ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
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Inhalt I Einleitung 5 1 Aufgaben und Aufgabenverständnis 5 2 Fortführung der Strategischen Handlungsfelder und des Schwerpunkts zur digitalen Arbeitswelt – neuer Schwerpunkt zur Schnittstelle Infektionsschutz – Arbeitsschutz 6 3 Übergreifende Aspekte der Programmperiode 2022 – 2025 6 II Strategische Handlungsfelder 9 1 Anwendungssichere Chemikalien und Produkte gewährleisten 9 1.1 Chemikaliensicherheit 9 1.2 Sichere Produkte und Arbeitsmittel 11 2 Arbeit im Betrieb menschengerecht gestalten 12 2.1 Biologische und chemische Gefährdungen 12 2.2 Physikalische Faktoren 13 2.3 Körperliche Belastung 14 2.4 Psychosoziale Anforderungen und Ressourcen 14 2.5 Zeit- und ortsflexible Arbeit 15 2.6 Innovative Arbeitssysteme 16 3 Förderung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit – Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen 17 3.1 Verursachung und Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen 17 3.2 Zusammenhänge von Faktoren der Arbeit mit mentaler Gesundheit und Wohlbefinden 18 3.3 Vielfalt und Förderung von beruflicher Teilhabe 19 3.4 Betriebliches Eingliederungsmanagement 20 4 Auswirkungen des Wandels der Arbeitswelt verstehen und Instrumente des Arbeitsschutzes weiterentwickeln 21 4.1 Arbeitsweltberichterstattung 21 4.2 Wirkungen von Instrumenten und Maßnahmen des Arbeitsschutzes 22 III Schwerpunkt: Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt 25 IV Schwerpunkt: Schnittstelle Infektionsschutz – Arbeitsschutz 28 V DASA Arbeitswelt Ausstellung 31 VI Grundsätze und Arbeitsweisen der BAuA 34 Impressum 44 Anmerkung zum Gender-Aspekt Diese Broschüre benutzt eine geschlechtergerechte Sprache. Dort, wo das nicht möglich ist oder die Lesbarkeit stark eingeschränkt würde, gelten die gewählten personenbezogenen Bezeichnungen für alle Geschlechter.
I Einleitung 1 Aufgaben und systematische Verbindung zwischen Forschung Aufgabenverständnis und Entwicklung sowie den anderen wissen- schaftsbasierten Kernaufgaben dargestellt wird. Als Ressortforschungseinrichtung im Geschäfts- Für die notwendige Forschungsbasierung des bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Aufgabenportfolios der BAuA ist weiterhin ein Soziales (BMAS) hat die Bundesanstalt für Arbeits- hoher Anteil der Fachaufgaben für Forschung schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) folgende Kern- und Entwicklung sicherzustellen. Dieses Pro- aufgaben: Die wissenschaftliche Klärung zentraler gramm strukturiert die Aufgabenerfüllung und Fragestellungen auf dem Gebiet der Sicherheit Themenbearbeitung, sichert deren Kohärenz und Gesundheit bei der Arbeit durch Forschung und Kontinuität und beschreibt die fachliche und Entwicklung, die Wahrnehmung gesetzlicher und strategische Weiterentwicklung der BAuA, und hoheitlicher Aufgaben, insbesondere bei der die sich in neuen inhaltlichen und methodischen Regulierung von Chemikalien und Produkten, Schwerpunktsetzungen abbildet. die wissenschaftliche Politikberatung des Bundes und weiterer institutioneller Akteure des Arbeits- Treiber dieser Weiterentwicklung sind neben der schutzes, die adressatengerechte Aufbereitung kritischen Reflexion der eigenen Arbeitsergeb- arbeitsschutzrelevanter Erkenntnisse für den nisse in allen Aufgabenfeldern auch die aus dem Praxistransfer sowie die Vermittlung von Basis- Wandel der Arbeitswelt resultierenden neuen und Orientierungswissen über die Arbeitswelt an Herausforderungen, die sich verändernden ein breites Publikum durch die DASA Arbeitswelt Anforderungen aus Politik, Wissenschaft und Ausstellung. Arbeitsschutz-Community sowie im vorliegen- den Programm auch das dominierende Ereignis Die vielfältigen Aktivitäten zur Umsetzung der SARS-CoV-2-Pandemie. Mit ihrem Arbeits- dieser Kernaufgaben werden von der BAuA in und Forschungsprogramm wird die BAuA nicht einen mittelfristigen, auf vier Jahre ausgelegten zuletzt zu den zentralen Herausforderungen für programmatischen Rahmen gefasst, der seit die europäische Arbeitsschutzpolitik beitragen, 2018 – einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die im kürzlich vorgestellten Strategischen Rah- folgend – die Form eines integrierten Arbeits- men der EU für Gesundheit und Sicherheit am und Forschungsprogramms hat, in dem die Arbeitsplatz 2021 – 2027 formuliert sind. 5
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 2 Fortführung der Strategischen Insgesamt setzt das neue Arbeits- und For- Handlungsfelder und des schungsprogramm darauf, den in der BAuA Schwerpunkts zur digitalen bereits vielfach mit Erfolg praktizierten Ansatz Arbeitswelt – neuer Schwerpunkt fachbereichs- und disziplinübergreifender zur Schnittstelle Infektions- Themenbearbeitung weiter zu stärken. schutz – Arbeitsschutz Das zentrale strukturierende Element des Ar- 3 Übergreifende Aspekte der beits- und Forschungsprogramms 2022 – 2025 Programmperiode 2022 – 2025 bilden weiterhin die vier strategischen Hand- lungsfelder, die in den vergangenen zwei Im Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – Programmperioden etabliert wurden: 2025 gibt es eine Reihe von Aspekten, die sich durch mehrere Handlungsfelder und Aufgaben- 1. Anwendungssichere Chemikalien und bereiche ziehen und insofern für die Aktivitäten Produkte gewährleisten der BAuA von übergreifender Bedeutung sind. 2. Arbeit im Betrieb menschengerecht gestalten Der Themenkomplex „Psychische Gesundheit 3. Förderung von Gesundheit und Arbeits in der Arbeitswelt“ spielte bereits im Programm fähigkeit – Prävention arbeitsbedingter zeitraum 2014 – 2017 eine prominente Rolle, Erkrankungen unter anderem in Form eines befristeten 4. Auswirkungen des Wandels der Arbeitswelt Schwerpunktes. Die dort identifizierten Schlüs- verstehen und Instrumente des Arbeitsschut- selfaktoren für die psychische Gesundheit in der zes anforderungsgerecht weiterentwickeln Arbeitswelt werden auch in der kommenden Programmperiode in verschiedenen Handlungs- Mit Blick auf die oben skizzierte Weiterentwick- feldern und Forschungslinien aufgegriffen und lung und den Empfehlungen des Wissenschafts- untersucht. Dabei geht es zum einen um die rats folgend, werden in den Handlungsfeldern Erforschung von bislang ungeklärten Wirkzu- innovative Themenstellungen aufgegriffen, sammenhängen zwischen zentralen Belastungs- fachliche Akzentuierungen vorgenommen faktoren und Belastungskombinationen sowie und gleichzeitig langfristige Forschungslinien Ressourcen bei der Arbeit einerseits und der konsequent weiterverfolgt. Aufgrund seiner psychischen Gesundheit andererseits. Basierend handlungsfeldübergreifenden strategischen auf diesen Zusammenhängen sollen Gestal- Bedeutung wird der Schwerpunkt „Sicherheit tungsansätze abgeleitet werden. Zum anderen und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“ erfolgt die Weiterentwicklung der Gefährdungs- aus der Programmperiode 2018 – 2021 fort beurteilung als ein wichtiges Instrument des geführt – mit einer stärkeren Fokussierung auf präventionsorientierten betrieblichen Umgangs Fragen der menschbezogenen Folgen der Digita- mit psychischer Belastung. lisierung und des ortsungebundenen Arbeitens mit Informations- und Kommunikationstechno- Ein zentrales Element der Digitalisierung bilden logien. Um Konsequenzen aus den Erfahrungen verschiedene auf Künstlicher Intelligenz (KI) der SARS-CoV-2-Pandemie abzuleiten, wird basierende Technologien, die das Potenzial zusätzlich ein neuer Schwerpunkt zu den fach- haben, Wertschöpfungs- und Arbeitsprozesse lichen Schnittstellen von Infektionsschutz und sowie Tätigkeiten weitreichend zu verändern. Arbeitsschutz etabliert. Darüber hinaus beobach- Positive Wirkungen ergeben sich möglicher- tet die BAuA Entwicklungen in der Arbeitswelt, weise aus einer verbesserten Unterstützung steht in engem Dialog mit Forschung und Politik bei der Ausübung komplexer Aufgaben, wogegen und initiiert zukünftige Forschung und mögliche intransparentes Systemverhalten oder unklare weitere Politikberatung auf Grundlage der ihr Funktionsverteilungen zwischen Mensch und zur Verfügung stehenden fachlichen Kompeten- Technik negativ zu Buche schlagen können. zen und Ressourcen sowie in enger Abstimmung mit dem BMAS. Das schließt auch die mögliche Entwicklung neuer Schwerpunkte ein. 6
Einleitung Die – durchaus widersprüchlichen – Effekte und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“ von KI-Systemen auf die Beschäftigten und den und des Schwerpunkts „Schnittstelle Infektions Arbeitsschutz werden in der Programmperiode schutz – Arbeitsschutz“. Im abschließenden 2022 – 2025 systematisch in den Blick genom- Kapitel zu „Grundsätzen und Prinzipien“ werden men, um die Möglichkeiten einer sicheren, die zentralen Leitideen für die Organisations gesunden und menschengerechten Arbeitsge entwicklung und die Arbeit in den Aufgaben staltung auch unter den Bedingungen der An- feldern dargestellt. wendung solcher Technologien auszuloten und die KI-Strategie der Bundesregierung sowie die Umsetzung des horizontalen Rechtsrahmens der EU in diesem Sinne zu unterstützen. Ent- sprechende Forschungsfragen bedürfen einer handlungsfeldübergreifenden Bearbeitung. Eine strategische Bündelung der KI-bezogenen Forschung wird im Schwerpunktprogramm zur Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt vorgenommen. Qualitativ hochwertige Datengrundlagen sind für die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und die Politikberatung auf dem Gebiet der Sicher- heit und Gesundheit bei der Arbeit von heraus- ragender Bedeutung. Die BAuA wird deshalb in der kommenden Programmperiode den Ausbau und die Nutzung empirischer Datenbestände, insbesondere aus eigenen bzw. unter Beteiligung der BAuA durch geführten großen Erhebungen wie der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (BIBB/BAuA), der BAuA-Arbeitszeitbefragung (AZB) oder der Studie Mentale Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA) weiter vorantreiben. Die Datensätze werden handlungsfeldübergreifend im Rahmen eigener Forschungsprojekte genutzt und der wissenschaftlichen Community über das bisherige Maß hinaus zu weiterführenden For- schungszwecken zugänglich gemacht. Dies wird künftig durch das neu gegründete und beim Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten akkreditierte Forschungsdatenzentrum (FDZ-BAuA) gewähr- leistet. Gemeinsam mit den Erkenntnissen aus Interventions-, Begleit- und Evaluationsstudien werden diese Daten auch genutzt, um die Ins- trumente des Arbeitsschutzes (z. B. Regel- und Vorschriftenwerk, Gefährdungsbeurteilung) weiterzuentwickeln. Die folgende Darstellung beschreibt die Auf- gaben in Forschung und Entwicklung, Politik beratung, Regulierung sowie Transfer und Vermittlung entlang der vier strategischen Hand- lungsfelder sowie des Schwerpunkts „Sicherheit 7
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II Strategische Handlungsfelder 1 Anwendungssichere den zur Identifizierung von Risiken bzw. gefähr Chemikalien und Produkte lichen Produkten intensiv in den Blick. gewährleisten Die BAuA nimmt nach dem Chemikaliengesetz Eine wesentliche Grundlage des Schutzes von (ChemG) eine Reihe wichtiger Aufgaben wahr. Menschen (als Beschäftigte und Verbraucher) Als Bundesstelle für Chemikalien ist sie für die und Umwelt besteht darin, dass nur anwen- Durchführung und Koordinierung der REACH-, dungssicher gestaltete Chemikalien und Produkte CLP-, Biozid- und PIC-Verordnungen auf nationa- in Verkehr gebracht werden dürfen. Dies kann ler Ebene zuständig und wirkt in ihrer Rolle auf beispielsweise durch die geeignete Konstruktion EU-Ebene mit (REACH = Registration, Evalua- von Produkten oder die Herstellung staubarmer tion, Authorisation of Chemicals, CLP = Classi- Verwendungsformen einer Industriechemikalie fication, Labelling and Packaging of Chemical (etwa als Granulat) erreicht werden („safety- Substances and Mixtures, PIC = Prior Informed by-design“). Die Anwendungssicherheit wird Consent). In ihrer Funktion als Bewertungs- unterstützt durch die Festlegung von Schutz stelle für Sicherheit und Gesundheitsschutz der maßnahmen, die – vor allem im gewerblichen Beschäftigten unterstützt die BAuA die Verfahren Bereich – eine sichere und gesundheitlich durch ihre Kompetenz im Bereich des Arbeits- unbedenkliche Handhabung gewährleisten. schutzes. In den nächsten Jahren werden die Mit inakzeptablen Risiken verbundene Produkte „Chemikalienstrategie zur Nachhaltigkeit“ als und Chemikalien sind durch Instrumente der Teil des „Green Deal“ der EU-Kommission Marktüberwachung und Chemikalienregulation und deren Umsetzung auf nationaler und auf von der Vermarktung auszuschließen. EU-Ebene große Herausforderungen darstellen. Die der Gewährleistung von Anwendungssicher- 1.1 Chemikaliensicherheit heit dienenden Anforderungen und Verfahren sind inzwischen größtenteils auf europäischer Entwicklung von Positionen und Konzepten zur Ebene in Form von gemeinsamen verbindlichen neuen Chemikalienstrategie der EU-Kommission Rechtsvorschriften sowie harmonisierten tech in den Rollen als Bundesstelle für Chemikalien nischen Normen geregelt. Bei ihrer Umsetzung (BfC) und als Bewertungsstelle für Sicherheit und und Weiterentwicklung wirkt die BAuA im Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Rahmen europäischer und nationaler Gremien, Im Fokus stehen: Organisationen und Initiativen durch Wahr –– T hemen der Stoffidentifizierung und -regu- nehmung hoheitlicher Aufgaben wie auch durch lierung (Beschränkungen von umfangreichen Politikberatung, Praxistransfer und Forschung Stoffgruppen z. B. per- und polyfluorierten mit. Dabei nimmt sie technische Innovationen Verbindungen) sowohl aufseiten der zu regulierenden Produkte –– der Umsetzung von arbeitsschutzrelevanten und Chemikalien als auch im Bereich der Metho- Änderungen. 9
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 Für die BAuA zentrale Themen sind die Stärkung der Bedeutung und Qualität expo Ausgestaltung der Kriterien für ein sicheres sitions- und verwendungsbezogener Daten in und nachhaltiges Design von Chemikalien und allen gesetzlichen Verfahren, Weiterentwicklung Materialien, die Förderung der Substitution und Standardisierung regulierungsrelevanter (Portal SUBSPORTplus) und die Weiterentwick- Mess-, Prüf- und Bewertungsmethoden. lung der REACH- und CLP-Verordnung. Beide Angestrebt wird die Unterstützung der Stoff Rechtsvorschriften sollen zügig an die geänder- registrierung durch eine umfassende Toolbox ten Rahmenbedingungen der Chemikalienstra zur Bewertung der Exposition am Arbeitsplatz, tegie angepasst werden und erzeugen damit eine systematische Identifizierung und Bewer- einen erhöhten Bedarf an Politikberatung für das tung emissionsarmer Verwendungsformen BMAS und das Bundesministerium für Umwelt, von chemischen Produkten sowie die OECD- Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Standardisierung von Prüfmethoden für Nano- Für den Arbeitsschutz besonders relevant sind und Faserformen von Stoffen. dabei Konzepte für risikobasierte Regulierungen, die Harmonisierung von Grenzwertableitungen Identifikation und Regulierung relevanter sowie die bessere Verfügbarkeit expositions- Risikostoffe und -gruppen bei Industrie und verwendungsbezogener Informationen chemikalien im Rahmen des REACH-Verfahrens. sowie die Einführung neuer Gefahrenklassen. Derzeit liegen in der Datenbank der Europäi- Dabei geht es auch um die Unterstützung schen Chemikalienagentur (ECHA) Daten zu ca. einer rechtssicheren Ausgestaltung der aufgrund 23.000 Stoffen in etwa 100.000 Registrierungen ihrer hohen Persistenz in der Umwelt und der von Unternehmen vor. Auf der Basis dieser In- Gefährdung für die menschliche Gesundheit formationen sollen besonders besorgniserregen- geplanten Beschränkungsmaßnahmen für mehr de Stoffe identifiziert werden, um diese – unter als 4.000 per- und polyfluorierte Stoffe (PFAS). Anwendung des Initiativrechts der Mitgliedstaa- ten – einer EU-weiten Regulierung zuzuführen. Die federführende Rolle der BfC bundesweit und international stärken, die Nationale Aus Harmonisierte, verbindliche Einstufung nach der kunftsstelle als die Kontakt- und Kompetenzstelle CLP-Verordnung in der EU weiter vorantreiben. zu Chemikaliensicherheit weiter profilieren. Das Verfahren zur harmonisierten Einstufung Durch fachliche Unterstützung und moderieren- und Kennzeichnung von Stoffen ist ein Kern de Ausgestaltung gemeinsamer Konzepte und element der Aktivitäten und Regelungen für den Positionen der Fachbehörden und deren Vertre- sicheren Umgang mit Stoffen. Durch die Bewer- tung gegenüber der Bundesregierung, der ECHA tung einer größeren Anzahl von Stoffen und die und der EU-Kommission sowie durch eine stär- Initiierung von Verfahren zur harmonisierten, kere Ausrichtung der Nationalen Auskunftstelle verbindlichen Einstufung nach Anhang VI auf Rechtsadressaten und den entsprechenden der CLP-Verordnung trägt die BAuA zur Anwen- Austausch mit den Bundesländern soll die Rolle dungssicherheit von Stoffen in der EU bei. der BfC als „Competent Authority“ weiter ausge- In ihrer Rolle als Vertreterin der Bundesregie- baut werden. rung treibt sie beispielsweise auch die Weiter entwicklung des UN GHS (Global Harmonisier- Entwicklung einer kohärenten europäischen tes System zur Einstufung und Kennzeichnung Regulierungsstrategie für Faserstäube. von Chemikalien) voran. Im Rahmen einer Risikomanagement- Optionsanalyse (RMOA) sollen – unterstützt Überprüfung von Biozidprodukten forcieren durch eigene Forschungsergebnisse und eine und Bewertungsmaßstäbe weiterentwickeln. Arbeitsgruppe der Bundesoberbehörden als Die Überprüfung von Biozidprodukten im Frühwarnsystem – kohärente und präventive Rahmen der Zulassungsverfahren auf nationaler Regulierungsansätze zum Schutz vor kanzeroge- und europäischer Ebene soll weiter vorangetrie- nen Faserstäuben im Rahmen der Europäischen ben werden. Im Rahmen des Prüfprogramms Chemikaliensicherheit und des Arbeitsschutzes für Altwirkstoffe sind in den nächsten Jahren identifiziert und bewertet werden. verstärkt Erstbewertungen abzuschließen und 10
Strategische Handlungsfelder im EU-Verfahren einzureichen. Zugleich erfolgt zugleich durch Externe angreifbar. Die hieraus eine Weiterentwicklung der Maßstäbe für die resultierenden Sicherheitsrisiken sind in einer Bewertung und das Risikomanagement, um so umfassenden Sicherheitsbetrachtung und Risiko- möglichst sichere Produkte auf dem Markt zu beurteilung zu berücksichtigen, da auch Konflik- gewährleisten. te zwischen beiden Sicherheitsaspekten auftreten können. Zusammen mit externen Partnern Zunehmende Zielkonflikte durch Einschrän sollen langfristig die Grundlagen für umfassende kungen im Biozidzulassungsverfahren aufgreifen Sicherheitsbetrachtungen geschaffen werden. und systematisieren. Zielkonflikte können durch vermehrte Weiterentwicklung von Methoden zur um Einschränkungen bzw. die Nicht-Zulassung fassenden Risikobeurteilung und sicheren von bedeutenden Biozidprodukten entstehen. Gestaltung von komplexen vernetzten cyber- Aufgrund von in der Zulassung identifizierten physischen Systemen. Risiken für Mensch und Umwelt bei der An Cyber-physische Systeme (CPS) besitzen u. a. wendung kann dies dazu führen, dass z. B. durch ihre Vernetzung eine große Anwendungs- im Fall von Seuchen wichtige Produkte nicht variabilität, die eine dynamische Anpassung von mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Konstellationen und Betriebsparametern sogar Solche Zielkonflikte sollen rechtzeitig sichtbar während des Betriebs ermöglichen. Die erforder- gemacht und diskutiert werden. liche Risikobeurteilung stößt dabei aufgrund der hohen Komplexität und des dynamischen 1.2 Sichere Produkte und Arbeitsmittel Verhaltens des Gesamtsystems an ihre Grenzen. Hierzu werden erste Grundlagen einer Risiko Analyse der Einsatzmöglichkeiten und -grenzen beurteilung entwickelt und deren grundsätzliche intelligenter Verfahren zur Verarbeitung und Anwendbarkeit analysiert. Analyse online verfügbarer Datenmengen zur Identifizierung und Kategorisierung gefährlicher Formulierung von Anforderungen an KI-basierte Produkte. Produkte und Systeme aus der Sicht des Sichere Produkte und Arbeitsmittel sind eine Arbeitsschutzes und Ableitung von konstruk erfolgskritische Voraussetzung für den effekti- tivem Wissen. ven Arbeitsschutz. Aufgrund der zunehmenden Im komplexen und umfangreichen Themenfeld Produktvielfalt, u. a. als Folge des Onlinehandels, KI beinhaltender Arbeitsmittel und -systeme fin- sind zukünftig verstärkt Hilfsmittel zur Identi det, wie in der KI-Strategie der Bundesregierung fizierung gefährlicher Produkte erforderlich. beschrieben, umfangreiche Forschung in ver- Zur Analyse der großen Datenmengen und ver- schiedenen Leitzentren für Forschung, Innova- fügbaren Informationen bieten sich hierzu mit- tion und Exzellenz statt. Um hierauf aufbauend tel- und langfristig softwaregestützte Verfahren, anwendungsnahes Wissen zu Arbeitsschutz speziell der KI, an. Ziel ist es, geeignete KI-Ver- aspekten ableiten zu können, ist eine kontinu- fahren zur Analyse der umfangreichen und we- ierliche Begleitung des Themas, aber auch die nig strukturierten Informationen über Produkte Identifizierung spezifischer, offener Forschungs- pilothaft zu untersuchen und die prototypischen fragen aus Arbeitsschutzperspektive erforderlich. Analysetools für ausgewählte Datenquellen und Im Programmzeitraum sollen erste fachliche Datenbanksysteme zu erproben. Beiträge zum EU-Rechtsakt zu KI entwickelt und operative Strukturen zur mittel- und langfristi- Weiterführung der Untersuchung des gen Umsetzung – im Rahmen der zukünftigen Zusammenhangs zwischen funktionaler nationalen Arbeitsteilung und auf Basis entspre- Sicherheit (Safety) und IT-Sicherheit (Security) chender Ressourcen – aufgebaut werden. mit Beispielen des Internet-of-Things (IoT). Produkte des IoT, aber auch moderne Maschi- nen und Arbeitssysteme zeichnen sich durch Möglichkeiten zur IT-Vernetzung mit weiteren Systemen aus. Diese Vernetzung macht sie aber 11
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 2 Arbeit im Betrieb dienen der Weiterentwicklung der Vorschriften menschengerecht gestalten und Regelwerke, sind Grundlage für Praxishilfen und Empfehlungen und tragen dazu bei, die Die BAuA erforscht in diesem Handlungsfeld betriebliche Praxis bei der Durchführung der die Chancen und Risiken neuer Arbeitsformen Gefährdungsbeurteilung zu unterstützen. und Technologien sowie den Umgang mit Gefährdungs- und Belastungsfaktoren in 2.1 Biologische und chemische Unternehmen. Diese reichen von biologischen Gefährdungen und chemischen Gefährdungen über physi- kalische Faktoren der Arbeitsumgebung und Beratung des BMAS zur Überarbeitung der körperliche Belastungen bis zu psychosozialen Gefahrstoffverordnung mit geänderten Anforderungen und Ressourcen. Zunehmend Regelungen zu Asbest und zum Risikokonzept stehen dabei auch Wirkungszusammenhänge für Kanzerogene einschließlich der Weiter zwischen einzelnen Belastungsfaktoren und die entwicklung der zugehörigen Methoden. Anwendung der Erkenntnisse bei der betrieb Die BAuA wird u. a. Beiträge zur Anpassung lichen Gefährdungsbeurteilung im Mittelpunkt. der Messverfahren für Asbest am Arbeitsplatz Ziel ist es, vor dem Hintergrund des technolo (Messung auch geringer Konzentrationen, gischen Wandels die Weiterentwicklung von Erfassung dünner Fasern, (Teil-)Automatisierung Standards der Arbeitsgestaltung wissenschaftlich der Probenauswertung durch KI-Methoden zur zu fundieren sowie Betriebe bei der Beurteilung Bilderkennung) leisten. Das Risikokonzept für von Gefährdungen und der Gestaltung men- Kanzerogene wurde von der BAuA mitentwickelt schengerechter Arbeit durch wissenschaftlich und in der Umsetzung unterstützt. Mit der No- fundierte Instrumente und erprobte Vorgehens- velle soll nun die Implementierung in Deutsch- weisen zu unterstützen. land vollendet werden. Vor allem der Einsatz Künstlicher Intelligenz Unterstützung der Gefährdungsbeurteilung (KI) und darauf basierender innovativer Tech für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durch nologien führen zu nachhaltigen Veränderungen Aktualisierung der Schutzleitfäden des Einfachen der Arbeitswelt mit potenziell weitreichenden Maßnahmenkonzeptes Gefahrstoffe (EMKG). Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesund- Die Verbreitung des EMKG soll durch ein heit von Beschäftigten. Zwar ist grundsätzlich „Starterset“ für Klein- und Kleinstunternehmern nicht davon auszugehen, dass menschliche weiter erhöht werden, die Schutzleitfäden zur Arbeit im Zuge der digitalen Transformation Emissionsminderung an der Quelle (Maßnah- vollständig ersetzt wird. Diese stellt auch menstufe 2) werden überarbeitet und an den weiterhin einen zentralen Teil der Arbeitswelt Stand der Technik angepasst. dar. Allerdings verändern sich mit dem zuneh- menden Einsatz KI-basierter Technologien und Leitung der Initiative „Roadmap on Carcinogens“ Arbeitssysteme die Aufgaben und Tätigkeiten, (RoC 2.0) als Beitrag der EU zum Schutz die Menschen im Rahmen ihrer Arbeit überneh- vor Kanzerogenen auf betrieblicher Ebene und men, mitunter deutlich. Diese Aufgabenverän- Unterstützung des Arbeitsprogramms der derung stellt eine zentrale Herausforderung für Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie den Arbeitsschutz einschließlich der Gestaltung (GDA) „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden menschengerechter Arbeit im Betrieb dar. Gefahrstoffen“. Die RoC ist ein freiwilliges europäisches Die Aktivitäten der BAuA im Handlungsfeld Aktionsprogramm von staatlichen Stellen und sind durch die Kooperationen verschiedener Sozialpartnern zur Entwicklung und zum wissenschaftlicher Disziplinen geprägt. Sie zie- Austausch guter Praxisbeispiele, um Risiken len sowohl auf die grundlegende Ermittlung der bei berufsbedingter Exposition gegenüber Technikfolgen als auch auf die Erprobung neuer krebserzeugenden Gefahrstoffen zu verringern. Lösungsvorschläge für den Arbeitsschutz und Derzeit werden 12 Projekte in vier Themenfel- ihrer betrieblichen Evaluation; ihre Ergebnisse dern bearbeitet, der Zeithorizont reicht bis 2024. 12
Strategische Handlungsfelder Darüber hinaus unterstützt die BAuA mit ihrer erstrecken sich über den Bereich der Geräusch Facharbeit das Ziel des Arbeitsprogramms der emissionen, der akustischen Bewertung und GDA, Gefährdungen am Arbeitsplatz durch Gestaltung von lärmarmen Produkten und krebserzeugende Gefahrstoffe zu minimieren Arbeitssystemen sowie den Beanspruchungen und möglichst zu verhindern. in Folge extra-auraler Wirkungen von Lärm. Bei Fragen der Lichtwirkung stehen Effekte Ergänzung des Methodeninventars durch innovativer optischer Systeme im Vordergrund. „Omics“-Methoden und Zellkulturmodelle Diese beziehen sich einerseits auf die fotobiolo- zur Messung und Bewertung der toxischen gische Sicherheit und andererseits auf physiolo- Eigenschaften von Bioaerosolen an unter gisch-psychologische Wirkungen, beispielsweise schiedlichen Arbeitsplätzen. hinsichtlich kognitiver Beanspruchung und Bisher gibt es keine standardisierten Methoden Ermüdung. zur praktikablen Messung und Bewertung der Toxizität von Bioaerosolen an Arbeitsplätzen. Klimawandel und die Auswirkungen auf die „Omics“-Methoden und Zellkulturmodelle sind Arbeitsbedingungen. hierzu vielversprechende Ansätze, die weiter In diesem Themenfeld nimmt die BAuA die entwickelt werden sollen. „Omics“-Methoden Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeits- beschäftigen sich mit der Analyse der Gesamt- bedingungen in den Blick. Der Klimawandel heit definierter Molekülarten, Proteomics z. B. stellt Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit mit der Analyse der Gesamtheit aller Proteine vor neue Herausforderungen, die es gilt zu in einer Probe. Durch Forschungsvorhaben wer- benennen. In einer Meta-Analyse zum Thema den die Proteomics-Methoden zur Expositions- Klimawandel und Arbeitsschutz mit Fokus auf erfassung z. B. gegenüber Toxinen biologischen den betrieblichen Kontext und die betrieblichen Ursprungs weiterentwickelt, um diese in kom- Herausforderungen wird der aktuelle Stand der plexen Bioaerosolen zu identifizieren. Für die Forschung gesichtet. Hierbei sind alle möglichen Überprüfung der potenziellen Toxizität werden Gefahren zu berücksichtigen, wie z. B. Hitze parallel Zellkulturmodelle mit dem Fokus auf und UV-Strahlung bis hin zur Ausbreitung von der Air-Liquid-Interface(ALI)-Technik etabliert, Vektoren, die Infektionskrankheiten übertragen die die Wirkung von Bioaerosolen in der Lunge können (s. Schwerpunkt Schnittstelle Infektions- widerspiegeln sollen. Diese Modelle sind für die schutz – Arbeitsschutz). Expositionsbewertung notwendig, sollen aber gleichzeitig auch etabliert werden, um bei der Um mögliche Auswirkungen des Klimawandels wissenschaftlichen Einstufung von Krankheits auf den Arbeitsschutz frühzeitig zu erkennen, erregern transparente Ergebnisse zur Kennzeich- wird weiterer Forschungsbedarf mit Bezug nung als Toxinbildner zu liefern. Möglichkeiten auf künftige Herausforderungen für Sicherheit des Transfers der Erkenntnisse in die Arbeit und Gesundheit in der Arbeitswelt identifiziert des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe und aufbereitet. Auf Basis der zur Verfügung (ABAS) und in die Praxis werden geprüft. stehenden Erkenntnisse trägt die BAuA zur Politikberatung in diesem in der politischen und 2.2 Physikalische Faktoren öffentlichen Diskussion an Bedeutung zuneh- menden Themengebiet bei. Weiterführung der Themen in den Forschungs- schwerpunkten zur Auswirkung physikalischer Untersuchung multifaktorieller Aspekte in Faktoren der Arbeitsumgebung im Hinblick auf realitätsnahen Arbeitsumgebungen. die Beurteilung und Minimierung der relevanten Die Kombination unterschiedlicher physikali- Gefährdungsfaktoren. scher Faktoren der Arbeitsumgebung ist bislang Hierzu zählen primär die Faktoren Lärm, wenig erforscht. In experimentellen Arbeitsum- optische Strahlung und klimatische Gegeben- gebungen, die gezielt realitäts- und praxisnah heiten am Arbeitsplatz sowie – aufgrund der gestaltet sind, sollen daher Kombinationen Pandemie – verstärkt auch die Frage der Lüftung. von Einflussfaktoren und deren Wirkung auf Akustische Fragestellungen in der Arbeitswelt Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten 13
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 untersucht werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei 2.4 Psychosoziale Anforderungen auf Parametern des Klimas in Arbeitsräumen, und Ressourcen speziell der Luftströmung, Raumtemperatur und Luftfeuchte, und deren Kombination mit Erweiterung des Gestaltungswissens zu weiteren Umgebungsparametern wie Licht und Schlüsselfaktoren für die psychische Gesundheit Lärm sowie weiteren Raumparametern, z. B. in der Arbeitswelt und deren Zusammenwirken. unterschiedlichen Arbeitsplatzkonfigurationen. Insbesondere geht es um Die Ergebnisse sollen auch zur Parametrisierung –– Arbeitsintensität, vor allem Zeit- und Leis- und Verifizierung von Simulationsmodellen, tungsdruck, Informationsflut sowie Erholung, z. B. aus der Raumlufttechnik, genutzt werden. –– soziale Beziehungen und –– Führung. 2.3 Körperliche Belastung Im Rahmen des Projekts „Psychische Gesund- Anpassung und bei Bedarf Weiterentwicklung heit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche der Leitmerkmalmethoden (LMM). Standortbestimmung“ (vgl. Forschungspro- In der handlungsfeldübergreifenden For gramm der BAuA 2014 – 2017) wurden Anforde- schungslinie „Prävention der Folgen körperlicher rungen und Ressourcen identifiziert, die sich als Fehlbelastungen im Beruf“ (siehe auch Themen- wichtige gestaltungsrelevante Schlüsselfaktoren feld 3.1) wird die Anpassung und bei Bedarf für die psychische Gesundheit erwiesen haben. auch Weiterentwicklung der in der Programm Gleichzeitig zeigt der bisherige Erkenntnis- periode 2018 – 2021 erarbeiteten Leitmerkmal stand, dass das verfügbare empirisch gesicherte methoden (LMM) angestrebt, z. B. durch die inte- Gestaltungswissen zu diesen Faktoren noch grative Beurteilung körperlicher Belastungsarten, immer lückenhaft ist. Dabei fehlt es insbeson- die ganzheitliche Betrachtung von körperlichen dere an praxisnahen Studien, in denen nicht zusammen mit anderen Arbeitsbelastungen nur einzelne Anforderungen oder Ressourcen (wie psychosozialen) und die Berücksichtigung in den Blick genommen werden, sondern auch weiterer Belastungsarten wie körperliche Unter- das Zusammenwirken mit betrieblich relevanten forderung. Einflussfaktoren betrachtet wird. Ziel ist daher, das empirisch begründete Gestaltungswissen Verstärkung des nationalen und europäischen zu den genannten Schlüsselfaktoren zu ergän- Praxistransfers und der Verknüpfung der zen und die vorhandenen Erkenntnisse für die LMM mit modernen Messtechnologien sowie betriebliche Praxis verfügbar zu machen. Unterstützung des Arbeitsprogramms Muskel- Mit den Ergebnissen wird auch das Arbeitspro- Skelett-Belastungen (MSB) der GDA. gramm „Psyche“ der GDA in der derzeitigen Verstärkt wird der Praxistransfer der Gefähr- 3. Programmperiode weiterhin unterstützt. dungsbeurteilung bei körperlicher Belastung auf nationaler und europäischer Ebene vor allem Konkret wird das Thema Arbeitsintensität mit im Rahmen des Arbeitsprogramms Muskel- den Facetten Zeit- und Leistungsdruck sowie Skelett-Belastungen der GDA und der Kampagne Informationsflut als wichtigen Größen für die der Europäischen Agentur für Sicherheit und betriebliche Gestaltungspraxis weiterverfolgt. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) Außerdem sollen empirisch gesicherte Erkennt- zu musculo-skeletal disorders (MSD). Angestrebt nisse zur Pausen- und Erholungsgestaltung wird die Verknüpfung der Gefährdungsbeurtei- (siehe auch Themenfeld 3.2) als Ressource bei lung auf Basis der LMM mit modernen Metho- hoher Arbeitsintensität erarbeitet werden mit den der Erfassung körperlicher Belastung und dem Ziel, die Wirksamkeit von Gestaltungs Beanspruchung, insbesondere mit Wearable optionen zu überprüfen. Weiterhin sollen soziale Sensors (tragbarer Sensorik). Hierfür sollen Beziehungen (v. a. im Hinblick auf veränderte auch europäische Kooperationen, etwa im Rah- Tätigkeiten durch die Digitalisierung) untersucht men des PEROSH-Netzwerks (Partnership for werden, um präventive Strategien gegen eine European Research in Occupational Safety and Verminderung von Ressourcen zu entwickeln. Health) genutzt werden. 14
Strategische Handlungsfelder Die vorhandenen Forschungserkenntnisse Entsprechend des Bedeutungszuwachses zur gesunden Führung werden in geeigneten wird die menschengerechte Gestaltung Formaten für die Praxis aufbereitet und sollen der – zunehmend technikvermittelten – zukünftig auch stärker in die Politikberatung – Interaktionsarbeit auf bauend auf bisherigen z. B. in die Debatte um die psychische Gesund- Erkenntnissen weiterverfolgt. heit – einfließen. Offene Forschungsfragen Interaktionsarbeit bezeichnet die Kommunika- existieren hinsichtlich der Auswirkungen des tion und Kooperation von Erwerbstätigen mit organisatorischen Wandels auf die Führungs anderen (zumeist betriebsexternen) Personen- arbeit: So werden neue Formen der Führung gruppen. Die derzeit bestehenden Lücken in der und der Zusammenarbeit immer relevanter, Erkenntnislage zur Rolle von Kundinnen und z. B. im Rahmen virtueller Führung, Shared Kunden oder vergleichbaren Gruppen und die da- Leadership und Selbststeuerung. Darüber hinaus mit jeweils einhergehende psychische Belastung stellen neue Formen der Zusammenarbeit auch und Beanspruchung der Erwerbstätigen sollen neue Anforderungen an die Selbststeuerung durch entsprechende Forschung gefüllt werden. von Beschäftigten sowie an das Verhalten und Einen Schwerpunkt bilden neben den besonde- das Rollenverständnis der Führungskräfte. ren Anforderungen in der Arbeit mit Menschen Welche Auswirkungen dies auf das Wohlbefin- und deren Auswirkungen auf Beschäftigte eben- den und die Gesundheit von Führungskräften so betriebliche und gesellschaftliche Kontexte, und Beschäftigten hat, soll näher untersucht die das Interaktionsgeschehen beeinflussen. werden. Dabei soll insbesondere das (Un-) Gleichgewicht von (neuen) Anforderungen und 2.5 Zeit- und ortsflexible Arbeit Ressourcen auf den Prüfstand gestellt werden. Chancen und Risiken verschiedener Formen „Menschengerechte Arbeitsorganisation im flexibler Arbeitszeiten und von ortsflexibler Gesundheitswesen“ erweitert die bislang Arbeit werden im Hinblick auf unterschiedliche transferorientierte Arbeit zu Sicherheit und Beschäftigtengruppen näher betrachtet und Gesundheit in der beruflichen Pflege um Gestaltungsempfehlungen ebenso wie mögliche eine neue spezifische Forschungsperspektive Regelungslücken abgeleitet. zur menschengerechten Arbeitsgestaltung, Flexible Arbeitszeiten, aber auch ortsflexible insbesondere zu psychosozialen Anforderungen Arbeit (wie Telearbeit, mobiles Arbeiten) haben und Ressourcen. durch Globalisierung und Digitalisierung an Das Gesundheitswesen ist auf verschiedenen Bedeutung gewonnen und tragen auch dem Ebenen zunehmend im Fokus (Konzertierte Wunsch vieler Beschäftigter nach einer besse- Aktion Pflege [KAP], Nationale Präventions- ren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben Konferenz [NPK], Rat der Arbeitswelt, SARS- Rechnung. Während einige Beschäftigten- CoV-2-Pandemie). Die BAuA verfügt in diesem gruppen über vergleichsweise viele Flexibili- Themenfeld über langjährige Expertise und baut tätsmöglichkeiten verfügen, sind andere eher diese im Bereich Forschung weiter aus. Bei der mit Flexibilitätsanforderungen konfrontiert. Forschungslinie „Menschengerechte Arbeits- In diesem Kontext werden die Grenzen von organisation im Gesundheitswesen“ geht es um Flexibilitätsmöglichkeiten (z. B. bei interessier- die Untersuchung von Arbeits- und Organisati- ter Selbstgefährdung), aber auch Optionen zur onsmerkmalen sowie Belastungskonstellationen gesundheitsgerechten Gestaltung von Flexi- in spezifischen Settings des Gesundheitswesens bilitätsanforderungen näher betrachtet, um (v. a. der Pflege), deren Wechselwirkung mit Aufschluss über die jeweiligen gesundheitsbezo- arbeitsrelevanten individuellen Faktoren und genen Folgen und damit verbundenen Gestal- Beanspruchungsfolgen sowie um die vertiefende tungsmöglichkeiten zu gewinnen. Des Weiteren Analyse der Rahmenbedingungen und Folgen soll die Rolle der Präsenz und direkten Kommu- des Einsatzes digitaler Technologien für die nikation für eine gute gestaltete Arbeit systema- Arbeitsorganisation. Einen inhaltlichen Schwer- tisch betrachtet und entsprechende Gestaltungs- punkt bilden Erholungsbedingungen und anforderungen (z. B. für verschiedene Formen -strategien (hier Vernetzung zu Themenfeld 3.2). der Interaktionsarbeit) abgeleitet werden. 15
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 Mit dem Ziel, die etablierten arbeitswissenschaft Arbeitsschutzaspekte werden derzeit primär lichen Erkenntnisse zur Arbeitszeitgestaltung beim Betrieb oder der Einrichtung von Arbeits- aktuell zu halten, sollen die Auswirkungen des stätten berücksichtigt. Das Themenfeld erweitert Wandels der Arbeit auf atypische Arbeitszeitformen die Perspektive und untersucht die Möglich (insb. Schichtarbeit, Rufdienste) erfasst und keiten der Integration von Arbeitsschutzanfor Gestaltungsoptionen entwickelt werden. derungen und Arbeitsschutzmaßnahmen in Es bestehen bereits umfassende arbeitswissen- digitale Systeme für die vernetzte Planung, den schaftliche Erkenntnisse zur Gestaltung unter- Bau und die Bewirtschaftung von Bauwerken. schiedlicher atypischer Arbeitszeitmodelle, die Dies resultiert in einem breiten Spektrum auch regelmäßig aktualisiert werden. So war die verschiedener Anforderungen und Rahmen- BAuA z. B. in unterschiedlicher Weise an der bedingungen, welche durch entsprechende Erstellung der Leitlinie zur Nacht- und Schicht Verfahren und Technologien adressiert werden. arbeit der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- Beispielhaft werden hierzu das Building Infor- und Umweltmedizin beteiligt, in deren Entste- mation Modeling untersucht und Implikationen hung noch weitere Fragen (z. B. nach tätigkeits für den Arbeitsschutz abgeleitet. spezifischen Gestaltungshinweisen) identifiziert wurden. Der stetige Wandel der Arbeit und der Weiterführende Untersuchung der Mensch- Arbeitsanforderungen erfordert es außerdem, Roboter-Zusammenarbeit vor dem Hintergrund die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse neuer Sensortechnologien, Datenverarbeitungs regelmäßig zu aktualisieren und anhand neuer algorithmen und flexibler/adaptiver Automa Entwicklungen zu prüfen. Dies gilt in besonderer tisierung und Aufgabenzuordnung. Weise für die Schichtarbeit, aber ebenso für Ruf- Neue Robotertechnologien, einschließlich und Bereitschaftsdienste. den Menschen unterstützende Exoskelette, gewinnen weiter an Flexibilität und adaptive 2.6 Innovative Arbeitssysteme algorithmische Funktionen lassen sich in die Systeme integrieren. So eröffnen sich neue Analyse und Weiterentwicklung von umfassen Spielräume einer flexiblen Mensch-Roboter- den Verfahren der Modellierung und Simulation Zusammenarbeit, die für eine menschen bei Entwurf, Gestaltung und Planung von gerechte, lernförderliche Aufgabengestaltung Arbeitssystemen und Arbeiten. genutzt werden sollten. Dazu werden grund Der Einsatz von Modellbildung und Simulation legende Konzepte entwickelt, um Beispiele zur prospektiven Arbeitsgestaltung und -planung guter Umsetzung aufzeigen zu können. erstreckt sich bereits jetzt über verschiedene Elemente und Ebenen von Arbeitssystemen. Analyse und Gestaltung der Mensch-Technik- Die bereits vorhandenen Ansätze der digita- Interaktion, insbesondere bei Dienstleistungs- len Ergonomie zur Menschmodellierung und und Wissensarbeit unter Berücksichtigung -simulation werden weiterentwickelt. Innova- smarter Informations- und Kommunikations tive Methoden der virtuellen Anthropometrie, technologien. beispielsweise durch 3-D-Laserscans, sind hier Dienstleistungs- und Wissensarbeit verändern zukunftsweisend und liefern aktuelle, notwendi- sich im Zuge der Digitalisierung stark. ge Daten für die Modellierung und Simulation Dies bezieht sich auf Tätigkeiten, die sich z. B. von Arbeitssystemen. Eine neue Herausforde- durch die Integration von KI-Systemen ändern, rung liegt aktuell weiterhin in der Abbildung kog- aber auch auf die Wertschöpfungsprozesse nitiver Funktionen. In diesem Kontext werden insgesamt. Vernetzte, agile Strukturen gewinnen aktuelle Ansätze analysiert mit dem Ziel, zur auf allen Ebenen von Organisationen immer komplexen Modellbildung in diesem Themenfeld mehr an Bedeutung. Sie stellen neue Anforde- beizutragen und diese voranzubringen. rungen hinsichtlich einer nachhaltig gesunden Ausgestaltung. Das Tätigkeitsfeld der innovativen Weiterentwicklung der Erkenntnisse und Arbeitssysteme erfordert eine enge Zusammen- Möglichkeiten zur Integration von Arbeitsschutz arbeit, in der Regel in Form von Konsortien, mit aspekten in prozessuale Planungsmethoden für wissenschaftlichen und Praxispartnern, auch über Arbeitsplätze und -stätten. die nationalen Grenzen hinweg. 16
Strategische Handlungsfelder 3 Förderung von Gesundheit und Dementsprechend wird nicht nur das Wiederein- Arbeitsfähigkeit – Prävention gliederungsgeschehen bei psychischer Erkran- arbeitsbedingter Erkrankungen kung beschrieben, sondern es werden weiterhin Konzepte des betrieblichen Eingliederungs- Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit und managements, Return-to-Work-Ansätze und die Arbeitsfähigkeit erhalten und fördern, Angebote der Nachsorge auf ihre Verbreitung sind ein wesentliches Element der Prävention und Wirksamkeit hin untersucht. arbeitsbedingter Erkrankungen und ein entschei- dender Faktor für die Sicherung der Teilhabe am Darüber hinaus soll den gesundheitlichen Erwerbsleben. Für einen modernen präventiven Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeits- Arbeits- und Gesundheitsschutz, der Präven welt auf die Erwerbsbevölkerung nachgegangen tionspotenziale umfassend ausschöpft, sind die werden, wobei auch das Präventionspotenzial körperlichen, mentalen und sozialen Dimen digitaler Technologien betrachtet wird. Da die sionen von Gesundheit und ihre multifaktori- zunehmende Heterogenität der Erwerbsbevöl- ellen Determinanten aus Person und (Arbeits-) kerung ein prägendes Merkmal der modernen Umwelt interdisziplinär zu betrachten, um das Arbeitswelt darstellt, zielt ein weiterer Arbeits- dynamische Kontinuum zwischen Gesundheit schwerpunkt darauf ab, ein besseres Verständnis und Krankheit in Richtung des Erhalts und der für die Voraussetzungen, Bedürfnisse und Förderung von Gesundheit zu verschieben. Vulnerabilitäten spezifischer Erwerbstätigen- gruppen sowie deren Zusammenhänge mit Hierfür betrachtet das Handlungsfeld 3 die Pri- der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu mär-, Sekundär- (arbeitsmedizinische Vorsorge) gewinnen. und Tertiärprävention (Return-to-Work [RTW], Betriebliches Eingliederungsmanagement [BEM]) Zur Erreichung eines effektiven Gesundheits- gemeinsam. Präventionsmaßnahmen setzen schutzes arbeitet die BAuA mit anderen Wissen- Kenntnisse über die ursächlichen Zusammen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern, Instituti- hänge zwischen Arbeit und Gesundheit voraus. onen und Ressorts zusammen, um aufbauend Dazu werden epidemiologische Longitudinalstu- auf den Eckpunkten der Public-Health-Strategie dien genutzt (v. a. Studie zur mentalen Gesund- für Deutschland von 2021 systematisch die heit bei der Arbeit [S-MGA], Gutenberg-Gesund- Sicherung und Förderung der Gesundheit der heitsstudie [GHS]) sowie weitere Methoden der Beschäftigten zu stärken („Health-in-all-Policies- evidenzbasierten Arbeitsmedizin (v. a. syste- Ansatz“). matische Reviews). Ausgehend von der sozio- ökonomischen Relevanz und der Prävalenz in 3.1 Verursachung und Prävention der Erwerbsbevölkerung stehen Muskel-Skelett-, arbeitsbedingter Erkrankungen Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen sowie Beeinträchtigungen der psychischen Ge- Fortsetzung des Monitorings körperlicher sundheit im Mittelpunkt. Belastung und assoziierter Beanspruchung sowie Untersuchung ausgewählter arbeits Aufgrund der zunehmenden Anzahl von medizinisch relevanter ätiologischer Fragen mit Beschäftigten mit Vorerkrankungen erfolgt Fokus auf Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie weiterhin die Untersuchung der Arbeits- und Evaluation von Ansätzen der ganzheitlichen Funktionsfähigkeit sowie der Erwerbsteilhabe arbeitsmedizinischen Vorsorge. mit dem Ziel, Beiträge zur Senkung des Arbeits- Arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen unfähigkeits- und Frühverrentungsgeschehens bleiben, wie auch im neuen Strategischen Rah- zu leisten. men der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021 – 2027 formuliert, aufgrund Bei bereits vorliegender Erkrankung ist eine der hohen sozio-ökonomischen Bedeutung ein gelingende Wiedereingliederung in das Erwerbs- Schwerpunkt. Mit Fokus auf Muskel-Skelett leben ein Ziel von hoher individueller, unter- Erkrankungen werden das Monitoring körperli- nehmerischer und sozialpolitischer Bedeutung. cher Belastung und assoziierter Beanspruchung 17
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025 fortgesetzt und ausgewählte arbeitsmedizinisch weiblichen Beschäftigten, mit dem Einsatz neuer relevante ätiologische Fragen untersucht. Materialien sowie mit der Digitalisierung in Der ganzheitliche Ansatz arbeitsmedizinischer der Arbeitswelt einhergeht, zu berücksichtigen. Vorsorge wird anhand der Thematik Muskel- Um die Qualität der Anerkennungsentschei- Skelett-Erkrankungen exemplarisch untersucht. dungen sicherstellen zu können, sollen mit der 2021 neu eingerichteten Wissenschaftlichen Wissenschaftliche Begleitung von Interven Geschäftsstelle des ÄSVB in weit größerem Maß tionen zur sedentären Arbeit und deren Wirkung als bisher auf Grundlage von epidemiologischen auf Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und Forschungsprojekten inklusive systematischen Stoffwechsel-Parameter sowie Untersuchung Reviews zum internationalen Stand der wissen- von Zusammenhängen zwischen psychosozialen schaftlichen Forschung Empfehlungen erarbeitet Belastungen und (prä-)klinischen Outcomes im werden. Wo immer sinnvoll bzw. erforderlich, Rahmen einer Kohortenstudie. sollen hierbei auch Synergien durch Koopera- Mit Fokus auf Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel- tionen innerhalb der BAuA und mit externen Erkrankungen (v. a. Diabetes) werden in der arbeitsmedizinischen Institutionen genutzt Forschungslinie „Erhalt und Förderung der werden. kardiometabolischen Gesundheit im betrieb lichen Setting“ identifizierte Interventionsmög- 3.2 Zusammenhänge von Faktoren lichkeiten bezogen auf sedentäre Arbeit wissen- der Arbeit mit mentaler Gesundheit schaftlich begleitet und evaluiert. Im Rahmen und Wohlbefinden einer qualitativ hochwertigen Längsschnittstudie (Gutenberg-Gesundheitsstudie – GHS) werden Die Forschung zu Arbeitszeit und zeitflexiblem ätiologische Fragen zu Zusammenhängen Arbeiten wird in Richtung der Identifizierung zwischen psychosozialen Belastungen, auch von Kausalzusammenhängen zwischen im Kontext der Arbeit mit digitalen Medien Arbeitszeitmerkmalen, Arbeitsbedingungen, und Kommunikationsmitteln sowie neuen Beanspruchungsmerkmalen und Gesundheit / Technologien, und klinischen bzw. innovativen Wohlbefinden weiterentwickelt. präklinischen Zielgrößen (z. B. arterielle Steifig- Auf Basis der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 keit / Pulswellengeschwindigkeit) untersucht. und 2017 wurden bereits umfassende Zusam- Daraus werden Empfehlungen für den Medizi- menhänge zwischen arbeitszeitlichen Arbeitsan- nischen Arbeitsschutz (ganzheitliche Vorsorge, forderungen und der Gesundheit sowie dem Leitlinien und Empfehlungen v. a. im Hinblick Wohlbefinden von Beschäftigten im Querschnitt auf Diabetes) bzw. die betriebliche Praxis (sowohl untersucht. Durch die Weiterführung der Befra- Gestaltung von Arbeitsbedingungen als auch An- gung im Längsschnitt und den Erhebungen in gebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung 2019 und 2021 ist nun auch die Analyse mittel- [BGF] und das Betriebliche Gesundheitsmanage- und langfristigerer Effekte sowie intrapersoneller ment [BGM]) abgeleitet. Veränderungen möglich, die Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge zulassen. Erarbeitung von Empfehlungen zur Aufnahme neuer arbeitsbedingter Erkrankungen als Berufs- Die Forschungslinie „Mentale Gesundheit krankheit (BK) und Aktualisierung bestehender und Teilhabe fördern“ wird fortgesetzt. BKen. Die Linie verfolgt das Ziel, ätiologische Zu- Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufs- sammenhänge zwischen Arbeits- und Beschäf- krankheiten“ (ÄSVB) beim BMAS erarbeitet tigungsbedingungen, mentaler Gesundheit, wissenschaftliche Empfehlungen und Stellung- Arbeits- und Funktionsfähigkeit sowie Erwerbs- nahmen zur Aufnahme neuer und zur Aktu teilhabe basierend auf einer qualitativ hochwer- alisierung bestehender Berufskrankheiten. tigen Längsschnittstudie („Studie zur mentalen Die Begründungen zu fast der Hälfte der aktuell Gesundheit bei der Arbeit [S-MGA]“ zu ermit- gelisteten Berufskrankheiten sind bereits mehr teln. Mit der Weiterführung der S-MGA und als 30 Jahre alt. Darüber hinaus ist der Wandel der Erweiterung um eine neue Welle ergeben der Arbeit, der mit einem wachsenden Anteil von sich Möglichkeiten zu einer differenzierten Auf 18
Strategische Handlungsfelder klärung zeitlich-dynamischer Zusammenhänge Für eine heterogene Erwerbsbevölkerung zwischen Exposition und Outcome (Belastungs- soll das Ziel einer menschengerechten dauer, Einsetzen der Auswirkung, Auswirkungs- Arbeitsgestaltung, die die Diversität der dauer) sowie zur Bestimmung des Einflusses Berufstätigen berücksichtigt, verfolgt werden. von Mediatoren (Arbeits- und Funktionsfähig- Im Rahmen kontextsensibler Forschung werden keit) und sogenannter „reversed causality“, verstärkt die Wechselwirkungen zwischen d. h. reziproker Effekte. Weiterhin ist aus der tätigkeitsbezogenen Arbeitsbedingungen, Perspektive des möglichen Präventionspotenzials betrieblichen Kontextfaktoren und relevanten die Ermittlung von Prädiktoren für berufliche gesamtgesellschaftliche Dynamiken im Übergänge und Erwerbsaustritte relevant, um die Wechselspiel mit Diversitätsmerkmalen arbeitsbezogenen Folgekosten solcher Ereignisse (personen- und beschäftigungsbezogene) besser abschätzen zu können. Die Verbreitung betrachtet. von Kommunikations- und Informationstechno- Der Zusammenhang von Arbeitsbedingungen logien macht darüber hinaus die Erfassung der (Anforderungen und Ressourcen) und Gesund- Folgen der Digitalisierung notwendig. heit in verschiedenen Erwerbstätigengruppen wird untersucht. Erwerbstätigengruppen werden Die Forschung zur Erholung innerhalb und dabei aufgrund unterschiedlicher Heterogeni- außerhalb des Arbeitskontextes soll fortgesetzt tätsmerkmale (z. B. Alter, Geschlecht, Befähigung werden; u.a. mit einer Fokussierung auf die oder Behinderung, sexuelle und / oder ethnisch- Überprüfung der Wirksamkeit von Gestaltungs- kulturelle Vielfalt), Lebenssituation und ihrer optionen. Beschäftigung (etwa Einfacharbeit) identifiziert. Die Untersuchungen zur Erholung sollen fort Ziel ist es, ein besseres Verständnis sowie eine gesetzt und um Gestaltungsoptionen zur Verbes- Sensibilisierung für Bedürfnisse und Vulnerabi- serung der Erholung erweitert werden. Zusätz- litäten von spezifischen Erwerbstätigengruppen lich zu verhältnisorientierten Maßnahmen bzw. und deren Zusammenhang mit der Beschäf- Interventionen werden mit diesen kombinierte tigungsfähigkeit zu erreichen. verhaltensorientierte Interventionen in den Blick genommen, da die individuellen Kompetenzen Besondere Aufmerksamkeit verdienen in und die Fähigkeit zur Selbststeuerung der diesem Zusammenhang die Auswirkungen des Beschäftigten zunehmende Bedeutung erhalten. demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt. Ziel ist es, solche Gestaltungsoptionen zu unter- Hierzu zählen u. a. die zunehmende Alterung suchen, zu entwickeln und zu evaluieren. der Belegschaften und die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen altersgerecht zu gestalten, 3.3 Vielfalt und Förderung aber auch die alternsgerechte Arbeitsgestaltung: von beruflicher Teilhabe Diese legt den Fokus darauf, die Arbeitsbedin- gungen für alle Beschäftigten so anzupassen, Die BAuA will im Programmzeitraum zu dass diese gesund im Arbeitsprozess verbleiben den Themen „Teilhabe am Erwerbsleben und können. Schließlich trägt der demografische Inklusion“ aus der Perspektive der differenziel- Wandel dazu bei, dass die Erwerbsbevölkerung len Arbeitsgestaltung beitragen. Ziel ist es, die heterogener wird und die menschengerechte Beschäftigungsfähigkeit durch Arbeitsgestaltung Arbeitsgestaltung für alle Beschäftigtengruppen für spezifische Personengruppen zu fördern, (Menschen mit Behinderungen oder Migrations- die ohne entsprechende Unterstützung keine hintergrund) an Bedeutung gewinnt. Optionen auf Ausübung bestimmter Tätigkeiten hätten. Es geht dabei insbesondere darum, durch assistive Technologien und Arbeitsgestaltung für Beschäftigtengruppen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen oder Behinderun- gen Zugänge zu weiteren Tätigkeitsfeldern zu ermöglichen. 19
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