Mehr als ungemütlich-Arbeitsbedingungen und Politik in der Wohnungswirtschaft - Ver.di
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EDITORIAL THEMEN Foto: ver.di S C H W E R P U N K T: Ute Kittel WOHNUNGSPOLITIK Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes und Leiterin des Fachbereichs Für eine menschenfreundliche Besondere Dienstleistungen Wohnungspolitik 3 Häuserkampf um Tarife 4 Schlechter werdende Arbeitsbedingungen 5 Wohnen ist eine soziale Frage! Interview: Knut Unger 6 Wohnen ist ein Grundrecht. Die Wohnungsfrage ist REISEBRANCHE zurück! Und das, nachdem sie in den frühen 2000ern als Digitalisierung verändert die gelöst galt. Obwohl mehr als 50 Prozent, in Ballungs- Reiseveranstaltung 7 räumen 85 Prozent, der Menschen in Deutschland auf Erstmals Gehaltsvereinbarung bei Berge & Meer 8 Mietwohnungen/-häuser angewiesen sind, gibt es kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Jahrelang wurde zu wenig CALLCENTER in (sozialen) Wohnungsbau investiert, kommunale Teilabschluss bei walter services 9 Wohnungsbestände wurden privatisiert. Für Wohnraum Betriebsrätetagung 10 müssen die meisten zwischenzeitlich mehr als 40 Prozent SICHERHEITSBRANCHE ihres Netto-Einkommens einsetzen. Wohnlage, Woh- Erschreckende Arbeitsbedingungen 11 nungsqualität und Mietpreis unterscheiden sich sehr Neues von den Tarifverhandlungen 12 stark. Die soziale Lage lässt sich häufig an der Wohn- DAS GUTE BEISPIEL adresse ablesen, nicht selten werden Menschen aufgrund Erst organisieren, dann verhandeln 13 ihrer Adresse stigmatisiert. Steigende Immobilienpreise sind jedoch ein großes Risiko für die Volkswirtschaft. Der VER.DI INTERN Die geplante Organisationsstruktur 14 Wohnungsbausektor ist hochprofitabel, so fließen die Gelder der Investoren – verbunden mit Steuererleichte- O-TON rungen – gerne dahin und nicht mehr in Fabriken. Kredite Susanne Schweikert 15 werden an Hauskäufer*innen vergeben, nicht an kleine ZU GUTER LETZT und mittelständige Unternehmen. Bezahlbarer Wohn- Karikatur Reinhard Alff 16 raum wird dies jedoch nicht. Erstkäufer*innen bezahlen horrende Preise, verschulden sich mit gigantischen Dar- besonderen lehen und werden zum Risiko des Landes. Wenn es nicht IMPRESSUM gelingt, umzusteuern und es beim Thema Immobilien Der ver.di Report die besonderen Nr. 03/2018 · Dez. 2018 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) weiterhin nur um Preis- und Wertsteigerung geht, anstatt Fachbereich Besondere Dienstleistungen Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin um Entwicklung, werden sich noch mehr Menschen ab- Internet: www.verdi.de V.i.S.d.P.: Ute Kittel gehängt fühlen. Überteuerter Wohnraum ist nicht nur FB-Redaktionsteam: Anette Berger, Enrico Bloch, Annemarie Dinse, Hans-Peter Kilian, Bernd Lohrum, Anton Müller, Marius Rothe, unsozial, sondern brandgefährlich. Wie wir leben, ist Holger Schmidt und Christian Szepan Fotos v.o.n.u.: W. Wohlers (2), Werner Bachmeier (2) Redaktionelle Bearbeitung: Uta von Schrenk mehr als ein „Dach über dem Kopf“. ver.di setzt sich für Layout: einsatz · Wolfgang Wohlers eine Kehrtwende der Wohnungspolitik ein. Miete muss Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt Titelbild: W. Wohlers (Montage) bezahlbar sein, für alle. Das ist das Ziel… sonst wird es Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des besonderen ungemütlich! W Bundesfachbereichsvorstandes wider. Nachdruck nur nach vorheriger Genehmigung durch die Redaktion. die SERVICE Fachbereich Besondere Dienstleistungen die Internet: http://besondere-dienste.verdi.de Ansprechpartnerin „die besonderen-Report“: 2 redaktion-besondere@verdi.de · Fax: 030/69 56-35 00
S C H W E R P U N K T: W O H N U N G S P O L I T I K Öffentliches Interesse statt Marktexzesse Mieten explodieren, Immobilien werden unerschwinglich – Zeit für eine menschenfreundliche Wende in der Wohnungspolitik VON PATRICK SCHREINER Wohnraum ist öffentliche Aufgabe L ange galt Wohnungspolitik als langweilig und nebensächlich. Heute explodieren vie- lerorts die Mieten, werden Menschen aus Der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohn- raum ist die Quittung für Fehlentscheidungen der zurückliegenden Jahrzehnte: Bund, Länder und ihren Nachbarschaften verdrängt, finden Kommunen haben beträchtliche Wohnungsbe- Großdemonstrationen statt, geben Medien stände privatisiert. Der Gesetzgeber hat Regelun- dem Thema breiten Raum. Wohnen ist wie- gen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter vor der zurück auf der politischen Agenda. Kündigung und steigenden Mieten geschwächt. Die Kommunen haben Personal in ihren Bauver- waltungen reduziert. Bund und Länder wiederum Ein spekulativer Teufelskreis haben die Mittel für den sozialen Wohnungsbau gekürzt. Und die Gemeinnützigkeit im Wohnungs- Wohnraum ist vor allem in Groß- und Univer- bau hat man 1990 gleich ganz gestrichen. „Markt sitätsstädten zur Profitmaschine geworden. vor Staat“ war das Motto. Neu gebaut wird vorwiegend hochpreisig; der Die Lösung der Wohnungsmisere kann vor Kauf und teurere Verkauf von Immobilien ist diesem Hintergrund nur darin bestehen, die öffent- ein Geschäftsmodell geworden, ebenso das liche Kontrolle des Wohnungsmarktes wiederher- Modernisieren von Bestandswohnungen auf zustellen: durch mehr öffentlichen Wohnungsbau, Kosten der Mieter*innen. Der Teufelskreis aus durch eine striktere Mietpreis-Regulierung, durch Spekulation und steigenden Immobilienpreisen mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Um dreht sich immer schneller, und sein Resultat ist Spekulation einzuschränken, sollten sich Kommu- stets gleich: Auf der einen Seite wird Wohnen für nen Grundstücke frühzeitig und preisgünstig si- die Mehrheit teurer, Menschen werden aus ihren chern, Baugenehmigungen mit sozialen Vorgaben Nachbarschaften verdrängt. Zwischen 2010 und verknüpfen und Vorkaufsrechte nutzen. Um bezahl- 2017 sind die Nettokaltmieten in Deutschland um bare Wohnungen dauerhaft zu sichern, braucht es 29 Prozent angestiegen, in Großstädten um 42 ferner eine neue Gemeinnützigkeit. Die Idee dahin- Prozent, in München um 46 Prozent, in Berlin um ter: Wohnungsunternehmen erfüllen Vorgaben ins- 68 Prozent. Auf der anderen Seite reibt sich eine besondere beim Mietpreis, sie akzeptieren eine gutsituierte Minderheit die Hände. Das reichste Begrenzung ihrer Gewinne und investieren Erträge Fünftel der Bevölkerung besitzt 75 Prozent aller Im- wieder in den Wohnraum. Im Gegenzug erhalten mobilienvermögen. Der deutsche Wohnungsmarkt sie Förderungen und steuerliche Vorteile. verschärft so die ohnehin wachsende soziale Un- gleichheit. Es geht auch anders Immobilienwirtschaft und Politik fordern nun: „Bauen, bauen, bauen!“ Durch ein größeres An- Dass eine andere Wohnungspolitik und ein ande- gebot an Wohnraum sollen die Mieten sinken. Tat- res Bauen möglich sind, zeigt Wien. Die Woh- sächlich ist Wohnraummangel ein Problem, und nungsgemeinnützigkeit hat man in Österreich nie der Neubau bleibt seit Jahren hinter dem Bedarf abgeschafft. Fast zwei Drittel der Menschen in besonderen weit zurück. Und doch ist „Bauen!“ nicht einmal Wien leben in preisgebundenen kommunalen die Hälfte der Lösung. Denn solange sich mit Spe- oder geförderten Wohnungen. Und anders als im kulation und Mieterhöhungen im Bestand Profite deutschen sozialen Wohnungsbau besteht die So- Fotos: W. Wohlers (3) machen lassen, wird Neubau durch Private allen- zialbindung dauerhaft. Dieses System drückt die falls im gehobenen Preissegment stattfinden. Mieten am gesamten Markt. Im Ergebnis hat Wien die Durch Spekulation steigende Grundstückspreise die niedrigsten Wohnkosten, vergleicht man sie tun dabei ein Übriges. mit denen anderer europäischer Metropolen. W 3
S C H W E R P U N K T: W O H N U N G S P O L I T I K Häuserkampf Die Wohnungswirtschaft ist eine gewerkschaftliche Herausforderung: Viele Unternehmen haben keine Tarifverträge oder wenden sie nicht an VON JÖRG SCHLEDORN schlossen, die sowohl Mieter*innenrechte, als auch Rechte der Belegschaft absicherte. Diese A usbildung in Wohnungswirtschaft war vor kurzem das Thema eines Arbeitskrei- ses von Betriebsräten in der Wohnungs- Charta ist im vergangenen August ausgelaufen. Die LEG hat einen Haustarifvertrag und eine res- pektable Gruppe ver.di-Aktiver. Die erste Gesell- wirtschaft des Ruhrgebietes bei Vonovia schaft ohne Tarifvertrag ist gegründet und die in Bochum. Die Ausbildungsleiterin Zukunft wird zeigen, ob die LEG das Auslaufen des Branchenprimus mit annähernd nutzen wird, um den Haustarifvertrag zu attackie- 400.000 Wohnungen stellte die ren. Ausbildung bei Vonovia vor. Es sei schwer, an gute Bewerber*innen Der Arbeitgeberverband der Wohnungswirt- heranzukommen. Zudem ver- schaft spricht gerne davon, dass die überwiegende schärfe der Bauboom die Kon- Mehrheit der Mitgliedsunternehmen tarifgebun- kurrenz um Handwerker*innen, den sei. Das wird so stimmen, jedoch sind die Techniker*innen und Ingenieur- Mitglieder im Verband unterschiedlich groß. Im *innen. Vonovia möchte die Schnitt besitzen Mitgliedsunternehmen um die Qualität der Ausbildung verbes- tausend Wohnungen, so heißt es gern. Selbst sern, so die Ausbildungsleiterin. wenn die Zahl ungenau oder nicht mehr gültig ist, Auf die Frage, warum denn dann zeigt sie jedoch deutlich: Die Wohnungsunterneh- nicht nach Tarif bezahlt würde, men sind mehrheitlich kleine Unternehmen mit ei- ging sie nicht ein. Sei es nicht nigen wenigen Beschäftigten. erfolgsversprechender, den neuen Mitarbeiter*innen Bezahlung nach So wie es sehr wahrscheinlich ist, dass die dem Tarifvertrag der Wohnungswirt- 2.000 Genossenschaften mit überwiegender schaft zuzusagen, anstatt auf dem Ausbil- Mehrheit den Tarifvertrag anwenden, so unwahr- dungsmarkt mit anderen tariflosen Unter- scheinlich ist es, dass die Mitarbeiter*innen der nehmen zu konkurrieren? kleinen Unternehmen in der Lage sind, die Tarif- auseinandersetzungen ohne die Mitarbeiter*innen Vonovia, entstanden aus dem Zusammen- der großen kommunalen oder landesgebundenen schluss und dem Verkauf vieler ehemaliger Ge- Unternehmen oder der privaten Unternehmen zu meinnütziger Wohnungsunternehmen, arbeitet führen. strategisch daran, tariffrei zu werden. Vielleicht noch fünf Prozent der Beschäftigten sind tarifge- Eine weitere Erkenntnis des erwähnten Arbeits- bunden. Die Mehrzahl arbeitet in Tochtergesell- kreises war, dass andere größere Wohnungsunter- schaften ohne Tarifvertrag. Betriebsräte gibt es, nehmen mit ihren Betriebsräten Lohnverhand- auch Tarifverhandlungen nach § 3 BetrVG zur lungen führen wollen. Der Gesetzgeber unter- Struktur der Betriebsräte werden geführt. Dage- sagt dies Betriebsräten ausdrücklich, weil gen verweigert Vonovia der Mehrheit der Beschäf- Betriebsräte im Gegensatz zu Gewerk- tigten Tarife. Noch dramatischer ist es bei der schaften nicht streiken dürfen. Deutsche Wohnen, mit rund 163.000 Wohnungen die Nummer zwei in Deutschland. Die Deutsche Mitarbeiter*innen in kleinen Wohnen hat weder Gewerkschaften noch Tarifver- und in großen Unternehmen träge im Haus, auch Betriebsräte gehören nicht ohne Tarifverträge werden in zum Geschäftsmodell. den „Häuserkampf“ gehen besonderen müssen. Was das bedeutet? Anders sieht es bei der LEG Immobilien AG, mit ver.di wird Tarifkämpfe in jedem 126.000 Wohnung, aus. Die LEG wurde vor zehn der vielen Tausend Unterneh- Jahren von der schwarz-gelben Landesregierung men führen müssen oder die Nordrhein-Westfalens privatisiert. Damit der Ar- Kolleg*innen müssen für Lohn- die beitnehmerflügel der CDU zustimmt, wurde eine erhöhungen bei ihren Geschäfts- 4 Sozialcharta mit einer Laufzeit von zehn Jahren ge- führungen betteln gehen. W
S C H W E R P U N K T: W O H N U N G S P O L I T I K Spanplatte als Büro Die Arbeitsbedingungen in der Wohnungs- wirtschaft verschlechtern sich VON JÖRG SCHLEDORN wesentlichen Aufgaben die Ver- sorgung der Bevölkerung mit D ie Wohnungsnot hat zu Recht den Weg zu- rück in den Mittelpunkt politischer Auseinan- dersetzungen in Deutschland gefunden. Wenig preiswertem Wohnraum gehörte. Aber auch der Umgang mit den Beschäftigten war stärker von beachtet wird jedoch die Situation der Beschäftig- sozialpartnerschaftlichen Ge- ten in der Wohnungswirtschaft. Dies ist nicht danken geprägt, ohne jene Ära angemessen. Gerne werden bei der Aufzählung romantisieren zu wollen. Diese die Beschäftigten der Bauindustrie und der Woh- Einstellung prägt bis heute viele nungsämter genannt. Dass auch in den Woh- der Kolleg*innen. nungsunternehmen Mitarbeiter*innen arbeiten, wird ausgeblendet. Doch diese erleben in den großen privatisierten Unterneh- Die Not der Mieter*innen und die Not vieler men nun eine andere „Kultur“. Die Beschäftigten in den privatisierten ehemals ge- ist geprägt von den Traditionen der meinnützigen Wohnungsunternehmen gehören Finanzindustrie, weniger von denen zusammen auf die Tagesordnung. Es sind zwei Sei- der Wohnungswirtschaft. Es gibt An- ten einer Medaille. griffe auf den Tarifvertrag. Bei einigen sind Betriebsräte oder Gewerkschaften nicht er- Wer arbeitet in der Wohnungswirtschaft? Zum wünscht. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern einen Angehörige technischer und handwerklicher sich – Arbeitsdruck, kleinteilige Überwachungen Berufe sowie Ingenieure, die traditionell stolz auf der Arbeitsleistungen sind zu nennen. Aber dies Fotos: W. Wohlers (3) ihre Arbeitsleistungen sind. Zum anderen Angehö- gilt für viele Branchen. Deshalb ein, zwei Beispiele rige kaufmännischer Berufe, wie Immobilienkauf- aus der Praxis: Hausmeister- und Siedlungs- leute; und auch denen ist klar, dass sie gute und verwalter*innen sind in der alten Form die An- qualifizierte Arbeit leisten. Es sind Fachleute für sprechpartner*innen und das Gesicht für die Mietrecht und Immobilienverwaltung, für Neben- Mieter*innen in den Siedlungen. Handwerklich kosten und Hausordnungen, für Buchhaltungen versiert und kommunikativ begnadet sind die und Mahnungen. Schlüsselanforderungen. Das spiegelt sich bei den Befragungen des DGB Die Wirklichkeit vieler Hausmeister*innen sieht Index Gute Arbeit wider. Die Mitarbeiter*innen anders aus: Auf digitalem Wege erhalten sie über wissen, dass sie „nützliche“ Arbeit leisten. Und be- ihr Tablet den ganzen Tag Arbeitsaufträge, Tickets zahlbare und menschenwürdige Wohnungen an genannt. Die Vorgesetzten überprüfen digital und Menschen mit geringen oder mittleren Einkom- per GPS, ob und wann die Tickets abgearbeitet men zu vermieten, ist wahrhaftig sinnvoll wurden. Die Tickets betreffen dann eher Fragen und nützlich. der Verkehrssicherungspflicht. Mit anderen Wor- ten: Es geht weniger um die Probleme der Ein Blick auf den Arbeit- Mieter*innen, sondern die Absicherung der Ver- geberverband, den Gesamt- antwortlichen der Unternehmen gegen Klagen verband der Deutschen wegen Brandschutzgefährdungen und anderes. Woh nungs wirtschaft, zeigt, dass dieser Ver- Gerne wird unter Betriebsräten die Anekdote band aus der alten Ge- erzählt, dass mancher Hausmeister außerhalb der besonderen meinnützigkeit stammt. Siedlungen parkt, die Dienstjacke auszieht, um Diese 1990 abgeschaff- unerkannt die Schuhschränke in den Hausfluren te Wohnungsgemein- aufzunehmen. Ja, es gibt gar ein Unternehmen, nützigkeit war von dem das seinen Hausmeistern eine Spanplatte zur Ver- Gedanken geprägt, dass fügung gestellt hat – auf die Armatur des Dienst- die zur Daseinsvorsorge des autos gelegt, spart sie den Büroarbeitsplatz ein. Staates und zu einer seiner W 5
S C H W E R P U N K T: W O H N U N G S P O L I T I K „Wir brauchen Knut Unger, MieterInnenverein Witten, über privatisierte Wohnungsunternehmen, so etwas wie Gemeinnützigkeit und ver.di als Bündnispartner Foto: Privat eine Mieter*in- nengewerkschaft“ die besonderen: Welche Bedeutung haben die großen privati- entwürfe vorgelegt, die aber von den anderen Parteien abge- sierten Wohnungsunternehmen für Eure Arbeit in Witten im lehnt wurden. Der Kerngedanke ist: Private oder öffentliche südlichen Ruhrgebiet? Träger der sozialen Wohnraumversorgung, die sich mit ihrem ge- samten Vermögen auf Dauer und verbindlich auf eine bezahlbare Knut Unger: Vonovia & Co. bringen mit miserablem Service, Wohnraumversorgung für den sozialen Bedarf und ohne Profit- überzogenen Nebenkostenabrechnungen und schlechter Er- interessen verpflichten, erhalten vom Staat steuerliche und an- reichbarkeit viele Mieter und Mieterinnen zur Verzweiflung. Zu- dere Vergünstigungen. gleich sind sie bei uns die Haupt-Mietpreistreiber. Vor kurzem waren ihre Wohnungen, zumeist ehemalige Werkswohnungen, Linke und Grüne haben sich für eine neue Gemeinnützigkeit aus- noch preiswert. Nun werden die Mieten mit verschiedenen gesprochen, es gibt auch positive Signale aus der SPD. Siehst Du Tricks und sogenannten Modernisierungen auf ein Niveau weitere Bündnispartner? gehoben, das sich viele nicht leisten können. Fast ein Viertel der Haushalte in Witten verfügt nur über Einkommen unter der Bei den Wohlfahrtsverbänden. Der Paritätische ist auch für eine Armutsrisikogrenze. Sozialen Wohnungsneubau gibt es in Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Die Kolleg*innen in der Witten kaum. Aber so viele bezahlbare Wohnungen, wie durch Sozialarbeit kriegen den Mangel an bezahlbaren Wohnungen ja die Geschäftspraktiken der Wohnungskonzerne wegfallen, besonders extrem mit. Weitere Bündnispartner sind selbst könnte man ohnehin niemals neu bauen. organisierte Wohnprojekte, Miethäusersyndikate und neue Woh- nungsgenossenschaften. Leider gibt es bei den Kommunen, Der DGB fordert jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen. Der vielen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunter- Mieterbund und andere fordern zudem die Wiedereinführung nehmen nur wenig Zuspruch. Eine ganz wichtiger Bündnispart- einer Wohnungsgemeinnützigkeit. Wie kommt es zu dieser For- ner sind aber natürlich auch die Gewerkschaften, allen voran derung? ver.di. Innerhalb des Deutschen Mieterbundes in NRW war der Aus- Du bist selbst ver.di-Mitglied, was wünschst Du in dieser Frage löser, dass wir ein Gegenmodell zu dem suchten, was wir tag- von Deiner Gewerkschaft? täglich bei den finanzmarktorientierten Vermietern erlebten. Fast alle ihre Wohnungen stammen ja ursprünglich aus der Die steigenden Wohnkosten machen alle Lohnzuwächse zu- gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, die 1990 zerschlagen nichte. Die Beschäftigen im öffentlichen Dienst finden in immer wurde. Die jetzigen Probleme sind die Folge des Renditedrucks mehr Städten keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Auch ver.di- der Finanzanleger und ihrer undurchsichtigen Geschäftsmodelle. Mitglieder werden aus ihren Wohnungen gedrängt. Es geht aber Wenn man ein Gegenmodell dazu entwickelt, wird deutlich, auch um die Beschäftigten der finanzialisierten Wohnungsindu- dass diese Vermieter nicht vom Himmel gefallen sind. Sie sind strie selbst. ver.di ist für sie ja als Gewerkschaft zuständig. Von- das Produkt verantwortungsloser politischer Entscheidungen. ovia unterläuft die tariflichen Bedingungen und bekämpft die Die Diskussion, die wir damit angefacht haben, dreht sich nun gewerkschaftliche Organisierung. Wir brauchen ver.di als aktiven allerdings um die Frage, wer die vielen fehlenden bezahlbaren Bündnispartner, um den politischen Druck zu erhöhen. ver.di Wohnungen in Deutschland bauen soll. Wir brauchen eine ge- sollte aber auch mit interessierten Mietervereinen und Mieterin- meinnützige Unternehmensbindung auch deshalb, damit die itiativen an der Basis zusammenarbeiten. Im Grunde brauchen mit viel öffentlichem Geld geförderten Wohnungen auf Dauer wir so etwas wie eine Mieter*innengewerkschaft. Unser gemein- sozial gebunden bleiben und nicht nach Rückzahlung der sames Ziel sollte es sein, gute und sichere Wohnungen mit guten Kredite zur Spekulationsmasse der Finanzmärkte werden. und sicheren Arbeitsplätzen zu verbinden. Das geht auf Dauer besonderen nur mit gemeinnützigen Trägern. Nach Artikel 15 Grundgesetz l- Habt Ihr Vorstellungen, wie die neue Gemeinnützigkeit aus- ießen sich die jetzigen Konzernwohnungen vergesellschaften und sehen könnte? in diese Form der Gemeinwirtschaft überführen. W Dazu gab es im Mieterbund und in unseren Bündnissen viele Fragen: Jörg Schledorn die Diskussionen. Linke und Grüne im Bundestag haben Gesetz- 6
REISEBRANCHE Vom Katalog zum Online-Portal Die Digitalisierung verändert die Arbeit in der Reiseveranstaltung – eine Herausforderung für Beschäftigte VON MARION SCHNEIDER UND Foto: W. Wohlers (Bildmontage) HOLGER SCHMIDT I n der Vergangenheit gaben Reiseveranstal- ter zweimal im Jahr Kataloge mit vorkalku- lierten Angeboten heraus – gerne pauschal mit Flügen, Hotel und Transfer. Die klassische Produktionskette begann mit dem Einkauf der Leistungen, der Kalkulation und Aus- schreibung selbiger in Katalogen sowie der Buchbarmachung. Der Vertrieb erfolgte zu- meist über Reisebüros an den Endkunden. Wenn sich diese im Voraus zusammen- gestellten Leistungen nicht wie gewünscht verkauften, wurden mit so genannten Last- Minute-Angeboten Restkapazitäten ver- marktet. Untersaisonale Angebotsanpassun- gen kamen entweder zu kurz oder waren nicht vorgesehen. Deutschen Reiseverband (DRV) zufolge wird und ihnen begleitend dazu eine größtmög- Noch ist die Veranstalterlandschaft in fast jede zweite Buchung heute schon dyna- liche Vielfalt von Informationen zu liefern. Deutschland bunt und vielfältig. Laut Torsten misch produziert. Und zwar nicht mehr nur Kirstges, Professor für Tourismuswirtschaft durch die Reiseveranstalter sondern häufig Diese Entwicklung hat auch Folgen für an der Jade-Hochschule Wilhelmshaven, auch durch die Leistungsträger selbst. Der die Beschäftigten. Immer mehr Aufgaben buhlen rund 1.650 Reiseveranstalter um die Vertrieb erfolgt zunehmend über global werden automatisiert. Das führt zu Restruk- Gunst der Urlauber. agierende Onlineportale wie Expedia, Boo- turierungen in immer kürzer werdenden king oder Check 24. Diese agieren auch Abständen. Auch Personalabbau ist nicht Doch durch die Digitalisierung haben immer mehr als virtuelle Reiseveranstalter. auszuschließen. Laufend entstehen neue Verbraucher*innen immer mehr Möglichkei- Sie zeichnen sich durch schlanke Organisati- fachliche Anforderungen, die nichts mehr ten, ihre Reisen selbst zu organisieren. Und onsstrukturen aus und verlangen von den mit den Kenntnissen und Fähigkeiten einer die neue Konkurrenz, etwa global agierende klassischen Reiseveranstaltern überdurch- Reiseverkehrskauffrau oder eines Touristik- sogenannte Online-Reisebüros, und die zu- schnittlich hohe Provisionen für den Vertrieb kaufmanns zu tun haben. Gefordert werden nehmende internationale digitale Vernet- ihrer Reiseprodukte. Mitarbeiter*innen mit Marketingkenntnis- zung setzen klassische Reiseveranstalter wie sen oder IT-Ausbildung sowie E-Commerce- TUI, Thomas Cook und DER Touristik zuneh- Die Digitalisierung führt aber auch zu Kaufleute. Damit wird es für Beschäftigte mit mend unter Druck. Einer Studie der Fachzeit- Veränderungen in den Produktionsprozessen einer touristischen Ausbildung bei den Reise- schrift FVW zufolge verlieren die klassischen der klassischen Reiseveranstalter. Als „Revo- veranstaltern eng. Qualifizierungsprogramme Reiseveranstalter seit 2011 kontinuierlich lution der Veranstaltersysteme“ bezeichnet werden entweder gar nicht angeboten oder Marktanteile (ausgenommen Kreuzfahrten). Michael Faber vom Beratungsunternehmen stecken noch in den Kinderschuhen. Hinzu Jedes Jahr verschwinden 80 Reiseveranstal- Tourismuszukunft, was sich derzeit auf dem kommt, dass es aufgrund der Anforderungen ter vom Markt. Der Touristikexperte Roland Markt der Softwarelösungen abspielt: Jahre- immer weniger Stellen auf Sachbearbeiter- Conrady von der Fachhochschule Worms lang gewachsene Systeme seien längst ebene gibt. Damit verschließen sich die klas- fand auf der Reisemesse ITB klare Worte zu überholt, nun drängen neue Anbieter mit sischen Pfade in der unternehmensinternen Tempo und Folgen der Digitalisierung in der digitalen Lösungen auf den immer unüber- beruflichen Entwicklung. War es früher üb- besonderen Reisebranche: „Wenn Reiseveranstalter nicht sichtlicheren Markt. Die Reiseveranstalter lich, über Jahre oder sogar Jahrzehnte hin- aufpassen, sind sie schnell abgehängt.“ müssen ihre Produktionsprozesse reorgani- weg im selben Bereich oder auf derselben sieren. Sie müssen in der Lage sein, aus der Stelle seine Arbeit zu tun, so müssen sich die Über globale Vertriebssysteme können Vielzahl der selbst oder fremd eingekauften Beschäftigten auf häufigere, regelmäßige nun sowohl Hotelzimmer als auch Flugplätze Leistungen den Kund*innen ein auf ihre per- Stellenwechsel und stetige Qualifizierung ein- die jederzeit automatisiert in Echtzeit zu tages- sönlichen Bedürfnisse zusammengestelltes, richten. W aktuellen Preisen gebündelt werden. Dem preisattraktives Reiseangebot zu erstellen 7
REISEBRANCHE T A R I F E W TUI DEUTSCHLAND Geld oder Freizeit ver.di und TUI Deutschland haben sich auf eine Erhöhung der Entgelte für das kommende Jahr Ein besseres Image verständigt. Ab Januar 2019 wer- den die Gehälter tabellenwirksam um zwei Prozent erhöht. Alterna- ist möglich tiv besteht die Wahlmöglichkeit Die erste Gehaltsvereinbarung bei Berge & Meer Touristik lässt hoffen. zwischen einer Gehaltserhöhung Doch andere TUI-Töchter sind immer noch ohne Tarifvertrag um ein Prozent und drei zusätzli- chen Urlaubstagen. Vorab hatten in einer Befragung fast 40 Pro- VON JÜRGEN RINKE-OSTER Foto: ver.di zent der ver.di-Mitglieder erklärt, dass sie sich vorstellen könnten, statt mehr Geld zusätzlichen Ur- laub in Anspruch nehmen zu wol- D er Großteil der von den Kolleg- *innen in Tochterunternehmen der TUI erwirtschafteten Gewinne geht an len. den Mutterkonzern. Dennoch kümmert sich die TUI im Gegenzug aber keinesfalls Eine Verrechnung mit eventu- um Tarifbindung und faire Gehälter. ellen übertariflichen Vergütungs- Dabei wäre es ein doppelter Imagege- bestandteilen findet nicht statt. winn, wenn alle Beschäftigten unter dem Und es gibt eine Entgeltabsiche- Dach der TUI die zwischen ver.di und rung bei arbeitgeberveranlassten dem Konzern regelmäßig ausgehandel- Versetzungen auf niedriger ver- ten Tariferhöhungen erhalten würden. gütete Stellen. Bei der TUI-Tochter Berge & Meer Zudem wird das Weihnachts- wurden nun zum ersten Mal Gehalts- geld im Jahre 2019 auf 95 Pro- erhöhungen mit ver.di schriftlich verein- zent und im Jahre 2020 auf bart. Bis dahin erhielten unter den rund hundert Prozent eines Monatsge- 300 Beschäftigten trotz einer Betriebszugehörig- Mitarbeiterinformation der Berge & Meer: halts (für diejenigen, die „erst“ keit von über zehn Jahren einige Kolleg*innen ab dem 1. Oktober 1998 – fast noch immer nur 2000 Euro brutto oder knapp da- Liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, 2000 Beschäftigte – im Unterneh- rüber. Die Rentenkampagne von ver.di machte men beschäftigt sind), erhöht. wach: Um eine Rente oberhalb der Grundsiche- wir freuen uns Ihnen mitzuteilen, dass in meh- Somit erhalten alle Beschäftigten rung zu bekommen, muss man mindestens 2500 reren Verhandlungsrunden die Geschäftsführung ab dem Jahre 2020 ein volles 13. Euro verdienen. und die ver.di-Tarifkommission sowie der Betriebs- Monatsgehalt. rat im Konsens eine Vereinbarung über Gehaltser- Bereits 2016 konnte ver.di eine Arbeitgeberzu- höhungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Die Auszubildenden bekom- sage mit einem Mindesteinstiegsgehalt von 2000 mit bestimmten Grundgehaltshöhen abgeschlos- men ab Januar 2019 monatlich Euro erreichen. Und durch die nun getroffene Ver- sen haben. 60 Euro brutto mehr. Kolleg*in- einbarung erhalten die Kolleg*innen seit dem nen, die ihre Ausbildung im Ja- 1. Juli je nach Unternehmenszugehörigkeit min- Die Vereinbarung gilt rückwirkend zum 1. Juli nuar oder Februar 2019 destens 2500 Euro. Dies ist ein toller Erfolg der 2018 und trägt sowohl dem finanziell möglichen abschließen, erhalten eine Ein- Berge & Meer-Tarifkommission (siehe Foto). Beide Rahmen als auch der Angleichung an branchen- malzahlung von hundert Euro Mindestregelungen bedeuteten für einige Kolleg- übliche Gehaltsstrukturen für bestimmte Mitarbei- brutto. *innen bis zu 500 Euro monatlich mehr Gehalt. tergruppen Rechnung. Die ver.di-Tarifkommission hat Nachdem nun erstmals eine Vereinbarung un- Ein zentrales Anliegen auf beiden Seiten war dem Verhandlungsergebnis – terschrieben werden konnte, ist das Ziel eines ge- die Anpassung der Gehälter langjähriger Mitarbei- nicht jubelnd, aber auch nicht samten Tarifwerkes nicht mehr allzu fern. Im terinnen und Mitarbeiter der Berge & Meer sowie zähneknirschend – mehrheitlich Spätsommer 2019 werden weitere Gespräche der FOX-TOURS, die noch auf einem niedrigen Ge- zugestimmt. Der Spielraum am bzw. Verhandlungen stattfinden. haltsniveau liegen, auf ein bestimmtes monatliches besonderen Verhandlungstisch war ausge- Grundgehalt. Daneben lag der Fokus auf der pro- reizt. Dabei waren zahlreiche ver.di weiß um die Situation der anderen Töch- zentualen Anhebung von Grundgehältern unter Aktionen sehr hilfreich. W ter der TUI, die keinem Tarifvertrag unterliegen. Berücksichtigung von monatlichen Bezugsgren- Deshalb ist zu hoffen, dass auch hier die Kolleg*in- zen. TUI nen mit ver.di gemeinsam endlich aktiv werden. Einzelfragen dazu beantworten die Mitglieder die Dass es geht, haben Berge & Meer eindrucksvoll der ver.di-Tarifkommission und das Personalteam 8 gezeigt. gerne! W
CALLCENTER V E R B Ä N D E W SOVD Zwischenlösung beim Auf und Ab Sozialverband Deutsch- land Die ver.di-Tarifkommission ver.di und walter services haben sich auf einen beim Sozialverband Deutschland (SoVD) ist zufrieden damit, dass Teilabschluss zum Rahmentarifvertrag geeinigt der Arbeitgeber auf ihr letztes Verhandlungsangebot, zunächst VON MARKUS NÖTHEN Dies hat dem Arbeitgeber deutlich gemacht, eine einheitliche lineare Lohner- dass er an den ver.di-Mitgliedern im Unterneh- höhung für alle Beschäftigte tarif- W alter services und die ver.di-Tarifkommission haben sich in zähen Verhandlungen auf einen neuen „Rahmentarifvertrag 2018 Teil 1“ ge- men nicht vorbeikommt. Die Gespräche wurden fortgesetzt. Nun gibt es einen Teilerfolg: den neuen „Rahmentarifvertrag 2018 Teil 1“. Dieser vertraglich zu vereinbaren, mit dem Beschluss seines Bundes- vorstandes eingegangen ist. einigt. Trotz konstruktiver Gespräche waren die regelt das Jahresarbeitszeitkonto neu und schafft ver.di zeigt sich erleichtert Verhandlungen über eine Modernisierung des die sogenannte 51-Prozent-Regelung zum 1. Ok- über den Verhandlungsverlauf. Rahmentarifvertrages (RTV) sowie des Entgelttarif- tober 2018 ab. Darüber hinaus ist vereinbart „Dies wurde nur möglich, weil vertrages (ETV) ab September 2017 ein stetiges worden, dass alle sich in der Nachwirkung befin- Tarifkommission und Beschäftigte Auf und Ab – beim Arbeitgeber war kein roter denden Regelungen weiter nachwirken und die an einem Strang gezogen Faden zu erkennen. Verhandlungen zu den offenen Themen fort- haben“, sagt der zuständige gesetzt werden. Diesem RTV Teil 1 hat die Tarif- ver.di-Bundesfachgruppenleiter Hier ein kurzer Abriss, was 2018 war: Januar – kommission am 24. September 2018 einstimmig Markus Nöthen. ver.di konnte im nach guten Verhandlungen und einem neuen Vor- zugestimmt. Vorfeld der Verhandlungen beim schlag zum Grundlohn hat die Tarifkommission SoVD viele neue Mitglieder ge- sich auf der Zielgeraden gesehen. März/April – der winnen und so ihre Verhand- Arbeitgeber bat um eine Verhandlungspause, Was bedeutet das im Einzelnen? lungsstärke ausbauen. kehrte nach Aufforderung jedoch zügig an den Die Gehälter werden dem- Verhandlungstisch zurück. Der aufgenommene W Die bedingungslose Stundengutschrift auf dem nach im Bundesverband und in Schwung blieb jedoch auf der Strecke. Mai/Juni – Jahresarbeitszeitkonto bei Krankheit, Urlaub den unselbständigen Landesver- der Arbeitgeber beriet sich mit seinen Betriebsrä- und an gesetzlichen Feiertagen mindestens auf bänden zunächst freiwillig rück- ten. Im Anschluss folgten gute Gespräche und Basis der individuellen Sollarbeitszeit pro Ar- wirkend zum 1. Januar 2018 um eine Annäherung in vielen strittigen Punkten bei beitstag. Damit gibt es keine Minus-Stunden 2,5 Prozent erhöht. Den selbstän- ETV und RTV. Juli – der Arbeitgeber fuhr zweiglei- mehr bei Krankheit. digen Landesverbänden empfiehlt sig: Die Tarifverhandlungen kamen kaum weiter. W Die Lohnfortzahlung erfolgt inklusive variabler der Bundesvorstand, diese Er- Der Arbeitgeber setzte dafür alles daran, die we- Vergütung auf gesetzlicher Basis bei Krankheit, höhung ebenfalls zum 1. Januar sentlichen Aspekte (Urlaub, Arbeitszeit und Ent- Urlaub und an gesetzlichen Feiertagen. Un- 2018 zu beschließen. gelt) in Konzernbetriebsvereinbarungen und einer durchsichtiger „DS 12“ wird durch transparen- Diese Erhöhung und auch die Betriebsvereinbarung „Mitarbeiterkonditionen“ zu ten „DS 3“ ersetzt. vorherigen freiwilligen Erhöhun- verankern. Die Beschäftigten und die Betriebsräte W Die Kontrolle des Jahresarbeitszeitkontos er- gen sollen kurzfristig in eine tarif- erteilten einer solchen Regelung eine klare Ab- folgt mit einem leicht verständlichen Ampelsys- vertragliche Regelung überführt sage. tem. Halbierung der bisher üblichen Über- und werden, heißt es in dem Be- Unterplanung auf maximal die doppelte indivi- schluss weiter. Die entsprechende duelle Soll-Wochenarbeitszeit. Dann steht das tarifvertragliche Regelung, die die Foto: Werner Bachmeier Konto im roten Bereich und es müssen Maß- Tarifkommission einstimmig be- nahmen getroffen werden, wieder in den grü- schlossen hat, ist von ver.di an nen Bereich zu kommen. den SoVD zur Unterschrift über- W Bei einer Erhöhung des Grundlohns bleiben sandt worden. mindestens 50 Prozent der Plusstunden im Zeit- Diese tarifvertragliche Rege- wert erhalten. Für den anderen Teil gibt es die lung ist auch für die Tarifkommis- Möglichkeit, sie gestaffelt über drei Monate sion nur eine Zwischenlösung, um ausgezahlt zu bekommen. zumindest die Preissteigerung für dieses Jahr verbindlich auszuglei- Zwar ist die Erhöhung des Grundstundenlohns chen. „Die sehr komplexen Ände- besonderen noch nicht gelungen, dennoch ist mit dem Ab- rungswünsche des Arbeitgebers schluss des „Rahmentarifvertrags 2018 Teil 1“ bezüglich des Gehalts- und Man- eine der Kernforderungen aller Beschäftigten in Er- teltarifvertrages müssen weiter füllung gegangen. Darüber hinaus haben sich ausgehandelt werden. Dies benö- beide Tarifparteien darauf verständigt, einen ganz- tigt Zeit“, heißt es aus der Tarif- die heitlichen Rahmen- und einen neuen Entgelttarif- kommission. W vertrag zu verhandeln. W 9
CALLCENTER A B S I C H E R U N G W KERNTECHNISCHE ANLAGEN Soziale Absicherung im Fokus Im August hatte ein Treffen Mehr Produzentenstolz der ver.di-Mitglieder der Arbeits- Zufriedene Kunden und Kolleg*innen müssen kein Widerspruch sein, gruppe Kerntechnische Anlagen stellt die diesjährige Betriebsrätetagung der Callcenterbranche fest (AG KTA) mit Vertreter*innen der Bundesgesellschaft Zwischen- lagerung (BGZ), des Bundes- VON FLORIAN FEICHTMEIER UND zugrenzen, doch eine Betriebsrätin gab zu beden- umweltministeriums und Abge- CHRISTIAN SZEPAN ken: „Wenn die Verhaltens- und Leistungskon- ordnet*innen des Bundestags trolle zur Bewertung der Bonuszahlung genutzt stattgefunden. Die AG KTA des Fachbereichs 13 in ver.di setzt sich für die Gewährleistung sozia- D ie Callcenter könnten die Arbeit der Beschäf- tigten deutlich entlasten, wenn sie auch die Wünsche der Kund*innen mehr in den Mittel- wird, entscheiden sich viele Beschäftigte leider viel zu häufig für die Überwachung.“ Eine Umfrage während der Fachtagung unter den rund siebzig ler Absicherung beim anstehen- punkt stellten. Dies betonte ver.di-Bundesvor- teilnehmenden Betriebsrät*innen aus Call- und den Rückbau der Kerntechnischen standsmitglied Lothar Schröder auf der Callcenter- Servicecentern ergab: Digitale Arbeitsmittel erhö- Anlagen in allen Bundesländern tagung des TBS-Netzwerkes. Kollege Schröder hen den Leistungsdruck und belasteten die Psyche. ein. stellte die Frage, wie Kunden zufrieden gestellt Strittig ist, in welchem Umfang Künstliche Intelli- werden sollten, wenn die Telefongespräche mög- genz im Callcenter künftig eingesetzt wird. Die Ex- Bei dem Treffen wurde inten- lichst kurz gehalten werden. Die Kund*innen perten sind sich einig, dass die neuen technischen siv über die Situation der Sicher- ärgerten sich, weil ihre Anliegen nicht fallabschlie- Systeme das Berufsfeld weiter verändern werden. heitsbeschäftigten diskutiert. ßend gelöst würden, und die Beschäftigten wür- Mario Daum von Input Consulting erklärte, durch Mitgeteilt wurde den ver.di- den damit unter Stress gesetzt. So könne kein das Workforce-Management und eine veränderte Vertreter*innen, dass sich an den Produzentenstolz entstehen. Dass dieser aber be- Arbeitsorganisation nähmen Arbeitsverdichtung, bestehenden Regularien nichts flügle, wisse man aus der Automobilindustrie, in kurzfristige Arbeitseinsätze und häufige Aufga- ändern solle. der die Bandarbeiter*innen das fertige Fahrzeug benwechsel zu. vor Augen hätten. Schröder forderte entspre- Doch die Signale, die in der chend, die Callcenterkolleg*innen individuell und Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht und Zwischenzeit aus einigen Bundes- umfangreich zu schulen, damit sie alle Kundenan- Recht der Informationsgesellschaft an der Frank- ländern kommen, lassen aufhor- liegen erfüllen könnten. furt University of Applied Sciences, kritisierte, die chen und anderes befürchten. So Einführung der europäischen Datenschutzgrund- fordern behördliche Bewachungs- verordnung senke das deutsche Schutzniveau ab. Foto: Werner Bachmeier auflagen, die Teil der Genehmi- Er erklärte, das neue Datenschutzrecht sei aber gung der Standortzwischenlager keineswegs ein Mittel, um die Informationsmög- (SZL) sind, in einigen Standorten lichkeiten der Betriebsräte einzuschränken – auch in Niedersachsen eine Besetzung wenn viele Arbeitgeber hiermit begründeten, durch 6 Positionen rund um die warum sie unliebsame Anfragen ihrer Betriebsräte Uhr. Erste Rückmeldungen zeigen unbeantwortet ließen. Dadurch sollten sich Be- aber, dass in mindestens einem triebsräte nicht einschüchtern lassen. SZL nur 4 Positionen geplant sind. Markus Nöthen, zuständiger ver.di-Bundes- Insofern werden die Mitglie- fachgruppenleiter, erläuterte, wie wichtig die Ein- der der AG KTA auch in den führung von Tarifverträgen sei. Hierfür müsse nächsten Wochen noch einiges allerdings der Organisationsgrad in den Betrieben anschieben müssen, um sowohl Die hohen psychischen Belastungen in den höher sein. Damit ver.di mit den Betriebsräten ge- die Sicherheit der Anlagen, wie Callcentern hob Professor Jochen Prümper von der meinsam Verbesserungen erreichen könne, brau- auch die der Einkommen und Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft che es starke Belegschaftsvertreter*innen. „Nur Arbeitsplätze zu gewährleisten. hervor: „Es gibt keine Branche, die mehr psy- gemeinsam können wir etwas erreichen“. Dabei ist nicht nur die Bundes- chische Störungen bei den Beschäftigten produ- ebene gefordert. Deshalb suchen ziert. Es gibt auch keine Branche mit mehr Hansjörg Christoph von der Verwaltungsbe- die ver.di-Kolleg*innen nun auch Burnout-bedingten Ausfällen pro hundert Be- rufsgenossenschaft hob die DGUV-Branchenregeln den Kontakt zu den jeweiligen schäftigten.“ Ursächlich seien unter anderem der für gute Callcentereinrichtungen und Arbeitsbe- besonderen Landesregierungen. Umgang mit Emotionen, die Arbeit im Großraum- dingungen hervor, an deren Entwicklung auch der büro, Zeitdruck sowie der hohe fremdbestimmte Fachbereich 13 beteiligt war. „Der Arbeitgeber Erstes Resümee: Viele schöne Arbeitsanteil. muss nur eine Broschüre in die Hand nehmen, Worte, die nun auf ihren Reali- dann kann er loslegen.“ Auch Betriebsräte profi- tätsbestand geprüft werden müs- Darüber hinaus werde in keiner Branche die tieren hiervon. Anna Gabler von der TBS Rhein- die sen. W Arbeitsleistung so ausgiebig vermessen wie hier. land-Pfalz bestätigt: „Wir nutzen die Branchen- 10 Betriebsräte haben zwar die Möglichkeit, dies ein- regeln häufig zur Beratung.“ W
SICHERHEITSBRANCHE Unsäglich Die ver.di-Befragung zur Guten Arbeit in der Sicherheits- branche hat erschreckende Ergebnisse VON ARNO PEUKES Die zehn am schlechtesten bezahlten Berufe (ohne Sicherheit) I m Frühjahr des Jahres wurde durch den Bundesfachgruppenvorstand ISF in Zu- sammenarbeit mit der ver.di-Abteilung Gute Beruf Durchschnittlicher Jahreslohn mit 20 Jahren Berufserfahrung Rezeptionist/in 28.524 Euro Arbeit die erste bundesweite Befragung zur Koch/Köchin 29.639 Euro Arbeitssituation in der Sicherheitsbranche durchgeführt. Fast 3000 Kolleg*innen ha- Berufskraftfahrer/in 30.694 Euro ben teilgenommen. Verkauf Einzelhandel 30.907 Euro Quelle: Merkur.de (Stand: 2017) Altenpfleger/in 31.823 Euro Das besondere Kennzeichen der Befra- Disponent/in 36.985 Euro gung nach dem Index Gute Arbeit ist, dass Debitoren Buchhaltung 39.507 Euro jede Kollegin und jeder Kollege die Möglich- Schlosser/in 40.727 Euro keit hat, Aussagen zu den eigenen Belastun- Krankenpfleger/in 42.098 Euro gen zu treffen. Aus den persönlichen Ant- Erzieher/in 42.208 Euro worten ergibt sich dann ein Punktwert zwi- schen 1 bis 100. Werte zwischen 100 bis 80 Punkte kennzeichnen gute und gesunde Ar- bereits überall gestarteten Tarifrunden jetzt beitsstunden kommen einige auf höhere beit, Punkte unter 50 weisen auf Arbeitsbe- ein deutlicher Schritt zur Einkommensver- Einkommen. Wie lange das aber durchzuhal- dingungen hin, die in hohem bis sehr hohem besserung gesetzt werden muss. Ein ausrei- ten ist, ist klar. Deswegen steht für uns die Maße gesundheitsgefährdend sind. Alle in- chendes Einkommen und eine gute Rente Frage der Arbeitszeit bei allen Tarifrunden dividuellen Antworten wurden nun zusam- sind wichtige Voraussetzungen, um gesund auch deutlich im Mittelpunkt. mengetragen und für die Gesamtbranche zu bleiben. Davon sind heute die meisten Sicherheit sowie für die einzelnen Teilbran- Beschäftigten der Sicherheitsbranche noch Viel zu tun ist aber auch bei allen ande- chen ausgewertet. meilenweit entfernt. ren Themen. Denn egal, ob es um emotio- nale oder körperliche Anforderungen geht; Das Ergebnis ist alarmierend. Schon Solange aber niedrige Löhne und Gehäl- ob um Arbeitszeitlage oder eigene Ent- lange werden in vielen Branchen Befragun- ter von Seiten der Unternehmen als ein wicklungsmöglichkeiten: durch die Bank gen mit dem Instrument der Guten Arbeit Vorteil im Wettbewerb um Marktanteile ver- kommen die Beschäftigten zu einem ge- durchgeführt, aber noch nie waren die Rück- standen werden, kann die Branche nicht an sundheitsbelastenden Ergebnis. So muss meldungen der Beschäftigten so negativ. So Attraktivität gewinnen, und es wird immer heute festgestellt werden, dass Arbeiten in liegt der Gesamtwert für die Sicherheit ge- schwieriger, qualifizierte und motivierte Be- der Sicherheitsbranche rundum wenig at- samt bei nur 34 Punkten. Oder um es zu schäftigte zu werben oder zu halten. Dies traktiv ist. Und das, obwohl fast alle Beschäf- übersetzen: Die tägliche Arbeit wird von den verdeutlicht der Blick auf die am schlechtes- tigte sehen, dass ihre Arbeit für die Ge- Beschäftigten in einem sehr hohen Maße als ten bezahlten Berufe. sellschaft von hohem Wert ist. Deshalb sind gesundheitsbelastend bewertet. Dabei las- nicht nur die Arbeitgeberverbände und Un- sen sich auch kaum Unterschiede feststellen, Hier wurde die Sicherheitsbranche über- ternehmen hier gefordert, sondern auch die in welchem Bereich der Sicherheit jemand sehen. Rechnen wir also die Durchschnitts- Politik. ver.di ist klar, dass die Sicherheitstä- beschäftigt ist. Denn auch bei Geld und verdienste unserer Kolleginnen und Kollegen tigkeit für die allgemeine Sicherheit unserer Wert (33 Punkte), Luftsicherheit (31 Punkte) hier rein, zeigt sich schnell, dass alle Teilbran- Gesellschaft von hohem Wert ist. Auch des- oder der Allgemeinen Wach und Sicherheit chen hier auftauchen müssten. Denn bei wegen müssen sich alle Beteiligten jetzt um (35 Punkte) lautet das Gesamturteil, dass Jahreseinkommen um etwa 34.000 Euro konkrete Schritte kümmern, damit sich hier hier die tägliche Arbeit krankmacht. (Beispiel Geld und Wert Nordrhein-Westfa- etwas für die Beschäftigten verbessert. len) läge die Sicherheitsbranche auf dieser besonderen Besonders schlecht schneidet der Blick negativen Top-Ten-Liste auf Platz 6. Weitere Informationen: Eine genauere auf das eigene Einkommen ab. Hier liegt der Übersicht über die Befragung gibt es in der Punktwert für das Sicherheitsgewerbe insge- Um heute ein besseres Einkommen und Arbeitsberichterstattung aus Sicht der Be- samt bei nur 17 Punkten, bei Geld und Wert damit eine (schmale) Rente (siehe report schäftigten. Diese kann über die jeweilige bei 13, bei der Luftsicherheit bei 22 und bei 02/18) zu bekommen, müssen viele Beschäf- Landesfachbereichsleitung bezogen werden. die der allgemeinen Wach und Sicherheit bei 14 tigte heute zwölf Stunden täglich oder mehr W Punkten. Dies macht deutlich, dass mit den arbeiten. Nur mit 228 oder mehr Monatsar- 11
SICHERHEITSBRANCHE Aktiv für den Tarif Die Tarifverhandlungen in den verschiedenen Sparten der Sicherheitsbranche sind angelaufen VON ARNO PEUKES Januar 2019 ist. Jetzt muss die Bundesverei- in der ersten Verhandlungsrunde wurde hier nigung Deutscher Geld- und Wertdienste eine Tarifeinigung erzielt. Kernpunkte des Bundesentgelttarifvertrag (BDGW) zeigen, ob sie das Zeichen versteht Abschlusses: Laufzeit: 24 Monate; Erhöhung Geld und Wert oder wieder in alte Rituale der Verweigerung der Lohngruppen um jeweils 42 Cent pro und Verzögerung verfällt. Der Verhandlungs- Jahr, mindestens drei Prozent; eine Erhöhung Auch, wenn die Arbeitgeber wieder jam- auftakt am 25. Oktober 2018 hat aber ge- der Gehälter um drei Prozent und die der mern: Die wirtschaftlichen Kennzahlen für zeigt, dass hier noch Lernbedarf besteht. Azubivergütung um 4,1 Prozent im ersten die Sicherheitsbranche weisen wieder einmal Wer ernsthaft glaubt, dass Tariferhöhungen Jahr und um vier Prozent im zweiten Jahr. stark nach oben. Ganz im Gegensatz zu den von 17 bis 30 Cent ausreichen, setzt ein fa- Darüber hinaus wurde für die Beschäftigten Ergebnissen der ver.di-Befragung zur Ar- tales Signal. Wenn das ab dem 17. Novem- der Kerntechnischen Anlagen eine Erhöhung beitssituation im Bereich Geld und Wert. Die ber nicht besser wird, steht ein heißer Start um jeweils vier Prozent und eine Integration zeigen, wie gesundheitsbelastend die tägli- in 2019 bevor. der Zulage von 40 Cent in den Lohn für das che Arbeit ist. Auch das monatliche Einkom- erste Jahr vereinbart. Im zweiten Jahr gibt es men in Zeiten steigender Preise und Mieten dann weitere vier Prozent mehr inklusive der bereitet vielen Beschäftigten mehr als nur Tarifabschlüsse integrierten Zulage. Für die Beschäftigten Kopfschmerzen. Deswegen ist für die Mit- Allgemeine Sicherheit der militärischen Bewachung gibt es fünf glieder der Bundestarifkommission klar, dass Prozent pro Jahr, für Kaufhausdetektive 6,98 mit den jetzt beginnenden Tarifverhandlun- In zwei Bundesländern können die Beschäf- Prozent im ersten und drei Prozent mehr im gen zum neuen Bundeslohntarif eine deutli- tigten der allgemeinen Wach und Sicherheit zweiten Schritt. Darüber hinaus runden noch che Einkommenssteigerung erzielt werden bereits rundum gelungene Tarifabschlüsse viele weitere Vereinbarungen das „Wunder muss. Die Kommission fordert 1,50 Euro pro feiern: Im September wurde in Thüringen ein von NRW“ ab. Arbeitsstunde mehr Lohn sowie eine Steige- Tarifabschluss zwischen ver.di und dem rung der Gehälter von 250 Euro pro Monat. Bundesverband der Sicherheitswirtschaft Darüber hinaus will der Fachbereich die (BDSW) ausgehandelt. Nicht nur, dass hier Bundesentgelttarifvertrag heute noch bestehenden Unterschiede zwi- damit endlich wieder ver.di der Tarifpartner Aviation schen Ost und West sowie zwischen den ist, auch die ab dem 1. Januar 2019 erreich- mobilen und stationären Tätigkeiten schritt- ten Erhöhungen sprechen für sich. So gibt es Am 16. Oktober haben die Tarifverhandlun- weise aufheben. für die Beschäftigten in den nächsten zwei gen um den ersten Bundeslohntarifvertrag Jahren Tariferhöhungen zwischen 16 und für die Beschäftigten der Luftsicherheit be- Bereits im August hat ver.di mit dem Ar- 18,5 Prozent. Damit steigt der Lohn in der gonnen. Bereits Anfang September hatten beitgeberverband vier Verhandlungstermine untersten Gruppe von noch 9,10 Euro auf Mitglieder aus allen Bundesländern ein um- noch während des laufenden Tarifvertrages künftig 10,60 Euro. fangreiches Forderungspaket für den künfti- vereinbart und so das Signal gesetzt, dass gen Tarifvertrag aufgestellt: eine Laufzeit von ver.di bereit für einen schnellen Abschluss Fast noch überraschender ist der Tarifab- zwölf Monaten, sowie eine Vereinheitli- und einen Anschlusstarifvertrag ab dem 1. schluss in Nordrhein-Westfalen. Denn bereits chung der Tätigkeiten nach den §§ 5, 8 und 9. Zudem fordert die ver.di-Bundestarifkom- mission eine Erhöhung der Stundensätze auf Foto: Werner Bachmeier 20 Euro. Heute liegen diese je nach Bundes- land zwischen 14,70 und 17,16 Euro. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) ab dem 7. November 2018 endlich zu wirk- lichen Tarifverhandlungen bereit ist. Die Medien berichten über ständig steigende besonderen Passagierzahlen, denen jedoch keine ent- sprechenden Personalsteigerungen gegen- überstehen. Deswegen ist für die Bundes- tarifkommission Aviation klar, dass neben guten Löhnen auch manteltarifliche Rege- die lungen nötig sind, um gesunde Arbeitsbe- 12 dingungen tarifvertraglich zu gestalten. W
DAS GUTE BEISPIEL Wenn die Belegschaft will Seit Jahren bleibt die Gehaltsentwicklung beim Arbeitsmedizinischen Dienst des TÜV Rheinland regelmäßig hinter der Teuerungsrate zurück. Gesamtbetriebsrat, ver.di und Ehrenamtliche haben es möglich gemacht: Tarifverhandlungen können nun angegangen werden Foto: Werner Bachmeier VON CHRISTIAN SZEPAN D ie Verärgerung über die Ungleich- behandlung der Belegschaft innerhalb des TÜV Rheinland sitzt besonders tief bei den Kolleg*innen des bundesweit tätigen Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD). Im Unterschied zu vielen anderen Konzernen gibt es beim TÜV Rheinland Gesellschaften, die nicht tarifgebunden sind. Entsprechend schlechter entwickelten sich bislang die Ent- gelte beim AMD. Im vergangenen Jahr machte die Unter- nehmensleitung bessere Gehaltsentwicklun- gen von weiteren Verschlechterungen bei Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen abhän- gig. Da waren sich alle Betriebsräte einig: Ein Haustarifvertrag muss endlich her! „Eigent- lich müssten wir der Unternehmensleitung einen Blumenstrauß überreichen, da sie durch ihr Verhalten so viel Werbung für uns gemacht hat“, sagt Ilona Sollich, die Sicher- heitsingenieurin ist Gesamtbetriebsratsvor- sitzende beim AMD. Die Konzernbetreuerin von ver.di, Andrea Becker, machte dem Betriebsrat deutlich, dass für Tarifverhandlungen eine entspre- männische Angestellte und Gesundheits- Organisationsgrad lag da bei 35 Prozent. „Es chende Mitgliederstärke notwendig sei. Zu- berater*innen. war wichtig, dass wir den Kolleg*innen sammen mit den Ehrenamtlichen und ihren immer Mut machen konnten“, sagt Andrea ver.di-Kollegen Kai Winkler aus Bayern und GBR-Vorsitzende Sollich sagt, es sei ein Becker. Die Belegschaft wurde über jeden Benjamin Roscher aus Berlin-Brandenburg Erfolg, dass die Kolleg*innen des AMD wie einzelnen Schritt informiert – auch über die entwickelte sie ein Konzept, wie innerhalb im Team auftreten. Ursprünglich seien die Er- Entwicklung der Mitgliederzahlen. Dies for- weniger Monate die notwendige Stärke er- wartungen unterschiedlich hoch, aber man derten die Ehrenamtlichen ein und deswe- zielt werden könne. Die Mitgliederzahl galt werde sich auf einheitliche Forderungen ver- gen wurden regelmäßig Flyer veröffentlicht. es zu vervierfachen. ständigen. Dies wird auch während der Verhandlungen, die derzeit vorbereitet werden, so beibehal- Auf Betriebsversammlungen wurde die Rückschläge blieben nicht aus: Das selbst ten. Idee vorgestellt. In einer Beschäftigtenum- gesteckte Ziel von 30 Prozent Organisations- frage erklärten fast neunzig Prozent, dass sie grad schien im Mai nicht erreichbar. Der Andrea Becker hatte nie verstanden, einen Tarifvertrag wünschen. Viele wollten Arbeitgeber machte Druck. Das Wort vom warum es beim TÜV Rheinland diese Sonder- mitarbeiten. „Arbeitszeitbetrug“ machte die Runde, weil situation gibt. „Dort, wo Belegschaften besonderen die Gewerkschaft im Betrieb unterstützt einen Tarifvertrag fordern und sich zur Das Team entwickelte ein Ansprachekon- werde. Die GBR-Vorsitzende mahnte zur Durchsetzung in ver.di organisieren, werden zept, wie die Ehrenamtlichen auf ihre Kol- Vorsicht. wir weitere Konzerngesellschaften in die leg*innen zugehen können. Dies ist wichtig, Tarifbindung bringen. Es gibt aus meiner denn die Belegschaft ist sehr heterogen: Doch inzwischen ist der AMD verhand- Sicht keinen Grund, warum der TÜV Rhein- die Beim AMD arbeiten Ärzt*innen, Sicherheits- lungsfähig: Eine neunköpfige Tarifkommis- land Konzern nicht komplett tarifgebunden ingenieur*innen, Psycholog*innen, kauf- sion wurde Anfang November gebildet, der sein sollte.“ W 13
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