Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)

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Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)
Radio-Köpfe
                                                                                               melden!“ verhallte ergebnislos. Es meldete
                                                                                               sich natürlich niemand. Damals sprach man
                                                                                               „über so etwas“ noch nicht öffentlich-schon
                                                                                               gar nicht im Radio. Daraufhin bestimmte
                                                                                               der Direktor zwei Schüler der Klasse, die
                                                                                               bereits durch ihre Mitarbeit bei der Schüler-
                                                                                               zeitung erste journalistische Erfahrungen
                                                                                               gesammelt hatten. Für die Schule sei es eine
                                                                                               „Ehre“. Einer, der sie verteidigen sollte, war
                                                                                               Axel Buchholz. Ziemlich aufgeregt mach-
                                                                                               ten sie sich auf den Weg zum SFB, der sich
                                                                                               damals noch am Heidelberger Platz befand.
                                                                                               Erst nach dem Abzug der Russen zog der
                                                                                               Sender 1957 in das „Haus des Rundfunks“
                                                                                               in die Masurenallee um. Zu ihrer großen
                                                                                               Überraschung erfuhren sie dann in der Ju-
                                                                                               gendfunkredaktion, dass das Thema des
                                                                                               Beitrags ein ganz anderes sei, nämlich das
                                                                                               Verhältnis von Schulsport und Leistungs-
                                                                                               sport. Das war aus Sicht der beiden „Dienst-
                                                                                               verpflichteten“ auch nicht viel besser, da sie
                                                                                               beide alles andere als Sportskanonen und in
 Axel Buchholz – ehemaliger SR-Chef und                                                        beiden Themenfeldern wenig beschlagen
                                                                                               waren. Die Einstiegssendung verlief dann
  Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)                                                         dennoch nicht einmal schlecht, so dass jeder
   Das kleine Saarland, mit 2570 Quadrat-      Land nicht immer erst durch die „Zone“ fah-     eine Gage von 20 DM bekam. Jedenfalls
kilometern nach den Stadtstaaten der Flä-      ren musste.                                     durften beide fortan in verschiedenen SFB-
che nach das kleinste Bundesland der Bun-                                                      Jugendfunksendungen mitwirken – aber nur
desrepublik, war im Äther in der zweiten          Das Saarland war erst kurz zuvor, im         Buchholz wurde mit dem Radiobazillus an-
                                               Jahr 1957, zur Bundesrepublik hinzuge-          gesteckt. Zuerst befragte er in Gesprächs-
Hälfte der 1960er bis in die 1970er und
                                               kommen – und für ihn nur eine von drei Op-      runden mit anderen Jugendlichen interes-
1980er ganz groß. SR 1 wurde als „Europa-
                                               tionen. Den Ausschlag gab, dass er schon        sante Gäste – sozusagen stellvertretend für
welle Saar“ konzipiert, ausgestattet mit ei-
                                               eine Zusage hatte, beim Saarländischen          die Zielgruppe. Dann kamen kleine eigene
ner später bis zu 1200kW leistungsstarken                                                      Beiträge zu Themen aus dem Jugendleben
Mittelwelle vom Standort Heusweiler. Vor       Rundfunk mitarbeiten zu können. Buchholz
                                                                                               hinzu.
allem nach Osten breitete sich das Signal      machte alle Scheine (Leistungsnachweise),
aus, so dass der Sender weit über das Saar-    hörte aber mit dem Studium auf, als die Ex-
                                                                                                   Später durfte er die monatliche Jugend-
land hinaus vielen ein Begriff war und das     amensvorbereitung und das Erste Staatsexa-
                                                                                               sendung „Hobbies, Hot und heiße Sachen“
jeweilige Programm in den Programmzeit-        men anstanden – und er dem Journalismus
                                                                                               als erster überhaupt moderieren und inter-
schriften überregional ausgedruckt wurde.      schon mit Haut und Haaren verfallen war.
                                                                                               viewen. Einmal im Monat wurden zu einer
Axel Buchholz (80) prägte das Programm in                                                      „Studioparty“ junge Leute in den kleinen
jener Zeit mit, brachte es vom sogenannten         Axel Buchholz hat keine klassische jour-
                                                                                               SFB-Sendesaal eingeladen. Zwischen Inter-
                                               nalistische Ausbildung absolviert: „Das war
Festen Freien bis hin zum Chefredakteur,                                                       views mit verschiedenen Gästen gab es an-
                                               damals noch nicht die Regel“, merkt Buch-
Wellenchef der Europawelle Saar und stell-                                                     gesagte Live-Musik zum Mittanzen. „Die
                                               holz hierzu an. „Journalismus lernte ich, wie   Mitarbeit beim SFB bedeutete damals ein
vertretenden Programmdirektor Hörfunk
                                               viele andere auch, learning by doing.“          Stück weite Welt in meinem Schüler- und
des SR. Unser Mitarbeiter Hendrik Leuker
                                               Schon ab 1955, als Teenager, schrieb er für     später Studentendasein“, fügt Buchholz hin-
traf Buchholz im Funkhaus des SR auf dem
                                               den „Herderboten“ des Herdergymnasiums          zu. Nach seinem Wechsel ins Saarland ar-
Halberg oberhalb von Saarbrücken gelegen
                                               in Berlin-Westend, den er mitgegründet hat-     beitete er dann eine Weile parallel noch in
und bat ihn zum Interview.
                                               te. Deutsch und Geschichte waren damals         Berlin und in Saarbrücken beim Jugendfunk
                                               seine Lieblingsfächer. Bald darauf arbeitete    weiter. Auch für das „Spandauer Volks-
        Vom Berliner Kind                      er außerdem an den Jugendseiten der Berli-      blatt“ schrieb er von Saarbrücken aus wei-
       zum Wellenchef der                      ner Zeitungen „Telegraf“ und „Spandauer         ter. Dass Buchholz keine journalistische
                                               Volksblatt“ (dort anschließend auch im Lo-      Ausbildung verfolgte, sondern damals ein
        Europawelle Saar                       kalen) mit. Zu seinen ersten Worten in ein      angehender Jurist war, störte beim SR nie-
                                               Radiomikrofon wurde er schließlich von          manden. Bald bekam er im Jugendfunk ei-
   Nach dem Abitur in seiner Heimat Berlin     seinem Schuldirektor Dr. Georg Krause zu-       gene Sendungen und wurde zusätzlich re-
im Jahr 1958 studierte er zehn Semester Jura   sammen mit einem Mitschüler „verdon-            gelmäßiger Zeitfunkreporter. „Juristen wie
an der Freien Universität Berlin und an der    nert“. Er verpflichtete ihn, an einer Sendung   Journalisten sollten sich beide durch klares
Universität des Saarlandes in Saarbrücken      des damals neuen, erst im Jahr 1954 gegrün-     Denken und strukturiertes Fragen auszeich-
und wechselte anschließend in den Journa-      deten Sender Freies Berlin (SFB) teilzuneh-     nen“, merkt Buchholz an. „Das eine oder
lismus. Buchholz hatte ursprünglich nur        men. Eines Tages kam der Schuldirektor in       andere Mal haben mir später als Journalist
vor, im Jahr 1960 für ein Jahr seine Heimat,   die 10. Klasse und teilte mit, dass der SFB     im Bereich Politik und Zeitgeschehen auch
die auch „Frontstadt des Kalten Krieges“       zwei Schüler für einen Beitrag zum Thema        meine erworbenen Kenntnisse im Staats-
genannt wurde, zu verlassen und auch mal       „Sexuelle Probleme in der Jugend“ suchen        und Verwaltungsrecht sowie im Strafrecht
dort zu leben, wo man für einen Trip aufs      würde. Sein anschließendes „Bitte bei mir       geholfen.“

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Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)
Radio-Köpfe
        Seine Sendungen

    Zehn Jahre lang (von 1960 bis 1970) ar-
beitete Buchholz insgesamt als ständiger
freier Mitarbeiter, im SR-Hörfunk und Fern-
sehen. Im Jugendfunk waren Heinrich Kalb-
fuß und danach Dr. Heinz Garber seine Ab-
teilungsleiter. Im Zeitfunk war es Dr. Heinz
Dützmann, dessen besonderes Hobby es
war, sich im Wald und Feld zusammen mit
einem Techniker auf die Lauer zu legen, um
zur Begeisterung seiner Hörerinnen und
Hörer Gesang und Gezwitscher selbst ganz
seltener Vögel aufzunehmen. Buchholz
wurde zuerst als Reporter eingesetzt, dann
auch zunehmend als Moderator, schließlich
auch als redaktioneller Gestalter „eigener“
Sendungen.

    Ab 1970 war Buchholz dann beim SR
fest angestellt und kletterte über die Jahre          Funkhaus des Saarländischen Rundfunks auf dem Halberg in Saarbrücken. Foto: SR.
die Karriereleiter hinauf: Vom leitenden
Redakteur des aktuellen Abendmagazins           sich um das erste aktuelle Radiomagazin in     tag“ (Reise- und Autothemen, Leitung Otto
„Zwischen heute und morgen“ zum Abtei-          der Bundesrepublik mit Berichten aus Poli-     Deppe) magaziniert.
lungsleiter, vom stellvertretenden Hauptab-     tik, Wirtschaft und Zeitgeschehen. Es galt
teilungsleiter zum Leiter der Redaktions-       damals von der Machart her als revolutio-         Im „Journal am Vormittag“, das von
gruppe Zeitgeschehen und schließlich als        när, wenn Politiker (meist live) und (in       1980 bis 1991 ausgestrahlt wurde, gab es
Leiter der Hauptabteilung Politik und Zeit-     Saarbrücken überwiegend) am Telefon zu         mit der Rubrik „Wortgefecht“ um 8:45 Uhr
geschehen zum Chefredakteur. Für sieben         den tagesaktuellen Themen interviewt wur-      (Live-Hörermeinungen per Telefon) das
Jahre wurde Buchholz zusätzlich erst Koor-      den. Bis dahin wurde Politik in Korrespon-     erste tagesaktuelle Phone-In im deutschen
dinator dann in den 1990er Jahren Wellen-       dentenberichten und Kommentaren und nur        Radio. Um 9:15 Uhr nahm zu diesem
chef der Europawelle Saar. Zum Karrie-          gelegentlich in meist aufgezeichneten Inter-   „Wortgefecht“ ein Experte Stellung („Ex-
reende hin wurde er schließlich noch zum        views vermittelt. Die Magazine machten die     perte zum Wortgefecht“). Häufig waren
stellvertretenden Programmdirektor Hör-         Berichterstattung aus Politik- und Zeitge-     dies Wissenschaftler zum jeweiligen The-
funk befördert. Im Jahr 2002 ging er in den     schehen nun wesentlich authentischer und       menbereich. Es ging in dieser Art „dialogi-
Ruhestand.                                      interessanter. Die Live-Befragung der Poli-    schen Rundfunks“, die zur „damals norma-
                                                tiker und sonstigen Protagonisten, die The-    len Einbahnkommunikation hin zum Hörer
   Buchholz hat zahlreiche Sendungen auf                                                       noch den Rückkanal vom Hörer ins Pro-
                                                menvielfalt und die Präsentation durch ei-
der Europawelle moderiert, manche über                                                         gramm hinzufügte“ (Buchholz), oft heftig
                                                nen Moderator oder eine Moderatorin sorg-
viele Jahre hinweg: Zu nennen wären seine                                                      zur Sache. Deshalb handelte sich Buchholz
                                                ten dafür.
Anfänge in den 1960er Jahren beim Jugend-                                                      mit dieser Rubrik neben dem Erfolg bei den
funk in der Sendung „Junge Leute – heute“.                                                     Hörern auch manchen internen (und exter-
                                                   „Zwischen heute und morgen“ wurde
Interaktion mit den Hörern wurde darin                                                         nen) Ärger ein.
                                                seit Herbst 1964 ausgestrahlt und ab 1965
groß geschrieben – obwohl es noch in der
                                                von Buchholz moderiert, nachdem der erste
internetlosen Zeit war: „Ich erinnere mich                                                         Nach diesen „großflächigen“ Magazinen
                                                Moderator und Redakteur, Helmut Prinz,
an die Rubrik ‘Hörer fragen – Prominente                                                       verdichtete die Europawelle 1992 ihre aktu-
                                                den SR verließ und zum WDR wechselte           elle Berichterstattung aus Politik, Wirt-
antworten’, in der junge Hörer Fragen an ei-
                                                („WDR 2-Mittagsmagazin“). Im deutschen         schaft, Kultur und Zeitgeschehen tagsüber
nen Prominenten stellen konnten, ‘Funkdis-
                                                Sprachraum wurde dieser Sendungstyp vom        wieder in drei einstündigen Sendungen.
kussion per Telefon’ (Call-Ins) und ‘Mr.
Unbekannt lässt raten’, worin z.B. ein fikti-   RIAS Berlin eingeführt, wo zuvor Helmut        Diese kompakten „Infozeiten“ mit einem
ver (zu erratender) Johann Wolfgang von         Prinz als Mann der ersten Stunde mit einem     für Begleitprogramme sehr hohen Wortan-
Goethe zu seinem Kutscher sprach. Es war        Morgenmagazin ( „Was gibt’s Neues?“,           teil gab es morgens, mittags und am frühen
ein Versuch, jungen Leuten klassische Bil-      ausgestrahlt von RIAS Berlin ab 15. Oktober    Abend. Inhaltliche Ausrichtung wie auch
dung in einer zeitgemäßen Form zu vermit-       1961 von 5 bis 7.30 Uhr) großes Hörerinter-    Sendezeit und Sendedauer des Abendmaga-
teln“, führt Buchholz zu dieser Sendereihe      esse gefunden hatte.                           zins änderte sich über all die Jahre mehr-
aus. „Der Bildungsauftrag des Radios war                                                       fach. Zuerst wurde die aktuelle Berichter-
damals noch ein vorrangiges Programm-              Nach und nach wurde die Magazinform         stattung aus Politik, Wirtschaft und Zeitge-
ziel“.                                          von immer mehr Sendern übernommen.             schehen an zwei Wochentagen durch Maga-
                                                Bald gab es Magazine zu allen Tageszeiten.     zine mit kulturellem Schwerpunkt ergänzt.
   An den Jugendfunk schlossen sich für         Der SR führte zusätzlich bald ein Mittags-     Es waren im deutschen Radio die ersten ak-
Buchholz die Informationsmagazine als           magazin ein, für das Buchholz ebenfalls        tuellen Kulturmagazine in einem musikbe-
Hauptarbeitsfeld an. Er wurde ein Mann der      verantwortlich wurde. Ab 1980 wurden           tonten Begleitprogramm. Danach wurde die
aktuellen Information. Beim aktuellen           weite Teile des Tagesprogramms mit dem         aktuelle Kultur in alle Abendmagazine als
Abendmagazin „Zwischen heute und mor-           „Journal am Vormittag“ (Aktuelles, Leitung     weiterer Themenbereich integriert. Darauf
gen“ ab Mitte der 1960er Jahre handelte es      Buchholz) und dem „Journal am Nachmit-         wurde eine Stunde lang ein Schwerpunkt-

Radio-Kurier – weltweit hören® 9/2020                                                                                                   19
Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)
Radio-Köpfe
                                                                                               sem frühen Morgen noch das Pech hinzu. In
                                                                                               der Redaktion ging eine Praktikantin ans
                                                                                               Telefon. Jugendlich forsch und schonungs-
                                                                                               los ehrlich antwortete sie auf die Frage aus
                                                                                               Bonn: „Herrn Buchholz können Sie jetzt
                                                                                               nicht sprechen, der ist im Studio und be-
                                                                                               schneidet Ihren Chef.“ Die Reaktion aus der
                                                                                               damaligen provisorischen Bundeshaupt-
                                                                                               stadt muss heftig gewesen sein. In ziemli-
                                                                                               cher Panik erschien die Praktikantin im Stu-
                                                                                               dio und vermeldete, Buchholz solle sofort
                                                                                               die Pressestelle anrufen. Das Interview dür-
                                                                                               fe nicht gekürzt werden. Buchholz bat sie
                                                                                               dann, nach Bonn zu übermitteln, dass das
                                                                                               leider nicht mehr ginge, da er gleich im Sen-
                                                                                               destudio am Mikrofon sitzen müsse. Nach
                                                                                               der Sendung (mit dem gekürzten Genscher-
                                                                                               Interview) konnte er sich den Rückruf dann
                                                                                               ersparen. Wenige Minuten nach Sendungs-
                                                                                               schluss meldete sich der Leiter der Presse-
                                                                                               stelle persönlich. Er ließ seinem Zorn in ei-
                                                                                               nem verbalen Donnerwetter freien Lauf und
                                                                                               endete mit dem Diktum: „Einen Außenmi-
Gebäude des Saarländischen Rundfunks auf dem Halberg. Foto: Hendrik Leuker.                    nister kürzt man nicht!“ Politikerinterviews
                                                                                               waren damals bei der Europawelle am Mor-
thema des Tages behandelt. Schließlich kam     ßen Anhängsel eines großen Nachbarn wer-
                                                                                               gen genauso ein integraler Bestandteil wie
ganz das Aus für das Abendmagazin. Durch       den wollen (SWF, nunmehr SWR, in dem in
                                                                                               etwa beim Deutschlandfunk. Da wog es
das zunehmend dominierende Fernseh-            Bezug zum SR gar vom ‘Appendix 57’ ge-
                                               sprochen wurde).                                schwer, dass die Europawelle für gut ein
abendprogramm gab es in der abendlichen
                                                                                               Dreivierteljahr kein Interview mehr mit
Sendezeit im Verhältnis zu den hohen Kos-
                                                                                               Genscher bekam. Dann war der Zorn ver-
ten nicht mehr genügend Radiohörer.                Radio-Erlebnisse und                        raucht und der Außenminister wieder für In-
   Außer den regelmäßigen, strahlte die Eu-       Anfrage aus Luxemburg                        terviews zu haben. Ob sie „beschnitten“
ropawelle immer wieder Spezialmagazine                                                         würden, fragte niemand mehr. Sie wurden –
aus. Den aktuellen Anlass dafür lieferten         Radio hält für einen Journalisten so man-    wie alle anderen (vorher aufgezeichneten)
z.B. wichtige Wahlen ebenso wie interna-       ches einprägsames Erlebnis bereit: Mitte        bei Bedarf auch.
tionale Sportereignisse oder auch sonstige     der 1970er Jahre zeichnete Buchholz vor
herausragende Ereignisse wie die amerika-      Sendungsbeginn für die „Infozeit am Mor-           Als nächstes fällt Buchholz ein Erlebnis
nische Mondlandung. Buchholz war in aller      gen“ (8 bis 9 Uhr) ein Interview mit dem da-    mit positiven Langzeitfolgen ein. Die Euro-
                                               maligen Außenminister Hans-Dietrich Gen-        pawelle bekam überraschend Besuch – von
Regel nicht nur redaktionell dafür verant-
                                               scher (FDP) auf. Für alle Beiträge gab es die   einer Stammhörerin aus der DDR. Das kam
wortlich, sondern auch meist einer der Mo-
                                               Vorgabe, sie möglichst kurz zu halten. Da-      nicht alle Tage vor. Annelie von Dossow
deratoren. Sein Credo blieb bis zum Schluss
                                               mals hieß das noch etwa 4:30 Minuten – was      war von der Ostsee-Insel Hiddensee ange-
seiner Amtszeit: Als Chefredakteur sollte
                                               heute kaum noch denkbar ist. Beim dadurch       reist. Ende der 1970er durfte sie als Früh-
man auch am Mikrofon den Kontakt zum
                                               manchmal erforderlichen Kürzen galt natür-      rentnerin in den Westen. Und wollte dabei
Hörer haben. „Als Begleitprogramm mit in-
                                               lich das eiserne Prinzip, den Inhalt nicht zu   bei der Europawelle Saar, ihrem Lieblings-
novativen Wortformaten, einem attraktiven      verfälschen. Genscher holte an diesem Mor-
Musikprogramm und populären Moderato-                                                          sender, endlich einmal persönlich Danke-
                                               gen besonders weit aus und leitete sein Sta-    schön sagen. „Dabei kam es zu einem ‘ille-
rinnen und Moderatoren war die Europa-         tement mit der bei ihm beliebten und von In-
welle Saar Vorreiter einer Revolution in der                                                   galen Grenzübertritt’ ins benachbarte Loth-
                                               terviewern gefürchteten Floskel ein: „Bevor
Radiolandschaft. Dadurch hat die Europa-                                                       ringen (Frankreich)“, erinnert sich Buch-
                                               ich Ihre Fragen beantworte, lassen Sie mich
welle Saar wesentlich zur Entwicklung des                                                      holz schmunzelnd. Und das hatte folgenden
                                               bitte noch kurz Folgendes sagen...“. Kurz
populären Begleitradios beigetragen“, ist                                                      Hintergrund: Der im früheren Saargebiet
                                               wurde es dann allerdings nie. Auch an die-
Buchholz überzeugt. Wie sehr das der Fall                                                      (bis 1935) gebürtigen DDR-Bürgerin war
                                               sem Morgen hatte Buchholz also einiges zu
sein würde, hätten die Europawellen-Ma-        schneiden.                                      als Frührentnerin von der DDR die Ausreise
cher damals nicht geahnt.                                                                      mit Visum in die BRD gestattet worden.
                                                  Zwischen Interview und Beginn der            Trotzdem gingen die DDR-Grenzpolizisten
   Für den Saarländischen Rundfunk habe        Live-Sendung versuchte die Pressestelle         mürrisch mit ihr um – wie sie das meist ta-
das neue innovative Konzept der Europa-        des Außenministeriums, Buchholz zu kon-         ten. In Saarbrücken ließen es sich die Mode-
welle Saar auch für überlebenswichtige zu-     taktieren. Wahrscheinlich wollte der Mitar-     ratoren vom Abendmagazin „Zwischen
sätzliche Werbeeinnahmen gesorgt. „Der         beiter nur wissen, um welches Thema genau       heute und morgen“ nicht nehmen, ihrem be-
erste Intendant des SR, Dr. Franz Mai, hatte   es denn gegangen sei. Buchholz hatte das        sonderen Gast aus der DDR die Studios zu
so eine bessere Chance, die Eigenständig-      Interview am späteren Vorabend direkt mit       zeigen. Sie konnte Live-Sendungen miterle-
keit des SR gegenüber allen Begehrlichkei-     Genscher über dessen privaten Telefonan-        ben, ihre Lieblingsmoderatoren kennenler-
ten zu verteidigen“, sagt er. Der zweit-       schluss verabredet – was die Pressestelle       nen und sich ihre vielen Fragen beantworten
kleinste Sender der ARD habe nie zum blo-      ohnehin nicht so gern sah. Nun kam an die-      lassen.

20                                                                                         Radio-Kurier – weltweit hören® 9/2020
Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)
Radio-Köpfe
    Für abends kam man noch auf die Idee,
mit „Tante Annelie“ (Senderjargon) nach
Lothringen in ein Restaurant zu fahren – wie
das damals im Saarland weit verbreitet war.
Erst im Auto merkten sie: Annelie fühlte
sich dabei nicht wohl. Sie hatte ja nur ein
Visum für die Bundesrepublik – keins für
Frankreich. Und Grenzen hielt sie als DDR-
Bürgerin – zumal ohne Visum – für etwas
Unüberwindbares. Dennoch war sie ins
Auto gestiegen, weil ein Restaurantbesuch
in Frankreich sie natürlich reizte. Und nun
tat sie sich schwer zu glauben, dass das an
dieser Grenze alles längst kein Problem
mehr sei. Elke Herrmann, die spätere Mode-
ratorin der „Tagesthemen“, saß am Steuer
und mit dabei waren auch Moderator Hans-
Harro Schmidt (später SR-Hörfunkdirektor)
sowie Axel Buchholz. Die deutschen
Grenzpolizisten winkten ihren Wagen pro-
blemlos einfach durch. Überraschung und
erstes Aufatmen bei Annelie. Der französi-
sche Grenzpolizist hielt die unternehmungs-                   Axel Buchholz bei einem Vortrag anlässlich eines Besuchs von FM Kompakt
lustige Gruppe kurz an: „Ah, Frau Herr-                                     beim Saarländischen Rundfunk 2019. Foto: Michael Schmitz.
mann vom SR. Ach so, zum Essen nach
Frankreich. Bon appétit!“ Zweites Aufat-       jetunion von einmarschierenden Truppen         womöglich eine Rührungs-Sendepause ge-
men und großes Erstaunen von Annelie.          des Warschauer Paktes gewaltsam nieder-        geben.
Jetzt waren sie schon in Frankreich! So ein-   geschlagen worden waren, bedeutete das für
fach war das gewesen. Zuhause in der DDR       4erný auch Berufsverbot und zwangswei-            Das Telefon als Kommunikationsmittel
würde man ihr das nicht glauben – wenn sie     ses Ende seiner Arbeit als Journalist beim     direkt aus dem und ins Studio sorgte im
denn hätte wagen können, es dort zu erzäh-     Prager Rundfunk. Er musste fortan sein         Laufe der Jahre auch für so manche lustige
len. Die nächste Herausforderung für Anne-     Geld als Dolmetscher und Deutschlehrer         oder ernste Situation. Ende der 1970er Jahre
lie kam dann mit den ersten Froschschen-       verdienen.                                     – wann genau, weiß Buchholz nicht mehr –
keln ihres Lebens! In einem französischen                                                     bekam er während der Moderation eines
Restaurant.                                       Nach der „samtenen Revolution“ war          „Mittagmagazins“ einen Anruf von „Euro-
                                               dann schließlich ab 1990 auch Tschechien       pawellen-Konkurrent“ Frank Elstner, sei-
   Der Kontakt zu Annelie wurde von            eine Demokratie. 4erný trat in den Diplo-      nerzeit Programmdirektor von Radio Lu-
Buchholz durch Gegenbesuche auf der Ost-       matischen Dienst seines Landes ein und         xemburg. Elstner machte ihm dabei kurzer-
seeinsel Hiddensee gepflegt – zuerst zu        wurde Gesandter und Leiter der Außenstelle     hand das Angebot, doch zu Radio Luxem-
DDR-Zeiten, dann im wiedervereinigten          der Botschaft seines Landes in Berlin, an-     burg zu wechseln. Er sei schließlich einer
Deutschland. „Tante Annelie“ starb 2014.       schließend der Botschafter. In Saarbrücken     der bekannten Stimmen des SR. Eine solche
Nicht lange zuvor hatte sie Buchholz noch      trafen schon früh über einen Berliner Jour-    wollte Buchholz auch bleiben: „Ich gebe zu,
auf einer Ostsee-Fahrradtour besucht. Es       nalisten seine Grüße an Buchholz und die       dass ich mich geschmeichelt fühlte, aber zu
dauerte nicht lange, bis die damals über 90-   ehemaligen Kollegen der Europawelle ein.       RTL wollte ich nicht. Dort waren für einen
Jährige auf das Schneckenessen in Lothrin-     Sie hatten ihm in kritischen Wochen freie      Info-Freak wie mich viel zu wenige Infor-
gen zu sprechen kam.                           Berichterstattung über die Grenzen hinweg      mationen im Programm. Und ein ‘Unterhal-
                                               ermöglicht – auch für viele Europawellen-      ter’ bin nun mal nicht“, sagt er zu seinem da-
   Mit dem Ende des Prager Frühlings (der      Hörer in der damaligen DDR. Er hatte das       mals ebenso prompten ‘danke, nein’". An-
Phase der ideologischen Lockerung in der       nicht vergessen. „Wir natürlich auch nicht“,   zumerken ist an dieser Stelle, dass Ende der
damals kommunistischen Tschechoslowa-          fügt Buchholz hinzu.                           1970er Jahre bei Radio Luxemburg über die
kei) im Jahr 1968 und der Landung der ers-                                                    stündlichen Nachrichten hinaus eine Infor-
ten Astronauten auf dem Mond am 20. Juli          Als die ersten Astronauten der amerika-     mationsoffensive in Richtung Infotainment
1969 verbindet Buchholz weitere besondere      nischen Apollo 11-Mission auf dem Mond         anlief und man sich dabei personell bei den
Erinnerungen.                                  landen wollten, gab es dazu eine stunden-      auf diesem Feld stärkeren öffentlich-rechtli-
                                               lange Sondersendung der Europawelle            chen Rundfunkanstalten bediente. Im Ge-
   „Während der dramatischen Wochen des        Saar. Axel Buchholz und Elke Herrmann          gensatz zu Buchholz sagten dem privaten
Prager Frühlings berichteten für unsere ak-    moderierten zusammen. Heinz Kaminski,          Sender seinerzeit andere Kollegen für eine
tuellen Magazine auch Kollegen des Deut-       der Leiter der Sternwarte Bochum, war als      Infotainmentsendung namens „Radio-Te-
schen Dienstes von Radio Prag, vor allem       Experte ebenfalls mit im Studio. „Als          lex“ (werktags, 17 bis 19 Uhr) und dreimal
Franti5ek 4erný,“ erzählt Buchholz. Er         schließlich der erste Mensch die Mondober-     tägliche 10-minütige Journale um 7:30,
stand den Reformbestrebungen der dort          fläche betreten hatte, war Elke dann so ge-    12:30 und 17:30 Uhr (Montag bis Freitag)
herrschenden Kommunistischen Partei un-        rührt, dass sie Tränen in den Augen hatte      und für die Chefredaktion Hörfunk zu. Das
ter Alexander Dub5ek positiv gegenüber.        und nichts mehr sagen konnte“, erinnert        waren Carlheinz Hollmann (vom NDR – ei-
Als am 21. August 1968 dann aber die Be-       sich Buchholz. „Damit hat sie mich dann        ner der ersten Moderatoren der „Aktuellen
mühungen um einen „Sozialismus mit             angesteckt“. Zum Glück sprang Heinz Ka-        Schaubude“) und Reinhard Münchenhagen
menschlichem Antlitz“ auf Druck der Sow-       minski daraufhin direkt ein. Sonst hätte es    (vom WDR – „Je später der Abend“).

Radio-Kurier – weltweit hören® 9/2020                                                                                                   21
Axel Buchholz - ehemaliger SR-Chef und Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar)
Radio-Köpfe
                                                                     Auf die Beschränkung      zeichnung zuerst die Form eines Steins,
                                                                     der Werbung nur auf       dann sah er aus wie eine Göttin in Frauenge-
                                                                     festgelegte    Werbe-     stalt.
                                                                     funk-Blockzeiten soll-
                                                                     te verzichtet werden.        Im Jahr 1978 wurde die Verleihung erst-
                                                                     Und das bei starker       mals live auf der Europawelle Saar übertra-
                                                                     Erweiterung des Emp-      gen, ab 1981 zeitversetzt zur Fernsehaus-
                                                                     fangsgebietes durch       strahlung in der ARD. Im Laufe der Zeit
                                                                     Erhöhung der Sende-       durften sich u.a. folgende Preisträger über
                                                                     leistung. Der Streit      die „Goldene Europa“ freuen: Peter Weck,
                                                                     wurde mit einem           Peter Ustinov, die Scorpions, Simply Red,
                                                                     Kompromiss beige-         Thomas Gottschalk, Johnny Logan, Mont-
                                                                     legt. Unser damaliger     serrat Caballé, die Bee Gees, Alphaville,
                                                                     Intendant, Dr. Franz      Chris de Burgh, Tina Turner, James Last, A-
                                                                     Mai, hat dafür Kon-       ha, Shakira, Pur, Andrea Bocelli, Genesis,
                                                                     zessionen gemacht,        Manfred Krug, Bryan Ferry, Udo Linden-
Dieter Thomas Heck und Rainer Oettinger (ganz rechts) beim           z.B. was die Sendezeit    berg, Shirley Bassey und die Prinzen. Erst
Saarländischen Rundfunk (1974). Foto: SR.                            für Spotwerbungen         reichten Newcomer, die man ehren wollte,
                                                                     anging.“                  nicht mehr aus, es mussten Stars her, dann
  Exkurs: SR 1 Europawelle                                                                     gab es auf einmal zu wenige Stars. Im Jahr
                                                   Die bekanntesten Sendungen und die be-      2003 fand die letztmalige Verleihung der
   Saar – Europa im Radio                       liebtesten Moderatoren und Moderatorin-        „Goldenen Europa“ am Rand des „Festivals
                                                nen waren bei der Unterhaltung anfangs u.a.    des Deutschen Schlagers“ in Bremen statt.
   Axel Buchholz wirkte Mitte der 1960er        „Hallo Twen!“ mit Manfred Sexauer,             Die Zuschauerzahlen waren immer mehr
Jahre bis Ende der 1990er Jahre maßgeblich      „Chansons de Paris“ mit Pierre Séguy, und      gesunken und im Verhältnis dazu die Kos-
an SR 1 –Europawelle Saar mit und trug          die „Deutsche Schlagerparade“ mit Dieter       ten durch den großen Aufwand für die Show
zum Erfolg seiner Station bei. SR 1, das ers-   Thomas Heck. Bei der Information waren es      zu sehr gestiegen. Die Unterhaltung war al-
te Hörfunkprogramm der ARD aus Saarbrü-         u.a.: die Büchersendung „Fragen an den Au-     lerdings nie das Metier von Buchholz, nicht
cken, hieß nacheinander Europawelle Saar,       tor“ (sonntags von 11 bis 12 Uhr) mit Hein-    seine Sache, auch wenn er hin und wieder
dann SR 1 – Europawelle Saar, heute nur         rich Kalbfuss, „Zwischen heute und mor-        als Reporter daran mitgewirkt hat. Der hohe
noch kurz SR 1 (Zusatz: „Deine Eins“). Was      gen“ (erst werktags von 22 bis 24 Uhr, dann    Stellenwert der Musik und der Unterhaltung
war das Besondere, der Haupteinschaltim-        von 21 bis 23 Uhr) mit Axel Buchholz (spä-     für den Erfolg des Programms war ihm im-
puls dieses Senders? Buchholz: „Die Euro-       ter auch u.a. mit Hans-Harro Schmidt,          mer bewusst.
pawelle Saar war das erste Radiobegleitpro-     Hans-Dieter Metz und Elke Herrmann). Im
gramm in Deutschland. Es kombinierte viel       Bereich Service für Autofahrer und Urlau-         Was waren die Hauptkonkurrenten von
populäre Unterhaltungsmusik mit kurzer,         ber: „Auf allen Straßen mit Musik unter-       SR 1 – Europawelle Saar? Buchholz macht
aktueller Information, brachte regelmäßig       wegs“ mit Otto Deppe, Autotester Paul          diese sowohl im Inland wie auch im benach-
als erster deutscher Sender Popmusik und        Güth, Jutta Eckler und Wolfgang                barten Ausland aus: „Anfangs vor allem Ra-
stündliche Nachrichten. Die Europawelle         Dorn/Martin Arnhold. Die Verkehrsinfor-        dio Luxemburg. Später wohl – aus deren
war Vorreiter mit persönlicher und unkon-       mation jederzeit im Programm haben bei         Sicht – alle Programme, die im Empfangs-
ventioneller Höreransprache. Intern haben       Europawelle Saar ihren Ursprung. Aller-        gebiet der Europawelle zu hören waren. Ich
wir uns durch einen intensiven Teamgeist        dings war der Sender nie ein reiner Autofah-   denke vor allem an den SWF (heute: SWR)
ausgezeichnet.“ Und in Abgrenzung zu be-        rer-Sender wie zu ihrem Beginn etwa Bay-       und an den hr. Später, in der zweiten Hälfte
stehenden Konkurrenzprogrammen: „Wir            ern 3 und hr 3.                                der 1990er Jahre, hatte der landesweite Pri-
haben unsere Hörer lange Zeit gesiezt, viel                                                    vatsender Radio Salü im Saarland die Euro-
später erst geduzt. Wir haben uns immer mit        Von der Europawelle Saar ging auch der      pawelle Saar zeitweise überholt.“
vollen Namen am Mikrofon gemeldet.“ Die         erste deutsche Radio- und Fernseh-Musik-
Europawelle war ein Vorreiterprogramm,          preis aus, der von 1968 bis 2003 – mit Un-        Europawelle Saar hieß der Sender zum
das in der ARD zum Vorbild für einige po-       terbrechungen wegen Sparmaßnahmen des          einen wegen der großen Reichweite seines
puläre Hörfunkprogramme „für die Vielen“        Senders – verliehen wurde: die „Goldene        Mittelwellensenders und zum anderen we-
wurde.                                          Europa“! Nicht zuletzt als Antwort auf die     gen der vielen Europabezüge im Programm
                                                seit 1959 verliehenen „Löwen“ von Radio        des Senders im Saarland – dem „Herzen Eu-
   Sendestart von SR 1 – Europawelle Saar       Luxemburg. Die ersten beiden Male wurde        ropas“. Was den Europabezug des Saarlän-
war am 2. Januar 1964. Der vom Grün-            der Europapreis am Rand des Deutschen          dischen Rundfunks anging, waren es weni-
dungsintendanten des SR, Dr. Franz Mai,         Filmballs verliehen – erst in der Rheingold-   ger einzelne Sendungen, als die Gesamtaus-
besonders hervorgehobene europäische Ge-        halle in Mainz und dann in Wiesbaden. Ab       richtung des Programms. Das wird u.a.
danke und die räumliche Nähe zum mit den        dem dritten Mal wurden 1970 die Preisträ-      deutlich an Moderatoren aus Frankreich und
Sendeanlagen auch im Saarland ansässigen        ger in der Heimat des Senders, in der Saar-    Luxemburg, einer europäischen Hitparade,
französischen Privatsender Europe 1 fanden      landhalle in Saarbrücken, gewürdigt. Die       der Sendung „Chanson de Paris“, englischer
im Stationsnamen „Europawelle Saar“ ih-         „Goldene Europa“ ging aus der „Deutschen       Popmusik mit einem Musikkorresponden-
ren Niederschlag. Anfangs aber sollte der       Schlagerparade“ von Dieter Thomas Heck         ten in „Hallo Twen!“, an wochenlangen Ur-
SR 1964 wegen der Europawelle sogar aus         hervor, der deutsche Newcomer damit ehren      laubersendungen aus Südfrankreich mit Da-
der ARD fliegen. Buchholz bestätigt: „Diese     wollte. Heck nahm im Jahr 1977 wegen der       niel Mollard, an Elke Herrmanns beliebter
Drohung stand in der Tat im Raum. Es ging       Internationalisierung des Preises seinen Ab-   Feriensendung „Urlaub mit Musik“ mit Ur-
damals um die Einführung von Spotwer-           schied von der „Goldenen Europa“. Zu Be-       laubsgrüßen und Reisenotrufen aus ganz
bung in weiten Teilen des Tagesprogramms.       ginn „Europapreis“ genannt, hatte die Aus-     Europa sowie auch Buchholz’ Koopera-

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tionsendung mit der RAI in Bozen. Daran
beteiligten sich live auch deutschsprachige
Hörer aus Norditalien. Es war das erste Mal,
dass der Sender dort diese Möglichkeit an-
bot. 1979, anlässlich der ersten Direktwah-
len zum Europäischen Parlament, sorgte die
Tour des „Europawanderers“ Hans-Jürgen
Purkarthofer, der von Rom aus alle neun
Länder, aus der die Europäische Gemein-
schaft (EG) damals bestand, bewanderte,
für europaweites Aufsehen. Das ging auf
eine Idee von Buchholz zurück.

   Das alles gehörte zur Programmphiloso-
phie des Senders im europäischen Länder-
dreieck Saarland–Lothringen–Luxemburg,
entsprach aber auch der damaligen Ent-
wicklung der Lebensgewohnheiten der
Menschen. Ende der 1960er und Anfang der
1970er Jahre war eine Zeit des Umbruchs.
Immer mehr Leute hatten genügend Geld
und entdeckten damals das Reisen in andere
europäische Länder.                                                    Blick in den Regieraum des SR Fernsehens. Foto: Hendrik Leuker.

   Und die Europawelle Saar hatte immer        DDR der Fall. Dort hatten wir auch sehr vie-   um gut. In den Massenprogrammen vor al-
mehr Hörer: 1969 waren das 1,29 Mio. Hö-       le und treue Hörer.“                           lem mit Unterhaltung. Zumindest zeitweise
rer pro Tag und 1976 dann 1,92 Mio. pro                                                       (wie z.B. in der aktuellen Corona-Pande-
Tag. 1975 kam die Europawelle im weites-          Die parallel geschaltete UKW- Frequenz      mie-Situation) nimmt auch in diesen Pro-
ten Hörerkreis auf 3 Mio. Hörer in 14 Ta-      88.0 MHz von der Göttelborner Höhe (440        grammen das Informationsinteresse stark
gen. Für das kleine Saarland und seiner ver-   m über NN) konnte auch im Elsass und in        zu. Den technikbedingten Aktualitätsvor-
gleichsweisen kleinen ARD-Anstalt, dem         Lothringen empfangen werden. Nach dem          sprung des Radios hat das Fernsehen inzwi-
SR, ein Riesenerfolg! Die Europawelle Saar     Abschalten der Mittelwelle ist sie heute das   schen aufgeholt. Das Internet kann noch
war lange Zeit unbestrittener Marktführer      sendetechnische Rückgrat von SR 1.             schneller und umfassender mit Text, Spra-
im Saarland! Nur am Anfang war Radio Lu-                                                      che und Bild informieren. Zusätzlich ma-
xemburg gefährlich nahe gerückt und er-               Zukunft des Radios                      chen die Musik-Streamingdienste und viele
reichte insgesamt mehr Hörer. Mitte der                                                       neue Netz-Radios dem klassischen Radio
1990er Jahre hatte der Privatsender Radio                                                     Konkurrenz. Soziale Medien wie Facebook
                                                  Auf jeden Fall ist Buchholz, von Abste-
Salü die Nase zeitweise vorn. Heute ist SR 3                                                  und Instagram haben die Art und Weise der
                                               chern ins SR-Fernsehen einmal abgesehen,
Saarlandwelle das meistgehörte Programm                                                       Kommunikation verändert. Heute findet
                                               ein Mann des Radios. Als was sieht Buch-
im Saarland und SR 1 das zweitstärkste SR-                                                    Kommunikation weitgehend (auch) durch
                                               holz das Medium Radio an? „Ein Radiopro-
Programm geworden. Was ist SR 1, seit                                                         die Netznutzer untereinander statt. Die Me-
                                               gramm ist ein vertrauter Begleiter durch den
2017 ohne den Zusatz „Europawelle Saar“,       Tag, der einen unterhält, informiert und in    dienlandschaft hat sich verändert und befin-
heute? Buchholz hierzu: „Ein auch saarlän-     Stimmung bringt. Und der so sehr dazuge-       det sich im ständigen Umbruch. Diesem
disch ausgerichtetes, musikbetontes Pro-       hört, dass er einem fehlt, wenn er mal nicht   Prozess kann sich das Radio nicht entzie-
gramm für eine Zielgruppe zwischen dem         von sich hören lässt. Damit man sich mit ei-   hen. Es muss mit neuen Programmideen
SR-Jugendprogramm 103.7 – UnserDing            nem Radioprogramm anfreunden kann,             und Crossover-Aktivitäten aufwarten.
und ‘SR 3 – Saarlandwelle’“.                   muss es ein Format haben, das einem zu-        Gleichzeitig darf es die Ansprüche seiner
                                               sagt. Und weil man sich dann so sehr dran      Stammhörer nicht enttäuschen. Alte Hörer
   Die Europawelle Saar wurde mit einer        gewöhnt, darf es sich nur schrittweise ver-    binden und neue Hörer und Nutzer auch im
Sendeleistung von 1200 kW vom Standort         ändern. Das aber muss es auch, damit es auf    Netz dazugewinnen – das ist unter den heu-
Heusweiler ausgestrahlt – zuerst auf Mittel-   der Höhe der Zeit bleibt und nicht langsam     tigen Dauer-Veränderungen im Medien-
welle 1421 kHz, ab dem 23. November            altmodisch wird. Auch langweilig darf es       markt eine Herkules-Aufgabe der Radio-
1978 wegen der Änderung im Genfer Wel-         nicht werden, muss im gewohnten Format-        Macher. Darum beneide ich keinen.“
lenplan von 1975 auf 1422 kHz – entspre-       Rahmen immer mal wieder für Höhepunkte
chend 211 m. Sobald die Abenddämmerung         und Überraschungen sorgen. Hierzu muss             Hat Buchholz dennoch so etwas wie eine
einsetzte, verwandelte sich die Mittelwelle    man das Format gelegentlich auch einmal        Zukunftshoffnung fürs Radio und den Jour-
von einer Boden- zu einer Raumwelle. Da-       aufbrechen“, ist sich Buchholz sicher.         nalismus allgemein? „Meine optimistische
durch war die Europawelle dann bis zur                                                        Zukunftsprognose ist, dass es – auch im Ra-
Morgendämmerung in ganz Europa bis zum             Was ist beim Radio Vergangenheit, was      dio – wieder mehr Bedarf für Qualitätsjour-
Nordkap und teils sogar in Nordafrika und      ist Radio heute und wie entwickelt sich Ra-    nalismus geben wird. Meine Sorge ist, dass
der Sahara zu empfangen. Buchholz dazu:        dio in der Zukunft? „Die Zeiten mit den        er sich, egal ob öffentlich-rechtlich oder pri-
„Ich habe die Europawelle Saar bei Reisen      größten Reichweiten und dem höchsten An-       vat, zunehmend schwerer finanzieren lassen
abends an der Côte d’Azur, in England, Po-     teil an journalistischem Wort hat das Radio    könnte. Vor allem auch im immer wichtige-
len und Rumänien empfangen können. Und         hinter sich. Aber auch in der jetzigen Kon-    ren Internet. Trotzdem glaube ich, dass das
natürlich war das auch in großen Teilen der    kurrenzsituation behauptet es sich als Medi-   Medium Hörfunk eine Zukunft hat.“

Radio-Kurier – weltweit hören® 9/2020                                                                                                    23
Radio-Köpfe
                                                                                                  Interesse gilt inzwischen (wie kann es an-
                                                                                                  ders sein) vornehmlich der Radiogeschich-
                                                                                                  te. So ist er seit 2008 für den Arbeitskreis
                                                                                                  SR-Geschichte regelmäßig Redakteur und
                                                                                                  (öfter) auch Autor von Beiträgen der Reihe
                                                                                                  „Fundstücke aus der SR-Geschichte“. Sie
                                                                                                  sind im Internet nachzulesen unter http://
                                                                                                  www.sr.de/fundstuecke. Für alle Radio-
                                                                                                  und Fernsehfreunde des SR erschienen viele
                                                                                                  der Texte als 496-seitiges Buch auch ge-
                                                                                                  druckt („Fundstücke aus 60 Jahren Saarlän-
                                                                                                  discher Rundfunk“, herausgegeben von
                                                                                                  Thomas Kleist und Axel Buchholz, Geist-
                                                                                                  kirch-Verlag, Saarbrücken, 1. Auflage
                                                                                                  2017). Es eignet sich hervorragend zur Fort-
                                                                                                  bildungslektüre nach diesem Artikel. Das
Axel Buchholz anlässlich einer Preisverleihung 2019. Foto: SR.                                    Lesen von Büchern, auch (aber nicht nur)
                                                                                                  über radiogeschichtliche Themen und von
        Die Journalismus-                        dien, Wiesbaden, 11. Auflage, 2017) und          mehreren Tageszeitungen verortet „Ruhe-
                                                 „Fernsehjournalismus“ (Springer Fachme-          ständler“ Buchholz inzwischen ebenfalls als
         Lehrtätigkeiten                         dien, Wiesbaden, 10. Auflage, 2020). Für         Hobby.
                                                 alle Auflagen hat er viele Beiträge als Autor
    Seit 1972 war Buchholz als Dozent in der     beigesteuert. Den „Radio-Journalismus“ hat          Was hört Buchholz im Radio? „Ich höre
Journalistenausbildung tätig. „Mit sehr viel     er anfangs zusammen mit Walther von La           alle Wellen des SR (zumindest hin und wie-
Freude sowie Wissens- und Erkenntniszu-          Roche herausgegeben, den „Fernsehjourna-         der mal), meist aber inzwischen SR 3 Saar-
gewinn“, wie er dankbar sagt. Walther von        lismus“ zuletzt mit Katja Schupp. Viele er-      landwelle (Es gibt noch: SR 1 vormals Euro-
La Roche hatte ihn für die Deutsche Journa-      fahrene und teils sehr bekannte Journalis-       pawelle Saar, SR 2 Kulturradio vormals
listenschule in München gefragt, ob er Lust      ten-Kolleginnen und -Kollegen haben als          Studiowelle Saar, den Jugendsender 103.7 –
dazu hätte. Er hatte. Wie sehr, merkte er im     Ko-Autoren mitgeholfen. Inzwischen sind          UnserDing und Antenne Saar, ein Informa-
Laufe der Jahre immer mehr. Als er 2002          die Lehrbücher (auch als E-Books) zu im-         tionsprogramm mit besonderem deutsch-
beim SR in Ruhestand ging, wurde er Hono-        mer wieder aktualisierten und ergänzten          französischem Charakter, vormals SR Info).
rarprofessor am Journalistischen Seminar         Standardwerken der Journalistenausbildung        Des Weiteren gerne die Informationssen-
der Johannes Gutenberg-Universität in            geworden. Eine ganze Reihe weiterer Bü-          dungen von Deutschlandfunk und von
Mainz. Im Lauf der Jahrzehnte unterrichtete      cher, Fachartikel und Aufsätze zeigt, dass       Deutschlandfunk Kultur. Dazu kommt noch
er zu Darstellungsformen des praktischen         Buchholz neben dem Tagesaktuellen auch           Internetradio: Meine erste Position dort ist
Journalismus in allen Medien außer dem In-       Freude am Grundsätzlicheren hatte. Für sein      rbb Inforadio aus Berlin. Die zweite Bayern
ternet. Sein Schwerpunkt lag dabei auf den       besonderes Wirken im Bereich des Journa-         5 (B 5 Aktuell).“
audiovisuellen Medien, auf Hörfunk und           lismus und für seinen Einsatz für das Saar-                                  Hendrik Leuker
Fernsehen. Aber auch in Printredaktionen         land wurde Buchholz im Jahr 2012 mit dem
war er Referent und Trainer.                     Saarländischen Verdienstorden ausgezeich-
                                                 net.                                                             Kontakt
   Seine Dozententätigkeit begann er 1972
an der Deutschen Journalistenschule in                                                            ⇒ E-Mail:
                                                           Hobbys und
München, dann auch beim Institut zur För-                                                           Axel.Buchholz@uni-mainz.de
derung publizistischen Nachwuchses eben-                 Hörgewohnheiten
falls in München und später auch an den
Henri Nannen-Journalistenschulen in Ham-            Was macht(e) Buchholz in seiner Frei-
burg und Berlin (benannt nach dem legen-         zeit, damals als hauptberuflicher Journalist
dären Chefredakteur des „Stern“). Nach und       und jetzt im Unruhestand? „Ich hatte nicht
nach wurde er in ganz Deutschland von            allzu viel davon“, sagt er zuerst auf die Fra-
Journalistenschulen, zu In-house-Semina-         ge. „Mein Beruf war zugleich mein Hobby.“
ren bei Sendern und Zeitungen und an sechs       Was aber an Freizeit blieb, das nutzte er in-
Universitäten eingeladen. Auch in Italien,       tensiv. Schon immer war (und ist) er ein be-
Österreich, der Schweiz und mehreren afri-       geisterter Fahrradfahrer und gerne auf
kanischen Ländern gab er Kurse. Rund drei        Langstrecken im In- und Ausland unter-
Jahrzehnte unterrichtete er an der Universi-     wegs. Nach der Wende „erfuhr“ er sich mit
tät Mainz. Bis heute ist er dem Mainzer          Brandenburg, der Umgebung Berlins, dem
„Journalistischen Seminar“ mit einer jährli-     Oder-, Spree- und Havelradweg weite Teile
chen Radio-Exkursion treu geblieben.             der neuen Bundesländer. Alle Jahre wieder
                                                 macht Buchholz das Deutsche Sportabzei-
   „Lehren, was man praktisch tut und da-        chen, inzwischen ist es das 33ste. Nebenbei:
bei selber noch viel für die eigene Praxis da-   Bei den ersten zehn war er „Opfer“ seiner
zulernen – das hat ideal zusammengepasst“,       eigenen Idee für eine große Europawellen-
bilanziert Buchholz diese Zeit. Gut dazu ge-     Radioaktion „Setz’ ein Zeichen – Sportab-
passt haben auch seine beiden Lehrbücher         zeichen“. Da musste er ganz einfach selbst
„Radiojournalismus“ (Springer Fachme-            auch an den Start gehen. Sein historisches

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