Europa? Europa! Von unten wächst seit Jahren vieles, was die EU lebendig macht - Ver.di
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report Bildung, Wissenschaft und Forschung Europa? Europa! Von unten wächst seit Jahren vieles, was die EU lebendig macht 0 1 / 2 018
Editorial b i w i f o r e p o r t 1 / 2 0 18 Liebe Kolleginnen Inhalt und Kollegen, Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Internationale Solidarität der Europa und ver.di haben viel gemeinsam. Beschäftigten 3 Jetzt meint ihr vielleicht, dass das zu großspurig Schon drei Millionen Erasmus- ist? Nun, die Europäische Union ist eine Gemein- Studierende 4 schaft aus Staaten, das Wort „union“ ist jedoch Die Viadrina verbindet Ost- und Westeuropa 5 auch das englische Wort für Gewerkschaften – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ver.di als größte Dienstleistungsgewerk- von Bibliotheken 6 schaft vereint tausend Berufe und Branchen. Gewerkschaften kooperieren auf EU-Ebene 6 Wer an Europa denkt, fühlt sich nicht immer Wissenschaft im riesigen emotional angesprochen. Oft assoziieren wir Forschungsraum 7 damit Verträge,, Broschüren, die Kommission, Brexit droht viele Netzwerke zu report das Parlament und andere Institutionen. Man- Ute Kittel zerschlagen 8 Mitglied des ver.di- Interview mit Marcus Baumann über chen Mitgliedern geht das auch mit ver.di so. Bundesvorstandes den Hochschulalltag im Dreiländereck 9 und Leiterin Aber gibt es eine europäische Identität oder des Fachbereichs Wieder GroKo: Wenig Neues 10 zumindest europäische Werte? Ja, die gibt es: Bildung, Rollback an den NRW-Hochschulen Frieden, Freiheit und Solidarität! Das sind auch Wissenschaft und erwartet 11 Forschung ver.di auf dem Bibliothekartag 11 Werte der Gewerkschaften. Jean Monnet, der Berliner Studierende streiken 12 Erfinder der Montanunion, mit der der europäi- Hochschulsekretärin klagt gegen sche Einigungsprozess begann, sagte einst: schlechte Bezahlung 13 „Wir vereinigen keine Staaten, wir vereinigen Marathon bis zum ver.di-Bundes- Menschen.“ Deshalb ist der Charme von Europa kongress 14 Erfahrungen mit Geflüchteten in auch, dass es ein bunter Haufen wie in einer einem Uni-Projekt 15 Keksdose bleibt, mit all den Sprachbarrieren, Porträt Annette Jensen 15 Sollbruchstellen und verschiedenen Volks- Zu guter Letzt 16 gruppen. Das wird auch in ver.di so bleiben – Mitglied werden 16 trotz Umbau und Fachbereichsfusionen. Gefährlich ist, dass die Zustimmung zu Impressum Der ver.di Report biwifo Nr. 01/2018 · April 2018 Europa und zu Gewerkschaften zurückgeht. Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Wir sollten uns alle dafür einsetzten, nicht in Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Fotos v.o.n.u.: Felix Kindermann, Werner Bachmeier (2), Berliner Studierende Grenzen zu denken, für ein soziales Miteinander V.i.S.d.P.: Ute Kittel zu kämpfen, Armut zu vermeiden, die Freiheit Redaktion: Carsten Bauer, Klaus Böhme, Katharina Common, Bernward Friedrich, Birthe Haak, Frank Hennig, Michael Niedworok, zu genießen, den Frieden in Europa als großes Harry Rettenmaier, Harald Giesecke Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen Glück zu empfinden und gemeinsam Unge- Internet: www.verdi.de rechtigkeiten und Ausbeutung entgegenzu- Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt treten. Eben Menschen näher zusammen zu Titelbild: Annette Jensen W-1728-59-0418 bringen und sie stark zu machen. In ver.di und Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres in Europa! b Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider. 2 Service Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Internet: www.biwifo.verdi.de Ansprechpartnerin biwifo-Report: Annette.Jensen@t-online.de
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen K O M M E N T A R W Demokratie stärken Europa von Über 70 Jahre Frieden zwi- schen früheren „Erbfeinden“, weitgehend offene Grenzen von unten aufbauen Portugal bis Polen – die EU ist ohne Zweifel eine herausragende zivilisatorische Leistung. Und so lange der Weltfrieden noch als Als ich im vergangenen Dezember zusam- ritätspolitik hat ver.di-Mitglieder genauso getrof- Utopie betrachtet werden muss, men mit tausenden spanischen Beschäftig- fen wie portugiesische, irische und finnische ist sie zumindest ein guter ten aus dem öffentlichen Dienst für höhere Kolleg*innen. Es war unsere Regierung und insbe- Anfang. Löhne und gegen eine strenge Sparpolitik sondere Finanzminister Wolfgang Schäuble, die Die Entwicklung der vergan- demonstrierte, wurde mir wieder bewusst, diese Sparpolitik vorangetrieben haben. In der genen Jahre macht deutlich, was wie ähnlich die Interessen der arbeitenden Folge stand nicht nur das Streikrecht unter Be- immer richtig war, aber von vie- Menschen in ganz Europa sind. Ich war schuss, sondern Reformen führten auch zu Ver- len nicht ernst genug genommen biwifo dort mit einer Delegation der EPSU, dem längerung von Arbeitszeiten, Rentenkürzungen, wurde: Die Errungenschaften EU-Dachverband der Dienstleistungs- erzwungener Flexibilisierung und einer Dezen- sind keine Selbstverständlichkeit, gewerkschaften, dem auch ver.di angehört. tralisierung des Tarifsystems. Die europäischen sondern müssen im Streit der Wir alle wollen Respekt für unsere Arbeit, Gewerkschaften stemmen sich dagegen, dass der Interessen ständig ausgehandelt angemessene Löhne und gute Arbeits- Bau und Betrieb von Infrastruktur, Forschung und und verteidigt werden. Wenig bedingungen. Egal ob deutsche, französi- Innovation immer stärker auf Public Private hilfreich ist, dass sich manche sche, ungarische, slowenische oder Partnership basiert – denn das lenkt öffentliche Politiker*innen populäre Ergeb- griechische Beschäftigte im öffentlichen Ressourcen in private Taschen. Wir wehren uns nisse als eigenen Erfolg zuschrei- Dienst – alle teilen die selben Werte. gegen die Vision von Konzerneliten und rechten ben, unpopuläre Dinge hingegen Regierungen, die Geschäft und Profit zum zentra- abstrakt „der EU“ in die Schuhe VON ISOLDE KUNKEL-WEBER len europäischen Anliegen erklären. Das ist ein schieben – als hätten sie dort berechnendes Europa, das Demokratie begrenzt keinen Einfluss. Gerade Deutsch- W ir wissen, dass Kommerzialisierung, Out- sourcing und Privatisierung nicht zu besse- ren staatlichen Dienstleistungen führen. Deshalb und die Rolle der Sozialpartnerschaft untergräbt. Wir vom Europäische Gewerkschaftsbund öffentlicher Dienst EPSU und vom gewerkschaftli- land hat große Macht innerhalb der EU. Damit die Menschen Ver- teilen wir unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und chen Dachverband ETUC halten dagegen – und trauen in die EU und ihre Insti- Forschungsergebnisse – und unterstützen gegen- können Erfolge verzeichnen. EPSU hat mit der tutionen (zurück-)gewinnen, seitig unsere Kampagnen. Wir wollen, dass es europäischen Bewegung für Steuergerechtigkeit braucht es eine Stärkung von ausreichend Geld gibt für öffentliche Dienst- das Problem Steueroasen hoch oben auf die poli- Demokratie und Sozialer Dimen- leistungen. Nur dann können wir wirklich gut tische Agenda gebracht. Wir kooperieren mit den sion. Was die EU künftig sein unterrichten und Pflegebedürftige in hoher sozialen Bewegungen, um Deregulierung im Bil- soll, muss demokratisch er- Qualität versorgen. Investitionen in Bibliotheken, dungs- und Gesundheitswesen zu verhindern kämpft werden – vor allem im Universitäten und Krankenhäuser, in digitale und setzen uns gemeinsam für faire Handels- EU-Parlament, aber auch durch Infrastruktur, Strom- und Wassernetze kurbeln die bedingungen ein. Sie sind die Grundlage für an- eine stärkere Einbeziehung Wirtschaft an. Das ist die Chance für ein Europa, ständige Sozial- und Umweltstandards und für zivilgesellschaftlicher Gruppen das von unten her errichtet wird. eine gute Daseinsvorsorge für alle. gegenüber der finanzstarken Ein soziales Europa zu schaffen mit einem star- Wirtschaftslobby. In ver.di können wir auf eine stolze Geschichte ken öffentlichen Dienst bekommt gerade mehr Kooperation muss das Primat eines solchen europäischen Projekts zurückbli- Gewicht. Die EU-Kommission will die Transparenz für den europäischen Forschungs- cken: Schon 1907 fand in Stuttgart der interna- bei den Arbeitsbedingungen erhöhen und drängt raum sein – im Lissabon-Vertrag tionale Kongress der städtischen Beschäftigten Mitgliedsländer, die Lohnlücke zwischen den Ge- wurde er mit Wettbewerbsvor- statt. Auch das aktuelle biwifo-Heft zeigt, dass schlechtern zu schließen. teilen gegenüber anderen Welt- viele arbeitende Menschen Europa als ihr Projekt Noch haben wir es nicht geschafft, den Tanker regionen begründet. Der Fokus ansehen, das sie zusammen mit Kolleg*innen aus in eine zukunftsfähige Richtung zu lenken. Doch sollte auf einer Verbesserung der anderen Ländern auf- und ausbauen wollen. wenn die europäischen Gewerkschaften zusam- Lebensbedingungen in Europa Dieses Europa der Zusammenarbeit steht in menarbeiten, kann das gelingen. Dazu gehören und weltweit liegen. Das bedeu- starkem Kontrast zu rechten und nationalistischen viel kleine Schritte ebenso wie Massendemon- tet auch, Gesellschafts- und Bewegungen, die auf Abgrenzung und Konflikt strationen und Lobbyarbeit im EU-Parlament. Un- Geisteswissenschaften gegen- setzen. Deren Politikansatz bietet keine Vorteile für ser Europa – ein Europa für und von Menschen – über den Natur- und Technik- 3 die arbeitenden Menschen, ihre Familien und die ist möglich. b wissenschaften zu stärken. b Kommunen. In einem solchen weißen, rassisti- schen Europa möchte ich nicht leben. Isolde Kunkel-Weber war ver.di-Bundesvorstand Birthe Haak Das alles heißt nicht, dass die EU keine Ver- und ist heute Präsidentin von EPSU (European änderungen braucht. Die systematische Auste- Public Sevice Union)
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Mit Erasmus nach Paris Erasmus ist das VON MIRJAM SORGE EU-Programm für die Mobilität von Studierenden. Seit der Einführung vor mehr als 30 Jahren haben S chon als Zehnjährige hatte ich mir vorgenom- men, in Paris zu leben. Zugleich spürte ich aber auch den Druck, mal ins Ausland gehen zu über drei Millionen daran müssen, weil Sprachkenntnisse und Auslands- teilgenommen – mit mei- erfahrungen von vielen Arbeitgeber*innen ver- nem Auslandssemester im langt werden. Ich hatte mir fest vorgenommen, sonengruppe kostenfrei sind – ein guter Ausgleich vergangenen Herbst an der bloß keine Zeit mit Deutschen zu verbringen, flei- zu den hohen Mieten und Lebensmittelpreisen. Université Paris Nanterre X ßig an den Sprachkursen teilzunehmen und Paris zähle auch ich dazu. fernab der touristischen Gegenden zu entdecken. Auf der Homepage des Deutschen Akade- Normalerweise studiere Bis auf Letzteres habe ich meine Vorhaben nicht mischen Austauschdienstes (DAAD) steht, dass ich Soziokulturelle Studien eingehalten. man als Erasmus+-Stipendiat*in keine Studien- an der Europa-Universität gebühren im Ausland zahlt, erworbene Leis- Viadrina in Frankfurt Die Französischkurse habe ich nach dem ersten tungen anerkannt werden und man eine monatli- (Oder). Monat abgebrochen, weil sie überfüllt und von che Förderung von bis zu 500 Euro je nach Land mäßiger Qualität waren. Schön war, dass die Uni- erhält. Frankreich gehört zu der Ländergruppe mit versität in Paris ein Buddy-Programm etabliert hat, einem Zuschuss von derzeit durchschnittlich Fotos: Privat wo französische Studierende ausländischen Kom- 250 –350 Euro im Monat. Die tatsächliche För- militon*innen zur Seite stehen. Ich hatte wirklich derung ist allerdings nicht nur vom Land ab- Glück mit meiner Partnerin: Sie hat mir die Ein- hängig, sondern auch von der Anzahl der Stu- richtungen der Universität gezeigt, und wir waren dierenden, der Hochschule und der Dauer. Somit öfters mit ihren Freund*innen in der Stadt unter- ist zum Zeitpunkt der Bewerbung nicht genau klar, wegs. Mein wichtigster Kontakt aber wurde eine wie viel Förderung man tatsächlich erhält. Am deutsche Studentin, mit der ich nun eng befreun- Anfang muss man eine Ankunftsbestätigung und det bin. Manchmal kommt es eben doch anders, einen Lernplan an die Heimathochschule schicken, als man es sich vorgenommen hat. um 2/3 des Geldes überwiesen zu bekommen. Das letzte Drittel erhält man nur, wenn man eine Für EU-Bürger*innen unter 26 Jahren ist Paris Abreisebestätigung, einen Notenspiegel, einen Er- eine tolle Stadt zum Entdecken, weil die meisten fahrungsbericht, zwei Sprachtests sowie das finale Sehenswürdigkeiten und Museen für diese Per- Learning Agreement vorlegen kann. Viel Büro- kratie! Eine weitere Hürde ist die Anerkennung der Erasmus-Stipendien zum Studieren im Ausland: erbrachten Leistungen. Bologna sollte ja eigentlich auch zur Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse • Bewerbung an der eigenen Universität ca. 9 bis 12 Monate vor dem Aufenthalt mit Lebens- führen. Allerdings funktionieren die Punkte- und lauf, Motivationsschreiben, Bewerbungsbogen, Sprachnachweis, ggf. Empfehlungsschreiben Notensysteme in Frankreich und Deutschland total • Finanzierung: unterschiedlich. Ich bin sehr gespannt, ob meine – Das Erasmus-Stipendium ist kein „Vollstipendium“, sondern lediglich ein Zuschuss, der Leistungen aus Paris problemlos anerkannt wer- bei erfolgreicher Durchführung nicht zurückgezahlt werden muss den. Hierbei kommt es auch darauf an, ob ein – Die Höhe hängt ab von der Ländergruppe, der Hochschule, den zur Verfügung stehenden Auslandssemester im Studium vorgesehen ist oder Mitteln und der Anzahl der Erasmusstudierenden freiwillig absolviert wird. Manche Kommiliton*in- – ▪ Ländergruppe 1: Frankreich, Großbritannien, Finnland: 250–500 Euro/Monat nen haben viel Stress, die nach Regelstudienzeit – ▪ Ländergruppe 2: Griechenland, Spanien, Belgien: 200–450 Euro/Monat vorgeschriebenen 30 Leistungspunkte zu absolvie- 4 – ▪ Ländergruppe 3: Bulgarien, Litauen, Ungarn: 150–400 Euro/Monat ren. Weil ich ein Urlaubssemester eingelegt habe, konnte ich mein Pensum selbst bestimmen und https://eu.daad.de/infos-fuer-einzelpersonen/foerderung-fuer-studie- hatte auch noch Zeit, um Paris zu erleben. Vor rende-und-graduierte/praktische-informationen/de/47990-praktische- zwei Wochen bin ich zurückgekommen und kann informationen-zum-erasmus-auslandsaufenthalt/ gar nicht glauben, wie schnell fünf Monate verge- hen können. b
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Eine Hochschule als europäische Wegbereiterin Kleine Hochschulen stehen nur selten im Foto: Sebastian Pape/AStA Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung – und mit knapp 7.000 Studierenden und 500 Mitarbeiter*innen erscheint auch die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) auf den ersten Blick nicht auffällig. Doch ihre internationale Ausrichtung und zahlreiche bewährte Kontakte insbesonde- re nach Osteuropa lassen sie aus der Masse hervorstechen: Häufig hat sie die Rolle einer Vermittlerin zwischen Ost und West. Die guten Studienbedingungen bescherten ihr zudem erst kürzlich den Titel „Belieb- teste Universität 2018“ des Online-Portals „studycheck“. Zugleich leidet ihr Hochschul- standort aber auch unter dem Bevölke- rungsrückgang im Osten der Republik. VON MICHAEL NIEDWOROK Sicht der PiS eine Angleichung an europäische Die Personalräte der D ie Europa-Universität Viadrina wurde kurz nach der Wende 1991 gegründet. Offiziell steht sie im Erbe der 1811 geschlossenen Bran- Verhältnisse. „Ein nicht systematischer Vergleich ist wie homöopathische Medizin,“ hält Lech Jamróz von der Universität Białystok dagegen. Europa-Universität Viadrina haben für die Beschäftigten familien- und pendler- denburgischen Universität Frankfurt, der Alma Und so leistet die Tagung der Europa-Universität freundliche Bedingungen Mater Viadrina. Von Anfang an hatte die Neu- erneut Pionierarbeit: Die Veröffentlichung eines geschaffen. Wo es möglich gründung den Austausch mit den Staaten des ersten wissenschaftlichen Vergleichs der Richter- ist, verzichtet die Universi- ehemaligen Ostblocks zum Ziel. Trotz anfängli- wahl in Europa in polnischer Sprache, der eine tät auf Kernarbeitszeiten cher Skepsis wurde die Viadrina die erste erfolg- informierte öffentlichen Debatte erst ermöglicht. und lässt die Mitarbei- reiche Europa-Universität in Deutschland – nach ter*innen ihre Arbeit wäh- vier bereits in der Planungsphase versandeten Sebastian Pape und Mateusz Weis-Banaszczyk rend der Woche zwischen Versuchen in Konstanz, Passau, Trier und Saar- vom AStA sind von der Internationalität der 6 und 21 Uhr und an Sams- brücken. 1998 stieß sie das „Fenster nach Viadrina sichtlich begeistert. Die kleine Uni in der tagen zwischen 6 und Europa“ weit auf: Die Eröffnung des Collegium brandenburgischen Provinz übertrifft durch ihre 13 Uhr frei gestalten. Die Polonicum zusammen mit der Adam-Mickiewicz- Kontakte manche Massenuniversität: 250 Koope- Dienstvereinbarung für das Universität in Poznań schuf das erste gemeinsame rationsvereinbarungen mit Hochschulen in der wissenschaftliche Personal Institut mit einer polnischen Hochschule – und gesamten Welt sorgen für einen steten Aus- erhielt 2015 sogar den das 6 Jahre vor dem EU-Beitritt Polens. tausch. Neben 12 Prozent polnischen Studieren- Goldenen Preis der Zeit- den kommen weitere 12 Prozent der Kommi- schrift „Der Personalrat“. Maciej Małolepszy, Professor für polnisches liton*innen aus anderen europäischen Staaten Sie stellt sicher, dass Erst- Strafrecht an der Viadrina, verkörpert diese oder inzwischen verstärkt aus China und Latein- verträge in der Promotions- Tradition. Mitte März hat er Rechtswissenschaft- amerika. Durch die gute Betreuung und die vor- phase für mindestens ler*innen aus beiden Ländern in den mit dezen- bildliche Sprachförderung ist die Viadrina für viele drei und Folgeverträge für tem Stuck dekorierten Senatssaal geladen. Das ein zweites Zuhause. Dennoch wohnt rund die mindestens vier Jahre Thema: die Richterwahl in Europa. Die Stimmung Hälfte der Studierenden in Berlin, worunter das geschlossen werden. Auch ist von vertrauensvoller Kollegialität geprägt und studentische Leben insbesondere in den Se- bei der Einschränkung ernst – schließlich geht es um politisch hochbri- mesterferien leidet. Für den AStA war das Anlass von Befristungen ist die 5 sante Fragen. Die polnische PiS-Regierung steht in zur Kampagne „Zieh nach Frankfurt!“. Sebastian Viadrina damit Weg- der Kritik der Europäischen Kommission, weil sie und Mateusz sind sich sicher, dass günstiges bereiterin. b das in Polen bewährte Verfahren der Richterwahl Wohnen und das wachsende kulturelle Angebot durch die Judikative aufgeben und die Ämter- der Stadt in den nächsten Jahren viele Kommi- besetzung stärker politisch beeinflussen will; aus liton*innen zum Umzug bewegen werden.
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Austausch in Bibliotheken und beim Borrel Die Ems Dollart Region (EDR) liegt im nördlichen Teil der deutsch-nieder- D en deutsch-niederländischen Bibliothekentag gibt es seit 13 Jahren: Immer abwechselnd findet er in einer deutschen oder niederländi- politik und keine deutschen Alleingänge gefor- dert. ländischen Grenze. schen EDR-Bibliothek statt. In herausragender So politisch war es auf den EDR-Bibliotheken- Rund 100 öffentliche Erinnerung bleibt das Treffen vor zwei Jahren im tagen vorher nie zugegangen. Dass die Veranstal- Institutionen gehören zum niederländischen Winschoten unter dem Motto: tung trotzdem sehr versöhnlich endete, lag wohl Netzwerk. Seit 1977 „Gemeinsam Grenzen überwinden/Samen gren- vor allem an der niederländischen Tradition des arbeiten sie zusammen bei zen verleggen.“ Schnell wurde den deutschen „Borrel“. Egal wie kontrovers eine Debatte gewe- Fragen der Raumordnung, Kolleg*innen klar, mit welch bewundernswerter sen ist – anschließend trifft man sich in der Bar, Infrastruktur, regionaler Organisation die Bibliotheken jenseits der Grenze trinkt zusammen und redet auf keinen Fall über Wirtschaftsförderung und Flüchtlinge begleiten. Entsprechend des staatli- Politik. Die deutsch-niederländische Nettikette Kultur. Vor allem aber will chen Integrationsauftrags kauft jede Provinz nicht spart außerdem Gespräche über Fußball aus … die EDR Kontakte fördern nur Literatur in den wichtigsten Sprachen, son- Das Thema Bücher aber geht immer. zwischen der holländischen dern veröffentlicht auch entsprechende Broschü- Bevölkerung in Groningen, ren und Landkarten, organisiert Stadtführungen 2017 fand der deutsch-niederländische Biblio- Drenthe und Frieslân und sowie Spiele-und Kennenlernabende. Gegen thekentag in der KÖB Papenburg statt. Der den Bewohner*innen von Ende der Veranstaltung wurde dann sehr kontro- Schwerpunkt lag auf der Digitalisierung. Dieses Ostfriesland, Emsland, vers diskutiert: Der niederländische Sozialdemo- Jahr sind wieder die Niederländer dran. b Oldenburg und angrenzen- krat Paul Scheffer hatte in seinem Vortrag eine der Gebiete. nachhaltige EU-Flüchtlings- und Einwanderungs- Carsten Bauer ver.di in Brüssel und Straßburg A ls größte Dienstleistungsgewerkschaft Europas spielt ver.di Foto: Felix Kindermann auch in Brüssel eine bedeutende Rolle – und betreibt Lobby- arbeit mit und in den europäischen Gewerkschaftsverbänden. Dafür gibt es in der ver.di-Bundeszentrale in Berlin eine europa- politische Abteilung. Sie bündelt nicht nur die „Europakompe- tenzen“, sondern nimmt auch die Aufgaben eines Verbindungs- büros in Richtung EU wahr. Regelmäßig fahren die dort beschäf- tigten Kolleg*innen nach Brüssel und Straßburg, um sich mit den Partnergewerkschaften abzustimmen und Einfluss auf den politi- schen Prozess zu nehmen. Da geht es um Berufsanerkennung, Vergaberegelungen, Ener- gienetze, Urheberrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz – um Eine von 50.000 – Gewerkschaftsdemo nur einige Felder zu nennen. Insbesondere Finanzpolitik und in Brüssel Liberalisierung haben Auswirkungen für Arbeitnehmer*innen. Damit deren Interessen Gehör finden, braucht es eine starke gewerkschaftliche Stimme. Brüssels auf die Rahmenbedingungen in der Bildungs-, Hoch- schul- und insbesondere Forschungspolitik in den vergangenen 6 Die branchenspezifische Betroffenheit durch europäische Jahren deutlich zugenommen hat ist klar: Unser Fachbereich will Regelungen ist vielfältig und unterschiedlich intensiv – und ent- und wird sich der europäischen Dimension dieser Themen künftig sprechend differenziert gestaltet sich die Europaarbeit der stärker widmen. b Fachbereiche. Auch in diese Richtung übernimmt die europapoli- tische Abteilung eine „Scharnierfunktion“. Weil der Einfluss Harald Giesecke / Klaus Böhme
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Umbruch im Europäischen Forschungsraum Der Europäische Forschungsraum ist längst Foto: CERN Copyright Wirklichkeit. Zum gemeinsamen Nutzen wurde die internationale Zusammenarbeit nach dem 2. Weltkrieg systematisch entwik- kelt. Für die Wissenschaft waren Diktaturen immer dunkle Zeiten – internationale Ko- operation dagegen lassen sie aufblühen, so brachte der Präsident der Max-Planck- Gesellschaft Martin Stratman die dahinter- stehende Erkenntnis kürzlich in einer Fernsehdiskussion auf den Punkt. VON ANDREAS SCHLOSSAREK G roße Maschinen und Anlagen vor allem in der physikalischen Grundlagenforschung gibt es bereits seit den 1950er Jahren auf europäi- scher Ebene. Dazu zählen das CERN in Genf, aber auch viele Geräte vor allem in der Luft- und Raumfahrt und der Astrophysik – Tendenz stei- Blick in die Europäische Groß- gend. Die jüngsten Milliardenprojekte ESS forschungsanlage CERN bei Genf (Schweden) ITER (Frankreich) sowie XFEL und FAIR (Deutschland) werden ebenfalls international – und nicht nur europäisch – organisiert und finan- Finanzierung seit einigen Jahren immer stärker ziert. Es geht um Neutronenstrahlung, Kern- auf Clusterbildung der verschiedenen For- ver.di auf den fusion, Röntgenlaser und ähnliches. schungsdisziplinen aus. Kooperationen von Hoch- Spuren des Neuen schulen mit dem außeruniversitären und privaten Seit 1984 gibt es EU-Forschungsrahmenpro- Forschungssektor nehmen zu, die konkrete Zu- Müssen wir als Gewerkschaf- gramme. Sie fördern den wissenschaftlichen Aus- sammenarbeit intensiviert sich. Institutionelle ter*innen uns mit einem tausch und gemeinsames Experimentieren von Netzwerke entstehen, die organisatorischen Wissenschafts- und Forschungs- Forschungsgruppen. Die Programme Erasmus und Grenzen verschwimmen. system neuen Typs beschäfti- Marie Curie unterstützen den Nachwuchs. Am gen? „Besser is das,“ würde Anfang lag der 4-Jahres-Etat bei bescheidenen 4 Manche Arbeitnehmer*innen sind unsicher, Werner sagen. Ansonsten Milliarden Euro, das auf sechs Jahre angelegte wer jetzt zuständig ist für Arbeitsverträge und - tappen wir im Dunkeln und Förderpaket „Horizon 2020“ ist bereits 80 verhältnisse auf dem Campus. Wer kann und darf verstehen nicht, was passiert. Millarden Euro schwer. Für die nächste Förder- helfen oder vertreten? Es gibt Mischfinanzierung Umgekehrt gilt aber auch: Wer periode, über die gerade verhandelt wird, soll das – national und europäisch. Betroffen sind das wis- als Organisation Orientierung Budget noch einmal verdoppelt werden. senschaftliche und technische Personal, aber auch geben und sich kompetent die Beschäftigten in den Verwaltungen. Projekt- einmischen kann, ist auch für Die Veränderungsprozesse in Wissenschaft finanzierung ist der Haupt-Sachgrund für die Be- neue Mitglieder interessant. und Forschung lassen sich mit tektonischen Ver- fristung von Arbeitsverträgen nicht nur bei den schiebungen der Erdkruste vergleichen: Insulaner- gewerkschaftlich schwach organisierten Wissen- Am 22. Februar hat sich der *innen nehmen nicht unbedingt wahr, dass ihr schaftler*innen. Derzeit werden neue Lenkungs- Bundesvorstand des ver.di- Archipel auf einen neuen Kontinent zudriftet – und Leitungsgrundsätze entwickelt, doch bisher Fachbereichs Bildung, Wissen- trotzdem passieren solch grundlegende Verschie- findet das ohne erkennbare Beteiligung von schaft, Forschung intensiv mit bungen; Italien war auch mal ein Stück von Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften der Analyse dieser Entwicklung 7 Afrika. Zugleich sind Erschütterungen spürbar statt. Stipendium statt Arbeitsvertrag ist oft das beschäftigt. Die Bundesarbeits- und es entstehen neue Gebirge. einzige Angebot an Wissenschaftler*innen aus gruppen Forschung und Hoch- anderen Staaten des Europäischen Forschungs- schule werden das fortsetzen. b Nach sorgfältiger Vorbereitung durch die raums (ERA). Lohn- und Sozialdumping lassen Forschungsallianz richtet sich auch die nationale grüßen. b
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Brexit – Desaster für die Wissenschaft nigen, die sich bis zum offiziellen Austrittsdatum Foto: Werner Bachmeier im Frühjahr 2019 neu einschreiben, soll das bis zum Examen so bleiben. Was aber in späteren Jahren passiert, ist unklar. Bereits 2017 ist die Zahl der Studienbewerber- *innen aus der EU deutlich gesunken. Das scha- det auch der britischen Volkswirtschaft: Einer Studie zufolge haben ausländische Studierende das Bruttoinlandsprodukt bisher um etwa 30 Milliarden Euro im Jahr gesteigert und direkt oder indirekt 200.000 Arbeitsstellen gesichert. Bei Ausschreibungen für Forschungsstellen registrieren die Institute ebenfalls deutliche Rück- gänge von Bewerbungen aus EU-Ländern. Dazu Bye-bye! trägt wohl auch die zunehmende Fremdenfeind- An den britischen lichkeit im Land bei, vermuten Beobachter*innen. Hochschulen herrscht VON ANNETTE JENSEN Umgekehrt gab es auch schon erste Fälle, bei Unruhe. Die Unsicherheit, denen britische Wissenschaftler*innen im Aus- was der Brexit für die Zukunft der Wissen- schaftslandschaft bedeutet, V iele Hochschulbeschäftigte waren schockiert, als das Ergebnis des Brexit-Referendums fest- stand. Sie selbst hatten zu etwa 85 Prozent für den land hinauskomplementiert wurden. Mehrere britische Hochschulen erwägen, ist groß. Dabei geht es kei- Verbleib ihres Landes in der EU votiert. Wie kaum Zweigniederlassungen in anderen Ländern aufzu- neswegs nur um Milliarden ein anderer Bereich ist die Wissenschaft auf inter- bauen. Die Universität Oxford hat mit den Ber- Euro Forschungsförderung nationalen Austausch angewiesen. liner Universitäten bereits eine weitreichende aus Brüssel, die in Gefahr Partnerschaft vereinbart, in die auch die Biblio- sind. Vor allem die Frage, ob Die Forschungsqualität in Großbritannien ist theken einbezogen sind. britische Wissenschaft- auch deshalb sehr hoch, weil das Land mit weltbe- ler*innen gleichberechtigt rühmten Universitäten wie Oxford und Cambridge Bisher ist das Renommee der britischen Wis- an EU-Forschungsprojekten wie ein Magnet auf Wissenschaftler*innen aus senschaft extrem hoch. Hier publizierte For- beteiligt bleiben und EU- aller Welt wirkt. Allein aus Deutschland stammen schungsergebnisse werden überdurchschnittlich Kolleg*innen wie bisher in über 5500 Forscher*innen und Dozent*innen auf oft zitiert. Kein anderes EU-Land bekommt so viel großer Zahl auf die Insel der Insel. Zwar verkündete die britische Regierung Forschungsförderung aus dem EU-Programm kommen können, treibt die Ende vergangenen Jahres, dass sie auch längerfris- Horizon 2020 wie Großbritannien – viel mehr, als Community um. Zusätzlich tig bleiben dürfen. Doch wer zwischendurch mehr das Land dafür nach Brüssel überweist. Zwar ist startete im Februar der als fünf Jahre in ein anderes Land zieht, verliert die- inzwischen klar, dass britische Wissenschaft- größte Streik, den es je an ses Privileg. ler*innen auch nach dem Brexit Geld aus den EU- Universitäten und Colleges Forschungstöpfen erhalten können; schließlich im Vereinigten Königreich Hochschulinstitute fürchten vor allem, dass sie wird das auch Kolleg*innen aus Tunesien, Israel gegeben hat. Der in Zukunft viel weniger internationalen Nach- oder Norwegen gewährt. Arbeitgeberverband plant wuchs anlocken können. Premierministerin There- eine Rentenreform, bei der sa May hatte angekündigt, dass die Zuwande- Doch dass Großbritannien beim Nachfolge- die Dozent*innen mit rungszahlen von über 250.000 auf unter 100.000 programm von Horizon 2020 über Forschungs- Einbußen von umgerechnet jährlich sinken sollen. Auch Studierende sollen schwerpunkte und -inhalte mitbestimmen darf, 8 11.000 Euro jährlich rechnen dabei eingerechnet werden. ist unwahrscheinlich. Der kürzlich verstorbene müssen. Das will die Physiker Stephen Hawking brachte die Folgen des Gewerkschaft UCU, in der Bisher waren die Studiengebühren für Leute Brexit für die internationale Forschung auf den 190.000 Lehrkräfte organi- mit EU-Pass in Großbritannien auf umgerechnet Punkt: Ein Desaster. b siert sind, auf keinen Fall, 10.500 Euro im Jahr gedeckelt und entsprachen zulassen. dem, was Landeskinder zahlen müssen. Für dieje-
Schwerpunkt: Europa wächst von unten zusammen Erfahrungen fürs Leben Marcus Baumann leitet die FH Aachen und ist Sprecher der Landesrektorenkonferenz Foto: FH Aachen beim Roboter- Workshop biwifo: Ihre Fachhochschule liegt im Dreiländereck Belgien- Studierende ins Ausland gehen. Und umgekehrt pflegen wir Niederlande-Deutschland. Wie sieht da europäische Zusammen- eine große Offenheit. Von den fast 14.500 Studierenden sind arbeit konkret aus? 20 Prozent aus dem Ausland, am Standort Jülich sind es sogar 30 Prozent. Das sind vor allem Menschen aus dem Maghreb, Marcus Baumann: Ganz besonders intensiv sind unsere aus Afrika und vor allem aus Asien, aber eben auch aus den Beziehungen zum deutschsprachigen Teil von Belgien, wo es Niederlanden und Belgien Mit anderen Europäern ist es manch- keine technische Hochschule gibt. Als Fachhochschule wollen mal nicht so einfach, weil wir nur deutschsprachige Bachelor wir die regionale Wirtschaftskraft stärken und richten die anbieten. Master gibt es auch auf Englisch. Studiengänge am Bedarf der Unternehmen aus. Wir haben einen Kooperationsvertrag mit der ostbelgischen Regierung Was ist Ihre Vision bezüglich Hochschulen und Europa? geschlossen. Wie in Deutschland veranstalten wir nun u.a. sehr erfolgreich Unternehmerfrühstücke und bringen sowohl unsere Hochschulen haben eine ganz wichtige Funktion. Sie fokussie- Absolventinnen und Absolventen als auch Forscherinnen ren auf Wissenschaft und Lehre – und das völlig ungeachtet und Forscher mit den Unternehmen zusammen. nationaler Grenzen und Herkünfte. In unseren Summer Schools kommen Leute zusammen aus Ländern, deren Regierungen sich Und da, wo es unterschiedliche Sprachen gibt? gar nicht grün sind. Wir haben zum Beispiel einen internationalen Roboter-Workshop, wo 40 Menschen aus aller Welt zusammen Wir haben gemeinsame Studiengänge sowohl mit dem programmieren. Sie machen hier Erfahrungen miteinander, wo flämischen als auch wallonischen Teil von Belgien und sogar nationale Grenzen keine Rolle spielen sollten und für die Wissen- einen Studiengang, da wird Vielsprachigkeit trainiert – Deutsch, schaft auch gar nicht spielen. Diese Emotionen nehmen sie mit. Englisch, Flämisch und Französisch. So können wir die Möglich- keit von Arbeitsplätzen in der Drei-Länder-Region mit Leben Spielen internationale Spannungen und Nationalismen tat- füllen. Die Unternehmen hier suchen Leute, die mehrsprachig sächlich keine Rolle in der Wissenschaft? unterwegs sind. Als forschungsstarke Hochschule müssen wir für unsere Doktoranden Universitäten finden, mit denen wir Natürlich leidet wissenschaftliche Zusammenarbeit z. B. unter kooperieren können. Dafür haben wir feste Verträge mit den den Entwicklungen in der Türkei. Das liegt auch daran, dass belgischen Universitäten Gent, Hasselt und Löwen. Ein Kollege unsere bisherigen Ansprechpartner*innen an mehreren Universi- kooperiert mit Luxemburg. täten einfach ausgetauscht wurden. Und türkische Wissenschaft- ler*innen, die gegenwärtig in Deutschland arbeiten, haben Angst zurückzugehen. Auch die Arbeit mit Studierenden aus der Ist Ihre Hochschule eine Ausnahme in NRW? Türkei, die hier ein Auslandssemester machen wollten, ist zum Erliegen gekommen. Eine solche Grenznähe, wie wir sie haben, ist natürlich nicht typisch. Ich wohne selber in Belgien und brauche zwölf Minuten Haben Sie irgendwelche Vorstellungen gehabt, die Sie im von meinem Büro bis nach Hause. Aber auch Düsseldorf, Köln, Laufe der Zeit korrigieren mussten, was Hochschule und Europa Krefeld und selbst Bochum und Münster realisieren Projekte mit angeht? Partnern in den Niederlanden und Belgien. Was ich früher nicht gedacht hätte: Deutsche Studierende Wie steht es mit der Zusammenarbeit jenseits der direkten verlassen leichter ihr Land, als andere Europäer zu uns kommen Nachbarn? wollen. Woran das liegt, weiß ich auch nicht so genau. Die Sprache spielt bestimmt eine Rolle, obwohl der Master bei uns ja 9 Wir halten es für wichtig, dass Studierende sowohl von auch in Englisch unterrichtet wird. Aber man muss ja im Alltag Bachelor- als auch Masterstudiengängen kulturelle Erfahrungen auch seine Eier und sein Bier kaufen können. b im Ausland sammeln und Arbeitgeber im Ausland kennenlernen. Wir begünstigen deshalb durch ein Fenster im Studium, dass Interview: Annette Jensen
Noch einmal GroKo H O C H S C H U L E N W Bologna-Follow-Up- Konferenz in Paris Ende Mai findet im Rahmen des Bologna-Prozesses in Paris Trüber Leuchtturm die nächste Ministerkonferenz des Europäischen Hochschul- Am 14. März 2018 wurde Angela Merkel dieser oder der nächsten Legislatur verwirklicht raums statt. Aktuell sind 48 nach einem nur scheinbaren Interregnum werden sollen. Länder beteiligt. Ein Themen- von sechs Monaten als Bundeskanzlerin schwerpunkt des diesjährigen wiedergewählt. Damit wird die nicht ge- Auch die geplante „Trendumkehr“ beim Kommuniqués soll die Imple- rade innig herbeigesehnte Große Koalition BAföG mit einer deutlichen Erhöhung der Ge- mentierung grundlegender Werte fortgesetzt. Für Bildung, Wissenschaft und fördertenzahlen bis 2021 klingt gut – blendet sein, insbesondere der Demo- Forschung sieht die neue-alte Regierung aber den entscheidenden Aspekt aus: Das Aus- kratie, da hochschulische elf Milliarden Euro zusätzlich vor. gangsniveau ist inzwischen extrem niedrig gewor- Bildung auch Ideale von Freiheit den. Erhielten 2012 noch 440.000 Studierende und Frieden vermitteln soll. VON MICHAEL NIEDWOROK die gesetzliche Ausbildungsförderung, so waren es vier Jahre später nur noch 377.000. Gerade W Neue Musterrechts- verordnung für die Akkreditierung von B ereits am Wort „zusätzlich“ scheiden sich jedoch die Geister. Von dem angeblich aufge- stockten Etat sind nämlich bereits fünf Milliarden einmal 13,9 Prozent der angehenden Akademi- ker*innen bekommen heute BAföG. Studiengängen Euro für den „Digitalpakt“ vorgesehen, der schon Erst 2025 soll die Förderung der Ganztags- Die Kultusministerkonferenz in der vergangenen Legislaturperiode geplant schulen in einem Rechtsanspruch der Eltern auf hat am 7. Dezember die neue wurde. Bund und Länder hatten es allerdings Betreuung münden. Selbst das aber erscheint Musterrechtsverordnung für die nicht mehr geschafft, ihn bis zur Bundestagswahl beim gegenwärtigen Stand der Bildungsinfra- Akkreditierung von Studien- fertig auszuhandeln. struktur der Bundesländer recht ambitioniert. gängen verabschiedet. Sie ist die gemeinsame Grundlage für die Die vorgesehene Erhöhung der Forschungs- Für die Unterstützung von Ganztagsschulen länderspezifischen Ordnungen. ausgaben auf 3,5 Prozent des Brutto-Inlands- und die Verstetigung der Hochschulfinanzierung Gegenüber den früheren Rege- produktes bis 2025 soll in einer gemeinsamen durch den Bund wird die Große Koalition zudem lungen gibt es wenig substan- Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Wirt- eine hohe bildungspolitische Hürde nehmen müs- tielle Änderungen. Wesentlich schaft gestemmt werden. Den Bund wird das bis sen. Derzeit steht diesen Maßnahmen noch das ist, dass die Entscheidungen 2021 etwa zwei Milliarden Euro kosten. Weiterhin sogenannte „Kooperationsverbot“ im Weg. Das über die Akkreditierung künftig soll der 600 Millionen Euro schwere Hochschul- hatten Union und SPD 2006 zusammen mit den direkt vom Akkreditierungsrat pakt verstetigt und die Förderung von Ganztags- Ländern im Rahmen einer Föderalismusreform getroffen werden und nicht schulen im Umfang von zwei Milliarden Euro beschlossen und im Grundgesetz festgeschrie- mehr bei den Agenturen liegen. finanziert werden. Außerdem ist eine BAföG- ben. Im Artikel 104 b heißt es, dass der Bund die Der DGB kritisiert die verpasste Erhöhung geplant, die insgesamt etwa 1,35 Länder nur befristet und mit fallenden Jahres- Chance, mehr Transparenz bei Milliarden Euro kosten wird. beträgen bei der Bildungsfinanzierung unterstüt- der Auswahl der Vertreter*innen zen darf. der Berufspraxis zu schaffen. Damit besteht das von Bildungspolitiker*innen Bisher werden diese Stühle häu- der Großen Koalition als „Leuchtturmprojekt“ ge- Schon in der damaligen Großen Koalition figer mit Wirtschaftsvertreter*in- lobte Bildungspaket zu einem erheblichen Anteil hatte die SPD allerdings Ausnahmen verhandelt: nen besetzt als mit Beschäftig- aus Fortschreibungen der Politik der vergangenen Wenn alle Bundesländer zustimmten, war eine ten. Wahlperiode. Die Opposition im Bundestag kriti- Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Forschung siert zudem, dass viele Maßnahmen erst am Ende möglich. Weitere Öffnungen folgten 2009 und W Hochschulen als Vor- 2017. Das Kooperations- bilder für Nachhaltigkeit verbot erwies sich zuneh- Foto: Werner Bachmeier Mehrere Initiativen von mend als ein vor allem von unten wollen den Alltag an den Unionsparteien getrage- Hochschulen nachhaltig und ner Klotz am Bein. Im Bun- sozial verantwortlicher gestalten destagswahlkampf forderte durch Ressourcenmanagement, der SPD-Kanzlerkandidat neue Lehrmethoden und mehr Martin Schulz seine Strei- Bürgerdialog bei Forschungs- chung. Trotzdem sieht der 10 fragen. Koalitionsvertrag von Union Wer die Petition unterzeich- und SPD nur eine erneute nen will: http://www.nachhal- Lockerung vor, die allerdings Schülergruppe im Bundestag – jahrelang tige-hochschulen.de/unter- unbestritten einen Fortschritt wurde wegen des Kooperationsverbots zeichnen/ darstellt. b an ihrer Bildung gespart
Aus Hochschulen und Bibliotheken B I B L I O T H E K E N W Berlin auf der Rolle rückwärts schiefen Bahn Anfang März fand eine Fach- tagung zur Zukunft der Öffent- lichen Bibliotheken in Berlin D as Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW (MKW) hat angekündigt, das Hoch- schulgesetz des Landes (re)novellieren zu wollen. schulen von zentraler Steuerung durch das Land und von unnötigem bürokratischen Aufwand befreien. Entfallen soll der Landeshochschulent- statt. Dort sollte die Entschei- dung diskutiert werden, den Medieneinkauf der Zentral- und Dafür hat es bereits Eckpunkte veröffentlicht. Im wicklungsplan – ein gemeinsamer Orientierungs- Landesbibliothek Berlin (ZLB) an Vorfeld hatte das MKW Gespräche mit den rahmen und keineswegs ein Instrument zur „Be- Hugendubel zu vergeben. ZLB- Hochschulen geführt – allerdings nur mit deren vormundung“. Auch die paritätische Besetzung Direktor Volker Heller hatte dem Leitungen. Die Meinung von Beschäftigten und des Senats will die Regierung schleifen; sie ist Großbuchhändler im vergange- Studierenden interessiert die neue schwarz-gelbe Ausdruck angemessener Entscheidungs- und nen September den Zuschlag Landesregierung offenkundig wenig. Dass die Verantwortungsteilhabe aller Gruppen in der erteilt. Gleichzeitig wurde die Hochschulführungen die Pläne ausdrücklich be- Hochschule. Die Anwesenheitspflicht bei Lehr- Zahl der Bibliothekar*innen grüßen, wundert nicht. Schließlich geht es darum, veranstaltungen soll auferstehen, während die reduziert und die Kompetenzen die alten Organisationsstrukturen aus dem Jahr Verpflichtung zur Zivilklausel beerdigt werden der übrigen beschnitten. 2007 wieder zu beleben. Damals hatte die Re- soll. Auch den Rahmenkodex für gute Beschäf- gierung Rüttgers mit dem Hochschulfreiheits- tigungsbedingungen, der in der gesamten Repu- Doch die Auswahl der sieben gesetz die Eigenverantwortung der Hochschulen blik als Schritt in die richtige Richtung große Redner*innen ließ kaum Wider- eingeführt – was die Macht der Leitungen und Beachtung gefunden hatte, will Schwarz-Gelb spruch aufkommen. Die zustän- den Einfluss der Wirtschaft stärkte. 2014 sorgte kippen. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist das ver- dige ver.di-Gewerkschafts- die damalige rot-grüne Landesregierung dann mit antwortungslos. Noch fehlt ein Gesetzentwurf, sekretärin Jana Seppelt bekam einem neuen Hochschulzukunftsgesetz wieder noch stehen parlamentarische Beratung und kein Rederecht, der Personalrats- für mehr Transparenz, Mitbestimmung und Ein- Anhörungsverfahren aus. Aber sowohl die An- vorsitzende Lothar Brendel durf- fluss des Parlaments, so wie es Beschäftigte, ihre kündigungen als auch Erfahrungen der Ver- te lediglich zehn Minuten lang Vertretungen und Gewerkschaften gefordert hat- gangenheit lassen wenig Raum für Hoffnung. b die kritische Position der Beleg- ten. schaft darstellen. Dieses Vor- Nun also der Rollback. Nach Aussage des Klaus Böhme gehen der Berliner Kulturverwal- Ministeriums soll das geänderte Gesetz die Hoch- tung ist ein kulturpolitischer Offenbarungseid, eine schwere Schädigung der vielen Fachbuch- händler in der Stadt und ein Schlag gegen die Buchkultur in Rote Stunde bei ver.di Berlin. D er 107. Deutsche Bibliothekartag steht unter dem Motto „Offen und vernetzt“. Er findet vom 12. bis 15. Juni in Berlin statt. Zu siert. Der Titel unseres Treffens: „DBT-Nach- lese(n) mit ver.di.“ Willkommen sind alle Interessierten mit müden Füßen und einem W Kreuz machen bei ver.di-Kollegin! Der Berufsverband Beruf und den Fachvorträgen, Diskussionsrunden und gehörigen Hunger nicht nur auf Grillwürstchen, Information (BIB) wählt am 12. Ausstellungen werden 4000 bis 5000 Teilneh- sondern auch auf Austausch, Informationen, Juni 2018 einen neuen Vorstand mende erwartet. Auch die ver.di-Bundesarbeits- Diskussionen und nettes Beisammensein. Ort auf seiner Mitgliederveramm- gruppe Archive, Bibliotheken und Dokumen- der Sause: Das Gartenlokal „Butter & Bacon“ lung, die während des Bibliothe- tation (ABD) ist wieder aktiv. Diesmal planen wir direkt gegenüber des Tagungsortes. Stoff für kartags in Berlin stattfindet. Wer eine „Rote Stunde“ im Nachgang zur „Blauen Gedanken-und Erfahrungsaustausch über unser dort nicht dabei sein kann, kann Stunde“, die der Berufsverband am 13. Juni als Berufsfeld gibt es reichlich. auch per Briefwahl mitstimmen. große Meet-and-Greet-Veranstaltung organi- Renate Gundel ist Mitglied der Vor allem die Veränderungen durch den ver.di-BAG Archive, Bibliotheken, Quelle: Wikipedia zunehmenden Einfluss digitaler Arbeitsmetho- Dokumentation (ABD) und kan- den werden auf dem Bibliothekartag ein großes didiert. Sie ist bekannt als enga- Thema sein. Neben den zu erwartenden Ar- gierte Streiterin für den arbeits- beitserleichterungen gibt es auch Risiken und freien Sonntag in öffentlichen Gefahren. Für eine fundierte Diskussion bringen Bibliotheken und möchte in der wir die Umfrageergebnisse der 2017 veröffent- Vorstandsarbeit gewerkschaft- 11 lichten Hans-Böckler-Studie zum „Wandel der liche Positionen verankern – Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Berei- deshalb: Wählt Renate Gundel! chen“ mit. b Kerstin Thorwirth
Ta r i f k a m p f i n B e r l i n W E I T E R B I L D U N G W Volkshochschulen in Niedersachsen-Bremen gut vernetzt Ein Schwerpunkt des ver.di- Streik der Landesfachbereichs Nieder- sachsen-Bremen ist die Vernet- zung der Belegschaften von Studierenden Volkshochschulen und Weiterbil- dungseinrichtungen, die politik- Fotos: Berliner Studierende nahe Bildung vermitteln. In enger Kooperation mit dem Bildungswerk ver.di und dem Arbeitsrechtler Martin Bretzler gibt es regelmäßig Schulungen für die Betriebs- und Personal- rät*innen. Dabei geht es um Themen wie Befristungsrecht, psychische Gefährdungsbeurtei- lungen oder Mitbestimmung bei Honorarkräften, Mehrarbeit Seit 17 Jahren hat es keine Lohnerhöhung sche Beschäftigte in einem Hörsaal zur zentralen und Überstunden. mehr für die rund 8000 studentischen Streikversammlung, um über den weiteren Ver- Beschäftigten an den Berliner Hochschulen lauf der Kampagne zu beraten. Zunächst wurden Vernetzung und Solidarisie- gegeben. Um das zu ändern, haben sie sich mögliche Szenarien vorgestellt, anschließend in rung sind inzwischen so trag- organisiert – und Anfang des Jahres ge- Kleingruppen darüber diskutiert und daraus fol- fähig, dass ein gewerkschafts- streikt. Vorausgegangen waren einige zähe gend eine Resolution an die Arbeitgeber*innen politisches Agieren zur Verbesse- Verhandlungsrunden, bei denen die Arbeit- und die Landespolitik verabschiedet. Auch über rung der Arbeitsbedingungen geber*innenseite sich kaum bewegt hatte. die Art, wie der Streik fortgeführt wird, gab es möglich ist. So lassen sich die Daraufhin hatten ver.di und die GEW ver- einen Beschluss. Klar war: Ohne ein neues An- Herausforderungen der Branche gangenes Jahr den Berliner Tarifvertrag gebot wird es kein Zurück an den Verhandlungs- durch Kostendruck und Arbeits- TVStud II gekündigt. Mitte Januar dann der tisch geben. Der Streik wird sonst im Sommer- verdichtung besser gestalten und historische Moment: Nach 32 Jahren der semester fortgesetzt. Angriffe auf die erkämpften erste Streik von studentischen Standards z.B. bei den Tarif- und Beschäftigten. Die Arbeitgeber*innen reagierten zunächst Entlohnungsbedingungen leich- kaum. Einige Hochschulen setzten auf Einschüch- ter abwehren. VON CHRISTIAN KEIL terung und streuten Falschinformationen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder Nacharbeit Kontakt über Ulrike Schilling: ulrike.schilling@verdi.de A m Vormittag des ersten Tages trafen sie sich an ihren jeweiligen Unis, gingen durch die Büros und veranstalteten Campus-Demos. An- bei Streikteilnahme. Der gemeinsamen Tarif- kommission von ver.di und GEW schlugen sie einen Sondierungstermin vor. Bei den Streikenden W ver.di bildet schließend sammelten sich 1300 zur gemeinsa- stieß das auf wenig Gegenliebe: „Dies ist ein Das ver.di-Weiterbildungs- men Kundgebung am Bebelplatz vor der Hum- dreister Versuch der Hochschulen, die studenti- angebot ist groß – nicht nur für boldt-Universität und protestierten gegen die schen Beschäftigten ohne neues Angebot wieder neue und alte Betriebs- und Blockadehaltung der Hochschulleitungen. an den Verhandlungstisch zurück zu locken“, Personalrät*innen, sondern auch kommentierte ver.di-Tarifkommissions-Mitglied für alle Mitglieder. Die Spann- Insgesamt gab es im Januar und Februar acht Celia Bouali. Der Vorschlag erwecke den Ein- breite reicht von juristischen Warnstreiktage. Die Aktionen waren kreativ und druck, dass die Hochschulen die studentischen Fachseminaren über das Erlernen vielfältig: Besuche bei den Verantwortlichen in Beschäftigten immer noch nicht richtig ernst näh- öffentlichkeitswirksamer Aktio- den Hochschulgremien, Teach- und Sit-Ins, men. „Dann werden wir unsere Forderungen mit nen bis hin zur politischen Ent- Bücherblockaden und Streikgassen vor den Biblio- weiteren Streiks durchsetzen“, so Celia weiter. wicklung in Polen oder Konflikt- theken, um deren Nutzung zu stören. Die Studie- training. Und: Die meisten renden besetzten Räume, schrieben mit Sprüh- Mittlerweile haben die Hochschulen ein neues Seminare sind kostenlos und fin- kreide Slogans auf den Boden, veranstalteten eine Angebot unterbreitet, vielleicht kommt es bald zu den häufig in attraktiver Um- Schnitzeljagd und machten bei Campus- und erneuten Tarifverhandlungen. Trotzdem bereiten 12 gebung statt. Für Spontane gibt Bürorundgängen lautstark auf ihr Anliegen auf- sich die studentischen Beschäftigten auf weitere es Last-Minute-Angebote. merksam. Streiks im Sommersemester vor: „Ohne eine ordentliche Lohnsteigerung und eine dynamische Wer stöbern möchte: Dabei ging es ihnen auch darum, den Arbeits- Lohnentwicklung werden wir nichts unterschrei- https://bildungsportal.verdi.de/ kampf weiter zu demokratisieren. Am fünften ben!“ verdeutlicht Celia. b Streiktag versammelten sich über 400 studenti-
Das gute Beispiel M E L D U N G E N W Tarifrunde im öffent- Hochschulsekretärin lichen Dienst Der dritte Verhandlungs- termin in der Tarifrunde für die zieht vor Gericht Beschäftigten von Bund und Kommunen war für den 15. und 16. April angesetzt – und lag somit nach unserem Redaktions- Die Anforderungen an Hochschulsekre- rung ist bisher nicht möglich, eine Änderung des schluss. Was rausgekommen ist, tär*innen sind in den vergangenen Jahren Berufsbildes nicht vorgesehen – so fassen die lesen Sie auf der ver.di-home- extrem gestiegen – ihre Bezahlung nicht. Forscher*innen der Studie zusammen. Damit ist page: http://www.verdi.de/ Hinzu kommt, dass sie im Alltag in der nun auch wissenschaftlich belegt, was viele Klemme stecken: Ihre unmittelbaren Vor- Personalräte seit Jahren wissen und zu ändern W ver.di unterstützt gesetzten übertragen ihnen komplexe versuchen. March for Science Aufgaben, was die Hochschulleitungen Der March for Science ist nicht zulassen wollen. Nun zieht eine Hinzu kommt ein struktureller Dauerkonflikt. eine internationale Bewegung, Kollegin vor Gericht. Joachim Stieglitz, selbst Hochschulsekretär und die die Freiheit der Wissenschaft nun freigestellter Personalratsvorsitzender der verteidigen will. Auch ver.di ist VON ANGELIKA GERICKE Technischen Universität Hamburg-Harburg, be- hier engagiert. In diesem Jahr schrieb die Situation auf einer Betriebsver- lag der Hauptaktionstag am E ine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat den „Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstüt- zenden Bereichen an Hochschulen“ untersucht. sammlung folgendermaßen: Die Sekretär*innen bekommen von der Institutsleitung bestimmte Tätigkeiten übertragen – was die Hochschul- 14. April. Grund auf die Straße zu gehen gibt es genug: Jeder Versuch, Wissenschaft zu beein- Ganz klar: Die Aufgaben der Beschäftigten in Ver- leitung jedoch ablehnt. „Die Sekretär*innen flussen, zu bagatellisieren oder waltung, Technik, Bibliotheken und Wissen- befinden sich dadurch in einem andauernden für eigene Zwecke zu vereinnah- schaftsmanagement sind komplexer und an- Konflikt. Wer ist ihnen gegenüber weisungsbe- men, ist ein Angriff auf die spruchsvoller geworden. Besonders stark zuge- fugt: ihr täglicher Chef oder die Hochschul- Demokratie. nommen haben die Ansprüche an Hochschul- leitung?“ fragt Stieglitz. Die Hochschulleitungen sekretär*innen. So konstatieren Ulf Banscherus verschlössen die Augen vor den realen An- W Parlament der Arbeit und seine Mitautor*innen, dass „die Tätigkeiten forderungen der Institute, weil sie Geld sparen Unter dem Motto „Solidari- in den Hochschulsekretariaten … insgesamt wollten. Was aber passiert, wenn eine Sekretärin tät-Vielfalt-Gerechtigkeit“ tagt Merkmale der Allzuständigkeit auf(weisen), wie die ihr übertragenen Arbeiten nicht erledigt mit vom 13. bis 17. Mai in Berlin sie insbesondere in Konzepten des New Public dem Hinweis auf die Stellenbeschreibung – sofern das 21. Parlament der Arbeit – Managements für die Dezentralisierung der Kom- es eine gibt? Stellt sich die Hochschulleitung dann der ordentliche Bundeskongress munalverwaltungen angelegt ist. Dies gilt in ers- schützend vor sie – oder unterstützt sie die des Deutschen Gewerkschafts- ter Linie für die Beschäftigten in Instituts- und Institutsleitung? So oder so sei das Arbeits- bundes, an dem auch 129 Fachbereichssekretariaten, in wachsendem Maße verhältnis anschließend nachhaltig gestört, fasste ver.dianer*innen teilnehmen. Sie aber auch für die Sekretariate von Professuren Stieglitz die Konsequenzen zusammen. beschäftigen sich mit knapp 80 und wissenschaftlichen Arbeitsbereichen.“ Anträgen und stellen die inhalt- Gelegentlich ist es zwar gelungen, aufgrund lichen Weichen für die gemein- Es sind ganz überwiegend Frauen, die in den sachlich unabweisbarer Arbeitsinhalte und an- same Arbeit in den kommenden Hochschulsekretariaten arbeiten. Trotz ihrer hand der Entgeltordnung eine Höhergruppierung vier Jahren. anspruchsvollen Tätigkeiten stecken sie in einer durch die Hochschulverantwortlichen zu errei- beruflichen Sackgasse. Eine höhere Eingruppie- chen. Solche Ausnahmen aber sind Ergebnis ge- W Integration durch schickter Argumentationen in Einzelfällen und gemeinsames Kochen keineswegs eine grundlegende Anerkennung der Potpourri holt in München Foto: Werner Bachmeier Arbeitsleistung. einmal monatlich unterschied- liche Kulturen an einen Tisch Aus all diesen Gründen haben sich Betroffene zum gemeinsamen interkulturel- schon vor Jahren in ver.di organisiert. Es ist ein len Kochen. Ob Geflüchtete, Weg der kleinen Schritte: Langsam, aber stetig Leute mit und ohne deutschen vorangehen. Nun hat eine Kollegin aus der Tech- Pass – sie alle kommen hier ins nischen Universität Hamburg-Harburg Klage beim Gespräch und schaffen eine Arbeitsgericht eingereicht. Sie setzt darauf, dass gemeinsame Kultur. 13 die Richter*innen nicht die wirtschaftlichen Rah- https://www.citychurch- menbedingungen, sondern die real von ihr ver- muenchen.de/veranstaltung/p richteten Tätigkeiten zum Maßstab nehmen wer- otpourri/alle/ den. Über den Fortgang des Verfahrens werden wir berichten. b
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