Babaçuplus Förderung der Selbstbestimmung - Maranhão - Nordostbrasilien - cooperaxion.org

 
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Babaçuplus
       Förderung der Selbstbestimmung - Maranhão - Nordostbrasilien
Lokale Partner: COOAAFA, Genossenschaft der Quilombolas (autonome Gemeinschaften im Widerstand gegen
                das Kolonialsystem) - 2'000 Begünstigte in Codó, Maranhão
Schwerpunkte: Förderung wirtschaftlicher & sozialer Perspektiven auf dem Land | Verhinderung von Landflucht
                Förderung & Stärkung des Netzwerks von Knackerinnen | Schutz natürlicher Ressourcen
Projektdauer: Zwei Jahre | 1. Januar 2019 – 31. Dezember 2020
Projektkosten: CHF 93’100.- |offener Betrag: CHF 74’100 CHF | inkl. Begleitkosten in der Schweiz

Im Januar 2019 trat Jair Bolsonaro sein Amt als Präsident Brasiliens an. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt
veröffentlichte Bolsonaro eine Reihe von Dekreten. Diese zielen auf die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften
des Landes ab und bedrohen Biosphären wie den Amazonaswald und die Cerrado. Dies betrifft landlose Bauern,
indigene Völker und zehntausende von Quilombolas. Diese Veränderung bedeutet mehr Morddrohungen und
Verletzungen der Rechte traditioneller Gemeinschaften. Tausende von Frauen sind direkt betroffen, und anderem
die Babaçu-Nuss-Knackerinnen.
Die Babaçu-Palme und die Knackerinnen stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten von Cooperaxion in Brasilien. In
den Staaten Maranhão, Piauí und Tocantins leben mehr als 400’000 Familien vom Verkauf dieser Nuss und deren
Nebenprodukten. Nuss und Palmen sind äusserst vielseitig einsetzbar: Sie werden zu Öl, Stärke, Kohle,
Baumaterial, Handwerk und natürlichem Dünger verarbeitet. In den 1970er Jahren wurden Tausende von
Hektaren Land von der Regierung verkauft und von Grossgrundbesitzern und Agroindustriellen umzäunt, was den
Zugang zu den Babaçu-Palmen erschwerte oder ganz verhinderte. Hunderte von Knackerinnen haben sich
organisiert und 2003 wurde das «freie Babaçu Gesetz» verabschiedet (lei do babaçu livre), welches den freien
Zugang für die Knackerinnen verteidigt. Leider kommen nur 10% von ihnen in den Genuss des Gesetzes, die
anderen sind immer noch Gewalt und Verfolgung durch Grossgrundbesitzer ausgesetzt.
Neben der Gewalt auf dem Land sind die Knackerinnen gezwungen, sich weiteren Herausforderung zu stellen: Der
Wertverlust von Babaçu und der Arbeit der Knackerinnen, der Mangel an Perspektiven und öffentlicher
Dienstleistungen wie Schulen zwingen ihre Familien in Grossstädte zu ziehen. Tausende Familien, die in der
Grossstadt missbraucht und ausgebeutet werden und deren Fähigkeiten und Talente abgewertet werden, trennen
sich. Konfrontiert mit Rassismus und Geschlechtervorurteilen verlieren die Knackerinnen ihre individuelle und
kollektive Identität und die Unterstützung ihrer Gemeinschaften.
Mit der Unterstützung von Cooperaxion wurde 2013 eine Genossenschaft von Babaçu-Knackerinnen in Codó
gegründet: die COOAAFA. Ihre Mitglieder arbeiten mit mehr als 2’000 Knackerinnen in der Region zusammen. Die
COOAAFA hilft über Preisstützungs- und Absatzmassnahmen und dient als Plattform für Workshops, Organisation
von Aktivitäten und Zentrum für Identitätsbildung der Quilombolas und Knackerinnen. Um die Kooperative herum
entstanden vier Frauenfussballmannschaften, die es den Knackerinnen ermöglichen, sich in der Freizeit zu
organisieren und soziale Bindungen zu stärken. Um dem von der neuen Regierung legitimierten Sozialabbau und
der Gewalt auf dem Land zu begegnen und die Quilombola-Knackerinnen und ihre Genossenschaft zu stärken,
schlägt Cooperaxion ein zweijähriges Projekt mit folgenden Zielen vor:
Hauptaspekte – Phase 2019-2020
• Wertschätzung und Förderung der Arbeit der Babaçu-Knackerinnen
• Selbständigkeit der COOAAFA bei Produktion und Vermarktung von Babaçu-Öl & Nebenprodukten fördern
• Unterstützung von Frauenfussballteams: Ausrüstung, Transport und Verpflegung für die Spielerinnen
• Workshops: Nutzung der natürlichen Ressourcen, Gender (intersektionale Perspektive), Gesundheit
• Förderung der Vernetzung der Knackerinnen und ihrer lokalen politischen Beteiligung
Cooperaxion engagiert sich mit den Babaçu Knackerinnen für soziale Gerechtigkeit, ein würdiges Leben und den
Schutz der natürlichen Ressourcen, die das Überleben Tausender von Familien in Maranhão ermöglichen.

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Geographische Lage

Brasilien – Maranhão – Codó – 5 Dorfgemeinschaften: Monte Cristo, Nova Vila, Eira I, Eira II em Centro Expedito - die Kooperative COOAAFA hat
ihren Sitz in Monte Cristo (rechts unten)

Eindrücke

Babaçu Knackerin und Genossenschaftsmitglied Raimunda Cláudia Oliveira Eira | Dona Raimunda de Sousa, Knackerin aus Nova Vila | Maria de
Souza Babaçu Knackerin, Nova Vila | Raimundo Babosa, Genossenschaftsmitglied in Monte Cristo und Conceição Cruz, lokale Partnerin im
Hintergrund | Antônio Francisco Silva, Genossenschaftsmitglied Monte Cristo | November 2018

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1. Kontext
«Wir haben gelernt zu kämpfen, weil unsere Vorfahren bereits gekämpft haben», Dona Dijé, 2018

Laut Regierungsquellen gibt es in Brasilien derzeit 3’000 anerkannte «Quilombos»1 oder solche, die sich im Prozess
der Anerkennung befinden. Diese Gemeinschaften befinden sich hauptsächlich in ländlichen Gebieten, aber auch
in den Randgebieten und selten im Zentrum von Grossstädten. Sie wurden mehrheitlich von Menschen gegründet,
die sich aus der Sklaverei befreien konnten und geflohen sind, aber auch von Indigenen und Deserteuren. Mit
physischer Konfrontation gegen die Gewalt des Kolonialstaates und durch Verhandlungen von Kompromissen,
bilden diese Organisationen bis heute Inseln des Widerstands. Sie fungieren seit Jahrhunderten als
Parallelgesellschaft zur kolonialen Sklavengesellschaft und ihren heutigen Folgen.

Die Quilombos prägten die Geschichte Brasiliens stark durch die Schaffung von einzigartigen Lebensformen und
bilden     bis    heute      eine     eigene      materielle      und     immaterielle        Kultur.     Diese     basiert     auf     engen
Verwandtschaftsbeziehungen und Solidarität unter ihren Bewohnern, den «Quilombolas», aber auch auf der
gemeinsamen Nutzung und Bewirtschaftung von Land. Diese Gemeinschaften stehen derzeit vor verschiedenen
Herausforderungen bei der Bewahrung ihrer Identität und der Anerkennung ihrer Territorien.2 Trotz der
Abschaffung der Sklaverei hat der Quilombola-Kampf nie aufgehört. Aufgrund des in Brasilien verabschiedeten
«Entwicklungsplans», der während der Militärdiktatur (1964-1985) intensiviert worden war, wurden tausende von
Gemeinschaften stigmatisiert, verdrängt und assimiliert. Die Quilombolas widersetzten sich jedoch durch ihre
soziale Organisation, Sprache, religiöse Traditionen, Feste und ihre tiefe Beziehung zum Territorium. Die Frage des
Territoriums ist für traditionelle Gemeinschaften von zentraler Bedeutung. Im Gegensatz zu Land im
marktwirtschaftlichen Sinne hat es keinen kommerziellen Wert. Seine Verbindung ist anzestral und die Familien
die darin leben, pflegen ein Verhältnis der Zugehörigkeit zu ihm sowie zu den anderen Lebewesen und der
umgebenden Natur.3

Der Staat Maranhão hat eine der grössten Konzentration von Quilombos in Brasilien. Obwohl die Verfassung von
1988 Quilombolas ausdrückliche Rechte auf ihr Territorium und die Aufrechterhaltung ihrer Lebensweise
garantiert, werden sie ständig in Frage gestellt. Rassismus, historische Amnesie in Bezug auf soziale Bewegungen,
ausschliessende Bürokratie, teure Prozesskosten und staatliche Gewalt hindern diese Bevölkerungsgruppen
schliesslich daran, sich selbst zu erklären, einen Prozess der Anerkennung einzuleiten und zu führen.

Die derzeitige politische Wende, die Radikalisierung rechtsextremer Bewegungen und die agroindustrielle
Expansion, haben die Anerkennung von Quilombo-Gebieten und das Leben ihrer BewohnerInnen stark
untergraben. Der populistische Wahlprozess zielte hauptsächlich auf die Interessen der Agrarwirtschaft und
missbrauchte Quilombolas und indigene Gemeinschaften als Sündenböcke. Sie wurden zum Ziel gewalttätiger
Angriffe von Medien, Bevölkerung, neocharismatischer Kirchen und Agrar-Eliten. Diese Angriffe werden nun von
der 2018 gewählten Regierung legitimiert und sogar verteidigt.

Der Mangel an Perspektiven, die aktuelle staatliche Politik und massive Gewalt im ländlichen Raum, zwingt viele
Familien ihre Gemeinden zu verlassen und sich auf die Suche nach Arbeit in den städtischen Raum oder in grosse
Monokulturen zu begeben. Die ArbeiterInnen im Inneren von Maranhão gehören zu denen, die am meisten durch
Sklavenarbeit ausgebeutet werden. In den Grossstädten finden ländliche Jugendliche einen gesättigten und
ausbeuterischen Arbeitsmarkt, ihre Fähigkeiten werden übersehen, und als junge Schwarze Frauen und Männer
werden sie stark stigmatisiert und kriminalisiert.

1 Im Text bezieht sich das Wort "Quilombo" auf den Ort und "quilombola" auf die Person, die im Quilombo lebt und zu diesem Sozialwerk gehört.
2 GOMES, Flavio dos Santos, Quilombos, Communautés d’esclaves insoumis au Brésil, 2018, éditions l‘échapée, Paris
3 Agência Tambor, Interview mit dem indigenen Führer Inaldo Kum’tum Akroá Gamela, 3. April 2018

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In seinen ersten Amtsstunden übertrug der aktuelle Präsident die Verantwortung für die Abgrenzung der
Quilombola-Gebiete dem Ministerium für Landwirtschaft. Infolgedessen wurden die Prozesse von mehr als 300
Gemeinschaften unterbrochen und sie sind noch stärker der Gewalt der Agroindustrie und der Landräuber (in
Brasilien als Grileiros bekannt) ausgesetzt. Mit dem Ziel, die Identität und Arbeit der Knackerinnen und die
Bedeutung der Babaçu-Nuss zu fördern, unterstützt Cooperaxion die Gründung der Kooperative COOAAFA4 seit
2012.

2. Babaçu – Einnahmequelle und Symbol des Kampfes für das Territorium
Geschichte

«Ausserhalb des Territoriums sind wir nicht», Inaldo Kum'tum Akroá Gamela, 2018

Die wilden Babaçu-Palmen prägen die Landschaft der ländlichen Gebiete im Nordosten Brasiliens. Die Palme spielt
eine wichtige Rolle für die lokale Lebensgrundlage traditioneller Gemeinschaften und ist gleichzeitig ein Symbol
für die regionale Frauenbewegung und den Kampf um die Rechte der Kleinbauern. In Maranhão profitieren
schätzungsweise rund 400’000 Menschen von der Verarbeitung und dem Verkauf der Babaçu-Nüsse, davon 90%
Frauen. Die Babaçu-Knackerinnen leben von der Ernte und dem Knacken der Babaçu. Seit den frühen 1970er
Jahren ist der Zugang zu den Babaçu-Palmen jedoch immer schwieriger geworden. Das von der Regierung Sarney
geförderte «Landgesetz» ermöglichte es ab 1970 in Maranhão Land zu kaufen und zu verkaufen. So wurde der
Staat Maranhão die Bühne für eine Vielzahl von Fällen von Invasionen in Bauernland, Landraub und allerlei
Gewalt.5

Zäune, Monokulturen und Gewalt der bewaffneten «Sicherheitskräfte» der Unternehmen hinderten die
Knackerinnen am Zugang zu den Palmen. Um gegen Grundbesitzer und Landräuber vorzugehen, gründeten die
Babaçu-Knackerinnen das MIQCB6 und kämpften für den freien Zugang zu den Palmen. Nach langen
Verhandlungen verkündete die Regierung von Maranhão 1997 das «Lei do Babaçu Livre», welches den Zugang
und die Sammlung von Babaçu auf Privatgrundstücken für alle erlaubt und garantiert. Trotz diesem Gesetz
profitieren nur etwa 10’000 Menschen davon.

Babaçu

«Heute ist die grösste Gefahr nicht unten bei den Zäunen, sondern im Gift, das die Flugzeuge von oben werfen"
Dona Dijé, 2018.

Die Babaçu-Nuss ist Haupteinnahmequelle der Familien aus den Quilombos. Sie kann vom Kern bis zur Schale
genutzt werden. Die Schale (épicarpo & endocarpo) wird als pflanzliche Kohle mit hohem Brennwert genutzt. Die
zweite Schicht der Nuss (mesocarpo) ist reich an Amiden, Mineralien und Fasern. Sie ist in Form von Mehl eine
wichtige Nahrungsquelle in der Region. Die Samen der Babaçu-Nuss bestehen zu 65% aus Öl, welches konsumiert
oder für die Herstellung von Seifen, Kosmetika oder Biokraftstoff verwendet werden kann. Was übrig bleibt,
(torta) wird den Tieren verfüttert. Neben den Früchten der Palme dienen ihre Blätter als Baumaterial und zur
Herstellung von Körben, Matten, Zäunen und vielem mehr. Das Innere des Stamms wird als natürlicher Dünger
verwendet und das Herz ist eine spezielle Nahrung für Mensch und Tier.

In Gruppen oder allein betreten die Knackerinnen den Wald, um die Babaçu, die so genannten «Kokos-Nüsse», zu
sammeln. Geknackt wird direkt im Wald oder zuhause. Die Arbeit ist hart: Die Palme kann bis zu 20 Metern hoch
werden und wenn sich die Nüsse nicht vom Bund gelöst haben, muss die Knackerin die ganzen Bunde

4 COoperativa de Agricultores e Agricultoras FAmiliares extrativistas da região de Codó
5 A Lei no 2979, de 15 de junho de 1969, XXIX Simpósio Nacional de História 2017, A questão Fundiária no Maranhão, Implicações e
desdobramentos da “Lei Sarney de Terras” na década de 1970. Pinheiro - MA
6 Movimento Interestadual de Quebradeiras de Coco Babaçu

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herunterschlagen. Eine Nuss wiegt zwischen 90 und 240 g und kann zwischen ein und sechs Kerne enthalten. Eine
Knackerin extrahiert zwischen sechs und acht Kilo Nusskerne pro Arbeitstag. Das Knacken erfolgt manuell mit
einer Machete und einer Axt.

Die Nusskerne, Holzkohle und das Öl können von der Familie konsumiert oder verkauft werden. Auf dem Markt
erhält die Knackerin zwischen R$ 0,90 und R$ 1,75 Reais (CHF 0,31 - 0,61) pro Kilo Nüsse. Der Verkauf kann in der
Gemeinde selbst auf dem lokalen Markt erfolgen, im Austausch gegen Produkte, für Geld oder gegenüber
Händlern, die zwischen den verschiedenen Gemeinden zirkulieren und Babaçu kaufen. Wegen der Gewalt auf dem
Land und der Perspektivlosigkeit sahen sich viele Frauen gezwungen, mit der ganzen Familie in die Stadt zu ziehen.
Viele Unternehmen, die sich für Öl interessieren, fahren mit Lastwagen hunderte von diesen Knackerinnen aus
den Städten und bringen sie in den Wald, um Nüsse zu knacken. In diesem Fall erfährt die Arbeit der Knackerinnen
noch weniger Wertschätzung; sie sind verpflichtet, alle geknackten Nüsse an den Unternehmer zu liefern, der sie
eingestellt hat. In einem industriellen Prozess kann aus den Nüssen Öl hergestellt und für R$ 3,00 und R$ 4,50 pro
Kilo (CHF 1.05 und 1.57) verkauft werden. So ist das wirtschaftliche Potenzial von Babaçu enorm und kann weiter
angekurbelt werden, wenn die Knackerinnen die Produktionsmittel und den Direktverkauf von Öl selber
kontrollieren.       Um      dies     zu    erreichen,       müssen        die     Gemeinschaften           jedoch      die     verschiedenen
Produktionstechnologien einsetzen, ihre Aktivitäten diversifizieren und die lokalen Ressourcen voll ausschöpfen.

3. Projektgeschichte und lokale PartnerInnen
«Ich bin stolz auf die Genossenschaft, hier fühlen wir uns zu Hause», Francisca, Monte Cristo, 2018

Im Jahr 2011 finanzierte Cooperaxion eine Babaçu-Öl-Mühle und förderte die Bildung einer Kooperative von
Babaçu-Knackerinnen: COOAAFA7. Diese befindet sich im Monte Cristo Siedlungsprojekt (Projeto de Assentamento
- PA). Die PA besteht aus fünf Gemeinden: Monte Cristo, Eira I, Eira II, Nova Vila und Centro do Expedito. Die PA
Monte Cristo liegt im ländlichen Gebiet der Gemeinde Codó, im Herzen der Region Cocais, die reiche Babaçu-
Wälder besitzt. Codó ist sowohl die nächstgelegene Stadt als auch die Gemeinde. Die Gemeinde wird von einer
agrarischen Oligarchie kontrolliert und ist der sechstgrösste Distrikt im Bundesstaat Maranhão. Codó ist eine der
Regionen, in der am meisten Boden für Grossgrundbesitz urbar gemacht wird. Das führt zu Landkonflikten und
Maranhão ist mit 197 Fällen oder 20 Prozent im Jahr 20178 der Staat mit den meisten Landkonflikten im
Amazonasgebiet. Und die Gemeinde Codó führt mit 13 Fällen die traurige Rangliste in Maranhão an.

In Codó gibt es praktisch keine Trennung zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht. Bürgermeister Francisco
Nagib ist der Sohn von Francisco C. Oliveira, dem Eigentümer der Gruppe FC Oliveira. Er ist der grösste Industrielle,
Arbeitgeber und Grundeigentümer der Region. Ein grosser Teil ihres Besitzes ist das Ergebnis von Landraub und
Gewalt gegen traditionelle und bäuerliche Bevölkerungsgruppen. Die Sippe kontrolliert alle Medien, die meisten
Tankstellen, die Verteilung von Haushaltsgas in der Gemeinde, zwei Motorradhändler, sowie die Produktion von
Rindfleisch, Kunststoffverpackungen und Seife.

COOAAFA ist die letzte Kooperative in der Region und kommt direkt und indirekt 2’000 Knackerinnen zugute. Die
Mitglieder der Kooperative treffen sich regelmässig mit den lokalen Partnerinnen von Cooperaxion: Conceição
Cruz und Andreia Siqueira. Die beiden arbeiten zusammen mit ASFOCO9, einer Organisation die von VolontärInnen
aus der Kinderpastoral (Pastoral da Criança)10 gegründete wurde. Dies gibt Cooperaxion die nötige Struktur einer

7 Cooperativa de Agricultores e Agricultoras Familiares extrativistas de Codó, gegründet 2013
8 Anzahl der Konflikte im ländlichen Maranhão - Insgesamt 197 Konflikte (2017) ca. 16’000 Familien - Atlas der Landkonflikte im legalen Amazonas,
CPT’s (Comissão Pastoral da Terra) Amazônia (Org.)
9 Associação de Formação e capacitação dos Cocais
10 Die Kinderpastoral, ein Organismus der sozialen Aktion der CNBB (Brasilianische Bischofskonferenz), stützt ihre Aktivitäten auf die

Gemeinschaftsorganisation und die Ausbildung von Gemeindeleitern, die dort leben. Sie übernehmen die Aufgabe, die benachbarten Familien in

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Partnerorganisation, die Aktivitäten sind jedoch losgelöst von ASFOCO. Conceição Cruz und Andreia Siqueira
erhalten und verteilen die Finanzen für die beiden Projekte Onilé und Babaçuplus, begleiten die Knackerinnen,
vermitteln, leiten die Forderungen der Genossenschaft weiter an Partnerorganisationen und an die
Stadtbehörden. Kurz: Sie sind die Interessensvertreterinnen der COOAAFA.
4. Ziele und Aktivitäten für 2019 - 2020

5.1 Öl Mühle von Monte Cristo
Seit der Inbetriebnahme der Öl-Mühle im November 2012 haben sich die 25 Genossenschaft MitgliederInnen aktiv
beteiligt. Knackerinnen, Frauen und Männer kaufen die Nüsse an, bedienen die Mühle, produzieren Seife,
verarbeiten die Nebenprodukte und verkaufen das Öl. Die COOAAFA kauft Babaçu-Nüsse direkt von Familien in
der Region zu besseren Preisen als auf dem Markt (für R$2,80 - 3,00 statt den üblichen R$1,70), denn es sind die
Knackerinnen selbst, die die Produktionsmittel kontrollieren und den Verkaufspreis verhandeln. Auch diejenigen,
die nicht in der PA Monte Cristo leben, profitieren vom Verkauf ihrer Nüsse an VertreterInnen der Genossenschaft.
Somit wird die ganze Region durch die Existenz der Genossenschaft positiv beeinflusst. Zwischenhändler und
Industrien sind dadurch gezwungen ihre Gewinnspanne zu reduzieren, um die Arbeit der Knackerinnen zu
bezahlen. Das Öl von Monte Cristo kann nicht konsumiert, aber es kann zu Kosmetika oder Seife verarbeitet
werden. Seit 2012 haben die Genossenschafter an mehreren Workshops zur Verarbeitung von Babaçu-Öl
teilgenommen und so ihr Praxiswissen erweitern können. Darüber hinaus absolvierten sie Kurse zu
Arbeitsorganisation und Genossenschaft.

Als Ausgleich und Anerkennung für die praktisch ehrenamtliche Arbeit erhalten die aktiven Mitglieder der
Genossenschaft eine kleine Prämie von 2,5% der Produktion von Babaçu-Öl. Jedes aktive Mitglied der
Genossenschaft erhält R$25 pro Tonne produziertes Öl. In den letzten Jahren hatte die Genossenschaft grosse
Schwierigkeiten das produzierte Babaçu-Öl aufgrund des starken Wettbewerbs mit billigem Palmöl zu verkaufen.
Das Palmöl hat ähnliche Eigenschaften wie das Babaçu-Öl, ist jedoch bedeutend weniger umweltfreundlich als
letzteres.

Hauptziel der Projektphase 2016-2018 war es, die Produktion von Seife aus Babaçu-Öl weiter zu
professionalisieren, die Produkte zu diversifizieren und einen breiteren Markt in Brasilien zu erreichen. Die in
diesem Zeitraum getätigten Investitionen haben Früchte getragen: Der Verkauf von zusätzlichen Produkten
(Seifen etc.) kompensierte den Preisrückgang des Babaçu-Öls und sicherte praktisch das Überleben der
Genossenschaft.

Nach einem Ausbildungsprozess übernahm Claudiana Alves de Morais aus der Gemeinde Monte Cristo die
Buchhaltung der Genossenschaft. Was die 2016 gestartete Website babacu.org betrifft, erhielt die Kooperative
Nachrichten aus dem ganzen Land. Überraschenderweise interessierten sich die häufigsten Kontakte nicht für Öl,
sondern für Babaçu-Milch, die aus den Nüssen hergestellt werden kann und von Menschen mit Laktoseintoleranz
sehr geschätzt wird. Dank dieser Plattform eröffnet sich eine neue Möglichkeit, die Schwierigkeiten im
Zusammenhang mit der Palmölkonkurrenz zu überwinden. Mit dem Verkauf von Seife auf Konferenzen und
Messen konnte praktisch die gesamte Seifenproduktion abgesetzt werden, eine Kreditkartenmaschine wurde für
den Versandhandel gekauft. Im Januar 2019, dank dem politischen Druck der Knackerinnen von COOAAFA, kam
die Genossenschaft zu einem Geschäft im Kulturzentrum der Stadt Codó. Die Miete von R$ 450 pro Monat wurde
vom Rathaus offeriert, unter der Bedingung, dass das Geschäft von Montag bis Samstag geöffnet ist.

den Bereichen Gesundheit, Bildung, Ernährung und Staatsbürgerschaft zu führen und zu begleiten, mit dem Ziel, "die volle Entwicklung der Kinder
zu fördern und durch sie ihre Familien und Gemeinschaften zu verbessern. Mehr Informationen finden Sie am:
https://www.pastoraldacrianca.org.br/en/who-we-are

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Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:
•   Suche nach weiteren Absatzmärkten für die Produkte der Genossenschaft, vor allem in Brasilien
•   Direktverkauf der Babaçu-Nüsse zur Produktion laktosefreier Milch (Ausbildung, Sterilisierung und
    Vakuumverpackung)
•   Förderung der Unabhängigkeit der Genossenschaft in den Bereichen Verwaltung und Vermarktung der
    hergestellten Produkte
•   Sensibilisierung der ZwischenhändlerInnen von Babaçu-Nüssen über die Bedeutung der Arbeit der
    Knackerinnen und ihre Rolle in der Gesellschaft
•   Nutzung des neuen Geschäfts der Genossenschaft im Kulturzentrum, um diesen Raum neben dem Verkauf
    auch zu einem Treffpunkt zu machen und das Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen der Knackerinnen in
    der Stadt zu stärken

5.2 COOAAFA als soziale Bewegung
Die Kooperative fördert existenzsichernde Preise in der Region und zahlt mindestens 3 Reais pro Kilo Nüsse.
Aufgrund der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation kämpft COOAAFA erneut für die
Rechte und Interessen der Babaçu-Knackerinnen und Quilombola-Gemeinschaften in der Region. Trotz der
Entfernung beteiligen sich die Mitglieder der Genossenschaft aktiv in diversen Komitees, Räten und lokalen
Arbeitsgruppen, darunter z.B. die kommunale Arbeitsgruppe für die Solidarwirtschaft. Traditionell sind
Quilombolas und Knackerinnen seit Jahren von politischen Räumen ausgeschlossen. Da sie die Herausforderungen
traditioneller Gemeinschaften kennen, ist ihr Beitrag jedoch von zentraler Bedeutung. Deshalb fördert und
begleitet Cooperaxion die Beteiligung der Genossenschaftsmitglieder in verschiedenen Netzwerken. Zu ihren
wichtigsten Forderungen gehören der Anschluss an öffentliche Dienstleistungen, eine verbesserte Anwendbarkeit
des «freien Babaçu Gesetzes», der Schutz von Babaçu-Palmen und anderen natürlichen Ressourcen, eine bessere
Sichtbarkeit der Gewalt gegen die Landbevölkerung und die Legalisierung der traditionellen Territorien der
Quilombola-Gemeinschaften. So versucht die COOAAFA, sich in seiner komplexen Position auszubalancieren: Es
ist gleichzeitig eine soziale Bewegung und eine Genossenschaft, die auf ihre Unabhängigkeit abzielt.

Leider ist die Genossenschaft trotz ihrer Mission immer noch mit allen möglichen Schwierigkeiten konfrontiert,
die von der Anerkennung in der Handelskammer bis zur Eröffnung eines Bankkontos reichen. Vorurteile sind nach
wie vor die grösste Herausforderung. Beamte und Bankmanager nehmen die Knackerinnen, ländliche Schwarze
Frauen mit geringer oder gar keiner formalen Bildung, nicht ernst.

Eine weitere Hürde für die Knackerinnen ist der Zugang zu den institutionellen Märkten PNAE (nationales
Schulernährungsprogram       -Programa    Nacional    da   Alimentação     Escolar)   und    PAA    (Lebensmittel-
beschaffungsprogramm -Programa de Aquisição de Alimentos) sowie die Zusicherung eines Mindestpreises für
Bio-Zertifizierte Babaçu-Produkte. Die PGPM-Bio (Politik zur Garantie von Mindestpreisen für Produkte der
sozialen Biodiversität) z.B. sichert den Preis von mehr als 15 Naturprodukten. 2018 wurde der Preis für Babaçu auf
R$3,04/kg festgelegt. Seit drei Jahren versuchen unsere PartnerInnen bisher erfolglos, die COOAAFA-
Knackerinnen in das PGPM-Bio-Programm einzutragen. Mit der Unterstützung des Programms könnte die
Genossenschaft wachsen und die Arbeit ihrer Mitglieder stärken. All diese Programme sind nicht so aufgebaut,
dass die Knackerinnen einfachen Zugang haben. Zudem werden sie von der jetzigen Regierung in Frage gestellt
und ihr bereits begrenzter Betrieb könnte eingestellt werden. Trotz aller Schwierigkeiten nutzen die Knackerinnen
die vom MIQCB und dem Netzwerk der traditionellen Völker und Gemeinschaften organisierten Treffen, um
Erfahrungen auszutauschen, gefährdete Gemeinschaften zu unterstützen und gemeinsame Strategien für Treffen
auf staatlicher und nationaler Ebene zu planen.

Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:

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•   Die Präsenz der Knackerinnen bei zwischenstaatlichen und lokalen Treffen weiter fördern und sie bei ihren
    politisch-institutionellen Aktivitäten unterstützen
•   Ausbildungen zur Stärkung der kollektiven und individuellen Identität der Knacknerinnen und Quilombolas
•   Förderung von ihrem Netzwerk und Selbstbewusstsein, damit die Mitglieder der COOAAFA für ihre eigenen
    Interessen einstehen können.

5.3 Frauenfussball
Inspiriert vom Projekt «Kick for Your Future», welches Cooperaxion in Liberia, Westafrika, realisiert, haben die
Mitglieder der Kooperative 2013 auf eigene Initiative hin vier Frauenfussballteams gegründet. Die Teams
trainieren etwa alle zwei bis drei Tage selbständig, mindestens zweimal im Monat trainieren die Teams der
verschiedenen Dorfgemeinden (Nova Vila, Monte Cristo, Centro do Expedito und Eira) gemeinsam. Zweimal pro
Jahr können sie an einer regionalen Meisterschaft teilnehmen. Für diesen Event und für die Trainings organisiert
Cooperaxion Transporte und Verpflegung.

Trotz oder wegen des Erfolgs der Spielerinnen stiessen die Knackerinnen auf Widerstand der Männer. Diese
fanden es schwierig, dass die Frauen die Felder besetzten und Ausrüstung erhielten. Es gab sogar eine organisierte
Demonstration während des Eröffnungsspiels. Die Spielerinnen haben diesen Angriffen widerstanden und heute
organisieren sich die Männer, um die Frauenspiele in anderen Städten zu sehen und sich um die Kinder auf der
Tribüne zu kümmern, damit ihre Töchter und Partnerinnen spielen können.

Für die Spielerinnen geht das Fussballspielen über die sportliche Betätigung hinaus. Die Trainings sind Treffpunkt
und für viele die einzige Möglichkeit, ihre Gemeinden und ihren Alltag zu verlassen. Die Teams stärken die
Solidarität zwischen den Gemeinschaften in der gesamten PA Monte Cristo. Das Team von Centro do Expedito ist
in der gesamten Region für seine Fähigkeiten bekannt und vermittelt durch diese Sportart ein positives Bild der
Knackerinnen und Quilombolas. Die von Cooperaxion angebotenen Workshops und Trainings werden von den
Spielerinnen organisiert.

Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:
•   Transport zu und Teilnahme an externen Turnieren sowie Einladen externer Teams in die PA Monte Cristo
    für regionale Meisterschaften
•   Zweimonatliche Trainings in Centro do Expedito und Eira II (etwa 70 Frauen trainieren mit einer
    ausgebildeten Trainerin)
•   Bildung eines gemischten Teams (mit Männern) für bestimmte Meisterschaften

5.4 Babaçu-Festival
Gewalt gegen traditionelle Gemeinschaften, Druck der Agroindustrie und der Mangel an Perspektiven und
öffentlicher Dienstleistungen auf dem Land sind einige der Gründe für die Landflucht aus den Quilombos. Neben
diesen Schwierigkeiten sind Quilombolas, Indigene und Kleinbauern stark mit institutionellem Rassismus
konfrontiert. Vierhundert Jahre Sklaverei, indigener Völkermord und eine Politik der Abwertung dieser
Gemeinschaften haben tiefe Spuren in der Behandlung dieser Menschen in den Medien, auf dem Arbeitsmarkt
und in den Institutionen hinterlassen. Mit dem Ziel, die Kultur der Quilombo-Gemeinschaften und Babaçu-
Knackerinnen zu verbreiten und aufzuwerten, unterstützt Cooperaxion das jährliche Babaçu-Festival.

Seit 2013 findet es am Hauptsitz der Genossenschaft in Monte Cristo statt und wird von Schulen und Universitäten
aus ländlichen und städtischen Gebieten besucht. Auch Menschen aus Nachbargemeinden nehmen teil. Die
Festivals ziehen zwischen 300 und 1’000 Personen an. Alle aktiven und passiven Mitglieder der Genossenschaft
werden mobilisiert, um die eingeladenen Personen zu empfangen und zu beherbergen. Am Festival wird die
Funktionsweise der Genossenschaft und die Projekte um sie herum vorgestellt. Die BesucherInnen können

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Vorträge der Knackerinnen über das «freie Babaçu Gesetz» und die Agrarwirtschaft hören. Die in der Kooperative
hergestellten Produkte werden vorgestellt und verkauft. Während des Festivals Gibt es Knack-Wettbewerbe,
Babaçu-Strohkunst, Gesang und die Wahl von Mister und Miss Babaçu (beste Rede über Babaçu). Um
Knackerinnen wertzuschätzen und um lokale Traditionen zu vermitteln, müssen Räume geschaffen werden, diese
zu Kultur zu erleben und den jüngeren Generationen zu vermitteln. Das Festival ist einzigartig in Maranhão und
zieht ein breiteres Publikum an.

Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:
•   Finanzielle und logistische Unterstützung bei der Organisation des Festivals (jeweils Ende April)
•   Integration von verschiedenen Gemeinden und Knackerinnen in die Organisation und Gestaltung des
    Festivals zur Stärkung der Solidarität zwischen den Gemeinschaften
•   Förderung einer lokalen Medienpräsenz

5.5 Schulungen - Optimale Nutzung der natürlichen Ressourcen
Traditionelle Gemeinschaften tragen wesentlich zum Erhalt der natürlichen Ressourcen bei. Seit 2013 bieten
unsere lokalen Projektpartnerinnen Andréia Siqueira und Conceição Cruz Kurse an, wie man die natürlichen
Ressourcen optimal nutzt: Workshops zur Herstellung von Produkten aus natürlichen Materialien (Babaçu-Öl,
Mangos, Cashewnüsse, etc.) oder zum Recycling von Kunststoffverpackungen, PET, Zeitungen, etc. Diese
Schulungen werden von den Familien der Gemeinde sehr geschätzt und bieten den Teilnehmenden die
Möglichkeit, ihre Ernährung und ihr Einkommen durch den Konsum und Verkauf dieser Produkte zu verbessern.
Gibt es Kursangebote vom Staat (Handwerk, Tierhaltung und Imkerei) schreiben unsere Partnerinnen die
Gemeindemitglieder ein. So können auf der einen Seite die Familien auf dem Land profitieren und andrerseits
lernen die staatlichen Ausbilder die Realität der ländlichen Gemeinden von Codó kennen. Zusätzlich zur
Weitergabe neuer Technologien sammeln unsere Partnerinnen traditionelle Rezepte und Kenntnisse in den
Gemeinden, um diese der jüngeren Generation zugänglich zu machen.

Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:
•   Fortsetzung des Kursangebots zur integralen Nutzung natürlicher Ressourcen
•   Sammeln von traditionellem Wissen und Weitergabe an die jüngere Generation
•   Integration in die Ausbildungsangebote der Gemeinde und des Staates, mit Ausnahme von Programmen zur
    Stimmengewinnung im Wahlkampf

5.6 Gender – Intersektionale Perspektive & HIV Prävention

In Brasilien beobachten wir neben den rassistischen Ungleichheiten auch starke patriarchale Strukturen. Weltweit
liegt die Feminizid-Rate in Brasilien an vierter Stelle. In Maranhão stiegen die Berichte über Gewalt gegen Frauen
zwischen 2015 und 2017 um 130%. Der Sprung ist auf die verbesserte Unterstützung für Opfer von Gewalt
zurückzuführen. Dies führte zu einem Anstieg der Anzeigen, die bei der Polizei gemacht wurden. Leider bleibt die
Situation im ländlichen Raum heikel aufgrund von Isolation und fehlender öffentlicher Anlaufstellen.

Seit ihrer Kindheit sind Frauen aus den Quilombola-Gemeinschaften täglich mit verschiedenen Formen der
Diskriminierung konfrontiert (teilweise isoliert, teilweise kombiniert): Sexismus und Rassismus als Schwarze
Frauen und Quilombolas, Klassismus da sie zu einer benachteiligten sozialen Schicht gehören und manchmal
Homophobie in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung. Männer sind gleichermassen von diesem System betroffen
und sind gezwungen Geschlechterstereotypen zu entsprechen, um akzeptiert zu werden. Wenn wir Genderfragen
in traditionellen Gemeinschaften ansprechen, müssen wir darauf achten, die traditionelle Arbeitsteilung zu
respektieren und keine vorgefertigten Vorstellungen aufzwingen zu wollen. Die Entdeckung und Dekonstruktion
von Geschlechter- und Identitätsfragen aus traditionellen Erfahrungen sowie die Prävention häuslicher Gewalt

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sind Herausforderungen, mit denen Cooperaxion und ihre Partnerinnen in Codó im Laufe der Jahre umzugehen
gelernt haben.

Eine zweite grosse Herausforderung unserer Arbeit ist der Kampf gegen sexuell übertragbare Krankheiten. Leider
ist Maranhão an oberster Stelle in der nationalen Skala der AIDS-Todesfälle. Obwohl Brasilien ein Pionier in der
kostenlosen Behandlung der Krankheit ist, ist die Diagnose und Behandlung in ländlichen Gebieten wenig
verbreitet. Vorurteile und Fehlinformationen sind wichtige Ursachen für die Ausbreitung der Krankheit. In kleinen
isolierten Gemeinden ist die Gefahr einer Kontamination sehr gross. Die neue Regierung hat eine extrem
konservative Haltung in Bezug auf Gesundheit, Sexualaufklärung und die Behandlung von sexuell übertragbaren
Krankheiten. Es ist möglich, dass die Budgets von HIV-Präventions-, Diagnose- und Behandlungsprogrammen
gekürzt oder gestrichen werden. Es ist dringend notwendig, unsere Bemühungen um die Prävention und Diagnose
von HIV in den von uns betreuten Gemeinden zu verstärken.

Aktivitäten und Ziele für 2019-2020:
•   Dialogtreffen und Workshops für Frauen und Männer in der Gemeinde PA Monte Cristo zu Fragen im
    Zusammenhang mit Geschlecht und Identität, mit intersektionaler Perspektive
•   Nutzung bestehender Plattformen (Frauenfussballteam und Kooperative), um Frauen zu mobilisieren
•   Umwandlung dieser bestehenden Plattformen in Unterstützungsgruppen für einen nachhaltigen Austausch
    zu diesen Themen
•   Förderung des Austauschs zwischen den Frauen der PA Monte Cristo, den anderen Partner-Dörfern von
    Cooperaxion und dem Netzwerk der traditionellen Gemeinschaften und Völker
•   Sensibilisierung über sexuelle Rechte, übertragbare Krankheiten und Prävention sowie Schwangerschafts-
    verhütung
•   HIV/AIDS-Präventions- und Diagnosekampagne in den Gemeinden

6   Monitoring und Follow-up
Die Cooperaxion-Geschäftsstelle in der Schweiz arbeitet eng mit den lokalen Partnern in Brasilien zusammen und
steht in direktem Kontakt mit den Kolleginnen Conceição und Andréia. Der Austausch mit den Parnergemeinden
und den Mitgliedern der Genossenschaft erfolgt in der Regel über sie. Der Informationsaustausch findet
wöchentlich telefonisch, per WhatsApp oder E-Mail statt. Sie berichten monatlich über den Inhalt ihrer
Tätigkeiten, Ausgaben und Arbeitszeiten. Dadurch ist es möglich, die Aktivitäten und Kosten vor Ort zu verfolgen.
Zweimal im Jahr besucht die Projektleiterin von Cooperaxion, Izabel Barros, die Quilombos. So können Umsetzung,
Erfolge und Herausforderungen während der Trocken- und Regensaison evaluiert werden. Aufgrund der grossen
Entfernungen und der schwierigen Strassenverhältnisse, werden sowohl Conceição und Andréia, die in der nächst
grösseren Stadt Codó leben, als auch Izabel, die in der Schweiz lebt, von den Gemeinden während ihrer
Aufenthaltsdauer beherbergt. Dieser Aufenthalt kann je nach Aktivität zwischen einem Tag und einer Woche
variieren. Über die finanziellen Ausgaben sowie inhaltlichen Aktivitäten wird nach jedem Projektbesuch (ca. alle 6
Monate) ein Bericht erstellt für den Stiftungsrat von Cooperaxion, PartnerInnen und Organisationen, welche die
Projekte in Brasilien unterstützen.

7 Chancen und Risiken
Leider stellt die politische Agenda der aktuellen Regierung die Projektarbeit in Brasilien vor neue
Herausforderungen, insbesondere bezüglich der Zusammenarbeit mit Organisationen, die im Bereich der
Menschen- und Umweltrechte tätig sind. Religiöse, rassistische und geschlechtsspezifische Intoleranz wachsen
und werden durch den populistischen Diskurs legitimiert. Der derzeitige Präsident wurde in der Vergangenheit
wegen Rassismus zu einer Geldstrafe verurteilt, da er in einer seiner Reden Quilombola-Familien mit Tieren

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gleichsetzte11 und mehrmals erklärte, dass während seiner Regierung indigene Völker keinen Zentimeter ihres
Territoriums anerkannt bekommen würden.12

Für die neue Regierung sind Massnahmen zum Schutz der Umwelt und der traditionellen Bevölkerung ein
Hindernis für die wirtschaftliche «Entwicklung». Die direkten Folgen dieses Programms sind verheerend für die
traditionellen Gemeinschaften von Maranhão, da sie Gewalt gegen sie legitimieren. Dies gefährdet die Sicherheit
unserer Kolleginnen sowie unserer ProjektpartnerInnen. Es ist klar, dass die Bundesmittel, die in soziale
Bewegungen oder nationale Projekte investiert werden, stark reduziert oder verschwinden werden. Dies erhöht
sicherlich die Abhängigkeit von Ressourcen aus dem Ausland. Ob Projektleitende kontrolliert oder an der Einreise
in das Land gehindert werden, ist bisher unklar.

Trotz dieses beängstigenden Szenarios bleibt Cooperaxion optimistisch. Es gab so viele Fortschritte, Erfolge und
Vernetzungen, die in den letzten Jahren errungen wurden, dass Cooperaxion sich stark genug fühlt, um sich diesen
Herausforderung zu stellen. Die Quilombola-Gemeinschaften lehren Cooperaxion, dass es Einheit, Solidarität und
eine Strategie des Widerstands braucht. Vierhundert Jahre Sklaverei, eine 30 Jahre andauernde Militärdiktatur
und verschiedene Versuche der Assimilation und Auslöschung haben die traditionellen Gemeinschaften nicht
zerstören können. Cooperaxion wird zusammen mit den lokalen PartnerInnen, den Quilombo-Gemeinschaften
von Codó und den Mitgliedern der COOAAFA das Notwendige tun, um die Sicherheit aller Beteiligten sowie die
Fortsetzung und Weiterentwicklung ihrer Projekte zu gewährleisten.

11 El País, Os argumentos da juíza para condenar Bolsonaro por ofensa aos quilombolas. Nem piada nem direito à liberdade de expressão: sentença
rejeita todos os pontos da defesa. Na peça, presidenciável diz «não ter preconceito» contra grupos que também ataca, como mulheres, Marina
Rossi, 5 de outubro 2017, https://brasil.elpais.com/brasil/2017/10/04/politica/1507147016_167469.html
12 MSN.com, Fabio Rodrigues Pozzebom, 09 agosto de 2018, https://www.msn.com/pt-br/noticias/mundo/se-eu-assumir-%C3%ADndio-não-terá-

mais-1cm-de-terra-diz-bolsonaro/ar-BBIUfo2

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8     Budget – Babaçuplus Projekt - 2019-2020
 BUDGET FÜR 24 MONATE (1.JANUAR 2019 - 31.DEZEMBER 2020)                                                       2019        2020
 DIREKTER PROJEKTAUFWAND IN REAIS (BRL)
    1 Technische Unterstützung der Genossenschaft – Wartung der Maschine                                       7'200      6'800
    2 «Fair Trade»- Prämie von 2,5% (Reais) pro Kilogramm produziertes Babaçu-Öl                              16'200     16'200
    3 Laden - Centro cultural, Online Verkauf, Website Host, Repräsentation                                    4'000      4'500
    4 Frauen-Fussball - Ausrüstung, Transport, Verpflegung und Trainerin                                      17'000     17'000
    - Transport (Matchs + Meisterschaft)                                                                       8'000      8'000
    - Verpflegung (Training + Matchs + Meisterschaft), Material und Schiedsrichter                             4'000      4'000
    - Trainerin - Jordana Cruz (jährlich)                                                                      5'000      5'000
    5 Kulturelle Workshops – Stärkung und Wertschätzung der lokalen Traditionen                               10'900     10'900
    - Babaçu-Festival (Wertschätzung der Babaçu und der Arbeit der «Knackerinnen»)                             3'400      3'400
    - Frauen Empowerment Workshops, treffen, Tagung                                                            2'500      2'500
    - Nutzung der natürlichen Ressourcen (Babaçu, Mango, Cashew)                                               2'500      2'500
    - Vernetzung mit der nationalen Bewegung für das Babaçu Livre                                              2'500      2'500
    6 Lokale Begleitung der 5 Quilombos: Personal, Transportkosten und Kommunikation                          29'000     29'000
    - Lohn Andréia Siqueira (R$ 1'550/Monatlich) – 1/2 (1/2 – Projekt Onilé)                                   9’300      9’300
    - Lohn Conceição Cruz (R$ 1’950/Monatlich) – 1/2 (1/2 - Projekt Onilé)                                    11'700     11'700
    - Kommunikationskosten (jährlich)                                                                          1'500      1'500
    - Transportkosten (jährlich)                                                                               4'500      4'500
    - Administration                                                                                           2'000      2'000

    7 Sensibilisierung für sexuelle Rechte, HIV/AIDS-Präventions- und Diagnosekampagne                         2'000      3'000
    8 Projektbesuch und Begleitung vor Ort inklusive Reisekosten                                              14'530     14'530
 ZWISCHENTOTAL DIREKTER PROJEKTAUFWAND IN REAIS (BRL)                                                         100'830 101'930

 ZWISCHENTOTAL DIREKTER PROJEKTAUFWAND IN CHF (1 BRL = 0.35 CHF)                                              35'291     35'676
    INDIREKTER PROJEKTAUFWAND ADMINISTRATION IN CHF
    9 Banküberweisung – Gebühren                                                                                195        195
 10 Reserve (ca. 5% des direkteren Projektaufwands)                                                            2'000      2'000
 11 Anteil der Begleitung in der Schweiz (Desk Officer), Follow-Up, Projektmanagement                          8'823      8'919
 TOTAL BUDGET (IN CHF)                                                                                        46'308     46'789
 UNTERSTÜTZUNGSZUSAGEN (AtDta)                                                                                19’000         0
 NOCH OFFENER BETRAG                                                                                          27’308     45’740
Angefragte: Maya Behn-Eschenburg Stiftung, Ursula Zindel-Hilti Stiftung, H.E.M. Stiftung, Margarethe und Rudolf-Gsell-Stiftung, Karl-
Mayer-Stiftung, diverse Kirchgemeinden, und weitere

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