ARZT-PATIENTENVERHÄLTNIS AM LEBENSENDE - Jost Niedermeyer Medizinische Klinik I - Krankenhaus Bad Oeynhausen
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ARZT- PATIENTENVERHÄLTNIS AM LEBENSENDE Jost Niedermeyer Medizinische Klinik I - Krankenhaus Bad Oeynhausen Dienstag, 19. November 13
STERBEORTE IN DEUTSCHLAND • Krankenhaus 42 - 43% • zu Hause 25 - 30% • Heim 15 - 25% (Tendenz steigend) • Hospiz 1 - 2% • Palliativstation 1 - 2% • andere Orte 2 - 5% Schindler, 2005 Dienstag, 19. November 13
FALLBEISPIEL 73jähriger Patient: vor 7 Tagen mittelgroßer Schlaganfall Rechtsseitige Lähmung, Sprachstörung à Gehirnschwellung à à Intensivstation, keine Kontaktaufnahme möglich Dienstag, 19. November 13
FALLBEISPIEL 73 JÄHR. MANN (2) Lungenentzündung 4 antibiotische Behandlung Patient inzwischen etwas wacher, Kommunikation aber sehr eingeschränkt Schluckstörung 4 i.v. Ernährung, dann nasale Sonde, jetzt: dauerhafte Ernährungssonden-Anlage? Prognose: zu diesem Zeitpunkt schwer abschätzbar, große Spannbreite möglich Angehörige (Ehefrau & Sohn): „Patient würde auch mit einer leichten Behinderung nicht mehr leben wollen“ • Verzicht auf lebensverlängernden Maßnahmen (inkl. PEG) • Ethische Frage: Soll die Sondenernährung fortgesetzt werden? Dienstag, 19. November 13
ANZAHL & QUALITÄT VON PV Studie aus Köln (Klin. Ethikkomitee) • PV in 3 von 17 Beratungen (2005-2009) 66 Einrichtungen befragt • PV bei 78/246 Ethikberatungen (32%) • 49% „unklar“ oder „völlig ungenügend“ Dienstag, 19. November 13
ETHISCHE VORAUSSETZUNGEN MEDIZINISCHER MASSNAHMEN Nutzen für den Patienten -> Prinzipien Wohltun & Nichtschaden 1. Wohl ? -> Fürsorge („Fremdbestimmung“) 3. Wille vor Wohl Einwilligung des Patienten -> Prinzip: Respekt der Selbstbestimmung 2. Wille ? Ausführung lege artis Dienstag, 19. November 13
FALLBEISPIEL 73 JÄHRIGER MANN (3) • Stabilisierung über 3 Wochen (Bettkante, Kurze Sätze reden, Trinken) • nach 3 Wochen plötzlich apathisch im Bett (2. Schlaganfall) • zunehmende Sprachstörung, Nahrungsverweigerung „...Schluß“ „...Feierabend“ Dienstag, 19. November 13
PALLIATIVMEDIZIN • bejaht das Leben und sieht das Sterben als einen normalen Prozess • will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern • bietet dem Patienten Unterstützung, um so aktiv wie möglich bis zum Tod zu leben • unterstützt die Familie während der Erkrankung des Patienten und in der Trauerphase Dienstag, 19. November 13
Palliativmedizin: alte Vorstellung Kurative / lebensverl. Maßnahmen Diagnose Tod Symptomlinderung (comfort care) Dienstag, 19. November 13
Palliativmedizin: neue Vorstellung Kurative / lebensverl. Maßnahmen Diagnose Tod ↑ Lebensqualität (Palliative Care) Dienstag, 19. November 13
FORMEN DER „STERBEHILFE“ • Aktive Sterbehilfe • Beihilfe zu Suizid • Indirekte Sterbehilfe • Passive Sterbehilfe Dienstag, 19. November 13
AKTIVE STERBEHILFE • Gezielte Lebensverkürzung durch Tötung des Patienten • freiwillig („Tötung auf Verlangen“) • nicht-freiwillig (z.B. „Mitleidstötung“) • unfreiwillig (z.B. „Euthanasie“ im Nationalsozialismus) • in Deutschland verboten! • freiwillig: Tötung auf Verlangen (§216 StGB) • nicht / bzw. unfreiwillig: Totschlag (§212 StGB) bzw. Mord (§211 StGB) Dienstag, 19. November 13
DER FALL TERRI SCHIAVO • geb. 3.12.1963, Philadelphia • † 31.3.2005 • seit 1990 Wachkoma ( 15 Jahre) • 05/98 1. richterl. Entscheidung • ... • 03/05 5. richterl. Entscheidung Dienstag, 19. November 13
Dienstag, 19. November 13
BEIHILFE ZUM SUIZID ➡ Bereitstellung des Mittels zum Suizid „Die Erhaltung und Wiederherstellung der ➡ nicht strafbar Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein“ ➡ offene Fragen: • Pflicht des Arztes zur Suizidintervention • BGH1984: Ja! (Garantenpflicht) • DJT 2006: Nein (wenn der Suizid freiverantwortlich) • Berufsrechtliche Konsequenz • MBO: §16 Es ist Ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten (Juni 2011) • BÄK: 2004/2011: widerspricht dem ärtzlichen Ethos Dienstag, 19. November 13
INDIREKTE STERBEHILFE • Lebensverkürzung als nicht beabsichtigte Nebenwirkung einer ärztlich indizierten palliativen Maßnahme • Zulässig in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten (BGH 1996) Dienstag, 19. November 13
PASSIVE STERBEHILFE BEI EINWILLIGUNGSFÄHIGEN • Unterlassen, Begrenzen oderPATIENTEN Beenden einer HAT DER ARZT DEN AKTUELL GEÄUßERTEN lebenserhaltenden MaßnahmeWILLEN DES ANGEMESSEN (BGH: „Behandlungsabbruch“) AUFGEKLÄRTEN PATIENTEN ZU BEACHTEN, SELBST WENN SICH DIESER • Zulässig WILLE NICHT MITmitDEN in Übereinstimmung demAUS ÄRZTLICHER Willen SICHT des Patienten GEBOTENEN (vergl. 3. BtÄndG DIAGNOSE- UND v. 2009, BGH THERAPIE-MAßNAHMEN 2010) DECKT. DAS GILT AUCH FÜR DIE BEENDIGUNG SCHON EINGELEITETER LEBENSVERLÄNGERNDER MAßNAHMEN. (BÄK 2004 – GRUNDSÄTZE DER ÄRZTLICHEN STERBEBEGLEITUNG) Dienstag, 19. November 13
BGH-URTEIL 25. JUNI 2010 1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch)ist gerechtfertigt, wenn dies • dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und • dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. 2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden. 3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich. Dienstag, 19. November 13
Aktive Sterbehilfe Passive Sterbehilfe Direkte Indirekte Verzicht oder Abbruch einer Sterbehilfe Sterbehilfe technischen Möglichkeit der Lebensverlängerung z.B. z.B. (Beatmung, Antibiotika, PEG- Tötung auf Schmerzlinderung Sonde etc.) Verlangen ggf. auch bei Lebensverkürzung in D in D in D nicht zulässig zulässig zulässig Dienstag, 19. November 13
EUTHANASIE • D. im Nationalsozialismus: systematischer Mord an psychisch kranken und behinderten Menschen • euthanasia (griechisch) = „schöner Tod“ • euthanasia (engl, USA) = the intentional ending of a life of a person suffering from an incurable or painful disease Dienstag, 19. November 13
INITIALE DISKUSSION MIT PATIENT / FAMILIE • Formulierung der Patienenwertvorstellungen und Einstellungen zu Therapiemöglichkeiten und -ergebnissen • Definition der Behandlungsziele auf dem Boden dieser Wünsche ➡ Behandlungsentscheidungen Dienstag, 19. November 13
PROGNOSEFINDUNG UND ENTSCHEIDUNG ÜBER „STERBEHILFE“ • Prognose-Einschätzung mit Patient und Familie besprechen • Abstimmung von Therapiezielen d. Patienten, Prognose der Erkrankung und Lebensqualität • Vermeidung einer Übertragung eigener Wertvorstellungen • Kein Zwang ausüben, eine schlechte Prognose akzeptieren zu müssen -> Therapiebegrenzung zuzustimmen Dienstag, 19. November 13
ZULÄSSIGKEIT VON SEDIERUNG Indikation für die Patientenwille sedierende + (Zustimmung nach Maßnahme Aufklärung) Ethisch und juristisch zulässige Sedierung Dienstag, 19. November 13
Die moderne Medizin wird an der Endlichkeit unseres Daseins nichts ändern. Manchmal zu heilen, oft zu lindern und immer zu trösten – das ist keine resignierte Beschreibung ärztlicher Handlungsoptionen, sondern die Antwort auf die Herausforderungen eines selbstbestimmten Lebens, das um die eigenen menschlichen Grenzen weiß. Prof. E. Nagel, Transplantationschirurg, Philosoph, Präsident 2.ökomen. Kirchentag, München Dienstag, 19. November 13
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