Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
Gutachten über die Vorzüge einer Kandidatur von

Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
           zur Aufnahme in die Welterbeliste
  im Rahmen einer Gruppenbewerbung unter dem Namen
                  Great Spas of Europe

                      Professor Dominique Jarrassé,
Professor für zeitgenössische Kunstgeschichte an der Universität Bordeaux
                    und an der "Ecole du Louvre", Paris

                  Gutachten erstellt im Dezember 2012
Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
INHALTSVERZEICHNIS

Gegenstand des Auftrags..…………………………………………….….……….…………...5
Anmerkungen zu den Illustrationen..……………………………………..……………………7
Präsentation………………………………………………………….….…………...…………8

I. EINORDNUNG DES BERICHTS.........…………………….………..…......…………….9

   §I-1. Zur Erinnerung: Die Vorgehensweisen und Kriterien des Welterbekomitees....9
            §I-1-1. Die Strategie der UNESCO........................................................................9
            §I-1-2. Die Kriterien für den "universellen Wert"...............................................10
            §I-1-3. Die "Tentativlisten" (Vorschlagslisten)...................................................11
            §I-1-4. Integrität und Authentizität (Unversehrtheit und Echtheit).....................11

   §I-2. Stand des von der Gruppe Great Spas of Europe eingeleiteten Verfahrens........12
            §I-2-1. Struktur und Leitung der Gruppe Great Spas of Europe.........................12
            §I-2-2. Aktuelle Zusammensetzung der Gruppe Great Spas of Europe..............12
            §I-2-3. Kriterien und "OUV" laut Definition der Expertengruppe......................13

   §I-3. Identifikation von Bad Homburg……………………..………………..…...........17

II. Historischer Überblick über die wichtigsten Güter…………….....……...……............19

   §II-1. Die Landgräfliche Gartenlandschaft…………………………………..…….…......19
   §II-2. Das Kurhaus von François Blanc…………………………………………..............20
   §II-3. Der Kurpark, das Herzstück des Kurbades………………………………....……...23
   §II-4. Internationalisierung.…………………………………………………….…...........24
   §II-5. Die Kaiser-Friedrich-Promenade…………………..……………………..……......25

III. DER AUSSERGEWÖHNLICHE UNIVERSELLE WERT (OUV) VON BAD
      HOMBURG………………..…................................................…………………..……27

   §III-1. Eine grüne Kurstadt ………………………….…………………………….......27
            §III-1-1. Die Landgräfliche Gartenlandschaft.............……..………………......27
            §III-1-2. Der Kurhausgarten und der Kurpark……………………………….....29

   §III-2. Einer der « salons de l’Europe »…………………………………………..........34
            §III-2-1. Mondänes Leben, Glücksspiel und Internationalität....………….........34
            §III-2-2. Einige Besucherzahlen……………..................……………………....37
            §III-2-3. Künstler und Schriftsteller in Bad Homburg……………………….....40

   §III-3. Sport als Faktor der Internationalität…………..………………………..........41

   §III-4. Ein benachbartes Welterbe: die Saalburg…...…………………………….......42

ZUSAMMENFASSUNG…...……………………………………………………………….43

Quellen und Literatur…………………………………………………………………………46

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
Danksagungen
für ihr Entgegenkommen, für ihre mit mir geführten Gespräche und für die zur Verfügung
gestellten Unterlagen:

Herrn Michael KORWISI, Oberbürgermeister der Stadt Bad Homburg
Dr. Astrid KRÜGER, Stadtarchivarin
Frau Beate FLEIGE, Kulturdezernentin
Herrn Eric LEONHARDT, für die Einsichtnahme in seine hervorragende Sammlung

Dipl.-Ing. Jutta BARDONNER, Umwelt- und Landschaftsplanung, Bad Homburg
Frau Swetje BOLDUAN, Denkmalschutz/Denkmalpflege
Herrn Erhard GROSSBLOTEKAMP, Stadtplanung
Herrn Dimitri Graf IGNATIEW, Erzpriester der russisch-orthodoxen Kirche
Dr. Kai R. MATHIEU, Direktor i.R. der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten
   Hessen
Dr Roswitha MATTAUSCH, ehemalige Leiterin des Museums von Bad Homburg
Dr. Albrecht LEUSCHNER, Vizepräsident des Golfclubs
Dr. Andrea PÜRHINGER für Überreichung und Erläuterung des Hessischen Städteatlas-Bad
   Homburg

                                     Homburgia, 1888

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
Gegenstand des durch die Stadt Bad Homburg vergebenen Auftrags
                             an Professor Dominique Jarrassé
                           gemäß Vertrag vom 15. Oktober 2012

       Erstellung eines Gutachtens über die Vorzüge der Stadt Bad Homburg im Hinblick auf
eine Eingliederung in die gemeinsame Gruppe der Kurstädte im Rahmen des
Bewerbungprojekts zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste unter der Bezeichnung
Great Spas of Europe. In dem Gutachten soll Folgendes enthalten sein:
       -   Erläuterung der Vorzüge des Kurstadterbes von Bad Homburg im Hinblick auf die
           von der Konvention der UNESCO festgelegten allgemeinen Kriterien (erschienen
           im Juli 2012 unter dem Titel Orientations devant guider la mise en œuvre de la
           Convention du patrimoine mondial; dt.: Richtlinien für die Durchführung des
           Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt);
       -   Vergleich der Vorzüge der Stadt als Welterbestätte mit der von den
           Bürgermeistern und Experten der Gruppe Great Spas of Europe festgelegten
           Entscheidungen und Beurteilung, ob die Stadt Bad Homburg sich dieser Gruppe
           anschließen und am Bewerbungsverfahren teilnehmen kann.
       Der Bericht muss neben den beiden oben beschriebenen Schwerpunkten auch darauf
eingehen, welche Würdigung die Stadt ihrem Thermalerbe derzeit entgegenbringt und welche
Entscheidungen sie im Hinblick auf dessen Erhalt und Erschließung treffen möchte.

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
FÜR DEN BERICHT ZU RATE GEZOGENE BESTIMMUNGEN

    Richtlinien bezieht sich auf die französische Fassung der Richtlinien für die Durchführung
des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (erschienen im Juli
2012 unter dem Titel Orientations devant guider la mise en œuvre de la Convention du
patrimoine mondial).
    "Welterbe" ist der Titel, den das Welterbezentrum/World Heritage Centre der UNESCO
verleiht.
    "Verfahren der UNESCO", "Vorgehensweise der UNESCO", "UNESCO-Dossier" und
"Klassifizierung" bezeichnen kurz gesagt das Verfahren oder die technisch-administrativen
Schritte, die darin bestehen, ein Dossier im Hinblick auf die Anerkennung der Stadt für die
Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO zu erstellen.
    Ebenso verweist "Liste" – ohne weitere Präzisierung – immer auf die offizielle
Welterbeliste, wohingegen es stets präzisiert wird, wenn es sich um eine "Tentativliste"
(Vorschlagsliste) handelt.

    Da der Austausch mit den Teilnehmern des Projekts Great Spas of Europe auf Englisch
erfolgte, werden in diesem Bericht folgende englischen Begriffe und Abkürzungen
verwendet:
-   Chairman für den Vorsitzenden der Gruppen
-   GSE: Great Spas of Europe, vorläufiger Titel des Zusammenschlusses der Bewerberstädte
    zur Aufnahme in die Welterbeliste
-   IEG : International Experts Group
-   OUV : OUV: outstanding universal value, eigene Terminologie der UNESCO;
            (auf Deutsch: außergewöhnlicher universeller Wert)
-   SG: Steering Group (Gruppe der Bürgermeister und Repräsentanten der Bewerberstädte)

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
ANMERKUNG ZU DEN ILLUSTRATIONEN

       In diesem einfachen Bericht ist es nicht möglich, die große Anzahl an Fotos
beizufügen, die erforderlich wäre, um alle Örtlichkeiten, Gebäude und Dokumente
aufzuzeigen, auf die sich unsere Analyse stützt. Wir haben lediglich einige aktuelle
Aufnahmen beigefügt (die zum Teil im September 2008 und Oktober 2012 von uns
aufgenommen wurden) sowie eine Reihe bedeutsamer alter Dokumente. Es erschien uns auch
wichtig, einige Pläne mitaufzunehmen, da die städtebauliche Ausdehnung im Hinblick auf das
Kulturerbe der Kurstädte entscheidend ist.
       Einige malerische Ansichten vermitteln einen gewissen Eindruck von der Stadt, die
wie alle Kurstädte idealisiert wird, um Kurgäste und Touristen anzulocken. Diese Bilder
spielen eine wichtige Rolle, da sie Teil der imaginären Konstruktion der Kurstadt sind und zu
ihrem "außergewöhnlichen universellen Wert" beitragen.
       Die Dokumente sind Auszüge aus Sammlungen der Stadt und ihrer Publikationen. Wir
hatten auch Gelegenheit, uns die außerordentliche Sammlung von Herrn Eric Leonhardt
anzusehen, die neben maßgeblichen historischen Dokumenten alle Bilder enthält, die von der
Stadt gemacht werden konnten. Der Umfang dieser Sammlungen spiegelt einen zentralen
Punkt unserer Argumentation wider, die Konstruktion der Identität einer Kurstadt mit Hilfe
der Darstellung dieser Schlüsselbilder auf allen erdenklichen Trägern, Lithografien,
Postkarten, Pressemedien, "Rosen von Homburg", Glaswaren usw. Um das imaginäre
Konstrukt von Bad Homburg zu erfassen und seinen Wert ausfindig zu machen, wäre eine
umfassende semiologische Studie dieser Bilder erforderlich. Dies ist jedoch im Rahmen
dieses Gutachtens nicht vorgesehen.

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
PRÄSENTATION

        Im Hinblick auf die zweifache Perspektive, unter der der außergewöhnliche universelle Wert
(OUV) der Stadt Bad Homburg herausgestellt und mit anderen Bewerberstädten um eine Anerkennung
als Welterbe in einer Gruppe unter dem Namen Great Spas of Europe (GSE) verglichen werden soll,
empfiehlt es sich, das Ausmaß des Ziels abzuwägen. Die Aufnahme ins Welterbe stellt einen
offenkundigen Vorteil dar, ist aber auch mit einer Reihe von Pflichten verbunden, die nur erfüllt
werden können, wenn sich die Verantwortlichen und die Einwohner, die das Projekt unterstützen, über
dessen Ausmaß absolut im Klaren sind. So muss die Definition der Schutzzonen mit einem strikten
Verwaltungsplan einhergehen.
        Das Klassifizierungsverfahren soll die Entwicklung nicht bremsen, sondern sie ordnend
unterstützen und ihre harmonische Entwicklung fördern, indem es die Geschichte und die Qualität des
Kulturerbes berücksichtigt, aber auch das Bewusstsein, das eine Stadt von ihrer Identität hat. Der
wahre Grund, warum das vorliegende Kulturerbe herausgestellt werden soll, ist die Sicherung seiner
Zukunft und nicht das Verharren in einem idealisierten historischen Zustand. Die Tatsache, dass eine
Stadt kein Tempel und kein Schloss, sondern ein lebender Organismus ist, macht es umso schwieriger,
sie zum Kulturerbe zu erklären.
        Darüber hinaus besteht jedes Verfahren zur Anerkennung eines Kulturerbes aus einer
doppelten Dynamik: Einer internen – die Bewohner müssen sich ihre Stadt zu eigen machen, dazu
beitragen, deren Identität zu verteidigen, aber auch deren historische Tiefe kennen, um sie als Einheit
zu respektieren – und einer externen – die Anerkennung als Kulturerbe wird fast immer systematisch
im Tourismus eingesetzt, d. h. es geht um die Schaffung eines bemerkenswerten Gegenstandes für den
Blick der "Anderen". Die Kurstädte befinden sich bereits seit jeher in diesem Prozess. Durch das
Verfahren der UNESCO soll eine Kulturstätte "mit universellem Wert" anerkannt werden.
        Im Übrigen kann der Vorteil dieses Verfahrens für eine Stadt bereits zum Teil in der Tatsache
liegen, dass ein allgemeines Nachdenken über ihr Kulturerbe einsetzt. Dies geschieht durch eine
Identifizierung der Stadt mit sich selbst und durch eine Unterscheidung einer Reihe bedeutsamer
Faktoren (in der Sprache der UNESCO auf Englisch als attributes bezeichnet, zu Deutsch Attribute).
Unser Bericht will neben der Erteilung von Ratschlägen für das Verfahren der UNESCO auch dazu
beitragen, das Bewusstsein für den spezifischen Wert von Bad Homburg im weiteren Sinne zu
wecken. Da bereits bemerkenswerte Forschungsarbeiten über die Geschichte und Architektur von Bad
Homburg vorliegen, konzentriert sich der Bericht nicht auf diesen Bereich, sondern bietet vielmehr
anhand der Arbeiten von Spezialisten eine Zusammenfassung im Hinblick auf das Besondere von Bad
Homburg aus dem Blick des Fremden, der sich mit der Geschichte der Stadt auseinandergesetzt, sie zu
Fuß erkundet und einige wichtige Persönlichkeiten getroffen hat, die von ihr begeistert waren.

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
I. EINORDNUNG DES BERICHTS

        §I-1. Zur Erinnerung: Die Vorgehensweisen und Kriterien des
                             Welterbekomitees
    Die erste Phase jedes Aufnahmeverfahrens in die Liste der Welterbe besteht aus
"Erfassung, Schutz, Erhaltung und Präsentation des Kultur- und Naturerbes von
außergewöhnlichem universellem Wert sowie dessen Weitergabe an künftige Generationen"
(Richtlinien § 7).
    Bad Homburg vor der Höhe muss also "erfasst" werden, d. h. die Besonderheit der Stadt
muss definiert werden, der Reichtum ihres kulturellen Erbes muss bestimmt und folglich eine
Aufstellung ihrer "universellen Vorzüge" im Hinblick auf die Kriterien des Welterbekomitees
erstellt werden.

       §I-1-1-1. Die Stategie der UNESCO

    Die Modalitäten des Verfahrens der UNESCO hängen von den Umständen und von der
durch die Organisation bestimmten Strategie ab. Ein Bericht von 1994, der versuchte, das zu
berichtigen, was bis dahin als ein "Abkommen vom Weg" erschien, legte die "Ziele der
globalen Strategie für eine ausgewogene, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste" fest
und enthält folgende Aussagen:
-   Überrepräsentation historischer Städte, religiöser Denkmäler, des Christentums,
    historischer Epochen und der "elitären" Architektur;
-   Unterrepräsentation lebendiger Kulturen und vor allem "traditioneller Kulturen".
    Weitere Richtlinien (2004) schlugen regionale und thematische Ansätze vor. Die
Auswirkungen hiervon sind bereits in neuen thematischen Anmeldungen spürbar. Diese
umfassen industrielles Erbe, Kanäle oder Gärten und die Berücksichtigung von Kulturstätten,
die regionale und nationale Grenzen überschreiten, wie die "Welterbe-Routen" (z. B. der
Jakobsweg) oder auch das Gesamtwerk eines Architekten (Gaudi, Bauhaus und Le Corbusier,
dessen Dossier abgelehnt wurde). Es scheint immer schwieriger zu sein, historische Teile
europäischer Städte und christlich-religiöse Bauwerke in die Welterbeliste aufnehmen zu
lassen. Ein weiterer Aspekt betrifft die "Kurstädte" direkt: Bestimmte Themen werden als
"elitär" bewertet (Prestigearchitektur), was den Vorschlag industrieller, landschaftlicher oder
"traditioneller" Stätten eher nahelegt. Diese Überlegung betrifft Bad Homburg, das als
Kurstadt von internationalem Rang eine Architektur sowie Einrichtungen hervorgebracht hat,

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Bad Homburg vor der Höhe (Hessen)
die    der   höheren    Gesellschaft   vorbehalten   waren    und   der   Muße    dienten.   Die
   Gruppenbewerbung erlaubt es jedoch, diesen Themenschwerpunkten ein neues Gewicht
   beizumessen.

            §I-1-2. Die Kriterien für den "universellen Wert"

         Aus technischen Gründen ist es angebracht, die Auswahl-Kriterien zu wiederholen, die in
   den Unterlagen definiert sind und auf die in den zusammenfassenden Darstellungen der
   einzelnen Stätten Bezug genommen wird. Die insgesamt 10 Kriterien wurden mit römischen
   Ziffern versehen, wobei hier jedoch nur diejenigen von Bedeutung sind, die Kulturstätten
   betreffen. Um einen universellen Wert aufzuweisen, muss eine Stätte mindestens ein
   Kriterium erfüllen. Viele Dossiers versuchen jedoch, mehrere Kriterien hervorzuheben, was
   allerdings den "außergewöhnlichen" Charakter abschwächen kann.
         Im Folgenden sind diejenigen aufgelistet, die sich auf Kulturstätten beziehen. Diese sollte
   man sich vergegenwärtigen, denn sie umfassen und erläutern nicht nur die hervorstechenden
   Merkmale der Orte selbst, sondern auch die der "menschlichen" und kulturellen Werte, die
   durch den Ort verkörpert werden. Angemeldete Güter sollten:
 I. "ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen";
II. "für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt
    menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Architektur oder Technik, der
    Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen";
III. "ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen
    Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen";
IV. "ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder
    technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere
    bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen";
V. "ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder
    Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, [...]";
VI. "in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen,
    mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken
    von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein. (Das Komitee ist der
    Ansicht, dass dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit anderen Kriterien
    angewandt werden sollte.)"

                                                   10
§I-1-3. Die "Tentativlisten" (Vorschlagslisten)

        Jedes Land ist angehalten, eine Tentativliste – ein "Inventar des Gutes", das in den nächsten
Jahren vorgeschlagen werden soll – einzureichen, bevor es eine Kulturstätte zur Klassifizierung
anmeldet.
        Durch dieses Verfahren kann natürlich bezeichnenderweise Konkurrenz geweckt werden.
Daher wird bereits im Land selbst eine Vorauswahl getroffen, die sich zu einer Art Konkurrenzkampf
entwickeln kann, bei dem die Verweildauer auf der Liste möglicherweise ausschlaggebend ist, auch
wenn die Länder aufgefordert sind, ihre Liste mindestens alle zehn Jahre zu überarbeiten.
        In den europäischen Ländern ist es inzwischen sehr schwierig, auf die nationalen
Vorschlagslisten zu gelangen; in Deutschland verstärkt sich dieses Problem durch die Unterteilung in
Bundesländer, die nach ihren eigenen Kriterien vorgehen. Der Wettbewerb findet demnach auf zwei
Ebenen statt, wobei die Aufnahme in die Tentativliste Grundvoraussetzung für die nächste Stufe ist.
Dennoch kann ein spezielles Verfahren für Gruppenbewerbungen, insbesondere für solche, die
transnationaler Art sind, eine Überwindung der nationalen Hürden ermöglichen. Für das hessische Bad
Homburg kann die Tatsache, dass Wiesbaden bereits zu den Kandidaten des GSE-Projekts zählt,
jedoch einen Nachteil bedeuten.

        §I-1-4. Integrität und Authentizität (Unversehrtheit und Echtheit)

        Die Richtlinien (§ 79-95) setzen bei der Bewertung der als Welterbe vorgeschlagenen Güter
den Schwerpunkt auf diese beiden ausschlaggebenden Eigenschaften. Es muss aufgezeigt werden,
dass das vorgeschlagene Gut echt ist und im historischen Sinne unversehrt, d. h. es muss original und
darf nicht beschädigt sein. Die Rekonstruktion archäologischer Überreste oder Monumente oder
Stadtteile wird nur in Ausnahmefällen, und wenn sie zuverlässig dokumentiert ist, akzeptiert. Das Gut
muss noch über sämtliche Elemente – nicht nur über einzelne Überreste – verfügen, die seinen
universellen Wert ausmachen, und diese müssen gut erhalten sein. Der Staat, der das Gut vorschlägt,
muss eine "Erklärung zur Unversehrtheit" beifügen. Darüber hinaus muss er bestätigen, dass das Gut
durch die nationale, regionale oder kommunale Gesetzgebung geschützt wird.
        Der Schutz dieser Werte bringt die Abgrenzung einer Kernzone (core zone) mit sich, deren
Echtheit und Unversehrtheit von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Kernzone, die alle Attribute
aufweist, die direkter Ausdruck des universellen Wertes sind, erhält die Kennzeichnung und muss
bestmöglich geschützt werden; sie kann (oder sollte gemäß den Ausführungen) von einer Pufferzone
(buffer zone) umgeben sein, deren Nutzung und Gestaltung, im Hinblick auf einen wirksamen Erhalt
der Kernzone, Beschränkungen unterliegt.

                                                  11
§I-2. Stand des von der Gruppe Great Spas of Europe eingeleiteten
                                   Verfahrens

                §I-2-1. Struktur und Leitung der Gruppe Great Spas of Europe
        In den vergangenen beiden Jahren hat sich eine Gruppe von Kurstädten
zusammengeschlossen, um eine Gruppenbewerbung zur Aufnahme in das Welterbe zu
erstellen. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist ein Dossier, das den vorläufigen Titel Great Spas of
Europe (GSE) trägt. Dabei wurde eine Struktur ins Leben gerufen, die sich über zwei
internationale Ebenen erstreckt:
-   die "Steering Group" (SG)
    Hierbei handelt es sich um die Bürgermeister der Teilnehmerstädte (zurzeit 11), die von
    lokalen Koordinatoren unterstützt werden, welche bei den Versammlungen der
    Expertengruppe als Zuschauer teilnehmen dürfen;
-   die "International Experts Group" (IEG)
    Jede Kurstadt, die am GSE-Projekt teilnimmt, muss einen Experten ernennen, der sie in
    dieser Gruppe vertritt. Die Aufgabe der Gruppe besteht darin, auf Anfrage der SG
    einerseits die zusammenfassenden Texte über den außergewöhnlichen universellen Wert
    (OUV) der Städtegruppe zu verfassen und nützliche Dokumente zusammenzustellen
    sowie andererseits die Auswahlkriterien für die Städte aufzustellen, die Teil der
    endgültigen Gruppe sein werden.

                §I-2-2. Aktuelle Zusammensetzung der Gruppe Great Spas of Europe
        Man hat sich darauf geeinigt, dass die Verwaltung der Gruppe vom Kulturministerium
der Tschechischen Republik übernommen wird, dass der Bürgermeister von Karlovy Vary,
Herr Petr Kulhanek, deren Leitung übernimmt und dass der Tscheche Lubomir Zeman
Chairman der Expertengruppe ist. Diese Konstellation ergibt sich aus der Tatsache, dass die
Gruppenbewerbung dem Welterbekomitee durch die Tschechische Republik vorgelegt
werden wird. Das ist für alle ein Vorteil.
        Die Städte, die sich ursprünglich zusammengeschlossen haben, sind Baden-Baden, das
tschechische "Bäderdreieck", das die geeigneten Städte Karlovy Vary (Karlsbad), Mariánské
Lázně (Marienbad) und Františkovy Lázně (Franzenbad) umfasst, sowie Spa und Wiesbaden.
Die Stadt Vichy wurde aufgrund ihrer Bedeutung und ihres repräsentativen Charakters für
Frankreich eingeladen, sich der Gruppe anzuschließen. Ebenso wurde die Montecatini Terme
in Italien beteiligt.

                                              12
Zu einem späteren Zeitpunkt äußerte die Tschechische Republik den Wunsch, dass das
Thermalbad Luhačovice Lázně, das sich bereits einzeln beworben hatte und abgelehnt wurde,
der Gruppe beitritt. Ebenso hat sich die Stadt Bad Kissingen auf Einladung des
Bürgermeisters Karlovy Vary im Januar 2012 der Gruppe angeschlossen.
       Schließlich wurde die Stadt Bath, die seit 1987 dem Welterbe angehört, regelmäßig zu
Versammlungen der SG und IEG eingeladen, damit sie die anderen Städte an ihren
Erfahrungen teilhaben lassen kann. Sie hat sich entschieden, in das GSE-Projekt einzusteigen,
weil sie der Auffassung ist, dass ihr das Projekt neue Sichtweisen im Hinblick auf ihr eigenes
Erbe und ihre Zukunft ermöglicht, denn ihre Thermen haben seit der Aufnahme ins Welterbe
im Jahre 1987 nur wenig an Bedeutung hinzugewonnen.
       Seitdem wurde, trotz einer Anfrage, keine weitere Stadt direkt in die GSE-Gruppe
aufgenommen. Diskussionen hierüber werden allerdings geführt, da das Thema der Auswahl
immer noch aktuell ist und da die Glaubwürdigkeit einer globalen Bewerbung auf der Strenge
dieser Auswahl beruht, die nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgen darf. Der tschechische
Minister hat seine ausländischen Amtskollegen schriftlich über das laufende Verfahren
informiert.

              §I-2-3. Kriterien und "OHV" laut Definition der Expertengruppe

       Unter den vom Welterbekomitee vorgeschlagenen Kriterien (siehe S. 11), hat die IEG
die folgenden Kriterien ausgewählt (siehe Definitionen der UNESCO), die wir mit einigen
Argumenten (und persönlichen Kommentaren) versehen werden, um den außergewöhnlichen
Charakter der Städte herauszuarbeiten:

   Kriterium (II): "für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen
bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Architektur
oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen"

    Die Kurstädte der GSE-Gruppe weisen eine ursprüngliche Stadtentwicklung auf, die in
       direkter Verbindung mit einer sich im 18. Jahrhundert wandelnden Vorstellung von
       der Natur steht; Wasser ist nun der Vorwand zum Bau von Begegnungsstätten, die mit
       Gesundheit und Erholung in Verbindung gebracht werden und die Annehmlichkeiten
       der Stadt mit den Wohltaten der Natur in Einklang bringen. Die Promenade ist ein
       wichtiges strukturierendes Element der Kurstadt und ihrer Umgebung. Von ihr

                                             13
ausgehend werden typische Landschaften nach zweierlei Art geschaffen: Zum einen
       ist eine Entwicklung in Richtung belebter Natur zu beobachten, bei der man sich einer
       vorgegebenen malerischen Umgebung mit Tälern, Schluchten und Hängen anpasst,
       zum anderen eine geplante Entwicklung innerhalb eines offenen Rahmens, der die
       Gestaltung einer gleichmäßigen Stadt ermöglicht, in der Gärten eine Schlüsselrolle
       einnehmen. Bemerkenswert ist hierbei, dass alle europäischen Kurstädte, die auf diese
       Art vom 18. bis zum 20. Jahrhundert entstanden sind, sogar als Wiege eines
       stadtplanerischen Ideals gelten. So entstand ein umfassender Austausch von
       Einflüssen, der auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass sich aufgrund des Aufstiegs
       des   Bürgertums    und   der   Demokratisierung    eine   ausgeprägte   europäische
       Thermalkultur ausgebreitet hat. Die Kurstädte kämpften fortan untereinander um den
       ersten Platz im Hinblick auf prestigeträchtige Architektur und gute Qualität, um die
       Beauftragung berühmter Architekten und den Austausch von Modellen usw....

   Kriterium (III): "ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer
kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen"

    Die GSE zählen zu einer europäischen Badetradition, die zwei Höhepunkte erlebte:
       Einer davon war die römische Antike mit ihren berühmten Thermen; die Römer
       erschlossen bereits eine große Anzahl an Mineral- und Thermalquellen im ganzen
       Römischen Reich (die auf der Peutinger Tafel zu finden sind). Den zweiten
       Höhepunkt erlebte die Badetradition im 19. Jahrhundert, als ein umfassendes Netz an
       Kurstädten entstand und die Bevölkerung viel reiste. Dieser zweite Höhepunkt hatte
       zwei Ursachen: die Wiederentdeckung der Badekur für medizinische Zwecke und die
       Begeisterung für Sommerfrische und gesellschaftliches Leben. Die Städte waren auf
       den Empfang von Touristen ausgerichtet, sie verfügten unter anderem über
       Freizeiteinrichtungen und Sportmöglichkeiten. Heute bewahren die GSE die
       materiellen und immateriellen Spuren dieser Aktivitäten und Zeugnisse des
       gesellschaftlichen Lebens. Die Städte weisen noch immer eine große Ähnlichkeit
       miteinander auf. Diese geht über die Besonderheiten der Ansiedlung hinaus, die für
       die Ausbreitung dieser Thermalkultur bezeichnend sind und die eine Ausprägung der
       Freizeitgesellschaft oder des "Prozesses der Zivilisation" darstellen – um einen zur
       europäischen Kultur gehörenden Begriff von Norbert Elias aufzugreifen.

                                            14
Kriterium    (IV):   "ein   hervorragendes       Beispiel   eines   Typus   von   Gebäuden,
architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen
oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen"

    Die Kurstädte sind typisch für die im 18. und 19. Jahrhundert entstandene
       Entwicklung der Gesunderhaltung durch Trinken oder Bäder sowie auch für die
       Bedeutung der Sommerfrische. Die GSE sind hervorragende Beispiele hierzu, denn sie
       verfügen über die komplette Bandbreite luxuriöser Einrichtungen, Bäder, Kasinos,
       Theater, großer Hotels und Villenviertel, die allesamt in ein Netz von Parkanlagen
       eingebettet sind und über eine schöne Umgebung verfügen. Mit ihnen entstand ein
       Landschaftsurbanismus, eine Umgebungsgestaltung durch Promenaden sowie
       repräsentative Baustile, Brunnenhallen, Wandelgalerien und Pavillons, in denen sich
       das mit Konzerten untermalte Kurleben abspielte. Das Glücksspiel nahm damals eine
       wichtige Rolle ein und sicherte zudem fortwährend die Einkünfte der Städte. Die GSE
       verfügen in hohem Ausmaß und in außergewöhnlicher Qualität über alle
       Charakteristika dieser Städte, ein Punkt, der bei der Auswahl entscheidend sein wird.

   Kriterium (VI): "in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder
überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen
oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein.
(Das Komitee ist der Ansicht, dass dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit
anderen Kriterien angewandt werden sollte.)"

    Die GSE sind historische Orte in Bezug auf politische und gesellschaftliche Ereignisse
       und Leistungen des 19. Jahrhunderts. Als Orte internationaler Begegnungen spielten
       sie eine wichtige Rolle auf der politischen und diplomatischen Bühne. Ebenso sind sie
       Orte der Inspiration und des kulturellen Schaffens, an denen Musiker, Schriftsteller
       und international bekannte Bühnendarsteller und Theaterregisseure Halt machten.
       Zahlreiche Kunstwerke werden demnach mit diesen Städten in Verbindung gebracht.
       Durch diese außergewöhnliche Position im Rahmen des Austauschs der Nationen und
       Klassen spielten sie eine wichtige Rolle in der kulturellen Entwicklung zur Zeit der
       europäischen Aufklärung, die in den Kurstädten trotz des Aufkommens des
       Nationalismus im 19. Jahrhundert weiter fortdauerte. Hier haben sich ein
       kosmopolitisches Erbe und eine Internationalisierung des Geistes bewahrt.

                                               15
Diese Überlegungen zu den Kriterien der UNESCO und zum Beweis des
außergewöhnlichen und universellen Charakters des Wertes der Kurstädte im Hinblick auf
Kultur,    architektonisches   und   landschaftliches   Erbe   sowie   Kunst,   Literatur   und
internationalen Austausch in Europa erschienen uns notwendig, um die Vorzüge der Stadt
Bad Homburg zu analysieren und um zu erwägen, inwieweit sie diese Werte verkörpert.

                                               16
§I-3 Identifikation von Bad Homburg

                                      Der Haupteindruck, den ein Besuch der Kurstadt Bad
                                   Homburg hinterlässt, bezieht sich auf die Größe und
                                   Schönheit der Parks. Zunächst gibt es den Kurpark, der
                                   von dem berühmten Landschaftsarchitekten Lenné
                                   entworfen wurde und der durch seine Alleen und
                                   Gewässer eine hervorragende Qualität aufweist. In ihm
                                   liegen die Hauptquellen, das kaiserliche Bad, die
                                   wichtigsten Freizeiteinrichtungen sowie Plätze für Golf
                                   und Tennis. Darüber hinaus grenzt er an die Kaiser-
                                   Friedrich-Promenade, an der sich Hotels und imposante
                                   Villen aneinanderreihen.
                                      An den Kurpark schließt sich ein zweites Ensemble
                                   bemerkenswerter Parks an: der Jubiläumspark und der
                                   Schlossgarten sowie eine Reihe von Gärten, die entlang
                                   der Tannenwaldallee von den Landgrafen errichtet wurden
                                   und sich zu Erholungsorten für Kurgäste und Touristen
                                   entwickelten. Hier befand sich ein englisch-chinesischer
                                   Garten und ein Tiergarten; das Gotische Haus (Jagdhaus)
                                   am Waldrand erinnert an das "süße ländliche Leben". Die
                                   Gegend um Bad Homburg ist darüber hinaus von Wäldern
                                   geprägt. Diese erstrecken sich von der Promenade (mit
                                   früherer Straßenbahn) bis zur Anhöhe, auf der sich die
                                   Saalburg, ein rekonstruiertes Römerkastell, befindet.
                                      Ein weiterer prägender Eindruck ergibt sich aus dem
                                   Kosmopolitismus der Bäderstadt, der im und um den Park
                                   herum, wo es viele kleine exotische Gebäude gibt, am
Kaiserin-Victoria-Denkmal (1902)   besten wahrnehmbar ist: Eine anglikanische Kirche wurde
                                   für die Engländer erbaut, die den ersten Golfplatz in
                                   Deutschland errichteten; am Ortseingang vom Bahnhof
                                   aus kommend entdeckt man den zwiebelförmigen Turm
                                   der russischen Kirche; noch mehr ins Auge fallen zwei
                                   thailändische Pavillons: der Thai Sala, ein Geschenk des
                                   Königs Chulalongkorn aus dem Jahre 1907, und ein
                                   zweiter im Jahre 2007, der zum Jahrestag desselben
                                   errichtet wurde...
                                      Die Architektur des Kaiser-Wilhelms-Bades, die im
                                   Park verstreut liegenden Pavillons mit Wasserquellen, das
                                   Kasino, die Orangerie und verschiedene kaiserliche
                                   Denkmäler bilden ein Ensemble, das immer wieder von
                                   den Alleen des Parks aus sichtbar wird: Hierbei dominiert
                                   der klassizistische Stil und ein schöner roter Sandstein,
                                   dessen Farbton sich harmonisch in den Park einfügt. Die
                                   für den Prunk dieses kaiserlichen und mondänen Kurortes
                                   typischen Gebäude, Villen und Hotels, reihen sich auf der
                                   Südseite der Kaiser-Friedrich-Promenade aneinander. Hier
                                   stand auch das Ritters Park-Hotel. Am Ende der
                                   Promenade befindet sich der Garten des Kurhauses,
        Landgrafenquelle           dessen eine Seite an die Louisenstraße, die wichtigste
                                   Straße des Bäderviertels, grenzte. Das Kurhaus wurde bei
                                   Bombenangriffen
                                            17        im Jahre 1945 allerdings zerstört.
18
I. Historischer Überblick über die wichtigsten Güter

        §I-1. Die Landgräfliche Gartenlandschaft

    Solequellen sind seit dem Mittelalter bekannt, die
Anwendung von Bädern begann allerdings erst gegen
1800. Lange Zeit war Homburg vor allem die Hauptstadt
der Landgrafschaft Hessen-Homburg, die sich ab 1622
von Hessen-Darmstadt abspaltete; Landgraf Friedrich II.
(1680-1708) wandelte die Burg im Jahre 1680 in eine
barocke Residenzanlage mit holländischem Garten und
Teich um; 1758 wurde das Ensemble im landschaftlichen
Stil neu gestaltet.

    Dieser Gartenstil bestand fort: Friedrich V. (1751-
1820) und seine Gattin Caroline ließen eine Allee
bauen, die bis zum Wald reichte. Später gestaltete jeder
ihrer fünf aufeinanderfolgenden Söhne entlang dieser
Allee eine Gartenanlage: Friedrich VI. (1820-1829) und
seine englische Gattin erweiterten die Allee und
errichteten das als Jagdhaus dienende Gothische Haus
(heute ein Museum); auch ein englischer Garten (1828),
ein Hirschgarten sowie der Gustavsgarten mit Tempel
(1820) wurden unter anderem angelegt.…

   Die Leidenschaft für Gärten setzte sich fort, als die
Landgrafschaft nach dem Tode von Landgraf Ferdinand
(1866) ins Königreich Preußen überging: Beispiele
hierfür sind der Große und Kleine Tannenwald (mit
Insel) und der Forstgarten (1867). Homburg wurde
zunächst zur Sommerresidenz der preußischen Herrscher
und später der deutschen Kaiser. Diese fürstliche
Bestimmung ging nicht ohne Rivalitäten mit der Kurstadt
einher, die sich von 1840 an entwickelte, denn den
Landgrafen fehlte es an Mitteln, um den Betrieb des
Heilbades in Gang zu setzen. Errichtet wurden damals
nur ein bescheidenes Bad und das Brunnensälchen
(1838), ein kleines klassizistisches Gebäude, in dem sich
die Quellen befanden (heute das Kasino), und das vom
Darmstädter Architekten Georg Moller (1784-1852)
entworfen wurde. Die verschuldeten Landgrafen konnten
zu der damaligen Zeit allerdings keine notwendigen
Ausbauarbeiten durchführen.

                                                  19
§I-2. Das Kurhaus von François Blanc

    Die Stadt verdankt ihre Entwicklung der Ankunft der
französischen Unternehmer Louis (1806-1852) und
François (1806-1877) Blanc im Jahre 1840, denen
Landgraf Philippe von Hessen-Homburg die Konzession
für das Glücksspiel erteilte. François Blanc wurde später
als "der Zauberer von Homburg und Monte Carlo"
bezeichnet, da es ihm gelang, aus diesen beiden Städten
Treffpunkte des internationalen gesellschaftlichen Lebens
zu machen.
    Um die Gäste unterzubringen, beauftragten die
Brüder Blanc den berühmten bayrischen Hofarchitekten
Jean-Baptiste Métivier (1781-1853) mit dem Bau des
Kurhauses (1841-43). Dieses imposante Gebäude, das für
seinen Goldsaal berühmt ist, wurde mehrmals
verschönert und vergrößert, insbesondere durch den
belgischen Architekten Pierre Cluysenaer (1811-1880).
Es erhielt einen prunkvollen Stuckdekor und wurde mit
Gemälden und prächtigem Mobiliar ausgestattet. Dem
Gebäude angeschlossen wurde ein Theater, in dem
berühmte Künstler wie Anton Rubinstein oder die
Primadonna Adelina Patti zu sehen waren. Aber auch
ebenso bekannte Spieler konnte man hier treffen: der
Sohn von Paganini, die in Der Spieler von
Dostojewski (1866) dargestellte Gräfin Kisseleff und
auch Mendelsohn, Garibaldi, Gladstone und viele andere,
die sich auf der Durchreise befanden.…
    Vor dem Kurhaus wurde ein terrassenförmiger
Garten angelegt, der in Richtung Kurpark zeigte und auf
der Achse des Wasserbeckens lag. 1847 wurden Bäder an
das Kurhaus angeschlossen (Architekt Decloux).
    Bedauerlicherweise wurde das Ensemble im März
1945 bei einem Bombenangriff zerstört. Ein neues
Gebäude wurde zunächst in den Jahren 1950-52 errichtet
und im Jahre 1982 durch das jetzige ersetzt, das keine
besonderen Merkmale aufweist. Der in Richtung Kurpark
liegende Garten des Kurhauses ist jedoch noch erhalten.
    Im Jahre 1872, in dem der Kurort die damals größte
Besucherzahl aufwies (21 000 Gäste), sorgte die
Schließung     des    Spielkasinos    für    veränderte
Entwicklungsperspektiven: François Blanc, der diese
tiefgreifende Veränderung bereits vorhergesehen hatte,
zog sich schließlich nach Monte Carlo zurück, wo er
schon seit 1863 eine Glücksspielkonzession ausgehandelt
hatte.

     20
"Souvenir de Hombourg". Diese Lithografie von Ferdinand Carl Klimsch, nach
William John Cooke, zeigt Homburg in den 1840er Jahren. Auf dem mittleren Bild ist der alte
Stadtkern zu sehen, der symbolisch durch den Bergfried dargestellt wird. Die Stadt wird in
einer natürlichen Umgebung gezeigt, was durch die Zierleisten um das Bild herum, die
verschiedene Quellen und Gärten darstellen, noch verstärkt wird. Die drei Zeichnungen unten
sind dem Kurhaus von François Blanc gewidmet, das bezeichnenderweise als "Maison de
Conversation" (Gesellschaftshaus) einen legendären Ruf hatte. Dieser französische Begriff
findet sich auch in Baden-Baden, wo die Franzosen ebenfalls eine Schlüsselrolle in der
Unterhaltung und im Glücksspiel einnahmen.

                                            21
Stadtplan, um 1904.

                           Das Brunnensälchen (1838), Werk
                           des berühmten Architekten Georg
                           Moller (1784-1852), beherbergte die
                           Trinkhallen. Es handelt sich um das
                           älteste Gebäude des Kurparks, in
                           dem sich seit 1949 das Kasino
                           befindet.

                      22
§I-3. Der Kurpark, das Herzstück des Kurbades

   Parallel zu der durch François Blanc in die Wege
geleiteten Entwicklung der Kurstadt, wurde der
Kurpark anhand einer Zeichnung des berühmten
Landschaftsarchitekten Peter Josef Lenné (1789-
1866) umgestaltet durch Friedrich Jühlke: Die
Alleen wurden angelegt und das Wasserbecken nach
malerisch-ästhetischen Gesichtspunkten ausgeho-
ben; die Quellen wurden mit Hilfe von Häuschen
oder Felsen ins rechte Licht gerückt.                 Plan des Kurparks nach Lenné, 1854.

   Gäste aus dem Ausland kamen nun gehäuft,
insbesondere Engländer, für die 1868 eine
anglikanische Kirche errichtet wurde. Sie führten
das Tennisspiel auf dem Kontinent ein und
gründeten 1879 einen Club.
   Nachdem das Spielkasino im Jahre 1872
geschlossen wurde, trat Homburg in eine neue Ära
ein, in der die Gegenwart der deutschen Kaiser, die
aktiv zur Umgestaltung der Parks beitrugen, das
gesellschaftliche Leben und der Sport wichtige
Rollen spielten.
   Das Kaiser-Wilhelms-Bad (1887-1890) wurde
von dem Hauptarchitekten der Stadt, Louis Jacobi
(1836-1910) errichtet, der bei zahlreichen Hotels
und Villen auf der Kaiser-Friedrich-Promenade
seine Handschrift hinterließ.
   Der Kurpark wurde erneut umgestaltet und unter
anderem durch einen Rosengarten, Freizeiteinrich-
tungen, einen Konzertpavillon und eine Wandel-
galerie aus Metall bereichert. Die Orangerie von
1844 wurde in eine Wandelhalle umgebaut. Einige
Quellen wurden unter einem klassischen Tempietto
geschützt, so zum Beispiel der Auguste-Viktoria-
Brunnen (1910) oder der Elisabethenbrunnen (1918)
mit Skulpturen von Hans Dammann (1867-1942).
Im Osten wurde der Kurpark durch den
Jubiläumspark verlängert (1912-14).
  Denkmäler wurden zu Ehren der Landgrafen und
Kaiser, zu Ehren von Schriftstellern wie Hölderlin
oder Agnon sowie des Landschaftsarchitekten Lenné
usw. in den Gärten aufgestellt.….

                                            23
§I-3. Internationalisierung

   Der internationale Ruf von Homburg, das schließlich im
Jahre 1912 zu Bad Homburg wurde, wuchs. Es entstanden
immer mehr Lawn-Tennis-Plätze. Der Prinz von Wales, der
das Heilbad häufig besuchte, kreierte einen Hut, der als
"Homburg" bezeichnet wird. Autorennen wurden in
Homburg organisiert, so zum Beispiel im Jahre 1904 eines
unter dem berühmten Namen Gordon-Bennett; aber auch
andere Autorennen und -rallyes wählten den Taunus als
Schauplatz.
   Die Anwesenheit zahlreicher Ausländer zog den Bau
von religiösen Bauwerken nach sich. So stand die Größe
der Synagoge (1866) nicht im Verhältnis zu der kleinen
jüdischen Gemeinde des Ortes, sondern sollte dem
Empfang jüdischer Kurgäste und Touristen dienen, die sich
beispielsweise in der Klinik von Dr. Goldschmidt
aufhielten. Die russische Kirche (Architekt Louis Benois),
finanziert von Alexandre Provorov, deren Grundstein 1896
in Gegenwart von Zar Nikolaus II. gelegt wurde, wurde im
Jahre 1899 eingeweiht.
   Der König von Siam, Chulalongkorn, hat anlässlich
seines Aufenthaltes im Jahre 1907 ein Tagebuch geführt, in
dem er seine Reiseeindrücke festhielt; als Dank für das zu
seinem Geburtstag organisierte Fest, ließ er einen Pavillon,
den Thai Sala, errichten, der einen Hauch Exotik nach
Homburg brachte. Die Verbindungen zu Thailand wurden
weiterhin aufrecht erhalten, und im Jahre 2007 wurde
neben dem Chulalongkornbrunnen im Norden des Kurparks
eine zweite Thai Sala errichtet.
   Neben dem Bahnhofspavillon, der den Prinzen
vorbehalten war, wurde schließlich 1907 ein neuer Bahnhof
gebaut, wobei es sich um ein vereinfachtes Modell des
Bahnhofs von Wiesbaden handelte; die Bäderbahn verband
die hessische Landeshauptstadt mit Bad Nauheim und
führte dabei an Bad Homburg vorbei. Zu dieser Zeit führte
auch eine elektrische Straßenbahn zum Gothischen Haus
und zur Saalburg.
   Wilhelm II. begeisterte sich für die Saalburg, ein
römisches Lager am Limes; er übertrug Louis Jacobi die
Leitung der Ausgrabungen und die Rekonstruktion des
Kastells, das inmitten der Wälder des Taunus zu einem
beliebten Ort für Spaziergänger wurde. Ein Museum
sammelte die zahlreichen archäologischen Funde.

       24
§I-5. Die Kaiser-Friedrich-Promenade

   Diese lange Allee bildet den Übergang zwischen der
Stadt und dem Kurpark, der im Norden an sie grenzt. Die
Mehrzahl der Luxushotels und die schönsten Villen
erheben sich auf ihrer Südseite und in den Seitenstraßen,
die sie mit der Louisenstraße, einer weiteren wichtigen
Straße des Bäderortes, verbindet, in der eher Geschäfte
und Verwaltungsgebäude angesiedelt sind. Das Kurhaus
grenzt symbolischerweise an beide Straßen. Alle
Gebäude haben einen Vorgarten und folgen im
Allgemeinen einer regelmäßigen Anordnung. Das gleiche
Prinzip übertrug sich auf die Landgrafenstraße, als in den
Jahren 1912-14 der Jubiläumspark entstand.…

   Den Hotels und Villen verlieh man eine gewisse
Einheitlichkeit durch ihre Größe sowie durch Balkone
(manchmal mit schönen Eisengeländern verziert) und
gläserne Veranden an der Vorderseite. Die Höhe der
Gebäude hält sich mit vier bis fünf Etagen in Grenzen.
Hier standen einige imposante Hotels eng beieinander,
beispielsweise das Ritters Park-Hotel (1856; 1872-88),
ein Luxuspalast, der auch in eine große Metropole passen                   Ritter’s Park-Hotel, Nr. 69
würde und im Jahre 1883 erweitert wurde, sowie schöne
klassizistische Villen, die in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts sowie um 1900 erbaut wurden.

    Die Kaiser-Friedrich-Promenade unterlag weniger
Veränderungen als die Louisenstraße und spielte eine
wichtige Rolle bei der landschaftlichen und
perspektivischen Gestaltung des Kurviertels. Ein Großteil
alter Gebäude ist hier noch erhalten, allerdings werden
diese heute zum Teil anders genutzt. Die Promenade trifft
mit dem Kurpark zusammen.                                                Hotel Minerva, Nr. 47 (1853-55)

       illen, Kaiser-Friedrich-Promenade 93 und 95        Villa Nr. 53 von 1843-60, verändert 1901 (L. Jacobi)

                                                     25
26
II. Der außergewöhnliche universelle Wert (OUV) von Bad
                            Homburg
   Wenn wir uns die gerade abgeschlossene zusammenfassende Aufstellung anschauen, in der
die Elemente, die das Erbe von Bad Homburg als Kurstadt ausmachen, erläutert wurden,
entsteht der Eindruck, dass drei wesentliche Merkmale den außergewöhnlichen universellen
Wert der Stadt bestimmen:
-   die Bedeutung der Gärten und deren landschaftliche und architektonische Gestaltung
-   die durch François Blanc belegte Internationalisierung und das gesellschaftliche Leben
-   die Entwicklung der sportlichen und touristischen Attraktionen
                                §II-1. Eine grüne Kurstadt
       Die Tatsache, dass Bad Homburg, bereits vom 18. Jahrhundert an, als die Stadt noch
keine wichtige Kurstadt war, über eine außergewöhnliche Vielzahl an Gärten verfügte, die zu
Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Jubiläumspark (1912-14) als Verlängerung des
Kurparks ergänzt wurden, ist der Hauptvorzug und das Alleinstellungsmerkmal von Bad
Homburg. Dadurch verbindet die Stadt exakt zwei in den Kriterien der UNESCO unter II und
IV festgelegte Werte, nämlich die Verbindung zwischen Urbanismus und Natur sowie die
Schaffung einer Kurlandschaft. Die Entwicklung deckt den kompletten Zeitraum ab, der in
den durch die IEG der GSE definierten Kriterien vorgesehen ist.

       § II-1-1. Die Landgräfliche Gartenlandschaft

        Die älteste Gartenanlage von Bad Homburg ist der Schlosspark, der sich um das alte
Schloss herum erstreckt und im landschaftlichen Stil des 18. Jahrhunderts gestaltet ist. Er
wurde, neben zum Welterbe gehörenden Gärten wie Potsdam, Würzburg oder Wörlitz, von
der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in einem Band über "Die schönsten
historischen Gärten in Deutschland" beschrieben.

       Der Garten, der das Schloss umgibt, bildete den Ausgangspunkt für die 2,5 Kilometer
lange Tannenwaldallee, die Landgraf Friedrich V. und seine Gattin Caroline von Hessen-
Darmstadt ab dem Jahre 1770 bis zum Fuße des Berges bauen ließen und entlang derer
weitere Parks angelegt wurden, nämlich der Kleine und der Große Tannenwald (1772-73).
Das Gothische Haus wurde im Jahre 1822 errichtet und sollte als Jagdhaus dienen. Der
Landgraf übertrug jedem seiner Söhne entlang dieser Achse ein Stück Land, woraufhin die
Söhne dort Gärten gestalten ließen, die noch heute ihre Namen tragen: Der erwähnenswerteste
von ihnen ist der Gustavsgarten. Friedrich VI. und seine Gattin Elizabeth von England ließen
einen englischen Garten am Anfang der Allee entwerfen.

        In diesen beiden Parks werden heute, wie in allen Gärten und auf allen bepflanzten
Alleen dieses Viertels, Sanierungsarbeiten durchgeführt. So wurde der kleine Tempel auf der
Insel des Kleinen Tannenwaldes wieder aufgebaut und die Blumenbeete wurden neu gestaltet.
Die Bepflanzung und der Tempel des Gustavsgartens (1820) wurden beibehalten: Das
Ensemble wird gerade saniert. Ein altes Krankenhaus soll abgerissen werden, und in der

                                              27
wunderschönen Villa Wertheimber (1900), die sich dort befindet, soll das Stadtarchiv
untergebracht werden. Das Ensemble ist ein sehr schönes Beispiel für den landschaftlichen
Stil.

                     Plan mit den unterschiedlichen Gärten im Westen der Stadt

                 Gotisches Haus                              Kleiner Tannenwald

                                          Gustavsgarten

                                                28
§ II-1-2. Der Kurhausgarten und der Kurpark

        Das alte Kurhaus wurde zwar bei Bombenangriffen zerstört, der dazugehörige Garten existiert
jedoch noch immer und wird zusammen mit dem Kurpark saniert. Die Stadt hat ein Parkpflegewerk
entwickelt, das kurz vor der Verabschiedung steht. Der im Mai 2012 erstellte Bericht ist
bemerkenswert: Jedes Element und jeder Baum wird darin erwähnt. Ziel ist es, den Plänen von Lenné,
denen des Praktikers Jühlke und auch denen der Brüder Siesmeyer möglichst nahe zu kommen, wobei
Archivmaterialien und Ortsbegehungen helfen sollen: Auf diese Art wurde der Teich bereits gemäß
seiner ursprünglichen Form neu gestaltet. So erhält der Kurpark unter der Garantie bestmöglicher
Unversehrtheit, Echtheit und Übereinstimmung wieder seinen Originalzustand. Es ist vernünftig, dass
die Stadt Bad Homburg ihre Bemühungen auf den Kurpark konzentriert und parallel hierzu eine
Umgestaltung der anderen Gärten vornimmt. Der Kurpark ist das Herzstück des außergewöhnlichen
universellen Wertes der Stadt: Er enthält alle wichtigen Elemente, Quellen, Bäder, das Kasino, den
Thai Sala, Pavillons mit Restaurants sowie Denkmäler. In gewisser Weise bildet er das Gedächtnis des
Bäderortes und seiner Geschichte. Dies wird auch sichtbar anhand der zahlreichen Denkmäler aus
Stein an den Alleen und Wegkreuzungen, die an Herrscher, Kriege und Wohltäter der Kurstadt oder an
Schriftsteller erinnern. Einige Denkmäler, wie der Samariterbrunnen oder der Durstbrunnen, haben
einen sinnbildlichen Wert.

         Der Kurpark verfügt entlang der Brunnenallee über eine bemerkenswerte Anzahl von Quellen:
Diese reichen von der runden Senke, an der der Elisabethenbrunnen austritt, bis hin zum malerischen
Ludwigsbrunnen in der Nähe des Kaiser-Wilhelms-Bades. Die Schönheiten des Parks werden von
einem Perspektivenspiel abgerundet: So erscheint das gebogene Dach des ersten Thai Sala von
Weitem aus westlicher Richtung senkrecht auf der Achse der Brunnenallee; aus Richtung des
Kurhauses erstreckt sich der Blick über die Terrasse in Richtung Wasserfontäne und Teich; die
russische Kirche wiederum befindet sich am Parkeingang im Zentrum der Kaiser-Friedrich-
Promenade, so dass sie von zahlreichen Allen aus die Blicke auf sich zieht, zumal dieser Abschnitt
leicht erhöht ist. Am Ende des kleinen Tales fließt ein Bach in Richtung Wasserbecken.
Bemerkenswert ist auch, dass man beim Spaziergang im Park, das Gefühl für die Entfernungen etwas
verliert, da die Stadt durch die tiefere Lage des Parks und die Bepflanzung der Kaiser-Friedrich-
Promenade nicht sichtbar ist. Darüber hinaus wird der Horizont im Nordosten vom Hardtwald
dominiert, und in nordwestlicher Richtung prägen die Ausläufer des Taunus und die Saalburg das
Bild.

        Der entlang des Kirdorfer Bachs liegende Park, der anlässlich des Regierungsjubiläums von
Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1913 auf einer alten Wiesenfläche angelegt wurde, bildet geradezu eine
Verlängerung des Kurparks und bestätigt, dass die Stadt ihren Grünanlagen eine große Bedeutung
beimisst. Ein Vorzug dieses Parks war schon immer seine Nähe zu den Bädern im Norden und den
Hotels und Villen im Süden.

         Im Hinblick auf die Einrichtung einer etwaigen Schutzzone gehört also der Kurpark aufgrund
seiner historischen Bedeutung, der Flächenplanung des Bäderortes und der Rolle des Parks im
gesellschaftlichen und sportlichen Leben, das sich in ihm und um ihn herum abspielte, zum zentralen
Teil. Er bildet zusammen mit der Kaiser-Friedrich-Promenade und einigen Seitenstraßen
(Kisseleffstraße, Ferdinandstraße u.a.) das Herzstück der Kurstadt, das ihren außergewöhnlichen
universellen Wert ausmacht. Die anderen Elemente sind eher immaterieller Art und beziehen sich auf
die internationale Badekultur, die sich an diesem Ort entwickelt hat.

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