sehschädigung wie sie heute ist. Es wäre nicht so, wenn mir Frau diagnostiziert. Daraufhin hat sie den Kontakt mit Frau Nei- Dr. Traue und Frau Neigenfind damals nicht so genfind (BWS) organisiert. Sie führte dann mit mir ein Ge- entgegen gekommen wären. Mich hat es gefreut, spräch, ob ich damit einverstanden wäre, wenn das BWS zu zu sehen, wie sie von der Sache mit dem Licht fas- uns kommen und eine sinnesspezifische Frühförderung mit ziniert war. Ihr Interesse war der Lichtkasten, die- der Ina beginnen würde. Da hab ich natürlich nicht nein ge- ser Lichtfleck, dieser Kontrastpunkt, wo die Bilder sagt. Ich wollte noch was für mein Kind. Und somit kam Dr. dann drauf waren. Sie hat das alles in sich aufge- Heinicke zu mir nach Hause mit der Frühförderin, die die saugt. Und wie sie dann dagesessen hat und sich Ina übernehmen sollte. Dr. Heinicke hat sich erstmal einen immer gefreut hat, wenn die Frühförderin kam. Überblick verschafft über die Ina und wie komplex sie ist. Sie wurde auch mit einem Lied begrüßt. Und es Richtig los ging es dann am 01.02.2004. Zu diesem Zeit- mussten bestimmte Rituale stattfinden, damit Ina punkt war Ina 3 Jahre und 11 Monate alt. Und wie schwer Richtlinien erfahren konnte, weil sie auch autisti- die Arbeit wurde, das haben wir dann erst mit der Zeit mit- sche Züge hat. Da hat sich die Frühförderin sehr bekommen. Es war kein leichter Schritt und oft mussten wir viel Mühe gegeben. wieder von vorn anfangen, weil für Ina war das erstmal alles neu und sie konnte sich ja nicht konzentrieren und gar Welche Erwartungen hatten Sie an die Frühför- nichts. Es hat sehr, sehr lange gedauert. Aber die Ausdauer derung? der Frühförderin hat sich ausgezahlt. Als ich Ina dann bei der Förderung erlebt habe, Beginn der Frühförderung im Februar 2004 Ina im Tierpark klar, da sind meine Erwartungen gestiegen. Also Hatten Sie eine Vorstellung davon, was Sie bei der Frühför- ich dachte Wunder was mit meinem Kind passie- derung erwarten wird? ren könnte durch diese Frühförderung. Aber ich Frau Neigenfind hatte mir sehr gut erklärt, was so gemacht konnte mir nie wirklich vorstellen, wie meine wird. Aber dadurch, dass Ina so schwer behindert war und Tochter ihre Umwelt wirklich wahrnimmt. Die ist, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie sich überhaupt Frühförderin hatte mir dann eine Simulations- darauf einlassen würde. Das da irgendwo mal was am Stück brille mitgebracht und hat gesagt: „Setzen Sie die passieren würde, das konnte ich mir überhaupt nicht vor- mal auf, und begleiten Sie uns jetzt bei dieser stellen. Fördereinheit mit, und so müssen Sie sich das Sehen ihres Kindes vorstellen.“ Da war für mich Wie war denn die erste Fördereinheit? Wie hat Ina rea- klar, alles, was Ina jetzt lernt bzw. angelernt be- giert? kommt, das ist für sie Knochenarbeit. Und ich Die Frühförderin hat den Lichtkasten hingestellt und Ina habe meine Anforderungen wieder ganz doll genau beobachtet, wie sie alles ganz neugierig erkundet nach unten geschraubt. Ich war froh, über das, hat. Es war nicht machbar, dass sie jetzt gekommen wäre was sie immer erreicht hat. Aber das sie dieses und so jetzt machen wir das und das. Das war gar nicht Sehen für sich ganz anders wahrnimmt als wir, drin. Ina war fasziniert von den Materialien und erste Spiele war auch ein langer Weg für mich als Mutter, um waren trotz ihrer autistischen Züge über das Material mit das zu akzeptieren. Wiedersehen mit Dr. Heinicke der Frühförderin möglich. Und so hat sich das dann von Mal zu Mal gesteigert. Irgendwann ist es dann auch Mal stehen geblieben, bis wieder etwas Neues dazu kommen konnte. Ina 7 Jahre alt
12 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 13 Die Geschichte vom Zauberstab Hat Ina die Dinge, die sie in der Frühförderung gelernt hat, Wie gestaltet sich die Hausbeschulung? „Du zeigst mir Dein Laufrad, ich zeige Dir meinen Zauber- schulung lernen, den Langstock zu nutzen. Das ist irgendwo im Alltag angewendet? Die Hausbeschulung macht das, was die Frühför- stab.“ Mit dieser Vereinbarung konnten Nick und ich gut in Deutschland leider noch nicht selbstverständ- Also sie hat es getan. Aber der Zeitraum, bis sie es gemacht derung angefangen hat. Sie arbeitet mit dem leben. Nick ist 6 Jahre alt, wohnt in Falkenberg und ist lich. hat, da sind Jahre vergangen. Nach 11/2 bis 2 Jahren war ich Lichtkasten. Sie arbeitet mit den Bildern. Der Dia- durch einen Tumor erblindet. Die Frühförderin Frau Stief Das BWS hat sich auf den Weg gemacht, das zu stolz, dass sie gesagt hat in einem Buch: „Das ist die Kuh!“ projektor ist jetzt vom Beamer abgelöst worden. fährt wöchentlich zu ihm nach Hause. ändern. In enger Zusammenarbeit zwischen Früh- Und da war ich ganz stolz, dass sie das erreicht hatte. Alles Natürlich hat es sich über die Jahre gesteigert. Es Am 2. Juli 2013 war auch ich zu ihm gekommen. Noch eine förderung und Rehalehrerin setzen wir uns dafür andere kam noch später. geht jetzt schon um komplexere Bilder und Puz- andere Person? Darauf hatte Nick eigentlich gar keine Lust. ein, dass hochgradig sehgeschädigte Kinder so zle. Aber im Großen und Ganzen geht es um Bild- Frau Stief kannte er ja, sie haben schließlich schon viele früh wie möglich dieses Hilfsmittel erhalten und Wie würden sie die Zusammenarbeit mit der Frühförderin erkennung. Stunden gemeinsam verbracht. Aber was wollte wohl die nutzen lernen. Nick und andere blinde Kinder beschreiben? fremde Frau, die noch dazu einen Stock mitgebracht hatte? können dann schon frühzeitig mit dem Zauber- Sie hat mit Ina am Lichtkasten gearbeitet und mir oft Tipps Wie würden Sie im Rückblick die Ergebnisse der Ein Stock?!?! stab die Welt selbst entdecken. gegeben für Spielzeug. Alles, was geeignet war, wurde in Frühförderung beschreiben? Wir gingen gemeinsam mit den Eltern herunter, Nick zeigte ihren Spielalltag eingebaut und alles andere wurde rausge- Im Nachhinein bin ich erstaunt über die Ergeb- mir sein Laufrad, das er großartig beherrschte. Ich schaute Annedore Neigenfind nommen, weil das sonst zuviel war, weil sie einfach nicht nisse, die sie erreicht hat. Ich weiß aber auch, dass voller Respekt zu. Er kam gut vorwärts, kannte seinen Weg. verstanden hat, was sie damit machen soll. Und wenn wir das ein Ergebnis ist, was nur bleibt, wenn weiter Bordsteine und Neigungen waren für ihn recht schwierig, einen Augenarzttermin hatten, haben wir uns vorher hin- was getan wird. Also heißt es auch für mich, zumal er ein beachtliches Tempo entwickelte. Mutti oder gesetzt und gewisse Sachen ausgearbeitet, was wir dem wenn die Sonderpädagogin weg ist, mich hinset- Vati waren aber immer ganz dicht bei ihm. Augenarzt mitteilen müssen. Ansonsten hat mir die Früh- zen und dann auch mit ihr die Bilder anschauen. Nächstes Jahr wird Nick eingeschult. Wird er sich in der förderin mit vielen guten Tipps zur Seite gestanden. Ihre Und da bin ich schon irgendwie erleichtert und Schule auch mit einem Laufrad fortbewegen? Oder wird er Ratschläge waren Gold wert. Und das Wichtigste war auch, erfreut, was mein Kind erreicht hat. Aber das hat es war immer ein und dieselbe Frühförderin. Das war das sie auch nur erreicht durch diese Sehfrühförde- an der Hand eines Mitschülers oder Erwachsenen gehen? Allerwichtigste für Ina. rung. Mit einer normalen Frühförderung hätte sie Wird er das wollen? das nicht erreicht. Es war Zeit, ihm einen Langstock anzubieten. Also zog ich Welche konkreten Hilfen haben Sie als Mama von der Früh- meinen Teleskopstock aus und lief mit dem Stock neben förderin erhalten? Gibt es etwas, was Sie heute anders machen ihm her. Nick hörte das Rollen der Kugel, die unten am Die Frühförderin kam ja nach Hause und hat auch gefragt, würden? Stock war. Ich erklärte ihm, dass dies mein Zauberstab sei. wie es mir geht. Das war wichtig, weil ich auch mal meinen Ja und Nein. Vor Beginn der sinnesspezifischen Ich erinnerte ihn an unsere Abmachung und zeigte ihm den Ballast ausschütten konnte. Dadurch wusste sie eben auch, Frühförderung hatte Ina schon eine allgemeine weißen langen Stock. Rasch liefen wir gemeinsam los, fass- wo ein Problem besteht und sagte mir, wie und wo ich Hilfe Frühförderung, die parallel weiterlief. Es sind also ten beide am Stock an. Nicks Griff wurde immer fester, ich bekommen kann. Darüber hinaus war da jemand, wo ich beide Frühförderungen gelaufen und somit merkte, dass meine Hand störte. Rasch kürzte ich den Stock sagen konnte, mein Kind ist gut aufgehoben und ich kann konnte ich es über die Jahre vergleichen, welche und überließ ihn Nick. Er schob ihn vor sich her, die Kugel mal für 10 min abschalten. Das war sehr wichtig. Aber dafür Frühförderung für die Ina am Günstigsten ist. rollte auf dem Boden. Der Stock zauberte eine Melodie, die muss eben ein Vertrauen da sein. Und dadurch war es für Und durch diese jahrelange zweigleisige Erfah- Steinplatten begannen zu klingen. Dann verstummte die mich eine Erleichterung, wenn es früh geklingelt hat und rung habe ich mitbekommen, und mir dann auch Melodie, es fühlte sich ganz weich an: Nick hatte den Rasen die Frühförderin kam. im Nachhinein gesagt: „Mist, hätten wir doch erreicht. Er suchte mit dem Stock seinen Weg und – wie von gleich 2 Fördereinheiten nur mit dem Behinder- Zauberhand – erreichte er ganz schnell wieder den Platten- Wie ging es nach der Frühförderung weiter? tenwerk Spremberg gemacht!“ Ina hat mehr weg. So machte das Laufen Spaß! Er durfte allein gehen, Ina erhält aufgrund der Komplexität ihrer Behinderung und durch die Frühförderung des Behindertenwerk nicht an der Hand. Er konnte die Dinge selbst herausfinden, der eingeschränkten Belastbarkeit Hausbeschulung. In der Spremberg gelernt als durch die allgemeine Früh- der Zauberstab „sagte“ sogar „Stop!“ bei der Bordstein- ganzen Beantragung und auch beim Förderausschussver- förderung. Ich habe es bis heute nicht bereut, kante: Ja, der Stock fiel den Bordstein herunter und Nick fahren hat uns die Frühförderin unterstützt. Sie hat die dass ich es gemacht habe. Aber ich würde dann blieb tatsächlich stehen! Natürlich passten wir alle auf Nick ganzen Materialien, die Ina für die Beschulung benötigt sofort, wenn ich merke, dass mein Kind so eine auf, aber wir schützten ihn nur, er durfte selbst entdecken! aufgeschrieben. Und es wurde alles beim Förderausschuss Sehschädigung hat, zum Behindertenwerk Viel zu schnell verging die Zeit. Zu Hause angekommen, genehmigt. Mein großer Dank gilt dem Landkreis Oder- Spremberg gehen. Ich würde immer wieder die- hielt Nick den Zauberstab fest in seinen Händen, wollte ihn Spree, der unseren Antrag auf schulbegleitende Förderung sen Schritt gehen. nicht mehr hergeben. Alle verstanden: Nick braucht seinen für ein Jahr stattgab. Und das war auch gut für die Ina. So eigenen Zauberstab, er will lernen, wie man ihn so benutzt, konnte die Frühförderin der Sonderpädagogin zeigen, wel- Wenn Sie das, was die Frühförderung für Sie und dass er viel vom Weg erzählt. Schnell beantragten die Eltern che Inhalte, Gesten, Rituale und Handlungen Ina be- Ina bedeutet hat, in einem Wort zusammenfas- bei der Krankenkasse einen Langstock und Schulung in Ori- herrscht. Es ist eine sehr gute Schule, die bis jetzt dafür ge- sen könnten, welches wäre das? entierung & Mobilität, der Augenarzt verordnete beides. sorgt hat, dass immer ein und dieselbe Lehrerin kommt. Danke! Nick gehört somit zu den Kindern, die schon vor der Ein-
14 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 15 Von A wie aufregender Start bis Z wie Zuckertüte - Justin die Dritte - A Einen aufregenden Start ins Leben hatte ich, Justin, am W W Auch bei der Weihnachtsfeier der Frühförderung war 29. Juli 2006. Eigentlich war alles für Ende November ge- plant, aber unerwartet kam alles anders und Mama musste mit Blaulicht und viel Aufregung von Forst ins Carl-Thiem- Klinikum Cottbus gebracht werden. Ich war nicht sehr groß (35cm) und auch nicht sehr schwer (845g) aber für die 25. Schwangerschaftswoche schon ein kleiner „Brummer“! Am A ich mit Papa und habe meine Freundin Stella getroffen. Die Frühförderinnen haben sich immer tolle Sachen einfallen lassen – Schlangen oder einen Elch streicheln, „Mitmach- märchen“ und unsere Eltern konnten in Ruhe quatschen und Kaffee trinken. PS: Für uns gab´s natürlich auch ganz viele Plätzchen, R Anfang lief oft nicht alles glatt, aber Mama und Papa Kakao und eine kleine Überraschung. waren da und kümmerten sich zusammen mit den Ärzten und Schwestern der K3 toll um mich – und am 9. November R Auch bei Reportagen bin ich schon ein „alter Hase“ - konnte ich dann endlich nach Hause! 2009 und 2011 war ich in der BWS-Zeitschrift „Einblick“ und meine Familie sehr stolz. R R Eine retinopathia praematurorum (ein echt schweres Wort, oder?) habe ich, weil ich künstlich beatmet werden T Beim Tierparktreffen in Cottbus waren wir oft. Die Tiere musste und meine Netzhaut (ist hinten im Auge) sich abge- in den Gehegen konnte ich nicht so gut sehen, aber alle T löst hat, als ich dann endlich alleine atmen konnte. Mit La- haben mir viel erklärt und ganz viele Tiere und Dinge (z.B. serpunkten hat der Augenarzt sie wieder kurz vor meiner das Ei von einem Strauß) durfte ich auch streicheln und an- Entlassung „festgemacht“, aber einige Probleme habe ich fassen. Das darf man eigentlich nicht, sagt Mama. Auch den dadurch schon. Meine coole Brille hilft mir, aber zum Bei- Elefanten durften wir Möhren und Äpfel geben. Eigentlich spiel finde ich das Anschauen von kleinen Sachen schon hatte ich schon Angst und so ein Rüssel ist wirklich RIESIG! sehr anstrengend und alles was weiter weg ist, kann ich Aber mit Katrin bin ich doch mitgegangen – aber wie ver- nicht gut erkennen. abredet nur 1Mal!!! Und flink genug war ich auch und der Elefant hat nur Katrins Hand vollgesabbert. M Das Malen fand ich am Anfang total doof. Der Stift wollte irgendwie nicht so wie ich, die Striche konnte ich L Eine Lampe und eine Lupe brauche ich für die Schule – M L schlecht sehen und alles war total anstrengend! Da hatte das hat Frau Maschke gesagt. Sie ist Orthoptistin an der Katrin (meine Frühförderin) eine tolle Idee – ich durfte auf Brandenburgischen Blinden- und Sehbehindertenschule in der Lightbox mit meinem Finger im Sand malen. Den Ka- Königs Wusterhausen. Da war ich mit Mama und Katrin. Es sten mit dem tollen hellen Licht fand ich sowieso klasse, war ziemlich anstrengend, was ich da alles gucken und ma- weil ich alles so gut darauf sehen konnte. Eigentlich fand chen sollte, aber zur Belohnung gab`s einen großen Eisbe- ich alle Dinge, die weich oder wabbelig waren eklig, aber cher! beim „Sandmalen“ habe ich das total vergessen und auch gar nicht gemerkt, dass Katrin und Mama mir heimlich V Im Vorschuljahr muss man dann auch lernen, seinen einen Stift mit Gummispitze untergejubelt haben – clever Namen zu schreiben. Ein bisschen konnte ich das schon, die Beiden! P Personen kann ich gut unterscheiden – nur am Anfang hat keiner gemerkt, dass ich sie an der Stimme oder auch der Frisur wiedererkenne. Jetzt wissen alle, dass sie nur G weil ich Buchstaben auch total interessant finde - aber das selber Schreiben …! Wo ist denn oben, unten, rechts, links und was ist schräg oder ein kleiner Bogen??? Da hat Katrin viel mit mir geübt. Aber eigentlich habe ich davon gar nichts gemerkt, denn wir haben zum Beispiel Dosenwerfen V P kurz etwas sagen müssen und ich weiß wer es ist. Und wenn gemacht und ich sollte die Bälle unter dem Regal holen und Mama sagt, dass meine Tante nachher kommt, dann weiß die Dosen oben stapeln. Cool fand ich auch, als wir Gummis ich natürlich auch, wer vor der Tür steht. Und Katrin hat mir zum Beispiel von oben rechts nach unten links gespannt gezeigt, dass, wenn der Mund nach oben gebogen ist, mich haben und Muster entstanden sind. Und jetzt merkt keiner F der Andere anlacht und ich etwas gut gemacht habe. mehr, dass ich das alles mal nicht konnte. G Bei großen Fernsehauftritten bin ich jetzt Profi. Ich hatte F Meine Flamme Stella war in meiner Kindergarten- nämlich schon zwei - 2008 und 2013 beim RBB Branden- gruppe. Sie ist eine süße Maus und geküsst haben wir uns burg. Es kam ein richtiges Fernsehteam mit Kameramann, auch schon. Aber wir wollen ja auch später einmal heiraten. Tonassistent und Reporterin zu mir nach Hause und allen wurden viele Fragen gestellt – mir natürlich auch und da war ich voll aufgeregt!
16 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 17 B K B Das Bildschirmlesegerät mit einer schwenkbaren Kamera Z Die Zuckertüte war natürlich mit das Beste an Ersetzt die Zunge die Augen? Das klingt eigenartig, aber ist ein großes Thema in der Ori- Wie soll er aussehen und wozu dient er? hatte ich schon ein Weilchen zu Hause, bevor ich in die meiner Einschulung. Mama und Papa waren entierung und Mobilität von sehgeschädigten Menschen. Wie können Eltern ermutigt werden, ihr Kind Schule gekommen bin. Es war eigentlich total einfach alles ziemlich aufgeregt und ich vielleicht auch ein Groß genug, dass sich die diesjährige Fachtagung der AG trotz Blindheit früher und öfter die Welt selbst einzustellen. Aber ich bin ja auch ein richtiger kleiner Mann bisschen – aber nur ein bisschen. Frühförderung des Verbandes für Blinden- und Sehbehin- erfahren zu lassen? und Technikfreak. Katrin musste mir nur ein bisschen helfen dertenpädagogik damit beschäftigte. Wie kann Inklusion in Kindereinrichtungen gelin- – EHRLICH! Und auf einmal konnte ich Aufgaben lösen, die gen? mir vorher total schwer gefallen sind. Eine echt tolle Sache. 220 Frühförderer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz Wie kann das iPad in der visuellen Förderung und den Niederlanden fuhren nach Freiburg, um hochkarä- sehbehinderter Kinder eingesetzt werden? tige Wissenschaftler zu erleben und mit ihnen über Be- währtes und Neues in der Blinden- und Sehbehinderten- Vom Land Brandenburg nahmen Ariane Groba, Z pädagogik ins Gespräch zu kommen. Madlen Kanzler, Annedore Neigenfind und Ina Skrzipek an der Tagung teil. Wir vier sind uns Den weitesten Weg hatte der Entwicklungspsychologe Da- einig: Die Tagung war sehr inspirierend für un- niel Kish, der aus den USA anreiste, um über wissenschaftli- sere weitere Arbeit. Unsere Köpfe sind voller Fra- che Erkennnisse und praktische Erfahrungen der Orientie- gen, aber auch Ideen. Unsere wichtigste Idee ist, rung und Mobilität zu sprechen. Er ist selbst blind und in gemeinsamer Arbeit von Eltern, in der Frühför- begann mit den Worten: „Ich bewege mich viel, sonst kann derung und Rehapädagogik weitere Wege zu fin- mein Gehirn nicht gut arbeiten.“ Er lief zügig, nutzte einen den, den sehgeschädigten Kindern möglichst früh Wir durften Justin 6 ½ Jahre schulterhohen Langstock und ab und zu schnalzte er leise freie Bewegung zu ermöglichen. Und manchem in seiner Entwicklung beglei- mit der Zunge. Hindernissen wich er zuverlässig aus, wäh- Kind wird die Zunge in der Orientierung und Mo- K Mit Papa und Mama, meinem besten Kumpel Andi und ten, die ersten Schritte miter- rend er sich durch den Seminarraum seinen Weg bahnte bilität gewiss eine große Hilfe sein. meiner Stella war ich beim großen Familienfest zum 20jäh- leben und bedanken uns für und zielstrebig zur Leinwand lief. Natürlich stieß er nir- rigen Jubiläum der Frühförderung in der Kutzeburger die tolle Zusammenarbeit bei gends an, er hatte doch die Leinwand längst gehört! Daniel A. Groba, M. Kanzler, A. Neigenfind, I. Skrzipek Mühle in Cottbus. Am besten fand ich die Riesenrutsche seiner Familie! Wir wünschen Kish hat sich von sehr früher Kindheit an viel selbst bewe- und beim Tanzen mit dem lustigen Clown haben wir uns ihm engagierte Begleiter für gen dürfen. Sind für Sehende die Augen das Fenster zur echt zum Affen gemacht. den neuen Lebensabschnitt Welt, so übernimmt das bei ihm die Zunge, mit der er sich und vor allem die Welt erschnalzt. Das nennt sich „Klick Sonar“ und ist viel Spaß in der Schule! eine hoch effektive Methode zur Echolokalisation. Eine großartige Chance für blinde Menschen! Ein ziemlich Katrin Binnenhei frischer Wind für alle Blinden- und Sehbehindertenpädago- gen! Bekanntlich tut Frische gut, sie belebt. Mit großem Interesse verfolgten die Teilnehmer der Tagung die Referate und wirkten bei den Workshops mit. Rosema- rie Nef-Landolt machte in ihrem Workshop zur Raumwahr- nehmung deutlich, dass die Grundlagen für Orientierungs- und Mobilitätsleistungen bereits in frühester Kindheit ge- legt werden. Dr. Klaus Mönkemeyer berichtete sehr anschaulich von Er- fahrungen in der Echolokalisation. Prof. Michael Brambring verwies darauf, dass das Phäno- men "Blinde erkennen stumme Gegenstände" bereits im 18. Jahrhundert beobachtet wurde. Alle waren sich einig darüber, dass Echolokalisation kein Allheilmittel ist, aber eben eine großartige Chance. Zentrale Fragen auf der Tagung waren: Wie kann es gelingen, dass sich blinde Kinder früher als bisher unabhängig und frei bewegen können? In welchem Alter sollten Kinder einen Stock erhalten?
18 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 19 Wie fühlt es sich an, blind zu sein… Mein Name ist Marion Dunkel und ich bin im Betreuten Das Wissen, dass der weiße Langstock und die Wohnen tätig. Seit 2011 bin ich Multiplikatorin für das Fach- gelbe Armbinde als wesentliche Kennzeichnung gebiet „Blind/ Sehbehindert“. Während meiner Tätigkeit als jedes blinden Verkehrsteilnehmers immer dazu ge- pädagogische Fachkraft lege ich den Wert meiner täglichen hört, war ihnen neu. Gemeinsam mit unseren Arbeit auf eine fachliche Beratung zur blinden- und sehbe- Klienten haben wir somit die Möglichkeit, Fragen hindertengerechten Betreuung unserer Klienten. So werden zu dieser Thematik mit den ortsansässigen Opti- gemeinsam mit dem jeweiligen Bezugsbetreuer im Betreu- kern zu stellen. Hier besteht eine enge und sehr ten Wohnen die Wohnungen unserer blinden und sehbehin- gute Zusammenarbeit. So erfuhren beispielsweise derten Klienten gestaltet. Hierzu nutzen wir verschiedene die Klienten wie Sabine Tasler, Oliver Hoffmann Möglichkeiten, wie beispielsweise die Ausstattung mit ad- und Renato Konzack Neues zu Sehschädigungen äquater Beleuchtung zur Verbesserung der Lichtverhältnisse und dem Aufbau des Auges. durch eine LUX Messung mit dem LIGHT METER, die Ausge- staltung mit kontrastreichen und/oder tastbaren Symbolen zur Orientierung und den Einsatz von Hilfsmitteln. Eine Er- leichterung bei der Bewältigung der vielen kleinen Anforde- rungen zum selbständigen Leben in der eigenen Häuslichkeit ist betroffenen Klienten gegeben und damit eine Erhöhung ihrer Lebensqualität im Alltag. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sensibilisierung unserer Klienten und der Mitarbeiter im Betreuten Wohnen für Blindheit und Sehbehinderung. Denn jeden Tag aufs Neue werden wir in unserer Arbeit und in der Öffentlichkeit mit diesem Thema konfrontiert. Die Teilnahme an der Veranstaltung „Tag des weißen Stok- kes“ und dem „Tag der Sehbehinderten“ im Jahr 2013 bot uns allen eine gute In regelmäßigen Treffen der Multiplikatoren „Blind/Sehbe- Wege gehen…“ vorgestellt. Im regen Informati- Möglichkeit zu er- hindert“ wird neues Fachwissen von Frau Neigenfind vermit- onsaustausch traten wir mit betroffenen blinden fahren, wie es sich Des weiteren machten die Klienten anhand von Si- telt. Dies wiederum gebe ich im Team des Betreuten Woh- und sehbehinderten Menschen, mit anderen Ein- anfühlt blind zu mulationsbrillen die Erfahrung, wie es ist „Blind zu nens weiter, aber ich stehe natürlich auch jederzeit für richtungen, Eltern und Angehörigen zum Thema sein. So konnten sein“. Sie lernten, dass sie in dieser Situation an- einzelne Fragen der Mitarbeiter zur Verfügung. Zur Festi- „Inklusion“ in Kontakt. unsere Klienten dere Sinne, wie den Riech- und den Tastsinn, ver- gung der Grundlagen der Orientierung und Mobilität mit Im Mai 2013 beende ich die Qualifizierungsmaß- mit dem Langstock stärkt einsetzen müssen, um Informationen aus dem Langstock und zur Vermittlung, wie auch Festigung der nahme „Menschen mit Sehbehinderung oder und deren Technik ihrer Umwelt zu erhalten. Sabine Tasler sagte: „Es „Sehenden Begleitung“, erhalten die Mitarbeiter im Betreu- Blindheit und weiteren Behinderungen“ in Koope- erste Erfahrungen dauert ja so lange, bis ich erkenne, das ich ein Ra- ten Wohnen jährlich eine fachlich von mir geführte Schu- ration mit der Johann Wilhelm Klein-Akademie machen. Ihnen dieschen in der Hand halte und wie es schmeckt.“ lung. Neue Mitarbeiter werden zeitnah unterwiesen, um GmbH Würzburg. Hier konnte ich mein bereits er- wurde bewusst, Sie meinte: „Wie einfach ist es doch, hinzuschauen eine qualitätsgerechte Betreuung der Klienten schon von Be- worbenes Wissen festigen und erweitern. Das Ar- welche Probleme und alles zu Sehen“. ginn ihrer Tätigkeit an zu sichern. beitsfeld des Betreuten Wohnens kann dadurch blinde und sehbe- Auch haben die Klienten des Betreuten Wohnens Innerhalb der Dienstberatungen nutze ich die Gelegenheit bei der Umsetzung ambulanter Betreuungsleistun- hinderte Men- erkannt, dass der Umgang mit blinden und sehbe- Fachthemen spezifisch zu Blindheit und Sehbehinderung gen mit den spezifischen Anforderungen blinder schen im Straßen- hinderten Menschen und das gemeinsame Mitein- vorzustellen und im Team zu diskutieren. Im vergangenen und sehbehinderter Menschen stets auf neues verkehr haben und ander viel Zeit, viel Geduld und auch sehr viel Fin- Jahr erfolgte hierzu eine umfangreiche Power Point Präsen- Fachwissen zurückgreifen und eine qualitätsge- wie sie damit um- gerspitzengefühl erfordern. tation zum Thema „Low Vision – Sehvermögen gestalten“. rechte, bedarfsorientierte Teilhabe der Klienten in gehen können. Eine enge Zusammenarbeit besteht im Betreuten Ein besonderer Höhepunkt war für Frau Sauder, Leiterin des der Gesellschaft gewährleisten. Wohnen ebenso mit der Rehabilitationspädagogin Betreuten Wohnens, und mich die Teilnahme am XXXV. Kon- des Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, Frau gress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in Chem- Marion Dunkel Neigenfind. Sie steht uns bei allen Fragen und bei nitz 2012. Als Referenten haben wir an dieser Veranstaltung Erfahrungen im Umgang mit dem Langstock kleinsten Problemen fachlich stets zur Seite. unsere tägliche Arbeit mit dem Beitrag „Gemeinsam eigene
20 20 Sinnesgarten Sinnesgarten | 01 2013 | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 21 „Tag der Sehbehinderten“ in Spremberg Elterntreff im Förder- und Beschäftigungsbereich (FBB) Die Veranstaltung war gut besucht. Kindergärten, Zu unserem mittlerweile schon zur Tradition gewor- Nach den angeregten Diskussionen und Fragestellungen an Schulen, Bürger der Stadt, selbst Betroffene nutz- denen Elterntreff haben sich die Eltern und Ange- unsere Gäste sind wir allmählich zum „gemütlichen“ Teil des ten diesen Rahmen, um sich zu informieren oder hörigen unserer Klientel am 19. Juni 2013 getrof- Nachmittages übergegangen. Es gab Kuchen, Kaffee, Tee und sich fachlich beraten zu lassen. fen. im Laufe des Spätnachmittages zu den verschiedenen Salaten, Besonders interessant war die Einbeziehung von Als Gäste standen den Angehörigen, neben Frau Gegrilltes vom Rost. Debowski, der Leiterein unseres Reha-Fachdienstes, An der Tafelrunde wurden die Sitzplätze getauscht, um auch Betroffenen selbst. Frau Lehmann, vom Sozialamt Landkreis Spree- einmal mit anderen Angehörigen ins Gespräch zu kommen. So konnte man mit Nadine Rhode und Enrico Fulst, Neiße, zu Aspekten der Leistungserbringung im Die anwesenden Gruppenbetreuer gaben Auskunft zu tages- zwei jungen blinden Sprembergern, über ihre Ge- Rahmen der Eingliederungshilfe, sowie Frau Kien- relevanten Ereignissen und Planungen. fühle sprechen, aber auch viele Fragen loswerden. ast, die Leiterin des ambulanten Pflegedienstes des Wir haben uns über die große Resonanz der Teilnehmenden Wie kann man sich blind orientieren? Wie steht es Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, zur Mög- gefreut und werden auch im nächsten Jahr ein weiteres El- um die Barrierefreiheit der Stadt? Welche Unter- lichkeit einer stundenweisen Betreuung, außerhalb terntreffen durchführen. stützung ist hilfreich? Welche Hilfsmittel können der regulären Betreuungszeiten des FBB, Rede und die Bewältigung des Alltags erleichtern? Antwort. Eva Dietrich Eröffnung am Bullwinkel Enrico Fulst las dann noch aus einem Märchenbuch Ein heißer Sommertag, mit Temperaturen von weit in Brailleschrift (Blindenschrift) vor und hätte über 30°C haben uns letztendlich in den Holzpavil- damit auch eine Klassenstunde füllen können. lon der Außenanlagen flüchten lassen. Die Hauswirtschaftsgruppe des FBB war sehr fleißig Schüler verschiedener Schulen nutzten die Mög- bei der Vorbereitung des Festes. So wurde ein Erd- lichkeit, sich unter fachlicher Begleitung von den beerkuchen mit Früchten aus unserem Garten ge- drei mitwirkenden Multiplikatorinnen aus unserer backen und verschiedene Salate und Brotaufstriche Werkstatt für behinderte Menschen und den vorbereitet. Wohnstätten zu informieren. Sie liefen unter einer Augenbinde einige Schritte durch Spremberg, bereiteten sich „blind“ einen kleinen Imbiss zu und waren besonders behutsam und konzentriert beim Essen. Für kurze Zeit erleb- ten sie, wie sich Blindheit anfühlt. Somit leistete die Informationsveranstaltung einen Enrico Fulst liest aus einem Märchenbuch in Brailleschrift weiteren Beitrag zum Abbau von Berührungsäng- sten im Umgang mit behinderten Menschen. Erneut ein sehr gelungener Tag, so äußerten sich zahlreiche Der Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS und Besucher und Teilnehmer der nunmehr 4. Informationsveran- die BWS Behindertenwerk GmbH stehen hier mit staltung zum „Tag der Sehbehinderten“ am 6. Juni am Bull- langjähriger Erfahrung diesen Menschen zur Seite. winkel in Spremberg. Neben der Frühförderung von blinden und sinnes- „Die Augen sind unser Fenster zur Welt“, unter diesem beeinträchtigten Kindern werden über 60 blinde Motto fand diese Veranstaltung unter der Schirmherrschaft oder sehbehinderte Beschäftigte in der Werkstatt des Bürgermeisters der Stadt Spremberg, Dr. Klaus-Peter für behinderte Menschen und 80 blinde oder seh- Schulze, statt. behinderte Bewohner in den Wohnstätten und Initiatoren waren wiederum die Augenoptikermeisterin, dem Pflegeheim betreut. Sie gehören längst auch Heike Woucznack, und die Orientierungs- und Mobilitätstrai- zum Spremberger Stadtbild. nerin des Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, Annedore Damit auch die Blinden und Sehbehinderten am Neigenfind. öffentlichen Leben teilhaben können, müssen hierfür die Voraussetzungen geschaffen werden. Das Zusammenwirken der verschiedensten Institutionen mit Dazu soll so ein Tag wie dieser sensibilisieren. den Fachleuten, unter Einbeziehung der Betroffenen, hat Vielen Dank an alle Beteiligten, die erneut zum eine lange Tradition in Spremberg. Darauf verwiesen der Ge- guten Gelingen beigetragen haben. schäftsführer des BWS, Olaf Taubenek, wie auch Joachim Haar, Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenver- Wolfgang Looke bandes des Landes Brandenburg, in ihren Eröffnungsreden.
22 Sinnesgarten | 01 2013 Sinnesgarten | 01 2013 23 100 Jahre Ostdeutscher Rosengarten Forst (Lausitz) Kunstprojekt „Grenzenlos kreativ“ veranstaltet 2-tägiges Pleinair im Rosengarten Forst (Lausitz) Über den Forster Rosengarten sind schon Bücher geschrie- ben worden. Man kann über diesen wunderschönen Park stundenlang Geschichten erzählen, wir könnten aber auch eine Seite vollschreiben mit Zahlen und Daten. In diesem Jahr gibt es viele Besonderheiten. Der Rosengar- ten feiert seinen 100. Geburtstag und das im Rahmen der Deutschen Rosenschau 2013, die schon einmal in Forst (Lau- sitz) vor mehr als 70 Jahren statt fand. Rosenzüchter aus ganz Deutschland präsentieren hier ihre Arbeit und finden Anerkennung vom breiten Publikum einer fachkundigen Spezialistengruppe. Für diesen Garten mit einer Fläche von 15 ha gibt es nur we- nige Gärtner, die die Anlage pflegen. In diesem Jahr hat die Denn, wenn auf aufgestellten Schildern steht: BWS Behindertenwerk GmbH im Rahmen eines Sponsoren- „Dieses Objekt wird gepflegt von der BWS Behin- vertrages große Flächen in eigener Regie zu mähen, vom Un- dertenwerk GmbH“ dann ist das nicht nur so dahin kraut freizuhalten und auch sonst für Sauberkeit zu sorgen. gesagt, sondern jeder Besucher kann unsere Ar- Die Gruppen der Garten- und Landschaftspflege sowie des beit kontrollieren. Berufsbildungsbereiches der Betriebsstätte Forst (Lausitz) Bei der „Nacht der 1000 Lichter“ hatte das BWS haben damit eine große Verantwortung übernommen. gemeinsam mit der Feuerwehr die Aufgabe Am 17. und 18. Juni 2013 war es so weit, die BWS Behin- 10.000 Teelichter aufzustellen, um die Beete zu dertenwerk GmbH organisierte während der Deutschen erleuchten. Leider hat uns die Feuerwehr nicht Rosenschau 2013 bei sehr schönem Wetter ein 2-tägiges wie erwartet unterstützt, so dass mit 11 Frauen Pleinair im Rahmen „100 Jahre Ostdeutscher Rosengar- und Männern unserer Werkstatt die Aufgabe er- ten“ in Forst (Lausitz). füllt wurde. Auf uns ist eben Verlass. Freier Ein- „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“, einge- tritt für die nächsten 3 Tage ließen uns den Mus- bunden in den Lokalen Aktionsplan des Landkreises kelkater und den Stress schnell vergessen. Spree-Neiße, wurden diese 2 Tage zu einem lebendigen Kurz vor Eröffnung der Rosenschau konnten un- Beispiel eines Miteinander von Behinderten und Nicht- sere „Grünen Jungs“ (Garten- und Landschafts- behinderten, von Jugendlichen und Erwachsenen, von pflege) ihre Arbeit nicht perfekt erfüllen, aber deutschen und polnischen Bürgern und das mitten unter das lag nicht an uns. Das Hochwasser der Neiße den Besuchern zu den Festwochen zu „100 Jahre Ost- hatte große Flächen eines Pflegeobjektes über- deutscher Rosengarten“. spült und auch Schaden hinterlassen. 21 Schüler aus polnischen Spezialschulen (Förderschulen) 40.000 Rosenstöcke mit annähernd 700 Sorten Gubin und Lubsko, aus der Wichernschule Forst (Lausitz), und viele bunte Veranstaltungen warten auf vom Gymnasium Forst (Lausitz) und 7 Beschäftigte aus viele, viele Besucher – 125.000 plante die Stadt, den Betriebsstätten Forst (Lausitz) und Spremberg haben aber 175.000 sind es dann doch geworden. an 7 Standorten im Rosengarten, mitten unter den Besu- Somit hatten wir Gelegenheit vielen Menschen chern für alle zugänglich und erlebbar, künstlerisch gear- unsere Fertigkeiten bei der Garten- und Land- beitet. schaftspflege zu zeigen und außerdem können Unter fachlicher Anleitung von unserer Designerin, Frau wir auch hier sagen: „Wir waren dabei“. Margitta Bertko, und den Lehrern und Betreuern ent- standen eine Vielzahl von Bildern unter dem Motto Werkstattbeschäftigte „Parkansichten“. der Betriebstätte Forst (Lausitz) Zu sehen waren diese Bilder in einer Ausstellung ab An- fang September auf der Reisigwehrinsel im Forster Ro- sengarten. Das Pflegeobjekt „Bärchenbrunnen“ Wolfgang Looke
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