Fallstudienbericht für die Stadt Köln
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Evaluation vernetzter Versorgungsstrukturen für Demenzkranke und ihre Angehörigen – Ermittlung des Innovationspotenzials und Hand- lungsempfehlungen für den Transfer (EVIDENT) Fallstudienbericht für die Stadt Köln Autorinnen: Verena Leve, Barbara Zimmer Institut für Gerontologie (IfG)
Projekt: Evaluation vernetzter Versorgungsstrukturen für Demenzkranke und ihre Angehörigen – Ermittlung des Innovationspotenzials und Handlungsempfehlungen für den Transfer (EVIDENT) gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit Beteiligte Institute: Technische Universität Dortmund Soziale Gerontologie und Lebenslaufforschung Emil-Figge-Straße 50 44227 Dortmund Tel. +49 (0) 231 755 - 6549 Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs) Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Dortmund Evinger Platz 17 44339 Dortmund Tel. +49 (0) 231 8596 - 0 Institut für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund Evinger Platz 13 44339 Dortmund Tel. +49 (0) 231 728 488 - 0 2
Inhalt 1 EINLEITUNG ........................................................................................................................................ 4 2 METHODISCHES VORGEHEN ........................................................................................................... 4 3 DATEN UND FAKTEN ZUR STADT KÖLN ........................................................................................ 6 4 BESCHREIBUNG DER VERSORGUNG............................................................................................. 7 4.1 BERATUNG UND PSYCHOSOZIALE BEGLEITUNG ................................................................................. 8 4.2 GERONTOPSYCHIATRISCHE UND MEDIZINISCHE VERSORGUNG .......................................................... 9 4.3 PFLEGERISCHE VERSORGUNG ....................................................................................................... 10 4.4 NIEDRIGSCHWELLIGE HILFE- UND BETREUUNGSANGEBOTE ............................................................. 11 4.5 SELBSTHILFE UND INTERESSENSVERTRETUNGEN............................................................................ 12 4.6 INFORMATIONSANGEBOTE ............................................................................................................. 13 4.7 ÜBERBLICK ZUR HISTORIE DER AKTIVITÄTEN IN DER STADT KÖLN .................................................... 13 5 VERNETZUNGEN INNERHALB DER VERSORGUNGSSTRUKTUR ............................................. 15 5.1 VERNETZUNGSAKTIVITÄTEN ........................................................................................................... 15 5.2 MOTIVATION FÜR VERNETZUNG ..................................................................................................... 17 5.3 ART DER VERNETZUNG ................................................................................................................. 19 5.3.1 Arbeitskreise/Sitzungen .......................................................................................................... 20 5.3.2 Qualitätskriterien innerhalb der Netzwerke ............................................................................ 23 5.4 AUSGESTALTUNG VON KOOPERATIONEN ........................................................................................ 23 5.4.1 Kommunikation ....................................................................................................................... 23 5.4.2 Kooperationsanlässe .............................................................................................................. 24 5.4.3 Aufgabenverteilung ................................................................................................................. 26 5.4.4 Rahmenbedingungen für Netzwerkarbeit ............................................................................... 27 5.5 KONKURRENZ UND KONFLIKTE ....................................................................................................... 29 5.6 ERGEBNISQUALITÄT ...................................................................................................................... 31 6 SPEZIFISCHE ERGEBNISSE ZU EINZELNEN THEMEN................................................................ 32 6.1 GRUPPEN MIT BESONDEREN BEDARFSLAGEN ................................................................................. 32 6.2 INTEGRIERTE VERSORGUNG UND CASE-MANAGEMENT ................................................................... 34 7 WEITERENTWICKLUNG DER VERSORGUNGSSTRUKTUREN ................................................... 35 7.1 BEDARFE ...................................................................................................................................... 35 7.2 KRITIK AM VERSORGUNGSSYSTEM ................................................................................................. 36 7.3 PERSPEKTIVE ............................................................................................................................... 37 8 FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN .................................................................................. 38 8.1 FORDERUNGEN AN KOSTENTRÄGER UND POLITIK ........................................................................... 40 8.2 STADT KÖLN ................................................................................................................................. 41 9 ANHANG LITERATUR ...................................................................................................................... 45 3
1 Einleitung Die Versorgung demenziell Erkrankter und die Unterstützung ihrer Angehörigen gehören gera- de mit Blick auf den demografischen Wandel zu den großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen. Modelle zur Sicherung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz und zur Entlastung ihrer Angehörigen liegen vor. Ihre Wirksamkeit, ihr Innovationspotenzial und mögliche Optimierungsmöglichkeiten wurden bislang jedoch selten wissenschaftlich untersucht. Das Forschungsprojekt EVIDENT, das im Rahmen der Forschungsförderung Leuchtturmprojekt Demenz vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird, leistet hier durch die Evaluation vernetzter Versorgungsstrukturen für Demenzkranke und ihre Angehörigen einen Beitrag zur Bearbeitung dieser Forschungslücke. Ziel ist es, auf kommunaler Ebene beispielhafte Vernet- zungsaktivitäten zu identifizieren und ihr Innovationspotenzial zu ermitteln. Im Rahmen der Eva- luation sollen dann Handlungsempfehlungen erarbeitet sowie ihre Umsetzung in die Praxis be- gleitet werden, um eine Optimierung der Versorgungsstrukturen für demenziell Erkrankte zu erzielen. Insgesamt wurden hierzu fünf Kooperationsregionen in Nordrhein-Westfalen in die Untersuchung einbezogen. Darüber hinaus wird eine weitere Fallstudie die vernetzte Versor- gung für Menschen mit Migrationshintergrund und Demenz in ganz Nordrhein-Westfalen auf- greifen. Der vorliegende Bericht beinhaltet die Ergebnisse der Fallstudie aus der Stadt Köln und umfasst eine Aufnahme des Ist-Zustandes in der Region sowie wesentliche Erkenntnisse zur Vernet- zungsstruktur im Stadtgebiet, die im Rahmen der verschiedenen Untersuchungsmodule ge- wonnen wurden. Die Fallstudie in Köln wurde durch das Institut für Gerontologie an der Techni- schen Universität Dortmund durchgeführt. Als Kooperationspartner konnte die Kommunalver- waltung der Stadt Köln gewonnen werden. Die Stadt Köln wurde als Kooperationspartner zur Evaluation von Versorgungsstrukturen ausgewählt, da die vernetzte Demenzversorgung im Stadtgebiet bereits eine langjährige Tradition aufweist und über die Erweiterung der Gerontop- sychiatrischen Zentren durch Fachberatungsstellen innovative berufs- und versorgungsbe- reichsübergreifende Strukturen implementiert wurden, wie im Folgenden eingehender darge- stellt wird. 2 Methodisches Vorgehen Zur Durchführung der Studie wurde eine Kombination aus sich ergänzenden und prüfenden quantitativen und qualitativen Methoden gewählt, um möglichst valide Informationen zu generie- ren. Für die Fallstudien wurden überwiegend qualitative Ansätze gewählt, um die bestehenden Versorgungsnetzwerke in ihrer Komplexität zu erfassen und neue Aspekte, die sich während der Forschungsarbeit ergaben, mit in die Untersuchung einfließen zu lassen. Der Feldzugang konnte dabei über die Kooperationspartner/innen in den Kommunen gesichert werden. 4
Die Daten für die vorliegende Fallstudie zur vernetzten Versorgung von Menschen mit Demenz wurden im Rahmen folgender Erhebungsmodule generiert: Strukturanalyse Zu Beginn des Forschungsprojektes wurde anhand der bei der Kommunalverwaltung vorliegen- den Daten eine Strukturanalyse für das Stadtgebiet nach verschiedenen Versorgungsbereichen erstellt. Einbezogen wurden hier Angebote aus den Bereichen • gerontopsychiatrische Versorgung, • pflegerische Versorgung (ambulant/teilstationär und stationär), • psychosoziale Beratungs- und Entlastungsangebote, • Selbsthilfe. Erfasst wurden Angebote der Demenzversorgung im engeren Sinne. Versorgungsbereiche, wie komplementäre Dienste und Angebote der Gemeinwesenarbeit stellen zwar eine wesentliche Ergänzung in der Demenzversorgung dar1, wurden aber nur dann in die Strukturanalyse einbe- zogen, wenn sich die Angebotsformen durch besondere demenzspezifische Angebote konzep- tionell abgrenzten (vgl. hierzu auch Kapitel 4). Qualitative leitfadengestützte Interviews Im Rahmen dieser Fallstudie wurden 14 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit verschie- denen Akteuren/innen der Demenzversorgung aus dem Stadtgebiet geführt. Insgesamt nahmen an diesen Interviews 23 Gesprächspartner/innen teil. Bei der Auswahl der Interviewpart- ner/innen wurden folgende Versorgungsbereiche berücksichtigt: • kommunale Sozial- und Pflegeplanung, • gerontopsychiatrische Zentren (GPZ), • ambulante Pflegedienste, • teilstationäre und stationäre Pflegeinrichtungen, • niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote, • Pflegekassen sowie • die Selbsthilfe und Ehrenamtlichen-Organisationen. Bei der Auswahl wurden die Stadtbezirke sowie die Trägervielfalt im Stadtgebiet berücksichtigt und entsprechend abgebildet. Die Interviews dauerten zwischen 62 Minuten und 2 Stunden und 56 Minuten; die durchschnittliche Interviewzeit lag bei 1 Stunde und 42 Minuten. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und die Transkriptionen mit der Software MAXQDA computerge- stützt ausgewertet. Standardisierte Erhebung von Basisdaten Zur Institution/Organisation aller Interviewpartner/innen wurden Basisdaten erhoben, die Infor- mationen zu Trägerschaft, Rechtsform, Angeboten, Betriebsgröße, Beschäftigungsformen, Be- rufsgruppen etc. umfassten. Die Erhebung erfolgte mit Hilfe eines eigens für das Forschungs- projekt entwickelten standardisierten Fragebogens. 1 Vgl. hierzu auch MGFFI NRW 2006. 5
Teilnehmende Beobachtungen an Veranstaltungen und Arbeitstreffen Um einen Überblick zur Interaktion der verschiedenen Akteure/innen zu gewinnen und den Zu- gang zu weiteren Akteuren/innen der Versorgung zu sichern, erfolgte die Teilnahme zur Be- obachtung an insgesamt acht Veranstaltungen. Hierzu zählten Arbeitskreise und Sitzungen, Schulungsmaßnahmen sowie Fachveranstaltungen. Die Veranstaltungen wurden protokolliert und die Protokolle hinsichtlich der relevanten Netzwerkaspekte ausgewertet. Dokumentenanalyse Im Rahmen der Dokumentenanalyse wurden über 65 Dokumente verschiedener Akteure/innen in Köln ausgewertet, darunter der Wegweiser Demenz der Stadt Köln, Konzepte zur Versor- gung von Menschen mit Demenz, Geschäfts- und Tätigkeitsberichte, Statistiken, Leitlinien, Pro- tokolle, Informationsbroschüren und -flyer, Veranstaltungsprogramme sowie Webseiten. Die Dokumente wurden vom Kooperationspartner sowie den an der Versorgung beteiligten Akteu- ren/innen aus dem Stadtgebiet zur Verfügung gestellt. Weitere Vernetzungsaspekte wurden im Rahmen von telefonischen Recherchen und per E-Mail erfasst und entsprechend dokumentiert. 3 Daten und Fakten zur Stadt Köln Köln ist mit derzeit 1.025.094 (Stand: 31.12.2007) Einwohnern/innen die größte kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen. Auf insgesamt 405,15 km2 gliedert sich Köln in insgesamt 86 Stadttei- le, die zu neun Stadtbezirke zusammengefasst sind (Innenstadt, Rodenkirchen, Lindenthal, Eh- renfeld, Nippes, Chorweiler, Porz, Kalk und Mülheim). Geographisch im Süden Nordrhein-West- falens gelegen, grenzt Köln im Westen an den Rhein-Erft-Kreis, im Norden an den Rhein-Kreis Neuss, im Osten an Leverkusen und den Rheinisch-Bergischen Kreis sowie im Süden an den Rhein-Sieg-Kreis. Eine natürliche Grenze, die durch das Stadtgebiet verläuft, bildet der Rhein. In den nächsten Jahren wird es in Köln, bedingt durch den demografischen Wandel, sowohl zu strukturellen Veränderungen als auch quantitativen Verschiebungen hinsichtlich der Bevölke- rung kommen. Laut der Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln kann bis zum Jahr 2035 für das Stadtgebiet von rund einer Million Ein- wohnern/innen ausgegangen werden. Dabei wird ein leichter Anstieg um 5.492 Einwohnern erwartet. Ebenso wird prognostiziert, dass sowohl die absolute Zahl der 65-Jährigen und Älte- ren, als auch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich zunehmen wird. Davon ausgehend, dass sich mit zunehmendem Alter die Prävalenzraten für das Auftreten von neurodegenerativen und weiteren altersassoziierten Erkrankungen erhöhen, wird es damit erwartungsgemäß auch zu einem Anstieg an zu versorgenden und zu betreuenden Demenzpatienten/innen und deren Angehörigen kommen. Der Anteil der 65-jährigen und älteren Menschen in Köln liegt derzeit bei rund 18%. Es wird er- wartet, dass der Anteil dieser Altersgruppe bis 2035 auf 21% ansteigen wird und so der Bedarf an Versorgungsleistungen für demenziell Erkrankte und deren Angehörige proportional zu- 6
nimmt. Der Anteil der über 65-jährigen Frauen an der Gesamtbevölkerung der Stadt wird dabei höher liegen als der der Männer. Auch die Zahl Hochaltriger (90 Jahre und älter) in Köln wird bis zum Jahre 2035 ansteigen. Le- ben heute noch 5.633 Menschen in dieser Altersgruppe im Stadtgebiet, so könnten bis zum Jahre 2035 schon 13.972 Einwohner dieser Altersgruppe angehören. Dies würde einem Anstieg um rund 150% entsprechen. Auch hier würden Frauen deutlich häufiger repräsentiert sein als Männer. In Deutschland und anderen Industrieländern sind zwischen 6 und 9% der Bevölkerung über 65 Jahre an einer mittelschweren bis schweren Demenz erkrankt (Bickel, 2002). Von ähnlichen Prävalenzraten kann für die leichten Demenzen ausgegangen werden.2 So wird bereits heute davon ausgegangen, dass von den 181.108 Einwohnern über 65 Jahren bis zu 30.700 Men- schen an einer leichten bis schweren Demenz leiden. Bis zum Jahr 2035 könnte diese Zahl weiter steigen und bis zu 36.300 Menschen in Köln an einer Demenz erkrankt sein. Bei einer zu Grunde gelegten mittleren Inzidenzrate von 1,9% bei den über 65-Jährigen ist darüber hinaus davon auszugehen, dass 2035 jährlich weitere 4.100 Neuerkrankungen hinzukommen. (Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln, Stand: 16.11.2009) Ballungszentren wie die Stadt Köln stehen bei der Versorgung von Menschen mit Demenz vor besonderen Herausforderungen. So sind aufgrund der ausgebauten ÖPNV Anbindungen die zentralen Stadtbezirke und dort verortete Angebote für Menschen mit Demenz und ihre pfle- genden Angehörigen leichter zu erreichen. Insbesondere die Randbezirke des Stadtgebietes sind jedoch von der Anbindung eher vor ähnliche Probleme gestellt wie ländliche Regionen. Hinzu kommt, dass die umliegenden Kreisgebiete die Versorgungsinfrastruktur des Stadtgebie- tes nutzen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich insbesondere in der gerontopsy- chiatrischen sowie geriatrischen Versorgung hier ein erhöhter Versorgungsbedarf ergibt, der nicht alleine anhand der Bevölkerungszahlen ermittelt werden kann. 4 Beschreibung der Versorgung Die Steuerung der kommunalen Pflegeplanung und pflegerischen Versorgung sowie des Auf- baus von Hilfe- und Unterstützungsangeboten für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen wird gemäß der gesetzlich fixierten Zuständigkeiten durch die Kommunalverwal- tung in Köln umgesetzt. Durch die Abteilung für Senioren und Behinderte des Amtes für Sozia- les und Senioren der Kommunalverwaltung wird vor allem der Auf- und Ausbau von Netzwerken in den Stadtbezirken ebenso wie der Ausbau der gerontopsychiatrischen Versorgung gefördert. Darüber hinaus wird bereits seit Ende der 90er Jahre durch die Kölner Kommunalverwaltung die häusliche Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen 2 Zur Problematik der Vergleichbarkeit nationaler und internationaler Studien aufgrund der Abgrenzung von leichten Demenzerkrankungen in Abgrenzung zu anderen kognitiven Alterseinschränkungen vergleiche auch BMFSFJ, 2002. 7
durch niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote verstärkt ausgebaut (vgl. hierzu auch 4.4) 4.1 Beratung und psychosoziale Begleitung Auf kommunaler Ebene werden durch das zentrale Beratungstelefon für Senioren/innen und Menschen mit Behinderungen der Stadt Köln und die Seniorenberater/innen3 in den Stadtbezir- ken Beratungsangebote für ältere Menschen in Köln vorgehalten. Das Beratungsangebot um- fasst dabei neben der Beratung in sozialen Notlagen auch die Pflegeberatung. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips wurde die Seniorenberatung als kommunale niedrigschwellige Einzelfall- hilfe von der Stadt Köln an die Wohlfahrtsverbände übertragen. Ergänzt wird das demenzspezi- fische Beratungsangebot durch die Wohnberatung „Wohnmobil“, die Konzepte und Beratungen zur Wohnungsanpassung für Menschen mit Demenz anbieten. Darüber hinaus hat die Stadt Köln in Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden im Oktober 2002 damit begonnen, die Kölner Seniorennetzwerke zum Ausbau der offenen Altenarbeit in zwölf Stadtteilen zu implementieren. Diese richten sich in ihrer Konzeption nicht direkt an Menschen mit Demenz und ihre pflegen- den Angehörigen, sondern haben viel mehr die Aktivierung der Potenziale bürgerschaftlichen Engagements Älterer zum Ziel. Hierüber werden allerdings Strukturen geschaffen, die bspw. im Bereich der Nachbarschaftshilfe auch Menschen mit Demenz und ihre Familien unterstützen. Wie sich im Folgenden zeigen wird, gibt es insbesondere in den Bereichen der niedrigschwelli- gen Hilfe- und Betreuungsangebote in einigen Stadtteilen Kooperationsbeziehungen mit ehren- amtlichen Seniorennetzwerkern/innen, die ihr Engagement auf die Begleitung von Menschen mit Demenz ausgeweitet haben. Ein wesentliches Beratungs- und Informationsangebot umfasst in Köln die Aktivitäten des Alz- heimer Forums e.V., das 1998 auf Initiative von Mitarbeiter/innen der Senioren- und Behinder- tenzentren der Stadt Köln gegründet wurde. Neben multiprofessionell ausgerichteten Einzelfall- beratungen werden durch das Alzheimer Forum Veranstaltungen und Schulungen für pflegende Angehörige, aber auch die Fachöffentlichkeit und Ehrenamtliche angeboten. Das Alzheimer Forum wurde 1999 mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie e.V. ausgezeichnet. Auch die Fachstelle Pflegende Angehörige des Caritasverbandes für die Stadt Köln leistet in der Begleitung und Beratung von Menschen mit Demenz einen wesentlichen Beitrag. In Koope- ration mit der Fachberatung des GPZ Mülheim und einer Krankenkasse werden beispielsweise Pflegekurse für Angehörige angeboten. Enge Kooperationsbeziehungen gibt es darüber hinaus zu der Alzheimergesellschaft Köln e.V. Mit der gerontopsychiatrischen Fachberatung wurde 2003 erstmalig ein zusätzlicher Bestandteil des Gerontopsychiatrischen Zentrums Mülheim etabliert und durch die Stadt Köln finanziert. Inzwischen wurden über das Stadtgebiet drei gerontopsychiatrische Fachberatungsstellen ein- gerichtet, die auch pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz beraten und Orientie- 3 Stellenumfang: 31,5 Vollzeitäquivalente 8
rungshilfen im Versorgungsnetz bieten. Mit der Anbindung der gerontopsychiatrischen Fachbe- ratung an die Gerontopsychiatrischen Zentren wurde in Köln auf den steigenden Beratungsbe- darf für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz reagiert. Ergänzend zu dem Fachbe- ratungsangebot in den GPZ werden seit 2009 Sprechstunden der Fachberatung in Hausarzt- praxen modellhaft erprobt. Diese werden im Rahmen von multiprofessionellen Kooperationen aus der medizinischen und psychosozialen Versorgung kostenfrei für pflegende Angehörige durchgeführt und ermöglichen einen niedrigschwelligen Zugang zu den unterschiedlichen Hilfe- und Unterstützungsangeboten der Demenzversorgung. Für die Kooperation konnten in einem ausgewählten Stadtgebiet zwei Arztpraxen gewonnen werden. Die Fachkraft des Projektes wird von der Stadt Köln zunächst für den Zeitraum von zwei Jahren gefördert.4 4.2 Gerontopsychiatrische und medizinische Versorgung Die gerontopsychiatrische Versorgung wird für die Stadt Köln durch drei Gerontopsychiatrische Zentren vorgehalten, von denen zwei unter Leitung der Kliniken Köln des Landschaftsverban- des Rheinland und eine unter Leitung der Alexianer Krankenhaus GmbH stehen. Ein Gerontop- sychiatrisches Zentrum im Nordwesten von Köln befindet sich zurzeit im Aufbau. Bestandteile des GPZ sind die Institutsambulanz, die gerontopsychiatrische Tagesklinik, die Fachberatungs- stelle sowie ein Tagespflegeangebot.5 Das Kölner Versorgungsangebot zeichnet sich durch die Kombination der von der Psychiatrie-Enquete Sachverständigenkommission vorgesehenen Versorgungselemente mit der Fachberatungsstelle, die durch Sozialarbeiter/innen oder Sozial- pädagogen/innen besetzt werden, aus. Finanziert werden diese zusätzlichen Beratungsleistun- gen durch Mittel der Stadt Köln im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge. Die Fachbera- tungsstellen bieten neben den Einzelfallhilfen auch Pflegekurse für Angehörige und Angehörigengesprächskreise sowie zum Teil niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote an. Darüber hinaus übernehmen die gerontopsychiatrischen Abteilungen der Rheinischen Klin- ken Köln und Langenfeld sowie die Gedächtnisambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psycho- therapie des Universitätsklinikums Köln und die Alexianer Krankenhaus GmbH entsprechend der gesetzlichen Vorgaben auch gerontopsychiatrische Versorgung. Im Kölner Stadtgebiet halten darüber hinaus drei Kliniken geriatrische Fachabteilungen vor, von denen eine Klinik seit 2008 den Lehrstuhl für Geriatrie der Universität zu Köln beheimatet. Eine Andere setzt im Rahmen eines Modellprojektes seit 2009 die Versorgung von Menschen mit Demenz nach dem Silviahemmet-Konzept um. Hierzu wurde eine eigene Station mit acht Bet- ten eingerichtet, die Mitarbeiter/innen nach dem Konzept der Silviahemmet6 Stiftung geschult und die Tagesstruktur im Klinikalltag an die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz angepasst. Die Diagnostik sowie die weitere medizinische Versorgung von Menschen mit Demenz werden in Köln überwiegend durch niedergelassene Ärzte/innen abgedeckt. Im Stadtgebiet gibt es ins- 4 Stellenumfang: 0,5 Vollzeitäquivalent. 5 In Fällen, wo Tagespflege nicht direkt über den Träger angeboten werden kann, bestehen Kooperationen mit orts- ansässigen Angeboten anderer Träger (vgl. hierzu auch Kapitel 5.4.2) 6 vgl. hierzu auch http://www.silviahemmet.se (Stand: November 2009). 9
gesamt 530 Ärzte für Allgemein Medizin/Praktische Medizin, 233 hausärztlich tätige Internis- ten/innen sowie 72 Fachärzte/innen für Neurologie7. 4.3 Pflegerische Versorgung Für die pflegerische Versorgungsstruktur in Köln ergab die Strukturanalyse8, dass insgesamt 124 ambulante Pflegedienste, ein ambulanter Palliativdienst und 16 ambulante Hospizdienste im Stadtgebiet tätig sind. Unter den ambulanten Pflegediensten bringen sich einige Angebote verstärkt in die Versorgung von Menschen mit Demenz ein und haben hierzu entsprechende Konzepte entwickelt. In der teilstationären Versorgung befinden sich in Köln zwölf Tagespflegeangebote mit insge- samt 167 Plätzen, die auch Menschen mit Demenz aufnehmen. Davon halten vier Einrichtun- gen mit 57 Plätzen ein spezielles gerontopsychiatrisches Angebot vor. Solitäre Kurzzeitpflege, die insbesondere im Rahmen der Verhinderungspflege zur Entlastung pflegender Angehöriger von Menschen mit Demenz beitragen, wird im Stadtgebiet in sechs Einrichtungen mit 83 Plät- zen angeboten, von denen eine Einrichtung mit elf Plätzen auf gerontopsychiatrische Kurzzeit- pflege spezialisiert ist. Zusätzlich finden sich in 54 der stationären Einrichtungen insgesamt 271 eingestreute Plätze der Kurzzeitpflege. Die stationäre Versorgung Pflegebedürftiger in Köln wird durch 82 Einrichtungen erbracht, die 7.668 Pflegeplätze vorhalten. Wie sich anhand der Anteile von Demenzerkrankten unter den Bewohner/innen zeigt, ist die stationäre Versorgung inzwischen auch überwiegend durch die Pflege von Demenzerkrankten geprägt. Viele der Einrichtungen haben auf diesen Umstand be- reits mit der Verankerung von speziellen Versorgungskonzepten sowie der Einrichtung von Wohnbereichen für Menschen mit Demenz reagiert. Insgesamt werden in Köln 551 Plätze in der vollstationären Dauerpflege für gerontopsychiatrisch veränderte Menschen bereitgestellt. Für Menschen mit Demenz werden darüber hinaus 103 Plätze nach einem speziellen Hausgemein- schaftskonzept9 vorgehalten. Insbesondere größere Träger gehen inzwischen dazu über, Ver- bundeinrichtungen vorzuhalten, in denen neben der stationären Versorgung auch Kurzzeitpfle- ge und Tagespflege vorgehalten wird. In Köln werden darüber hinaus auch alternative Wohnformen vorgehalten. So sind von den ins- gesamt acht ambulant betreuten Wohngemeinschaften fünf Angebote insbesondere auf die Versorgung von Menschen mit Demenz ausgerichtet. Eine der ambulant betreuten Wohnge- meinschaft richtet sich an russischsprachige dementiell erkrankte Menschen. Vier ambulant betreute Wohngemeinschaften befinden sich derzeit in der Bauphase. 7 Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein http://www.kvno.de (Stand: November 2009). 8 Die vorliegenden Daten wurden mit dem Stand Oktober 2009 erhoben. Soweit bekannt wurden Angebote, die in der weiteren Projektlaufzeit entstanden, ergänzend aufgenommen (vgl. hierzu auch Kapitel 2). 9 Diese basieren überwiegend auf dem fachlichen Standard des KDA-Modell handelt es sich um eine stationäre Ver- sorgungsform, die sich auch für die Versorgung von Menschen mit Demenz eignet (vgl. hierzu BMG 2004). 10
4.4 Niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote Ein Versorgungsangebot, das durch zusätzliche Betreuungsleistungen im Rahmen des Pflege- weiterentwicklungsgesetzes gestärkt wird, stellen die niedrigschwelligen Hilfe- und Betreuungs- angebote dar. Hier hat das Modellprojekt „Tandem“10 seit dem Jahr 2001 einen wesentlichen Beitrag zum flächendeckenden Aufbau entsprechender Angebote vor allem in der häuslichen Unterstützung im Stadtgebiet geleistet. Nach Abschluss der Projektlaufzeit wurde das erprobte Konzept auf die Versorgung anderer Stadtteile durch die Stadt Köln ausgeweitet und im Rah- men von Beauftragungen an Anbieter vergeben. Die Anbieter haben ihre Angebote nach Stadt- teilen und Versorgungsgebieten organisiert. Bei den niedrigschwelligen Hilfe- und Betreuungsangeboten in Köln handelt es sich um zehn Betreuungsgruppen11 sowie acht Helfer- und Helferinnen-Kreise zur häuslichen Entlastung. Für sieben dieser Angebote zur häuslichen Entlastung werden von der Stadt Köln im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge die Stellenanteile der hauptamtlichen Koordinatoren/innen finan- ziert. Als weiterer Bestandteil der Stärkung von Angehörigen werden im Stadtgebiet Angehörigen- gruppen und -gesprächskreise von hauptamtlichen Fachkräften, bspw. über die GPZs oder die Wohlfahrtspflege, umgesetzt. Die von der Selbsthilfe organisierten Angehörigengesprächs- kreise und Unterstützungsangebote haben vor allem im westlichen Stadtgebiet eine lange Tra- dition (vgl. hierzu auch Kapitel 4.5.). Das Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland ist Teil der vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW initiierten Landesinitiative Demenz-Service NRW. Durch die Aktivitäten des Demenz-Servicezentrums konnten im Stadt- gebiet, über die bereits dargestellten Angebote hinaus, innovative Ansätze implementiert wer- den. So wird seit 2008 im Rahmen des Projektes „Wir tanzen wieder" ein regelmäßiger Tanz- nachmittag in Kooperation mit einer ADTV Tanzschule in Köln angeboten, um Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen einen Raum für gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Auch das Projekt „Café Offerte trifft Fit für 100" hat zum Ziel, über ein gemeinsam wahrgenom- menes Bewegungsangebot zur Entlastung und Kraftsteigerung beizutragen. Es handelt sich hierbei um ein ambulantes Kooperationsprojekt für Betroffene und deren Angehörige in der Umsetzungsphase. Der tiergestützte Besuchsdienst "4 Pfoten für Sie" für Menschen mit Demenz wurde in Koopera- tion des Vereins "Porzer Bürger für psychisch Kranke e.V." mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland und einer Hundeschule initiiert. Es handelt sich hierbei um ein niedrigschwelliges Hilfe- und Betreuungsangebot, dass über geschulte Ehren- 10 Gefördert wurde das Modellprojekt durch das ehem. Ministerium für Arbeit, Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. 11 vgl. hierzu auch Verordnung über niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote für Pflegebedürftige (HBPfVO) des Landes Nordrhein-Westfalen. 11
amtliche tiergestützte häusliche Entlastungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre pfle- genden Angehörigen umsetzt. Gefördert wird das Projekt durch die Aktion Mensch, dieGesellschafter.de. Mit der Initiierung des ersten Gruppenangebotes für Menschen mit Demenz im Frühstadium in Köln konnte im Jahr 2008 ein erster Schritt zur Schließung einer wesentlichen Versorgungslü- cke in der Demenzversorgung geleistet werde. Die Gruppe „MEMO" richtet sich direkt an Früh- diagnostizierte mit Demenz, informiert und unterstützt die Betroffenen zu der Erkrankung und möglichen Therapieformen sowie rechtlichen Grundlagen der Versorgung. Initiiert wurde das Projekt ursprünglich durch das Demenz-Servicezentrum und wird inzwischen durch einen ande- ren ortsansässigen Träger fortgeführt. Weitere vergleichbare Angebote für diese Zielgruppe sind zum Zeitpunkt der Berichtslegung in Planung. Neben den beschriebenen Angeboten werden von verschiedenen Trägern auch Reisen sowie Tagesausflüge für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen angeboten. Diese werden insgesamt positiv angenommen und stark nachgefragt. Im Jahr 2009 wurden die ur- sprünglich geplanten Angebote von zwei auf drei Reisen ausgeweitet und vier bis fünf Tages- ausflüge für je ca. 15 bis 25 Personen durchgeführt: „Viele sagen: ‚Wir sind viel gefahren und alleine traue ich mir das nicht zu mit meinem demenzkranken Partner.’ Das wird gerne genutzt.“ (Quelle: KOE-016) Unterstützt wird die hauptamtliche Fachkraft bei der Umsetzung dieser An- gebote durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Im Stadtgebiet finden sich darüber hinaus weitere Angebote, die in einem multiprofessionellen Team organisiert und umgesetzt werden, wie bspw. das Angebot von Museumsbesuchen für Menschen mit Demenz in Kooperation mit einem Kölner Museum. 4.5 Selbsthilfe und Interessensvertretungen Die Selbsthilfe der pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz hat in Köln eine lange Tradition. So wurde bereits 1989 die Alzheimer Gesellschaft Köln e.V. gegründet und durch die Fachstelle für pflegende Angehörige begleitet und unterstützt. Zu den gemeinsamen Aktivitäten zählen vor allem Schulungs- und Informationsangebote sowie Gesprächskreise. Im Jahr 2003 wurde dann die Alzheimer Selbsthilfe e.V. gegründet, die inzwischen zahlreiche Einzelfallbera- tungen und Begleitungen macht, einen Gesprächskreis anbietet und umfangreiche Öffentlich- keitsarbeit betreibt. Hierzu gehören neben dem Betrieb einer Homepage Vortragstätigkeiten, Pressearbeit, das Erstellen von Informationsmaterialien sowie Podcast-Sendungen. Diese er- schienen in der Zeit von September 2007 bis September 2008 unter dem Titel „Alzheimer- Gespräche“12 in Kooperation mit einem Journalisten/innen-Team und wird seit September 2008 unter Titel „Treffpunkt Alzheimer“13 fortgeführt. Zu den 14-tägig ausgestrahlten Sendungen werden Experten/innen eingeladen, die von den Moderatoren/innen zu verschiedenen Frage- stellungen um das Thema Demenz interviewt werden. Die Alzheimer Selbsthilfe Köln e.V. ver- bindet eine langjährige Kooperation mit dem Alzheimer Forum e.V. der SBK Köln. 12 Vgl. hierzu auch http://www.alzheimer-gespraech.de 13 Vgl. Hierzu auch http://www.treffpunkt-alzheimer.de/index.html 12
4.6 Informationsangebote Ergänzend zu den bereits dargestellten Versorgungsbereichen wird durch die beteiligten Akteu- re/innen in Köln den Informationsangeboten für pflegende Angehörige und die Fachöffentlich- keit eine wesentliche Bedeutung zugeschrieben. „Also ich finde, dass es wichtig ist und da geht’s ja nicht um die Demenzkranken, es geht ja erst mal um die Angehörigen, die dann Hilfe suchen und nicht der Demenzkranke. Dass es für die An- gehörigen wichtig ist, dass für mich als Angehöriger klar auch ist, an wen kann ich mich mit wel- chem Problem wenden. (…) Die Stadt Köln (…) hat da nochmal so eine Vorreiterrolle: Extra Bro- schüren für Demenzkranke raus gebracht, so an wen kann ich mich wenden, wo gibt es Büros, wo gibt es Beratungsstellen, wer bietet beschützende Einrichtungen an, wer bietet Tagespflege an z.B. (…). Und ich finde das ist wichtig, (…) man sagen kann, an wen kann ich mich wenden. So und ich habe in einer Broschüre alles, was ich brauche, damit ich mich informieren kann.“ (KOE-028) Hierzu wird durch die Stadt Köln seit 2006 der Wegweiser Demenz sowohl als Printmedium als auch als Online-Datenbank veröffentlicht. Die Mitarbeiter/innen der Abteilung für Senioren und Behinderte des Amtes für Soziales und Senioren der Stadt Köln übernehmen die Pflege und Aktualisierung des Wegweisers. Die Seniorenzeitschrift Kölner Leben wird ebenfalls durch die Stadt Köln herausgegeben und erscheint vierteljährlich. In der Zeitschrift wird regelmäßig über die Aktivitäten in der Demenzversorgung berichtet, und Akteure/innen aus der Region können dort Informationen zu ihren Angeboten ebenso wie Aufrufe für Ehrenamtliche platzieren. Im Jahr 2006 wurde der Deutsche Seniorentag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren- organisationen (BAGSO) in Köln durchgeführt und richtete sich an eine breite Öffentlichkeit. Im Rahmen der Seniorentage wurde auch ein Schwerpunkt zur Versorgung von Menschen mit Demenz in Köln in Kooperation verschiedener Ortsansässiger Akteure unter Koordinierung des Demenz-Servicezentrums umgesetzt. Neben den zahlreichen Vortrags- und Informationsangeboten des Alzheimer Forums e.V. und anderer Träger in Köln werden seit 2008 jährlich die Kölner Demenzwochen durchgeführt und durch das Demenz-Servicezentrum in Kooperation mit der Alzheimer Selbsthilfe e.V. koordi- niert. Ziel der Demenzwoche ist es, in einem festgeschriebenen Zeitraum von 14 Tagen so viele Veranstaltungen wie möglich im ganzen Stadtgebiet umzusetzen. Die Veranstaltungen werden von den einzelnen Akteuren/innen durchgeführt, Räumlichkeiten und Referenten/innen müssen ebenfalls von ihnen gestellt werden. Die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit wird durch das De- menz-Servicezentrum umgesetzt. 4.7 Überblick zur Historie der Aktivitäten in der Stadt Köln 1979 Gründung der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) und in Folge des PSAG Arbeitskreises Alterspsychiatrie in Köln 1989 Gründung der Alzheimer Gesellschaft Köln e.V. 13
1997/1998 Berücksichtigung der gerontopsychiatrischen Versorgung im Rah- men der Pflegebedarfsplanung der Stadt Köln 1998 Gründung des Alzheimer Forums e.V. durch die Senioren und Be- hindertenbetriebe der Stadt Köln 1999 Implementierung des Hausgemeinschaft-Konzeptes in der Versor- gung von Menschen mit Demenz im Stadtgebiet 2002 Implementierung der ersten Gerontopsychiatrischen Zentren ge- mäß Psych-Enquete Kommission 2002 Aufbau der Seniorennetzwerke Köln 2003 dauerhafte Implementierung der Stellen für häusliche Unterstüt- zung nach Modellphase des „TANDEM Projektes“ 2003 Erweiterung der Angebote der Gerontopsychiatrischen Zentren durch die Fachberatungsstelle 2003 Gründung der Alzheimer Selbsthilfe e.V. 2004 Initiierung der ersten ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz Oktober 2005 Öffentliche Fachtagung zum Thema „Demenz – Hilfen jetzt und in der Zukunft“ in Kooperation mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland 2006 Eröffnung der ersten ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz 2006 erstmalige Veröffentlichung des Wegweisers für Menschen mit Demenz als Broschüre und Online 2006 Gründung des Arbeitskreises Niedrigschwellige Hilfe- und Be- treuungsangebote 2006 Gründung des Demenznetzes Porz Mai 2006 8. Seniorentag der BAGSO in Köln Seit April 2008 Kooperationsvereinbarung mit der TU Dortmund zur Evaluation von Versorgungsstrukturen für Menschen mit Demenz auf kom- munaler Ebene im Rahmen der Ausschreibung „Leuchtturmprojekt De- menz“ Oktober 2008 Durchführung der ersten Kölner Demenz-Wochen in Köln in Ko- operation mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland und der Alzheimer Selbsthilfe e.V. Oktober 2008 erste zertifizierte Schulung für Ärzte/innen zu dem Thema „Brenn- punkt Demenz“ in Kooperation mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland und der Kassen- ärztlichen Vereinigung Nordrhein November 2008 erste zertifizierte Schulung für Arzthelfer/innen und medizinisches Fachpersonal zu dem Thema „Brennpunkt Demenz“ in Kooperati- on mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland 14
2009 zweite Auflage des Wegweisers für Menschen mit Demenz Okt./ Nov. 2009 Durchführung der zweiten Kölner Demenz-Wochen in Köln in Ko- operation mit dem Demenz-Servicezentrum für die Region Köln und das südliche Rheinland und der Alzheimer Selbsthilfe e.V. Ergänzend zu den hier vorgestellten Aktivitäten werden durch die Akteure/innen im Stadtgebiet über den gesamten Zeitraum auch Vortrags- und Informationsveranstaltungen für pflegende Angehörige und die breite Öffentlichkeit durchgeführt, wie bspw. das jährlich stattfindende Symposium des Alzheimer Forums e.V. oder Veranstaltungen im Dom Forum. 5 Vernetzungen innerhalb der Versorgungsstruktur Die Untersuchung der vernetzten Versorgungsstrukturen ergab, dass für die Stadt Köln ver- schiedene Netzwerke in der Versorgung von Menschen mit Demenz bestehen. So gehen we- sentliche Vernetzungen von der Abteilung für Senioren und Behinderte des Amtes für Soziales und Senioren der Stadt Köln aus. Zusätzlich haben sich aber auch verschiedene Anbieter der medizinischen, pflegerischen sowie psychosozialen Beratung und Begleitung zu Netzwerken zusammengetan. Des Weiteren bestehen innerhalb der jeweiligen Träger-Organisationen un- terschiedlich stark ausdifferenzierte Netzwerke. Diese verschiedenen Vernetzungsformen wer- den im Folgenden eingehender dargestellt. 5.1 Vernetzungsaktivitäten Die Koordinierung des Auf- und Ausbaus der Demenzversorgung für das gesamte Stadtgebiet wurde, wie der kurze Überblick zur Entwicklung der kommunalen Aktivitäten in Kapitel 4.7 ver- anschaulicht, durch die Kommunalverwaltung und insbesondere durch die Abteilung für Senio- ren und Behinderte des Amtes für Soziales und Senioren initiiert. Die Kommunalverwaltung hat hierbei gemäß des gesetzlich fixierten Sicherstellungsauftrags wesentliche Schnittstellen- und Steuerungsaufgaben wahrgenommen. Der sozialraumbezogene Ausbau der Angebote für älte- re Menschen unter Einbezug der Potenziale bürgerschaftlichen Engagements wurde bereits im Jahr 2002 durch die Initiierung der Seniorennetzwerke verfolgt. Auch das Projekt „Veedel für Menschen“ trägt zur Vernetzung im Sozialraum bei. Der quartiersbezogene Ausbau der Versor- gungsstruktur für Menschen mit Demenz erfolgte nahezu zeitgleich mit der Umsetzung der Se- niorennetzwerke. So wurden die Koordinationsstellen für niedrigschwellige Hilfe- und Betreu- ungsangebote mit dem Ziel eingerichtet, die Versorgung in der eigenen Häuslichkeit für Men- schen mit Demenz zu verbessern und für pflegende Angehörige zu erleichtern. Mit den Trägern der Wohlfahrtspflege, bei denen die Koordinationsstellen angesiedelt sind, bestehen Beauftra- gungen durch die Stadt Köln zur Umsetzung dieses Versorgungsangebotes. Durch die bereit- gestellten Mittel werden die Stellenanteile der hauptamtlichen Kräfte finanziert, die nicht über die Pflegeversicherung refinanziert werden. Sie stellen eine wesentliche Schnittstelle in der Be- gleitung der Ehrenamtlichen sowie der bedarfsorientierten Vermittlung in die Familien dar. Auch die Aufgaben der Fachberatungsstellen Demenz in den Gerontopsychiatrischen Zentren eben- so wie die Seniorenberater/innen werden über entsprechende Beauftragungen durch die Stadt 15
Köln an verschiedene Träger vergeben. Weitere vertragliche Fixierungen bestanden zum Erhe- bungszeitpunkt in Köln darüber hinaus zwischen den Anbietern ambulanter und stationärer Pflege mit den Pflegekassen in Form von Versorgungsverträgen. Vereinzelt finden sich des Weiteren zwischen einzelnen Anbietern vertragliche Fixierungen bspw. in Kooperationen zwi- schen Selbsthilfe und der freien Wohlfahrtspflege oder zwischen einzelnen Anbietern wie bspw. den Gerontopsychiatrischen Zentren und ortsansässigen Tagespflegeangeboten. Eine wesentliche Vernetzungsform stellt die Liga der Wohlfahrtsverbände dar, deren jährlich gewählte/r gemeinsame/r Sprecher/in in Kontakt mit der Kommunalverwaltung steht. Das Netz- werk der Wohlfahrtsverbände umfasst dabei die verschiedenen Versorgungsbereiche und er- möglicht eine weitestgehend an Stadtbezirken oder -teilen orientierte Übernahme von Versor- gungsaufgaben. Das Demenznetz Porz ist das einzige demenzspezifische Netzwerk auf Quartiersebene, das aus der Veranstaltung „Demenz – Hilfen jetzt und in der Zukunft“ im Jahr 2005 entstanden ist. Hier hatte das Demenz-Servicezentrum als Veranstalter die Akteure/innen aufgefordert, Ange- bote quartiersbezogen zu präsentieren. Ziel der Gründung des Netzwerkes war die umfassende Versorgung von Menschen mit Demenz in ihrem sozialräumlichen Umfeld und die Überwindung der Schnittstellenproblematik zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen. Betrachtet man insgesamt die Kooperationszusammenhänge im Stadtgebiet, so lässt sich kon- statieren, dass bis auf die genannten wenigen vertraglich festgelegten Ausnahmen die Koope- rationen auf persönlichen Kontakten der Akteure/innen untereinander basieren. Die Netzwerk- arbeit wird dabei im Wesentlichen im Rahmen der Arbeitskreise und Runden Tische Altenarbeit vorangetrieben. Hierdurch ergeben sich für das ganze Stadtgebiet neun aktive Netzwerke zum Thema Altenarbeit auf Ebene der Stadtbezirke. Darüber hinaus haben sich im ganzen Stadtge- biet verschiedene themenspezifische Netzwerke gebildet, die jeweils unter Beteiligung der Kommunalverwaltung unterschiedliche Vernetzungsaktivitäten aufweisen (vgl. hierzu auch Ka- pitel 5.3.1). Auch die Arbeitskreise der Seniorennetzwerke werden von den Akteuren/innen der Demenzversorgung regelmäßig genutzt, um sich stadtteilbezogen zu vernetzen. Bei den Run- den Tischen und Arbeitskreisen handelt es sich in der Regel um multiprofessionelle Netzwerke aus den verschiedenen Bereichen, wie der pflegerischen Versorgung, den Beratungsstellen, den Kirchengemeinden, der Krankenhausversorgung, den Seniorenvertretungen sowie anderen Interessierten. Von den Akteuren/innen in Köln wird insgesamt die Beteiligung von Ärzten/innen an Netzwerken als eher gering beschrieben. Gründe werden hier, wie auch in anderen Versor- gungsregionen, von den Akteure/innen in den gedeckelten Budgets oder auch Regelleistungs- volumina sowie der zu geringen Vergütung bei einer sehr beratungsintensiven Patienten- Gruppe gesehen. Ärzte/innen sind in den bestehenden Netzwerken in der Regel lediglich über die Gerontopsychiatrischen Zentren oder die geriatrische Versorgung der Kliniken eingebunden. Hier erhoffen sich die Befragten durch das Projekt der Stadt Köln zur Implementierung von Fachberatungsangeboten in Arztpraxen eine höhere Beteiligung dieser Berufsgruppe. 16
Wie die interviewten Akteure/innen angaben, sind Vertreter/innen der Pflegekassen kaum an den Netzwerken in Köln beteiligt. So sind die Pflegekassen zwar im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenz und der Pflegekonferenz ebenso wie im Rahmen von Vergütungsver- handlungen entsprechend präsent, eine Beteiligung an den quartiersbezogenen Netzwerken kann allerdings zum Zeitpunkt der Erhebung für keinen der Arbeitskreise verzeichnet werden. Auf der operativen Ebene berichten die Interviewten überwiegend von Kooperationszusam- menhängen mit einzelnen Pflegeberater/innen der Kassen, die vorwiegend von der Qualität der persönlichen Beziehungen abhängen. Den Einbezug von Kassen und Betreuungsstellen in Vernetzungsstrukturen halten die Befragten jedoch für die Optimierung und konzeptionelle Wei- terentwicklung der Versorgung für Menschen mit Demenz für absolut sinnvoll. Diese Aussagen werden durch die Ergebnisse der Dokumentenanalyse und der beobachtenden Teilnahme an Veranstaltungen bestätigt. 5.2 Motivation für Vernetzung Ein großes Problem wird in der Demenzversorgung in Köln in der Erreichbarkeit der pflegenden Angehörigen gesehen. Obwohl von den Befragten übereinstimmend ein großer Bedarf bei den Angehörigen an häuslicher Unterstützung und finanzierbaren Entlastungsangeboten benannt wurde, werden die entsprechenden Angebote, nach Angabe der Akteure/innen, von vielen pfle- genden Angehörigen erst relativ spät im Pflegeverlauf und bei deutlicher Überlastung, die häu- fig mit sozialer Isolation der Familien bzw. der Pflegepersonen einhergeht, in Anspruch ge- nommen. Diesem Überlastungsumstand entgegen zu wirken und einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität für und der Stärkung der sozialen Teilhabe von Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen leisten zu wollen, benennen die interviewten Akteure/innen als eine wesentliche Motivation, sich in der Demenzversorgung zu vernetzen. So steht für sie die Hilfe für Angehörige und Demenzerkrankte im Vordergrund. Dieses gemeinsame Ziel motiviert zur Beteiligung an Netzwerken, denn nach Einschätzung der Befragten kann durch Kooperationen die Versorgungssituation besser gesichert und auf Entwicklungen direkter bspw. im Rahmen von Überleitungsmanagement reagiert werden. Die Motivation der Stadt Köln zum Auf- und Ausbau vernetzter Strukturen ist, zur Enttabuisie- rung des Themas Demenz in der Öffentlichkeit beizutragen und bereits identifizierte Versor- gungslücken wie bspw. im Bereich der alternativen Wohnformen zu schließen. Durch die Um- setzung des Prinzips „ambulant vor stationär“ wird eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen angestrebt. Als wesentliche Gründe für die Netzwerkarbeit werden in Köln der fachliche Austausch (auch trägerübergreifend) und das Knüpfen persönlicher Kontakte zu anderen Akteuren/innen, um das Schnittstellenmanagement zu verbessern, benannt. Insgesamt sagten die Akteure/innen aus, dass der Aufbau von Netzwerken besonders in der Anfangszeit personal- und zeitintensiv sei, letztendlich aber zur Optimierung der Ressourcen und Arbeitsabläufe beitrage. Insbesondere in 17
der Aufklärungsarbeit und bei der Umsetzung öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen wird die gemeinsame Arbeit bspw. über Arbeitskreise und Runde Tische als hilfreich empfunden, da einzelne Akteure/innen entsprechende Veranstaltungen nicht im gleichen Umfang organisieren könnten. Hier werde die Bündelung von Ressourcen genutzt, um zur Enttabuisierung des The- mas beizutragen. Außerdem wirke sie sich letztendlich auch auf die Darstellung der eigenen Angebote in der Öffentlichkeit positiv aus. Über die Kooperation innerhalb der Netzwerke lassen sich weitere Synergie-Effekte nutzen: so werden bspw. von kooperierenden Trägern gemein- same Schulungsangebote für pflegende Angehörige aber auch in der Qualifizierung von Ehren- amtlichen nach der Landesverordnung HBPfVO umgesetzt. Auch eine stärkere Vernetzung von verschiedenen Versorgungsbereichen wird von den einzel- nen Akteuren/innen positiv wahrgenommen. Über die Netzwerkarbeit könne man von unter- schiedlichen Erfahrungen aus dem pflegerischen Bereich, der medizinischen Versorgung oder anderen Bereiche profitieren. Insgesamt ist bei den an den verschiedenen Netzwerken beteilig- ten Organisationen und Akteuren/innen eine ausgeprägte Gemeinwesenorientierung zu be- obachten. So steht für die Akteure/innen vor allem die vernetzte Versorgung im jeweiligen Quar- tier im Vordergrund. Die Bereitschaft, sich im Quartiersbezug auch mit Akteuren/innen aus an- deren Arbeitsbereichen der medizinischen Versorgung sowie der sozialen Arbeit aber auch des öffentlichen Lebens zu vernetzen, scheint im Stadtgebiet insbesondere in den letzten Jahren zugenommen zu haben. Gründe hierfür können bspw. in der steigenden Nachfrage von de- menzspezifischen Versorgungsangeboten sowie in den Aktivitäten der Kommunalverwaltung liegen. Insgesamt wurde von den Akteuren/innen beschrieben, dass die Netzwerkarbeit dazu beitrage, dass sich die Beratungssituation erleichtere, da die Transparenz auch in anderen Ver- sorgungsbereichen zunehme und entsprechende Kooperations- und Ansprechpartner/innen aus den Netzwerktreffen bekannt seien. „Natürlich, einen Nutzen gibt es immer. (…) Ich bin a) der Überzeugung, wenn man sich vernetzt, ist das für die eigene Qualität immer von Vorteil. Wie gesagt, der fachliche Austausch ist da; der persönliche Kontakt macht vieles leichter. Auch um den Klienten (…) das zukommen zu lassen, was sie dann wirklich brauchen. Wir sind ja nun auch nicht derjenige, der jetzt alles anbietet, was ein Mensch mit Demenz braucht. Und dann zu gucken, wie kriege ich den optimal versorgt, was passt zusammen, was gehört zusammen. Sich fachlich weiter zu entwickeln; mit anderen zusam- men zu gucken, (…) wo fehlt's noch, wo muss was hin. (…) Es kommt auch dem eigenen Profil zu- gute, wenn man mit seinem Angebot gut integriert ist. Ich gehe davon aus, das hat sicherlich auch Synergie-Effekte für alle anderen Angebote.“ (KOE-006) Von Akteuren/innen aus den pflegerischen Versorgungsbereichen wurde mehrfach auch die Marktplatzierung, die sich durch vernetzte Strukturen und die Erweiterung des eigenen Angebo- tes verbessert, als Motivation für Vernetzung benannt. So wurde von Befragten die Einschät- zung geäußert, dass die Nicht-Teilnahme am Netzwerk einen möglichen Informationsverlust nach sich ziehen könne und durch die Netzwerkarbeit die eigene Angebotspalette erweitert werde. „Es ist sicherlich so einfach der informelle Austausch, der ‘ne große Bedeutung hat, einfach auf dem Laufenden zu sein. Dann seine eigene Idee von gerontopsychiatrischer Arbeit zu vermitteln 18
und zu vertreten und natürlich auch mit dem Zweck letztendlich, ‘ne Kunden-Akquise zu gewähr- leisten.“ (KOE-010) Ein weiteres Motiv für die Teilnahme an Vernetzungsaktivitäten war die persönliche Betroffen- heit einzelner befragter Personen, auch unter den hauptamtlichen Akteuren/innen. Persönliche Erfahrungen bei der Pflege von Angehörigen mit Demenz tragen zur Sensibilisierung der Akteu- re/innen bei. Die Optimierung der Versorgung führe aus ihrer Sicht letztendlich dazu, dass zu- kunftsfähige Strukturen und Ansätze erprobt und etabliert werden können, die die eigene Ver- sorgungssituation im Alter verbessern. Der Ausbau der vernetzten, optimierten Versorgungsstrukturen wird aus Sicht der Befragten auch zukünftig positive Effekte für die Stadt aufweisen, da diese sich vorteilhaft auf die Versor- gungssituation und Lebensqualität der Bürger/innen und insbesondere der pflegenden Angehö- rigen auch jüngerer Altersgruppen auswirke und ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Wohn- und Lebensraumes in Köln darstelle. 5.3 Art der Vernetzung Bei den Netzwerken in Köln handelt es sich überwiegend um Strukturen mittleren bis höheren Formalisierungsgrades. So bestehen in Bereichen der kommunalen Pflichtaufgaben wie den Senioren- und Fachberatungen und der gerontopsychiatrischen Versorgung vertragliche Ab- sprachen zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern. Auch der Organisations- grad der jeweiligen Netzwerke ist unterschiedlich stark ausgeprägt. So weisen bspw. die Struk- turen der Sitzungen, der Turnus der Treffen sowie die Dokumentation und Informationsweiter- gabe auf einen eher höher formalisierten Arbeitszusammenhang hin. Hierbei kommt insbeson- dere den Koordinatoren/innen der jeweiligen Netzwerke wie bspw. den Seniorenberater/innen oder den kommunalen Stellen im Amt für Soziales und Senioren sowie dem Gesundheitsamt wesentliche Bedeutung zu, da hier der dezentrale Ausbau der Versorgungsstrukturen unter- stützt und gesteuert wird (vgl. hierzu auch Kapitel 5.4.3). Von den Befragten werden vertragliche Vereinbarungen in ihrer Wirkung auf die Effektivität von Netzwerkarbeit unterschiedlich bewertet. So werden insbesondere bei Kooperationsanlässen wie der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit oder Schulungsorganisation eher temporäre Zu- sammenschlüsse als verbindliche Kooperationen basierend auf informellen Absprachen bevor- zugt. Eine Selbstverpflichtung der Beteiligten wird in diesen Kontexten als effektiv erachtet, da der formale Abstimmungsprozess auch innerhalb der Träger- bzw. Dachorganisationen nicht erforderlich ist und so flexibler reagiert werden kann. Für gemeinsame Projekte oder zur Um- setzung konkreter Versorgungskonzepte werden allerdings von verschiedenen Akteuren/innen vertragliche Vereinbarungen bzw. formalisierte Kooperationsprozesse als sinnvoll erachtet. Wie bereits in Kapitel 5.1 aufgezeigt, wurde im Rahmen der Interviews und der Dokumenten- analyse mehrfach die Bedeutung der Gemeinwesenorientierung hervorgehoben. Um die Netz- werke quartiersbezogen auszugestalten, werden Kontakte mit anderen Akteuren/innen wie Kir- chengemeinden, Vereinen, Kindergärten oder Schulen im Stadtteil geknüpft. Vereinzelt gab es 19
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