ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA

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ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
Forschung für Arbeit und Gesundheit

     Arbeits- und
     Forschungsprogramm
     2022 – 2025
ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
Forschung
      für Arbeit
und Gesundheit
ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
Inhalt

I      Einleitung                                                                                                5

1      Aufgaben und Aufgabenverständnis                                                                          5
2 	Fortführung der Strategischen Handlungsfelder und des Schwerpunkts zur digitalen
    Arbeitswelt – neuer Schwerpunkt zur Schnittstelle Infektionsschutz – Arbeitsschutz                           6
3      Übergreifende Aspekte der Programmperiode 2022   – 2025                                                   6

II     Strategische Handlungsfelder                                                                              9

1      Anwendungssichere Chemikalien und Produkte gewährleisten                                                  9
1.1    Chemikaliensicherheit                                                                                     9
1.2    Sichere Produkte und Arbeitsmittel                                                                       11

2      Arbeit im Betrieb menschengerecht gestalten                                                              12
2.1    Biologische und chemische Gefährdungen                                                                   12
2.2    Physikalische Faktoren                                                                                   13
2.3    Körperliche Belastung                                                                                    14
2.4    Psychosoziale Anforderungen und Ressourcen                                                               14
2.5    Zeit- und ortsflexible Arbeit                                                                            15
2.6    Innovative Arbeitssysteme                                                                                16

3      Förderung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit –
       Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen                                                                 17
3.1    Verursachung und Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen                                                17
3.2    Zusammenhänge von Faktoren der Arbeit mit mentaler Gesundheit und Wohlbefinden                           18
3.3    Vielfalt und Förderung von beruflicher Teilhabe                                                          19
3.4    Betriebliches Eingliederungsmanagement                                                                   20

4	Auswirkungen des Wandels der Arbeitswelt verstehen und Instrumente
   des Arbeitsschutzes weiterentwickeln                                                                         21
4.1	Arbeitsweltberichterstattung                                                                               21
4.2    Wirkungen von Instrumenten und Maßnahmen des Arbeitsschutzes                                             22

III    Schwerpunkt: Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt                                      25

IV     Schwerpunkt: Schnittstelle Infektionsschutz – Arbeitsschutz                                              28

V      DASA Arbeitswelt Ausstellung                                                                             31

VI     Grundsätze und Arbeitsweisen der BAuA                                                                    34

       Impressum                                                                                                44

Anmerkung zum Gender-Aspekt
Diese Broschüre benutzt eine geschlechtergerechte Sprache. Dort, wo das nicht möglich ist oder die Lesbarkeit
stark eingeschränkt würde, gelten die gewählten personenbezogenen Bezeichnungen für alle Geschlechter.
ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
ARBEITS- UND FORSCHUNGSPROGRAMM 2022 2025 - FORSCHUNG FÜR ARBEIT UND GESUNDHEIT - BAUA
I
Einleitung

1	Aufgaben und                                      systematische Verbindung zwischen Forschung
   Aufgabenverständnis                               und Entwicklung sowie den anderen wissen-
                                                     schaftsbasierten Kernaufgaben dargestellt wird.
Als Ressortforschungseinrichtung im Geschäfts-       Für die notwendige Forschungsbasierung des
bereich des Bundesministeriums für Arbeit und        Aufgabenportfolios der BAuA ist weiterhin ein
Soziales (BMAS) hat die Bundesanstalt für Arbeits-   hoher Anteil der Fachaufgaben für Forschung
schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) folgende Kern-      und Entwicklung sicherzustellen. Dieses Pro-
aufgaben: Die wissenschaftliche Klärung zentraler    gramm strukturiert die Aufgabenerfüllung und
Fragestellungen auf dem Gebiet der Sicherheit        Themenbearbeitung, sichert deren Kohärenz
und Gesundheit bei der Arbeit durch Forschung        und Kontinuität und beschreibt die fachliche
und Entwicklung, die Wahrnehmung gesetzlicher        und strategische Weiterentwicklung der BAuA,
und hoheitlicher Aufgaben, insbesondere bei der      die sich in neuen inhaltlichen und methodischen
Regulierung von Chemikalien und Produkten,           Schwerpunktsetzungen abbildet.
die wissenschaftliche Politikberatung des Bundes
und weiterer institutioneller Akteure des Arbeits-   Treiber dieser Weiterentwicklung sind neben der
schutzes, die adressatengerechte Aufbereitung        kritischen Reflexion der eigenen Arbeitsergeb-
arbeitsschutzrelevanter Erkenntnisse für den         nisse in allen Aufgabenfeldern auch die aus dem
Praxistransfer sowie die Vermittlung von Basis-      Wandel der Arbeitswelt resultierenden neuen
und Orientierungswissen über die Arbeitswelt an      Herausforderungen, die sich verändernden
ein breites Publikum durch die DASA Arbeitswelt      Anforderungen aus Politik, Wissenschaft und
Ausstellung.                                         Arbeitsschutz-Community sowie im vorliegen-
                                                     den Programm auch das dominierende Ereignis
Die vielfältigen Aktivitäten zur Umsetzung           der SARS-CoV-2-Pandemie. Mit ihrem Arbeits-
dieser Kernaufgaben werden von der BAuA in           und Forschungsprogramm wird die BAuA nicht
einen mittelfristigen, auf vier Jahre ausgelegten    zuletzt zu den zentralen Herausforderungen für
programmatischen Rahmen gefasst, der seit            die europäische Arbeitsschutzpolitik beitragen,
2018 – einer Empfehlung des Wissenschaftsrates       die im kürzlich vorgestellten Strategischen Rah-
folgend – die Form eines integrierten Arbeits-       men der EU für Gesundheit und Sicherheit am
und Forschungsprogramms hat, in dem die              Arbeitsplatz 2021  – 2027 formuliert sind.

                                                                                                        5
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          2	Fortführung der Strategischen                   Insgesamt setzt das neue Arbeits- und For-
                             Handlungsfelder und des                         schungsprogramm darauf, den in der BAuA
                             Schwerpunkts zur digitalen                      bereits vielfach mit Erfolg praktizierten Ansatz
                             Arbeitswelt – neuer Schwerpunkt                 fachbereichs- und disziplinübergreifender
                             zur Schnittstelle Infektions­-                  Themenbearbeitung weiter zu stärken.
                             schutz – Arbeitsschutz

                          Das zentrale strukturierende Element des Ar-       3	Übergreifende Aspekte der
                          beits- und Forschungsprogramms 2022  – 2025           Programmperiode 2022  – 2025
                          bilden weiterhin die vier strategischen Hand-
                          lungsfelder, die in den vergangenen zwei           Im Arbeits- und Forschungsprogramm 2022  –
                          Programmperioden etabliert wurden:                 2025 gibt es eine Reihe von Aspekten, die sich
                                                                             durch mehrere Handlungsfelder und Aufgaben-
                          1.	Anwendungssichere Chemikalien und              bereiche ziehen und insofern für die Aktivitäten
                             Produkte gewährleisten                          der BAuA von übergreifender Bedeutung sind.
                          2.	Arbeit im Betrieb menschengerecht gestalten    Der Themenkomplex „Psychische Gesundheit
                          3.	Förderung von Gesundheit und Arbeits­          in der Arbeitswelt“ spielte bereits im Programm­
                             fähigkeit – Prävention arbeitsbedingter         zeitraum 2014  – 2017 eine prominente Rolle,
                             Erkrankungen                                    unter anderem in Form eines befristeten
                          4.	Auswirkungen des Wandels der Arbeitswelt       Schwerpunktes. Die dort identifizierten Schlüs-
                             verstehen und Instrumente des Arbeitsschut-     selfaktoren für die psychische Gesundheit in der
                             zes anforderungsgerecht weiterentwickeln        Arbeitswelt werden auch in der kommenden
                                                                             Programm­periode in verschiedenen Handlungs-
                          Mit Blick auf die oben skizzierte Weiterentwick-   feldern und Forschungslinien aufgegriffen und
                          lung und den Empfehlungen des Wissenschafts-       untersucht. Dabei geht es zum einen um die
                          rats folgend, werden in den Handlungsfeldern       Erforschung von bislang ungeklärten Wirkzu-
                          innovative Themenstellungen aufgegriffen,          sammenhängen zwischen zentralen Belastungs-
                          fachliche Akzentuierungen vorgenommen              faktoren und Belastungskombinationen sowie
                          und gleichzeitig langfristige Forschungslinien     Ressourcen bei der Arbeit einerseits und der
                          konsequent weiterverfolgt. Aufgrund seiner         psychischen Gesundheit andererseits. Basierend
                          handlungsfeldübergreifenden strategischen          auf diesen Zusammenhängen sollen Gestal-
                          Bedeutung wird der Schwerpunkt „Sicherheit         tungsansätze abgeleitet werden. Zum anderen
                          und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“       erfolgt die Weiterentwicklung der Gefährdungs-
                          aus der Programmperiode 2018  – 2021 fort­         beurteilung als ein wichtiges Instrument des
                          geführt – mit einer stärkeren Fokussierung auf     präventions­orientierten betrieblichen Umgangs
                          Fragen der menschbezogenen Folgen der Digita-      mit psychischer Belastung.
                          lisierung und des ortsungebundenen Arbeitens
                          mit Informations- und Kommunikationstechno-        Ein zentrales Element der Digitalisierung bilden
                          logien. Um Konsequenzen aus den Erfahrungen        verschiedene auf Künstlicher Intelligenz (KI)
                          der SARS-CoV-2-Pandemie abzuleiten, wird           basierende Technologien, die das Potenzial
                          zusätzlich ein neuer Schwerpunkt zu den fach-      haben, Wertschöpfungs- und Arbeitsprozesse
                          lichen Schnittstellen von Infektionsschutz und     sowie Tätigkeiten weitreichend zu verändern.
                          Arbeitsschutz etabliert. Darüber hinaus beobach-   Positive Wirkungen ergeben sich möglicher­-
                          tet die BAuA Entwicklungen in der Arbeitswelt,     weise aus einer verbesserten Unterstützung
                          steht in engem Dialog mit Forschung und Politik    bei der Ausübung komplexer Aufgaben, wogegen
                          und initiiert zukünftige Forschung und mögliche    intransparentes Systemverhalten oder unklare
                          weitere Politikberatung auf Grundlage der ihr      Funktionsverteilungen zwischen Mensch und
                          zur Verfügung stehenden fachlichen Kompeten-       Technik negativ zu Buche schlagen können.
                          zen und Ressourcen sowie in enger Abstimmung
                          mit dem BMAS. Das schließt auch die mögliche
                          Entwicklung neuer Schwerpunkte ein.

6
Einleitung

Die – durchaus widersprüchlichen – Effekte         und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“
von KI-Systemen auf die Beschäftigten und den      und des Schwerpunkts „Schnittstelle Infektions­
Arbeitsschutz werden in der Programmperiode        schutz – Arbeitsschutz“. Im abschließenden
2022  – 2025 systematisch in den Blick genom-      Kapitel zu „Grundsätzen und Prinzipien“ werden
men, um die Möglichkeiten einer sicheren,          die zentralen Leitideen für die Organisations­
gesunden und menschengerechten Arbeitsge­          entwicklung und die Arbeit in den Aufgaben­
staltung auch unter den Bedingungen der An-        feldern dargestellt.
wendung solcher Technologien auszuloten und
die KI-Strategie der Bundesregierung sowie die
Umsetzung des horizontalen Rechtsrahmens
der EU in diesem Sinne zu unterstützen. Ent-
sprechende Forschungsfragen bedürfen einer
handlungsfeldübergreifenden Bearbeitung.
Eine strategische Bündelung der KI-bezogenen
Forschung wird im Schwerpunktprogramm
zur Sicherheit und Gesundheit in der digitalen
Arbeitswelt vor­genommen.

Qualitativ hochwertige Datengrundlagen sind für
die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und
die Politikberatung auf dem Gebiet der Sicher-
heit und Gesundheit bei der Arbeit von heraus-
ragender Bedeutung. Die BAuA wird deshalb in
der kommenden Programmperiode den Ausbau
und die Nutzung empirischer Datenbestände,
insbesondere aus eigenen bzw. unter Beteiligung
der BAuA durch geführten großen Erhebungen
wie der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung
(BIBB/BAuA), der BAuA-Arbeitszeitbefragung
(AZB) oder der Studie Mentale Gesundheit bei
der Arbeit (S-MGA) weiter vorantreiben. Die
Datensätze werden handlungsfeldüber­greifend
im Rahmen eigener Forschungsprojekte genutzt
und der wissenschaftlichen Community über das
bisherige Maß hinaus zu weiterführenden For-
schungszwecken zugänglich gemacht. Dies wird
künftig durch das neu gegründete und beim Rat
für Sozial- und Wirtschaftsdaten akkreditierte
Forschungsdatenzentrum (FDZ-BAuA) gewähr-
leistet. Gemeinsam mit den Erkenntnissen aus
Interventions-, Begleit- und Evaluationsstudien
werden diese Daten auch genutzt, um die Ins-
trumente des Arbeitsschutzes (z. B. Regel- und
Vorschriftenwerk, Gefährdungsbeurteilung)
weiterzuentwickeln.

Die folgende Darstellung beschreibt die Auf-
gaben in Forschung und Entwicklung, Politik­
beratung, Regulierung sowie Transfer und
Vermittlung entlang der vier strategischen Hand-
lungsfelder sowie des Schwerpunkts „Sicherheit

                                                                                                             7
Alternativfot0 am Ende der Datei
II
Strategische Handlungsfelder

1	Anwendungssichere                              den zur Identifizierung von Risiken bzw. gefähr­
   Chemikalien und Produkte                       lichen Produkten intensiv in den Blick.
   gewährleisten
                                                  Die BAuA nimmt nach dem Chemikaliengesetz
Eine wesentliche Grundlage des Schutzes von       (ChemG) eine Reihe wichtiger Aufgaben wahr.
Menschen (als Beschäftigte und Verbraucher)       Als Bundesstelle für Chemikalien ist sie für die
und Umwelt besteht darin, dass nur anwen-         Durchführung und Koordinierung der REACH-,
dungssicher gestaltete Chemikalien und Produkte   CLP-, Biozid- und PIC-Verordnungen auf nationa-
in Verkehr gebracht werden dürfen. Dies kann      ler Ebene zuständig und wirkt in ihrer Rolle auf
beispielsweise durch die geeignete Konstruktion   EU-Ebene mit (REACH = Registration, Evalua-
von Produkten oder die Herstellung staubarmer     tion, Authorisation of Chemicals, CLP = Classi-
Verwendungsformen einer Industriechemikalie       fication, Labelling and Packaging of Chemical
(etwa als Granulat) erreicht werden („safety-     Substances and Mixtures, PIC = Prior Informed
by-design“). Die Anwendungssicherheit wird        Consent). In ihrer Funktion als Bewertungs-
unterstützt durch die Festlegung von Schutz­      stelle für Sicherheit und Gesundheitsschutz der
maßnahmen, die – vor allem im gewerblichen        Beschäftigten unterstützt die BAuA die Verfahren
Bereich – eine sichere und gesundheitlich         durch ihre Kompetenz im Bereich des Arbeits-
un­bedenkliche Handhabung gewährleisten.          schutzes. In den nächsten Jahren werden die
Mit inakzeptablen Risiken verbundene Produkte     „Chemikalienstrategie zur Nachhaltigkeit“ als
und Chemikalien sind durch Instrumente der        Teil des „Green Deal“ der EU-Kommission
Marktüberwachung und Chemikalienregulation        und deren Umsetzung auf nationaler und auf
von der Vermarktung auszuschließen.               EU-Ebene große Herausforderungen darstellen.

Die der Gewährleistung von Anwendungssicher-      1.1 Chemikaliensicherheit
heit dienenden Anforderungen und Verfahren
sind inzwischen größtenteils auf europäischer     Entwicklung von Positionen und Konzepten zur
Ebene in Form von gemeinsamen verbindlichen       neuen Chemikalienstrategie der EU-Kommission
Rechtsvorschriften sowie harmonisierten tech­     in den Rollen als Bundesstelle für Chemikalien
nischen Normen geregelt. Bei ihrer Umsetzung      (BfC) und als Bewertungsstelle für Sicherheit und
und Weiterentwicklung wirkt die BAuA im           Gesundheitsschutz der Beschäftigten.
Rahmen europäischer und nationaler Gremien,       Im Fokus stehen:
Organisationen und Initiativen durch Wahr­        –– T hemen der Stoffidentifizierung und -regu-
nehmung hoheitlicher Aufgaben wie auch durch        lierung (Beschränkungen von umfangreichen
Politikberatung, Praxistransfer und Forschung       Stoffgruppen z. B. per- und polyfluorierten
mit. Dabei nimmt sie technische Innovationen        Verbindungen)
sowohl aufseiten der zu regulierenden Pro­dukte   –– der Umsetzung von arbeitsschutzrelevanten
und Chemikalien als auch im Bereich der Metho-      Änderungen.

                                                                                                      9
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          Für die BAuA zentrale Themen sind die                Stärkung der Bedeutung und Qualität expo­
                          Ausgestaltung der Kriterien für ein sicheres         sitions- und verwendungsbezogener Daten in
                          und nachhaltiges Design von Chemikalien und          allen gesetzlichen Verfahren, Weiterentwicklung
                          Materialien, die Förderung der Substitution          und Standardisierung regulierungsrelevanter
                          (Portal SUBSPORTplus) und die Weiterentwick-         Mess-, Prüf- und Bewertungsmethoden.
                          lung der REACH- und CLP-Verordnung. Beide            Angestrebt wird die Unterstützung der Stoff­
                          Rechtsvorschriften sollen zügig an die geänder-      registrierung durch eine umfassende Toolbox
                          ten Rahmenbedingungen der Chemikalienstra­           zur Bewertung der Exposition am Arbeitsplatz,
                          tegie angepasst werden und erzeugen damit            eine systematische Identifizierung und Bewer-
                          einen erhöhten Bedarf an Politikberatung für das     tung emissionsarmer Verwendungsformen
                          BMAS und das Bundesministerium für Umwelt,           von chemischen Produkten sowie die OECD-
                          Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU).           Standardisierung von Prüfmethoden für Nano-
                          Für den Arbeitsschutz besonders relevant sind        und Faserformen von Stoffen.
                          dabei Konzepte für risikobasierte Regulierungen,
                          die Harmonisierung von Grenzwertableitungen          Identifikation und Regulierung relevanter
                          sowie die bessere Verfügbarkeit expositions-         Risikostoffe und -gruppen bei Industrie­
                          und verwendungsbezogener Informationen               chemikalien im Rahmen des REACH-Verfahrens.
                          sowie die Einführung neuer Gefahrenklassen.          Derzeit liegen in der Datenbank der Europäi-
                          Dabei geht es auch um die Unterstützung              schen Chemikalienagentur (ECHA) Daten zu ca.
                          einer rechtssicheren Ausgestaltung der aufgrund      23.000 Stoffen in etwa 100.000 Registrierungen
                          ihrer hohen Persistenz in der Umwelt und der         von Unternehmen vor. Auf der Basis dieser In-
                          Gefährdung für die menschliche Gesundheit            formationen sollen besonders besorgniserregen-
                          geplanten Beschränkungsmaßnahmen für mehr            de Stoffe identifiziert werden, um diese – unter
                          als 4.000 per- und polyfluorierte Stoffe (PFAS).     Anwendung des Initiativrechts der Mitgliedstaa-
                                                                               ten – einer EU-weiten Regulierung zuzuführen.
                          Die federführende Rolle der BfC bundesweit
                          und international stärken, die Nationale Aus­        Harmonisierte, verbindliche Einstufung nach der
                          kunftsstelle als die Kontakt- und Kompetenz­stelle   CLP-Verordnung in der EU weiter vorantreiben.
                          zu Chemikaliensicherheit weiter profilieren.         Das Verfahren zur harmonisierten Einstufung
                          Durch fachliche Unterstützung und moderieren-        und Kennzeichnung von Stoffen ist ein Kern­
                          de Ausgestaltung gemeinsamer Konzepte und            element der Aktivitäten und Regelungen für den
                          Positionen der Fachbehörden und deren Vertre-        sicheren Umgang mit Stoffen. Durch die Bewer-
                          tung gegenüber der Bundesregierung, der ECHA         tung einer größeren Anzahl von Stoffen und die
                          und der EU-Kommission sowie durch eine stär-         Initiierung von Verfahren zur harmonisierten,
                          kere Ausrichtung der Nationalen Auskunftstelle       verbindlichen Einstufung nach Anhang VI
                          auf Rechtsadressaten und den entsprechenden          der CLP-Verordnung trägt die BAuA zur Anwen-
                          Austausch mit den Bundesländern soll die Rolle       dungssicherheit von Stoffen in der EU bei.
                          der BfC als „Competent Authority“ weiter ausge-      In ihrer Rolle als Vertreterin der Bundesregie-
                          baut werden.                                         rung treibt sie beispielsweise auch die Weiter­
                                                                               entwicklung des UN GHS (Global Harmonisier-
                          Entwicklung einer kohärenten europäischen            tes System zur Einstufung und Kennzeichnung
                          Regulierungsstrategie für Faserstäube.               von Chemikalien) voran.
                          Im Rahmen einer Risikomanagement-
                          Optionsanalyse (RMOA) sollen – unterstützt           Überprüfung von Biozidprodukten forcieren
                          durch eigene Forschungsergebnisse und eine           und Bewertungsmaßstäbe weiterentwickeln.
                          Arbeits­gruppe der Bundesoberbehörden als            Die Überprüfung von Biozidprodukten im
                          Frühwarnsystem – kohärente und präventive            Rahmen der Zulassungsverfahren auf nationaler
                          Regulierungsansätze zum Schutz vor kanzeroge-        und europäischer Ebene soll weiter vorangetrie-
                          nen Faserstäuben im Rahmen der Europäischen          ben werden. Im Rahmen des Prüfprogramms
                          Chemikaliensicherheit und des Arbeitsschutzes        für Altwirkstoffe sind in den nächsten Jahren
                          identifiziert und bewertet werden.                   verstärkt Erstbewertungen abzuschließen und

10
Strategische Handlungsfelder

im EU-Verfahren einzureichen. Zugleich erfolgt        zugleich durch Externe angreifbar. Die hieraus
eine Weiterentwicklung der Maßstäbe für die           resultierenden Sicherheitsrisiken sind in einer
Bewertung und das Risikomanagement, um so             umfassenden Sicherheitsbetrachtung und Risiko-
möglichst sichere Produkte auf dem Markt zu           beurteilung zu berücksichtigen, da auch Konflik-
gewährleisten.                                        te zwischen beiden Sicherheitsaspekten auftreten
                                                      können. Zusammen mit externen Partnern
Zunehmende Zielkonflikte durch Einschrän­             sollen langfristig die Grundlagen für umfassende
kungen im Biozidzulassungsverfahren aufgreifen        Sicherheitsbetrachtungen geschaffen werden.
und systematisieren.
Zielkonflikte können durch vermehrte                  Weiterentwicklung von Methoden zur um­
Einschränkungen bzw. die Nicht-Zulassung              fassenden Risikobeurteilung und sicheren
von bedeutenden Biozidprodukten entstehen.            Gestaltung von komplexen vernetzten cyber-
Aufgrund von in der Zulassung identifizierten         physischen Systemen.
Risiken für Mensch und Umwelt bei der An­             Cyber-physische Systeme (CPS) besitzen u. a.
wendung kann dies dazu führen, dass z. B.             durch ihre Vernetzung eine große Anwendungs-
im Fall von Seuchen wichtige Produkte nicht           variabilität, die eine dynamische Anpassung von
mehr ausreichend zur Verfügung stehen.                Konstellationen und Betriebsparametern sogar
Solche Zielkonflikte sollen rechtzeitig sichtbar      während des Betriebs ermöglichen. Die erforder-
gemacht und diskutiert werden.                        liche Risikobeurteilung stößt dabei aufgrund
                                                      der hohen Komplexität und des dynamischen
1.2 Sichere Produkte und Arbeitsmittel                Verhaltens des Gesamtsystems an ihre Grenzen.
                                                      Hierzu werden erste Grundlagen einer Risiko­
Analyse der Einsatzmöglichkeiten und -grenzen         beurteilung entwickelt und deren grundsätzliche
intelligenter Verfahren zur Verarbeitung und          Anwendbarkeit analysiert.
Analyse online verfügbarer Datenmengen zur
Identifizierung und Kategorisierung gefährlicher      Formulierung von Anforderungen an KI-basierte
Produkte.                                             Produkte und Systeme aus der Sicht des
Sichere Produkte und Arbeitsmittel sind eine          Arbeitsschutzes und Ableitung von konstruk­
erfolgskritische Voraussetzung für den effekti-       tivem Wissen.
ven Arbeitsschutz. Aufgrund der zunehmenden           Im komplexen und umfangreichen Themenfeld
Produktvielfalt, u. a. als Folge des Onlinehandels,   KI beinhaltender Arbeitsmittel und -systeme fin-
sind zukünftig verstärkt Hilfsmittel zur Identi­      det, wie in der KI-Strategie der Bundes­regierung
fizierung gefährlicher Produkte erforderlich.         beschrieben, umfangreiche Forschung in ver-
Zur Analyse der großen Datenmengen und ver-           schiedenen Leitzentren für Forschung, Innova-
fügbaren Informationen bieten sich hierzu mit-        tion und Exzellenz statt. Um hierauf aufbauend
tel- und langfristig softwaregestützte Verfahren,     anwendungsnahes Wissen zu Arbeitsschutz­
speziell der KI, an. Ziel ist es, geeignete KI-Ver-   aspekten ableiten zu können, ist eine kontinu-
fahren zur Analyse der umfangreichen und we-          ierliche Begleitung des Themas, aber auch die
nig strukturierten Informationen über Produkte        Identifizierung spezifischer, offener Forschungs-
pilothaft zu untersuchen und die prototypischen       fragen aus Arbeitsschutzperspektive erforderlich.
Analysetools für ausgewählte Datenquellen und         Im Programmzeitraum sollen erste fachliche
Datenbanksysteme zu erproben.                         Beiträge zum EU-Rechtsakt zu KI entwickelt und
                                                      operative Strukturen zur mittel- und langfristi-
Weiterführung der Untersuchung des                    gen Umsetzung – im Rahmen der zukünftigen
Zusammenhangs zwischen funktionaler                   nationalen Arbeitsteilung und auf Basis entspre-
Sicherheit (Safety) und IT-Sicherheit (Security)      chender Ressourcen – aufgebaut werden.
mit Beispielen des Internet-of-Things (IoT).
Produkte des IoT, aber auch moderne Maschi-
nen und Arbeitssysteme zeichnen sich durch
Möglichkeiten zur IT-Vernetzung mit weiteren
Systemen aus. Diese Vernetzung macht sie aber

                                                                                                                                    11
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          2	Arbeit im Betrieb                               dienen der Weiterentwicklung der Vorschriften
                             menschengerecht gestalten                       und Regelwerke, sind Grundlage für Praxishilfen
                                                                             und Empfehlungen und tragen dazu bei, die
                          Die BAuA erforscht in diesem Handlungsfeld         betriebliche Praxis bei der Durchführung der
                          die Chancen und Risiken neuer Arbeitsformen        Gefährdungsbeurteilung zu unterstützen.
                          und Technologien sowie den Umgang mit
                          Gefährdungs- und Belastungsfaktoren in             2.1	
                                                                                 Biologische und chemische
                          Unternehmen. Diese reichen von biologischen            Gefährdungen
                          und chemischen Gefährdungen über physi-
                          kalische Faktoren der Arbeitsumgebung und          Beratung des BMAS zur Überarbeitung der
                          körperliche Belastungen bis zu psychosozialen      Gefahrstoffverordnung mit geänderten
                          Anforderungen und Ressourcen. Zunehmend            Regelungen zu Asbest und zum Risikokonzept
                          stehen dabei auch Wirkungszusammenhänge            für Kanzerogene einschließlich der Weiter­
                          zwischen einzelnen Belastungsfaktoren und die      entwicklung der zugehörigen Methoden.
                          Anwendung der Erkenntnisse bei der betrieb­        Die BAuA wird u. a. Beiträge zur Anpassung
                          lichen Gefährdungsbeurteilung im Mittelpunkt.      der Messverfahren für Asbest am Arbeitsplatz
                          Ziel ist es, vor dem Hintergrund des technolo­     (Messung auch geringer Konzentrationen,
                          gischen Wandels die Weiterentwicklung von          Erfassung dünner Fasern, (Teil-)Automatisierung
                          Standards der Arbeitsgestaltung wissenschaftlich   der Probenauswertung durch KI-Methoden zur
                          zu fundieren sowie Betriebe bei der Beurteilung    Bilderkennung) leisten. Das Risikokonzept für
                          von Gefährdungen und der Gestaltung men-           Kanzerogene wurde von der BAuA mit­entwickelt
                          schengerechter Arbeit durch wissenschaftlich       und in der Umsetzung unterstützt. Mit der No-
                          fundierte Instrumente und erprobte Vorgehens-      velle soll nun die Implementierung in Deutsch-
                          weisen zu unterstützen.                            land vollendet werden.

                          Vor allem der Einsatz Künstlicher Intelligenz      Unterstützung der Gefährdungsbeurteilung
                          (KI) und darauf basierender innovativer Tech­      für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durch
                          nologien führen zu nachhaltigen Veränderungen      Aktualisierung der Schutzleitfäden des Einfachen
                          der Arbeitswelt mit potenziell weitreichenden      Maßnahmenkonzeptes Gefahrstoffe (EMKG).
                          Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesund-        Die Verbreitung des EMKG soll durch ein
                          heit von Beschäftigten. Zwar ist grundsätzlich     „Starterset“ für Klein- und Kleinstunternehmern
                          nicht davon auszugehen, dass menschliche           weiter erhöht werden, die Schutzleitfäden zur
                          Arbeit im Zuge der digitalen Transformation        Emissionsminderung an der Quelle (Maßnah-
                          vollständig ersetzt wird. Diese stellt auch        menstufe 2) werden überarbeitet und an den
                          weiterhin einen zentralen Teil der Arbeitswelt     Stand der Technik angepasst.
                          dar. Allerdings verändern sich mit dem zuneh-
                          menden Einsatz KI-basierter Technologien und       Leitung der Initiative „Roadmap on Carcinogens“
                          Arbeitssysteme die Aufgaben und Tätigkeiten,       (RoC 2.0) als Beitrag der EU zum Schutz
                          die Menschen im Rahmen ihrer Arbeit überneh-       vor Kanzerogenen auf betrieblicher Ebene und
                          men, mitunter deutlich. Diese Aufgabenverän-       Unterstützung des Arbeitsprogramms der
                          derung stellt eine zentrale Herausforderung für    Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie
                          den Arbeitsschutz einschließlich der Gestaltung    (GDA) „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden
                          menschengerechter Arbeit im Betrieb dar.           Gefahrstoffen“.
                                                                             Die RoC ist ein freiwilliges europäisches
                          Die Aktivitäten der BAuA im Handlungsfeld          Aktions­programm von staatlichen Stellen und
                          sind durch die Kooperationen verschiedener         Sozialpartnern zur Entwicklung und zum
                          wissenschaftlicher Disziplinen geprägt. Sie zie-   Austausch guter Praxisbeispiele, um Risiken
                          len sowohl auf die grundlegende Ermittlung der     bei berufsbedingter Exposition gegenüber
                          Technikfolgen als auch auf die Erprobung neuer     krebserzeugenden Gefahrstoffen zu verringern.
                          Lösungsvorschläge für den Arbeitsschutz und        Derzeit werden 12 Projekte in vier Themenfel-
                          ihrer betrieblichen Evaluation; ihre Ergebnisse    dern bearbeitet, der Zeithorizont reicht bis 2024.

12
Strategische Handlungsfelder

Darüber hinaus unterstützt die BAuA mit ihrer      erstrecken sich über den Bereich der Geräusch­
Facharbeit das Ziel des Arbeitsprogramms der       emissionen, der akustischen Bewertung und
GDA, Gefährdungen am Arbeitsplatz durch            Gestaltung von lärmarmen Produkten und
krebserzeugende Gefahrstoffe zu minimieren         Arbeitssystemen sowie den Beanspruchungen
und möglichst zu verhindern.                       in Folge extra-auraler Wirkungen von Lärm.
                                                   Bei Fragen der Lichtwirkung stehen Effekte
Ergänzung des Methodeninventars durch              innovativer optischer Systeme im Vordergrund.
„Omics“-Methoden und Zellkulturmodelle             Diese beziehen sich einerseits auf die fotobiolo-
zur Messung und Bewertung der toxischen            gische Sicherheit und andererseits auf physiolo-
Eigenschaften von Bioaerosolen an unter­           gisch-psychologische Wirkungen, beispielsweise
schiedlichen Arbeitsplätzen.                       hinsichtlich kognitiver Beanspruchung und
Bisher gibt es keine standardisierten Methoden     Ermüdung.
zur praktikablen Messung und Bewertung der
Toxizität von Bioaerosolen an Arbeitsplätzen.      Klimawandel und die Auswirkungen auf die
„Omics“-Methoden und Zellkulturmodelle sind        Arbeitsbedingungen.
hierzu vielversprechende Ansätze, die weiter­      In diesem Themenfeld nimmt die BAuA die
entwickelt werden sollen. „Omics“-Methoden         Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeits-
beschäftigen sich mit der Analyse der Gesamt-      bedingungen in den Blick. Der Klimawandel
heit definierter Molekülarten, Proteomics z. B.    stellt Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
mit der Analyse der Gesamtheit aller Proteine      vor neue Herausforderungen, die es gilt zu
in einer Probe. Durch Forschungsvorhaben wer-      benennen. In einer Meta-Analyse zum Thema
den die Proteomics-Methoden zur Expositions-       Klimawandel und Arbeitsschutz mit Fokus auf
erfassung z. B. gegenüber Toxinen biologischen     den betrieblichen Kontext und die betrieblichen
Ursprungs weiterentwickelt, um diese in kom-       Herausforderungen wird der aktuelle Stand der
plexen Bioaerosolen zu identifizieren. Für die     Forschung gesichtet. Hierbei sind alle möglichen
Überprüfung der potenziellen Toxizität werden      Gefahren zu berücksichtigen, wie z. B. Hitze
parallel Zellkulturmodelle mit dem Fokus auf       und UV-Strahlung bis hin zur Ausbreitung von
der Air-Liquid-Interface(ALI)-Technik etabliert,   Vektoren, die Infektionskrankheiten übertragen
die die Wirkung von Bioaerosolen in der Lunge      können (s. Schwerpunkt Schnittstelle Infektions-
widerspiegeln sollen. Diese Modelle sind für die   schutz – Arbeitsschutz).
Expositionsbewertung notwendig, sollen aber
gleichzeitig auch etabliert werden, um bei der     Um mögliche Auswirkungen des Klimawandels
wissenschaftlichen Einstufung von Krankheits­      auf den Arbeitsschutz frühzeitig zu erkennen,
erregern transparente Ergebnisse zur Kennzeich-    wird weiterer Forschungsbedarf mit Bezug
nung als Toxinbildner zu liefern. Möglichkeiten    auf künftige Herausforderungen für Sicherheit
des Transfers der Erkenntnisse in die Arbeit       und Gesundheit in der Arbeitswelt identifiziert
des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe      und aufbereitet. Auf Basis der zur Verfügung
(ABAS) und in die Praxis werden geprüft.           stehenden Erkenntnisse trägt die BAuA zur
                                                   Politik­beratung in diesem in der politischen und
2.2 Physikalische Faktoren                         öffentlichen Diskussion an Bedeutung zuneh-
                                                   menden Themengebiet bei.
Weiterführung der Themen in den Forschungs-
schwerpunkten zur Auswirkung physikalischer        Untersuchung multifaktorieller Aspekte in
Faktoren der Arbeitsumgebung im Hinblick auf       realitätsnahen Arbeitsumgebungen.
die Beurteilung und Minimierung der relevanten     Die Kombination unterschiedlicher physikali-
Gefährdungsfaktoren.                               scher Faktoren der Arbeitsumgebung ist bislang
Hierzu zählen primär die Faktoren Lärm,            wenig erforscht. In experimentellen Arbeitsum-
optische Strahlung und klimatische Gegeben-        gebungen, die gezielt realitäts- und praxisnah
heiten am Arbeitsplatz sowie – aufgrund der        gestaltet sind, sollen daher Kombinationen
Pandemie – verstärkt auch die Frage der Lüftung.   von Einflussfaktoren und deren Wirkung auf
Akustische Fragestellungen in der Arbeitswelt      Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten

                                                                                                                                 13
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          untersucht werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei      2.4	
                                                                                  Psychosoziale Anforderungen
                          auf Parametern des Klimas in Arbeitsräumen,             und Ressourcen
                          speziell der Luftströmung, Raumtemperatur
                          und Luftfeuchte, und deren Kombination mit          Erweiterung des Gestaltungswissens zu
                          weiteren Umgebungsparametern wie Licht und          Schlüsselfaktoren für die psychische Gesundheit
                          Lärm sowie weiteren Raumparametern, z. B.           in der Arbeitswelt und deren Zusammenwirken.
                          unterschiedlichen Arbeitsplatzkonfigura­tionen.     Insbesondere geht es um
                          Die Ergebnisse sollen auch zur Parame­trisierung    –– Arbeitsintensität, vor allem Zeit- und Leis-
                          und Verifizierung von Simulations­modellen,           tungsdruck, Informationsflut sowie Erholung,
                          z. B. aus der Raumlufttechnik, genutzt werden.      –– soziale Beziehungen und
                                                                              –– Führung.
                          2.3 Körperliche Belastung
                                                                              Im Rahmen des Projekts „Psychische Gesund-
                          Anpassung und bei Bedarf Weiterentwicklung          heit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche
                          der Leitmerkmalmethoden (LMM).                      Standortbestimmung“ (vgl. Forschungspro-
                          In der handlungsfeldübergreifenden For­             gramm der BAuA 2014  – 2017) wurden Anforde-
                          schungs­linie „Prävention der Folgen körperlicher   rungen und Ressourcen identifiziert, die sich als
                          Fehlbelastungen im Beruf“ (siehe auch Themen-       wichtige gestaltungsrelevante Schlüsselfaktoren
                          feld 3.1) wird die Anpassung und bei Bedarf         für die psychische Gesundheit erwiesen haben.
                          auch Weiterentwicklung der in der Programm­         Gleichzeitig zeigt der bisherige Erkenntnis-
                          periode 2018  – 2021 erarbeiteten Leitmerkmal­      stand, dass das verfügbare empirisch gesicherte
                          methoden (LMM) angestrebt, z. B. durch die inte-    Gestaltungswissen zu diesen Faktoren noch
                          grative Beurteilung körperlicher Belastungsarten,   immer lückenhaft ist. Dabei fehlt es insbeson-
                          die ganzheitliche Betrachtung von körperlichen      dere an praxisnahen Studien, in denen nicht
                          zusammen mit anderen Arbeitsbelastungen             nur einzelne Anforderungen oder Ressourcen
                          (wie psychosozialen) und die Berücksichtigung       in den Blick genommen werden, sondern auch
                          weiterer Belastungsarten wie körperliche Unter-     das Zusammenwirken mit betrieblich relevanten
                          forderung.                                          Einflussfaktoren betrachtet wird. Ziel ist daher,
                                                                              das empirisch begründete Gestaltungswissen
                          Verstärkung des nationalen und europäischen         zu den genannten Schlüsselfaktoren zu ergän-
                          Praxistransfers und der Verknüpfung der             zen und die vorhandenen Erkenntnisse für die
                          LMM mit modernen Messtechnologien sowie             betriebliche Praxis verfügbar zu machen.
                          Unterstützung des Arbeitsprogramms Muskel-          Mit den Ergebnissen wird auch das Arbeitspro-
                          Skelett-Belastungen (MSB) der GDA.                  gramm „Psyche“ der GDA in der derzeitigen
                          Verstärkt wird der Praxistransfer der Gefähr-       3. Programmperiode weiterhin unterstützt.
                          dungsbeurteilung bei körperlicher Belastung
                          auf nationaler und europäischer Ebene vor allem     Konkret wird das Thema Arbeitsintensität mit
                          im Rahmen des Arbeitsprogramms Muskel-              den Facetten Zeit- und Leistungsdruck sowie
                          Skelett-Belastungen der GDA und der Kampagne        Informationsflut als wichtigen Größen für die
                          der Europäischen Agentur für Sicherheit und         betriebliche Gestaltungspraxis weiterverfolgt.
                          Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA)         Außerdem sollen empirisch gesicherte Erkennt-
                          zu musculo-skeletal disorders (MSD). Angestrebt     nisse zur Pausen- und Erholungsgestaltung
                          wird die Verknüpfung der Gefährdungsbeurtei-        (siehe auch Themenfeld 3.2) als Ressource bei
                          lung auf Basis der LMM mit modernen Metho-          hoher Arbeitsintensität erarbeitet werden mit
                          den der Erfassung körperlicher Belastung und        dem Ziel, die Wirksamkeit von Gestaltungs­
                          Beanspruchung, insbesondere mit Wearable            optionen zu überprüfen. Weiterhin sollen soziale
                          Sensors (tragbarer Sensorik). Hierfür sollen        Beziehungen (v. a. im Hinblick auf veränderte
                          auch europäische Kooperationen, etwa im Rah-        Tätigkeiten durch die Digitalisierung) untersucht
                          men des PEROSH-Netzwerks (Partnership for           werden, um präventive Strategien gegen eine
                          European Research in Occupational Safety and        Verminderung von Ressourcen zu entwickeln.
                          Health) genutzt werden.

14
Strategische Handlungsfelder

Die vorhandenen Forschungserkenntnisse             Entsprechend des Bedeutungszuwachses
zur gesunden Führung werden in geeigneten          wird die menschengerechte Gestaltung
Formaten für die Praxis aufbereitet und sollen     der – zunehmend technikvermittelten –
zukünftig auch stärker in die Politikberatung –    Interaktionsarbeit auf bauend auf bisherigen
z. B. in die Debatte um die psychische Gesund-     Erkenntnissen weiterverfolgt.
heit – einfließen. Offene Forschungsfragen         Interaktionsarbeit bezeichnet die Kommunika-
existieren hinsichtlich der Auswirkungen des       tion und Kooperation von Erwerbstätigen mit
organisatorischen Wandels auf die Führungs­        anderen (zumeist betriebsexternen) Personen-
arbeit: So werden neue Formen der Führung          gruppen. Die derzeit bestehenden Lücken in der
und der Zusammenarbeit immer relevanter,           Erkenntnislage zur Rolle von Kundinnen und
z. B. im Rahmen virtueller Führung, Shared         Kunden oder vergleichbaren Gruppen und die da-
Leadership und Selbststeuerung. Darüber hinaus     mit jeweils einhergehende psychische Belastung
stellen neue Formen der Zusammenarbeit auch        und Beanspruchung der Erwerbs­tätigen sollen
neue Anforderungen an die Selbststeuerung          durch entsprechende Forschung gefüllt werden.
von Beschäftigten sowie an das Verhalten und       Einen Schwerpunkt bilden neben den besonde-
das Rollenverständnis der Führungskräfte.          ren Anforderungen in der Arbeit mit Menschen
Welche Auswirkungen dies auf das Wohlbefin-        und deren Auswirkungen auf Beschäftigte eben-
den und die Gesundheit von Führungskräften         so betriebliche und gesellschaftliche Kontexte,
und Beschäftigten hat, soll näher untersucht       die das Interaktionsgeschehen beeinflussen.
werden. Dabei soll insbesondere das (Un-)
Gleichgewicht von (neuen) Anforderungen und        2.5 Zeit- und ortsflexible Arbeit
Ressourcen auf den Prüfstand gestellt werden.
                                                   Chancen und Risiken verschiedener Formen
„Menschengerechte Arbeitsorganisation im           flexibler Arbeitszeiten und von ortsflexibler
Gesundheitswesen“ erweitert die bislang            Arbeit werden im Hinblick auf unterschiedliche
transferorientierte Arbeit zu Sicherheit und       Beschäftigtengruppen näher betrachtet und
Gesundheit in der beruflichen Pflege um            Gestaltungsempfehlungen ebenso wie mögliche
eine neue spezifische Forschungsperspektive        Regelungslücken abgeleitet.
zur menschengerechten Arbeitsgestaltung,           Flexible Arbeitszeiten, aber auch ortsflexible
insbesondere zu psychosozialen Anforderungen       Arbeit (wie Telearbeit, mobiles Arbeiten) haben
und Ressourcen.                                    durch Globalisierung und Digitalisierung an
Das Gesundheitswesen ist auf verschiedenen         Bedeutung gewonnen und tragen auch dem
Ebenen zunehmend im Fokus (Konzertierte            Wunsch vieler Beschäftigter nach einer besse-
Aktion Pflege [KAP], Nationale Präventions-        ren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben
Konferenz [NPK], Rat der Arbeitswelt, SARS-        Rechnung. Während einige Beschäftigten-
CoV-2-Pandemie). Die BAuA verfügt in diesem        gruppen über vergleichsweise viele Flexibili-
Themenfeld über langjährige Expertise und baut     tätsmöglichkeiten verfügen, sind andere eher
diese im Bereich Forschung weiter aus. Bei der     mit Flexibilitätsanforderungen konfrontiert.
Forschungslinie „Menschengerechte Arbeits-         In diesem Kontext werden die Grenzen von
­­or­ganisation im Gesundheitswesen“ geht es um    Flexibilitätsmöglichkeiten (z. B. bei interessier-
die Untersuchung von Arbeits- und Organisati-      ter Selbstgefährdung), aber auch Optionen zur
onsmerkmalen sowie Belastungskonstellationen       gesundheitsgerechten Gestaltung von Flexi-
in spezifischen Settings des Gesundheitswesens     bilitätsanforderungen näher betrachtet, um
(v. a. der Pflege), deren Wechselwirkung mit       Aufschluss über die jeweiligen gesundheitsbezo-
arbeitsrelevanten individuellen Faktoren und       genen Folgen und damit verbundenen Gestal-
Beanspruchungsfolgen sowie um die vertiefende      tungsmöglichkeiten zu gewinnen. Des Weiteren
Analyse der Rahmenbedingungen und Folgen           soll die Rolle der Präsenz und direkten Kommu-
des Einsatzes digitaler Technologien für die       nikation für eine gute gestaltete Arbeit systema-
Arbeitsorganisation. Einen inhaltlichen Schwer-    tisch betrachtet und entsprechende Gestaltungs-
punkt bilden Erholungsbedingungen und              anforderungen (z. B. für verschiedene Formen
-strategien (hier Vernetzung zu Themenfeld 3.2).   der Interaktionsarbeit) abgeleitet werden.

                                                                                                                                  15
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          Mit dem Ziel, die etablierten arbeitswissenschaft­   Arbeitsschutzaspekte werden derzeit primär
                          lichen Erkenntnisse zur Arbeitszeitgestaltung        beim Betrieb oder der Einrichtung von Arbeits-
                          aktuell zu halten, sollen die Auswirkungen des       stätten berücksichtigt. Das Themenfeld erweitert
                          Wandels der Arbeit auf atypische Arbeitszeitformen   die Perspektive und untersucht die Möglich­
                          (insb. Schichtarbeit, Rufdienste) erfasst und        keiten der Integration von Arbeitsschutzanfor­
                          Gestaltungsoptionen entwickelt werden.               derungen und Arbeitsschutzmaßnahmen in
                          Es bestehen bereits umfassende arbeitswissen-        digitale Systeme für die vernetzte Planung, den
                          schaftliche Erkenntnisse zur Gestaltung unter-       Bau und die Bewirtschaftung von Bauwerken.
                          schiedlicher atypischer Arbeitszeitmodelle, die      Dies resultiert in einem breiten Spektrum
                          auch regelmäßig aktualisiert werden. So war die      verschiedener Anforderungen und Rahmen-
                          BAuA z. B. in unterschiedlicher Weise an der         bedingungen, welche durch entsprechende
                          Erstellung der Leitlinie zur Nacht- und Schicht­     Verfahren und Technologien adressiert werden.
                          arbeit der Deutschen Gesellschaft für Arbeits-       Beispielhaft werden hierzu das Building Infor-
                          und Umweltmedizin beteiligt, in deren Entste-        mation Modeling untersucht und Implikationen
                          hung noch weitere Fragen (z. B. nach tätigkeits­     für den Arbeitsschutz abgeleitet.
                          spezifischen Gestaltungshinweisen) identi­fiziert
                          wurden. Der stetige Wandel der Arbeit und der        Weiterführende Untersuchung der Mensch-
                          Arbeitsanforderungen erfordert es außerdem,          Roboter-Zusammenarbeit vor dem Hinter­grund
                          die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse           neuer Sensortechnologien, Datenverarbeitungs­
                          regelmäßig zu aktualisieren und anhand neuer         algorithmen und flexibler/adaptiver Automa­
                          Entwicklungen zu prüfen. Dies gilt in besonderer     tisierung und Aufgabenzuordnung.
                          Weise für die Schichtarbeit, aber ebenso für Ruf-    Neue Robotertechnologien, einschließlich
                          und Bereitschaftsdienste.                            den Menschen unterstützende Exoskelette,
                                                                               gewinnen weiter an Flexibilität und adaptive
                          2.6 Innovative Arbeitssysteme                        algorithmische Funktionen lassen sich in die
                                                                               Systeme inte­grieren. So eröffnen sich neue
                          Analyse und Weiterentwicklung von umfassen­          Spielräume einer flexiblen Mensch-Roboter-
                          den Verfahren der Modellierung und Simulation        Zusammenarbeit, die für eine menschen­
                          bei Entwurf, Gestaltung und Planung von              gerechte, lernförderliche Aufgabengestaltung
                          Arbeitssystemen und Arbeiten.                        genutzt werden sollten. Dazu werden grund­
                          Der Einsatz von Modellbildung und Simulation         legende Konzepte entwickelt, um Beispiele
                          zur prospektiven Arbeitsgestaltung und -planung      guter Umsetzung aufzeigen zu können.
                          erstreckt sich bereits jetzt über verschiedene
                          Elemente und Ebenen von Arbeitssystemen.             Analyse und Gestaltung der Mensch-Technik-
                          Die bereits vorhandenen Ansätze der digita-          Interaktion, insbesondere bei Dienst­leistungs-
                          len Ergonomie zur Menschmodellierung und             und Wissensarbeit unter Berücksichtigung
                          -simu­­lation werden weiterentwickelt. Innova-       smarter Informations- und Kommunikations­
                          tive Methoden der virtuellen Anthropometrie,         technologien.
                          beispielsweise durch 3-D-Laserscans, sind hier       Dienstleistungs- und Wissensarbeit verändern
                          zukunftsweisend und liefern aktuelle, notwendi-      sich im Zuge der Digitalisierung stark.
                          ge Daten für die Modellierung und Simulation         Dies bezieht sich auf Tätigkeiten, die sich z. B.
                          von Arbeitssystemen. Eine neue Herausforde-          durch die Integration von KI-Systemen ändern,
                          rung liegt aktuell weiterhin in der Abbildung kog-   aber auch auf die Wertschöpfungsprozesse
                          nitiver Funktionen. In diesem Kontext werden         insgesamt. Vernetzte, agile Strukturen gewinnen
                          aktuelle Ansätze analysiert mit dem Ziel, zur        auf allen Ebenen von Organisationen immer
                          komplexen Modellbildung in diesem Themenfeld         mehr an Bedeutung. Sie stellen neue Anforde-
                          beizutragen und diese voranzubringen.                rungen hinsichtlich einer nachhaltig gesunden
                                                                               Ausgestaltung. Das Tätigkeitsfeld der innovativen
                          Weiterentwicklung der Erkenntnisse und               Arbeitssysteme erfordert eine enge Zusammen-
                          Möglichkeiten zur Integration von Arbeits­schutz­    arbeit, in der Regel in Form von Konsortien, mit
                          aspekten in prozessuale Planungs­methoden für        wissenschaftlichen und Praxispartnern, auch über
                          Arbeitsplätze und -stätten.                          die nationalen Grenzen hinweg.

16
Strategische Handlungsfelder

3	Förderung von Gesundheit und                   Dementsprechend wird nicht nur das Wiederein-
   Arbeitsfähigkeit – Prävention                  gliederungsgeschehen bei psychischer Erkran-
   arbeitsbedingter Erkrankungen                  kung beschrieben, sondern es werden weiterhin
                                                  Konzepte des betrieblichen Eingliederungs-
Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit und        managements, Return-to-Work-Ansätze und
die Arbeitsfähigkeit erhalten und fördern,        Angebote der Nachsorge auf ihre Verbreitung
sind ein wesentliches Element der Prävention      und Wirksamkeit hin untersucht.
arbeitsbedingter Erkrankungen und ein entschei-
dender Faktor für die Sicherung der Teilhabe am   Darüber hinaus soll den gesundheitlichen
Erwerbsleben. Für einen modernen präventiven      Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeits-
Arbeits- und Gesundheitsschutz, der Präven­       welt auf die Erwerbsbevölkerung nachgegangen
tionspotenziale umfassend ausschöpft, sind die    werden, wobei auch das Präventionspotenzial
körperlichen, mentalen und sozialen Dimen­        digitaler Technologien betrachtet wird. Da die
sionen von Gesundheit und ihre multifaktori-      zunehmende Heterogenität der Erwerbsbevöl-
ellen Determinanten aus Person und (Arbeits-)     kerung ein prägendes Merkmal der modernen
Umwelt interdisziplinär zu betrachten, um das     Arbeitswelt darstellt, zielt ein weiterer Arbeits-
dynamische Kontinuum zwischen Gesundheit          schwerpunkt darauf ab, ein besseres Verständnis
und Krankheit in Richtung des Erhalts und der     für die Voraussetzungen, Bedürfnisse und
Förderung von Gesundheit zu verschieben.          Vulnerabilitäten spezifischer Erwerbstätigen-
                                                  gruppen sowie deren Zusammenhänge mit
Hierfür betrachtet das Handlungsfeld 3 die Pri-   der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu
mär-, Sekundär- (arbeitsmedizinische Vorsorge)    gewinnen.
und Tertiärprävention (Return-to-Work [RTW],
Betriebliches Eingliederungsmanagement [BEM])     Zur Erreichung eines effektiven Gesundheits-
gemeinsam. Präventionsmaßnahmen setzen            schutzes arbeitet die BAuA mit anderen Wissen-
Kenntnisse über die ursächlichen Zusammen-        schaftlerinnen und Wissenschaftlern, Instituti-
hänge zwischen Arbeit und Gesundheit voraus.      onen und Ressorts zusammen, um aufbauend
Dazu werden epidemiologische Longitudinalstu-     auf den Eckpunkten der Public-Health-Strategie
dien genutzt (v. a. Studie zur mentalen Gesund-   für Deutschland von 2021 systematisch die
heit bei der Arbeit [S-MGA], Gutenberg-Gesund-    Sicherung und Förderung der Gesundheit der
heitsstudie [GHS]) sowie weitere Methoden der     Beschäftigten zu stärken („Health-in-all-Policies-
evidenzbasierten Arbeitsmedizin (v. a. syste-     Ansatz“).
matische Reviews). Ausgehend von der sozio-
ökonomischen Relevanz und der Prävalenz in        3.1	Verursachung und Prävention
der Erwerbsbevölkerung stehen Muskel-Skelett-,         arbeitsbedingter Erkrankungen
Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen
sowie Beeinträchtigungen der psychischen Ge-      Fortsetzung des Monitorings körperlicher
sundheit im Mittelpunkt.                          Belastung und assoziierter Beanspruchung
                                                  sowie Untersuchung ausgewählter arbeits­
Aufgrund der zunehmenden Anzahl von               medizinisch relevanter ätiologischer Fragen mit
Beschäftigten mit Vorerkrankungen erfolgt         Fokus auf Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie
weiterhin die Untersuchung der Arbeits- und       Evalua­tion von Ansätzen der ganzheitlichen
Funktionsfähigkeit sowie der Erwerbsteilhabe      arbeitsmedizinischen Vorsorge.
mit dem Ziel, Beiträge zur Senkung des Arbeits-   Arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen
unfähigkeits- und Frühverrentungsgeschehens       bleiben, wie auch im neuen Strategischen Rah-
zu leisten.                                       men der EU für Gesundheit und Sicherheit am
                                                  Arbeitsplatz 2021  – 2027 formuliert, aufgrund
Bei bereits vorliegender Erkrankung ist eine      der hohen sozio-ökonomischen Bedeutung ein
gelingende Wiedereingliederung in das Erwerbs-    Schwerpunkt. Mit Fokus auf Muskel-Skelett­
leben ein Ziel von hoher individueller, unter-    Erkrankungen werden das Monitoring körperli-
nehmerischer und sozialpolitischer Bedeutung.     cher Belastung und assoziierter Beanspruchung

                                                                                                                                 17
Arbeits- und Forschungsprogramm 2022 – 2025

                          fortgesetzt und ausgewählte arbeitsmedizinisch         weiblichen Beschäftigten, mit dem Einsatz neuer
                          relevante ätiologische Fragen untersucht.              Materialien sowie mit der Digitalisierung in
                          Der ganzheitliche Ansatz arbeitsmedizinischer          der Arbeitswelt einhergeht, zu berücksichtigen.
                          Vorsorge wird anhand der Thematik Muskel-              Um die Qualität der Anerkennungsentschei-
                          Skelett-Erkrankungen exemplarisch untersucht.          dungen sicherstellen zu können, sollen mit der
                                                                                 2021 neu eingerichteten Wissenschaftlichen
                          Wissenschaftliche Begleitung von Interven­             Geschäftsstelle des ÄSVB in weit größerem Maß
                          tionen zur sedentären Arbeit und deren Wirkung         als bisher auf Grundlage von epidemiologischen
                          auf Risikofaktoren für Herz-Kreislauf- und             Forschungsprojekten inklusive systematischen
                          Stoffwechsel-Parameter sowie Untersuchung              Reviews zum internationalen Stand der wissen-
                          von Zusammenhängen zwischen psychosozialen             schaftlichen Forschung Empfehlungen erarbeitet
                          Belastungen und (prä-)klinischen Outcomes im           werden. Wo immer sinnvoll bzw. erforderlich,
                          Rahmen einer Kohortenstudie.                           sollen hierbei auch Synergien durch Koopera-
                          Mit Fokus auf Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-        tionen innerhalb der BAuA und mit externen
                          Erkrankungen (v. a. Diabetes) werden in der            arbeitsmedizinischen Institutionen genutzt
                          Forschungslinie „Erhalt und Förderung der              werden.
                          kardiometabolischen Gesundheit im betrieb­
                          lichen Setting“ identifizierte Interventionsmög-       3.2	Zusammenhänge von Faktoren
                          lichkeiten bezogen auf sedentäre Arbeit wissen-             der Arbeit mit mentaler Gesundheit
                          schaftlich begleitet und evaluiert. Im Rahmen               und Wohlbefinden
                          einer qualitativ hochwertigen Längsschnittstudie
                          (Gutenberg-Gesundheitsstudie – GHS) werden             Die Forschung zu Arbeitszeit und zeitflexiblem
                          ätiologische Fragen zu Zusammenhängen                  Arbeiten wird in Richtung der Identifizierung
                          zwischen psychosozialen Belastungen, auch              von Kausalzusammenhängen zwischen
                          im Kontext der Arbeit mit digitalen Medien             Arbeitszeitmerkmalen, Arbeitsbedingungen,
                          und Kommunikationsmitteln sowie neuen                  Beanspruchungsmerkmalen und Gesund­heit /  
                          Technologien, und klinischen bzw. innovativen          Wohlbefinden weiterentwickelt.
                          prä­klinischen Zielgrößen (z. B. arterielle Steifig-   Auf Basis der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015
                          keit / Pulswellengeschwindigkeit) untersucht.          und 2017 wurden bereits umfassende Zusam-
                          Daraus werden Empfehlungen für den Medizi-             menhänge zwischen arbeitszeitlichen Arbeitsan-
                          nischen Arbeitsschutz (ganzheitliche Vorsorge,         forderungen und der Gesundheit sowie dem
                          Leitlinien und Empfehlungen v. a. im Hinblick          Wohlbefinden von Beschäftigten im Querschnitt
                          auf Diabetes) bzw. die betriebliche Praxis (sowohl     untersucht. Durch die Weiterführung der Befra-
                          Gestaltung von Arbeitsbedingungen als auch An-         gung im Längsschnitt und den Erhebungen in
                          gebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung          2019 und 2021 ist nun auch die Analyse mittel-
                          [BGF] und das Betriebliche Gesundheitsmanage-          und langfristigerer Effekte sowie intrapersoneller
                          ment [BGM]) abgeleitet.                                Veränderungen möglich, die Rückschlüsse auf
                                                                                 Kausalzusammenhänge zulassen.
                          Erarbeitung von Empfehlungen zur Aufnahme
                          neuer arbeitsbedingter Erkrankungen als Berufs-        Die Forschungslinie „Mentale Gesundheit
                          krankheit (BK) und Aktualisierung bestehender          und Teilhabe fördern“ wird fortgesetzt.
                          BKen.                                                  Die Linie verfolgt das Ziel, ätiologische Zu-
                          Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufs-          sammenhänge zwischen Arbeits- und Beschäf-
                          krankheiten“ (ÄSVB) beim BMAS erarbeitet               tigungsbedingungen, mentaler Gesundheit,
                          wissenschaftliche Empfehlungen und Stellung-           Arbeits- und Funktionsfähigkeit sowie Erwerbs-
                          nahmen zur Aufnahme neuer und zur Aktu­                teilhabe basierend auf einer qualitativ hochwer-
                          alisierung bestehender Berufskrankheiten.              tigen Längsschnittstudie („Studie zur mentalen
                          Die Begründungen zu fast der Hälfte der aktuell        Gesundheit bei der Arbeit [S-MGA]“ zu ermit-
                          gelisteten Berufskrankheiten sind bereits mehr         teln. Mit der Weiterführung der S-MGA und
                          als 30 Jahre alt. Darüber hinaus ist der Wandel        der Erweiterung um eine neue Welle ergeben
                          der Arbeit, der mit einem wachsenden Anteil von        sich Möglichkeiten zu einer differenzierten Auf­

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Strategische Handlungsfelder

klärung zeitlich-dynamischer Zusammenhänge          Für eine heterogene Erwerbsbevölkerung
zwischen Exposition und Outcome (Belastungs-        soll das Ziel einer menschengerechten
dauer, Einsetzen der Auswirkung, Auswirkungs-       Arbeitsgestaltung, die die Diversität der
dauer) sowie zur Bestimmung des Einflusses          Berufstätigen berücksichtigt, verfolgt werden.
von Mediatoren (Arbeits- und Funktionsfähig-        Im Rahmen kontextsensibler Forschung werden
keit) und sogenannter „reversed causality“,         verstärkt die Wechselwirkungen zwischen
d. h. reziproker Effekte. Weiterhin ist aus der     tätigkeitsbezogenen Arbeitsbedingungen,
Perspektive des möglichen Präventionspotenzials     betrieblichen Kontextfaktoren und relevanten
die Ermittlung von Prädiktoren für berufliche       gesamtgesellschaftliche Dynamiken im
Übergänge und Erwerbsaustritte relevant, um die     Wechselspiel mit Diversitätsmerkmalen
arbeitsbezogenen Folgekosten solcher Ereignisse     (personen- und beschäftigungsbezogene)
besser abschätzen zu können. Die Verbreitung        betrachtet.
von Kommunikations- und Informationstechno-         Der Zusammenhang von Arbeitsbedingungen
logien macht darüber hinaus die Erfassung der       (Anforderungen und Ressourcen) und Gesund-
Folgen der Digitalisierung notwendig.               heit in verschiedenen Erwerbstätigengruppen
                                                    wird untersucht. Erwerbstätigengruppen werden
Die Forschung zur Erholung innerhalb und            dabei aufgrund unterschiedlicher Heterogeni-
außerhalb des Arbeitskontextes soll fortgesetzt     tätsmerkmale (z. B. Alter, Geschlecht, Befähigung
werden; u.a. mit einer Fokussierung auf die         oder Behinderung, sexuelle und / oder ethnisch-
Überprüfung der Wirksamkeit von Gestaltungs-        kulturelle Vielfalt), Lebenssituation und ihrer
optionen.                                           Beschäftigung (etwa Einfacharbeit) identifiziert.
Die Untersuchungen zur Erholung sollen fort­        Ziel ist es, ein besseres Verständnis sowie eine
gesetzt und um Gestaltungsoptionen zur Verbes-      Sensibilisierung für Bedürfnisse und Vulnerabi-
serung der Erholung erweitert werden. Zusätz-       litäten von spezifischen Erwerbstätigengruppen
lich zu verhältnisorientierten Maßnahmen bzw.       und deren Zusammenhang mit der Beschäf-
Interventionen werden mit diesen kombinierte        tigungsfähigkeit zu erreichen.
verhaltensorientierte Interventionen in den Blick
genommen, da die individuellen Kompetenzen          Besondere Aufmerksamkeit verdienen in
und die Fähigkeit zur Selbststeuerung der           diesem Zusammenhang die Auswirkungen des
Beschäftigten zunehmende Bedeutung erhalten.        demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt.
Ziel ist es, solche Gestaltungsoptionen zu unter-   Hierzu zählen u. a. die zunehmende Alterung
suchen, zu entwickeln und zu evaluieren.            der Belegschaften und die Notwendigkeit, die
                                                    Arbeitsbedingungen altersgerecht zu gestalten,
3.3	Vielfalt und Förderung                         aber auch die alternsgerechte Arbeitsgestaltung:
     von beruflicher Teilhabe                       Diese legt den Fokus darauf, die Arbeitsbedin-
                                                    gungen für alle Beschäftigten so anzupassen,
Die BAuA will im Programmzeitraum zu                dass diese gesund im Arbeitsprozess verbleiben
den Themen „Teilhabe am Erwerbsleben und            können. Schließlich trägt der demografische
Inklusion“ aus der Perspektive der differenziel-    Wandel dazu bei, dass die Erwerbsbevölkerung
len Arbeitsgestaltung beitragen. Ziel ist es, die   heterogener wird und die menschengerechte
Beschäftigungsfähigkeit durch Arbeitsgestaltung     Arbeitsgestaltung für alle Beschäftigtengruppen
für spezifische Personengruppen zu fördern,         (Menschen mit Behinderungen oder Migrations-
die ohne entsprechende Unterstützung keine          hintergrund) an Bedeutung gewinnt.
Optionen auf Ausübung bestimmter Tätigkeiten
hätten. Es geht dabei insbesondere darum, durch
assistive Technologien und Arbeitsgestaltung
für Beschäftigtengruppen mit körperlichen und
geistigen Beeinträchtigungen oder Behinderun-
gen Zugänge zu weiteren Tätigkeitsfeldern zu
ermöglichen.

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