SEXUALITÄT & BRUSTKREBS - MEIN RATGEBER - DR. GABRIELE TRAUN-VOGT PETER F. HERDINA
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SEXUALITÄT & BRUSTKREBS MEIN RATGEBER DR. GABRIELE TRAUN-VOGT PETER F. HERDINA Medizinische Beratung: Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MPH
Credits: Stefan Huger DR. GABRIELE TRAUN-VOGT PETER F. HERDINA Klinische- und Gesundheitspsychologin, Systemischer Coach und Supervisor mit systemische Psychotherapeutin (SF), Schwerpunkt Gesundheitswesen sowie Psychoonkologin, langjährige Leitung des systemischer Psychotherapeut für Paare psychoonkologischen Dienstes an der Uni- und Einzelpersonen in privater Praxis, versitätsklinik für Frauenheilkunde/Brust- Lehrtätigkeit in der Ausbildung von gesundheit der Medizinischen Universität systemischen Berater*innen Wien, Psychoonkologin und Psychothera- peutin in freier Praxis „Immer wieder kommt es zu Verständi- Kontakt: www.dr-traun-vogt.at gungsschwierigkeiten zwischen Lebens- partner*innen in Bezug auf die Sexualität, „Seit vielen Jahren begleite ich Brust- auch wenn gar keine außergewöhnlich krebspatient*innen und ihre Partner*in- gravierenden Randbedingungen vorlie- nen durch alle Stadien der Erkrankung. gen. Umso schwieriger wird die Kommu- Die meisten Paare erleben gravierende nikation in Ausnahmesituationen. Hier Veränderungen in ihrer Sexualität im Lau- einen Leitfaden und Unterstützung an- fe ihrer Behandlung – allerdings werden zubieten ist mir ein besonderes Anliegen.“ diese tabuisiert und die Auseinanderset- zung damit angesichts einer bedrohlichen Lebenssituation als nicht angemessen erlebt. Es gibt wenig Information und Unterstützung, oft nicht einmal über die körperlichen Auswirkungen von Behand- lungen, die die Sexualität massiv beein- trächtigen können. Konkrete Informatio- nen und entlastende Perspektiven sind für mich wichtige Themen dieser Broschüre.“ Wien, im Februar 2021, 3. Auflage 2
Einleitung Mit Brustkrebs ist ein massiver Einschnitt In dieser Broschüre versuchen wir, einen in Ihr Sexualleben passiert. Die Brust als häufigen Ablauf dieser Dynamik zu be- Sexualorgan ist Ausgangspunkt einer schreiben, weibliche und männliche Sicht- Erkrankung und bleibt trotzdem ein Ort, weisen und Erlebniswelten in ihrer Über- an dem Lust empfunden werden kann und einstimmung und ihren Unterschieden über den Sexualität gelebt wird. Angst vor aufzuzeigen; eine ähnliche Dynamik kann Erkrankung, Operation, Behandlung, un- auch in Beziehungen zwischen Frauen erwünschten Nebenwirkungen, Siechtum auftreten. Dabei gehen wir auf Verände- und Tod treten krisenhaft in den Vorder- rungen durch die Krankheit Brustkrebs in grund des Erlebens, Sexualität tritt in den der Sexualität ein und widmen uns auch Hintergrund. Alles konzentriert sich auf der Zeit während weiterführender Thera- das Bewältigen der belastenden Situa- pien nach Brustkrebs und Sexualität bei tion („Ich will gesund werden“), die Aus- metastasiertem Brustkrebs. einandersetzung mit Sexualität wird oft als unangemessen erlebt und auf später Dies soll Ihnen helfen, wahrzunehmen, wo verschoben („Das wird dann schon wieder, und wie Konflikte entstehen und wie Sie wenn ich gesund bin“). sie bewältigen können. 3
Inhalt Einleitung 3 Übersicht: Häufige Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität im Verlauf einer Brustkrebserkrankung 6 1. „Normale“ Veränderungen in der Sexualität im Lauf des Lebens 12 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 13 » Warum ich? Warum Brustkrebs? Wer ist „schuld“? 13 » Jetzt an Sex denken? 14 » W as sind mögliche unerwünschte Folgen, Veränderungen und Arznei- mittelwirkungen der onkologischen Behandlung für die Sexualität? 14 » W orauf muss ich mich einstellen, wie lange wird es dauern, was kann ich erwarten? 18 » Männer und Frauen – wer darf wann was wollen? 19 » Wieder zur Sexualität zurückfinden 22 » Wieder Sex zu zweit 25 » Kann und soll ich nach Brustkrebs (wieder) schwanger werden? 28 » Welche Arten von Empfängnisverhütung sind möglich und sinnvoll? 31 » Sexualität bei Männern mit Brustkrebs 33 4
3. Sexualität bei weiterführender Therapie nach Brustkrebs 34 » Gespräche über schwierige medizinische Entscheidungen 36 » W as hilft gegen Nebenwirkungen der weiterführenden Brustkrebs- behandlung, die meine Sexualität beeinflussen können? 38 » Unsere Ressourcen aus der Vergangenheit 40 4. Sexualität bei metastasiertem Brustkrebs 42 » Sexualität und Metastasierung 42 » „ Bis dass der Tod uns scheidet“ – Sexualität, Partnerschaft, Krankheit und Tod 43 5. Information, Rat und Hilfe 48 Anhang: Ottawa-Leitfaden zur persönlichen Entscheidungsfindung 52 5
Übersicht: Häufige Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität im Verlauf einer Brustkrebserkrankung Frauen mit Brustkrebs und ihre Partner*innen, die grundsätzlich in gut funktionieren- die Anliegen der betroffenen Patient*innen als auch diejenigen ihrer Partner*innen den Beziehungen leben, berichten nach der Diagnose über unterschiedliche Sicht- von großer Wichtigkeit sind! Vielleicht finden Sie sich hier wieder; dieser Überblick soll weisen, Bedürfnisse und Gefühle in der gemeinsamen Sexualität. Und das ist unter Ihnen die Sicherheit geben, dass Sie nicht alleine mit schwierigen Themen in der den besonderen Umständen einer Brustkrebserkrankung ganz normal.Die nachfol- Sexualität sind, sondern dass viele Frauen mit Brustkrebs und ihre Partner*innen mit gende Tabelle möchte in groben Zügen darstellen, wo es zu Unterschieden und denselben Problemen kämpfen. möglicherweise zu Konflikten kommen kann. Wir möchten betonen, dass sowohl Krankheits-/Behandlungsverlauf Patient*innen-Sichtweise Partner*innen-Sichtweise Paardynamik Verdacht Wird die Diagnose Brustkrebs wahr? Zwischen mich und meine Partnerin Unsicherheit und Angst – parallele Treten meine schlimmsten treten bedrohende Aspekte von außen erhöhte Alarmbereitschaft ð wir sind Tastbefund, Erwartungen ein? beide alarmiert und beunruhigt bildgebende Diagnostik, Biopsie Diagnose Werde ich sterben? Die Gesundheit meiner Partnerin steht Schock, Angst, Verzweiflung, Krise – Verliere ich meine Brust? an erster Stelle. Orientierung gewinnen parallele Konzentration auf Krisenbe- Befundmitteilung Wie kann ich damit umgehen? und Überblick behalten wältigung ð wir versuchen beide, die Krise zu bewältigen Chemotherapie vor/nach Operation Vorwiegend mit meinen körperlichen Ich unterstütze sie in der Behandlung, Parallele Strategien zur Bewältigung des Veränderungen beschäftigt – entlaste im Alltag, Sexualität ist zurück- Behandlungsalltags. Wir sind uns einig in Wirkungen und Nebenwirkungen: gute Wirkung der Chemotherapie? gestellt der Vorgangsweise, mit der Herausforde- Veränderung des Tumors; Sexualität hat wenig Stellenwert rung der Behandlung umzugehen Übelkeit, Haarausfall, Müdigkeit, Ausbleiben der Regel Operation Angst vor Narkose und Belastungen durch Gesundheit vor Attraktivität, Bewäl- Bewältigung der aktuellen Krise der OP. OP. Werde ich mit dem weiblichen Selbst- tigung der OP als Ereignis im Vorder- Details (wie komme ich mit dem OP- OP-Planung bild nach der OP klarkommen? grund. Heimliche Angst, wie es mir Ergebnis zurecht) auf später verschoben (Brusterhaltung ja/nein, Sentinel/Axilla, Kann er*sie mich nach OP akzeptieren? nachher mit veränderter Brust gehen Aufbau jetzt/später, Narben) Zukünftige sexuelle Attraktivität, wird „vorauseilender Gehorsam“ – für ihn*sie 6 Übersicht: Häufige Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität im Verlauf einer Brustkrebserkrankung 7
Krankheits-/Behandlungsverlauf Patient*innen-Sichtweise Partner*innen-Sichtweise Paardynamik Antihormonelle Therapie/ Mögliches plötzliches Ende meiner Das Schlimmste ist vorbei – jetzt nimmt Unterschiedliche Erwartungshaltungen zielgerichtete Therapie/Immuntherapie Fruchtbarkeit, mögliche Wechselbe- sie nur noch Tabletten – bald wird alles werden spürbar schwerden (Wallungen, Schlafstörungen, wieder normal Übergang zu ambulanter Tabletten mein körperliches sexuelles Verlangen einnahme – medikamentöse Einleitung kann ausbleiben), oft Irritation und der Menopause Rückzug Strahlentherapie Mein intimes Organ Brust ist noch immer Es tut ihr nicht mehr weh, ihr ist nicht Unterschiedliche Erwartungshaltungen öffentlich – ich muss mich schützen (dem mehr so schlecht – es ist fast geschafft – werden spürbar Ambulante tägliche Behandlung Anblick von Schwerkranken ausgesetzt) ich will wieder vorkommen dürfen im Spital über mehrere Wochen und die Behandlung ertragen, Abschluss des eigenen Krankheitserlebens noch nicht möglich, aber schon ersehnt, oft große Erschöpfung, sexuelle Öffnung und Lust sind kaum möglich Erholung Ich bin erschöpft, muss mich in meiner Es ist geschafft – sie zeigt aber keine Stiller Konflikt: Erholung und Selbstfin- neuen Realität orientieren (Kraft, Körper, Hinwendung in meine Richtung – ich dung ð gemeinsamer, lustvoller Neustart Abstand vom Spital, Wichtigkeiten, Beziehungen) werde ungeduldig, will aber keinen Verbindung bleibt erhalten Druck machen Onkologische Rehabilitation Rückkehr in die „Welt der Gesunden“ Arbeitsalltag tritt in den Vordergrund – Was ist los – jetzt ist doch alles wieder Offener Konflikt ð Handlungsbedarf Druck: Ich soll wieder funktionieren, normal! Ich war doch so geduldig – wo Regelmäßige ambulante Kontrollen kann aber noch nicht, und wer weiß, ist meine Belohnung (Sexualität)? will ich überhaupt? Unsicherheit bleibt Angst bleibt das zentrale Thema der Nachsorge 8 Übersicht: Häufige Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität im Verlauf einer Brustkrebserkrankung 9
Krankheits-/Behandlungsverlauf Patient*innen-Sichtweise Partner*innen-Sichtweise Paardynamik In der neuen Normalität 1 Ich spüre meinen Körper anders als vor Es ist nicht automatisch wieder „alles Chance auf gemeinsamen Suchprozess, Krebs; ich habe möglicherweise durch gut“; damit Sex für uns beide gut wird, Phase der Neufindung, parallele Regelmäßige Kontrollen in abnehmender antihormonelle Therapien/Wechsel weni- ist es notwendig, Veränderungen zu Bemühungen Frequenz ger Lust auf Sex; damit ich Sex leben und akzeptieren und nach neuen, passen- genießen kann, ist es notwendig, Einstel- den Möglichkeiten für uns als Paar zu lungen zu und Verhalten in der Sexualität suchen zu ändern In der neuen Normalität 2 Ich spüre meinen Körper fast nur noch Meine Partnerin hat mir deutlich ge- Konflikt – wie gehen wir mit unserer Part- egativ – ich habe Angst, ich bin lustlos, n zeigt, dass sie kein Interesse mehr an nerschaft um, wenn Sex als wesentliches ich habe Schmerzen – ich möchte mich Sex mit mir hat. Ich muss mir überlegen, Element wegfällt? nicht mehr auf Sex einlassen und die wie ich damit umgehen will Sexualität beenden Auftreten von Metastasen Werde ich sterben? Wie viel Zeit habe ich Muss sie sterben? Wie lange haben wir Paralleler Prozess – Schock, Angst, Ver- noch? Angst vor Schmerzen, Krankheits- noch Zeit als Paar? Angst vor der Zu- zweiflung, Krise, Zukunftsangst; parallele verlauf, Hilflosigkeit, neuer Behandlung kunft. Konzentration auf Krisenbewältigung und Verlust der mühsam neu gewonne- Sex wird unwichtiger, Zärtlichkeit und nen Normalität. Jahrelange Behandlung Nähe werden wichtiger mit langsamem Verlust von Lebensquali- tät. Sexualität tritt in den Hintergrund Schwere Krankheit und Ich weiß, dass ich sterben werde; Müh- Verzweiflung, Resignation, Angst vor Miteinander gut reden können, Halten bevorstehender Tod sal der schweren Krankheit und Angst der Zukunft alleine. Sich verabschieden, und Gehaltenwerden stehen im Vorder- vor möglicher Hilflosigkeit stehen im aber gleichzeitig Halten und Begleiten. grund. Angst, Trauer und Abschied als Vordergrund. Angst und Hoffnung, aber Sex ist als Spüren inniger Nähe oft eine zentrale Themen für beide auch Abschließen und Trauern. Wunsch Überforderung nach Nähe und Zärtlichkeit, aber immer wieder auch nach Sexualität, um innige Nähe noch spüren zu können 10 Übersicht: Häufige Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität im Verlauf einer Brustkrebserkrankung 11
1. „Normale“ Veränderungen in der Sexualität im Lauf des Lebens Wenn Sie zurückschauen, so werden Sie Erinnern Sie sich: feststellen, dass Sie schon eine Reihe von Wie haben Sie die damaligen Veränderungen Ihrer weiblichen Körper- Situationen bewältigt? lichkeit durchlaufen haben, die mit Sexuali- tät in engem Zusammenhang gestanden • H aben Sie sich eine Auszeit sind (z. B. erste Regel, erste sexuelle Begeg- gegönnt, nung, Partner*innenwechsel, Infektionen im Geschlechtsbereich, unangenehme • Informationen eingeholt, Sexualerlebnisse, Kinder gebären, stillen, • m it Freund*innen oder Fachleuten Schwangerschaftsabbruch, Fehlgeburt, geredet, hormonelle Veränderungen, beruflicher • m it dem Partner*der Partnerin Stress, Belastungsspitzen, Hinwendung zu Lösungen gesucht, anderen Lebensschwerpunkten, zeitlich be- schränkte sexuelle Abstinenz, Wechsel …). • etwas beendet oder neu begonnen? Was hat funktioniert und geholfen? Sie haben jede Menge Erfahrungen, auf die Sie jetzt zurückgreifen können. 12 1. „Normale“ Veränderungen in der Sexualität im Lauf des Lebens
2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs Warum ich? Warum Brustkrebs? Aber eines steht fest: Brustkrebs ist kein Wer ist „schuld“? schuldhaftes Geschehen, sondern eine Krankheit, ein Schicksalsschlag, mit dem Diese Frage würde sich nicht stellen, wäre sich Menschen konfrontiert sehen. Sexualität nicht mit den unterschiedlichs- ten Werten verbunden: Tatsache in unse- rer Gesellschaft ist, dass Sexualität als gut oder böse, falsch oder richtig, erlaubt oder verboten bewertet wird. Viele Frauen und ihre Partner*innen stellen sich daher die Frage, ob in ihrer sexuellen Geschichte Bö- ses, Falsches oder Verbotenes vorgekom- men ist, für das sie jetzt mit der Krankheit Brustkrebs bestraft werden könnten. Falls Sie geneigt sein sollten, diese Frage positiv zu beantworten, müssen wir Ihnen massiv widersprechen: Niemand ist also schuld – weder Keinesfalls sind Ereignisse wie vor- und Sie selbst noch Ihr Partner*Ihre außereheliche Sexualität, Fehlgeburt, Partnerin noch sonst irgend- Schwangerschaftsabbruch, sexueller jemand. Missbrauch, Vergewaltigung, psychische oder physische Gewalt Ursachen von Brustkrebs. Bei 5 bis 10 % aller Frauen ist Brustkrebs genetisch bedingt, bei allen anderen Frau- en ist die Ursache ein noch weitgehend unerforschtes, komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren. 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 13
Jetzt an Sex denken? wichtig erscheint, weil meist auch mit anderen Brustkrebspatient*innen das The- Erleben viele Frauen ihre Brüste im Alltag ma Sexualität ausgespart bleibt. Deshalb als Teil ihrer Weiblichkeit, als wichtigen haben viele Frauen das Gefühl, sie wä- Ort der Sexualität, ändert sich die Wahr- ren die Einzigen, die von Veränderungen nehmung, wenn eine Frau an Brustkrebs in der Sexualität betroffen wären, und erkrankt. Plötzlich ist die Brust nur noch schweigen, weil sie sich dafür schämen. Ort der Krankheit, ihre sexuelle Bedeutung wird zurückgenommen, Behandlung und Heilung stehen im Vordergrund. Dennoch Sexualität ist eine treibende Kraft bleibt Sexualität im Hintergrund stets des Lebens und leistet einen posi- wichtig – sei es, dass der Wunsch nach ge- tiven Beitrag zum Gesundungs- lebter Sexualität wieder auftritt, der mög- prozess – Tempo, Inhalt und liche Verlust bewusst wird oder der Druck Stimmigkeit sind jedoch ganz erlebt wird, wieder sexuell ansprechbar Ihren Bedürfnissen und Ihrem zu werden. Gestaltungswillen überlassen. Was sind mögliche unerwünschte Folgen, Veränderungen und Arzneimittelwirkungen der onko- logischen Behandlung für die Sexualität? Es ist normal, dass als Folge der Diagnose Brustkrebs Sexualität meist für längere Zeit eingestellt wird – die Bewältigung der Krise, die Durchführung einer Krebs- behandlung, das Wiedererlangen des Selten findet sich im Behandlungsteam seelischen Gleichgewichtes sind wichti- des Spitals und im sozialen Umfeld je- ger. Dass Sexualität während oder nach mand, der Sie ermuntert, die Sexualität Ende der Behandlung nicht automatisch wieder aus dem Hintergrund hervorzuho- wieder zurückkehrt, ist oft eine direkte len. Ganz im Gegenteil haben Sie vielleicht Folge der (operativen oder strahlenthe- das Gefühl, unangemessene Gedanken rapeutischen) Krebsbehandlung und mög- zu hegen, wenn Ihnen Sexualität ange- licher belastender Arzneimittelwirkungen sichts der Bedrohung durch Brustkrebs (bei Chemotherapie und vor allem bei 14 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
ntihormoneller Therapie). Nebenwir- a Nach der Operation: kungen der Behandlung verändern die Schmerzen im Brustbereich, Hautsensi- körperliche Selbstwahrnehmung und bilitätsstörungen am Oberarm, im Brust- können daher das sexuelle Wohlbefinden bereich, in der operierten Achselhöhle, erschweren. Patient*innen empfinden Be- Bewegungseinschränkungen, Narben- handlungsfolgen und Nebenwirkungen schmerzen, Spannungsgefühle, nach einer unterschiedlich stark, einige als massiv be- Entfernung von Lymphknoten aus der Ach- einträchtigend, viele erleben sie aber als selhöhle Schwellung des betroffenen Ar- moderat, milde oder auch wenig spürbar. mes, die besonders nach Anstrengungen auftreten kann. Sie sollten wissen, dass Krebs nicht ansteckend ist. Krebszellen können nicht durch Körperkon- takte übertragen werden, weder durch Küs- sen noch durch Genital-, Oral- oder Analsex. Tritt Brustkrebs während der Schwanger- schaft auf, überträgt er sich auch nicht auf das Baby. Sex während einer Chemo- therapie schadet dem Partner*der Part- nerin nicht: Die Substanzen, die während der Chemotherapie verabreicht werden, werden nach einiger Zeit mit den Kör- perflüssigkeiten wieder ausgeschieden. Im Scheidensekret sind nur verschwin- Nach einem Brustaufbau mit Eigen- dend geringe Mengen dieser Substanzen gewebe (z. B. aus Bauch-, Rücken- oder enthalten. Oberschenkelmuskulatur) können auch an diesen Körperstellen für einige Zeit Je nach Behandlungsform berichten Pa- Schmerzen und Einschränkungen bestehen. tient*innen über die folgenden mehr oder weniger stark ausgeprägten unangeneh- men Wahrnehmungen: 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 15
Während der Chemotherapie: derungen der Haut, eine Schwellung der Müdigkeit und allgemeine Schwäche, bestrahlten Brust, die sich in den nach- Unwohlsein und Übelkeit/manchmal folgenden Monaten in eine Verdickung Erbrechen (besonders in den ersten Ta- der Haut umwandeln kann. gen nach der Chemotherapie), Haaraus- An der Brust bestrahlte Patient*innen fall (Kopfhaare, aber auch alle anderen „strahlen“ selber nicht, es ist enger, direk- Körperhaare können je nach der Art der ter Hautkontakt ohne Gefahr für andere verabreichten Chemotherapie mehr oder möglich. Bei der Bestrahlung der Brust von weniger stark ausfallen, im Extremfall innen (Brachytherapie) besteht nach der kann es zu einem vorübergehenden völ- Entfernung der Strahlenquelle für die Um- ligen Verlust der Kopfhaare kommen), gebung keine Strahlenbelastung mehr, Verstopfung, Durchfall, Geschmacksverän- auch nicht bei sexuellen Kontakten. derungen, Überempfindlichkeit im Mund- raum, Empfindlichkeitsstörungen an den Während der antihormonellen Händen und Füßen, Knochenschmerzen Therapie: nach Spritzen gegen Absinken der weißen Blutkörperchen, Veränderungen an oder Ablösen der Finger- und Fußnägel. Durch den Entzug der Hormone Östrogen und Gestagen kommt es zum (verfrühten) Eintritt des Wechsels und damit zum Auftre- ten von Wechselbeschwerden; die Intensität der Wechselbeschwer- den ist nicht bei allen Frauen gleich. Insbesondere Abnahme des sexuellen In- teresses, erschwerte sexuelle Erregbarkeit, Stimmungsabfall, trockene Haut und tro- ckene Schleimhäute (insbesondere auch der Scheide), dadurch Schmerzen beim Während der Strahlentherapie: Sex, Hitzewallungen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Hautrötungen im bestrahlten vorübergehendes Aussetzen, aber oft Bereich, erhöhte Empfindlichkeit der be- auch vorzeitiges Ende der Regelblutung strahlten Stelle, bräunliche Farbverän- und der Fruchtbarkeit, dünnere Haare, diffuser, für Nichtbetroffene meist kaum 16 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
merklicher Haarausfall, Gelenkschmerzen, Bei Frauen im metastasierten Erkran- Muskelschmerzen, Herzklopfen/Herzrasen, kungsstadium können neue zielgerichtete Gewichtszunahme können auftreten. Therapien gemeinsam mit antihormonel- ler Therapie verschrieben werden, dabei All diese Beschwerden beschreiben auch stehen in der Folge häufig die oben er- Frauen, die auf natürlichem Weg in den wähnten Nebenwirkungen der antihor- Wechsel gelangen; allerdings tritt der na- monellen Therapie im Vordergrund. Bitte türliche Wechsel langsam ein, da Östrogen fragen Sie Ihren behandelnden Arzt*Ihre und Gestagen über Jahre weniger werden. behandelnde Ärztin, wenn Sie Beschwer- Besonders junge Brustkrebspatientinnen, den haben, die Sie irritieren. die Jahre vor der Zeit unerwartet und un- gewollt, dafür aber plötzlich in den Wech- Während zielgerichteter biologi- sel kommen, empfinden den Verlust der scher Therapien: jugendlichen Vitalität und Fruchtbarkeit Da diese Substanzen unterschiedliche als belastend und hadern oft damit, von Wirkmechanismen aufweisen, sind auch den vielen möglichen Wechselbeschwer- die Profile der Nebenwirkungen sehr un- den viel früher betroffen zu sein als ihre terschiedlich. Meist stehen jedoch Neben- Alterskolleginnen. wirkungen der gleichzeitig verabreichten antihormonellen Therapie im Vorder- grund. Wenden Sie sich in jedem Fall an Für die langfristige, derzeit oft- Ihren behandelnden Arzt*Ihre behandeln- mals mehrjährige Einnahmedauer de Ärztin und fragen Sie um Rat. ist es deshalb wichtig, mit be- treuenden Ärzt*innen auch über Probleme durch Nebenwirkun- gen reden zu können und dabei ernst genommen zu werden. Passiert dies nicht, ist das Risiko eines vorzeitigen Therapieabbruchs deutlich höher und der gesundheitliche Nutzen der antihormonellen Therapie für Brustkrebs patientinnen geringer. 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 17
Worauf muss ich mich einstellen, Brustkrebs wie ein Feind ‚gegen mich‘ pro- wie lange wird es dauern, was duziert hat, wieder trauen, kann ich mit kann ich erwarten? diesem ‚verletzten‘ Körper wieder Lust und Nähe erleben?“ ist vielen F rauen vertraut. Sie können damit rechnen, dass die beschriebenen Beeinträchtigungen in der Sexualität bei den meisten Frauen zumindest vorübergehend eintreten. Die Gute Sexualität hat immer etwas onkologische Behandlung kann unange- mit Schenken zu tun – und ver- nehm sein. Sie dient jedoch der Heilung schenken können Sie nur etwas, bzw. Verlangsamung des Krankheitsfort- das Sie haben und hergeben schritts. Sie hinterlässt Spuren, prägt part- können, ohne sich selbst zu schä- nerschaftliche Sexualität über längere digen. Also ist zunächst alles, Phasen, stellt Belastungen dar, die erst was Sie stärkt, nährt und wieder bewältigt und integriert werden müssen. ins Gleichgewicht bringt, die Viele Frauen brauchen eine längere Zeit Voraussetzung für die eigene und die neue gemeinsame Sexualität. Einen Feind bekämpft man, aber einen Verletzten pflegt man – Es braucht eine Phase der Selbstfindung, und Ihre Brust, Ihr ganzer Körper des Sich-neu-Spürens und Sich-positiv-Er- braucht während einer Krebsthe- lebens, um Erotik und Lust wieder möglich rapie ganz besonders Ihre liebe- zu machen. Egal, ob man in einer Partner- volle Zuwendung und Pflege! schaft lebt oder nicht, die ersten Schritte sollte man dabei alleine machen. Sich selbst liebevoll berühren, lustvolle Gefühle der Abstinenz, ehe sie sich wieder den wieder versuchen zuzulassen, Selbstbefrie- eigenen sexuellen Bedürfnissen und digung mit oder ohne Sexspielzeug ge- denen des Partners*der Partnerin stellen ben Sicherheit für die weiteren sexuellen können. Sie haben gerade erst das Ge- Schritte. Wie lange diese Phase dauert, fühl überstanden, sich der medizinischen hängt völlig von Ihnen, Ihren Befindlich- Behandlung ausliefern zu müssen. keiten und Bedürfnissen ab. Ziel könnte sein, die Phase des Überwäl- Eben noch war die körperliche Wahrneh- tigtwerdens durch die onkologischen mung auf das Aufspüren von Schlechtem, Behandlungen hinter sich zu lassen, um Krankmachendem gerichtet. Die Frage wieder in die Phase der Zuwendung zu „Darf ich dem Körper, der diese Krankheit sich selbst und zum Partner*zur Partne- 18 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
rin eintreten zu können. Das heißt, es ihre erkrankten Partner*innen mit ihren braucht Zeit, Abstand sowie bewusste sexuellen Wünschen zu behelligen. Es ist Auseinandersetzung, um mit demselben aber völlig in Ordnung, diese Spannungs- Körper wieder Öffnung, Nähe, Intimität situation durch Ansprechen zu entlasten, zulassen zu können. wenn damit nicht gleichzeitig die Erwar- tung einhergeht, dass Wünsche umge- hend befriedigt werden müssen. Männer und Frauen – Auf diesen Wunsch, gehört und wahrge- wer darf wann was wollen? nommen zu werden, sollten Sie sich einlas- sen. Wenn daraus Druck entsteht, sollten Viele Partner*innen von Brustkrebspatien- Sie sich abgrenzen und sich Zeit nehmen, t*innen leiden mit der Dauer der Behand- bis es für Sie passt. lung zunehmend unter dem Gefühl, ihre sexuellen Bedürfnisse (noch) nicht äu- ßern zu dürfen. Sie scheuen sich daher, Dieser Wunsch nach Sex ist einerseits eine Information über die Befindlichkeit Ihres Part- ners*Ihrer Partnerin und ander- seits der Ausdruck seines*ihres Interesses an Sexualität mit und Nähe zu Ihnen als Frau, auch wenn Sie sich Ihrer Attraktivität als Frau unter diesen erschwe- renden Bedingungen möglicher- weise gar nicht bewusst sind. (Ihr Partner*Ihre Partnerin hat ein „in- neres Bild“ von Ihnen – mit allem, was Sie ausmacht, was er*sie an Ihnen liebt, was Sie seit Jahren Für viele Frauen führt der Weg zur Sexuali- sind. Narben oder Einschränkun- tät über Nähe, Zärtlichkeit und Geborgen- gen haben für dieses innere Bild heit – Männer hingegen beginnen ihren oft keine große Bedeutung und Weg zu Nähe und Geborgenheit oft über werden meist überschätzt.) Sexualität. Daraus ergeben sich meist Probleme: Frauen mit Brustkrebs vermei- den Situationen, die zu Sexualität führen 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 19
könnten, um sich nicht zu überfordern, Das Angebot der Männer zur gemeinsa- Männer wissen häufig nicht, wie Nähe men Sexualität wird von Frauen in dieser und Zärtlichkeit ohne Sexualität herstell- Situation oft grundsätzlich negativ als bar sind. Die Folge sind oft Traurigkeit und Forderung und zu erfüllende Erwartungs- Einsamkeit – beide fühlen sich unverstan- haltung erfahren. den und ziehen sich im Extremfall zurück. Die mitgelieferten positiven Aspekte der Es kommt immer wieder vor, dass Paare Hinwendung und des Interesses können nach einer Brustkrebserkrankung längere daher gar nicht wahrgenommen werden. Zeit keinen Sex haben und abstinent leben. Grund ist, dass viele Frauen vom Trauma Ein Beispiel Brustkrebs und der darauffolgenden Be- handlung so überwältigt worden sind, dass Bei Frau X wurde die Brust entfernt; es sie alle ihre psychischen Ressourcen für war für sie sehr schwierig, ihrem Mann sich benötigen und nichts zu verschenken den veränderten Körper zu zeigen. Der haben. Mann legte seine Hand vorsichtig auf die amputierte Stelle – und Frau X schreckte empört zurück. Im Gespräch war sie zornig auf ihren Mann, dass „er in so einem Mo- Öffnen Sie sich der legitimen ment an Sex denken kann“. Im weiteren Botschaft „Ich bin und bleibe an Gesprächsverlauf konnte geklärt werden, dir interessiert“ und weisen Sie dass der Mann keineswegs unmittelbar die illegitime Forderung „Stehe Sex wollte, sondern mit dieser Geste de- zu meiner Befriedigung zur monstrieren wollte: „Ich akzeptiere dich Verfügung“ zurück! so, wie du bist, ich schrecke nicht davor zurück, dich zu berühren.“ Da die Geste aber vor der Operation als sexuelle Hand- lung existierte, hat Frau X sie im neuen Kontext ebenfalls sexuell interpretiert und sich falsch verstanden gefühlt. In Ihrer Geschichte als Paar haben Sie Ihre ganz individuellen Lösungsansätze entwi- ckelt, die lange funktioniert haben. Nun ist durch die Krankheit Brustkrebs und ihre Folgen eine Unterbrechung des Gewohn- ten, Vertrauten eingetreten, das nicht an 20 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
derselben Stelle wieder aufnehmbar ist. meine verheilende Wunde. Sieh das als Es ist notwendig und auch möglich, neue großen Vertrauensbeweis, ich fühle mich Lösungsansätze zu entwickeln, die die total verunsichert und habe Angst vor erlebten Veränderungen berücksichtigen. deiner Reaktion in zweierlei Hinsicht: Du könntest dich entweder geschockt ab- Anhand unseres Beispieles könnte Frau X wenden oder mir zu nahe kommen. Bitte z. B. sinngemäß sagen: „Ich zeige dir jetzt geh auf mich zu, aber geh in der Situation sofort einen halben Schritt zurück, wenn ich dir signalisiere, dass es mir zu viel ist.“ Nur für Männer Erfolgreiche Eroberungsstrategien Nur für Frauen setzen die Fähigkeit voraus, Ableh- nung nicht als Zurückweisung meiner Ich brauche als Frau die Sicherheit, Person zu interpretieren, sondern als das Angebot auch ablehnen zu Ablehnung meines Angebotes. Es ist dürfen, ohne meinen Partner zu be- nicht der richtige Ort, die richtige Zeit, leidigen und zu verletzen, sonst ist zu spät oder zu früh – aber ich bin der Rückzug die sicherere Lösung. richtige Mann. Früher nannte man das „einen Korb erhalten und den Wenn ich ein Angebot nicht ablehnen Korb gut wegstecken können“. Frauen kann, wird daraus sofort eine (Über-) haben oft ganz andere Vorstellungen Forderung. davon, wie für sie Sex in einer neuen, herausfordernden Lebenssituation Wenn ich ein Angebot ablehnen darf, aussehen könnte; häufig können wir bleibt es eine in die Zukunft fortwir- Männer die Randbedingungen, die kende, liebevolle Geste der Zuwen- für Frauen wichtig sind, zunächst gar dung und des Interesses an mir. nicht erfassen. Daher sind wir darauf angewiesen, den Frauen Angebote Bekomme ich Angebote statt Forde- zu machen und ihnen die Wahl zu rungen, kann ich zu dem Zeitpunkt überlassen, ob und wann sie unser darauf reagieren, zu dem ich wieder Angebot annehmen können (weil in der Lage bin, mich dem anderen die Randbedingungen JETZT passen). liebevoll und erotisch zuzuwenden. Oder, nochmals altmodisch: Es geht um Werbung, nicht um Forderung. 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 21
Wieder zur Sexualität ner*die Partnerin, dabei ein Stück mitzu- zurückfinden gehen, aber auch einen Teil nur ganz für sich zu behalten. Viele Brustkrebspatient*innen und ihre Das kann für den Anfang heißen: eroge- Partner*innen wünschen sich, so schnell ne Zonen wiederzufinden und eventuell wie möglich wieder in der Sexualität (und neu zu entdecken, wieder zu lernen, die auch in ihrem übrigen Leben) zu dem verletzten und nicht verletzten Körperstel- Punkt zurückzukehren, bevor Brustkrebs len liebevoll zu berühren und sich ihnen über sie hereingebrochen ist. Das ist sehr bewusst zuzuwenden, sie im Alltag nicht verständlich, aber so nicht verwirklichbar. rüde auszublenden, sondern sie besonders Denn Erfahrungen, besonders so heftige, behutsam anzusehen, zu berühren und intensive und mitunter traumatische, zu pflegen. wie Sie sie im Zusammenhang mit Ihrer Brustkrebserkrankung und -behandlung gemacht haben, lassen sich nicht einfach ungeschehen machen. Genauso wie eine Geburt, eine Trennung von einem Partner* einer Partnerin, ein Schwanger- schaftsabbruch oder ein beson- ders intensives sexuelles Erlebnis Spuren in Ihrem Leben hinter- Ich für mich lassen und Sexualität dadurch in einem anderen Licht erscheint, Oft macht es Sinn, den weiteren Schritt in wird auch Brustkrebs zu Verän- die Erotik zunächst alleine zu gehen, Lust derungen führen. und Erotik an Ihnen und für Sie selbst neu zu entdecken und wieder „in Betrieb zu nehmen“. Folgende Themen spielen häu- Erweiterungen, Beschränkungen, verän- fig zusammen und sind für die Wiederauf- derte Sensitivitäten, andere Erwartungs- nahme der Sexualität wichtig: haltungen, aber auch der Ausbruch aus eingefahrenen Verhaltensweisen werden Der liebevolle Blick auf mich selbst möglich: die Erlaubnis, die man sich selbst Wie selbstverständlich das klingt und wie geben kann, in neue erotische Fantasien schwer das vielen Frauen nach einer Brust- einzusteigen, die Einladung an den Part- krebsoperation fällt! Vielleicht haben Sie 22 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
große Angst davor, sich nach einer Brust- dass Lustgefühle nicht mehr möglich operation das erste Mal anzuschauen oder sind. Erregung zu erreichen ist schwerer, im Spiegel zu sehen. Denn viele Frauen es braucht eine längere Zeit, bewusste sehen auf den ersten Blick nur die Defizi- Reize und stärkere Stimulation als früher. te, die Narben, die Erschöpfung, die un- Beckenbodentraining hilft, zu erfahren, freiwillig veränderte Form der Brust oder dass Anregung und Wahrnehmung sexu der Brüste, nicht aber den Mut, den es eller Gefühle wieder möglich werden. Be- gebraucht hat, schwere Entscheidungen ckenbodentraining kann man sich von der zu treffen, Behandlungen durchzustehen, Krankenkasse verordnen lassen. und die Entschlossenheit, „ich“ zu bleiben und mir nichts vom Brustkrebs wegneh- Chronische Müdigkeit (Fatigue) tritt nach anstrengenden Krebsbehand- lungen häufig eine Zeit lang auf, wird Schauen Sie genau hin – es gibt vielleicht auch von Ihnen als äußerst ein- sehr gute Gründe, stolz auf sich schränkend und fast unüberwindbar er- zu sein! lebt und verschwindet auch nicht nach ausreichend Schlaf. Das sexuelle Verlan- gen wird dadurch deutlich herabgesetzt. men zu lassen. Bitte sprechen Sie mit Ihren behandeln- Sie haben Anstrengendes hinter sich, den Ä rzt*innen darüber – oft kann eine auch noch Schwieriges vor sich, aber es Ursache dafür gefunden und die Müdig- ist möglich, sich zu akzeptieren, zu mögen keit verbessert werden. Lassen Sie sich von und liebevoll zu behandeln. Sie sind wahr- scheinlich am Schwierigen gewachsen. Und für Ihre Lieben bleiben Sie die, die Sie immer schon waren, unabhängig von So undenkbar es vielleicht schei- Narben, Asymmetrien und Belastungen. nen mag: Bewegung in der Na- tur verbessert die Müdigkeit und Beckenbodentraining hebt die Stimmung, obwohl die anfängliche Überwindung groß ist nach einer Chemotherapie und vor al- sein kann. lem während einer antihormonellen The- rapie sehr sinnvoll; das bewusste Anspan- nen und Entspannen kann Ihnen helfen, den Scheidenbereich und vor allem die Menschen begleiten, die Ihnen Unterstüt- Klitoris (den Kitzler) wieder lustvoller wahr- zung angeboten haben – und machen Sie zunehmen. Wenn „Lust aus dem Stand sich Termine für Spaziergänge aus, auch zu jeder Zeit“ wegfällt, heißt das nicht, wenn es nicht immer leicht ist. 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 23
Bewegung und Sport Stöbern Sie im Angebot, holen Sie sich sind sowohl auf der körperlichen als auch Anregungen und informieren Sie sich, was auf der psychischen Ebene wichtig: Licht es alles gibt, das Ihnen gefallen könnte. ist ein natürliches Antidepressivum, regel- Ein angenehmes Gleitgel und ein guter mäßige, mehrmals wöchentliche mittel Vibrator, der einerseits in der Scheide anstrengende Bewegung (Sie sollen sich vibriert und anderseits gleichzeitig die mit einer zweiten Person während der Be- Klitoris (den Kitzler) stimuliert, kann Ih- wegung noch unterhalten können) wirkt nen sehr helfen, Ihre Sexualität wieder sich nicht nur günstig auf den Verlauf e iner lustvoll zu entdecken. Auflegevibratoren, Krebserkrankung aus, sondern verbessert die nur im äußeren Scheidenbereich auf- auch die Durchblutung im gesamten gelegt werden und dort durch Vibration Körper, stärkt die Blutgefäße im Becken Lust machen können, sind oft ein guter und in den Schwellkörpern des weibli- erster Schritt, wenn das Eindringen in chen Genitalbereichs. Onkologische Re- die Scheide noch Probleme macht. Auch habilitation ermöglicht es vielleicht auch Hilfsmittel, die am Kitzler (der Klitoris) Ihnen, in ein Leben mit mehr Bewegung einen leichten Unterdruck erzeugen, einzusteigen. unterstützen Sie dabei, wieder lustvolle Gefühle zu spüren und zum Orgasmus zu Selbstbefriedigung ist gut und kommen. Probieren Sie sie zuerst alleine wichtig aus und nehmen Sie sie gegebenenfalls auch in die sexuellen Begegnungen mit Ihrem Partner*Ihrer Partnerin mit. Gerade nach einer Brustkrebser- krankung, wenn möglicherweise Apotheken bieten Gleitgele an, die noch große Scheu besteht, Sexu- gleichzeitig lindernde und pflegende alität mit einer anderen Person zu Wirkungen in der Vagina (Scheide) ent- erleben, kann es sehr ermutigend falten können; erkundigen Sie sich tele- sein, die eigene Lust mit einem fonisch, wenn Sie kein Beratungsgespräch Orgasmus zu erleben, den man vor anderen Menschen führen wollen, sich selbst organisiert hat. oder ersuchen Sie um Beratung abseits SEIEN SIE MUTIG! des Verkaufsraumes. Suchen Sie im Internet nach Sexshops für Frauen, die auf weibliche sexuelle Be- dürfnisse und Ästhetik ausgerichtet sind. 24 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
Wieder Sex zu zweit men.“ Fallen Zärtlichkeiten und Sex weg, fehlt vielen Menschen diese Bestätigung. Wenn Sie bereit sind, sich wieder auf Se- Unsicherheit, Angst, Sprachlosigkeit und xualität mit Ihrem Partner*Ihrer Partnerin Einsamkeit können dadurch aufkommen. einzulassen, macht es Sinn, ihn*sie sanft, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass Wie fühlen Sie sich am wohlsten? für Sie möglicherweise andere Vorgangs- weisen, andere Körperregionen oder ande- Für viele Menschen ist das Reden über Sex re Zeitabläufe angenehmer wären. nicht einfach. Wenn es Ihnen ein Anlie- gen ist, das Thema anzusprechen, dann schaffen Sie sich Bedingungen, in denen Kurzum: Es geht um das Einlas- es für Sie und Ihren Partner*Ihre Partnerin sen auf den Prozess, Sexualität leichter möglich ist – hier ein paar Ideen: miteinander neu zu entwickeln, den Sie schon mehrfach ge- meinsam gemeistert haben – Sie können auf Ihre Erfahrungen zurückgreifen. Sexualität wieder gut zu leben bedeutet in Partnerschaften nicht nur, Lust und Zärtlichkeit zu teilen, sondern sich immer wieder ohne Worte zu bestätigen: „Du bist die*der eine für mich, wir gehören zusam- • O rganisieren Sie sich eine geschütz- te Atmosphäre, eine Umgebung, in der andere Menschen nicht mithören können, in der auch Gefühle gezeigt werden können und Tränen nicht verborgen werden müssen. • R eden Sie in Bewegung: Nebenein- anderher gehen, gemeinsam im Auto fahren kann helfen, freier und leichter miteinander zu sprechen. 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 25
• N ehmen Sie sich genügend Zeit und man aneinander den Anspruch stellt, dass genügend Aufmerksamkeit: Schnei- der*die andere erahnen, erfühlen oder ein- den Sie wichtige Themen nicht „zwi- fach wissen muss, was man selbst braucht. schen Tür und Angel“ an und schalten In seltenen, ganz besonderen Situationen Sie Fernseher, Computer, Tablet und kann das auch gelingen. Im Alltag über Handys aus. Jahre ist dies jedoch nicht möglich. Schon gar nicht, wenn Ihnen eine Krise wie eine Krebserkrankung widerfahren ist, nach der Wünschen statt beschuldigen, Ihre Bedürfnisse, Erwartungen, Möglich- zuhören statt niederreden keiten und Gefühle verändert sind und neu geordnet werden müssen. Sprechen Sie von sich und Ihren Gefühlen Möglicherweise geht es auch Ihrem Part- und Wünschen und hören Sie Ihrem Part- ner*Ihrer Partnerin so: Die Position des*der ner*Ihrer Partnerin zu, statt vorher schon Begleitenden, Mitbetroffenen, Unter- besser zu wissen, was der*die andere tun stützenden und Mitfühlenden hinterlässt sollte. ebenfalls das Bedürfnis nach Veränderung oder Neuorientierung. Sie fühlen vielleicht • „ Ich wünsche mir …“ statt „Du hast Neues, Erschreckendes, Beängstigendes, schon wieder nicht …“ Hoffnungsvolles, Belastendes, Aufbauen- • „ Ich erzähle dir, wie es für mich ist“ des – aber nicht immer zur selben Zeit und statt „Du musst wissen, wie es für in derselben Situation. mich gut wäre“ • „ Ich habe die Verantwortung für mich und mein Handeln“ statt „Du musst mich glücklich machen“ • „ Ich erzähle dir, was ich von dir erwar- te“ statt „Lies mir meine Bedürfnisse von der Stirn ab“ Viele Menschen, die in Beziehungen leben, haben die Idee, dass es ihre Aufgabe wäre, den anderen*die andere glücklich zu ma- chen – oder umgekehrt die Erwartung, von der anderen Person glücklich gemacht zu werden. Besonders schwierig ist das, wenn 26 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
Darum raten wir Ihnen sowohl als Pati- ent*in als auch als Angehörigem*Ange- Versuchen Sie zu spüren, was Sie höriger, Ihre Aufmerksamkeit nicht in das selbst glücklich machen würde – Erahnen der Wünsche des Partners*der hier und jetzt, auch unter er- Partnerin zu stecken, sondern alle Ihre schwerten Bedingungen. Und Anliegen, Sehnsüchte, Bedürfnisse, Ab- erzählen Sie Ihrem Partner oder neigungen, Vorlieben und Erwartungen Ihrer Partnerin davon. Versu- jeweils „auf den Tisch“ zu legen, sie ge- chen Sie nicht, zu erraten, was meinsam anzuschauen, dem*der jeweils die andere Person glücklich ma- anderen zu erklären und miteinander in chen könnte – laden Sie lieber einen Verhandlungsprozess einzutreten. den oder die andere ein, Ihnen Wie könnte das ausschauen? von seinen*ihren Wünschen zu • „ Ich wünsche mir so sehr Zärtlichkeit erzählen. Seien Sie mutig und und dass du mich ganz fest hältst. Für signalisieren Sie gleichzeitig Sex bin ich aber noch nicht bereit. Ihrem Partner*Ihrer Partnerin, Wäre das trotzdem für dich okay?“ dass Sie achtsam und respekt- voll mit Sorgen, Ängsten und • „Seit meine Brust entfernt wurde, Wünschen umgehen werden. geniere ich mich so vor dir. Ich habe Wir möchten Sie gerne dazu Angst, dass du den Anblick nicht er- ermutigen! trägst, mich nicht mehr begehrst. An- derseits wäre ich dir so gerne nahe, bin aber total unsicher. Wie könnte das für dich gehen?“ • „ Für eindringenden Sex (Penis in der Scheide oder im After) ist es mir noch zu früh und zu bedrängend – aber ich mag es, wenn du mich mit der Hand/ dem Mund … befriedigst. Könntest du dir das vorstellen?“ • „ Ich kann mir noch nicht vorstellen, mit dir zu schlafen, ich bin noch nicht bereit – aber ich würde dir gerne mit der Hand/dem Mund … Lust bereiten. Wäre das für eine Zeit lang für dich eine gute Möglichkeit?“ 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 27
Kann und soll ich nach Brustkrebs pie ein Kind zu empfangen. Manche On- (wieder) schwanger werden? kolog*innen empfehlen zur Sicherheit die Entnahme von Eizellen aus dem Eierstock, um diese in flüssigem Stickstoff einzufrie- Brustkrebs kann in einem Alter auftreten, ren (Kryokonservierung, Lagerung maxi- in dem Ihr Kinderwunsch noch nicht um- mal zehn Jahre) und vor der Chemothe- gesetzt bzw. noch nicht abgeschlossen ist. rapie zu schützen; diese können zu einem Gerade in der Phase, in der Brustkrebs dia- späteren Zeitpunkt wieder in den Körper gnostiziert wird, kann Ihnen sehr schmerz- eingesetzt werden. Auch eine künstliche lich bewusst werden, dass da ein wichtiger Befruchtung wäre nach einer abgeschlos- zukünftiger Teil Ihres Lebens ist, der durch senen Chemotherapie möglich. die Erkrankung an Brustkrebs gefährdet erscheint. Schwangerschaft während einer Chemotherapie Während der Chemotherapie kann (muss aber nicht immer) die Regelblutung aus- bleiben, mit großer Wahrscheinlichkeit können Sie während einer Chemotherapie nicht schwanger werden. Da es aber ganz besonders wichtig ist, dass Sie während einer Chemotherapie auf gar keinen Fall schwanger werden, sollten Sie trotzdem verhüten. Gerade im ersten Drittel einer Schwangerschaft kann es unter dem Ein- fluss einer Chemotherapie zu Missbildun- Folgende Informationen können in die- gen und Fehlgeburten kommen, da sich sem Zusammenhang für Sie wichtig sein: bis zur 12. Woche die Organentwicklung vollzieht. Sie ersparen sich die zusätzliche Chemotherapie oder/und eine antihormo- Auseinandersetzung mit einem Schwan- nelle Therapie bedeuten nicht automa- gerschaftsabbruch durch die notwendige tisch das Ende Ihrer Fruchtbarkeit. Gerade Empfängnisverhütung während des ge- jüngere Frauen können durchaus danach samten Behandlungsprozesses (siehe ganz normal schwanger werden, auch Kapitel „Welche Arten von Empfäng- wenn es mit zunehmendem Alter schwie- nisverhütung sind möglich und sinn- riger wird, nach einer abgeschlossenen voll?“). Chemotherapie/antihormonellen Thera- 28 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
In späteren Stadien einer Schwanger- re Situation und Ihr Alter eingehen. Wich- schaft, wenn die Organbildung abgeschlos- tig ist auch, dass die Wahrscheinlichkeit sen ist, kann, wenn unbedingt notwendig, des Wiederauftretens in den ersten zwei eine Chemotherapie mit bestimmten Subs- bis drei Jahren nach der Behandlung am tanzen durchgeführt werden. In jedem höchsten ist. Fall wird Ihr betreuender Onkologe*Ihre betreuende Onkologin das Für und Wider einer solchen Behandlung und die Risiken für Sie und Ihr Kind genau mit Ihnen und gegebenenfalls mit Ihrem Partner*Ihrer Partnerin gemeinsam besprechen. Schwangerschaft nach Brustkrebs Das Risiko des Wiederauftretens von Brustkrebs hängt vor allem von den bio- logischen Eigenschaften des Tumors ab. Eine Schwangerschaft nach Brustkrebs erhöht dieses Risiko nicht. Besprechen Sie dies am besten mit einem erfahrenen (gynäkologischen) Onkolo- gen*einer erfahrenen (gynäkologischen) Es gibt auch keine generellen Empfeh- Onkologin und Ihrem Partner*Ihrer Part- lungen, wann eine Schwangerschaft an- nerin. gestrebt werden kann; viele Expert*innen halten es jedoch für sinnvoll, zumindest ein bis zwei Jahre nach Abschluss einer Es ist jedoch in diesem Zusammen- Chemotherapie abzuwarten, bevor eine hang wichtig für Sie, zu klären, Schwangerschaft geplant wird. Körper wie hoch Ihr persönliches Risiko und Psyche haben so die Möglichkeit, sich tatsächlich ist, dass Brustkrebs von den Folgen onkologischer Behandlun- bei Ihnen wieder auftreten könnte. gen ausreichend zu erholen, und sind bes- ser bereit für die Freuden, aber auch die Herausforderungen von Schwangerschaft Allgemeine Empfehlungen sind hier kaum und Elternschaft. möglich. Ein Beratungsgespräch muss auf die Eigenschaften des Tumors, die familiä- 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 29
Wenn eine Frau eine antihormonelle The- • W ie hoch ist mein Risiko, dass rapie (statt einer Chemotherapie oder an- Brustkrebs bei mir in Form von Meta schließend an eine solche) erhält, so ist stasen wieder auftritt (ausführliches es ebenfalls sinnvoll, die Umsetzung des Beratungsgespräch mit erfahrenem Kinderwunsches mit dem behandelnden [gynäkologischem] Onkologen*er- Onkologen*der behandelnden Onkologin fahrener [gynäkologischer] Onkologin zu besprechen; gynäkologische Onko empfohlen)? log*innen, die eine solche Schwanger- • W enn wir uns für ein Kind entschei- schaft in der Folge auch begleiten können, den und der Fall eintreten sollte, dass sind dabei besonders erfahren. meine Krankheit weitergeht und mir schlimmstenfalls der Tod bevorsteht, wer wäre dann für mein Kind ver- antwortlich? • H abe ich Menschen in meiner Familie und in meinem Freundeskreis, denen ich mein Kind im schlimmsten Fall nvertrauen könnte? a Das sind sehr schwierige, schmerzliche Fragen für Brustkrebspatientinnen und ihre Partner*innen; dennoch ist es ein Empfehlungen sind auch hier wieder nur Zeichen verantwortungsvoller Eltern- in Abwägung Ihres persönlichen Risikos, schaft, diese Themen nicht auszublen- abhängig von den biologischen Eigen- den, sondern bewusst darüber zu reden schaften Ihres Primärtumors, Ihres Alters und Lösungen anzudenken. Besonders und Ihrer Familiensituation möglich. die Einschätzung Ihres persönlichen Risi kos sollten Sie mit dem behandelnden Als Frau oder Paar ein Kind zu planen ist im- Onkologen*der behandelnden Onkologin mer eine zutiefst persönliche Entscheidung; diskutieren und unter Umständen einen niemand außer Ihnen und Ihrem*Ihrer erfahrenen Psycho onkologen*eine er- Partner*in ist berechtigt, diese Entschei- fahrene Psychoonkologin beiziehen; von dung zu treffen. Es macht aber Sinn, sich Informationen aus dem Internet als allei- nach einer Brustkrebserkrankung mit fol- niger Informationsquelle raten wir wegen genden Fragen auseinanderzusetzen und der Komplexität des Themas ab. sich aktiv kompetente medizinische und psychoonkologische Beratung zu holen: 30 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs
Welche Arten von Empfängnis- fallen leider beliebte Verhütungsmittel wie verhütung sind möglich und die Pille, Minipille, Dreimonatsspritze, Hor- sinnvoll? monpflaster und implantierbare Hormon- stäbchen gänzlich aus. Wie schon im vorherigen Kapitel erwähnt, ist Empfängnisverhütung während des ge- Die Ungefährlichkeit von hormonhaltigen, samten onkologischen Behandlungspro- aber nur lokal wirkenden Verhütungsmit- zesses empfehlenswert, um Ihnen zusätz- teln wie Spiralen mit Hormondepot und liche psychische Belastungen zu ersparen. Scheidenringen, die Hormon abgeben, wird von Onkolog*innen immer wieder Grundsätzlich dürfen Sie nicht diskutiert. Manche halten sie für vertret- mehr mit empfängnisverhüten- bar, andere wieder raten ausdrücklich den Mitteln verhüten, die Hor- davon ab. mone (Östrogen und Gestagen) enthalten. Am sinnvollsten sind diese Methoden: • Kondome • K upferhaltige Spiralen, Kettchen oder Bälle aus Kupfer oder Gold • U nterbindung des Samenleiters des Mannes oder der Eileiter der Frau Wenn die Wahl zwischen Samen- oder Eileiterunterbindung besteht, also Mann und Frau sich diese endgültige Lösung vor- stellen können, so ist zu sagen, dass der Eingriff beim Mann wesentlich einfacher durchzuführen und mit weniger Risiko (keine Vollnarkose, kein Eingehen in die Bauchhöhle) verbunden ist. uch die Entfernung der Eierstöcke kann A Grund ist, dass viele Tumorzellarten bei bei Brustkrebspatientinnen, die noch vor Brustkrebs durch diese Hormone „gefüt- dem Wechsel stehen, eine sinnvolle Mög- tert“ werden können und Hormone da- lichkeit in zweierlei Hinsicht sein: Durch durch Ihr Brustkrebsrisiko erhöhen. Damit die Entfernung beider Eierstöcke wird 2. Veränderungen in der Sexualität durch die Krankheit Brustkrebs 31
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