Animal Lounge Theaterpädagogisches Material - oder Füchse haben kurze Beine
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theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer, »Können Tiere lügen? Schwer vorstellbar, nicht wahr? Wenn Dich ein Tier anschaut mit großen glänzenden Augen, einem so treuherzigen Blick, kann man kaum glauben, dass es irgendwelche miesen kleinen Hintergedanken hat. Aber wer weiß schon, was Tiere in Wirklichkeit denken?« Mit diesen Worten begrüßt der Fuchs das Publikum von »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« und im Grunde hat er damit bereits das gesamte Themenspektrum des Stückes eröffnet. Es geht um das Lügen, das Verheimlichen, Schmeicheln, aber auch darum, Vertrauen zu fassen und Freundschaft zu schließen. Auch wenn wir es nicht gerne zugeben: Wir alle lügen. Immerzu. Im Durchschnitt fast 200mal täglich. Und zwar meistens nicht, um anderen zu schaden, sondern um selbst besser dazustehen, Ärger zu vermeiden, die Wirklichkeit ein wenig in unserem Sinn zu ver- schieben. Der renommierte Kinderbuchautor und Dramatiker Ulrich Hub hat für das tjg. auf der Grundlage des alten Epos vom schlau- en Fuchs Reineke, der seinen Kopf durch brillante Lügen und geschicktes Falschspiel aus jeder Schlinge ziehen kann, ein Stück über das Lügen und die Grauzone der Halbwahrheiten geschrieben. Wann darf man lügen? Ist man manchmal nicht geradezu verpflichtet, ein bisschen von der Wahrheit abzurücken? Hat jeder ein Recht auf seine persönlichen Geheimnisse? Und wie viel Selbsttäuschung braucht man zum Überleben? In »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« werden all diese Fragen nicht nur von einem illust- ren Ensemble aufgeregter Tiere in allen Facetten diskutiert, sondern auch zu einer Frage über Leben und Tod. Lüge und (Selbst-)Betrug sind hier sozialer Kitt und Sprengstoff zugleich… In diesem Begleitmaterial haben wir uns auf die zentralen Themen Fabelbearbeitung und Lügen fokusiert. Neben hilfreichen Hinter- grundinformationen finden Sie auch Anregungen zu spielerischen Vor- und Nachbereitung. Einen besonderen Schwerpunkt haben wir im Kontext der Uraufführung und der Zusammenarbeit mit Ulrich Hub auf das kreative Schreiben mit Kindern gelegt. Lassen Sie sich belügen und begeistern. Wir freuen uns auf Sie und Ihre Rückmeldungen und Anregungen zu diesem Material. Mit ganz ehrlichen Grüßen, Tabea Hörnlein (Theaterpädagogin) und Ulrike Leßmann (Dramaturgin) Vorbereitung gewünscht? Gesprächsbedarf nach der Vorstellung? Mal einen Blick hinter die Kulissen werfen? Kontaktieren Sie die tjg. theaterakademie in allen Vermittlungsfragen rund um »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine«! Tabea Hörnlein: 0351 – 42 91 215 tabea.hoernlein@tjg-dresden.de 2
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Inhalt 1 Besetzung 04 2 Fabeln gestern und heute 05 2.1 Fabeln gestern 05 Reineke Fuchs – die Entwicklung des alten Epos vom schlauen Fuchs 05 2.2 Fabeln heute 06 Interview mit Ulrich Hub 1 06 Übung: Aus Altem Neues erzählen 08 2.3 Animal Lounge - ein Tierpanoptikum 09 Hintergrundwissen zu den Tieren 09 Interview mit Ulrich Hub 2 13 Übung: Tiercharakteristika 13 3 Vom Lügen und Verschweigen 14 3.1 Lügen in der Kindheit 14 Interview mit Ulrich Hub 3 14 Übung: Wer bin ich? 15 Kleine und große Geheimnisse: Kindlicher Umgang mit der Lüge 16 3.2 Unser Körper lügt mit 17 Körpersprache und Täuschung 17 Übung: Lügen mit dem Körper 19 Zitatesammlung 20 4 Zuordnung der Lernbereiche 21 5 Impressum 22 PRAXIS – Tipps zur praktischen Vor- und Nachbereitung der Inszenierung THEORIE – hier erhalten Sie hilfreiche Hintergrundinformationen und Kopiervorlagen für die praktische Arbeit im Unterricht 3
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 1 Besetzung Ulrich Hub Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine (UA) ab 8 Regie Ulrich Hub Bühne und Kostüm Grit Dora von Zeschau Musik Jörg Kandl Fuchs Alexander Peiler Hund Insa Jebens Tiger Roland Florstedt Affe Bettina Sörgel Gans Manuel Krstanović Schafe Isabell Giebeler und Florian Rast Panda Charles Ndong Dramaturgie Ulrike Leßmann Theaterpädagogik Tabea Hörnlein Regieassistentin Rahel Häseler Inspizientin Angela Schrötter Souffleuse Judith Reimann Theaterpädagogische Mitarbeit Henrike Dusella (FSJ Kultur) Technische Leitung Lutz Hofmann Technische Einrichtung Olaf Kuhnert Licht Steffen Wodniczak Ton Kerstin Henke, Karsten Seifert Maske Sylke Aehlig Requisite Gisbert Keßler (Herstellung der Dekorationen und Kostüme in den Werkstätten des tjg.) Gesamtleitung Andreas Weidner Malsaal Carl-Mathias Wieder Plastik Rainer Assing Tischlerei Torsten Gaitzsch Schneiderei Undine Rösner-Ehrlich und Annegret Fischer Dekorationsabteilung Uwe Scholz Schlosserei Horst Bergsträßer Tiermasken Dagmar David Premiere 12.05.2012 tjg. schauspiel / Große Bühne Aufführungsrechte Verlag der Autoren GmbH & Co KG, Frankfurt/Main Das Fotografieren sowie Film- und Tonaufnahmen während der Vorstellung sind nicht gestattet. 4
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 2 Fabeln gestern und heute 2.1 Fabeln gestern Reineke Fuchs – die Entwicklung des alten Epos vom schlauen Fuchs Geschichten über den »schlauen Fuchs« finden sich in allen Gegenden der Welt, in denen das Tier beheimatet ist, in Eura- sien, Nordamerika, dem Mittelmeerraum. In Europa taucht der Fuchs zuerst in der Literatur der Antike auf. In einer Fabel von Äsop wird von einem Fuchs erzählt, der durch eine List und gezieltem Ungehorsam seinem Tod entgeht und zugleich den Löwen, den kranken König der Tiere, heilt. Hier wird auch der Ursprung der Reinekes vermutet. Diese Geschichten, in denen der Fuchs und Übeltäter Reineke sich durch geniale Lügengeschichten und ausgesuchte Bosheiten aus allen gefährlichen Lebenslagen rettet und am Ende als Sieger gegen seine Widersacher durchsetzt, haben seit dem Mittelalter Kon- junktur als mündlich überlieferte Epen. All diesen Geschichten ist gemeinsam, dass die Tiere menschähnliche Geschöpfe sind, die durch Eigennamen individualisiert und mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet sind. Sie folgen in ihren Handlungen einerseits den Regeln menschlichen Zusammenlebens und beschäftigen sich mit Ehebruch, Machtspielen, Anklagen und Verteidigung. Anderer- seits folgen sie ihrer tierischen Natur und haben Probleme mit der Nahrungssuche und der Flucht vor Verfolgern. Die für die Handlung ausschlaggebenden Figuren sind gekennzeichnet durch Eitelkeit, Dummheit, List, Gier und werden so zu einem Panoptikum, in dem die menschliche Tragödie von Macht, Gewalt und Tod als tierische Komödie gestaltet ist. Die unterschiedlichen Geschichten unterscheiden sich durch die Milieus, in denen sie spielen: Mal sind es Satiren auf den Mönchsstand und die Kirche, mal werden Merkmale der höfischen Welt parodiert, mal überwiegend schwankhafte Einfälle, mal die gesellschaftskri- tischen und aktuell politischen Anspielungen. Über die Zeit verschmelzen die verschiedenen Fabeln und verdichten sich zu einer die Sprachgrenzen überschreitenden literarischen Komposition, die sich im 16. Jahrhundert als niederdeutsches in Knittelversen gereimtes Volksbuch »Reynke de Vos« im ganzen nordeuropäischen Raum zum Bestseller entwickelte. Wie bei Erfolgromanen auch heute noch üblich, gab es zahlreich Nachdichtun- gen, Fortsetzungen, Übersetzungen. Aber in allen Bearbeitungen blieb der Reineke-Stoff Literatur des Volkes. Geadelt und in die Hochkultur aufgenommen wurde die Geschichte erst durch die Bearbeitung von Johann Gottschedt, einer der ein- flussreichsten intellektuellen Persönlichkeiten im 18. Jahrhundert. Er schrieb die hochdeutsche Prosafassung des Tierepos, die unter dem Titel »Reineke der Fuchs« veröffentlicht wurde. Diese Buch war das Vorbild für die Reineke-Fassung, die heute am bekanntes- ten ist: »Reineke Fuchs« von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1794. Goethe kannte Gottschedts Bearbeitung aus seiner Kindheit, folgte ihr inhaltlich sehr dicht, aber wählte wieder eine gereimte Form. Dazu nutzte er das antike Versmaß Hexameter, ver- wandelte es aber in einen freieren und lässigeren Sprachstil. Damit nahm er der Geschichte alles Lehrhafte und unterstrich ihren spie- lerischen Charakter. Im 19. und auch 20. Jahrhundert wurde die Geschichte des schlauen Fuchses für die Dramatik entdeckt und zahlreiche Opern- und Theaterinszenierungen entstanden. Vor allem aber wurde sie in gekürzter Form oder aufgeteilt in einzelne Fabeln in den Kanon der Kinderliteratur aufgenommen. 5
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 2.2 Fabeln heute Fehlgeleitete Instinkte in einer modernen Welt: drei Fragen an den Autor und Regisseur Ulrich Hub Ulrich Hub wurde 1963 in Tübingen geboren. Nach seiner Schauspielausbildung an der Musikhochschule in Hamburg war er an den Theatern in Gießen und Dar- mstadt engagiert. Als junger Schauspieler kam er zum Schreiben. Aufmerksamkeit erregte er durch den Gewinn des ersten Preises beim Heidelberger Stückmarkt 1997 mit seinem Stück »Die Beleidigten«. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen, vor allem für sein Stück »An der Arche um Acht«, für das er 2006 auch den deutschen Kindertheaterpreis und den deutschen Hörspielpreis bekam. Am tjg. kam das Stück 2006 auf der Studiobühne zur Premiere. Ulrich Hub arbeitet an verschiedenen Thea- tern als Regisseur, unter anderem in Wien und Köln. Am tjg. inszenierte er 2009 sein Stück »Nathans Kinder«, das mit dem Mühlheimer KinderStückePreis ausge- zeichnet wurde. Ulrich Hub lebt in Berlin. Das Interview mit dem Autor und Regisseur Ulrich Hub führte die Dramaturgin Ulrike Leßmann am 08. 05. 2012. Frage 1 »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« geht auf den Reineke Epos zurück. Wie sind Sie mit dieser alten Vorlage umgegan- gen? Ich habe eigentlich alle Grundsituationen des Epos erhalten: Es gibt die beiden Widersacher Fuchs und Wolf, aus dem ich allerdings einen Hund gemacht habe. Es gibt die Stationen ihres Zweikampfes und auch das Motiv der Rückkehr des Fuchses, auf die alle gewar- tet haben. Ich habe mich aber gefragt, wie man die Geschichte ins Heute verlagern kann. Ich wollte etwas über Tiere erzählen, die sich der Modernität unserer heutigen Welt so angepasst haben, dass sie ihre natürlichen Instinkte und Bedürfnisse vergessen haben. Des- halb habe ich darüber nachgedacht, wo man sich die beschriebenen Tiere am allerwenigsten vorstellen kann und kam auf das Bild des Flughafens. Tiere, die am Flughafen sitzen und auf ihre Flüge warten, haben sich in der Modernität der Welt eingerichtet und positio- niert. Die Gans nutzt ihre natürlichen Bewegungsmöglichkeiten nicht, die Schafe haben keine Angst mehr vor ihren natürlichen Fein- den und der Tiger isst lieber Würstchen mit Senf, statt an einer leckeren Lammhaxe zu knabbern. Es ist ihm auch wichtiger, ein schi- ckes Werbebild auf einer Cornflakespackung zu sein, als durch den Urwald zu streifen. Genauso wie im »Reineke« führt der Fuchs die anderen Tiere durch Schmeicheleien und Lügen hinters Licht, indem er sie in ihren falschen Bedürfnissen bestätigt und ihre extreme Eitelkeit bedient. Ich habe aber auch eine große Änderung gegenüber der Vorlage eingeführt: In »Animal lounge oder Füchse haben kurze Beine« wird am Ende eine Freundschaftsutopie erzählt: Der Fuchs kommt zu Fall, weil er zum ersten Mal in seinem Leben Freundschaft und sogar ein bisschen Liebe empfindet, gerade als kein anderer mehr daran glauben kann. Von diesem Moment an funktioniert sein System nicht mehr, er mag seine Freunde nicht weiter belügen und kann nicht mehr nur berechnend handeln. Am Schluss ist er sogar das einzige Tier, das wirklich so etwas wie Verantwortungsgefühl für die Anderen entwickelt. 6
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« AUS ALTEM NEUES ERZÄHLEN Art: Einheit zur Vorbereitung auf den Theaterbesuch Dauer: ca. 20 Minuten Anforderungen: Möglichkeit eines Stuhlkreises Ziel: spielerisches Erzählen entdecken Auf einer Probe von »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« fiel einem der Schauspieler auf, dass Ulrich Hub immer wieder auf Spielfilme, Songtexte und Märchen verweist, um sein Stück zu erzählen. Der Autor und Regisseur bestätigte dies sofort und sagte, dass er natürlich immer wieder klaut, zitiert und aufbereitet, denn nur aus Altem kann Neues entstehen. Nehmen Sie dieses Prinzip auf und erfinden Sie mit Ihren SchülerInnen eine ganz neue Reineke Fuchs-Geschichte. Setzen Sie sich dafür alle in einen Kreis und improvisieren Sie gemeinsam eine Erzählung. Der erste Satz lautet: »Vor alten Zeiten, als die Tiere noch alle in einem Wald wohnten, die Menschen zum Leuchten nur Wachskerzen hatten, über jedes Volk ein König herrschte und die Schwachen von den Starken geknech- tet wurden - in diesen alten Zeiten herrschte der Brauch, dass am Pfingstfest vom König der Große Friede ausgerufen wurde.« (aus: Franz Fühman »Reineke Fuchs«) Nun wird reihum weiter erzählt. Jede/r SchülerIn ergänzt die Geschichte mit einem eigenen Absatz, der sich jedoch auf das vorher Gehörte bezieht. Achten Sie gemeinsam darauf, dass nicht zu viele neue Figuren und Handlungsstränge eröffnet werden - weniger ist oft mehr. Regen Sie die SchülerInnen dazu an, die Erzählung auch mit Situations- und Ortsbeschreibungen oder kleinen Monologen zu gestal- ten. Gern können Sie solch konkrete Erzählperspektiven als Aufgaben formulieren. In einer zweiten Runde können Sie die gleiche erfundene Erzählung noch einmal aus der Sicht eines Flohs im Fell erzählen lassen. 8
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 2.3 Animal Lounge - ein Tierpanoptikum Hintergrundinformationen über die Tiere aus »Animal Lounge« Der Panda Der Pandabär lebt nur dort, wo Bambus wächst. Weil aber die Heimat der Pandas, die Bergwälder Chinas und Burmas, weiträumig abgeholzt und in Felder umgewandelt wur- den, leben die letzten circa 1600 Tiere in kleinen Waldinseln inmitten von Äckern, Straßen und Siedlungen. Obwohl der Organismus des Pandabär eigentlich der eines Fleischfressers ist, ernährt er sich als einziger Bär ausschließlich vegetarisch, nämlich von Bambusblättern und -stengeln. Da er diese nicht wirklich gut verwerten kann und Bambus sehr nährstoff- arm ist, braucht ein Panda 20 Kilogramm Bambus am Tag. Dafür muss er jeden Tag bis zu 16 Stunden fressen. Danach lehnt sich ein Panda gerne an einen Baumstamm und hält ein Schläfchen. Pandas sind Einzelgänger. Jeder Bär bewohnt ein bis zu sechs Quadratkilome- ter großes Revier, das er mit einem Stoff aus speziellen Duftdrüsen markiert. Nur im Früh- ling finden sie sich für eine kurze Paarungszeit zusammen. Die Fortpflanzungsrate ist allerdings niedrig und die Nachzucht von Pandas in Zoos und Schutzstationen gelingt selten. Der Tiger Tiger gehören zu den Katzen, werden aber viel größer als eine normale Hauskatze. Aus- gewachsene Tiger sind mit fast 300 Kilogramm die größten Raubkatzen. Schon auf den ersten Blick kann man ihre Kraft und Wendigkeit erkennen. Ihr Fell ist kontrastreich ge- streift und so sind sie in einer Vegetation mit vielen Licht- und Schattenstellen optimal getarnt. Selbst ihr Schwanz ist quergestreift. An ihre Umwelt stellen Tiger nur geringe Anforderungen. Solange genug Wild, Wasser und Wald vorhanden ist, kommt der Tiger sehr gut zurecht. Ob +40 oder - 40 Grad, der Tiger kann sich anpassen. Tiger sind faul. Sie lieben es, vor sich hin zu dösen und zu faulenzen. Selbst auf der Jagd versuchen sie, sich möglichst wenig anzustrengen. Sie hetzen ihren Beutetieren nicht hinterher, bis sie müde sind. Dafür sind sie nicht schnell genug. Stattdessen ziehen sie die Überraschungstaktik vor. Sie pirschen und lauern am Flussufer. Wenn ein Tier kommt und trinkt, springt der Tiger es an, krallt sich fest und erlegt es mit einem Biss ins Genick. In der Natur hat der Tiger außer dem Menschen keine natürlichen Feinde. Trotzdem sind die Bestände durch zunehmende Besiedlung bedroht. Zurzeit leben mehr Tiger in Zoos als in der freien Wild- bahn. 9
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Die Gans Grau- und Wildgänse sind Zugvögel. Im Sommer brüten sie im ganzen europäischen Raum von Nordschweden bis Griechenland. Überwinterungsgebiete sind die wärmeren Regionen der iberi- schen Halbinsel und vor allem Nordafrika. Wenn sie in diese Gebiete fliegen, bilden sie eine charakteristische V-Formation. Die Gänse wechseln dabei ständig ihre Plätze. Gänse können nicht gut alleine sein: Sie leben in großen Schwärmen. Nur zur Paarungs- und Brutzeit ziehen sich die Paare zurück. Gänsepaare bleiben sich in der Regel ein Leben lang treu. Auch die Junggänse bleiben sehr lange bei ihren Eltern. Gänse erkennen einander hauptsächlich am Ruf. Sie können sich sehr verschieden äußern: Einige rufen in einer sehr hohen Kopfstimme, andere trompeten oder geben knarrende Laute von sich. Auf großen Rastplätzen herrscht oft die ganze Nacht ein reges Rufen und Treiben, weil die Familienmitglieder sich wieder finden wollen. Es kann unter männlichen Graugänsen zu homosexuellen Beziehungen kommen. Manchmal wird ein Weib- chen von diesen beiden Männchen begattet. Dann bleibt das Dreiergespann so lange zusammen, bis die Junggänse erwachsen sind. Danach trennt sich das Weibchen von der Gruppe, während das männliche Paar zusammen bleibt. Der Fuchs Füchse sind sehr nah mit den Hunden verwandt und sehen ihnen recht ähnlich. Sie haben allerdings kürzere Beine und einen viel längeren Körper. Füchse sind ausgesprochen sportlich: Sie können bis zu fünf Meter weit und zwei Meter hoch springen und bis zu 50 Kilometer schnell laufen. Außerdem können sie sich auch in den engsten Höhlen und kleinsten Erdlöchern verstecken. Füchse sind außerdem extrem anpassungsfähig. Egal ob Wüste oder Wald, Küste oder Hochgebirge, sie finden überall ihren Lebensraum. Und weil Füchse besonders schlau sind, haben sie längst entdeckt, dass es sich auch in Städten in Gärten, auf Müllhalden und Abfall- haufen leben lässt. Am liebsten ziehen sie alleine durch die Gegend und auf die Jagd. Zum Schlafen ziehen sich Füchse in ihre unterirdischen Bauten zurück. Ein Bau besteht aus mehreren Höhle, sowie Haupt und Fluchtgängen – der Fuchs kann also von vielen Stellen seines Reviers aus blitzschnell in seinem Bau verschwinden. Manchmal ziehen Füchse auch einfach in Höhlen von Dachsen und Kaninchen ein. In ganz großen Bauten gibt es richtige Wohngemeinschaften: Fuchs, Dachs, Iltis und sogar Kaninchen leben friedlich zusammen. Alle lassen sich in Ruhe – allerdings wirklich nur solange sie im Bau sind. Füchse sind Allesfresser. Sie fressen Mäuse, Regenwürmer, Schnecken, Vogeleier, Beeren, wenn sich die Gelegenheit bietet auch mal ein Huhn. Das alte Kinderlied »Fuchs, du hast die Gans gestohlen« stimmt allerdings nicht. Eine ausgewachsene Gans ist für einen Fuchs eine Nummer zu groß. 10
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Das Schaf Ein Schaf alleine – das gibt es nicht! Schafe sind reine Herdentiere und mögen es über- haupt nicht, alleine zu sein. Nur zusammen mit anderen Schafen fühlen sie sich sicher und geborgen. In ihren großen Herden können sich die Schafe aber auch verirren und verlieren. Deshalb leckt die Mutter ihre Lämmer direkt nach der Geburt gründlich ab, um sich ihren Geruch einzuprägen. Die Lämmer wiederum merken sich das Blöken ihrer Mutter ganz genau und erkennen es auch in großen Schafgruppen wieder. Das erste Säugetier, das im sogenannten Klonierungsverfahren künstlich aus Zellen erzeugt wur- de, war auch ein Schaf. 1996 kam in Schottland das Schaf »Dolly« auf die Welt. Die Zellen, aus denen es erzeugt wurde, kamen aus dem Euter eines Schafes, ausgetragen wurde es von einer anderen »Leihmutter«. Dolly wurde nicht besonders alt. Während andere Schafe bis zu 20 Jahre alt werden können, zeigte Dolly schon nach fünf Jahren Alterserscheinungen und starb mit sechseinhalb Jahren. Ihr Körper wurde ausgestopft und wird im Royal Museum in Edinburgh ausgestellt. Der Affe Affen sind nicht nur körperlich dem Menschen ähnlich: Sie können genauso wie Men- schen Freude, Leid und Angst empfinden. Deshalb werden an Affen zahlreiche Experi- mente und Versuche durchgeführt. Die meisten Tierversuche an Affen werden an Java- neraffen durchgeführt, die im Tropischen Regenwald Südostasiens leben. Diese Affen werden 40 bis 50 cm groß und wiegen fünf bis neun Kilo. Sie sind in der Natur oft in Wassernähe anzutreffen, da sie dort nach Krabben und Muscheln auf die Jagd gehen. Sie sind sehr gute Schwimmer und Taucher. Abgesehen von den Ausflügen ins Wasser halten sich die Affen überwiegend in Baumkronen auf. Dort sammeln sie sich in großen Gruppen zusammen, essen und verbringen auch die Nacht auf den Ästen. Um von Baumwipfel zu Baumwipfel zu gelangen, springen sie bis zu fünf Meter durch die Luft. Javaneraffen werden in vielen Ländern als Forschungstiere eingesetzt. An ihnen werden neue Medikamente getestet, Untersuchungen am Gehirn unternommen und über ihr Lernverhalten geforscht. Der Hund Hunde sind durch Domestizierung – also Züchtung und Zähmung – von Wölfen entstanden. Sie sind sehr soziale Tiere. Deshalb schließen sie sich eng an den Menschen an. Für den Haushund ist die Familie, bei der er lebt, sein Rudel. Es ist für ihn wichtig, dass er einen Menschen als Rudelführer akzeptiert und ihm gehorcht. Weil Hunde viel besser riechen und hören können als Menschen, nehmen sie Gefahren viel früher wahr. Sie waren deshalb schon immer als Wachhunde begehrt; oder auch als Begleiter auf der Jagd, um Wild aufzuspüren. Hunde haben eine ausgeprägte Körpersprache, sie teilen mit ihrer Körperhaltung mit, wie sie sich fühlen. Wenn ein Hund die Zähne fletscht, den Schwanz steif hält und das Fell sträubt, bedeutet es, dass er sich bedroht fühlt und gleich zum Angriff übergeht. Wenn er knurrt oder die Ohren anlegt heißt das »Bleib weg!« Wenn er den Kopf schief legt, zeigt er, dass er etwas nicht verstanden hat und wenn er mit dem Schwanz wedelt, freut er sich. Zieht er dagegen seinen Schwanz ein, hat er große Angst. 11
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« ...und hier noch einmal eine kleine Ergänzung von unnützem Wissen rund um die »Animal Lounge«-Tiere Füchse stellen sich tot, um Aasvögel anzulocken und sie zu erbeuten. Eine Gruppe von Gänsen heißt auf dem Boden Herde, in der Luft aber Schwarm. Pandas sind eigentlich Fleischfresser, aber zu faul zum Jagen. Hunde sehen nicht schwarz-weiß, sondern gelb-blau. Hunde als reine Fleischfresser können Süßes nicht schmecken. Ein Hund kann ebenso gut riechen wie eine Ameise. Schafe trinken nie aus fließenden Gewässern. Dolly Parton wurde 1997 ungefragt Namenspatin von Klonschaf Dolly. In Anspielung auf ihre große Oberweite hatten die Wissenschaftler, die ein Schaf aus Euterzellen geklont hatten, diesen Namen ausgewählt. Dolly Parton nahm es mit Humor. Nicht nur das Fell, sondern auch die Haut von Tigern ist gestreift. In den USA leben mehr Tiger bei Privatleuten als weltweit in freier Wildbahn. Männliche Affen können Glatzen bekommen. 12
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Fehlgeleitete Instinkte in einer modernen Welt: drei Fragen an den Autor und Regisseur Ulrich Hub Frage 2 Ulrich Hub, in vielen Ihrer Stücke kommen Tiere vor. Auch auf der Bühne des tjg. waren schon die Pinguine aus Ihrem Stück »An der Arche um Acht« zu sehen. Nun also Pandabär, Fuchs, Affe…Warum kommen Sie immer wieder auf Tiere zurück? Für mich sind die Tiernamen zunächst einmal Rollenbezeichnungen, genauso wie »Prinz«, »Magd« oder »Gutsbesitzerin«. An diese Rollen hat man bestimmte Erwartungen: Man glaubt zu wissen, wie sie sind, was sie wollen und wie sie sich zu verhalten haben. Interessant ist Theater aber immer dann, wenn sich die Figuren ganz anders verhalten, ein Prinz eben kein Königreich regieren will, eine Magd sich wie eine Herrin benimmt oder die Gutsbesitzerin kein Interesse an ihrem Gut hat. Wenn wir wissen, es treten in einer Inszenierung Affe, Schafe und Tiger auf, glauben, wir diese Figuren schon ein bisschen zu kennen. Der Affe wird ein quirliger Spaßvo- gel sein, die Schafe verängstigt und brav, der Tiger wild und gefährlich. Und dann begegnen uns auf der Bühne Schafe, die keineswegs lammfromm, sondern extrem gewaltbereit sind, ein ziemlich verängstigter Tiger, der sich um sein Aussehen kümmert, und ein Affe, der Depressionen hat. Dieser Widerspruch ist interessant und macht Spaß. Ich finde es reizvoll, dass man Tierfiguren besonders extrem gestalten kann, weil es bei ihnen nicht um psychologische Glaubwürdigkeit geht, weil keiner fragt, ob sich ein Tier wirklich so verhal- ten würde oder ob es ganz realistisch aussieht. TIERCHARAKTERISTIKA Art: theaterpraktische Einheit zur Vorbereitung auf den Theaterbesuch Dauer: ca. 45 Minuten Anforderungen: Raum mit Spielfläche Ziel: spielerischer Zugang zum Thema Fabeln, Spielfreude wecken, für das Theaterspielen sensibiliseren Tiergangarten Die SchülerInnen laufen durch den Raum. Achten Sie darauf, dass der Raum immer gleichmäßig ausgefüllt ist und die SchülerInnen in lan- gen Linien laufen. Nun lassen Sie die SchülerInnen verschiedene Tiergangarten ausprobieren. Wie läuft eine Gans, ein Pferd, ein Löwe, ein Frosch etc.? Die Kinder können ihre Bewegungen gern mit Geräuschen unterlegen. Fabeltiere Setzen Sie sich in einem Kreis zusammen und sammeln Sie mit den SchülerInnen bekannte Fabeltiere. Tragen Sie gemeinsam die jeweiligen Eigenschaften dieser Tiere zusammen: der schlaue Fuchs, der böse Wolf, die einfältige Gans etc. Wiederholen Sie nun den Raumlauf und lassen Sie die SchülerInnen wie jene Fabeltiere agieren. Der Fokus sollte hierbei auf der Darstellung der Charaktereigenschaft liegen und sich ein wenig von der naturalistischen Darstellung des Tieres lösen. 13
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 3 Vom Lügen und Verschweigen 3.1 Lügen in der Kindheit Fehlgeleitete Instinkte in einer modernen Welt: Drei Fragen an den Autor und Regisseur Ulrich Hub Frage 3 In »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« lügen alle Tiere. Während der Fuchs lügt, damit er etwas erreichen kann, lügen die meisten anderen Tiere vor allem, um ein Selbstbild zu behaupten, das nicht der Realität entspricht, und um etwas darzustellen, was sie nicht sind. Finden Sie solche Lügen legitim? Ich glaube, viele Menschen belügen sich selbst und andere, weil sie das Gefühl haben, sie werden nur dann richtig gebraucht und geliebt, wenn sie etwas machen, was gar nicht den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Alle Menschen wollen wahrge- nommen werden und glauben, dass sie dafür bestimmte Kriterien erfüllen müssen oder Eigenschaften haben müssen, die sie eigent- lich gar nicht vorweisen können. Bei dem Einen ist es ein toller Beruf, beim Anderen ein großer Freundeskreis oder ein aufregendes Freizeitleben. Das sind die Dinge, die in unserer Gesellschaft zählen. Dabei gerät jeder ganz schön unter Druck. Auch die Tiere im Stück haben ihre wirklichen Bedürfnisse verdrängt und das, was sie wirklich sind, ist verschüttet unter all dem, was sie sein wollen. Man merkt natürlich trotzdem, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn z. B. die Gans die ganze Zeit von ihrem großen Schwarm spricht, aber tatsächlich so nervig ist, dass es keiner in ihrer Nähe aushält. Im Verlauf der Geschichte gehen aber alle Tiere einen richtigen Weg: Der Tiger wird sich wieder seiner Stärke bewusst und hört auf, sich immer nur über sein Aussehen und sein Alter zu definieren. Er muss deshalb auch keine Angst mehr haben, sondern bietet an, auf seine neuen Freunde aufzupassen. Und der Panda, der eigentlich die ganze Zeit so tut, als wären ihm alle anderen egal, lernt die Gemeinschaft schätzen. 14
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« WER BIN ICH? Art: Kreatives Schreiben mit Kindern Dauer: ca. 60 Minuten, je nach Intensität Anforderungen: Schreibzeug Ziel: Über das Selbstschreiben für den Kontext einer Uraufführung sensibilisieren Das kleine Ich1 Es ist keine einfache Frage, wer man ist. Meist stellen sich diese Frage eher Erwachsene, weil Kinder damit beschäftigt sind, die Welt zu entdecken. Zudem scheinen die Antworten klar zu sein: »Ich bin das Kind meiner Eltern…die Schwester meines Bruders…ein Schul- kind…« Das Buch von Mira Lobe »Das kleine Ich bin Ich« zeigt allerdings, dass auch Kinder zuweilen darüber nachdenken, ob es sie über- haupt gibt. Solche Fragen tauchen oft dann auf, wenn Kinder nicht angemessen gesehen und ihre Bedürfnisse nicht erkannt werden, wenn sie in der Familie in den Hintergrund oder in der Schule in eine Außenseiterrolle geraten. Manchmal tragen auch einschneidende Erlebnisse, wie etwa der Tod eines geliebten Menschen, dazu bei, Kinder zu verunsichern. Kreative Schreibspiele können helfen zu entdecken, wer man ist und wer man gerne sein würde. Schriftlich können Rollen ausprobiert und Phantasien gelebt werden, die helfen, einen eigenen Platz im Leben zu finden oder den Platz, den man schon hat, anzunehmen. Übung 1: Ich bin Ich Am besten schreibst Du den Satz »Ich bin ich.« auf ein Blatt Papier und siehst ihn Dir eine Zeit lang an. Vielleicht schreibst Du auch nur »Ich« auf einen Zettel und notierst dann alles, was Dir dazu einfällt. Wenn es Dir zunächst schwer erscheint, zu beantworten, wer Du bist, könntest Du damit anfangen, jemand anderen zu beschreiben: Mutter, Vater, Schwester, Bruder, Freund, Freundin. Und auf einem anderen Zettel beschreibst du dann Dich. Du kannst notieren, wie Du bist: klein, groß, dick, dünn, lustig, traurig, freundlich und so weiter. Dann kannst Du noch beschreiben, wo und mit wem Du lebst, wo Du in die Schule gehst, was Du gerne machst und was nicht so gerne, was Dich freut oder traurig macht, worüber Du dich ärgerst oder was Du toll findest. Und wenn Du das alles aufgeschrieben hast und es liest, weißt Du vielleicht ein bisschen mehr über Dich. Für die Übung kannst Du auch andere fragen, wie sie Dich sehen. Vielleicht beobachtest Du Dich in der nächs- ten Woche, als würdest Du einen Freund oder eine Freundin beobachten, und schreibst später noch einen zweiten Text. Übung 2: Ich wäre gerne… Vielleicht kennst Du das Gefühl, manchmal anders sei zu wollen, als Du bist. Wenn Du in bestimmten Situationen zum Beispiel Angst hast, wärst Du vielleicht gerne mutiger oder Du wärst gerne stärker, wenn du Dich gerade schwach fühlst. Wenn dir Dinge verboten werden, wärst Du vielleicht gerne schon erwachsen. Oder Du hast das Gefühl, dass andere vielleicht denken, dass Du langweilig bist, obwohl Du ganz viele Ideen hast, die Du nur nicht alle erzählst. Jetzt hast Du die Gelegenheit, zu beschreiben, wie Du gerne wärst. Übung 3: Ich bin jedes Tier, das ich sein will Stell Dir vor, Du bist ein Tier, zunächst vielleicht ein großes Tier, beispielsweise ein Pferd, ein Hund, ein Elefant, ein Tiger oder ein Nilpferd. Und dann kannst du Dir vorstellen, wie es wäre, ein kleines Tier zu sein, eine Maus, eine Fliege oder ein Floh, so dass Du Dich gut verstecken kannst. Natürlich änderst sich Deine Sicht, sobald sich Deine Größe verändert. Als Elefant kommt Dir ein Grashalm beispielsweise ganz klein vor, während er riesig wird, wenn Du Dich in einen Floh verwandelst. Vielleicht probierst Du in deiner Vorstellung einmal ein Tier aus, dass ganz groß ist und einmal eines, dass ganz klein ist, damit Du die Unterschiede kennenlernst. 1 Die Übungen sind folgendem Buch entnommen: Silke Heimes. Regenbogenbandwurmhüpfer – Kreatives Schreiben für Kinder und Jugendliche. Vandenhoeck & Ruprecht, 2011 15
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Kleine und große Geheimnisse: kindlicher Umgang mit der Lüge2 Auch wenn Erwachsene es nicht gerne hören: Kinder haben Geheimnisse. Und sie lügen ganz ungeniert, um ihre Geheim- nisse oder die von anderen zu wahren. Vier- bis fünfjährige Kinder verstehen unter Geheimnissen vor allem kleine Freihei- ten, die sie für sich selbst behalten wollen. Gleichzeitig haben sie aber immer das große Bedürfnis, sich den Eltern zu offen- baren. Erst mit sechs Jahren sind sie in der Lage, zu entscheiden, welche Gefühle und Meinungen sie anderen Menschen zeigen und welche sie lieber für sich behalten wollen. Bei noch älteren Kindern sind Geheimnisse oft etwas, was Freundschaften stiftet und ver- bindet. Als Faustregel gilt, je älter und klüger Kinder sind, um so mehr und geschickter lügen sie. Abhängig von der Art, der Schwere und Häufigkeit von Lügen, ist das allerdings gar kein Grund zur Besorgnis, sondern Heimlichtuerei kann sogar ein gutes Zeichen sein: Sie markiert den Beginn zur Eigenständigkeit. Während kleine Kinder noch gar nicht in der Lage sind, sich unabhängig von anderen Kindern wahrzunehmen, weil sie glauben, ihr Denken und Handeln sei identisch mit dem der anderen, ändert sich mit ungefähr fünf Jahren die Wahrnehmung der Welt. Kinder entdecken, dass sie etwas verheimlichen können, ohne dass die Erwachsenen ihnen auf die Schliche kommen. Sie erkennen, dass ihre Eltern eben nicht Gedanken lesen können und das beweist ihnen, dass sie eigenständige unabhängige Persönlichkeiten sind. Mit Erleichterung stellen sie fest, dass sie anderen Men- schen nicht immer ausgeliefert sind, dass sie die Macht haben, eine andere Person aus ihrem Innenleben heraus zu halten, dass sie durch Schweigen oder Lügen Situationen kontrollieren können. Diese Erfahrung macht unabhängig und selbstbewusst! Auch wenn Erziehung normalerweise darauf ausgerichtet ist, den Wert von Wahrheit schätzen zu lernen, geben Erwachsene, die Kindern suggerieren, sie wüssten alles und könnten alles kontrollieren, dem Kind das Gefühl, nichts Eigenes, keinen autonomen Rück- zugsraum zu haben. Das kann zu ungesunder Abhängigkeit und Entwicklungsstörungen führen. 2 Nach Ursula Nuber: Die Geheimnisse der Kinder. In: Psychologie heute 10/2007 16
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 3.2 Unser Körper lügt mit Körpersprache und Täuschung - Täuschen und getäuscht werden3 Wenn Sie jemals geflunkert oder geschummelt haben, erinnern Sie sich vielleicht daran, dass es darauf ankommt, nicht sein wahres Gesicht zu zeigen. Sie verhalten sich so, dass Sie das Gegenteil von dem darstellen, was andere bei Ihnen suchen könnten. Was Sie aber nicht kontrollieren können, sind diese winzigen, kaum wahrnehmbaren Verän- derungen der Mimik, die in einer Nanosekunde über Ihr Gesicht huschen und sofort wieder verschwunden sind. Kleinste Muskelbewegungen, das Weiten und Zusammenziehen der Pupillen, gerötete Wangen und das leichte Schwitzen, das sich einstellt, wenn man unter Druck steht, kann dazu beitragen, dass man Ihnen auf die Schliche kommt. Gesichtsausdruck unterdrücken Ein kontrolliertes Gesicht ohne jeden Ausdruck kann Gefühle verbergen. Dieses sogenannte Pokerface ist die einfachste und erfolg- reichste Möglichkeit, etwas zu verstecken, was man lieber nicht zeigen möchte. Zusammengekniffene Augen, eine angespannte Stirn und fest aufeinandergepresste Kiefer sind weitere Anzeichen dafür, dass jemand Gefühle unterdrückt. Mögliche Zeichen eines Täuschungsversuchs sind unter anderem: • Augenreiben: Es kommt öfter vor, dass jemand, der Sie täuschen möchte, sich die Augen reibt, wenn er mit Ihnen spricht. Das ist etwa so, als würde das Gehirn den Täuschungsversuch wegwischen oder Abblocken wollen. Männer reiben ihre Au- gen dabei intensiver als Frauen, die ihr Gesicht nur leicht unterhalb des Auges berühren. • Augenkontakt meiden: Sie kennen das: Jemand, der nicht möchte, dass Sie merken, was los ist, kann Ihnen nicht in die Augen sehen. Ständig wandern die Augen hin und her, um Ihrem Blick möglichst kurz oder überhaupt nicht zu begegnen. Die Quelle der Täuschung verbergen Wenn die Hand zum Gesicht geht, ist das eine gute Gelegenheit, Täuschungsversuchen auf die Spur zu kommen. Menschen, die ihre Gefühle zurückhalten und Ihnen etwas vormachen wollen, was nicht den Tatsachen entspricht, berühren oft ihr Gesicht, besonders den Mund. Dieses Verhalten geht auf die frühe Kindheit zurück: Kinder, die eine Lüge erzählen, halten sich hinterher den Mund zu. Mit zunehmendem Alter verändert sich diese Geste und wird weniger auffällig. Erwachsene halten sich den Mund weit subtiler zu. Wenn Sie mit jemandem ein heikles Gespräch führen und Ihr Gesprächspartner sein Kinn in die Hand stützt und dabei mit dem Mittelfinger verstohlen den Mundwinkel berührt während er spricht, ist das unter Umständen ein Zeichen, dass er etwas zurückhält. Ein anderes Zeichen für das Zurückhalten von Informationen ist es, wenn jemand mit mehreren Fingern am Mund herumspielt. Ein einzelner Finger über den Lippen ist wie eine »Pscht«-Geste. Man fordert sich selbst auf, still zu sein. Andere stecken sogar die Finger in den Mund. Das ist ein äußeres Zeichen für ein inneres Bedürfnis nach Beruhigung und Bestätigung. Ein anderes Zeichen für das Zurückhalten von Informationen ist das Unterdrücken der eigenen Worte durch bewuss- tes Husten oder Räuspern. 3 Der folgende Artikel entstammt: Kuhnke, Elizabeth. Körpersprache für Dummies. Weinheim 2008, S. 285 ff. 17
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« Sich an die Nase fassen Auch das Berühren der eigenen Nase ist auffällig. Die sich zum Mund bewegende Hand wird dabei ein wenig abgelenkt, um die unter- drückende Geste zu verschleiern. Die Nase dient dabei als praktischer Haltepunkt. Wenn man lügt, werden sogenannte Katecholamine freigesetzt, Stoffe (unter anderem Adrenalin und Noradrenalin), die ein An- schwellen der Nasenschleimhaut bedingen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch den der Pinocchio-Reaktion, weil die Nase durch den erhöhten Blutdruck ganz leicht vergrößert wird, wenn das auch für den ungeübten Beobachter nicht wahrnehmbar ist. Das dabei entstehende Kribbelgefühl wächst sich zu einem Jucken aus, das nach sofortiger Linderung durch Kratzen verlangt. Die bereits erhobene Hand drückt, reibt oder zieht an der Nase herum, um das Jucken zu lindern. Ein Lächeln heucheln Das Lächeln gehört zu den am leichtesten hervorzubringenden Gesichtsausdrücken und wird deshalb auch oft von Menschen zu Täu- schungszwecken genutzt. Ein Lächeln entwaffnet. Während ein echtes Lächeln den Einsatz vieler Gesichtsmuskeln erfordert, darunter auch die Muskeln, die Falten um die Augen herum erzeugen, und die, die die Mundwinkel nach oben ziehen, ist das bei einem geheu- chelten Lächeln anders. Da zeigen sich vielleicht die Zähne, aber die Augen bleiben unbeteiligt. Ein weiterer Indikator ist das Timing eines falschen Lächelns. Jemand, der gezwungen lächelt, setzt dieses Lächeln viel schneller auf und hält es länger aufrecht. Während ein künstliches Lächeln dann schnell aus dem Gesicht verschwindet, baut sich das echte Lächeln langsam auf und klingt ebenso langsam wieder ab. Und schließlich ist ein echtes Lächeln meist symmetrisch und beteiligt beide Mundwinkel gleichermaßen. Ein aufgesetztes Lächeln dagegen ist asymmetrisch und betont eine Seite des Gesichts mehr als die andere, wobei ein verzerrter Ausdruck entsteht. Achten Sie auf ein Lächeln, bei dem die Mundwinkel nach unten zeigen. Es ist schwer, die Mundwinkel nach oben zu bewegen, wenn man trau- rig oder niedergedrückt ist. Die Hände zügeln Die meisten Menschen bewegen ihre Hände unbewusst. Wenn man aufgeregt ist, wedelt man oft mit den Händen unkontrolliert in der Luft herum. Ohne genau zu wissen, was man da tut. Will man dagegen jemanden täuschen, muss man befürchten, von den eige- nen Händen verraten zu werden, und neigt deshalb dazu, sie zu zügeln. Man kann sie in die Achselhöhlen klemmen, sie in die Tasche stecken (wo man dann nervös mit Münzen oder Schlüsseln herumklimpern kann) oder sich sogar darauf setzen. Wenn das alles nichts nützt, hält eine Hand die andere fest umklammert. Positionswechsel und unruhige Füße Am offenkundigsten erscheinen die Anzeichen für einen Täuschungsversuch im unteren Teil des Körpers. Beine und Füße sind am weitesten vom Gehirn entfernt und damit am wenigsten der geistigen Kontrolle unterworfen. Deshalb können sie die deutlichsten Zeichen aussenden, die dem Betreffenden unter Umständen gar nicht bewusst sind. Bei einem Menschen, der etwas zu verbergen versucht, springen möglicherweise verschiedene und häufigere Veränderungen der Körperhaltung ins Auge, so als ob der Körper sagen würde »Bloß weg von hier!«. Diese nonverbalen verräterischen Zeichen machen einen inneren Konflikt deutlich, der dazu führt, dass sich der Betroffene nicht wohl in seiner Haut fühlt. Ein schwingender Fuß, ein nervöser Zeh und unruhig wippende Füße allein oder in Kombination mit zusammengepressten oder unru- higen Beinen weisen darauf hin, dass Worte und Gefühle miteinander in Konflikt stehen. 18
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« LÜGEN MIT DEM KÖRPER Art: theaterpraktische Einheit zur Vor- oder Nachbereitung auf den Theaterbesuch Dauer: ca. 45 Minuten Anforderungen: Raum mit Spielfläche Ziel: Bewusstheit gegenüber Körpersprache entwickeln Einführung Eröffnen Sie die Vorbereitung mit einigen einfachen Fragen: Wer hat schon mal gelogen? Wer hat schon mal geschwindelt? Wer hat schon mal geflunkert? Wer hat schon mal etwas verheimlicht? Was könnte der Unterschied sein zwischen schwindeln, flunkern und lügen? Wann lügt man denn? Und wie sind dann die Reaktionen von anderen Leuten, wenn die einen erwischen? Woran kann man das denn sehen, wenn einer lügt? Lügengeschichten Schließen Sie nun folgendes Spiel an: Teilen Sie die Klasse in Paare und geben Sie den SchülerInnen drei Minuten Zeit, um sich ein besonderes Ferienerlebnis zu erzählen. Anschließend soll immer ein/e SchülerIn das Erlebnis des Partners vor der Klasse erzählen und dabei eine Lüge einbauen. Die Klasse - das Publikum - hat nun die Aufgabe, die Lüge zu enttarnen. Erfagen Sie, was die Lüge gewesen sein könnte und woran man sie erkannt hat. Gehen Sie hierbei vor allem auf Körpersprache und Mimik ein. Mit dem Körper lügen Stellen Sie am Ende einen dreidimensionalen Gestenkatalog, der das Lügen enttarnt, mit ihren SchülerInnen zusammen. Hierfür soll sich jede/r SchülerIn für eine Geste, einen mimischen Ausdruck oder Körperhaltung entscheiden und diese vollführen können. Stellen Sie nun die Hälfte der Klasse in einer Reihe auf. Jede/r Schülerin soll nun nacheinander einen Schritt nach vorn treten und die gewählte Position, die gewählte Handlung vollziehen und anschließend wieder zurück in die Reihe treten. Der andere Klassenteil schaut zunächst zu und zeigt seine Ergebnisse nachfolgend. TIPP: Sollten Sie diese Übung zur Nachbereitung Ihres Theaterbesuches verwenden, so können Sie für den Einstieg auch folgende Zitate der Tierfiguren benutzen, um sich über das Thema »Lüge« auszutauschen. 19
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« ZITATESAMMLUNG FUCHS Lügen ist falsch und böse, aber das ist nur meine persönliche Meinung… ¤ GANS Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht gepupst, und wenn – gebe ich es immer zu. ¤ AFFE Jeden Tag hat er uns mit Lügen vertröstet!! HUND Ihr solltet Euch nicht unnötig aufregen… ¤ FUCHS Es muss sehr schwer gewesen sein, ständig mit so einer Lüge zu leben. HUND Ich habe nicht gelogen. FUCHS Sondern? HUND Ich habe nur nicht gesagt, dass ich nicht mehr riechen kann. FUCHS Das ist trotzdem eine Lüge. HUND Ich habe einen kleinen Teil der Wahrheit verschwiegen. FUCHS Lügen und Verschweigen ist dasselbe. ¤ GANS Verschweigen Sie mir nichts, ich kann die Wahrheit ertragen – ¤ AFFE Ich habe nur einen kleinen Witz gemacht. FUCHS Mit so was macht man keine Witze. Du musst lernen, wo die Grenze verläuft. AFFE Wenn die Gans auch so leichtgläubig ist – FUCHS Ein Grund mehr, sie nicht zu belügen. ¤ HUND Ich kann immer noch nicht verstehen, warum der Fuchs mich so belogen hat. ¤ FUCHS Als meine Eltern meiner Lüge geglaubt hatten, habe ich gemerkt, dass sie nicht alles wissen, obwohl sie auch ziemliche Füchse sind, und da fühlte ich mich das erste Mal richtig erwachsen. ¤ GANS Lügen ist falsch und böse. ¤ SCHAFE Man darf Wahrheiten nicht so rücksichtslos aussprechen. / Jeder hat das Recht auf seine kleinen Geheimnisse. / Schon aus reiner Höflichkeit sollte man ein bisschen lügen. ¤ SCHAFE Wir haben bezüglich unserer Herkunft gelogen – / Lügen würde ich das nicht nennen – / Stimmt, schließlich hat es keinem geschadet – / Vielleicht haben wir ein bisschen geschwindelt – / Geflunkert – / Gemogelt – / ¤ GANS Im Notfall darf man lügen. TIGER Zum Beispiel wenn man Uhren geklaut hat oder bei einem Mord. ¤ FUCHS Im Notfall darf man lügen. Zum Beispiel um sein Leben zu retten. 20
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 4 Zuordnung der Lernbereiche Die tjg. theaterakademie empfiehlt die Inszenierung »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« für den Einsatz in folgenden Lernbe- reichen. Grundschule Deutsch Klasse Lernbereich 3. Klasse Lernbereich: Sprechen und Zuhören Lernbereich: Für sich und andere schreiben 4. Klasse Lernbereich: Sprechen und Zuhören Lernbereich: Für sich und andere schreiben Wahlpflicht 2: So ein Theater Mittelschule Deutsch Klasse Lernbereich 5. Klasse Lernbereich 6: Fantasie und Wirklichkeit: Märchenhaftes und Unglaubliches Wahlpflicht 1: Vorhang auf – Das Spiel mit Licht und Schatten Ethik Klasse Lernbereich 5. Klasse Lernbereich 3: Der Mensch und sein soziales Verhalten • Kennen verschiedener Formen des gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens Gymnasium Deutsch Klasse Lernbereich 5. Klasse Lernbereich 1: Sprechen und Hören • Anwenden von Gestaltungsprinzipien künstlerischer Texte Lernbereich 2: Schreiben • Kennen von Verfahren des Erzählens und Nacherzählens zu erlebtem und erfundenem Geschehen Lernbereich 3: Lesen und Verstehen 21
theaterpädagogisches Material »Animal Lounge oder Füchse haben kurze Beine« 5 Impressum Die Materialien der Theaterpädagogik finden Sie im Internet unter www.tjg-dresden.de Die Theaterpädagogen erreichen Sie telefonisch unter 0351 . 42 91 – 215. Kartenvorverkauf im Rundkino Prager Straße 6 01069 Dresden Tel 0351 . 49 65 - 370 Di – Fr 14:00 – 18:00 Uhr Besucherservice Meißner Landstraße 4 01157 Dresden Tel 0351 . 42 91 - 220 Impressum tjg. theater junge generation, Meißner Landstraße 4, 01157 Dresden Intendantin Felicitas Loewe – Spielzeit 2011/2012 Redaktion: Dramaturgie, tjg. theaterakademie Fotos: Klaus Gigga 22
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