Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...

Die Seite wird erstellt Simon Barth
 
WEITER LESEN
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
report
                       Bildung, Wissenschaft und Forschung

Arbeit darf nicht
krank machen
Psychische Belastungen haben massiv
zugenommen. Beschäftigte müssen vor
Gesundheitsgefahren geschützt werden.

                                                             0 1 / 2 02 0
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Editorial                                                                     biwifo report 1/ 2020

  Liebe Kolleginnen und Kollegen,                                               Inhalt
                                                                                Schwerpunkt: Arbeits- und
       als die Redaktion des biwifo-Reports den
                                                                                Gesundheitsschutz
   Schwerpunkt dieser Ausgabe festgelegte, lebten
   wir noch in der Vor-Corona-Zeit. Wohl niemand                                Alte und neue Herausforderungen
   konnte sich vorstellen, wie sich unser Leben und                             für die Gesundheit der Beschäftigten                          3
   unsere Arbeit durch die Pandemie verändern                                   In eigener Sache: Eine neue Dimension 3
   würde.                                                                       Viele Studierende leiden unter Stress,
       Die auferlegten Maßnahmen akzeptieren wir.                               Angst und Depressionen                                        4
   Wir wissen, dass viele Menschenleben nur dann
                                                                                Bummelei beim Gesundheitsschutz                               5
   zu retten sind, wenn das Gesundheitswesens
                                                                                Viele Hochschulbeschäftigte unter
   nicht überlastet wird. Es gilt, sich vor einer
                                                                                extremem Druck                                                5
   Infektion zu schützen aber auch vor seelischen
   Beeinträchtigungen, die durch die Minimierung                                Hilfen in seelischen Krisen                                   5
   sozialer Kontakte entstehen. Mental Health                                   Überlastung anzeigen, Gefahren
   Europe gibt Tipps für die psychische Gesundheit.                             reduzieren                                                    6
   Dazu gehört auch: „Beschaffen Sie sich Informa-                              Rückenschonende Maschinen –

                                                                                                                                                  report
   tionen aus vertrauenswürdigen Quellen.“ Fakten        Sylvia Bühler          aber zu wenig Personal                                        7
   sind gefragt, nicht Panikmache oder Verharm-          Mitglied des ver.di-   Kein Loch auf dem Konto durch
   losung. Es geht um wissenschaftliche Erkennt-         Bundesvorstandes       Kurzarbeit                                                    7
   nisse und eine Politik, die ihre Entscheidungen       und Leiterin           Homeoffice in Zeiten der Pandemie                             8
   darauf baut.                                          des Fachbereichs       Arbeitsschutz im Neuland                                      8
       Die hohe Bedeutung der Wissenschaft wird          Bildung, Wissen-
                                                                                Interview mit Wolfgang Hien:
   uns in diesen Tagen vor Augen geführt. Wir            schaft und Forschung   „Das System ist krank“                                        9
   hoffen auf einen Impfstoff und Erkenntnisse, wie
   an Covid-19 Erkrankte erfolgreich zu behandeln                               ver.di kämpft für Solo-Selbstständige 10
   sind. Gut, wenn Wissenschaftler*innen in aller
                                                                                Weiterbildung im digitalen Nirwana                           11
   Welt vernetzt forschen. Nicht akzeptabel ist,
   wenn eine PR-Firma bei der Industrie Geld                                    Schluss mit der Reise nach Jerusalem! 12
   sammelt, um die öffentliche Darstellung einer                                Mit Kunst und Spiel zum Tarifvertrag 13
   Studie zu beeinflussen, wie es wohl bei der                                  ver.di hilft in der Krise                                    14
   „Heinsberg-Studie“ passiert ist. Solche Praktiken                            Willkommen an Bord!                                          14
   kritisiert ver.di schon seit langem.                                         „Ich mag gar nicht weiter gucken“                            15
                                                                                Zu guter Letzt                                               16
       Viele unserer Kolleginnen und Kollegen aus
   Bildung, Wissenschaft und Forschung sind durch
   die Krise existenziell betroffen. In den Weiter-
   bildungseinrichtungen wurden die meisten
   Maßnahmen und Kurse abgesagt – viele Betriebe                                Impressum
   haben Kurzarbeitergeld beantragt. Das Sommer-                                Der ver.di Report biwifo Nr. 01/2020 · Mai 2020
   semester muss komplett digital stattfinden – eine                            Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
   große Herausforderung. Die Einrichtungen der                                 Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                                Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin
                                                                                                                                                     Fotos v.o.n.u.: Werner Bachmeier (3), Kay Herschelmann

   Studierendenwerke sind geschlossen.
                                                                                V.i.S.d.P.: Sylvia Bühler
       ver.di bringt sich auf allen Ebenen ein für die                          Redaktion: Klaus Böhme, Kei Common, Birthe Haak, Alexandra
   Interessen unserer Mitglieder. In unserem Sofort-                            Heiter, Frank Hennig, Michael Niedworok, Mirjam Sorge
   programm „Studium, Hochschule und Forschung                                  Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen
                                                                                Internet: www.verdi.de
   sichern“ steht ganz oben ein Befristungsmorato-                              Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers
   rium, denn Menschen mit prekärer Beschäfti-                                  Druck: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh
   gung haben es besonders schwer. Auch ohne                                    Titelbild: Werner Bachmeier
                                                                                W-1728-64-0520
   Pandemie.
                                                                                Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres
                                                                                Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die
    Durch diese Krise kommen wir am besten                                      Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider.
2 gemeinsam  und solidarisch. Bleibt gesund!
    Herzliche Grüße                                                             Service
                                                                                Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                                Internet: www.biwifo.verdi.de
                                                                                Ansprechpartnerin: Alexandra.Heiter@verdi.de
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

                                                                                                                        IN EIGENER SACHE

                                                                                                                        W Eine neue Dimension

         Alte und neue                                                                                                      Als die Redaktion das Thema
                                                                                                                        Arbeits- und Gesundheitsschutz
                                                                                                                        als Schwerpunkt dieser Ausgabe

         Herausforderungen                                                                                              festlegte, war Corona noch weit
                                                                                                                        weg von unserem Alltag. Jetzt ist
                                                                                                                        Europa zu einem Zentrum der

         für die Gesundheit
                                                                                                                        Pandemie geworden – Gesund-
                                                                                                                        heitsschutz in einer neuen
                                                                                                                        Dimension.

         der Beschäftigten                                                                                                  Für uns als Redaktion ein
                                                                                                                        Dilemma. Das Thema war plötz-
                                                                                                                        lich aktueller denn je, schnell
         Arbeits- und Gesundheitsschutz gehört                 messen am Umfang von Projekten und Publika-              zeichneten sich gravierende
biwifo

         wohl zu den ältesten Themen der Arbeiter-             tionen. So kommen bisweilen Menschen in                  Auswirkungen auf die Branchen
         *innenbewegung. Die erste gesetzliche                 Leitungsfunktionen, die Leistungsdruck verinner-         unseres Fachbereichs ab. Die
         Regelung wurde 1839 in Preußen einge-                 licht haben. Überhöhte Anforderungen und                 Einstellung von Weiterbildungs-
         führt, um Kinderarbeit zu reduzieren. Das             Konkurrenzdruck sind die ungesunden Folgen.              maßnahmen stürzt die dort
         sollte bleibende körperliche Schäden ver-                 Um gegenzusteuern sind die Sozialpartner             Beschäftigten in Existenzangst,
         hindern und zugleich allen Kindern den                gefordert, dem Gesundheitsschutz durch innovati-         geschlossene Mensen und Kitas
         Schulbesuch ermöglichen. Heute umfasst                ve Tarifregelungen mehr Bedeutung zuzumessen.            in den Studierendenwerken
         Arbeits- und Gesundheitsschutz viele                  Auf der betrieblichen Ebene können Betriebs- und         führen zu Kurzarbeit. An den
         Themen: Unfallvermeidung, gesundheits-                Dienstvereinbarungen helfen. Allerdings gibt es          Hochschulen wird hektisch ver-
         fördernde Raumgestaltung, ergonomische                Ambivalenzen. Beispiel Arbeitszeit: Manche               sucht, möglichst viel Lehre auf
         Ausstattung der Arbeitsplätze, Arbeitszeit-           Beschäftigte fühlen sich durch Instrumente wie           Online-Angebote umzustellen.
         begrenzung und vieles mehr. Schon lange               Zeiterfassung gegängelt oder kontrolliert. Viele         Zu Redaktionsschluss ist noch
         vor Corona gab es in vielen Sanitärräumen             Forschende argumentieren, gute Ideen kämen nun           nicht klar, wie viel Betrieb im
         Desinfektionsmittel und Anleitungen zum               mal nicht nur von Montag bis Freitag zwischen 8          Sommersemester überhaupt
         richtigen Händewaschen als Schutz vor                 und 17 Uhr. Auch für andere Beschäftigtengrup-           stattfinden kann – und welche
         Infektionskrankheiten.                                pen sind flexible Arbeitszeiten attraktiv, wenn sie      Auswirkungen das für Studieren-
                                                               Kinder haben, für Angehörige sorgen, sich ehren-         de, Beschäftigte und Lehrbeauf-
         VON BIRTHE HAAK UND KLAUS BÖHME                       amtlich engagieren oder sich zeitlich mit Partner        tragte hat. Das bringt die Gefahr
                                                               oder Partnerin abstimmen wollen. Dass Arbeit             mit sich, dass Informationen zwi-

         D     abei hat sich der Fokus in den vergangenen
               Jahren verschoben. Körperlich schwere oder
         gefährliche Arbeit gibt es immer noch – man
                                                               grenzenlos werden kann, möglicherweise am
                                                               Abend oder Wochenende nicht freiwillig bleibt,
                                                               sondern auch eingefordert wird, gerät oft aus dem
                                                                                                                        schen Drucklegung und Ausliefe-
                                                                                                                        rung des Heftes veralten. Die
                                                                                                                        ursprünglich geplanten Themen
         denke nur an Mensen oder Chemielabore. Sie            Blickfeld.                                               aber bleiben relevant. Daher
         betrifft aber nicht mehr die Mehrheit der Be-             Ähnliches gilt für Flexibilität des Arbeitsortes.    wurde entschieden, die Heft-
         schäftigten. Berufsübergreifend ein zunehmendes       Die Möglichkeit, auch von zuhause arbeiten zu            planung weitgehend beizubehal-
         Problem sind psychische Belastungen und Stress.       können, spart Fahrtzeiten und kann die Vereinbar-        ten. Aktuelle Bezüge gibt es dort,
         Krankheiten wie chronische Erschöpfung und            keit von Familie und Beruf erleichtern. Doch auch        wo es passt.
         Depressionen mit langen Ausfallzeiten können die      hier lauert die Gefahr ungesunder Entgrenzung.
         Folge sein. Hier müssen Gefährdungen systema-         Eine Überprüfung des Heim-Arbeitsplatzes auf er-             Darüber hinaus sind elektro-
         tisch ermittelt werden. Eine große deutsche           gonomische Anforderungen durch den Betriebsrat           nische Medien besser geeignet,
         Krankenkasse hat kürzlich Zahlen veröffentlicht:      wird oft nicht als Schutz, sondern als Eingriff in die   schnell über aktuelle Entwick-
         19 Prozent der Fehltage gehen auf psychische          Privatsphäre empfunden. Dass der regelmäßige             lungen zu informieren. Eine
         Erkrankungen zurück – das sind mehr, als Rücken-      Erholungs- und Regenerationsaspekt von Urlaub            Übersicht über entsprechende
         beschwerden und Erkältungen verursachen.              zunehmend weniger gesehen und die möglichst              Informationsangebote findet ihr
             Die Gründe sind vielfältig: Überlastung durch     lange Übertragbarkeit ins nächste Jahr ausgiebig         auf Seite 14. ver.di arbeitet auf
         Arbeitsverdichtung, Projektarbeit unter hohem         genutzt wird, ist ein weiterer Aspekt, wie manche        allen Ebenen intensiv daran, die
         Zeitdruck, Über- oder Unterforderung, Unkolle-        Beschäftigte fahrlässig mit ihrer Gesundheit umge-       Auswirkungen der Krise auf die
         gialität bis hin zu Mobbing. Aber auch Ketten-        hen.                                                     Beschäftigten abzufedern –
         befristungen, die die Lebensplanung unmöglich             Die Belange aller Beteiligten angemessen zu          starke Gewerkschaften sind           3
         machen, können krank machen. In der Wissen-           berücksichtigen und Gesundheitsschutz so zu eta-         gerade jetzt nötig! b
         schaft kommt hinzu, dass die meisten Führungs-        blieren, dass Arbeit nicht krank macht, ist Aufgabe
         kräfte kaum oder gar nicht ausgebildet sind in        von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Betriebs- und          Birthe Haak und
         Führungsaufgaben. Primäres Auswahlkriterium für       Personalräten, Unfallversicherungen und Berufs-          Klaus Böhme
         Professuren ist die wissenschaftliche Leistung, ge-   genossenschaften – und von uns allen. b
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

       Viele Studierende leiden unter
      Stress, Angst und Depressionen
       Wie sich die Corona-Krise        VON MICHAEL NIEDWOROK

                                                                                                Foto: Werner Bachmeier
                mit der radikalen
          Beschränkung sozialer
    Kontakte und das Lernen in
        Onlineseminaren auf die
                                        D    ie Aufnahme eines Studiums bedeutet
                                             zumeist den Beginn eines neuen Lebens-
                                        abschnitts. Häufig ziehen Studienanfänger*innen
       seelische Gesundheit von         in eine neue Stadt und begeben sich in ein unge-
        Studierenden auswirken          wohntes soziales Umfeld. Freiheiten gehen einher
             wird, ist noch völlig      mit Leistungsdruck, der zu erheblichen psychi-
      unklar. Erschwerend hinzu         schen Belastungen führen kann. Um Studieren-
           kommt, dass auch die         den dabei zu helfen, ihr Leben zu meistern, bieten
          Hilfseinrichtungen der        die Studierendenwerke psychosoziale Beratung
     Studierendenwerke wegen            an.
          der Pandemie vorüber-
         gehend nicht mehr auf-            Während die Pflichten in der Schulzeit klar
        gesucht werden können.          umrissen sind und unmittelbar kontrolliert wer-
          Dabei waren sie schon         den, genießen Studierende erhebliche Freiheiten,
             in den vergangenen         müssen gleichzeitig aber Verantwortung für die
         Jahren immer wichtiger         eigene Bildungsbiographie übernehmen. Prüfun-
           geworden – denn die          gen und Hausarbeiten sind dabei nur ein Aspekt.
       psychischen Belastungen          Das Umfeld der Hochschule erfordert auch eini-
            für Studierende sind        ges an sozialer Orientierungsleistung. Zudem
                        gestiegen.      arbeiten rund 60 Prozent der Studierenden neben
                                        dem Studium.

     Studentenwerke                          Wie sich diese Anforderungen auf die psy-
     beraten auch                       chische Gesundheit der Studierenden auswirken,
                                        wurde bereits mehrfach untersucht – mit durch-
     in Corona-Zeiten                   aus alarmierenden Ergebnissen. Die Studie
     Aufgrund der Corona-Pandemie       „Gesundheit Studierender in Deutschland 2017“                                        Die Nachfrage für diese Angebote nahm deut-
     haben die Studierendenwerke        wurde gemeinsam vom Deutschen Zentrum für                                        lich zu, und das nicht nur wegen gestiegener Stu-
     ihre Beratung in den eigenen       Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW),                                    dierendenzahlen. 2017 registrierte das Deutsche
     Räumen eingestellt. Stattdessen    der FU Berlin und der Techniker Krankenkasse ver-                                Studentenwerk 110.000 Beratungskontakte – 60
     gibt es Telefonsprechstunden.      öffentlicht. Sie zeigte, dass ein Viertel der Studie-                            Prozent mehr als 2006. Zum Vergleich: Im selben
     Zeiten und Nummern sind in der     renden an Stressbelastungen leiden. Ein Fünftel                                  Zeitraum nahm die Zahl der Studierenden um 47
     Regel direkt auf der Homepage      zeigt Symptome einer generalisierten Angst-                                      Prozent zu. Im Unterschied zu früheren Studie-
     des jeweiligen Studierenden-       störung, litt also unter einem ständigen Gefühl                                  rendengenerationen, die Beratungsstellen häufig
     werks zu finden. Darüber hinaus    von Anspannung und Besorgtheit in Bezug auf                                      erst während Zwischen- und Abschlussprüfungs-
     existiert vielfach auch die Mög-   alltägliche Probleme und Ereignisse. Ein Sechstel                                phasen anliefen, suchen heute bereits Studien-
     lichkeit, über Videoverbindung     ist sogar depressiv. Viele Studierende haben somit                               anfänger*innen vermehrt deren Hilfe.
     mit Psycholog*innen und            Probleme, die Lehrkräfte durch Hilfestellung und
     Berater*innen zu sprechen. Die     Gespräch nicht mehr lösen können.                                                    Eine frühzeitig in Anspruch genommene Be-
     Angebote richten sich sowohl an                                                                                     ratung trägt dazu bei, spätere Krisen und chroni-
     diejenigen, die sich erstmals an      Das psychosoziale Beratungsspektrum der                                       sche Erkrankungen zu vermeiden. Studierende,
     die Beratungsstelle wenden als     Studierendenwerke umfasst die meisten Lebens-                                    die eine psychosoziale Beratung in Anspruch neh-
     auch Studierende, die schon        fragen und -probleme, mit denen Studierende                                      men wollen, können sich einfach an das örtliche
4    vor Corona in einem Beratungs-     konfrontiert sein können. Das reicht von Prü-                                    Studierendenwerk wenden. Kontaktdaten finden
     prozess waren.                     fungsangst über Vermeidungsstrategien und eine                                   sich in der Regel auch auf den Websites der Hoch-
     Gruppensitzungen wurden von        schiefe Work-Life-Balance bis hin zu Beziehungs-                                 schulen. b
     vielen Studierendenwerken zu-      problemen, familiären Konflikten und Schwan-
     nächst abgesagt.                   gerschaften sowie akuten Krisensituationen wie
                                        Depressionen und Trauerfällen.
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

                                                       Bummelei beim
                                                       Gesundheitsschutz
                                                       „D       as Gesundheitsmanagement ist
                                                                eine feste Aufgabe des Arbeit-
                                                       gebers Hochschule und darauf ausgerich-
                                                                                                     räten. Die Hoffnung hat getrogen. Längst
                                                                                                     nicht an allen 30 Hochschulen des Landes
                                                                                                     gibt es die laut Vertrag anzustrebende
                                                       tet, die Gesundheit der Beschäftigten zu      Dienstvereinbarung. Gemeinsame Ar-
                                                       erhalten und zu stärken. Oberstes Ziel des    beits- oder Steuerungskreise zur Bünde-
                                                       ,Betrieblichen Gesundheitsmanagements’        lung aller gesundheitsbezogenen Aktivi-
                                                       ist es, gesundheitsfördernde Lebens- und      täten sind sogar nur ganz vereinzelt zu
                                                       Arbeitsbedingungen zu initiieren und zu       finden.
                                                       unterstützen. Es zielt auf die Führung, die       Vermeiden wollen die Hochschullei-
                                                       Hochschulkultur, das Betriebsklima, die       tungen auch eine Diskussion über die Be-
                                                       soziale Kompetenz, auf die Arbeits-           griffe „Verhältnisprävention“ und „Ver-
                                                       bedingungen und das Gesundheitsverhal-        haltensprävention“. Schließlich würde
                                                       ten.“ Diese Sätze stammen aus dem Jahr        das ja voraussetzen, sich krankmachende
                                                       2016. Sie verpflichten die Hochschulen in     Arbeitsbedingungen und Verhaltenswei-
                                                       Nordrhein-Westfalen, ein effektives Ge-       sen genauer anzuschauen. Gesicherte
                                                       sundheitsmanagement zu etablieren und         Erkenntnisse aus diesen Bereichen wären
                                                       dabei Personalräte, Gleichstellungsbe-        eine gute Basis für sinnvolle Verände-
                                                       auftragte und Schwerbehindertenvertre-        rungen. Insbesondere für das Thema
                                                       tungen einzubinden.                           „psychische Belastung“ bräuchte es
                                                                                                     Standards im Rahmen von Gefährdungs-
                                                           Vier Jahre ist es her, dass Hochschul-    beurteilungen – doch auch die sucht man
                                                       leitungen, das NRW-Wissenschaftsmini-         vergeblich.
                                                       sterium und die Landespersonalräte den            Natürlich soll sich eine Hochschule auf
                                                       „Vertrag über gute Beschäftigungsbedin-       Forschung und Lehre als ihre Kern-
Hilfen in seelischen Krisen                            gungen für das Hochschulpersonal“ be-         aufgaben konzentrieren. Dass darüber
                                                       siegelten. Endlich gab es eine solide         jedoch Gesundheitsförderung vernachläs-
Kontaktbeschränkungen, häusliche Enge und Angst        Grundlage für ein abgestimmtes und aus-       sigt oder gar vergessen wird, ist nicht hin-
vor Ansteckung stürzen viele Menschen in seelische     gewogenes Gesundheitsmanagement an            nehmbar. Es wird Zeit, in den Hoch-
Krisen. Extrem gefährlich kann die Situation für       allen NRW-Hochschulen, so die Erwar-          schulen endlich die Hausaufgaben zu
Menschen mit Depressionen und anderen psychische       tung von Gewerkschaften und Personal-         machen! b                      Klaus Böhme
Erkrankungen werden, weil die äußeren Bedingun-
gen ihre Tendenz zum sozialen Rückzug verstärken.
Ohne die gewohnte Tagesstruktur und den alltägli-
chen Kontakt am Arbeitsplatz droht die Lage für sie    Viele Hochschulbeschäftigte
zu eskalieren. Kommen sie morgens nicht mehr aus
dem Bett, steigert das ihre Selbstverachtung über      unter extremem Druck
ihre mangelnde Leistungsfähigkeit und sie rutschen
noch tiefer ins schwarze Loch.

    Viele Beratungsstellen, Kliniken und Psycholo-
                                                       V   iele Beschäftigte an Hochschulen
                                                           und Forschungseinrichtungen ste-
                                                       hen aufgrund der Corona-Krise massiv
                                                                                                     leicht die Decke auf den Kopf. Die sozia-
                                                                                                     len Begleiterscheinungen der Corona-
                                                                                                     Krise treibt viele Menschen an ihre psy-
gische Dienste haben ihre Hotline-Sprechstunden        unter Druck: Im Homeoffice müssen die         chische Belastungsgrenze.
ausgeweitet und bieten außerdem Online-Foren an.       Lehrenden ihren Unterricht auf Fernlehre
    Corona-Hotline des Berufsverbands                  umstellen, der Zugang zu Bibliotheken             An vielen Hochschulen und For-
Deutscher Psycholog*innen: 0800-777 22 44              und vielen Arbeitsräumen ist versperrt.       schungseinrichtungen gibt es Beratungs-
(erreichbar zwischen 8 und 20 Uhr).                    Der Kontakt zu Kolleg*innen und               stellen des betriebsärztlichen Dienstes für
    Deutsche Depressionshilfe: 0800-34 45 33           Arbeitsgruppen läuft über Telefon- und        Mitarbeiter*innen. Sie sind auch jetzt
(erreichbar Mo, Di, Do 13 bis 17 Uhr, Mi und Fr 8:30   Videokonferenzen, parallel gilt es, die       erreichbar und haben selbstverständlich
bis 12:30).                                            eigenen Kinder zu beschulen. Kein Be-         Schweigepflicht auch gegenüber dem 5
    Rund um die Uhr ist die Telefonseelsorge           such bei Freunden, kein Kino, kein Ge-        Arbeitgeber. In manchen Einrichtungen
unter 0800-1110111 erreichbar.                         meinschaftssport, kein Kneipenbesuch.         wie zum Beispiel an der Universität Mainz
    8 Tipps für die seelische Gesundheit in Corona-    Spannungen in der Familie oder Wohn-          existiert ein betriebsärztlicher Dienst, der
Zeiten: https://t1p.de/8-Tipps                         gemeinschaft können jetzt gefährlich          explizit auf die Prävention von psy-
                                                       zunehmen. Wer allein lebt, dem fällt          chischen Krankheiten ausgerichtet ist. b
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

                                                                Überlastung anzeigen,
                                                                Gefahren reduzieren
                                   Magst du Deine Arbeit?       VON KEI COMMON                                        Betriebs- oder Personalrat informieren!
                                                Wunderbar!
                                   Die Bewältigung deiner
                                 Aufgaben macht dir Spaß        A    ndauernde Mehrarbeit oder schlechtes Per-
                                                                     sonalmanagement kann Beschäftigte an
                                                                Leistungs- und Belastbarkeitsgrenzen bringen, so
                                                                                                                      Personalrätin Britta Rochier von der Eberhard-
                                                                                                                      Karls-Universität Tübingen berichtet aus ihrer
                                                                                                                      Praxis: Dass Beschäftigte überlastet sind, wird
                              und du trägst dazu bei, dass      dass sie Fehler machen. In schlimmen Fällen ent-      ihnen selbst oft erst in der Beratung bewusst. In
                                  „der Laden“ läuft. Bitte?     stehen daraus Sach- oder sogar Personenschä-          diesen Fällen rät sie dringend, eine Anzeige zu
                                 Du machst kaum Pausen?         den. Wenn es um arbeits-, straf- oder zivilrechtli-   machen. Das entsprechende Schreiben sollte auch
                                    Späte Feierabende sind      che Konsequenzen geht, kann eine zuvor gestell-       an die Personalabteilung und den Personal- oder
                                    schon länger die Regel,     te Überlastungsanzeige helfen. Schließlich hat der    Betriebsrat weitergeleitet werden. Sind die Be-
                                                                oder die Beschäftigte die Verantwortlichen im         troffenen einverstanden, kann die Mitarbeiter-
                                 meistens im „home office“,
                                                                Betrieb im Vorfeld des Unfalls oder folgenreichen     vertretung Kontakt mit dem oder der Vorgesetzten
                             denn dein Überstundenkonto         Fehlers deutlich auf die Gefahrenquellen hinge-       aufnehmen. Passiert nach wiederholter Ansprache
                                        ist schon lange voll.   wiesen. Es ist Aufgabe von Vorgesetzten, darauf       und über mehrere Wochen hinweg nichts Wesent-
                                 Naja, es wird auch wieder      mit angemessenen Maßnahmen zu reagieren.              liches, können Personal- oder Betriebsräte die
                                     ruhigere Zeiten geben.     Somit liegt eine rechtzeitige Anzeige von Über-       Dienststellenleitung informieren und eine Lösung
                                                 Ach! Nicht?    lastungen oder Gefahren sowohl im Interesse von       verlangen. Verschlechtert sich die Situation nach
                                                                Arbeitnehmer*innen als auch im betrieblichen          einer Weile wieder, sollte die Anzeige wiederholt
                               Du machst Arbeit für Drei,
                                                                Interesse.                                            werden, gegebenenfalls sogar regelmäßig.
                                            seitdem mehrere
                                     Kolleg*innen in Rente          Es gibt kein festgelegtes Verfahren, wie eine         Letztlich beschweren sich zwar viele Kolleg-
                                  gegangen sind und deren       Überlastungsanzeige zu stellen ist. In jedem Fall     *innen über Überlastungen, doch eine Anzeige
                             Stellen nicht neu besetzt wur-     aber muss sie schriftlich erfolgen und bei der oder   stellten nur wenige, so Rochier. Als Hauptgrund
                                   den. Aber irgendjemand       dem Vorgesetzten bzw. Arbeitgeber*in landen.          dafür sieht sie die oft schwerfälligen und teils
                                                                Welche Überschrift drübersteht, ist irrelevant:       unzureichenden Reaktionen von Vorgesetzten und
                                      muss ja die Aufgaben
                                                                Überlastungsanzeige, Gefahrenanzeige oder             Arbeitgebenden. „Das Gefühl für Zuständigkeit
                                     erledigen, denkst du –     etwas Vergleichbares. Wesentlich ist allerdings,      und Verantwortlichkeit vermissen wir sehr oft.“
                                und fühlst dich überlastet.     dass die kritische Situation am Arbeitsplatz aus-
                                                                führlich beschrieben wird. Die Beschreibungen         Keine Angst vor Repressionen!
                                                                sollten konkret und sachlich formuliert sein. Aus
                                                                dem Text muss hervorgehen, dass die Arbeits-          Überlastungsanzeigen sind nicht gesetzlich und
                                                                leistung unter den gegebenen Umständen ge-            tarifvertraglich definiert. Sie leiten sich aus dem
                                                                fährdet ist und Schäden entstehen könnten. Da         Arbeitsschutzgesetz, dem Bürgerlichen Gesetz-
                                                                es keine Vorlagen und einheitliche Arbeitsabläufe     buch und dem Arbeitsvertrag ab. Demnach
                                                                gibt, kann die Darstellung der Sachverhalte           haben Beschäftigte eine Meldepflicht gegenüber
                                                                durchaus eine Herausforderung sein.                   Arbeitgeber*innen: Drohende Gefahren müssen
                                                                                                                      angezeigt werden. Die Erfüllung gesetzlicher
                                                                                                                      Pflichten darf nicht mit Repressionen beantwor-
    Foto: Werner Bachmeier

                                                                                                                      tet werden. Eine Abmahnung ist laut eines Urteils
                                                                                                                      des Göttinger Arbeitsgerichts (Az.: 2 Ca 155/17)
                                                                                                                      eine unzulässige Reaktion auf eine Überlastungs-
                                                                                                                      anzeige. Benötigen ver.di-Mitglieder in solchen
                                                                                                                      oder anderen Fällen rechtlichen Beistand, stehen
                                                                                                                      ihnen gewerkschaftliche Arbeitsrechtsexpert*in-
                                                                                                                      nen zur Seite. b
6
                                                                                               • https://verdi-bub.de/wissen/praxistipps/ueberlastungsanzeige
                                                                                               • https://t1p.de/verdi-rechtsschutz
                                                                                               • Mitgliederhotline: 0800/837 34 33 (Mo–Fr.: 7–20 Uhr; Sa.: 9–16 Uhr)
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

Rückenschonende Maschinen –
aber zu wenig Personal
W

                                                                                                                  Foto: © Studierendenwerk Hamburg
       er jeden Tag schwere Reis- und Nudelsäcke
       schleppt, Berge von Salat mischt und                                                                                                          Bundesanstalt
Geschirr für mehrere hundert Mahlzeiten in die                                                                                                       erforscht
Spülmaschine räumt, leidet häufig unter Gelenk-,
Schulter- und Rückenschmerzen. „Skeletterkran-                                                                                                       Arbeitsschutz
kungen sind bei den Kolleginnen und Kollegen in                                                                                                      Die Bundesanstalt für Arbeits-
den Mensen weit verbreitet“, berichtet Personal-                                                                                                     schutz und Arbeitsmedizin
rätin Ulrike Spreen aus dem Hamburger Studie-                                                                                                        (BAuA) untersteht dem Bundes-
rendenwerk.                                                                                                                                          arbeitsministerium und forscht
                                                                                                                                                     zu vielfältigen gesundheitlichen
    „Wir wollen die Leute halten und haben das                                                                                                       Belastungen. Sie stellt Hand-
Ziel, dass sie es bis zur Rente schaffen – und zwar                                                                                                  lungshilfen für die betriebliche
gesund“, sagt Heinrich Tode, Koordinator für                                                                                                         Praxis bereit. Die Chancen und
Arbeitssicherheit. Schonarbeitsplätze aber gehö-                                                                                                     Risiken durch die Digitalisierung
ren der Vergangenheit an: Wenn jüngere die älte-                                                                                                     und psychische Belastungen sind
                                                           Auch in der Mensa Hamburg-Bergedorf
ren Kolleg*innen entlasten, geht das auf ihre                                                                                                        in den vergangenen Jahren zu
                                                           steht grad alles still
Kosten. Deshalb hat die Geschäftsführung den                                                                                                         einem Schwerpunkt der BauA
Vorschlag des Personalrats aufgegriffen und kauft                                                                                                    geworden, aber sie beschäftigt
seit längerem keine 20-Kilo-Packungen mehr ein,           der Raum umgebaut und die körperlichen Be-                                                 sich auch weiter mit guter Be-
sondern kleinere Gebinde. Vor sieben Jahren hat           lastungen für die Beschäftigten reduziert werden                                           leuchtung, den Folgen von Lärm
Tode außerdem angefangen, nach ergonomisch                könnten. Ihre Wege sind jetzt kürzer, Luftfeuch-                                           und Chemikalien und vielem
vorteilhaften Gerätschaften für die Küchen zu             tigkeit, Lärm und Hitze geringer geworden und die                                          mehr. Auf ihrer Homepage lassen
suchen. Bei deutschen Herstellern fand er keine           Handhabung der Maschine ist einfach. Auch die                                              sich Fachaufsätze zu vielfältigen
passenden Angebote. „Da ging es immer nur um              Anschaffung von Salatmischmaschinen entlastet                                              Themen einfach recherchieren.
den Energie- und Wasserverbrauch und die Ge-              die Beschäftigten, die früher täglich bis zu 80 Kilo-                                      https://www.baua.de
schwindigkeit der Maschinen“, erinnert er sich.           gramm geschnippelte Zutaten in großen Wannen
Die meisten Innovationen in puncto Gesundheits-           per Hand vermengt haben – und das in gebückter
schutz in Großküchen kommen bis heute aus                 Haltung. In einer anderen Mensa gibt es heute
Skandinavien.                                             Zieh- und Schiebehilfen für Lebensmittel-Rollis und
                                                          Müllcontainer, so dass sich die tonnenschwere Last
   Bevor das Hamburger Studierendenwerk 2017              fast ohne Kraftaufwand transportieren lässt.
einen neuen Bandspülautomaten in der Campus-              „Diese technischen Neuerungen sind schon
Mensa einbauen ließ, beobachteten Spezialisten            super, aber sie sind teuer und es gibt sie nur an
die Arbeitsabläufe und machten Vorschläge, wie            einzelnen Standorten“ so Personalrätin Spreen. Im
                                                          Stadtgebiet existieren 13 Mensen und etwa 20                                               Lesenswertes
                                                          Cafeterien.
                                                                                                                                                     Buch
  Kein Loch auf dem Konto
                                                              Immerhin haben alle Belegschaften die Mög-                                             Gute Arbeit ist seit über zehn
  durch Kurzarbeit                                        lichkeit, eine Anleiterin anzufordern, die ihnen                                           Jahren das gewerkschaftliche
  Die meisten Mensen an den Hochschulen machten           Bewegungs- und Entspannungsübungen bei-                                                    Zukunftsprojekt – vor kurzem ist
  Mitte März erst einmal vollständig dicht – nur man-     bringt; seit 2019 stehen allen Teams pro Woche                                             ein lesenswerter Reader zu
  cherorts gab es noch „to go“-Angebote. Für einen        20 Minuten aktive Pausen zu. „Ich sehe vielfältige                                         vielfältigen Aspekten rund um
  Großteil der Beschäftigten in den Küchen und Cafe-      Bemühungen“, fasst Spreen zusammen – und                                                   Arbeits- und Gesundheitsschutz
  terien der Studentenwerken bedeutet das Kurzarbeit      weist zugleich darauf hin, dass die Belastungen                                            erschienen.
  null. ver.di hat mitgeholfen, dass viele Landesregie-   durch Arbeitsverdichtung stark zugenommen
  rungen den Lohnausfall vollständig ausgleichen.         haben. Ließ die Personaldecke früher zu, auch in                                           Lothar Schröder (Hrsg.)             7
  Zuerst in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gelang      der heißen Mittagsphase mal fünf Minuten Pause                                             Arbeitsschutz und
  der Abschluss entsprechender Dienstvereinbarungen       zu machen, so ist dies heute fast unmöglich. „Der                                          Digitalisierung – Gute Arbeit
  mit den Studentenwerken, Kiel und München folg-         Krankenstand in den Mensen ist hoch,“ fasst die                                            Reader 2020,
  ten, dann NRW – und weitere zogen nach.                 Personalrätin zusammen. b                                                                  BUND-Verlag, 220 Seiten
                                                                                             Annette Jensen
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

             Homeoffice in Zeiten
             der Pandemie
                    C    orona hat viele Beschäftigte ins vermeintliche „Homeoffice“
                         versetzt. Manche frohlocken, die Krise ermögliche, was sich
                    viele seit langem wünschen. Vor Corona arbeiteten 12 Prozent der
                                                                                          stättenverordnung orientiert (siehe auch www.verdi-gefaehr-
                                                                                          dungsbeurteilung.de). Das ist in der gegenwärtigen, unfreiwilli-
                                                                                          gen Ausnahmesituation natürlich nicht zu gewährleisten. Klar ist
                    Beschäftigten ab und zu von zu Hause aus – doch deutlich mehr         auch, dass die von gewerkschaftlicher Seite empfohlenen Betriebs-
                    wollen das. Aber Vorsicht: Die durch die Pandemie verursachte         und Dienstvereinbarungen fehlen.
                    Arbeit ist kein „Homeoffice“ im klassischen Sinne.
                                                                                              Hintergrundinformationen zu Homeoffice in „normalen Zeiten“
                       Beim echten „Home Office“ haben Arbeitgeber*innen eine Für-        finden sich in der ver.di-Handlungshilfe „Praxis gestalten – Mobile
                    sorgepflicht, wenn sie einen solchen Arbeitsplatz einrichten. Sie     Arbeit“ (https://t1p.de/MobileArbeit). Zielsetzung, Zielgruppe,
                    müssen nicht nur die notwendige technische Infrastruktur finanzie-    Antragsverfahren, zeitlicher Rahmen, Fragen der Erreichbarkeit und
                    ren und für deren Sicherheit zu sorgen. Ihnen obliegt auch die        vieles mehr sollten sowohl für Beschäftigte als auch Leitungskräfte
                    Kontrolle des Arbeitsschutzes, der sich vor allem an der Arbeits-     klar geregelt sein. Wird Homeoffice eingeführt, ändert das die Un-
                                                                                          ternehmens- und Führungskultur tiefgreifend, weil es neue Formen
                                                                                          der Kommunikation und Kooperation voraussetzt. Fragen der
 Foto: W. Wohlers

                                                                                          Kontrolle, der Leistungssteuerung und des Vertrauens sind zentral.
                                                                                          Die Einführung solcher Lösungen kostet Zeit und erfordert eine
                                                                                          enge Abstimmung, das macht sie im Moment schwerlich umsetz-
                                                                                          bar.
                                                                                              Und während Beschäftigte in „normalen“ Zeiten von einer
                                                                                          funktionsfähigen Infrastruktur an Kindertagesstätten und Schulen
                                                                                          ausgehen können, stehen diese gesellschaftlich notwendigen
                                                                                          Dienstleistungen in der Corona-Krise nicht zur Verfügung. Ent-
                                                                                          sprechend kann die derzeitige Arbeitssituation am heimischen
                                                                                          Schreibtisch nicht annähernd ihr Potenzial für effektives Arbeiten
                                                                                          und eine verbesserte „Work-Life-Balance“ unter Beweis stellen. b
                                                                                                                                             Matthias Lindner

             Arbeitsschutz im Neuland
                    D    ie Betriebs- und Personalräte der außeruniversitären Forschung
                         AGBR haben einen Ausschuss zu Arbeits-, Gesundheits- und
                    Umweltschutz – kurz ARGUS. Durch die Vielfalt ihrer Einrichtungen
                                                                                          schen Gefahren auftreten, müssen die Ursache-Wirkungs-Bezie-
                                                                                          hungen von allen Beteiligten verstanden werden.

                    erhält das Gremium einen guten Überblick, welche neuen Tech-              Typisch für den Forschungsbetrieb ist außerdem ein reger inter-
                    niken sich entwickeln, aber auch über anstehende Gesetze, den         nationaler Austausch sowie die Zusammenarbeit mehrerer Institute
                    Wandel der Arbeitswelt und Umweltprobleme. Ein zentrales Ziel         und Hochschulen ohne klare Verantwortlichkeiten in puncto
                    des ARGUS sind gute Rahmenbedingungen für die physische und           Arbeitsschutz. Die Fluktuation der wissenschaftlichen Mitarbeiter-
                    psychische Gesundheit von Beschäftigten. Bei neuen Technologien       *innen ist groß, sie alle müssen sicherheitstechnisch eingewiesen
                    wie Gentechnik und Nanotechnologie war ARGUS politikberatend          und begleitet werden. Erschwerend hinzu kommt der hohe
                    tätig, was sich in allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften und Maß-     Leistungs- und Publikationsdruck. Der verursacht nicht nur oft
                    nahmen zur Prävention niedergeschlagen hat.                           Überforderungen, sondern führt auch zu Abwehrreaktionen gegen
                                                                                          Arbeitsschutzvorschriften, weil Forscher*innen sie als lästig und
     Um die Sicherheit in den Instituten selbst zu gewährleisten,                         zeitaufwändig empfinden. Entscheidend ist, dass das Management
8 braucht  es insbesondere in den naturwissenschaftlichen Einrich-                        hier seine führende Rolle ernst nimmt. Wenn außerdem Leitungs-
  tungen hohe Kompetenz und interdisziplinäres Wissen – nicht nur                         und Sicherheitsfachkräfte, Betriebsrat, Betriebsärzt*innen und
  bei den Forschenden, sondern auch bei Techniker*innen und Fach-                         andere Akteur*innen gut kommunizieren und Hand in Hand arbei-
  kräften für Arbeitsschutz. Standardlösungen reichen nicht, wenn es                      ten, kann ein hohes Arbeitsschutzniveau erreicht werden. Tatsäch-
  um komplexe, neue und sich permanent fortentwickelnde Prozesse                          lich sind die Unfallzahlen in den außeruniversitären Forschungs-
  geht. Bei Versuchen, bei denen vielfältige chemische und physikali-                     einrichtungen erfreulich niedrig. b                Frank Heymach
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwerpunkt: Arbeits- und Gesundheitsschutz

                                                                     Foto: privat
   Wolfgang Hien (Jahrgang 1949)
      ist Arbeits- und Gesundheits-
       wissenschaftler aus Bremen.
  Er arbeitet seit über 30 Jahren in
                                                                                    „Das System
                                                                                    ist krank“
  Forschung und Lehre, leitete das
         Referat Gesundheitsschutz
     beim DGB und betreibt heute
                ein Forschungsbüro.

   biwifo: Psychische Erkrankungen haben in den vergangenen                         Reihe von Instituten eine angstmachende Atmosphäre beobach-
Jahren zugenommen. Worin siehst du die Ursachen?                                    tet. Das System ist krank – und macht krank.

    Wolfgang Hien: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz gab                          Was müsste sich grundlegend ändern?
es schon immer, nur hat man das so nicht benannt. Was sich ver-
ändert hat: Früher kamen die Belastungen von außen durch autori-                        Konkurrenzdenken ist vollkommen schädlich für eine gute
täre Kommandostrukturen. Viele haben darauf mit Magen- und                          Wissenschaft. Die braucht engste Kooperation und eine wert-
Kopfschmerzen reagiert. Das Psychische daran aber war stigmati-                     schätzende Zusammenarbeit, den Austausch von Erkenntnissen,
siert und die Ärzte haben nur die somatischen Symptome behan-                       der frei ist von Blockaden. In der Krebsforschung habe ich zum
delt. Die heutige Betriebsorganisation verlegt den Druck nach                       Beispiel erlebt, dass Wissenschaftler*innen zwar ihre Ergebnisse
innen. Die Beschäftigten treiben sich selbst ständig an, viele haben                veröffentlichen, aber Teile ihrer Methodik für sich behalten,
Angst, nicht mehr mitzukommen. Studien gehen davon aus,                             damit andere sie nicht nachmachen können. So etwas ist für
dass mindestens ein Drittel der psychischen Erkrankungen arbeits-                   die Wissenschaft völlig kontraproduktiv.
bedingt sind.
                                                                                      Wie könnte die Wissenschaft wieder auf eine gute Bahn
    Wissenschaftler*innen sind meist hochmotiviert und brennen                      kommen?
für ihr Forschungsfeld. Ist das gefährlich für sie?
                                                                                        Echte Forschung braucht Zeit. Wünschenswert ist eine Wissen-
    Das nennen wir in der Soziologie die doppelte Subjektivierung                   schaft, in der ein tiefes Durchdringen der Fragen möglich ist durch
der Arbeit. Da ist zum einen der vom Arbeitgeber kommende                           intensive Beobachtungen, Analysen und Phasen des Nachden-
Anspruch, selbstverantwortlich Unglaubliches zu leisten. Zum                        kens. Die Realität heute: Ein leitender Professor an der Humboldt-
anderen ist unternehmerische Denken tief eingedrungen in die                        Uni hat mir kürzlich frustriert erzählt, dass er seit 20 Jahren nicht
Menschen. Viele glauben dann an sowas wie Selbstverwirklichung.                     mehr dazu gekommen ist, ein einziges Buch richtig zu lesen.
Auch die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind                      So hatte er sich sein Wissenschaftlerdasein nicht vorgestellt.
heute überzeugt, dass Karriere nur machen kann, wer durch-
setzungsfähig und sprachgewandt ist, sich gut darstellen kann                         Du berätst oft Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte.
und über einen gewissen Habitus verfügt.                                            Was rätst du ihnen?

   Aber ist das nicht so?                                                              Sie müssten sich zusammentun und sich mutig für einen
                                                                                    grundsätzlichen Umbau des Wissenschaftssystems einsetzen. Zum
   Ja. Aber nur einige schaffen es, die meisten nicht. In der                       einen ist das permanente Hinterherrennen hinter oft kleinen
Wissenschaft gibt es einen unglaublichen Konkurrenzkampf mit                        Projekten tödlich für eine gute Wissenschaft und schlimm für die
Hackordnung. Wem es gelingt, auch mit den blassesten wissen-                        beteiligten Menschen; die bräuchten mindestens 5-Jahresverträge.
schaftlichen Ergebnissen möglichst viel zu veröffentlichen, macht                   Und zum zweiten finde ich die starke Abhängigkeit von Industrie-
Karriere. Nicht selten stehen Leute an erster Stelle der Autorenliste,              geldern zum Beispiel von der VW- oder Bosch-Stiftung hoch
die kein einziges Wort geschrieben haben. So etwas fördert                          problematisch. Das zu thematisieren ist aber schwierig, weil
Rücksichtslosigkeit und Siegermentalität – und kann zu tiefen                       heute Projekte und damit die Existenz der Beschäftigten davon
Verletzungen führen. Wer da aussteigen will, zahlt oft einen hohen                  abhängen.
sozialen und ökonomischen Preis.
                                                                                       Erwartest du, dass sich durch die Coronakrise etwas Grund-
   Du meinst, nicht die wissenschaftliche Qualität ist ausschlag-                   sätzliches ändert beim Gesundheitsschutz in den Betrieben?
gebend dafür, wer in der Forschung was wird?
                                                                                        Das ist momentan schwer zu sagen. Zu hoffen wäre, dass der
   Jeder ist inzwischen sein eigener Arbeitskraftunternehmer und                    Schock in seiner Konsequenz ein heilsamer Schock ist, das heißt         9
muss dauernd gucken, wie er immer wieder Projekte akquiriert,                       die Zeit für ein Innehalten genutzt wird und sich in den Köpfen
weil sonst sein Arbeitsplatz gefährdet ist. In vielen Leitungs-                     der Beteiligten ein Bewusstsein für achtsameres Arbeiten ent-
positionen sitzen keineswegs Personen, die Menschen motivieren                      wickelt. b
und gut führen können – im Gegenteil. Ich habe in einer ganzen                                                             Interview: Annette Jensen
Arbeit darf nicht krank machen - Psychische Belastungen haben massiv zugenommen. Beschäftigte müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden ...
Schwere Lage für Weiterbildner*innen

     S T U D I E R E N D E

     W Finanzielle Hilfen für
     Studierende
          Corona wirft für viele Studie-
     rende finanzielle und organisato-
                                                                ver.di kämpft
     rische Fragen auf. Das Deutsche
     Studentenwerk hat eine FAQ-
     Seite eingerichtet, die laufend
                                                                für Solo-Selbstständige
     aktualisiert wird und sich mit
                                           Foto: Werner Bachmeier

     BAföG-Fragen, Jobverlust, Auf-                                                                                      individuelle Anfragen und überlegen dabei, wel-
     tragsverlusten bei selbstständi-                                                                                    che Bedeutung die Probleme auch für größere
     ger Tätigkeit und vielem mehr                                                                                       Gruppen haben. Diese Erkenntnisse arbeiten wir
     beschäftigt. Auch Links zu den                                                                                      in den ständig wachsenden internetbasierten
     entsprechenden Formularen sind                                                                                      „Ratgeber Selbstständige“ ein. Der war jetzt eine
     dort abgelegt. Der DGB hat                                                                                          gute Grundlage für die aus dem Boden gestampf-
     ebenfalls eine Seite für Studie-                                                                                    te Plattform zur Corona-Krise. Sie ist inzwischen
     rende zu den aktuell brennenden                                                                                     zu einer der umfangreichsten Informationsplatt-
     Themen erstellt. Auch hier gibt                                 In der Krise braucht es neue Wege,
                                                                                                                         formen für Selbstständige angewachsen.
     es Informationen zum BAföG,                                     um zu Entscheidungen zu kommen
     zu Notfalldarlehen und Sozial-                                                                                          Sowohl der Ratgeber als auch die Corona-
     leistungen, aber auch Wissens-                                                                                      Infoseite leben von der Vernetzung des Referats
     wertes zu den Themen Kündi-                                    Die Videokonferenz läuft, rund 50 Kolleg-            mit Kolleg*innen aus den verschiedenen Bran-
     gung, Homeoffice, Kurzarbeit,                                  *innen aus der Weiterbildung aus der                 chen – auch aus der Weiterbildung. Die bringen
     Werksstudierendenstatus und                                    ganzen Republik haben sich zugeschaltet.             sich ein über Diskussionsforen im Mitgliedernetz,
     Weiteres. Für umfassende                                       Das gemeinsame, brennende Thema: der                 ihren Fachbereich, regionale ehrenamtliche
     Informationen:                                                 Umgang mit der Corona-Krise. Welche                  Strukturen oder eine Mail an selbststaendige
     https://t1p.de/Studentenwerk-                                  rechtlichen Rahmenbedingungen sind                   @verdi.de. Ihre Informationen, Ideen und ihr
     Corona                                                         zu beachten? Wie sind unsere Verträge                Wissen in „den ver.di-Apparat“ einzuspeisen ist
     https://t1p.de/DGB-Corona-                                     gestrickt? Wie einigen wir uns mit den               ein wichtiger Teil unserer Arbeit. So konnten die
     Studierende                                                    Bildungsträgern? Und schließlich: Wie                Vorschläge von Solo-Selbstständigen zum Um-
                                                                    können wir unsere Interessen kollektiv               gang mit der Krise zeitnah über den ver.di-
                                                                    vorbringen? Gunter Haake vom Referat                 Vorsitzenden Frank Werneke in die Gespräche im
     B I B L I O T H E K E N
                                                                    Selbstständige in ver.di ist auch dabei. Er          Bundeskanzleramt und in den Ministerien einflie-
                                                                    beteiligt sich an der Diskussion und bringt          ßen. Ein solches Vorgehen setzt sich nun perma-
     Antrag prüfen –                                                sein Erfahrungswissen ein, das er in 20              nent eine Hutkrempe tiefer auf Arbeitsebene fort.
                                                                    Jahren kollegialer Beratung beim ver.di-             Dass wir dank jahrelanger Facharbeit gut Be-
     JETZT!                                                         Selbstständigen-Netzwerk gesammelt hat.              scheid wissen, wer zuständig ist und wo Unter-
     Für die Eingruppierung von                                                                                          stützung zu erwarten ist, erweist sich als überaus
     Bibliotheksbeschäftigten der                                   VON VERONIKA MIRSCHEL                                hilfreich.
     Länder gelten seit dem 1. Januar                                                                                        All das passiert auch sonst im Alltag des
     2020 die allgemeinen Merkmale
     für den Verwaltungsdienst.
     Wichtig: Für eine Höher-
                                                                    D    as hier ist neu – und bietet auch Chancen für
                                                                         „die Zeit danach“. Mit einer breit angelegten
                                                                    Videoschalte sichern wir in Corona-Zeiten die
                                                                                                                         Referats, das für die 30.000 selbstständig arbei-
                                                                                                                         tenden Mitglieder da ist. Allerdings ist der Modus
                                                                                                                         fürs Team normalerweise deutlich ruhiger und ge-
     gruppierung müssen Beschäftig-                                 Vernetzung und den Informationsaustausch. So         ordneter. Es gibt kollegiale Beratung und ehren-
     ten selbst bis zum 31. Dezember                                kommen wir rasch zu Einschätzungen und               amtliche Gremien, in denen sich Solo-Selbst-
     2020 einen schriftlichen, form-                                Vorschlägen. Denn ebenso neu ist auch die Ge-        ständige aller Branchen austauschen und politi-
     losen Antrag bei ihrer Personal-                               schwindigkeit, mit der existenzielle Themen auf      sche Forderungen entwickeln. In Normalzeiten
     abteilung stellen! Der wirkt                                   freiberufliche Dozent*innen und andere Solo-         treffen sich Solo-Selbstständige auch vor Ort und
     dann auf den 1. Januar 2020                                    Selbstständige einprasseln: Null Aufträge, Ge-       überlegen gemeinsam, wie sie ihre – nicht immer
     zurück. Auch wenn die neue EGO                                 setzespakete mit Soforthilfen, Kreditangebote,       homogenen, aber in jedem Fall solidarischen Ziele
     Chancen zur Höhergruppierung                                   vorübergehend erleichterte und verbesserte Zu-       – sichtbar machen. b
     bietet, folgt daraus nicht zwin-                               gänge zur Grundsicherung. Vor allem in der
     gend ein höheres Einkommen.                                    Weiterbildungsbranche sind Fragen zur Schein-
     Wegen des komplizierten Verfah-                                selbstständigkeit jetzt akut.                         Die Corona-Seite informiert Solo-
10   rens sollten sich alle Betroffenen                                                                                   Selbstständige über staatliche Hilfen und die
     vorher von ver.di und ihrem                                       Auch sonst gehört es für das Team im ver.di-       Rechtslage und fasst die Forderungen an die Politik
     Personalrat beraten lassen.                                    Referat Selbstständige zum Alltag, rechtliche,        zusammen.
     https://biwifo.verdi.de/bran-                                  gesellschaftliche und gewerkschaftliche Themen        https://selbststaendige.verdi.de/beratung/coro
     chen/archive                                                   danach zu scannen, welche Relevanz sie für Solo-      na-infopool
                                                                    Selbstständige haben. Wir beantworten laufend
Handlungsbedarf

                                                                                                                                    M E L D U N G E N

                                                                                                                                    W Personalratswahlen

               Weiterbildung im                                                                                                     können verschoben
                                                                                                                                    werden
                                                                                                                                        Das Bundeskabinett hat auf-

               digitalen Nirwana                                                                                                    grund der Corona-Pandemie das
                                                                                                                                    Bundespersonalvertretungs-
                                                                                                                                    gesetz (BPersVG) geändert. Der
                                                                                                                                    DGB und seine Mitgliedsgewerk-
                         Die Digitalisierung verändert große Teile            Grundvoraussetzung. Für die Digitalisierung der       schaften hatten dies eingefor-
                         der Berufswelt: Viele Beschäftigte benöti-           Schulen stellt die Bundesregierung fünf Milliarden    dert. Eigentlich sollten die Per-
                         gen neue Qualifikationen. Seit 2019 finan-           Euro bereit – für den Weiterbildungsbereich gibt      sonalratswahlen auf Bundes-
                         ziert deshalb die Bundesagentur für Arbeit           es nichts dergleichen. Erwartet wird offenbar,        ebene vom 1. März bis zum 31.
                         nicht nur Maßnahmen für Arbeitslose,                 dass die Bildungsträger selbst für das teure Equip-   Mai 2020 stattfinden. Wo dies
                         sondern auch für Beschäftigte, die vom               ment sorgen. Doch wie sollten sie dazu in der         aufgrund der aktuellen Lage
                         Strukturwandel betroffen sind. Arbeits-              Lage sein angesichts des Dumpingwettbewerbs           unmöglich ist, bleiben die beste-
                         minister Hubertus Heil hat sogar einen               der vergangenen Jahre?                                henden Personalvertretungen
                         Rechtsanspruch auf Weiterbildung ins                                                                       geschäftsführend im Amt, bis
                         Gespräch gebracht. Was jedoch so gut wie                 Nur wer selbst über Medienkompetenz ver-          die Wahl erfolgreich nachgeholt
                         gar nicht thematisiert wird, sind die nöti-          fügt kann sie auch vermitteln. Bei der „erweiter-     werden konnte. Dafür ist nun
                         gen Voraussetzungen bei den Bildungs-                ten Realität“ (Augmented Reality) kommen digi-        Zeit bis zum 31. März 2021.
                         trägern und Dozent*innen in der öffentlich           tale Brillen oder Handschuhe zum Einsatz. Da-
                         finanzierten Weiterbildung. Und während              rüber zu unterrichten setzt voraus, selbst Bescheid   W Digitale Ausstellung
                         es für den durch Corona erzwungenen                  zu wissen und mit Gerätschaften sowie mit             „Out of Office“
                         digitalen Aufbruch an Schulen und Hoch-              Datenschutzrichtlinien umgehen zu können. Jetzt           Die Ausstellung „Out of
                         schulen staatliche Hilfe gibt, sind die              in Corona-Zeiten werden Skype oder Zoom häu-          Office – Wenn Roboter und KI
                         meisten Weiterbildungseinrichtungen auf              fig fürs Onlinelernen eingesetzt. Zu den Ge-          für uns arbeiten“ des Hamburger
                         sich allein gestellt. Doch weder technische          schäftsbedingungen solcher Anbieter gehört, fast      Museums für Arbeit beschäftigt
                         Ausstattung, die dafür notwendige Fort-              unbegrenzt Nutzer*innendaten abzugreifen. Das         sich mit der Digitalisierung von
                         bildung oder pädagogische Konzepte                   ist mit der Datenschutzgrundverordnung in keiner      Arbeit – und kann nun online
                         fallen nicht einfach vom Himmel.                     Weise zu vereinbaren; weigern sich Teilnehmende       angeschaut werden. Zu sehen
                                                                              damit zu arbeiten, ist das ihr gutes Recht.           sind Interviews, umfangreiche
                         VON ARNFRIED GLÄSER                                                                                        Filmausschnitte, Bilder und
                                                                                  Für Datenschutzfragen, Medienreflexion und        Hintergrundtexte zu den Aus-

                         U    m Beschäftigte und Arbeitssuchende zu
                              befähigen, mit den neuen Techniken umzu-
                         gehen und digitale Lernmedien pädagogisch ein-
                                                                              -kritik brauchen Dozent*innen ebenso Unter-
                                                                              stützung und Lernzeit wie für die Erarbeitung
                                                                              didaktischer Konzepte. Schließlich geht es auch
                                                                                                                                    wirkungen des technischen
                                                                                                                                    Wandels.
                                                                                                                                    https://outofoffice.hamburg
                         zusetzen, bedarf es einer entsprechenden Aus-        darum, digitale Medien zielgruppengerecht und
                         stattung der Bildungseinrichtung. Auch sollten       medienpädagogisch sinnvoll einzusetzen.               W Mütter bei
                         nicht nur Weiterbildungs- sondern auch Er-                                                                 Bewerbungsverfahren
                         wachsenenbildungsträger über digitale Infrastruk-        Aktuell klafft eine riesige Lücke zwischen dem    benachteiligt
                         tur verfügen. Hierzu gehören ausreichende            offiziellen Anspruch, einen Großteil der Beschäf-         Mütter werden in Bewer-
                         Internetanschlüsse, WLAN-Verbildungen sowie          tigten durch Weiterbildung fit fürs digitale Zeit-    bungsverfahren benachteiligt
                         Computer, Beamer, und Tablets. Zusätzlich ist eine   alter zu machen und den Voraussetzungen. Statt        und seltener zu Vorstellungs-
                         geeignete Software für die jeweiligen Zielgruppen    die zentrale Rolle der Weiterbildner*innen anzu-      gesprächen eingeladen als
                                                                              erkennen und sie organisatorisch und finanziell       Frauen ohne Kinder. Väter wer-
                                                                              mit schulischem Lehrpersonal gleichzustellen,         den hingegen ebenso häufig ein-
Foto: Werner Bachmeier

                                                                              wird die Profession des pädagogischen Personals       geladen wie Männer ohne
                                                                              oft lapidar auf die von „Lernbegleiter*innen“         Kinder. Das belegt eine vor kur-
                                                                              reduziert. Dahinter steht das Bild, dass Weiter-      zem veröffentlichte Studie des
                                                                              bildung vorwiegend allein am Computer mit digi-       Wissenschaftszentrums Berlin für
                                                                              talen Programmen stattfindet.                         Sozialforschung (WZB). Für die
                                                                                                                                    Studie wurden über 800 fiktive
                                                                                So aber funktioniert das nicht. Auch in der         Bewerbungen auf reale Stellen-
                                                                              Weiterbildung gibt es das Primat der Pädagogik.       angebote versandt.                  11
                                                                                                                                    https://t1p.de/Muetter-
                                                                                  Wenn der Staat nicht rasch die finanziellen       Diskriminierung
                          Ein Mann lernt die „erweiterte
                                                                              und organisatorischen Voraussetzungen schafft,
                          Realität“ kennen.
                                                                              findet die Fahrt ins digitale Zeitalter in Deutsch-
                                                                              land im Bummelzug statt. b
Das Prekariat organisiert sich

     S T U D I E R E N D E

     W Erfolgreich in den
     TV-L geklagt
         Noch immer laufen in Berlin
     Prozesse zur Eingruppierung von
                                                              Schluss mit der Reise
     studentischen Beschäftigten. Im
     Jahr 2018 hatte sich eine von
     ihnen an der Humboldt-Uni-
                                                              nach Jerusalem!
     versität erfolgreich in den Tarif-
     vertrag der Länder (TV-L) einge-                                                                                      stärken“ verpflichtet, gemeinsam mit den Län-
                                            Foto: Kay Herschelmann

     klagt. Laut Rechtsprechung des                                                                                        dern künftig jährlich gut 3,8 Milliarden Euro für
     LAG Berlin können Beschäftigte                                                                                        die Hochschulen bereit zu stellen. Ab 2024 wird
     an Hochschulen mit überwie-                                                                                           der Betrag dann noch einmal erhöht. Klar ist, dass
     gend nichtwissenschaftlichen                                                                                          es – anders als beim davor geltenden Hoch-
     Tätigkeiten weder nach dem                                                                                            schulpakt 2020 – dauerhaft Geld geben soll. Das
     Berliner Tarifvertrag für studen-                                                                                     Bündnis „Frist ist Frust“ aus ver.di, dem Netzwerk
     tische Hilfskräfte (TVStud III) ver-                                                                                  für gute Arbeit in der Wissenschaft sowie der GEW
     gütet werden, noch dürfen ihre                                                                                        fordert deshalb, dass auch alle daraus bezahlten
     Verträge auf Grundlage des Wis-                                                                                       Stellen auf Dauer eingerichtet werden müssen.
     senschaftszeitvertragsgesetzes
     (WissZeitVG) befristet werden.                                                 „Ich bin dann mal weg . . .“ –
                                                                                                                               Gegenwärtig sind über 80 Prozent aller wis-
     Darauf folgten weitere Klagen                                                  Aktion vorm Brandenburger Landtag
                                                                                                                           senschaftlichen Arbeitsverträge an Hochschulen
     von studierenden Beschäftigten                                                                                        befristet. Somit gelten viele Mittvierziger*innen
     an Hochschulen.                                                                                                       an Hochschulen und staatlichen Forschungs-
         Die Berliner Hochschulen                                    Bilder aus der Zeit, als Versammlungen                einrichtungen immer noch als „wissenschaftlicher
     haben auf den Druck von Perso-                                  noch problemlos möglich waren: Vor dem                Nachwuchs“. Ein Großteil hangelt sich seit mehr
     nalräten und Gewerkschaften                                     Landtag in Potsdam bauen Wissenschaft-                als einem Jahrzehnt von Vertrag zu Vertrag.
     reagiert und mehrere Verwal-                                    ler*innen eine Mauer aus Kartons, auf                 Manche gelten nur für wenige Monate. Das
     tungsstellen von sich aus in                                    denen sie das Enddatum ihrer Arbeits-                 zwingt die Forscher*innen, viel Zeit damit zu ver-
     den TV-L überführt. Der Berliner                                verträge notiert haben. An der FU Berlin              bringen, den nächsten Vertrag zu organisieren,
     Senat hat außerdem jährlich 4                                   dreht sich ein Glücksrad mit einem unbe-              statt sich kontinuierlich Forschung und Lehre zu
     Millionen Euro zusätzlich für die                               fristeten Arbeitsvertrag als Hauptgewinn,             widmen. Dass unter solchen Bedingungen nicht
     rechtskonforme Umwandlung                                       an der Goethe-Universität in Frankfurt                nur die Menschen, sondern auch die wissen-
     der Beschäftigungsverhältnisse                                  am Main gibt es einen Sekt- oder Selters-             schaftliche Qualität leidet, ist unabweisbar.
     bereitgestellt.                                                 Empfang. Auf den Klos der Kasseler Uni
                                                                     haben Kolleg*innen Abschiedsbriefe auf-                  Möglicherweise deshalb wollte das Bundes-
         Doch manche Verwaltungs-                                    gehängt, deren Stellen ausgelaufen sind.              ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
     stellen halten sich weiter nicht                                Mit phantasievollen Aktionen begleitete               die Länder im Zukunftsvertrag zu einer Quote für
     an die gesetzlichen Regelungen.                                 das Bündnis „Frist ist Frust“ den 16. Januar.         Dauerstellen verpflichten. Doch mehrere Landes-
     So werden immer mal wieder                                      An diesem Tag mussten die Länder ihre                 regierungen stellten sich quer: Sie wollen die
     neue Verträge mit den umgrup-                                   Selbstverpflichtungen abgeben, wie sie                Frage der Stellengestaltung nach unten an die
     pierten Beschäftigten geschlos-                                 das Geld des Bundes für die Hochschulen               Hochschulen weiterreichen.
     sen statt anzuerkennen, dass                                    ab 2021 einsetzen wollen.
     das Beschäftigungsverhältnis                                                                                             Nun kommt es zum einen darauf an, ob die
     von Beginn an in den TV-L hätte                                 VON MATTHIAS NEIS                                     Vertreter*innen der Bundesregierung völlig
     eingruppiert werden müssen.                                                                                           unkonkrete Formulierungen der Länder durchge-
     Dadurch gehen den Beschäftig-
     ten bei der Entlohnung Entgelt-
     stufen verloren. Außerdem sollen
                                                                     N    ach wie vor ist unklar, was die Landes-
                                                                          regierungen in den Dokumenten angekün-
                                                                     digt haben. Anfragen über die Plattform „Frag
                                                                                                                           hen lassen. Zum zweiten muss der Widerstand
                                                                                                                           gegen das „Weiter so“ bei Befristungen direkt
                                                                                                                           an die Hochschulen getragen werden. „Frist ist
     einige Studierende noch immer                                   den Staat“ blieben unbeantwortet. Wo trotzdem         Frust“ wird sowohl Vorreiter als auch Bumme-
     im TVStud III angestellt werden                                 etwas durchgesickert ist, wird deutlich: Die Länder   lanten ins Scheinwerferlicht rücken. In die richtige
     und andere nichtwissenschaft-                                   formulieren ihre Pläne sehr vage und wollen sich      Richtung weisen Dienstvereinbarungen, z.B. in
     liche Tätigkeiten ausüben als in                                alle Optionen offen halten, wie sie die Mittel ver-   Bremen und Dresden oder an der Viadrina in
     Ausschreibung und Arbeits-                                      wenden. Für den 28. Juni ist eine Sitzung der         Frankfurt (Oder), wo wissenschaftliche Arbeits-
12   vertrag vereinbart wurden.                                      Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK)              verträge mindestens drei Jahre laufen.
                                                                     von Bund und Ländern angesetzt, wo die Rege-
         ver.di bleibt dran. b                                       lungen abschließend vereinbart werden sollen.            Dass es aber auch ganz anders geht, zeigen
                                                                                                                           Länder wie Großbritannien oder Frankreich, wo
     Josefin Falkenhayn                                                 Im vergangenen Sommer hatte sich der Bund          Befristungen eher die Ausnahme an Hochschulen
                                                                     mit dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre            sind und nicht – wie hier zu Lande – die Regel. b
Sie können auch lesen